1913: Ferienheim auf dem Wittrehm wird eingeweiht

Die Bramstedter Nachrichten berichten am 11. Juli 1913, Foto und erläuternde Text habe ich zugefügt.

Einweihung des Wandsbecker Ferienheims.

Ferienheim der Wandsbecker Stadtmission, 1913, Bad Bramstedt

Ferienheim der Wandsbecker Stadtmission, 1913, Bad Bramstedt

Gestern langten mit dem Nachmittagszuge die Jungdeutschland-Abteilungen aus Wandsbeck und Barmbeck hier an, um Besitz zu ergreifen von ihrem neuen Heim hinter der Hambrücke. In langem Zuge ging es hinaus durch den Kaiser-Wilhelm- Wald, bis man das schmucke Haus, vor dem auf hohem Mast die Fahne flatterte, erreicht hatte. Vor dem Hause nahmen die jungen Gäste Aufstellung, und nachdem unter Posaunenbegleitung das Lied „Großer Gott, wir loben Dich“ gesungen war, hielt Pastor Boje aus Wandsbeck die Weiherede. Er wies nach einem Dank gegen Gott und einem Hoch ‚auf den Kaiser, sowie auf Bramstedt unter Zugrundelegung von Luk. 12, 36 die Knaben darauf hin, daß das Heim ihnen Segen bringen werde, daß sie sich aber auch dieses Segens wert zeigen müßten.

Nachdem daraus die Töne des Liedes „Lobe den Herren“ verklungen, ergriff Pastor Dr. Hümpel das Wort. Er erinnerte daran, daß man sich hier in Bramstedt aus altem historischen Boden befinde, dich die eben passierte Hambrücke nach Süden weise, daß sie erinnern an die Jahrhundertealten Beziehungen zwischen Bramstedt und Hamburg. Im Anschluß an Psalm 84, 2-6 führte er seinen jungen Zuhörern zu Gemüte, wie schön es sei um das neue Heim herum. Er wünschte, daß es ihnen ein rechtes Heim werde und ihnen das Elternhaus ersetzen möge, daß der Aufenthalt hier ihnen aber auch helfen möge, rechte Männer zu werden. Noch ein Lied, und dann setzten die Feriengäste sich an die gedeckten Tische, und diejenigen, die der Feier als Zuhörer beigewohnt hatten, begaben sich auf Einladung des Vorsitzenden in das Heim, um auf einem Rundgang dessen Einrichtung kennen zu lernen.


Ganz am Südrand der städtischen Holzungen wurde kurz vor dem 1. Weltkrieg ein Jugendheim der Wandsbeker Stadtmission am Wittrehm erbaut. Es sollte erholungsbedürftigen Stadtkindern einen billigen Landaufenthalt bieten. Es war ein schöner Fachwerkbau entstanden, den die älteren Leute aus Bramstedt nur noch als „Ferienheim” kennen und in Erinnerung haben mit einer großen Wasserpumpe
auf dem Hof. Dieses Gebäude wurde 1913 eingeweiht. So etwa um 1929/30 wurde dieses Jugendheim aufgelöst, und das schöne Gebäude wurde in Wohnungen aufgeteilt.
Es wohnten dort viele Jahre im „Ferienheim” 6-7 Familien zu günstigen Mieten. Alle hatten einen schönen großen Garten dabei. Auch allerlei Kleintiere sowie Ziegen und Hühner und Kaninchen waren da. Dieses schöne idyllische Fachwerkhaus wurde etwa 1970 verkauft und abgerissen. Es wurde dort ein Hotel gebaut (Parkhotel , Mees), das später (in den 1980ern) in ein Seniorenheim umgewandelt wurde.

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Parkhotel Mees, Bad Bramstedt

 

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Hamann: Die Küsterkoppel

Aus dem Nachlaß von Otto Schnepel jun. erhielt ich folgende Anekdote:

Die Küsterkoppel

(Eine wahre Begebenheit aus meiner Heimatstadt Bad Bramstedt)
– von Willy Hamann –

In der guten alten Zeit vor dem ersten Weltkrieg spielte sich in meiner Heimatstadt Bad Bramstedt die folgende ergötzliche Begebenheit ab:

Einleitend muß ich vorausschicken:
Die von dem Zimmermeister Heesch, meinem Urgroßvater, um die Mitte des vorigen Jahrhunderts vorgenommene Gründung eines Sol- und Moorbades wirkte sich in mancher Weise auch auf die wirtschaftliche Entwicklung Bramstedts aus. Durch das Bad wurden viele Fremde herangezogen und dadurch der Wohlstand des Ortes wesentlich gehoben. Das Solbad unterhielt eigenen Landwirtschaft und den entsprechenden Viehbestand. Außer eigenem Grundbesitz waren angrenzende Koppel und Weiden hinzugepachtet. Unter anderem auch die sogenannte „Küsterkoppel“. Diese alte Dauerweide befand sich in unmittelbarer Nähe des Bades und war daher für die Besitzer desselben unentbehrlich. Bereits viele Jahre dauerte das Pachtverhältnis an. Satzungsgemäß fand alle 7 Jahre eine Neuverpachtung statt. Jedoch war es selbstverständlich, daß auch nur ein Bramstedter Bauer daran dachte, ein Auge auf die Weide zu werfen. Sie gehörte eben traditionsgemäß zum Solbad.

Witwe Wilhelmine Heesch und ihre Töchter

Witwe Wilhelmine Heesch und ihre Töchter

Als nun der Gründer des Solbades, Matthias Heesch, im Jahre 1887 für immer seine Augen geschlossen hatte, ging der Besitz auf seine Witwe und 3 unverheiratete Töchter: HeIene, Auguste und Dora über. Der ersteren wurde die Küche übertragent während Auguste, allgemein von jedermann „Tante Guste“ genanntt den Badbetrieb sowie den „Pavillon“ leitete. Dieser „Pavillon“ hatte für das Solbad eine besondere Bedeutung. Wie der Name schon sagt, handelte es sich hierbei um einen geschlossenen verandaartigen Rundbau aus Holz, in welchem „Tante Guste“ den Ausschank von Spirituosen usw. vornahm. Es war eine Stätte der Erholung nach anstrengendem Bade.
Auch die Geschäftsleute von Bramstedt und Umgebung gaben sich hier ein Stelldichein, und sonntags war der Pavillon mit dem angrenzenden Kurpark der Treffpunkt vieler Einwohner des Ortes. Tante Guste war in ihrem Element. Von Natur aus wirtschaftlich und sparsam veranlagt, war sie stets darauf bedacht, möglichst wenig auszugeben und viel zu verdienen. Sie war das Gegenstück zu ihrer Schwester Helene. Diese war in allem etwas großzügiger. Daher kam es zwischen diesen beiden Schwestern auch häufiger zu kleinen Auseinandersetzungen und oft wurde von der einen Schwester ohne das Einverständnis der anderen eine Angelegenheit erledigt. Tante Guste war und blieb ein Original, nahm nie etwas tragisch übel und war fidel und guter Dinge.

Solbad Bramstedt mit großer Veranda

Solbad Bramstedt mit großer Veranda

Eines guten Tages kehrt nun ein Bramstedter Bauer Jürgen Zimmer, von seinen Ländereien zurückkehrend, im Pavillon ein. Tante Guste steht wie üblich hinter ihrer Theke mit dem Wischtuch beim Gläserreinigen. Zwischen gast und Wirtin entspinnt sich nun folgendes Gespräch:

„Lot mi een Köben un Seidel kriegen, Guste.“
„Gewiß mien Jörgen – hest mol na Jungveeh keeken.“
„Jo Guste, dats blots een beeten drög up Stunns.“

Na, ein Wort gab das andere. Vom Jungvieh und Wetter kamen sie auf die Landwirtschaft im besonderen und einzelnen zu sprechen und schließlich sagt Tante Guste: „Mein Jürgen, willst Du mir einen Gefallen tun. Nächste Woche findet die Verpachtung der Küsterkoppel statt. Du weißt ja am besten, was uns die Koppel wert ist. Die darf uns nicht aus der Nase gehen. Willst Du für uns bieten? Ich geb dann auch tüchtig einen für dich aus.“ Zimmer versprach die Interessen der Geschwister Heesch bestens wahrnehmen zu wollen und ging seiner Wege.

Der Termin der Landverpachtung kam heran. Der Saal in Rumohrs Gasthof am Bleeck war voller Pachtlustiger und natürlich auch einer Anzahl Neugieriger. Die Küsterkoppel gelangte zum Aufgebot. Bisher war ein jährlicher Pachtzins von 120 RM gezahlt worden. Zimmer denkt, mache die Sache man kurz und biete gleich ordentlich, dann ist der Fall schnell erledigt und der sagt: „Ik bed för de Kösterkoppel 120 Mark.“
Er hatte sich jedoch geirrt. Aus der anderen Ecke des Saales wurden 130 Mark geboten. Darauf Zimmer: 140 Mark. Der andere ließ sich nicht einschüchtern und bot 150 Mark, und so ging es fort bis auf 275 Mark.
Als Zimmer dieses Angebot gemacht hatte, erklärte der andere Bieter, es war der Zahntechniker Georg Schloika, – ein Schwager der Geschwister Heesch: „Wenn Zimmer soviel Geld hat, muß er die Küsterkoppel kriegen. Ich kann ein höheres Angebot nicht mehr verantworten.“
Zimmer sagte jedoch: „Ik will den Deubel don, die Koppel will ik ni för mi hebben. Ik heff blots för de Geschwister Heesch boden und Guste hett mi seggt: Up keenen Fall schull ik de Koppel lopen laten.“

Schloika hatte gleichfalls für die Geschwister Heesch geboten, er hatte von Helene den strikten Auftrag bekommen, die Koppel auf jeden Fall zu pachten.
Diese Sache ist damals in Bramstedts Gegend viel belacht worden. Denn: Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen.

Brunsbüttelkoog, Silvester 1946

Willy Hamann

Der Gondelteich am Sol- und Moorbad Bad Bramstedt

Der Gondelteich am Sol- und Moorbad Bad Bramstedt

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Kühl: Die Bramstedter Küsterei – Organistenhaus

Im April des Jahres 1939 veröffentliche August Kühl einen Artikel zur Bramstedter Küsterei und damit auch zu dem Organistenhaus einen zweiteiligen Artikel in den Bramstedter Nachrichten:

Die Bramstedter Küsterei

Infolge der Bestimmungen über die Abtrennung des Organistenamtes vom Lehreramt wird die Bramstedter Küsterei als solche eingehen. Das im Kirchenbleeck dem Haupteingang der Kirche gegenüberliegende Haus [Kirchenbleeck 13] , in dem seit Jahrhunderten der Organist und Küster wohnte und in dem auch die erste, lange Zeit die einzige Schule in Bad Bramstedt ihr Heim hatte, wird gegen eine angemessene Entschädigung von der Kirchengemeinde an die Stadt abgetreten werden, die es, wie man hört, anderen Zwecken dienstbar machen wird: Das gibt uns Veranlassung, der Geschichte der Bramstedter Küsterei nachzugehen und ihr einige Zeilen zu widmen.

Das letzte Organisten haus 1969, 2 Jahre später wurde es abgebrochen für den Neubau

Das letzte Organistenhaus 1969, 2 Jahre später wurde es abgebrochen für den Neubau

Wann die Küsterei entstanden ist, das läßt sich nicht feststellen. Wir dürfen wohl annehmen, daß sie ebenso alt ist wie die Bramstedter Kirche. Als nach der Unterwerfung der Wenden in Ostholstein durch Kaiser Lothar von Sachsen in Holstein ruhigere Zeiten eintraten, da wurden, teils durch Vizelin, den Missionar der Wenden, teils durch seine Nachfolger, überall im Lande die von den Wenden zerstörten Gotteshäuser wieder ausgerichtet und neue erbaut. Damals, etwa um das Jahr 1200, wird auch in Bramstedt eine Kirche an ihrem jetzigen Standort, wahrscheinlich von Neumünster aus, wo Vizelin ein Kloster gegründet hatte, von Mönchen dieses Klosters erbaut worden sein, nachdem das erste, wohl unter Ansgar, dem Hamburger Erzbischof, entstandene Gotteshaus in der Wendenzeit zerstört worden war. Seit der Zeit wird in Bramstedt ein Pastor als Hirte der Gemeinde amtiert haben, und ebensolange wird in der Kirche ein Küster seines Amtes als Wächter der Kirche und Helfer des Geistlichen gewaltet haben. Im Osten des Gotteshauses stand sicher wie heute das Pastorat und im Westen neben der Vikarie die Küsterei. Denn die Bramstedter Kirchengemeinde wurde damals von zwei Geistlichen betreut, dem Hauptpastor und dem Vikar, der auch wohl als Diakonus bezeichnet wurde.

Die Vikarie lag auf der Stelle, wo heute das Haus des Fleischbeschauers Harbeck [Kirchenbleeck 15] steht. So lagen Vikarie und Küsterei auf einem der Kirche gehörigen Grundstück zusammen. Das Amt des Vikars bestand noch kurze Zeit nach der Einführung der Reformation. Die Namen der drei letzten, nach der Reformation hier angestellten Vikare sind uns überliefert. Der erste hieß Friedericus, der zweite Johannes Wasmohr — er wurde von Eggert Bult erschlagen — und der dritte Isaak von der Burg. Letzterer wurde 1570 zum Hauptpastor ernannt und das Amt des Vikars wurde nach ihm nicht wieder besetzt. Die Vikarie ging ein, und das Haus wurde von der Kirche verkauft, mit ihm der Garten, der wie das zur Küsterei gehörige Grundstück bis an die Wiesen heranging, denn Hausplatz und Garten des Schuhmachermeisters Steiger [Kirchenbleeck 17] gehörten mit zur Vikarie.

Von der neben der Vikarie belegenen Küsterei hören wir erstmalig im Jahre 1589, also vor genau 350 Jahren. Aus diesem Jahre wird berichtet, daß sie neu gebaut worden sei. Der Bau kostete mit Einkauf des Holzes. Bau- und Sagerlohn und allem anderen 285 Mark 10 Schilling (Eine Mark Courant, um die es sich handelt, war gleich 1 Reichsmark und 20 Pfg., die Mark hatte 16 Schilling, der Schilling 12 Pfennige). Der damalige Küster war gleichzeitig auch Organist, denn es wird uns berichtet, daß im Jahre 1573 eine Orgel zum Gebrauch in der Kirche verfertigt wurde; sie kostete an Lohn und Zehrung 147 Mark 1 Schilling 4 Pfennig. Man vergleiche den Preis der Orgel mit den Baukosten, die die Küsterei erforderte. Aus dem Küster wurde ein Organist und Küster. Die letztere Bezeichnung als die ursprüngliche blieb aber bis in unsere Zeiten die allgemein übliche. Die Einsetzung des ersten Organisten wird mit folgenden Worten erwähnt: „Nachdem die Orgel fertig worden, ist anstatt des gewesenen ersten Küsters Caspar Röhlfing ein Organist angenommen, und demselben zum Gottespfennig gegeben 1 Reichsthaler (gleich 2 ½ Mark Courant). Die Kirchgeschworenen haben dabei verzehret 3 Mark und 7 Schilling.

Die im Jahre 1589 erbaute Küsterei stand bis zum Jahre 1677, überlebte also den Dreißigjährigen Krieg, der auch über unser Heimatland großes Unheil brachte, von dem auch Bramstedt nicht verschont blieb. Denn im Jahre 1628, am dritten Tage in den Ostern, wurde der Flecken von den Wallensteinschen Truppen angesteckt, „und sind in Feuer aufgegangen alles, was zwischen den drei Brücken gestanden, von dem Hogendoor, über die Hudau, und dem Mühlenstrom, ingleichen die Mühle, des Pastoren Haus und die zwei, so dabei stehen“. Wir ersehen daraus, daß der ganze Bleeck samt den Hinterstraßen abbrannte, und von der Mühle wird das Feuer übergesprungen sein nach dem Pastorat und den beiden benachbarten Häusern. Die damals bereits mit Ziegeln gedeckte Kirche blieb verschont. Infolgedessen kam das Feuer zum Stehen, und der Kirchenbleeck mit der Küsterei blieb erhalten.

Unter den Häusern im Kirchenbleeck räumte im Jahre 1677 ein großer Brand auf. Am 28. Juni, so meldet die Chronik, „ist zu Bramstedt ein Brand entstanden, darin 8 Wohnhäuser als Hans Schocken, olde Hans Wulfens Abschiedshaus, Jasper Wulf, Hans Steckmessen, Rötger Lindemann, Max Rehdern, die Küsterei, Hinrich Lindemann und zwei Ställe, als Claus Blunck und Hinrich Lindemanns aufgegangen. Der Schade kam daher, daß aus einem Ammunitionswagen der hessischen Auxiliarvölker — es war wieder einmal Krieg im Lande — auf die Gasse gestreut, worauf das Wagenrad Feuer gebracht.“ Im Herbst desselben Jahres ist die Küsterei wieder aufgebaut worden. Diesmal kostete der Bau 535 Mark 11 Schilling.

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Um 1900: Organist und Lehrer August Kühl vor der Küsterei. Die Scheune rechts wurde 1956 abgebrochen, in der fand sich ein Balken, in den der Name Warnholz geschnitzt war.

Die im Jahre 1677 noch einem großen Brande Kirchenbleeck neugebaute Küsterei stand bis zum Jahr 1816. Im Jahre 1793 wurde sie teilweise umgebaut. Auf dem neu hergerichteten Teil wurde das Strohdach durch Ziegel ersetzt. Wir ersehen daraus, daß die Küsterei, bis dahin mit Stroh gedeckt war. Dazu paßten dann die Mauern aus Holzfachwerk mit Ziegelsteinfüllung. 1816 wurde die Küsterei für 850 Mark an einen Viehmann in Hitzhusen zum Abbruch verkauft. Aus dem dabei gewonnenen Material soll das Haus in der Rosenstraße. das dem längst, verstorbenen Schuhmachermeister Hamann, dem Großvater des Kaufmanns Matthias Hamann in Haus „Erika“, gehörte, errichtet worden sein. “ Von dem alten Küsterhaus liegt noch eine Beschreibung vor. Wir entnehmen dieser, daß das Haus 6 Fach lang war. Es enthielt 2 Schulzimmer, das große mit 10 Fenstern, den erforderlichen Tischen und Bänken, einem Töpferofen und einer schwarzen Tafel, und ein kleines für die im Winter bestehende Nebenschule mit 6 Fenstern, einer Fensterlade, einem Töpferofen und einer Bettstelle. Letzteres beweist, daß die Schulstube dem Unterlehrer als Schlafzimmer diente. Daher auch die: Ausstattung des einen Fensters mit einer Lade. Auf dem Hofe war ein Kuhstall mit zwei Ketten, ferner ein Schweinestall und ein Brunnen. Wie alle damaligen Einwohner des Fleckens hielt der Küster einige Kühe. Allgemein galt das Wort: „Die Kuh deckt den Tisch!“

1816 wurde dann die heutige Küsterei [Kirchenbleeck 13] samt Scheune gebaut. Die Baukosten betrugen für beide Gebäude 10 288 Mark 2 Schilling 6 Pfennig. Die Summe mutet schon recht modern an, es wurde aber an den Gebäuden auch nichts gespart. Der beste Beweis dafür ist, daß beide Gebäude noch heute keine Verfallserscheinungen zeigen. Freilich sind sie auch immer gut instandgehalten worden. Auch in der heutigen Küsterei war ursprünglich außer der großen Schulstube, die den ganzen hinteren Teil des Hauses einnahm, eine kleinere für die Nebenschule. Diese lag mit den Fenstern nach der Straße links vom Flur. Zwischen beiden Schulstuben lag ein Raum mit je einer Tür nach hinten und nach vorne. So war der Organist in der Lage, in seiner Hauptschule zu unterrichten und nach Bedarf auch aus dem kürzesten Wege sich zu den Kleinen zu begeben, wo ihm die Verpflichtung oblag, den Unterlehrer anzuleiten und zu beaufsichtigen. Um das Jahr 1830 wurde dann im Garten der Küsterei, in gleicher Höhe mit der Scheune, für die Nebenschule ein eigenes Gebäude errichtet, und die kleine Schulstube in der Küsterei wurde zu Wohn- und Schlafräumen ausgebaut. Die sogenannte Elementarschule hinter der Küsterei wurde 1897 abgebrochen. Da, wo sie stand, ist jetzt Spielplatz. Die älteren Einwohner Bramstedts haben noch allesamt in dieser Elementarschule die Anfangsgründe im Lesen, Schreiben und Rechnen gelernt.

Als Lehrer bezog der Organist und Küster von jedem Schüler ein wöchentliches, nach der Art des Unterrichts abgestuftes Schulgeld. Wer nur erst Lesen lernte, zahlte wöchentlich 1 Schilling, wer nach Ueberwindung der nach Erlaß des Schulregulativs vom Jahre 1844, erhielt der Organist als Lehrer ein festes Gehalt von 240 Reichsbankthalern, nach unserem Gelde 540 Mark, und freie Feuerung. Dafür mußte er aber den Unterlehrer ganz halten, was sich erst änderte, als an der Elementarschule voll ausgebildete Lehrer angestellt wurden.

Den wesentlichsten Teil seiner Einnahme bezog der Küster, Organist und Lehrer aus seinem Kirchenamte. Als Kirchenbeamter hatte er die Nutzung des Dienstlandes, zweier Weidekoppeln, einer größeren auf dem Reepen und einer kleineren Achterndieck. Ferner wurde ihm Winterfutter für 2 Kühe geliefert. Dann erhielt er 5 Tonnen Roggen und 3 Tonnen Buchweizen. Für jede kirchliche Handlung, Trauungen, Taufen und Beerdigungen, bezog er eine kleine Gebühr. Zweimal im Jahre, zu den Heiligen drei Königen und zu Johanni, mußte ihm im Orte von jeder Feuerstelle ein Betrag, der sich allerdings nur auf Pfennige belief, gezahtl werden. Die Sammklung zu Johanni hieß das Mantelgeld. Sie sollte dazu dienen, daß der Küster sich dafür einen Mantel, den er im Dienste tragen mußte, einen dem Talar ähnlichen Rock, aber kürzer, nur bis zu den Knien reichend, beschaffen konnte. In den Dörfern war zu Michaelis eine Sammlung fällig. Dann hatte jeder Hufner 7 Schilling und ein Brot, jeder Kätner 1 1/2 Schilling und ein Brot, jeder Inste 2 1/2 Schilling, aber kein Brot zu liefern. Man kann wohl annehmen, daß die Brotlieferungen auf das ganze Jahr verteilt wurden, man hätte sich in der Küsterei sonst vor lauter Broten ja nicht retten können. Aber auch trotzdem scheint diese Brotlieferung für den Empfänger ein gewisses Kreuz gewesen zu sein. In einer alten Sammelliste, mutmaßlich aus der Amtszeit des Organisten Prüssing, liest man: „Da die Bauern hin und wieder zu glauben scheinen, daß wir mit dem Brot unsere Schweine füttern, ihnen bedeuten lassen durch die Bauernvögte, daß wir es selbst essen, damit sie besseres liefern.“ Später, wohl mit dem Amtsantritt des Organisten Quitzau, hörte die Brotlieferung auf. .Der Wert des Brotes wurde auf 6 Schilling, umgerechnet 45 Pfennig, festgesetzt, und dieser Betrag wurde dann eingezogen. Und bald kam die Zeit, wo diese Sammlung abgelöst wurde.

Viele sind in den Jahrhunderten, seitdem die Küsterei bestanden, dort aus- und eingegangen, mancher hat in ihren Räumen, erst unter dem Strohdach, dann unter den Pfannen, mit den Seinen gewohnt. Bis zum Jahr 1573 hauste in der Küsterei Caspar Röhlfinck. Er mußte in diesem Jahre dem ersten Organisten Platz machen. Wie dieser hieß, ist uns nicht überliefert. Seit 1641 sind uns die Namen der Bramstedter Küster, die zugleich Organisten und Lehrer waren, bekannt. Wir lassen sie folgen: Christian Hamerich, Hermann Einhusen, Simon Tühck, Arnoldes Böhm, Christian Gottlieb Büttner, Wilhelm Struve aus Oldesloe, von 1731—1781, Wilhelm Chr. Warnholz aus Horst, der Enkel seines Vorgänger-, von 1781—1789 (starb jung am auszehrenden Fieber) Daniel Rieck von Fehmarn, von 1789—1797 (auch er starb an der Auszehrung), Johann Christoffer Hermann Carstens aus Bresfleth, von 1797-1829, Georg Heinrich Prüssing aus Burg auf Fehmarn, von 1829—1855, Christian Quitzau aus Hoyer, von 1855—1888, August Kühl Schülp bei Nortorf, von 1888—1926, und Johs. Daniel aus Kiel seit 1926.
Das sind 14 Amtsinhaber in der285 Jahren von 1641—1926, durchschnittlich also 20 Dienstjahre für jeden. Mancher ging darüber, einige blieben darunter. Soviel sich übersehen läßt, harrten sie auf ihrem Posten aus, bis der Tod sie rief. Ein Versetzen in den Ruhestand kannte man damals nicht. Erst die beiden letzten schieden vorzeitig aus, Quitzau wegen Krankheit, Kühl, weil er die Altersgrenze erreicht hatte.

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Erdmann-Degenhardt: Johanna Mestorf — Vom Selbststudium zur Professur

Im heimatkundlichen Jahrbuch 1986 erscheint unter der Überschrift „Frauengestalten im Amt und Stadt Segeberg: Constanze Storm und Johanna Mestorf“ ein Beitrag von Antje Erdmann-Degenhardt, Neumünster. Daraus hier der Abvschnitt zu Johann Mestorf:

Johanna Mestorf — Vom Selbststudium zur Professur

Johanna Mestorf wird am 17. April 1828 als Tochter des Bataillonschirurgen a. D. Ja­cob Heinrich Mestorf in dem damaligen Flecken Bramstedt im Amt Segeberg geboren. Entgegen den Feststellungen des Landeshistorikers Paul von Hedemann-Heespen auf Deutsch-Nienhof7), stammt sie nicht aus Neumünster, obwohl es in Neumünster seit Generationen eine ausgedehnte Familie gleichen Namens gibt, aus der auch mehrere Mediziner hervorgegangen sind.

Eine kleine weibliche Eitelkeit läßt sie immer ihr erstes Lebensjahr verschweigen und als Geburtsdatum den 17. April 1729 angeben, mit der Folge, daß sie die Ehrungen zum 70. und 75. wie zu ihrem 80. Geburtstag korrekt jeweils ein Jahr eher hätte entgegenneh­men müssen.8) Das Geburtsregister in Bramstedt verweist insoweit eindeutig auf 1828!9)

Ihre Mutter Sophia Katharina Georgine geb. Koerner war weitläufig verwandt mit dem Freiheitsdichter Theodor Körner und stammte aus Rendsburg.10) Ihr Vater wurde 1796 in Eckernförde als Sohn des dortigen Goldschmiedes Jacob Friedrich Mestorf ge­boren. 1821 wurde er an der Kieler Universität immatrikuliert und besuchte regelmäßig die Gebäude in der Kattenstraße in unmittelbarer Nähe des Schlosses. Das akademische Bauwerk war einst im 18. Jhdt. durch den Baumeister Sonnin, noch unter der vormund­schaftlichen Regierung Katharinas der Großen, auf die Veranlassung ihres Ministers Caspar von Saldern, errichtet worden, auf dessen Veranlassung bekanntlich auch die Großenasper Katharinenkirche zurückzuführen ist. Jahrzehnte nach Mestorfs Studien­zeit sollte es das Kieler Museum für Vaterländische Altertümer beherbergen, deren Di­rektor seine Tochter werden sollte.

HkJB86_MestorfJOHANNA MESTORF Ausschnitt aus einem Gemälde von Dora Arnd al Raschid

Johanna Mestorf verweilt zwar nur die ersten neun Jahre ihres Lebens in Bramstedt, doch fühlt sie sich der Stadt, in der ihr Vater sowohl als Arzt, wie als beachtlicher Vorge­schichtler tätig war, Zeit ihres Lebens verbunden.

Nach dem frühen Tod des Vaters, der bereits mit 42 Jahren an Magenkrebs stirbt und der neben der Magdalenenkirche zu Bramstedt begraben ist,11) zieht die Mutter mit fünf kleinen Kindern nach Itzehoe. Die väterliche Sammlung von prähistorischen Fun­den aus der Stein-, Bronze- und Eisenzeit vermacht Johanna später dem Kieler Mu­seum. Kurz vor ihrem Tode wird sie ihren Eltern zum Gedächtnis ein Legat aussetzen: Zwölf der ältesten Frauen des Ortes sollen daraus jedes Jahr am Geburtstag ihrer Mut­ter, dem 24. Juni, „eine kräftige Rindfleischsuppe mit Klößen“ gereicht erhalten.12)

Die Mutter gerät in Itzehoe mit den kleinen Kindern, wovon eines verstirbt, in be­drängteste wirtschaftliche Not. Dennoch vermag sie es Johanna auf eine gute Schule die Privatschule der Fräulein Blöcker, zu schicken, wo wohl, zusammen mit den väter­lichen ererbten Anlagen, die Grundlage dafür gelegt wird, daß sich Johanna später in umfangreichem Maße, sozusagen autodidaktisch wissenschaftlich bilden kann.

Das Selbststudium war im vorigen Jahrhundert der übliche Weg für Frauen, die sich nicht mit dem ihnen vorgegebenen Maß „Küche, Kirche, Kinderstube“ bescheiden wollten, sondern sich wissenschaftlich weiterbilden wollten.

Mit zwanzig Jahren bietet sich Johanna eine Gelegenheit, die Geschichte und Litera­tur Skandinaviens kennenzulernen: Die Familie des schwedischen Grafen Piper-Engsö engagiert sie als Erzieherin und Gesellschafterin, die damals übliche Tätigkeit für ein gebildetes unverheiratetes Mädchen aus gutem Hause ohne Vermögen. Fünf Jahre ver-

bringt Johanna in Schweden und erhält dort zahlreiche geistige Anregungen, besonders auf dem Gebiet der nordeuropäischen Altertumskunde.13)

Sie lernt auch die Verfasser der bekanntesten Werke über skandinavische Archäologie persönlich kennen und erlernt nordische Sprachen.

Nach einer kurzfristigen Rückkehr zu ihrer Mutter im August 1853 begleitet sie eine Verwandte der schwedischen Familie, die Gräfin Falletti di Villa felletto, mehrere Jahre durch Italien. Hier rundet sie ihre Sprachkenntnisse und ihren Wissensstand über den südeuropäischen Kulturraum ab. 1859 nach Hamburg zurückgekehrt, wo mittlerweile ihre Mutter lebt, beginnt sie mit den ersten wissenschaftlichen und heimatkundlichen Studien. Vor allem tritt sie als Übersetzerin der skandinavischen archäologischen Lite­ratur hervor. So ermöglicht sie alsbald, jenseits der Sprachbarriere, eine Verständigung zwischen deutschen und skandinavischen Wissenschaftlern.

Daneben schreibt sie ihren einzigen historischen Roman „Wiebeke Kruse“, dessen geschichtlicher Hintergrund Bramstedt ist und der das Schicksal der langjährigen Lebensgefährtin König Christians IV. von Dänemark behandelt. 1866 erscheint das Buch. Außerdem veröffentlicht sie große und kleine Arbeiten mit volkskundlichem und geschichtlichem Inhalt. Hierbei wird sie besonders unterstützt von dem damaligen Direktor der Hamburger Staatsbibliothek Prof. Petersen. Der Senat der Stadt Hamburg entsendet sie weltweit zu zahlreichen Tagungen der Anthropologischen Gesellschaft, u. a. nach Bologna. Diese wissenschaftliche Tätigkeit kann sie jedoch noch nicht er­nähren. Sie ist als Sekretärin in einem lithographischen Institut tätig.14)

1873 beruft man sie auf die Kustodenstelle des Kieler Museums für Vorgeschichtliche Altertümer. Neben ihrer erfolgreichen Tätigkeit in diesem Hause in den nächsten sechs­unddreißig Jahren verfaßt sie zahlreiche Arbeiten über vorgeschichtliche Altertümer in Schleswig-Holstein, über Urnenfriedhöfe, Moorleichen, Steingräber pp. Auch die Rettung von bedeutenden archäologischen Denkmälern, wie große Teile des Danne-werks, geht auf sie zurück.15)

1891 wird sie als erste Frau in Preußen Direktor des Museums in Kiel und Leiterin des Universitätsinstituts, obwohl sie nie eine wissenschaftliche Ausbildung an einer Hoch­schule absolvieren konnte. Die Umwelt ist von ihrem scharfen Verstand, gepaart mit einem ihr eigenen zurückhaltenden Wesen, entzückt!

Zu ihrem 70. Geburtstag (korrekt wäre es der 71. gewesen), erhält sie die Würde eines Professors verliehen, zum 80. den Doktorgrad honoris causa der medizinischen Fa­kultät.16)

Allseits ist man begeistert „von der größten Frau der Heimatprovinz Schleswig-Holstein“. Man nennt sie eine „Zierde der Wissenschaft“. Hedemann-Heespen be­schreibt sie als „die eingeschrumpfte rege Frauengestalt mit den beherrschenden Au­gen“. Ehrung reiht sich an Ehrung. Sie ist mit Rudolf Virchow befreundet. Der Kaiser schenkt ihr ein handsigniertes Photo.

Seit ihren Itzehoer Tagen pflegt sie ihren Umgang vor allem mit dem weiblichen Landesadel, vielleicht aus einer kleinen diplomatischen List heraus, um die Interessen ihres Museums auch finanziell, dank adeliger Mäzene, verwirklichen zu können. Nach dem 81. Geburtstag scheidet sie aus dem Amt, jedoch immer noch geistig rege und kreativ.

Ihren letzten großen Plan, eine Geschichte des Kieler Museums zu schreiben, kann sie nicht mehr verwirklichen. Am 20. Juli 1909 stirbt sie in ihrer Wohnung, Falckstraße Nr. 21. Auf ihrem letzten Weg begleiteten sie Kieler Honoratioren, Universitätsprofes­soren und Abgesandte der in- und ausländischen Museen. Sie ruht seitdem auf dem Hamburger Zentralfriedhof in Ohlsdorf, eine Frau, — wie es in ihrem Nachruf hieß, — „die abseits stand von der lauten modernen Gleichberechtigungs-Bestrebung der Frau

HkJB1986_MestorfGebDas zweite Universitätsgebäude, später Museum vaterländischer Altertümer

en, die aus sich heraus ein neues Maß schuf für die Beurteilung der Leistungsmöglich­keiten ihres Geschlechtes. Sie verstand es, ihre Persönlichkeit da einzusetzen, wo es galt, Großes zu erreichen. Sie war allen ein Muster strengster Pflichterfüllung, voll Lie­be für ihr Land und die Eigenart ihrer Landsleute und allen, die ihr nahe standen, der treueste Freund“.17)

Ein amüsantes, aber dennoch ehrendes Andenken setzte ihr der aus Kiel gebürtige Kieler Rechtsanwalt Gert Seelig in seinen Erinnerungen „Eine deutsche Jugend“, auch wenn die Lebensdaten nicht ganz korrekt sind: „Von ganz anderem Zeug war Fräulein Johanna Mestorf, von den Kielern hartnäckig ‚Julchen‘ genannt … In ihrem Museum an der Kattenstraße hauste dieses zierliche feine Persönchen mit ihren großen blauen Augen, dem später auch die Stimme fast ganz verloren ging, inmitten ihrer alten Urnen und Töpfe, mit ihren Steinbeilen und Geweberesten samt ihrer Moorleiche in hingebendster, aufopferndster Arbeit. Zum Verstand und Wissen hatte der Himmel ihr ein warmes Herz verliehen und die Gabe treuester und unverbrüchlicher Freundschaft. Tief gelehrt und kunstsinnig, von den Größten als vollgültig angesehen, im wissenschaft­lichen Streit dem Stärksten gewachsen, eine besondere Freundin Rudolf Virchows, da­bei für sich selbst rührend anspruchslos, suchte sie doch den ihr von Natur gewiesenen Umgang mit feinen und klugen Frauen, wollte immer Dame und nie Halbmann sein, war eine Meisterin in feinen weiblichen Handarbeiten und ist treu bis zum letzten, bis ihr der blasse Tod Feder und Nadel aus den kunstfertigen Fingern nahm, ein wahrer Johannis für die kommende Glaubensgemeinde der weiblichen Gelehrten gewesen.18)

Was ihre Leistung als gescheites Frauenzimmer betrifft, so konstatiert Seelig ferner über die Frauenrechtsbewegung in Kiel: „Studierte Frauen gab es damals noch nicht, und der Blaustrumpf blühte in Kiel nicht, dazu war es zu windig.“19)

Ihr hinterlassenes geistiges Erbe betrachtend, ist festzustellen, daß Johanna breitge­fächert kulturgeschichtlich gearbeitet hat. Viele ihrer Aufsätze wurden, noch heute all­gemein zugänglich, in den Zeitschriften „Die Heimat“ und „Zeitschrift der Gesell­schaft für Schleswig-Holsteinische und Lauenburgische Geschichte“ veröffentlicht.

Eine umfangreichere, reizende, „typisch weibliche“ Arbeit kam 1884 heraus: Die Geschichte der Spitzen.20) Hierbei berücksichtigt sie besonders die in Tondern ge­fertigten Spitzen, die noch Anfang des 19. Jahrhunderts ein bedeutsamer Heim­industriezweig waren; ferner die bescheideneren Plöner Spitzen, die allgemein gar nicht bekannt sind, und die sog. „Kieler Hohlnähte“, wohl eine Hohlsaumarbeit, aus denen kunstvolle Muster gefertigt wurden. Bei allem wissenschaftlichen Recherchieren spürt man hier besonders die Liebe einer Frau zu diesen kunstvollen Handarbeiten.

Eine Fülle von sog. „Antiquarischen Miscellen“ zeigt das breite vorgeschichtliche Spektrum der Johanna Mestorf. Hierbei fällt jedoch auf, daß sie es bei einer detaillierten sachlichen Beschreibung beläßt und keine neuen historischen Rückschlüsse wagt.

In der Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig-Holstein.- und Lauenburgische Ge­schichte ist sie zwischen 1872 und 1887 beispielsweise mit folgenden Themen vertreten:

  • Ein Broncefund bei Grabau21) (1872)
  • Ein Riesenbett bei Lunden auf Alsen
  • Ein Riesenbett bei Albersdorf
  • Ein zerstörter Grabhügel der Bronzezeit bei Kaltenkirchen
  • Der Steinberg bei Gudendorf22) (alle 1873)
  • Römische Bronzestatuetten aus Wagrien
  • Die Gemme von Alsen
  • Gemme von Waldhusen
  • Bronzedolchgriff mit Golddrahtumwicklung
  • Ein Grabhügel der Bronzezeit bei Schalkholz
  • Die im Schleswig-Holstein-Museum vorhandenen Proben gewebter Zeuge aus der
    Bronzezeit

23) Schalensteine

24 Zwei Bronzewaffen aus dem Eslinghoog auf Sylt

  • Das Bronzegeräth von Mönkhagen23) (alle 1875)
  • Zur Gemme von Ahlsen
  • Schalensteine24) (beide 1876)
  • Funde in Holstein aus der letzten heidnischen Zeit

29)Ansiedlung aus der Steinzeit am Bothkampeer und Barkauer- oder Lütjen See25)

(alle 1886) 30 Gräber im Droninghoi

  • Der Luusbarg bei Tinsdahl, Gemeinde Rissen
  • Zur Geschichte der Besiedlung des rechten Eibufers26) (alle 1887)

Eine Zusammenstellung der in der „Die Heimat“ erschienenen Arbeiten findet sich bei H. B. Jessen im Jahrgang 1956.

Dieser kleine Auszug aus ihrem Schaffen zeigt deutlich die Themengebiete Johanna Mestorfs.

Ähnlich genau ist sie bereits bei der Schilderung der historischen Begebenheiten in ihrem Roman „Wiebeke Kruse“ vorgegangen. Die Beschäftigung mit dem historischen Hintergrund zeigt, daß sie zuvor reichlich Quellenstudien betrieben hat. Leider sind uns ihre Arbeitsunterlagen insoweit nicht mehr zugänglich. Vieles, auch für den Landes­kundler, würde sich uns heute neu darstellen, was durch den Zahn der Zeit und die Welt­kriege in Museen und Archiven unwiderbringlich zerstört wurde.

Abschließend sei eine knappe Charakterisierung der Historikerin Dagmer Unverhau zitiert, die viel von dem Wesen Johanna Mestorfs erfaßt:

„Nach dem Geschmack von jedermann ist Johanna Mestorf gewiß nicht gewesen; aber was heißt das schon!? Sie war eine Persönlichkeit – mit aller Egozentrik . . .Aber wie hat sie sich in ihrer, ihrem Streben ungünstig gesonnenen Zeit behauptet!“27)

Anmerkungen

  • hierzu historischer Überblick bei Cordula Koepcke, Geschichte der deutschen Frauenbewegung, Freiburg
    1979, S. 11 pp
  • Gertrud Bäumer, Gestalt und Wandel, Berlin, 1939, S. 370
  • dieselbe, a. a. O. S. 388
  • dieselbe, a. a. O. S. 379
  • Dagmar Unverhau, Zur Erinnerung an Johanna Mestorf, in „Schleswig-Holstein“ 1986, Nr. 7, S. 8
  • Zum Lebenslauf von Constanze und Theodor Storm darf ich auf mein Buch verweisen: Storm aber reiste
    nach Segeberg, Segeberg 1985
  • Paul von Hedemann-Heespen, Die Herzogtümer Schleswig-Holstein und die Neuzeit, Kiel 1926, S. 889
  • Rüdiger Articus, Prof. Dr. med. Johanna Mestorf— Sie starb vor 75 Jahren, Die Heimat, Neumünster 1984,
    233
  • Gerda Pfeifer, Johanna Mestorf, Heimatkundliches Jahrbuch für den Kreis Segeberg, Segeberg 1970, S. 167;
    dieselbe a. a. O. Zum Geburtstag von Professor Dr. Johanna Mestorf, 1978, S. 57
  • B. Jessen, Zur Jugendgeschichte Johanna Mestorfs, Die Heimat 1956, S. 82 pp (83)
  • Rüdiger Articus, a. a. O. S. 233

12 Wortlaut des Legats, bei Gerda Pfeifer, a. a. O. 1970, S. 172

  • Nicolaus Detlefsen, Johanna Mestorfs Grab auf dem Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg, Die Heimat, Neu­
    münster 1975, S. 229 pp (231)
  • derselbe, a. a. O. S. 232
  • Ekkehard Aner, Johanna Mestorf, in „Schleswig-Holstein“, Husum 1960, S. 39 pp (40)
  • derselbe, Vorwort zu „Wiebeke Kruse“, Bad Bramstedt, 1959, S. 7
  • Knorr, Professor Dr. Johanna Mestorf, Direktor des Museums vaterländischer Altertümer bei der Uni­
    versität Kiel, gestorben am 20. Juli 1909, in „Mitteilungen des Anthropologischen Vereins in Schleswig-
    Holstein“, 19, Kiel 1911, S. 8
  • Gert Seelig, Eine deutsche Jugend, Erinnerungen an Kiel und den Schwanenweg, Kiel 1977 (Sonderver­
    öffentlichung 6 der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte) S. 181
  • derselbe, a. a. O. S. 168
  • ZSHG 1884, S. 199 pp
  • a. O. 1872, S. 51 pp
  • a. O. 1873, S. 33 pp
  • a. O. 1875, S. 139 pp (178 — 209, 210 — 211)
  • a. O. 1876, S. 194- 198
  • a. O. 1886, S. 411 — 427
  • a. O. 1887, S. 203 – 220
  • Dagmar Unverhau, a. a. O. S. 9

 

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Kühl: Johanna Mestorf und Bad Bramstedt

In den Bramstedter Nachrichten des Jahre 1938 findet sich folgender Beitrag August Kühls. Foto und [  ] sind meine Zufügungen:

Johanna Mestorff und Bad Bramstedt.

Mestorf Geburtshaus

Mestorf Geburtshaus, zwischen Bleeck 1 und Bleeck 3 bzw. heutiger Straßenraum Mühlenstraße

Vor 100 Jahren starb hier der praktische Arzt Dr. Jakob Heinrich Mestorff, der seit 1822 in unserm Orte ansässig war. Er war verheiratet mit einer geborenen Körner aus Rendsburg, einer Verwandten des Dichters Theodor Körner, der im Kampfe gegen den ersten Napoleon sein Leben hingab. Das vierte Kind aus dieser Ehe war Johanna. Sie wurde geboren in einem zum Holsteinischen Hause gehörenden, zwischen diesem und der Mühle gelegenen Nebengebäude, das vor vielleicht 40 Jahren abgebrochen wurde. Ihr Geburtstag ist der 17. April 1828. Später zogen ihre Eltern in das im Kirchenbleeck liegende Haus von Dr. Johannssen [Kirchenbleeck 9]. In diesem Hause ist der Vater im Jahre 1837, erst 41 Jahre alt, gestorben. Begraben liegt er auf dem Kirchhof bei der Kirche. Man findet den schlichten Grabstein unmittelbar neben dem Steig, der vom Haupteingang der Kirche zum Pastorat führt. Bald nach dem Tode des. Ernährers zog die Witwe mit ihren Kindern nach Itzehoe. Johanna, damals 9 Jahre alt, besuchte mit ihren Geschwistern die dortigen Schulen und eignete sich eine gründliche Bildung an. 1849 kam sie nach Schweden. Vier Jahre lebte sie dort in der Familie eines Grafen Piper. Lebhaften Geistes, wie sie war, beschäftigte sie sich eifrig mit der Volkskunde ihres Gastlandes. Besonders vertiefte sie sich in die Schriften, die sich mit Schwedens Vorgeschichte befaßten. Da sie auf die Länge das rauhe nordische Klima nicht vertrug, kehrte sie 1853 wieder in ihre Heimat zurück. Nach kurzem Aufenthalt bei ihrer Mutter hielt sie sich mehrere Jahre mit Verwandten der Piperschen Familie in Italien auf. Dann nahm sie dauernden Aufenthalt bei ihrem in Hamburg weilenden Bruder.

Sie entfaltete nun eine rege literarische Tätigkeit, übersetzte zahlreiche nordische Werke, besonders solche, die sich mit der ältesten Vorzeit beschäftigten und schrieb außerdem eigene Artikel für Fachzeitungen über Volkskunde und verwandte Gebiete. 1866 erschien von ihr der zu einem großen Teil in Bramstedt spielende Roman „Wiebeke Kruse“, der leider schon seit Jahren vergriffen ist. Bald wurde sie als Altertumsforscherin in weiten Kreisen bekannt und geschätzt. 1873 wurde sie zum Kustos des Museums vaterländischer Altertümer in Kiel berufen, 1891 wurde sie Direktor dieses Museums und damit die erste Frau in Europa, der man ein solches Amt übertrug. In Anerkennung ihrer Leistungen in diesem Amte wurde sie zu ihrem 70. Geburtstage zum Professor ernannt, und als sie 80 Jahre alt wurde, verlieh die Kieler Universität ihr den Doktortitel, beides Auszeichnungen, die damals für Frauen außergewöhnlich waren. Am 20. Juli 1909 starb sie, 81 Jahre alt, verehrt und betrauert nicht bloß von ihren vielen persönlichen Freunden, sondern von der ganzen wissenschaftlichen Welt.

Bei aller Arbeit, die auf ihren Schultern lastete, und trotz des Ansehens, das sie weit über Deutschlands Grenzen hinaus genoß, hat sie nie ihre Geburtsstadt vergessen. Mehrfach hat sie diese von Hamburg und von Kiel aus besucht. Und wenn sie in ihrer Eigenschaft als Leiterin des Museums bei gelegentlichen Funden, die hier gemacht wurden, nach Bramstedt schrieb, so schließt sie fast jeden Brief, nachdem das Sachliche und Fachliche erledigt war, mit persönlichen Mitteilungen und Erinnerungen an ihre hier verlebte Kinderzeit: „Grüßen Sie mir mein liebes Bramstedt,“ heißt es zum Beispiel, „wo mir jedes Fleckchen Erde teuer und in Erinnerung ist, so wie ich es gekannt und mit meinen Kinderfüßchen abgeschritten habe. So schöne Buchen wie in dem Walde nach Hitzhusen habe ich nirgend wieder gesehen, niemals so volle, süße Buchnüffe wieder gegessen“. Gelegentlich der Aufdeckung des Urnenfriedhofs unter der Lieth schreibt sie: „Die Hinterlassenschaft meiner alten Landsleute interessiert mich besonders, zumal der Fundort nahe der Straße „Hinter den Höfen“ liegt, wohin wir kleinen Kinder so manchen Suppentopf zu Kranken getragen.“ Und bei einer andern Gelegenheit heißt es: „Alles was mir aus meinem lieben Bramstedt kommt, ist mir ein Geschenk“. Oder endlich: „Ich hänge mit großer Liebe an meiner Heimat; ein Bild des Rolands steht immer auf meinem Arbeitstisch. Ungezählte Erinnerungen aus meinen ersten Kinderjahren knüpfen sich an das trauliche Häuschen neben dem Holsteinischen Hause.“

Ist solche Anhänglichkeit an die Kinderheimat nicht rührend? Wollen wir ihr diese Liebe nicht, soweit es möglich ist, dadurch vergelten, daß wir uns ihrer gern erinnern und sie, die hervorragende Forscherin und mit Anerkennungen überhäufte Gelehrte, mit Stolz unsere Landsmännin nennen? Wenn Bramstedt als Geburtsort des Dichters Friedrich Leopold Stolberg und des Astronomen Heinr. Ehr. Schumacher genannt wird, so sollte man nicht vergessen, als dritte bedeutende Persönlickeit, deren Name mit unserm Städtchen verknüpft ist, Professor Dr. Johanna Mestorff anzuführen. Uns Bramstedtern steht sie sicher näher als die beiden Erstgenannten, die in der Fremde ihrem Geburtsort bald entfremdet wurden; Johanna Mestorff wird uns unvergeßlich bleiben einmal als Verfasserin des Romans „Wiebeke Kruse“, und dann durch ihre bis in ihr Alter reichende Anhänglichkeit an den Ort, wo sie geboren wurde und ihre schönsten Kinderjahre verlebt hat.

(Aug. Kühl)

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Mohr: Das Bramautal und seine Bedeutung für die Landwirtschaft

Ein Beitrag aus den Bramstedter Nachrichten des Jahres 1938 erwähnt Schiffahrt, Fischreichtum u.v.m.

Das Bramautal und seine Bedeutung für die Landwirtschaft

Nach einem Vortrag von W. Mohr, Föhrden-Barl

mm Das Bramautal war früher das Belt eines gewaltigen Urstroms. Er reichte von der Weddelbrooker Lieth bis zu den Quarnstedter Höhen. Die großen Findlinge, die Ton-, Sand- und Kieslager sind Zeugen jener Zeit, die als Eiszeit bezeichnet wird. Nach deren Ende gingen die Wassermassen zurück, füllten aber immerhin noch das jetzige Wiesental. Allmählich entstand dann das Flußbett der heutigen Bramau. Sie schlängelte sich in vielen Krümmungen dahin. Häufig trat sie über ihre Ufer und überschwemmte die Wiesen. Diese waren teils sumpfig, teils mit Triebsand bedeckt. Für die Landwirtschaft waren sie wertlos.
Alte Leute rühmen den Fischreichtum der Bramau in früheren Zeiten. Hechte und Lachse bis 8 Kilogramm waren keine Seltenheit. Einmal erlegte ein Bauer Reimers in Föhrden einen Stör von 60 Kilogramm. Er wurde aber von dem Tier samt dem Flschstecher in die Aue gezogen und ging so der Beute verlustig. Später fand man den verendeten Fisch bei Stellau. Infolge der Verunreinigung der Stär und der Geradelegung der Bramau ging der Fischbestand immer mehr zurück. Lohnend war früher auch die Jagd auf Wasservögel. Der alte Peter Schnack erzählte, daß er in seinen jungen Jahren 2-300 Enten jährlich geschossen habe.
Bei Stellau, Föhrden-Barl und Hitzhusen gab es Furten durch die Bramau. 1858 wurde in Föhrden die erste Brücke über die Aue gebaut. Auswärtige mußten für die Benutzung der Brücke eine Abgabe zahlen. Erst 1910 wurde das Brückengeld aufgehoben. Die Bramau war früher schiffbar. Noch um 1850 befand sich in Föhrden ein Ladeplatz. Ziegelsteine wurden ausgeladen, Holz verfrachtet.

Föhrden-Barl Brücke

Föhrden-Barl Brücke

Als 1781 die Flurgemeinschaften in Föhrden-Barl aufgeteilt wurden, erhielt auch das „Unland“ an der Bramau seine Besitzer. Man fing mit dem Einebnen an, um Heu zu gewinnen, aber dieses wurde oft durch die Johanniflut fortgetrieben. Der Bauer Rühmann legte um 1850 Rieselwiesen an. Das Rieselwasser wurde durch eine Schnecke aus der Aue gefördert. Vor Ueberschwemmung schützte er die Wiesen durch Deiche. Seine Wiesen brachten wesentlich höhere Erträge als die der anderen Bauern. Wohl auf seine Anregung hin schlossen sich 1888 alle Wiesenbesitzer zusammen, um die Miesen ausbauen zu lassen. 1891 war alles fertig. Die Aue war geradegelegt, die Schleusen waren gebaut, die Wiesen eingeebnet und von kleinen und großen Gräben durchzogen. Nun wurden die Wiesen anteilmäßig den Bauern übergeben, nur Rühmann behielt seine alten Wiesen, wie er sich das ausbedungen hatte. In den ersten Jahren lieferten die Wiesen nur wenig Heu, und mancher Bauer schimpfte auf die Wassergenossenschaft, aber von Jahr zu Jahr besserten sich die Erträge, und der Viehbestand konnte vielfach verdoppelt werden. Die „Dungwiesen“ wurden für die Heugewinnung entbehrlich : sie wurden in Jungviehweiden umgewandelt.
Mit den lieblichen Wäldern auf seinen Uferhöhen, dem prächtigen Grün der Wiesen, die von dem Silberband der Bramau durchflossen werden, gehört das Bramautal zu den schönsten Landschaften unserer engeren Heimat. Man beobachtet immer wieder, wie Fremde, die des Weges kommen, stehen bleiben und sich an dem schönen Bild erfreuen.
Wesentlich anders lagen und liegen die Verhältnisse an der unteren Bramau, von Stellau bis zu ihrer Einmündung in die Stör. Jede höhere Flut verursachte hier eine Ueberschwemmung der weiten Wiesenflächen. Um 1700 begann man dort mit Unterstützung des Grafen von der Breitenburg, dem die Besitzer zinspflichtig waren, Deiche anzulegen. Aber immer wieder traten Deichbrüche ein, deren Ausbesserung mit großen Kosten verbunden war. Dazu kam, seit die obere Bramau reguliert ist, die Ansammlung großer Sandmassen vor der Störmündung. Diese Versandung, derer man nicht Herr werden konnte, zwang zu neuer Erhöhung aller Deiche um zwei Fuß; trotzdem bleiben aber Ueberflutungen nicht aus, wie erst dieser Winter es gezeigt hat. — Den reichen Erträgen, den diese weiten Fluren liefern, steht viel Arbeit und Sorge, stehen gewaltige Ausgaben gegenüber.

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Röstermundt: Grünplan – Der Stein den der Donner rührte

Max Röstermundt veröffentlichte am 24.5.1956 nachstehenden Artikel in den Bramstedter Nachrichten:

Wie einst die Grenzpfähle gesetzt wurden
und von einem Stein, den einst der „Donner“ zerschmetterte

An der alten Heerstraße, die einst hier vom Süden nach dem Norden führte, liegt, von Bad Bramstedt aus betrachtet, auf reichlich halbem Wege ein offenes und freies Feld mit einem Jahrhunderte alten Namen deutscher Fluren. Denn das, was man damals in einzelnen Dörfern oder Flecken oder Städten einen „Grünen Anger“ nannte, war hier, im Großen gesehen, ein „Grüner Plahn“ geworden. Zur Gemeinde Wiemersdorf gehörend, viele Hektar umfassend, waren Teile dieser Ländereien 1708 Gegenstand eines zwischen Wiemersdorf und Großenaspe ausgebrochenen Streites geworden.

Amtlicherseits war eine Commission beauftragt worden, diese Angelegenheit zu untersuchen. Sie fuhr zunächst nach Wiemersdorf, um dort mit älteren Einwohnern zu sprechen und um zu hören, was diese von den Grenzverhältnissen wußten oder was sie von ihren eigenen Vorfahren darüber überliefert bekommen halten. Gesprochen wurde mit Casper Hennings, Hans Mertens und Hinrich Ohrt. Hennings und Ohrt und (da Mertens nicht abkommen konnte) Hans Hardt erklärten sich anschließend dazu bereit, an Ort und Stelle an einer Besichtigung teilzunehmen. Auch andere Wiemersdorfer Einwohner schlössen sich dieser Gruppe an.

An Ort und Stelle halten sich auch Großenasper eingefunden, für die insbesondere Hartwig Pingel deren Sache vertrat. Wie es scheint, war der Streit dadurch ausgelöst worden, daß Großenasper, wie die Wiemersdorfer behaupteten, sich erkühnt hätten, beim „Grünen Plahn“ auf einem Berge an der Landstraße einseitig und heimlich einen Stein aufzurichten, in der Meinung, einen solchen Stein künftig als einen Scheidestein angeben zu können. Eine wesentliche Rolle spielte aber ein ganz anderer Stein, nämlich derjenige, den „einst der Donner zerschmettert hatte“, von welchem noch zwei Stücke vorhanden gewesen waren und der in allen vorigen Zeiten ein Grenzstein gewesen sei. Die Augenscheinseinnahme wurde auch an einem anderen Tage fortgesetzt, eine Einigung aber nicht erzielt. Ewige Jahre gingen dahin. 1711 aber gelang es, nach weiteren amtlichen Bemühungen eine Verständigung herbeizuführen. Das Ergebnis war nun folgendes geworden. Beiderseits wurde als Grenze eine Linie anerkannt, die, von der sog. Schneckenwiese aus beginnend, in gerader Linie über den Stein, den einst der Donner zerschmettert, bis zur Bimöhler Gemarkungsgrenze zu laufen habe.
Ein Graben sollte gezogen und durch die ausgehobene Erde das beiderseitige Ufer erhöht werden. Wiemersdorf und Großenaspe hatten je sechs Pfähle zu liefern mit den Inschriften: 1711.
Das Recht auf den ersten Pfahl bekam Wiemersdorf zugebilligt. Er wurde nun so gestellt, daß die Inschrift nach Wiemersdorf zeigte. Es folgte der zweite Pfahl, der mit der beschrifteten Seite nun nach Großenaspe zu ausgerichtet worden war. Nacheinander folgten alsdann die weiteren Pfähle, aber immer in der Reihenfolge, daß jeweils zunächst Wiemersdorf den einen und anschließend Großenaspe den nächsten Pfahl zu setzen hatten.

Ein Protokoll wurde angefertigt und der Streit damit für immer beendet. Denn die heutige Grenze in dieser damals strittig gewesenen Gegend scheint noch die gleiche zu sein, wie sie 1711 gezogen wurde.

Von dem Stein aber, von dem es in der Ueberlieferung heißt, daß ihn einst der Donner zerschmettert habe, scheint nichts mehr vorhanden zu sein. Ein Einwohner aus Großenaspe, der zufällig von dem Unterzeichneten dort angetroffen wurde, erinnert noch, vor manchen Jahrzehnten dort gestanden und zu andern Kindern gesagt zu haben, daß sie sich bei diesem Stein an einer Stelle befänden, an der sich zwei Kreise berührten, Kreis Segeberg und damaliger Kreis Bordesholm.
Aus dem »Grünen Plahn“ ist inzwischen „ein Grünplan“ geworden und im übrigen das geblieben, was er immer war: ein schöner stiller Winkel fernab vom Geräusch der Welt.

Max Röstermundt.

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Röstermundt: Hof Weide vor 300 Jahren – Glashütte

Max Röstermundt veröffentlichte in den Bramstedter Nachrichten vom 14.10. 1958

„Hof Weide“ vor 300 Jahren

Von einer bisher unbekannten Glashütte. Dazu von einem Recht auf Viehweide: ..Horn um Horn“, und von einem Siedlungsversuch vor 300 Jahren.

»Der Glasmacher«. Kupferstich von Christoph Weigel. Aus: »Abbildung der Gemein-Nützlichen Haupt-Stände …«. Regensburg 1698 © Ch. Brandstätter Verlag

»Der Glasmacher«. Kupferstich von Christoph Weigel. Aus: »Abbildung der Gemein-Nützlichen Haupt-Stände …«. Regensburg 1698
© Ch. Brandstätter Verlag

In heimatkundl. Jahrbuch für den Kreis Segeberg 1957 wird u.a. auch von Glasbrennereien im Amte und Kreis Segeberg berichtet. Dazu ist zu sagen, daß es auch in der Nahe Bramstedts eine Glashütte gegeben hat. Diese befand sich in dem jetzigen Weide bei Bimöhlen. Ein Glasermeister Jürgen Zietz bekam dort Land und Weide zugewiesen und errichtete dort 1674 eine Glashütte. Auch ein Wohnhaus wurde gebaut. Der Schwieger­sohn Marx Timmermann setzte diese Glasbrennerei fort. Noch 1694 wird sie erwähnt. Es wurde aber derart viel Holz» und Waldbestand verbraucht. das die Glashütte schließlich zum Erliegen kam. Aus dem Wohnhaus wurde ein Meierhof. Weitere Ländereien wurden hinzugelegt. Aus dem Meierhof Wurde „Hof Weide“. 1726 wird erstmalig „Hof Weide“ genannt. Groß war bei den Vorbesitzern und nachfolgend auch auf dem Hofe selbst die Schafzucht und Schafhaltung gewesen. Zeitwelse hatte man dort 400—500 Schafe und Lämmer. Aufzeichnungen berichten auch von einem Streit zwischen den Einwohnern des Dorfes Bimöhlen und dem Glasermeister Zietz um 1678. Das abgeholzte und gerodete Land stand den Bimöhlern und dem Glasermeister Zietz gemeinsam zur Nutzung als freie Viehweide zu. Ein Vergleich wurde abgeschlossen. Es wurde vereinbart, daß Zietz dort nicht mehr Tiere halten dürfe, als einer der Bimöhler Hufner (damals deren neun) aufbringen konnte. Auf beiden Selten sollten nunmehr nicht mehr Tiere als genau „Horn um Horn“ gehütet werden dürfen.

Die Namen der damaligen Hufner in Bimöhlen waren: Iochim Westpfahl, Timm Boy, Johann Stammerjohann, Marx Pohlmann, Hans Runge, Hinrich Fölster, Hartwig Fehrs, Claus Wichmann und Hans Hardebeken.

Auch um eine Besiedelung des einst unbewohnten Weide bemühte man sich. Zietz hatte für die ihm zugewiesenen Ländereien Pacht zu entrichten. Verpächter war der damalige Amtsverwalter N. Brüggemann in Itzehoe, jene Persönlichkeit, die um 1685 hinsichtlich Hasenmoor eine unrühmliche Rolle spielte. Brüggemann war es, der dem Zietz die Befugnis erteilte, soviele Kätner, als er bekommen könne, dort aufzunehmen. Es sollte aber jeder Kätner, der dort einziehen würde, an Brüggemann alljährlich einen Taler zahlen, sodaß Brüggemann neben der Pacht zusätzlich diese Einnahmen zu erwarten haben würde. Zietz scheint sich aber ernstlich nicht bemüht zu haben. Aus dem Siedelungsversuch war nichts geworden. (Ein Taler war damals so viel Geld, daß dafür ein Schwein von ca. 180 Pfd. gekauft werden konnte).

Max Röstermundt.

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Röstermundt: Bramstedter Fluß-Schiffahrt

Max Röstermundt veröffentlichte in den Bramstedter Nachrichten vom 27.7. 1955 einen Artikel zu Bramstedts Bemühungen um Schiffahrt auf der Bramaue. 

Frühere Bramstedter Fluß-Schiffahrt nach Itzehoe

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Treidelschiffahrt bedurfte der Kraft der Menschen ….

Am 17. September 1738 traf in Bad Bramstedt an der Beeckerbrücke ein mit Fracht beladener Kahn ein, der von der Stör aus die Bramau befahren hatte. Der Kahn hatte eine Länge von 48 und eine Breite von 9 1/2 Fuß. Beladen war er mit Hafer, Essig und „anderen Kleinigkeiten“. Bei dem Eintreffen dieses Kahns handelte es sich um einen Versuch des Fleckens Bramstedt, einen Beweis dafür zu liefern, daß die Bramau schiffbar sei oder doch schiffbar werden könne. Es handelte sich zugleich um den Beginn der Einleitung von Bemühungen, die Einrichtung einer Schiffahrt zwischen Bramstedt und Itzehoe genehmigt zu bekommen. Der Flecken hatte, um den notwendigen Eingaben eine gute Begründung und Beweisführung zu gehen, die Fahrt dieses Kahns, der einigen Schiffern aus Wilster gehörte, veranlaßt, die ein gutes Gelingen beweisen sollte und auch tatsächlich bewies. Indes mußten die Kahnführer zugeben, daß aus beiden Seiten der Bramau aller Busch, der aus Ellern und Weiden bestand beseitigt werden müsse. Es ergaben sich aber noch Schwierigkeiten anderer Art. Das adelige Gut Bramstedt, Eigentümer aller an der Bramau belegenen Bramstedter Wiesen protestierte gegen die Bemühungen des Fleckens. Wenn auf jeder Seite der Au ein Kahn gezogen werden müsse, dann ginge auf der ganzen Länge eine Grasnutzung in einer Breite von 3-4 Fuß verloren. Auch das Abholzen von Ellern und Weiden schädige die Wiesen und das Gut wäre nicht in der Lage, die üblichen Abgaben zu entrichten. Die Dörfer westlich Bramstedts ließen ihrerseits den vermutlich alljährlich Entstehenden Schaden schätzen. Diese Schätzung ergab einen ungefähren Schaden von 13 Fuhren Heu (ein Fuder zu 600 Pfund gerechnet). Auch die Stadt Itzehoe machte ihre Einwendungen geltend. Durch alle diese Widerstände und durch deren Beseitigung verzögerte sich die Herbeiführung der Genehmigung zur freien Schiffahrt auf der Bramau und auf der Stör.

Treidelschiffahrt_ca_1800

… oder der Tiere

Mit dem Antrag auf Gewährung einer solchen Schiffahrt verband der Flecken auch einen Antrag aus Verleihung der Stadtrechte, doch ging die Aufrechterhaltung dieses weitergehenden Antrages allmählich verloren. Alles Bemühen um freie Schiffahrt — obwohl die Erteilung einer Genehmigung schon 1738 in Aussicht gestellt worden war — hatte schließlich einen Erfolg. Unter dem 23. April 1756 wurde die beantragte Genehmigung erteilt. Sie enthielt mancherlei Auflagen. Die Bramstedter Fahrzeuge durften nicht weiter als bis Itzehoe und keineswegs durch die Stadt fahren. Die Eigentümer der Bramstedter Fahrzeuge durften nur in dem Flecken und nicht außerhalb wohnen, auch waren die Fahrzeuge auf der Bramau und nicht anderswo zu verwahren. Anlieger der Au, soweit sie an den Kosten der Schiffbarmachung der Bramau beteiligt gewesen waren, erhielten das Recht, sich ebenfalls Fahrzeuge zur Verschiffung ihrer eigenen Produkte anzuschaffen. Die ordentliche Schiffstätte für die Bramstedter sollte in oder bei dem Flecken und sonst nirgends sein. Nur an dieser Stätte sollten die Waren ein- und ausgeladen werden dürfen. Besondere Rechte der Einwohner der Stadt Itzehoe, unter städtischer oder / fremder Jurisdiktion stehend, wurden gesichert. Nun war der Weg für die Bramstedter Schiffahrt frei gemacht, die Benutzung des Wasserweges nach Itzehoe gestattet.

Indes blieben mancherlei Erwartungen, so die Anlegung von Fabriken oder der Aufbau größerer gewerblicher Betriebe in Bramstedt unerfüllt. Ueber den eigentlichen Umfang der späteren Bramstedter Schiffahrt ist genaueres nicht mehr bekannt. Die Ausübung der freien Schiffahrt scheint alsbald eine Unterbrechung gehabt zu haben. Denn 1774 wurde beantragt, die abermalige Instandsetzung der Schiffahrt vornehmen zu dürfen. Die gesamte Dauer dieser Schiffahrt ab 1756 umfaßte etwa einen Zeitraum von 100 Jahren. Etwa Mitte des vorigen Jahrhunderts fuhren die Kähne nur noch bis Hitzhusen, bis schließlich durch die Anlagen für die Bewässerung der Wiesen ein Befahren der Bramau ganz unmöglich wurde. Immerhin war es ein beachtenswertes Bemühen des Fleckens Bramstedt gewesen, auch auf diesem hier geschildertem Wege eine weitere Einnahmequelle zu erschließen. Der Name unserer „Hudau“ erinnert noch heute an eine Bedeutung damaliger Bramstedter Schiffahrt, aber auch an eine schon einmal ausgeübte Schiffahrt in weit früherer Zeit.     dt.

 

Umfangreicheren Bericht zur Bramstedter Schiffahrt und zu diesen Ereignissen gibt Hans-Hinrich Harbeck in seiner Chronik auf Seite 422ff

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Röstermundt: Eisenerze im Bramstedter Flecken

Eisenerz gewinnen in unserer Gegend? Ja, das gab es, Raseneisenerz genannt. Max Röstermundt veröffentlichte den folgenden Beitrag zuerst im Segeberger Kreis- und Tageblatt v. 21.04.1933:

Eisenerze im Bramstedter Fleckensgebiet und in der Umgebung

Salzburger Emigranten

  Zunächst war es eine amtlicherseits beauftragte Kommission, die im Jahre 1721 eine Untersuchung verschiedener Erzfunde vorzunehmen hatte, so in Bramstedt, Schmal­felderwohld, Strüvenhütten, Struvenhüttener-Fi, Hartenholmer-Fi, Wankendorf. Grasbrook, Hamfelderborn, Bimöhlen, Kiikuut und Hardebek.

  Es galt, die räumliche Ausdehnung der verschiedenen Lagerungen zu ermitteln. Größere Lagerungen fand man in Bramstedt. Im Schmalfelderwohld und in den darin liegenden Bröken wurden gleichfalls erhebliche Mengen ermittelt. Im Gerichtsbezirk der Frau Majorin von Struven in Struvenhütten wurden Eisendrüsen im wesentlichen in den Wiesen gefunden. Dagegen lagerten im Struvenhüttener-Fi etwa 100 Schlackenberge, die wie die Kommission berichtete, darauf schließen ließen, daß zweifelsohne in vorigen Zeiten dort Schmelzhütten gestanden hatten. Auch im Hartenholmer-Fi befanden sich solche Schlackenberge. In der sogen. Roderey bei Wankendorf war eine Ader, die eine Länge von 1600 und stellenweise eine Breite von 100 Schritten hatte. In Grasbrook ließen sich, wegen des hohen Wasserstandes Untersuchungen nicht ermöglichen. Aus dem gleichen Grunde mußte eine solche auch in Hamfelderborn unterbleiben. In Bimöhlen wurde wiederum eine Lagerung von etwa 600 Schritten in der Lange und von etwa 20—50 Schritten in der Breite gefunden. Auch in Kiikuut und in Hardebek hatte sich einiges Eisenerz ermitteln lassen.

  Vorher waren dergleichen Erze auch zwischen Rendsburg und Itzehoe und zwischen Schleswig und Flensburg gefunden worden. Das Ergebnis der Untersuchungen im Jahre 1721 war insofern negativ, als die Kommission erklärte, daß die zu erwartende Ausbeute die Arbeit bei weitem nicht lohnen werde. Damit fanden die vorgenommenen Untersuchungen vorläufig ihr Ende.

  Als aber im Jahre 1731 viele Tausende Protestanten aus Salzburg vertrieben worden waren, die in Preußen eine Aufnahme fanden, kamen später einzelne Gruppen auch nach Holstein. Ihre Halbseligkeiten hatten sie in Salzburg zurücklassen müssen, sie waren ohne Mittel. Viele von ihnen hatten aber die Befähigung zur bergmännischen Verwertung von Mineralien. Ihre gewonnenen Informationen in unserer nördlichen Heimat waren solche geworden, daß sie von dem Vorhandensein, verschiedener Erzfunde Kenntnis hatten.
Vor allem war es der Salzburgische Emigrant und Berghauptmann Johann Christian von Baumgarten, der sich für eine Gruppe Vertriebener um die Genehmigung zum Abbau bemühte. Am 23. Dezember 1742 richtete er ein dementsprechendes Gesuch an den König, von dem er schon vorher einmal empfangen worden war.
Er habe, wie er nun schriftlich darlegte, in dem Amt Segeberg und zwar nahe von Bramstedt Eisenerze in genügender Menge gefunden. Es sei zwar vor mehr als zehn Jahren von dem Bramstedter Eisenerz Erwähnung getan worden und zwar in einer Weise, daß eine Ausbeute nicht als günstig beurteilt worden war. Er, Baumgarten, werde dagegen alle ersinnliche Mühe anwenden, um auch nur den geringsten Nutzen daraus zu erzielen. Geplant sei der Bau eines Hüttenwerkes zum Zwecke der Gewinnung aller Mineralien, es sei Eisen, Kupfer, Silber oder Steinkohle oder was sonst nach der Bergordnung dazu gehöre.
Kopenhagen verlangte von dem Amtmann des Amtes Segeberg, der seinen Sitz damals in Bramstedt hatte, zunächst einen eingehenden Bericht. Baumgarten, mit dem der Amtmann von Rantzau sprechen wollte, war plötzlich unauffindbar. Von Rantzau sprach seine Vermutung dahingehend aus, daß Baumgarten nach Salzburg zurückgekehrt sei. Nach weiteren Mitteilungen von Mittelspersonen könne Baumgarten ohne vorherige Gewährung von Reise- und Zehrungskosten nicht kommen. Der Amtmann empfahl deshalb, dem Baumgarten diese Kosten zu bewilligen, was auch getan wurde. Baumgarten kam auch wieder und fand in dem Amtmann einen eifrigen Förderer und Fürsprecher, weil das Recht auf den Abbau die Funde im ganzen Amt Segeberg umfassen sollte. In Bramstedt sollte begonnen und daselbst eine Wassermühle gebaut werden.
Indes ergaben sich noch einige Schwierigkeiten. Das adelige gemeinschaftliche Gut Bramstedt hatte auf den Fleckensländereien das Recht der Nachweide [das Recht auf die Weidenutzung im Spätjahr]. Es war also die Genehmigung des Gutes einzuholen. Es sollte, da Baumgarten geäußert hatte, daß nach der Ausbeute die Ländereien fruchtbarer werden würden, die Duldung seitens des Gutes, wenn nötig, erzwungen werden. Die Eigentümerin, Frau Baronesse von Grote, sei so gesonnen und so geartet, daß mit ihr in Güte nicht auszukommen sei, wie von Rantzau berichtete. Dafür seien viele Beispiele vorhanden.
Kopenhagen wollte aber lieber eine freiwillige Duldung. Frau von Grote lehnte tatsächlich ab. Inzwischen wurde versucht, festzustellen, inwieweit die Vorschläge der Salzburger Emigranten anzunehmen oder sie abzulehnen oder sie abzuändern seien. Schließlich wurde entschieden, daß von allen Mineralien Gold und Silber ausgenommen sein sollten. Diese sollten dem König reserviert bleiben. Anstelle der erbetenen Freijahre sollte der Zehnte nicht in Geld sondern in natura entrichtet werden. Die Gewinnung sollte sich auf das ganze Amt Segeberg erstrecken mit dem Vorbehalt, daß das Werk, sobald es begonnen, fortgesetzt, bergmännisch bebaut und nicht verlassen werde.

   Zu diesen Aenderungen sollte von Baumgarten sich nochmals äußern. Wiederum war von Baumgarten unauffindbar. Wiederum bemühte sich der Amtmann von Rantzau um seine Anschrift, indes vergebens. Im Dezember 1743 blieb nichts weiter übrig als die Annahme, daß von Baumgarten verstorben sei.

   Vergessen sind die Salzburger Emigranten, vergessen die Funde. Der Acker aber, auf dem der  Landmann die Furchen zieht und den Samen streut, trägt goldene Frucht.

Max Röstermundt.

Soweit Röstermundt.
Dank heutiger (2016) Recherchemöglichkeiten im Internet läßt sich aufklären, dass Johann Christian von Baumgarten keineswegs verstorben war, sondern seine Dienste in anderen Gegenden anbot.

Bei google-books findet sich Henning Calvörs
Acta Historico-Chronologica-Mechanica Circa Metallurgiam In Hercynia Superiori von 1763
Dort heißt es auf Seite 166:
Anno 1743, hat sich im Quartal Crucis ein Salzburgscher Emigrant, und, feinem Vorgeben nach, gewesener Fürstlich Brixenscher Bergrath, Johann Christian von Baumgarten, angefunden, und sich ein Probeschmelzen auf einer der Communionhütten ausgebeten, um zu zeigen, daß in weniger Zeit „des Schmelzens, und mit gleicher Zahl von Kohlenmaaße, mehr Silber heraus gebracht werden könne. Er hat dazu auf der Lautenthaler Hütte Erlaubniß erlanget, und einen neuen Ofen gebauet. An statt der gewönlichen Harzschlacken hat er Schmiedeschlacken und Lederkalk zu Vorschlägen gebrauchet, und verschiedene Proben nicht nur auf der Lautenthaler, sondern auch Wildemänner Hütte gemacht. Ob er nun gleich dabei allen Fleiß angewendet, und die Arbeit, wie ein gemeiner Hüttenmann, selbst verrichtet hat, so hat er doch seinen Zweck nicht erreichen, noch sein Versprechen erfüllen können. Es ist also solches im Quartal Luc. wieder eingestellet worden. Was er darauf weiter vorgenommen, und was es für einen Ausgang mit ihm genommen, ist von mir anderswo in der Histor. Nachr. vom Bergwerk erzehlet worden.

Henning Calvörs weiteres Buch „Historische Nachricht von der Unter- und gesamten Ober-Harzischen Bergwerke …“
Schreibt dazu auf Seite 128/129:
„Dieses Bergwerk bey Wolfhagen, da der Grund und Boden des Herrn Herzogs zu Braunschweig und Lüneburg Durchl. Gehöret, ist A. 1743 unter der Direction Herrn Johann Christian von Baumgarten (2. Theil 6. Cap. Abtheil § 26 vom Maschinenwesen) wieder angegriffen und hat sich mit guten Anbrüchen bezeiget. Er hat es aber so übel administriret, daß es A. 1746 auf dem Amte Seesen in Arrest gesetzet, jedoch A. 1747 wieder dimittiret worden, und ist dieses Bergwerk seit dem nich weiter gebauet.

Von Baumgarten scheint dann nach Thüringen gegangen zu sein und wurde da erneut aktenkundig.

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