Wolfgang Platte: Das Bramstedter Rathaus — Spiegelbild der Geschichte der regionalen Selbstverwaltung im Herzogtum Holstein

aus dem Heimatkundlichen Jahrbuch des Kreises Segeberg 1989 S. 29ff

In der ältesten Bramstedter Fleckensurkunde aus dem Jahre 1448 taucht die Bezeich­nung „Bürgermeister und Ratmänner des Wickbildes Bramstedt“ erstmals auf. Mit Hilfe dieser Amts- bzw. Ortsbezeichnung kann der Status Bramstedt als Fleckensge­meinde, oder, wie häufig auch in der Literatur zu lesen ist, als Minderstadt hergeleitet werden, ein Status, den der Ort bis zum Jahre 1910 beibehalten sollte.

In der Folgezeit werden den Bramstedtern ihre, ansonsten nirgendwo sonst schriftlich niedergelegten und somit mehr als gewohnheitsrechtlich anzusehenden Fleckensprivi­legien durch den Landesherrn mehrfach bestätigt. Mit diesen Fleckensprivilegien ist die Wahrnehmung von vergleichsweise umfangreichen Selbstverwaltungsaufgaben ver­bunden, die anfangs in erster Linie im Zusammenhang mit der Abwicklung der Ochsen­märkte standen.

Wichtigstes Verfassungsorgan der Fleckensgemeinde war die Hauptversammlung der Fleckensleute, die alljährlich am Fastnachtsmontag abgehalten wurde. Fleckensleute waren lediglich die Bewohner des Bleecks, nur für diesen Teil des Ortes galten die

Fleckensprivilegien. Die Hauptversammlung der Fleckensleute diente der Beschluß­fassung über allgemeinde Fleckensangelegenheiten, war somit Selbstverwaltungsorgan des Ortes. Beschlüsse der Hauptversammlung wurden in einem besonderen Fleckensbuch protokolliert, andere Dokumente und Schriftstücke wurden in der sogenannten Fleckenslade, einer größeren tragbaren hölzernen Truhe aufbewahrt, die sich jeweils im Besitze eines Ratmannes befand.

Die Hauptversammlung tagte auf der Diele des jeweils beherbergenden Ratmannes, wobei das Versammlungslokal reihum unter den Ratmännern wechselte ebenso wie der Besitz der Fleckenslade. Die Fleckensversammlung wählte aus ihrer Mitte das 16köp-fige Achtmännerkollegium sowie das 4köpfige Ratmännerkollegium. Das Achtmänner­kollegium ist sowohl Gesetzgebungs- als auch Appellationsorgan; die Ratmänner sind dem Bereich der Exekutive zuzuordnen. Während die Eintragungen im Fleckensbuch von Anfang an das Achtmännerkollegium als Beschlußorgan herausstellen, werden die Aufgaben der Ratmänner erst in der Fleckensordnung des Jahres 1749 klar umrissen und dem Bereich der örtlichen Exekutive zugeordnet. Die Ratmänner sind insbesondere verantwortlich für die Fleckensrechnung, das Polizeiwesen, die genaue Ordnung bei der Einteilung und Ansagung von Fuhren und der Hand- und Spanndienste, dem Zu­stand der Landstraßen, Wege und Gräben sowie die Führung des Fleckensregisters und Fleckensarchivs.

Beide Gremien wurden nach dem Prinzip der Kollegialität gemeinsam gewählt bzw. abberufen, wobei die Amtszeit der Ratmänner anfänglich 3, später dann 2 Jahre, be­tragen hat. In der Rangfolge der Ämter ist der Ratmann höher angesiedelt, denn nur ge­wesene Achtmänner können in das Ratmännerkollegium gewählt werden. Zu Acht­- bzw. Ratmännern können grundsätzlich nur Hufner gewählt werden, d. h. freie und keiner Grundherrschaft verpflichtete Bauern.

Diese mehr genossenschaftlich geprägte örtliche Selbstverwaltung benötigte keinen Verwaltungsapparat, auch kein Verwaltungsgebäude. Lediglich eine hölzerne Truhe diente der Aufbewahrung des zahlenmäßig nicht sehr umfangreichen Aktenbestandes.

Neben der örtlichen Selbstverwaltung standen als Repräsentanten der landesherr­lichen

Zentralgewalt die Kirchspielvogtei und der Amtmann. Während die Kirchspielvogtei den Landesherrn auf unterster Ebene, d. h. in den zum Kirchspiel gehörenden Orten vertrat, repräsentierte der Amtmann die landesherrliche Verwaltung auf regiona­ler Ebene. Dieser Aufgabe entsprechend hatte er seine Residenz in Segeberg.

Im Jahre 1706 erwirbt der Dänenkönig Friedrich IV. in Bramstedt die auf dem südöst­lichen Bleeck nahe dem Butendoor gelegenen Grundstücke dreier Freikaten und läßt sie zusammenlegen. Auf ihnen entsteht noch im gleichen Jahr ein repräsentatives Amts­haus für das Segeberger Amt. Der damalige Amtsinhaber, Hans von Rantzau, hatte auf der Grundlage eines von ihm erwirkten königlichen Privilegs seinen Amtssitz nach Bramstedt verlegt. Begründet wurde dieser Schritt von Rantzau mit der ihm besonders zusagenden landschaftlich schönen Lage Bramstedts (u. a. erhoffte er sich hier eine bessere Jagd als in Segeberg), wie auch dem Umstand, daß Bramstedt sowohl für die Amtsinsassen als auch für die aus Glückstadt anreisenden Regierungsbediensteten und Anwälte günstiger zu erreichen sei.

Im Jahre 1744 tritt Graf Christian Günter zu Stolberg die Nachfolge von Rantzaus an und erhält ebenfalls die königliche Sondervollmacht, in Bramstedt zu residieren. Er be­zieht zunächst gegen Zahlung einer Ablösesumme das unter von Rantzau errichtete Ge­bäude, das den Ansprüchen seiner großen Familie offensichtlich dann doch nicht zu ge­nügen schien, denn bereits 1750 erwirbt er das adelige Gut Bramstedt, hauptsächlich in der Absicht, sich hier einen repräsentativen Wohnsitz zu schaffen.

Nach der Ernennung Stolbergs zum Oberhofmeister der Königinmutter am Kopen­hagener Hof im Jahre 1755 wird das inzwischen verwaiste Amtshaus erneut zum Dienst­sitz eines Segeberger Amtmannes: Im Jahre 1762 verlegt der Nachfolger Stolbergs aufgrund eines königlichen Privilegs seine Residenz erneut nach Bramstedt und bezieht das Amtshaus auf dem Bleeck. Bis zum Jahre 1782 sollte der Flecken Bramstedt somit Resi­denz des Segeberger Amtmannes bleiben und eine durchaus bedeutsame zentralörtliche Bedeutung besitzen.

Nach der endgültigen Rückverlegung des Dienstsitzes des Amtmannes nach Sege­berg wird in dem inzwischen funktionslos gewordenen Gebäude ein Krug errichtet, der den traditionsreichen Namen „Stadt Hamburg“ trug. Nach mehreren Eigentümer- und Funktionswechseln wird er schließlich vom Verwalter des Bramstedter Gutes, Reimers, erworben, der das inzwischen baufällig gewordene Gebäude im Jahre 1841 weitgehend einreißen und zu dem bekannten Doppelhaus umbauen ließ. Dieses bewohnte er ge­meinsam mit dem derzeitigen Zollverwalter Herzog, womit das Gebäude erneut eine teilweise öffentliche Funktion erhielt, denn Herzog erledigte seine Amtsgeschäfte, wie zu jener Zeit durchaus üblich, von zu Hause aus.

Reimers, der Eigentümer der anderen Hälfte, ist nicht lange mehr am Orte geblieben; er verkaufte seine Hälfte an den Chausseeinspektorkapitän Bruhn. Später ging erst die rechte, danach auch die linke Hälfte käuflich in den Besitz des Apothekers Lindemann über. In der letztgenannten Hälfte hat lange Jahre die Gräfin Holmer, deren Tochter sich mit dem Grafen von Luckner zu Bimöhlen verehelichte, gewohnt.

Nach der Einverleibung der Herzogtümer Schleswig und Holstein in den preußischen Staat wurde der Flecken Bramstedts Sitz eines Amtsgerichtes, das seine Diensträume im Obergeschoß des linken Gebäudeteiles bezog. Hiermit wird, auch räumlich gesehen, an die traditionelle Funktion des Amtshauses angeknüpft, denn zu den vornehmsten Aufgaben des Amtmannes gehörten u. a. die Ausübung der niederen Gerichtsbarkeit.

Die rechte Gebäudehälfte wurde regelmäßig bis zum Jahre 1929 vom einzigen Richter des Bramstedter Amtsgerichtes bewohnt. Das Erdgeschoß der linken Gebäudehälfte diente zeitweise als Dienstraum der kaiserlichen Post, bis diese in den 80ger Jahren des vorigen Jahrhunderts in ein Gebäude auf der anderen Seite des Bleecks übersiedelte, das „Hesebecksche Haus“.

Mit dem Ende des 19. Jahrhunderts hält schließlich die Gemeindeverwaltung Einzug in die ehemals der Post dienenden Räume im Erdgeschoß des linken Gebäudeteils, um sich fortan Schritt für Schritt die restlichen Gebäudeteile anzueignen. Im Jahr der Stadtwerdung Bad Bramstedts, 1910, erwirbt die Stadt schließlich beide Gebäudehälften, um einerseits die Räumlichkeiten des Amtsgerichtes zu vergrößern, andererseits um dem Bürgermeisteramt eine vernünftige Bleibe zu schaffen. Seit dem Jahre 1929, dem Jahr des Übersiedeins des Amtsgerichtes in seine jetzigen Diensträume am Maienbeeck, ist die Stadtverwaltung Bad Bramstedt alleinige Hausherrin dieses Gebäudes.

Neben dieser recht bewegten Vergangenheit des Rathausgebäudes zeigt sich gleich­zeitig ein weiterer bedeutsamer Entwicklungsgang der Ortsgeschichte: die zunehmende Ausdehnung und Intensivierung der Verwaltung und ihres räumlichen und personellen Bedarfs, aber auch der von ihr zu bewältigenden Anforderungen.

Konnte die örtliche Verwaltung bis hinein in das späte 19. Jahrhundert weitgehend von der Privatwohnung der Amtsträger aus abgewickelt werden, so ändert sich dies mit dem Vorgang der Stadtwerdung Bad Bramstedt nachhaltig. Ein Blick in das Ortsstatut in das Jahr 1910 sagt die intensiver gewordene Verwaltungstätigkeit deutlich: unter anderen Verwaltungseinrichtungen werden hier z. B. aufgeführt: eine Finanzkommission, die Schuldeputation, die Bau- und Straßenkommission, die Einquartierungskommission, eine Kommission für Landstraßen, eine Feldwegkommission, eine Kommission zur Schauung der Abzugsgräben, die Gesundheitskommission, Kommission für die ge­werbliche Fortbildungsschule, Kommission zur Vertretung im Kollegium des Gesamt­armenverbandes sowie eine Beleuchtungskommission.

Diese Aufgaben wurden zu Beginn der Stadtgeschichte Bad Bramstedts von 11 Be­diensteten einschließlich Bürgermeister wahrgenommen. Heute, im Jahre 1989, umfaßt die Stadtverwaltung einen Personalbestand von dreiunddreißig Mitarbeitern. Der drastische Anstieg der Einwohnerzahl Bad Bramstedts nach dem Zweiten Weltkrieg, aber auch wachsendes Anspruchsdenken der Öffentlichkeit, die in einem immer stärke­ren Maße nach öffentlicher Daseinsfürsorge verlangt, hat mit zu dieser expansiven Aus­dehnung der örtlichen Selbstverwaltung am Ende des 20. Jahrhunderts geführt.

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