Aus dem Nachlaß von Otto Schnepel jun. erhielt ich folgende Anekdote:
Die Küsterkoppel
(Eine wahre Begebenheit aus meiner Heimatstadt Bad Bramstedt)
– von Willy Hamann –
In der guten alten Zeit vor dem ersten Weltkrieg spielte sich in meiner Heimatstadt Bad Bramstedt die folgende ergötzliche Begebenheit ab:
Einleitend muß ich vorausschicken:
Die von dem Zimmermeister Heesch, meinem Urgroßvater, um die Mitte des vorigen Jahrhunderts vorgenommene Gründung eines Sol- und Moorbades wirkte sich in mancher Weise auch auf die wirtschaftliche Entwicklung Bramstedts aus. Durch das Bad wurden viele Fremde herangezogen und dadurch der Wohlstand des Ortes wesentlich gehoben. Das Solbad unterhielt eigenen Landwirtschaft und den entsprechenden Viehbestand. Außer eigenem Grundbesitz waren angrenzende Koppel und Weiden hinzugepachtet. Unter anderem auch die sogenannte „Küsterkoppel“. Diese alte Dauerweide befand sich in unmittelbarer Nähe des Bades und war daher für die Besitzer desselben unentbehrlich. Bereits viele Jahre dauerte das Pachtverhältnis an. Satzungsgemäß fand alle 7 Jahre eine Neuverpachtung statt. Jedoch war es selbstverständlich, daß auch nur ein Bramstedter Bauer daran dachte, ein Auge auf die Weide zu werfen. Sie gehörte eben traditionsgemäß zum Solbad.
Als nun der Gründer des Solbades, Matthias Heesch, im Jahre 1887 für immer seine Augen geschlossen hatte, ging der Besitz auf seine Witwe und 3 unverheiratete Töchter: HeIene, Auguste und Dora über. Der ersteren wurde die Küche übertragent während Auguste, allgemein von jedermann „Tante Guste“ genanntt den Badbetrieb sowie den „Pavillon“ leitete. Dieser „Pavillon“ hatte für das Solbad eine besondere Bedeutung. Wie der Name schon sagt, handelte es sich hierbei um einen geschlossenen verandaartigen Rundbau aus Holz, in welchem „Tante Guste“ den Ausschank von Spirituosen usw. vornahm. Es war eine Stätte der Erholung nach anstrengendem Bade.
Auch die Geschäftsleute von Bramstedt und Umgebung gaben sich hier ein Stelldichein, und sonntags war der Pavillon mit dem angrenzenden Kurpark der Treffpunkt vieler Einwohner des Ortes. Tante Guste war in ihrem Element. Von Natur aus wirtschaftlich und sparsam veranlagt, war sie stets darauf bedacht, möglichst wenig auszugeben und viel zu verdienen. Sie war das Gegenstück zu ihrer Schwester Helene. Diese war in allem etwas großzügiger. Daher kam es zwischen diesen beiden Schwestern auch häufiger zu kleinen Auseinandersetzungen und oft wurde von der einen Schwester ohne das Einverständnis der anderen eine Angelegenheit erledigt. Tante Guste war und blieb ein Original, nahm nie etwas tragisch übel und war fidel und guter Dinge.
Eines guten Tages kehrt nun ein Bramstedter Bauer Jürgen Zimmer, von seinen Ländereien zurückkehrend, im Pavillon ein. Tante Guste steht wie üblich hinter ihrer Theke mit dem Wischtuch beim Gläserreinigen. Zwischen gast und Wirtin entspinnt sich nun folgendes Gespräch:
„Lot mi een Köben un Seidel kriegen, Guste.“
„Gewiß mien Jörgen – hest mol na Jungveeh keeken.“
„Jo Guste, dats blots een beeten drög up Stunns.“
Na, ein Wort gab das andere. Vom Jungvieh und Wetter kamen sie auf die Landwirtschaft im besonderen und einzelnen zu sprechen und schließlich sagt Tante Guste: „Mein Jürgen, willst Du mir einen Gefallen tun. Nächste Woche findet die Verpachtung der Küsterkoppel statt. Du weißt ja am besten, was uns die Koppel wert ist. Die darf uns nicht aus der Nase gehen. Willst Du für uns bieten? Ich geb dann auch tüchtig einen für dich aus.“ Zimmer versprach die Interessen der Geschwister Heesch bestens wahrnehmen zu wollen und ging seiner Wege.
Der Termin der Landverpachtung kam heran. Der Saal in Rumohrs Gasthof am Bleeck war voller Pachtlustiger und natürlich auch einer Anzahl Neugieriger. Die Küsterkoppel gelangte zum Aufgebot. Bisher war ein jährlicher Pachtzins von 120 RM gezahlt worden. Zimmer denkt, mache die Sache man kurz und biete gleich ordentlich, dann ist der Fall schnell erledigt und der sagt: „Ik bed för de Kösterkoppel 120 Mark.“
Er hatte sich jedoch geirrt. Aus der anderen Ecke des Saales wurden 130 Mark geboten. Darauf Zimmer: 140 Mark. Der andere ließ sich nicht einschüchtern und bot 150 Mark, und so ging es fort bis auf 275 Mark.
Als Zimmer dieses Angebot gemacht hatte, erklärte der andere Bieter, es war der Zahntechniker Georg Schloika, – ein Schwager der Geschwister Heesch: „Wenn Zimmer soviel Geld hat, muß er die Küsterkoppel kriegen. Ich kann ein höheres Angebot nicht mehr verantworten.“
Zimmer sagte jedoch: „Ik will den Deubel don, die Koppel will ik ni för mi hebben. Ik heff blots för de Geschwister Heesch boden und Guste hett mi seggt: Up keenen Fall schull ik de Koppel lopen laten.“
Schloika hatte gleichfalls für die Geschwister Heesch geboten, er hatte von Helene den strikten Auftrag bekommen, die Koppel auf jeden Fall zu pachten.
Diese Sache ist damals in Bramstedts Gegend viel belacht worden. Denn: Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen.
Brunsbüttelkoog, Silvester 1946
Willy Hamann