Lexika: Magnus Wedderkop

aus Biographisches Jahrbuch Nr. 8, S. 372

WEDDERKOP, Magnus (seit 1683: von; laut anderer Quelle schon 1682), geb. 26.10.1637 Husum, gest. 16.1.1721 Hamburg, begr. 28. 2. Lübeck (Dom); ev. – Jurist, Staatsmann.

Magnus von Wedderkop

Magnus von Wedderkop

Die Familie W. stammt aus Barum bei Braunschweig, wo der Großvater Hofbesitzer war.

Eltern: Henning Wedderkop, gest. 1662 Husum, kaiserlicher Leutnant unter Wallenstein, seit 1636 Kaufmann u. Kupferschmied in Husum; Anna geb. An-dresen, geb. 2. 2.1614 Husum, gest. 24.03.1692 ebd.

Ehefrau: Margaretha Elisabeth Pincier, get. 19.11.1661, gest. 19.7.1731, begr. Lübeck (Dom); verh. 16.4.1683; Tochter d. Lübecker Domherrn Ludwig Pincier (1624-1702) u. d. Christine geb. Hudemann (gest. 1702).
Kinder: 6 Söhne, 1 Tochter, darunter: Gottfried, geb. 6.03.1689 Tremsbüttel, gest. 25.1.1741, kgl.-dänischer Landrat in Schleswig-Holstein u. außerordentlicher Gesandter in Paris, seit 1731 Oberhofmeister der Herzoginwitwe Elisabeth Sophie Marie von Braunschweig-Lüneburg-Wolfenbüttel (s. d.), Erbauer d. Herrenhauses Steinhorst. – Friedrich Christian, geb. 11.9.1697 Tremsbüttel, gest. 12.06.1756 Hamburg, holstein-gottorfischer Minister, General-Postmeister und Amtmann von Tremsbüttel. – Anna Catharina, geb. 1699 Tremsbüttel, gest. 7.9.1741; verh. m. Cyril Wich (1695—1756), Sohn d. englischen Residenten in Hamburg John Wich (gest. 1713).

W. besuchte zunächst die Husumer Gelehrtenschule, seit 1653 das Katharineum in Lübeck. Da er noch drei jüngere Brüder hatte, die nach dem Willen des Vaters ebenfalls eine gute Ausbildung erhalten sollten, mußte er sich durch Musikunterricht seinen Lebensunterhalt größtenteils selbst verdienen. 1657 begann er an der Univ. Helmstedt mit dem Jurastudium, doch bereits am 10.10. desselben Jahres immatrikulierte er sich in Jena, wo er im Hause des Mathematikers und Theosophen Eberhard Weigel (1625-1699) wohnte. Nachdem er drei Jahre hauptsächlich bei Johann Strauch (1614-1679) und Georg Adam Struve (1619-1692) studiert hatte, kehrte er kurz in die Heimat zurück, um dann im Herbst 1661 als Mentor der Brüder Heinrich und Gotthard v. Brömbsen aus Lübeck an die Univ. Heidelberg zu gehen. Im Anschluß an ihre Studien machte W. mit ihnen eine Bildungsreise durch Frankreich und Italien. 1664 wurde W. von Johann Friedrich Boeckelmann (1633-1681) in Heidelberg promoviert und dort ein Jahr später von Kurfürst Karl Ludwig von der Pfalz zum Professor für Staats- und Lehnsrecht ernannt. 1668 lernte er auf einer Mission, die er im Auftrage des Kurfürsten unternahm, den Gottorfer Herzog Christian Albrecht kennen, der ihn 1669 als Professor an die Univ. Kiel berief. In Kiel verfaßte W. einige kleinere juristische Schriften und wurde 1672 Prorektor.

Im März 1676 wurde W. Hof- und Kanzleirat des Lübecker Bischofs August Friedrich (1646-1705), des jüngeren Bruders Herzog Christian Albrechts, sowie Syndikus des Domkapitels; im Juli desselben Jahres ernannte ihn Christian Albrecht zum Rat von Haus aus und schickte ihn im Februar 1677 als Unterhändler zu den Verhandlungen nach Nimwegen, wo W. die Restituierung des Gottorfer Herzogtums erreichen sollte, nachdem König Christian V. (s. Bd 6, S. 57) 1676 den herzoglichen Teil Schleswigs okkupiert hatte. Seit der Zeit hielt W. keine Vorlesungen mehr an der Universität, behielt aber seine Bezüge als Professor. Nach den Friedensschlüssen von Fontainebleau und Lund 1679, durch die Dänemark die besetzten Gebiete herausgeben mußte, wurde W. Hof- und Kanzleirat des Herzogs. Von den erhaltenen Dotationen konnte er sich das Gut Seegard auf Pellworm kaufen.

Als 1681 das Geheime Ratskollegium gebildet wurde, erhielt W. darin die Stelle des geheimen Sekretärs. 1682 wurde er Land- und Hofrat, und 1683 [andere Quelle: 1682] erhielt er vom Kaiser den erblichen Adel. Im selben Jahr wurde er auch Lübecker Domherr; mit dieser Stelle waren die Einkünfte aus den Dörfern Groß und Klein Barnitz verbunden. W.s Stellung im Geheimen Ratskollegium war gefestigt, weil man ihm in Schweden, dem wichtigsten Verbündeten des Gottorfer Herzogtums, vertraute. Bei seinen Bemühungen, die zerrütteten Staatsfinanzen, die sich nach der erneuten Sequestrierung des Gottorfer Anteils am Herzogtum Schleswig 1684 noch verschlechtert hatten, in Ordnung zu bringen, arbeitete W. eng mit der Familie Mussaphia in Hamburg zusammen, die auch die Münzgeschäfte Christian Albrechts tätigte. Diese geschäftlichen Beziehungen warfen für ihn persönlich beträchtliche Summen ab, die es ihm ermöglichten, große Vorschüsse an die herzogliche Rentkammer zu geben und sich dafür Ländereien verpfänden zu lassen. Die Verhandlungen zur Restituierung des Gottorfer Herzogs führten hauptsächlich der mehr auf einen Ausgleich mit Dänemark bedachte Regierungspräsident Joachim v. Ahlefeldt (1646-1717) und W. Nachdem diese durch den Altonaer Vergleich 1689 erfolgreich abgeschlossen worden waren, ernannte der Herzog W. zum Amtmann von Tremsbüttel und Steinhorst. Der Erfolg der Politik Ahlefeldts ließ W.s Einfluß im Geheimen Ratskollegium in den nächsten Jahren zwar geringer werden, doch konnte er die finanziellen Schwierigkeiten des Herzogs nutzen, um 1691 das Amt Steinhorst und 1692 das Gut Tangstedt zu erwerben. Nachdem er 1692 Geheimer und Kammerrat geworden war, wurde er 1693 von König Karl XI. von Schweden zum Etatsrat ernannt und in die schwedische Ritterschaft aufgenommen.

Nach dem Tode Christian Albrechts ernannte der neue Herzog Friedrich IV., der eine bewußt antidänische Haltung einnahm, W. 1695 zum Regierungspräsidenten an Stelle Joachim v. Ahlefeldts. Im selben Jahr wurde er in die schleswig-holsteinische Ritterschaft rezipiert und erhielt außerdem vom Herzog das Amt eines General-Erbpostmeisters, das für ihn im Zusammenhang mit den Münzgeschäften der Mussaphia von großer Wichtigkeit war. Ebenfalls 1695 begann er, mit seinem Schwager Johann Ludwig Pincier (1660—1730; seit 1698 Freiherr v. Königstein) sich an den Neueindeichungen an der Westküste zu beteiligen, wodurch er beträchtlichen Landbesitz erwarb. Außerdem kaufte er Ländereien bei Stapelholm. Auch im Geheimen Ratskollegium arbeitete W. eng mit seinem Schwager zusammen, der als ehemaliger Hofmeister Friedrichs IV. in die Regierung berufen worden war.

Der gottorfisch-dänische Konflikt war 1689 nur vorübergehend beigelegt worden. Da der dänische König weiterhin versuchte, das Gottorfer Herzogtum zu gewinnen, suchte Friedrich IV. Unterstützung bei seinem Schwager, König Karl XII. von Schweden. 1700 brach wegen der Gottorfer Frage der Nordische Krieg aus, und nur mit Unterstützung Schwedens und der Seemächte gelang es W., daß der Herzog im Frieden von Traventhal (August 1700) in seinen Rechten nochmals bestätigt wurde. Als Friedrich IV. im Juni 1702 sein Herzogtum an Tilemann Andreas v. Bergholtz verpachtete, um an der Seite Karls XII. am Feldzug gegen Polen teilzunehmen, blieben W. nur die äußeren Angelegenheiten. In dieser Zeit erwarb er das Gut Moisling bei Lübeck von den Erben des Gottschalk v. Wickede.

Nach dem Tod Friedrichs IV. im Juli 1702 bei Klissow übernahmen für den erst zweijährigen Karl Friedrich (s. Bd 5, S. 143) dessen Mutter Hedwig Sophie und dessen Onkel Christian August als Administrator die Vormundschaft. Sie beriefen W. erneut zum Regierungspräsidenten, da er das Vertrauen der Herzoginwitwe genoß. Dem Geheimen Ratskollegium gehörte nun auch G. H. v. Görtz (s. d.) an, der bald W.s schärfster Gegner wurde. Vor allem in der Finanzpolitik wurden die gegensätzlichen Standpunkte deutlich: W. drängte auf Sparsamkeit, während Görtz einer aufgebauschten Hofhaltung das Wort redete. Im Zusammenhang mit dem Münzprozeß gegen die Familie Mussaphia wurde W. der Korruption beschuldigt, doch am 5.06.1705 von der Herzoginwitwe rehabilitiert. Im nächsten Jahr erreichte er, daß Christian August Bischof von Lübeck wurde; er erhielt dafür außer reichen Dotationen zusammen mit seinem angeheirateten Neffen Heinrich Muhlius die Ernennung zum „perpetuus visitator et inspector“ der Kieler Universität. Da die Spannungen im Geheimen Ratskollegium immer stärker wurden, konnte W. 1708 die Herzoginwitwe zwar noch dazu veranlassen, eine Untersuchung der Mißstände in der vormundschaftlichen Regierung in Stockholm vorzunehmen; doch da Hedwig Sophie bereits im selben Jahr starb, kamen ihre Reformen nicht mehr zum Tragen. Nach dem Tod der Herzoginwitwe wurde Christian August alleiniger Vormund. Da ihm die offensive Görtzsche Politik besser zusagte, verlor W. rasch an Einfluß. Er fühlte sich in den Herzogtümern nicht mehr sicher und zog sich unter Beibehaltung aller Ämter nach Hamburg zurück, wo er ein Palais besaß. Im Dezember 1709 gelang es Görtz, W. nach Gottorf zu locken, ihn zu verhaften und anschließend in die Festung Tönning zu bringen. W.s Häuser im Hamburg und Lübeck wurden durchsucht, wobei alle Papiere und Obligationen beschlagnahmt wurden; seine Güter wurden unter Sequester gestellt, und einen Teil seiner Einnahmen sicherte sich Görtz. Interventionen des Kaisers sowie des schwedischen und des dänischen Königs zugunsten W.s wurden damit abgewiesen, daß man die Sache zum Kriminalfall erklärte. Eine Anklageschrift wurde nicht verfaßt und trotz der 1710 ergangenen Aufforderung an alle Untertanen, Anklagen und Beschwerden gegen W. vorzubringen, kam nicht genügend Beweismaterial zusammen. Ein unparteiisches Gericht sollte daher 1711 darüber entscheiden, ob ein in Verdacht geratener Staatsdiener auch ohne ordentliches Gerichtsverfahren bestraft werden könne, doch kam das Gericht zu keiner Entscheidung. Als im Laufe des Nordischen Krieges die Festung Tönning 1713 erst den Schweden geöffnet und dann von den Dänen belagert wurde, erhielt der Kommandant Z. Wolff (s. Bd 7, S. 329) von Görtz den Befehl, W. im Falle einer Übergabe der Festung hinzurichten, doch konnte dies vom dänischen König verhindert werden. Bei der Kapitulation am 7.02.1714 wurde W. befreit. Er wandte sich kurz darauf an den Administrator und forderte ein Gerichtsverfahren, um seine Unschuld zu beweisen. Gleichzeitig trat er in die Dienste des dänischen Königs, der ihn zum Geheimen Rat ernannte, doch spielte W. in der folgenden Zeit keine politische Rolle mehr. Er kümmerte sich um die Wiederherstellung seiner Güter und um die Ordnung seiner Vermögens Verhältnisse. 1716 erging ein Mandat des deutschen Kaisers, das die Rückerstattung aller Vermögenswerte an W. befahl. Im selben Jahr konnte er noch das Gut Marutendorf mit dem Meierhof Blockshagen kaufen. Bereits ein Jahr später teilte er die Güter unter seine Erben auf. Als Herzog Karl Friedrich mündig geworden war, sprach er W. 1719 von aller Anklage frei; er setzte ihn wieder in sein Amt als Regierungspräsident ein und zwang Christian August zu einer Ehrenerklärung. Für seine erlittenen Verluste erhielt W. 300 000 Taler Entschädigung. Im selben Jahr entwickelte er einen Plan zur Lösung der Streitigkeiten zwischen Dänemark und Gottorf: Der Herzog sollte auf seine Anteile an Schleswig verzichten und sich dafür in Holstein mit den königlichen Anteilen entschädigen lassen. Doch da beide Seiten ihre Interessen dadurch bedroht sahen, fand der Vorschlag keinen Anklang.

W. verbrachte die letzten Jahre seines Lebens in Hamburg; neben der Musik widmete er sich seiner umfangreichen Bibliothek, die er im Laufe seines Lebens zusammengetragen hatte. Sie wurde nach seinem Tod in Hamburg versteigert.

W. war klug und sehr ehrgeizig. Seine diplomatischen Fähigkeiten ließen ihn im Dienste der Gottorfer Herzöge zu den höchsten Staatsämtern aufsteigen. Seiner Voraussicht und seinem Geschick war es zu verdanken, daß die Souveränität des kleinen Staates gegenüber Dänemark behauptet werden konnte. Seine Stellung und Machtposition eröffneten ihm aber auch die Möglichkeit, sich materielle Vorteile zu verschaffen. W. verstand durch kluge und sparsame Haushaltsführung, die Gelder gut anzulegen und zu vermehren. Er kaufte hauptsächlich Güter. Sein Aufstieg und sein Reichtum schafften ihm aber auch viele Neider und trugen schließlich zu seinem Sturz bei. Bei den Untergehörigen seiner Besitzungen soll er dagegen sehr beliebt gewesen sein.

Quellen: LAS, Abt. 7 (vgl. VLAS 4,5,11). -Julius v. W., Gesch. d. Geheimrats M. v. W„ Ms. (Schloßarch. Breitenburg). – Danmark-Norges Traktater 1523-1750, hrsg. v. L. Laursen, 7-11, Kop. 1926-1949.

Werke: Verz. in Cimb. lit. (s. lit.).

Literatur: ADB, 41, S. 387-390. – Bricka, 18, S. 289-292. – DBL, 25, S. 173-177. – DBL 3. Ausg., 15, S. 311 f. – Cimb. lit., 1, S. 713 f. – J. B. Maius, Prorector et senatus academiae Kiloniensis ad oratorem panegyricam in funere … Magni Wedderkopii… habendam … invitant, Kiel 1721 (SHLB). – J. H. v. Seelen, Athenae Lubecenses, 2, Lübeck 1720, S. 124-131. – Zedler, 53,1747, Sp. 1783-1786. – J. Laß, Slg einiger Husumischer Nachr., 2, Flensburg 1750, S. 79-81. – G. Ph. Schmidt, M. v. W., in: PB 1825, S. 1-14. – PB 1826, S. 73. – K. v. Warnstedt, M. v. W., in: Jbb. f. d. Landeskunde d. Herzogthümer Schleswig, Holstein u. Lauenburg 7, 1864, S. 304-326. – G. Hille, Das General-Erbpostmeisteramt d. Familie W. im Gottorpschen Antheil v. Schl.-Holst., in: ZSHG 5, 1875, S. 301-347. -Festschr. z. 275jährigen Bestehen d. Christian-Albrechts-Univ. Kiel, hrsg. v. P. Ritterbusch u. a., Lpz. 1940. – O. Kähler, M. v. W., ein Schleswig-Holsteinischer Jurist u. Staatsmann, in: SHA 194, 1947, T. A, S. 221-224. – H. Kellenbenz, Vom Geheimen Consilium zum Geheimen Ratskollegium, in: ZSHG 73,1949, S. 197-231, bes. 213 f., 217, 219 f., 223, 230. – Ders., Sephardim an d. unteren Elbe, Wiesbaden 1958 (Vjschr. f. Sozial- u. Wirt-schaftsgesch., Beih. 40). – Ders., Die Herzogtümer v. Kopenhagener Frieden b. z. Wiedervereinigung Schleswigs 1660-1721, in: GSH, 5, Neumünster (1960) 1986, S. 221, 226, 229-231, 240, 242, 247, 254, 274-279, 284-286, 289-291, 303, 305, 316 f., 328, 341 f., 346, 358, 360, 385, 387. – Ders., Schleswig in d. Gottorfer Zeit 1544-1711, Schleswig 1985. -A. Geerkens, Glück, Not u. Ende d. Festung Tönning, in: JbNfl 3, 1951/52, S. 5-41, bes. 11 f., 30, 33 f., 38. – C. Rodenberg/V. Pauls, Die Anfänge d. Christian-Albrechts-Univ. Kiel, Neumünster 1955 (QuFGSH 31). – R. Pries, Das Geheime Regierungs-Conseil in Holstein-Gottorf 1716-1773, ebd. 1955 (QuFGSH 32). – Volbehr/Weyl, S. 26 f.- G. Finke, Der Stand d. Wedderkop-Forschung, in: FJbSH 3, 1964, S. 58-63. – Gesch. CAU, 3, 1, Neumünster 1965. – Achelis, Matrikel, Nr 2684. – H. Funck, M. u. Gottfried v. W., Erbherren v. Steinhorst, in: LbgH, N. F. 57,1967, S. 21-39. – K. Feilcke, Leben u. Werke d. Ministers M. v. W. u. d. Lübecker Dom, in: ZNF 47, 1972, S. 153-161.

Porträts: Gemälde (Kiel, Kunsthalle), Abb.: s. Taf. 5. – Kupf. v. Chr. Fritzsch, 1743, nach einem Gemälde v. J. M. v. d. Hude (SHLB; Westergaard Nr 12673), Abb.: Gesch. CAU (s. Lit.), Taf. 3; Neudr. v. d. Originalplatte, 1970 (SHLM).

Hubertus Neuschäffer


weiterer biographischer Eintrag:
http://de.wikisource.org/wiki/ADB:Wedderkop,_Magnus_von

Wedderkopp: Magnus v. W. (jetzt geschrieben Wedderkop), wurde am 26. October 1637 zu Husum als der älteste Sohn Henning Wedderkopff’s und seiner Ehefrau, Anna, geb. Andersen geboren.

Seine Vorfahren hatten, so besagt der ihm erneute Adelsbrief, „einige hundert Jahren als gute Edelleuth in Braband und Geldern sich aufhaltend bei denen Herzogen zu Burgund und Geldern, wie auch den Königen zu Hispanien etc. etc. in vornehmen Kriegs und Civilbedienungen willige Dienste erzeigt“. Joachim v. W., Obristlieutenant in Philipp’s II. Heer, verließ seines Glaubens wegen sein Vaterland und zog nach Franken, wo auch sein Sohn verblieb. Joachim’s Enkel Henning war Magnus’ Vater. Derselbe entsagte dem in Wallenstein’s Reiterei als Lieutenant geleisteten Dienst und ließ sich in Husum nieder, und trieb dort einen Handel „mit Kupfer und anderen Sachen“.

Magnus besuchte die Stadtschule in Husum und dann die Gelehrtenschule in Lübeck. Seinen Unterhalt mußte er sich theilweise durch Musikunterricht gewinnen. Zu akademischen Studien der Philosophie und der Rechte ging er nach Helmstedt, nach kurzer Zeit aber schon für drei volle Jahre nach Jena. Nebenbei lernte er die französische Sprache völlig beherrschen.

Im J. 1661 übernahm er sodann die Leitung der Studien zweier Söhne seines Gönners, des Herrn v. Brömsen in Lübeck. Zwei Jahre lang blieb er mit diesen seinen Zöglingen in Heidelberg und begleitete sie dann auf Reisen durch Frankreich und Italien. In Heidelberg war Kurfürst Karl Ludwig aufmerksam auf ihn geworden, so wurde er 1664 als Docent des Staats- und Lehnrechts nach Heidelberg und dann in den Staatsdienst berufen, den er 1669 verließ, um eine ihm vom Herzog Christian Albrecht von Schleswig-Holstein-Gottorp angetragene Professur in der juristischen Facultät der neu gegründeten Universität zu Kiel anzunehmen, durch eine Rede: „de moralium corporum unione“ führte er sich dort ein. Unter den von ihm derzeit verfaßten Schriften sind zu nennen: „de fructibus et eorum acquisitione“ (1670); „de jurisdictione“ (1671); „de praescriptione moratoria“ (1675); „Theses miscellaneae ex jure tam publico quam privato“ (1676). Im J. 1676 berief ihn der Herzog, nachdem er schon vorher die Stellung eines Syndikus am Domcapitel und Rathes des Bischofs zu Lübeck erhalten hatte, an seinen Hof, wo er 1683 sich mit Elisabeth v. Pincier vermählte, mit deren Bruder er eine einflußreiche Stellung gewann.

Die Bedeutung dieser Stellung lag in der Berathung und den Diensten, [388] welche dem Herzoge und seinen Nachfolgern zu leisten waren bei der derzeitigen krausen Politik. „Das verwirrte Cimbrien“ und alle das Ostseebecken umgebenden Staaten fielen aus einem Kriege und einer Zwistigkeit in die andere. Für die Herzöge von Gottorp handelte es sich dabei immer um die Herrschaft in den Herzogthümern Schleswig und Holstein, besonders in Schleswig, welches ihnen von Dänemark streitig gemacht wurde. Die gesammte europäische Politik spielte in diese Streitigkeiten hinein und so gab der zwischen Ludwig XIV. und Holland 26. Januar 1679 zu Nimwegen abgeschlossene Friede W. Gelegenheit, Günstiges, besonders des Kaisers Schutz, für seinen Herzog auszuwirken, (s. A. D. B. IV, 190). Als er durch eine Dotation hierfür belohnt wurde, sprach er in seinem Danke aus: „Daß er wie bishero also auch in’s Künftige vor Dero Herzoglichen Hauses Interesse seinem Eide und Pflichten nach unterthänigst werde vigiliren“.

Dieses Versprechen hat er getreulich gehalten, insbesondere dem Herzoge Christian Albrecht in dem 1689 unter günstigen allgemeinpolitischen Verhältnissen abgeschlossenen Altonaer Vergleich (s. A. D. B. IV, 191) und dann auch dessen Nachfolger, dem Herzoge Friedrich IV., in dem am 17. August 1700 abgeschlossenen Travendahler Frieden (s. A. D. B. VIII, 32), durch welchen der Herzog Alles erreichte, was er für den Augenblick verlangen konnte.

Wedderkopp’s Politik zeichnete sich sein ganzes Leben lang aus durch ein unverrückbares Festhalten an dem von Anbeginn verfolgten Ziele der Befreiung des herzoglichen Regiments von dem eben so unausgesetzten Druck und Angriffe Dänemarks darauf, und durch ein kluges Maßhalten bei gewandter Benutzung aller günstigen Momente und endlich durch thunlichsten Schutz des Wohles von Land und Leuten, ganz besonders durch redliche, sparsame und geordnete Wirthschaftlichkeit. So wird er denn auch geschildert als ein kluger, gelehrter, in den Welthändeln erfahrener Mann, der den Zustand und das Beste des Landes genau kannte.

Bereits 1682 hatte der Kaiser Leopold I. ihm den Adel, auf dessen Führung der Vater verzichtet hatte, erneuert, er wurde für sich und seine Nachkommen in die schleswig-holsteinsche Ritterschaft aufgenommen, sowie auch in die schwedische Ritterschaft und es wurde ihm der Titel eines schwedischen Etatsraths verliehen. Im December 1694 starb der Herzog Christian Albrecht. Sein Sohn und Nachfolger in der Regierung Friedrich IV. (s. A. D. B. VIII, 21 f.) ernannte W. zum Präsidenten des Geheimraths und seinen Schwager Pincier zum Stellvertreter.

Friedrich war verheirathet mit der Schwester Hedwig Sophie des Königs Karl XII. von Schweden. Diesem auf seinem Kriegszuge[WS 1] nach Polen folgend und des Regierens durchaus unlustig, ging er auf den tollen Plan des Oberstlieutenants v. Bergholz, eines Schwiegersohnes des beim Herzog in großer Gunst stehenden Etatsraths v. Clausenheim ein, und verpachtete diesem Abenteurer die Gottorpischen Lande zu völlig eigenmächtiger Regierung (s. A. D. B. VIII, 20); W. und Pincier wurden auf das Auswärtige beschränkt.

Eine unglaubliche Wirthschaft begann und große, unsinnig abenteuerliche Pläne wurden geschmiedet. „Aber ein unglücklicher Schuß zernichtete zugleich mit dem Leben des tapferen Herzogs Friedrich am 19. Juli 1702 bei Clißow in Polen in einem Augenblick alle diese Anschläge“. Des Herzogs Sohn Karl Friedrich war erst zwei Jahre alt und wurde unter Vormundschaft seiner Mutter und seines Vaters Bruders, des Herzogs Christian August (s. A. D. B. IV, 192 f.), Coadjutors und erwählten Nachfolgers des Bischofs von Lübeck, gestellt. W. blieb an der Spitze des Geheimraths, in welchem sich ihm ein Gegner in der Person des Georg Heinrich v. Görz, Freiherrn v. Schlitz (s. A. D. B. IX, [389] 389 f.) entgegen stellte. Das Trachten dieses Mannes ging auf Gewinnung der Macht. Der Herzog-Administrator, ein junger Mann von 29 Jahren, war mehr dem Vergnügen und dem Luxus zugeneigt als den Geschäften, diesen Neigungen erwies sich Görz förderlich, W., dessen Streben auf Ordnung und Sparsamkeit ging, nur hinderlich. Außerdem bemühte sich W. das seit dem Travendahler Friedensschluß bestehende gute Verhältniß zur Krone Dänemark zu erhalten in ausgesprochener Gegnerschaft gegen Görz.

Gesteigert wurde diese Gegnerschaft durch die von W. vor die in Stockholm zum Zwecke der Erziehung ihres Sohnes residirende Herzogin Wittwe gebrachte Untersuchung des tief zerrütteten Finanzzustandes des Landes, welche durchaus zu Wedderkopp’s Gunsten ausfiel.

Kurz darauf, im December 1708, starb die Herzogin Wittwe und W. verlor in dieser vortrefflichen Fürstin seine beste Stütze. Es wurde ihm am Gottorpischen Hofe unheimlich und er zog sich deshalb, seine Person nicht mehr gesichert haltend, nach Hamburg zurück, wo er ein Palais besaß, von hier aus noch an den Regierungsgeschäften theilnehmend und dabei, wie alle Zeit seines Lebens, der Musik seine Mußestunden weihend, ein persönlicher Freund Händel’s und Bach’s und deren großer Verehrer.

Man verstand es aber doch, ihn zum Präsidium einer Geheimrathssitzung nach Schleswig, wohin nicht die Macht des Kaisers, welche man fürchtete, reichte, zu locken. Am 19. December 1709 kam der nun 72jährige alte Herr auf dem Schlosse Gottorp an, wurde auf das huldvollste empfangen und bei der Tafel trank der Herzog, welcher Wedderkopp’s klugem und geschicktem Dienste und fester Energie den sicheren Besitz des einträglichen, ihm von Dänemark hart bestrittenen Bisthums Lübeck verdankte (s. A. D. B. IV, 192), „mit sehr gnädigem Bezeigen“ seine Gesundheit; aber nach Aufhebung der Tafel auf dem Wege in sein Zimmer wurde er in Haft genommen und in einer „Heuerkutsche“ in selbiger Nacht nach der Festung Tönningen gebracht. Seinem Schwager Pincier, welchen man in selbiger Nacht gleichfalls hatte festnehmen wollen, gelang es, zu entkommen.

Das sehr bedeutende Vermögen, die Güter und die Häuser in Lübeck und Hamburg wurden mit Beschlag belegt. Sechs Monate vergingen, ehe der Gefangene zum Verhör gebracht wurde. Es fehlte an Anklagematerial. Um dieses zu schaffen, wurde die Aufforderung von den Kanzeln des Landes angeordnet: jedermann habe bei schwerer Strafe zu melden, was er Uebles von W. vorzubringen wisse. Es meldete sich Niemand. Aber der Zweck der Beseitigung Wedderkopp’s wurde trotzdem weiter verfolgt. Unterm 23. Juni 1713 erging ein von Görz erschlichenes Todesurtheil gegen ihn „wegen vieler besonderer Verbrechen“, deren aber keines genannt steht. Es kam jedoch nicht zur Execution.

Die Zustände im Lande wurden währenddeß in solcher Weise niedergedrückt, daß es davon heißt: „Man kann mit Wahrheit sagen, daß die damalige Verfassung des gottorpischen Staates ipsa corruptione corruptior, verderbter als die Corruption selber war“ (s. A. D. B. IV, 192, 193).

Der nach der Niederlage Karl’s XII. bei Pultawa (1709) zwischen Schweden und Dänemark ausgebrochene Krieg hatte die Schweden 1713 in die ihnen vom Herzog-Administrator geöffnete Festung Tönningen getrieben (s. A. D. B. IV, 192), und sie wurden dort von den sie verfolgenden Dänen belagert. König Friedrich IV. von Dänemark ließ durch einen Parlamentair den Festungscommandanten für das Leben Wedderkopp’s, um dessen Schutz gegen die Görz’schen Angriffe er angegangen war, verantwortlich machen.

Am 7. Februar 1714 capitulirte die Festung und W. wurde befreit, nachdem er 4 Jahre und 4 Monate gefangen gesessen hatte, in einem Alter von 77 Jahren. Wunderbar ist es, daß ihm leiblich und geistig bei der langen [390] schweren Haft, in die man ihn gesetzt hatte, die Kräfte erhalten blieben, die heilige Schrift und der Unterricht in der Musik, welchen er einem mit ihm gefangen sitzenden dänischen Lieutenant ertheilte, wie einst in der Jugend in Lübeck, waren ihm Hülfe und Trost.

Vergeblich blieb auch jetzt noch seine Forderung einer Unschuldserklärung. Diese erfolgte erst, als Görz den Dienst des Herzogs mit dem König Karl’s XII. von Schweden, wo ihn nach dieses seines neuen Herren plötzlichem Ende der Tod durch Henkers Hand traf (s. A. D. B. IX, 393), vertauscht hatte. Im J. 1719 erließ der Herzog Karl Friedrich eine Erklärung: „daß Ihro Hoheit benannten 50jährigen treuen Diener von aller Verantwortung loszählten, voriger Gnade versicherten“ u. s. w., ihn in seine alten Aemter einsetzten und ihm seine Güter und Vermögen zurückerstatteten. Noch einmal wurde W. berufen, in das Schicksal des Hauses Gottorp mit seinem erfahrenen Rathe einzugreifen. Er empfahl, zum Zwecke endgültiger Auseinandersetzung mit Dänemark, auf Schleswig, welches stets der Anlaß zum Streite gewesen, Verzicht zu leisten und dafür in Holstein eine Entschädigung „Pflug um Pflug“ zu suchen. Der Herzog folgte aber diesem Rathe nicht und verlor nun Schleswig auf immer, ohne die Vortheile zu gewinnen, die ihm W. in Aussicht stellen zu können geglaubt hatte.

Dieser verbrachte seine letzten Lebensjahre in Hamburg in viel Mühe und Arbeit um die Beordnung seiner durch die Kämpfe mit Görz schwer verworrenen Vermögensangelegenheiten. Noch lange Jahre nach seinem Tode spann sich ein verwickelter Proceß zwischen den Wedderkopp’schen und Görz’schen Erben fort.

Am 16. Januar 1721, 83 Jahre alt, entschlief der so hoch gestiegene und so schwer angefeindete Mann sanft und ruhig in den Armen seiner treuen, glaubensstarken Gattin, die ihn um 10 Jahre überlebte. Beide Ehegatten haben ihre Grabstätte im Dome zu Lübeck, dessen Kanonikus W. war, gefunden.

Schl.-H. Provinzialber. 1825, I, 1. – Jahrb. VII, 304. – v. Kobbe, S.-H. Gesch., Altona 1854, S. 2 ff. – Bremer, Gesch. Schl.-H., Kiel 1864, S. 310 ff. – E. Möller, Schl.-H. Gesch. I, 713. – Jöcher IV, 1840. – Hamb. Schriftstellerlex. VII, 586. – Gesch. d. Gottorf. Hofes unter Herz. Friedrich IV. Frankf. 1774. – Ratjen in k. Universitätschronik für 1857, Kiel 1858, S. 12. – Zeitschr. f. Schl.-H. Geschichte V, 301, XII, 1 ff. – Archiv f. Gesch. des Herzogth. Lauenburg. Mölln i. Lbg. – L. Alwardt I, Heft 1, S. 75. – Zacharias Wolf, Commandant der Festung Tönningen. Tagebuch vom 1. Januarii 1713 bis 30. Januarii 1714. Königl. Buchdruckerei zu Kopenhagen 1714 und Abdruck danach. – Spitta, J. S. Bach I, 256. – Mattheson, Ehrenpforte.

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Lexika: Ulrich Christian Gyldenlöwe – Königssohn und dänischer Held

Zu Ulrich Christian Gyldenlöwe fand ich (leider) nur nur einen dänischen Text. Aber solange ich ihn nicht in Deutsch habe, sei er hier so abgedruckt.
Er stammt von http://runeberg.org/dbl/6/0342.html

und eine #MarieGrubbe“>romanhafte Darstellung seiner letzten Tage in dem erfolgreichen Roman “Frau Marie Grubbe” von Jens Peter Jacobsen aus dem Jahr 1876. Der ganze Roman ist zu finden beim Projekt Gutenberg.

ulrikchristiangyldenlove1630_1658 Gyldenløve, Ulrik Christian, 1630-58, Christian IV’s Søn med Vibeke Kruse, er født paa Ibstrup (nuværende Jægersborg) 7. April 1630. Fra ganske lille var U. C. Gjenstand for sin Faders Yndest og særlige Omhu. Som saarig Dreng fik han foræret 2 meklenborgske Herregaarde, Zibiihl og Gallentin, og en Forskrivning paa 20000 Rdl., et Par Aar efter blev han Husejer i Odense, og 1647 fik nan en nY Forskrivning paa 33000 Rdl. Perlen blandt Kongens Gaver var dog det efter U. C. selv opkaldte, ved Kjærtinge Fjord skjønt beliggende Herresæde Ulriksholm, tidligere Skinnerup, hvis tilliggende Gods betydelig blev forøget og afrundet ved Kjøb af Trellerupgaard og talrige Bøndergaarde, og hvis Hovedbygning Kongen i Aarene 1636-46 helt lod ombygge. Denne smukke Besiddelse afrundedes yderligere 1643 mec^ Hovedgaarden Østergaard. Til Formynder og Bestyrer af disse Ejendomme blev der givet Drengen først Anders Bille til Damsbo og derefter Stehen Eriksen Bille til Kjærsgaard. Øverste Tilsyn med U. C.s Opdragelse og Uddannelse i boglig Kunst var derimod overdraget til den berømte Dr. Jesper Brochmand, senere Sjællands Bisp, i hvis Hus U. C., ledsaget af sin «Skolemester», Mag. Hans Lauridsen (afløst 1640 af Mag. Jens Dolmer), optoges i sit 6. Aar og forblev til 1642. Kongen synes efter alt at dømme at have været særdeles tilfreds med hans Flid og Fremgang i den Periode, og det tør maaske betragtes som en Udvexling af Komplimenter imellem Bispen og Kongen over det opnaaede Resultat, naar den i2aarige Dreng inden sin Afgang til Sorø Akademi holder en Tale paa Latin: «Oratio de præstantia litterarum», og denne strax befordres i Trykken. I Sorø bleve gymnastiske Lege og Vaabenøvelser maaske nok drevne noget paa Bekostning af de boglige Studier, og disse lagdes I hvert Fald for lang Tid paa Hylden, da Christian IV i Okt. 1644 tillod, at Sønnen deltog i Forsvaret af det nu haardt truede Fædreland. U. C. blev ansat i sin Svoger Claus Ahlefeldts Regiment Ryttere, der den Gang hørte til Ærkebiskoppen af Bremens Hær i Jylland, og inden Aaret var omme, havde den i4aarige Yngling faaet Udnævnelse som Ritmester for et Rytterkompagni, som han førte det følgende Aar. Efter det frie Krigsliv smagte det imidlertid ikke den unge Ritmester paa ny at tage Plads paa Skolebænken, og det kom som bekjendt i den Anledning til heftige Optrin mellem ham og Jens Dolmer (s. IV, 295). Heller ikke den nye Præceptor, Kancellisekretær Memmius Burinus, der 1646 blev antaget, nærmest for som Hovmester at ledsage U. C. udenlands, formaaede at skaffe sig Respekt. Kongen, hvem U. C.s Udenlandsrejse laa stærkt paa Sinde, paatog sig derfor selv at sætte «Skik» paa ham, og ved Nytaarstid 1648, efter at U. C. forinden for en Kommission havde aflagt tilfredsstillende Prøve paa sine Kundskaber, gik Rejsen for sig. Ved Afskeden kunde Christian IV betro Sønnen, at Frands Lykke til Overgaard og Hustru paa Kongens Anmodning havde erklæret sig villige til at modtage ham efter endt Udenlandsfærd som Frier til deres naarige Datter Christence, der var den rigeste, som hun tegnede til at blive en af de skjønneste, blandt de danske Adelsjomfruer.

I henved 7 Aar var U. C. i Udlandet. Trediveaarskrigen var sin Afslutning nær, da han begav sig paa Rejse, men mellem Spanien og Frankrig fortsattes Kampen ved Pyrenæerne og i Flandern, og efter at nogen Tid var hengaaet med Forhandlinger mellem den danske Regering og Philip IV, fik U. C. Ansættelse ved den spanske Hær i Flandern. Han kunde her lære Krigskunsten til Gavns. Hærførere som Grev Fuensaldana, den berømte Turenne og den endnu genialere Condé vare hans Læremestre. Ved mangfoldige Lejligheder saasom ved Rethel, Mouson, Montagu, Vinoxbergen, Diinkerken, Gravelingen viste U. C., at der var fortrinligt Soldaterstof i ham, og han vandt stor Paaskjønnelse i den spanske Hær. Allerede 1650 var han saaledes udnævnt til Oberst, det følgende Aar betroedes ham Kommandoen over et Rytterregiment, 1652 tillagde Philip IV ham Generalmajors Rang, og 1653 tjente han i Generalstaben direkte under Condé som dennes Sergent-Maj or-General de Bataille. U. C. gjorde fra Udlandet to Besøg i Hjemmet. Første Gang i Nov. 1648, inden han endnu var traadt i spansk Tjeneste, for at hylde den nye Konge og vel tillige for at søge Skjærm mod Corfits Ulfeldt, hvilket nok kunde gjøres nødigt efter dennes bekjendte Fremfærd mod Moderen og mod Svogeren Claus Ahlefeldt. Kongen tog sig varmt af hans Sager og lod Henrik Blome til Hagen, Kongehusets hengivne Mand, og Dr. Juris Dietrich Reinkinck beskikke som Kuratorer for ham. Da han i 1649 atter drog bort, blev i Steden for Burinus Kapitajn i, den norske Hær Wulf Gottfried v. Wulffersdorf medgivet ham som Ledsager. Anden Gang, i 1652, kom U. C. over Hamborg, hvor han I nogen Tid opholdt sig, som Afsending fra den spanske Regering for at opnaa Tilladelse til Hvervning I Hertugdømmerne. Han fik ved denne Lejlighed sin Moders Lig ført fra Kirken ud for Nørreport fil sin Sognekirke ved Ulriksholm. I Hamborg havde han et Sammenstød med Cai Lykke, forhen hans gode Ven, hvem han beskyldte for at have været Ulfeldts Redskab ved den hans Moder overgaaede Forsmædelse og udfordrede «til Hest eller til Fods». Den berammede Duel fandt imidlertid ikke Sted, i det Cai Lykke forinden ved ilsom Flugt unddrog sig Virkningen af sin Modstanders frygtede Kaarde. At U. C. ved sin Optræden for Moderens Ære forskjert-sede sin tilkommende Kjæreste, Cai Lykkes Søster, kan vel næppe være tvivlsomt.

1654 kaldte Kongen ham tilbage. England truede da med Krig, tillige rustede Sverige stærkt, og det var uvist, om det gjaldt Polen eller Danmark, hvis Forsvarsmidler kun vare i maadelig Forfatning. Mellem Rigsmarsken, U. C.s gamle Formynder, og Kongen var Forholdet efterhaanden blevet køligt, og Frederik III trængte maaske til at have en ham hengiven Mand om sig, der paa Hærvæsenets Omraade kunde og vilde noget. Han havde fattet den største Tiltro og Tillid til sin unge Halvbroders Evner og Karakter, og lempelig, saa vidt det efter Haandfæstningen lod sig gjøre, søgte han nu at skaffe U. C. Indflydelse og passende Virksomhed. Han vilde strax ved Hjemkomsten have givet ham Ansættelse som Generalmajor, hvilket imidlertid Marsken synes at have forhindret, men Aaret efter satte Kongen Udnævnelsen igjennem. U. C. ledsagede s. A. Marsken paa dennes Generalmønstring i Jylland og var tillige Generalmajor Breda behjælpelig med at lede Defensionsarbejderne paa Sjælland. I April 1656 blev Hald overdraget ham i Forlening, og det var altsaa som kgl. Lensmand, at han i Nov. s. A. havde det kildne, af ham med Takt udførte Hverv at drage Søsteren Leonora Christina, der var kommen til Jylland og agtede sig til Kjøbenhavn, i Møde for at forbyde hende Adgang til Hoffet og med det gode eller onde formaa hende til at forlade Landet. Fra Begyndelsen af 1657 var U. C. i travl Virksomhed med at forberede de paa Herredagen i Odense i Febr. Maaned vedtagne Rustninger mod Sverige, i det navnlig hele den udenlandske Hvervning var ham overdragen. For sin egen Person havde han Patent paa Hvervning og Udrustning af ikke færre end 3 Regimenter, Ryttere, Dragoner og Musketerer, et Foretagende, ved hvilket han paadrog sig betydelig Gjæld og efterhaanden nødtes til at pantsætte sit Gods, da Staten i dens senere saa ulykkelige Forfatning indtil videre saa sig ude af Stand til at fyldestgjøre hans som saa mange andre indenlandske Kreditorers Fordringer. Der maa tilfalde U. C. som den, der havde Kongens Øre og kjendte Hærvæsenets Brøst, et ikke ringe Ansvar for, at Bruddet med Sverige, der i sine Følger blev saa ødelæggende for Landet, fandt Sted , men Ansvaret deler han med de betydeligste blandt Mændene ved Statens Ror, og for øvrigt turde det vel endnu være ubevist – naar Dommen da ikke udelukkende fældes efter Krigens Udfald -, at det hafte Syn paa Sagen har været det urette. I den kejtede Maade, hvorpaa dette Brud indlededes, og i Rollernes Fordeling paa Krigsskuepladsen har U. C. i hvert Fald ikke haft nogen Andel. Kongen havde ønsket selv at føre Hovedhæren i Skaane med U. C. som «Lieutenant», men efter forskjellige Overvejelser blev det bestemt, at Anders Bille skulde fore Hovedhæren i Holsten, Iver Krabbe det norske Korps og Axel Urup, der i den Anledning blev udnævnt til Generallieutenant, med U. C. som næstkommanderende agere i Skaane. De vare hinanden højst ulige, i det ydre som i det indre, de 2 Skaanske Generaler, og kun lidet har vist den lille, krogryggede, sindige Axel Urup harmoneret med sin statelige, energiske Underfører. Des mere taler den dygtige Gjennemførelse af Felttoget til deres Ros. Efter først klogelig at have holdt sig i Defensiven for at indøve og bringe Orden til Veje i deres af mange uensartede Elementer sammensatte lille Hær begyndte de i Avg. Maaned at gaa angrebsvis frem. De bandt da dristig an med den svenske Feltmarskal Otto Stenbock, og efter flere til Dels smukke og skarpe Træfninger ved Engelholm, Laholm, Halmstad havde de i Begyndelsen af Okt. Ikke alene opfyldt deres Bestemmelse, at dække Skaane, men endog formaaet at sætte sig fast i Halland, saaledes at de der kunde oppebie den forventede Ankomst af Iver Krabbes norske Korps. Men paa den jyske Halvø gik det som bekjendt ganske ulykkelig, og da Frederiksodde 24. Okt. var faldet i Fjendens Hænder og Hæren sprængt, stode de danske Øer og da navnlig Fyn i den største Fare. Rigsmarsken var falden, og det var nødvendigt at faa en Mand der over, som forstod at kommandere. Kongen tøvede ikke med at træffe sit Valg. 28. Okt. fik U. C., som en Maaned forinden var udnævnt til Generallieutenant til Hest, Ordre til skyndsomst at gaa til Fyn for at raadslaa med Rigsraad Henrik Rantzau, der midlertidig havde taget Befaling over Tropperne, om Øens Forsvar, og 5. Nov. overdroges ham den højeste militære Kommando.

I Fyn, som man ikke havde tænkt sig skulde blive Krigsskueplads, vare Forholdene ved U. C.s Ankomst mistrøstende. Som sin næstkommanderende og Chef for Rytteriet forefandt han Generalmajor Jens v. Hadersleben, og senere sendtes der ham til at kommandere Fodfolket en anden Æventyrer, Skotten John Henderson, der ligeledes havde Generalmajors Rang. Fodfolk til Kystværn var der saa godt som intet af; hele Tjenesten maatte forrettes af Rytteriet, hvis fleste Afdelinger imidlertid havde hørt til den opløste holstenske Hær og derfor vare i høj Grad ukomplette baade i Personel og Materiel. Med stor Ihærdighed og Kraft søgte U. C . at raade * Bod paa disse Forhold og bringe Forsvaret i Orden. «Generallieutenanten er flittig,» skriver ogsaa Rigsraad Otte Krag allerede i Nov., «mens behøver Hjælp; det falder ham alene for tungt og er ikke én Mands Værk.» Overalt paa Kysten, hvor Fjenden kunde tænkes at ville lande, anlagdes Batterier, Brystværn og Forhug, i hvert af Øens Herreder organiseredes en Landstorm af Bønder, og i Jan. det følgende Aar raadede han over et ret anseligt Korps af kampdygtige, regulære Tropper. Med vaagent Øje havde U. C. tillige fulgt den svenske Konges Færd og indberettet til Kjøbenhavn, at det snart vilde gaa løs. Men han frygtede ikke. Han var vis paa, at det vilde komme til at gjælde Vestfyn, og kunde føle sig overtydet om, at han paa sin Marche mod Bæltet vilde blive fulgt af sine Soldater, hvis Hengivenhed han trods sin strænge Overholdelse af Tjenestens Pligter stedse forstod at vinde ved den Forsorg og Omhu for deres Tarv, der synes at have hørt til hans mange lykkelige Egenskaber som Fører. Da, til al Ulykke blev han angrebet af en hidsig Feber og kastet paa Sygelejet, just som Frosten slog den af Carl Gustav med Spænding imødesete Bro over Bæltet. Paa Meldingen om Overgangen 30. Jan. lod U. C. sig bære paa Hesten for at deltage i Kampen, men alt for svag og kraftesløs maatte han overgive Befalingen til den næstkommanderende, og faa Timer efter erfarede han til sin Harme, at enhver Frugt af, hvad han paa Bekostning af sit Helbred havde udrettet, var forspildt og han selv en fangen Mand. Henderson var ved Fjendens Nærmelse saa godt som uden Sværdslag flygtet fra sin Post ved Middelfart, og v. Hadersleben havde ved Tybrind Vig, hvor Hovedangrebet fandt Sted, og hvor flere af de danske Regimenter kæmpede med udmærket Tapperhed, uden tvingende Nødvendighed kapituleret og overgivet sig med Hæren. Frederik III belønnede efter Fredslutningen sin Halvbroder med den ved Anders Billes Død ledigblevne Post som Lensmand over Skanderborg Amt; i Forvejen havde han optaget ham som Medlem af det i Jan. oprettede Krigskollegium. Efter Rolkilde-freden havde U. C. tillige med Feltmarskal Eberstein i øvrigt det brydsomme Hverv at skaffe de Tropper, Heste og Vaaben til Veje, som Svenskerne bl. a. vedbleve at forlange, inden de vilde forlade Landet.

Da Rigets Existens ved Carl Gustavs Landgang paa Sjælland i Avg. 1658 stod paa Spil, blev der tildelt U. C., der var tredje ældste i Rang af de danske Generaler, i det kun den i Holsten fraværende Eberstein og Axel Urup vare hans Formænd, Overkommandoen, en Post, hvortil han i fuldeste Maal havde den dybere Adkomst, ikke mindre ved sin Kløgt, Snarraadighed og sit uforlignelige Mod end ved sin tillidvækkende Personlighed og sit nøje Kjendskab til Krigens Fordringer. Kun som Gisning skal det henstilles, om det ikke skulde være den nu i Hovedstaden tilstedeværende, med høj Myndighed udrustede U. C., der ved sin Indflydelse hos Kongen og hos Borgerne fornemmelig har bidraget til at skabe den imponerende Fasthed, hvormed man modtog den svenske Konge, og som dannede en mærkelig Modsætning til Regeringens og Byens Holdning i Febr. Maaned, uagtet de ydre Betingelser for at kunne tilbageslaa en Storm og udholde en Belejring den Gang vare langt gunstigere. Ikke noksom kan derimod fremhæves hans Betydning for Forsvaret, hvis Sjæl som Sværd han var. Han havde en klar Forstaaelse af, at Kampen maatte føres med hensynsløs Energi, at Kongen og de, der stode ved Styret, maatte frem i forreste Linje, hvis Modet og Fortrøstningen skulde holdes oppe inden for Voldene, og at det var nødvendigt dristig at gaa Fjenden paa Klingen for at sætte sig i Respekt og faa dannet brugelige Soldater af de sammenflikkede Hobe, hvoraf Besætningen bestod. Dette hans Program, om man saa tør sige, blev med Fasthed gjennemført i Belejringens egentlige Trængselsmaaneder inden Hollændernes Ankomst. Allerede 13. Avg ., 2 Dage efter at Cer-neringen var begyndt, indledede han Rækken af sine berømte Udfald, der gjorde hans Navn frygtet i den svenske Lejr, men af hvilke endnu kun skal nævnes det saakaldte store Udfald 23. Avg. gjennem Dronningens Have – et Mesterstykke i sin Art ved den voldsomme Kraft, hvormed han førte sine Skarer ind over de fjendtlige Forskansninger, og ved den behændige Omsigt, hvormed han efter at have raseret alt formaaede velbeholden at trække sig ud af Ilden. Mærkes maa ogsaa den glimrende, af begge Konger overværede Turnering mellem ham og Wrangel paa Amager 10. Okt., der endte med Svenskernes Nederlag og nær havde kostet Carl Gustav Livet. Med den næst efter ham i Rang følgende Generallieutenant, Hans Schack, Fæstningens Kommandant, synes U. C. at have arbejdet i god Forstaaelse; derimod havde han Strid med Axel Urup, der vel ikke uden Grund i sin tidligere Underanfører saa Rigets vordende Marsk, og som i sin Egenskab af militærkyndigt Rigsraadsmedlem bekæmpede U. C.s Indflydelse og Hærledelse.

En af de sidste Gange, U. C.s Navn forekommer i Belejringens Historie, er 2. Nov. Kort efter synes han at være bleven angreben af sit tidligere Onde – en svensk samtidig Beretning kalder det «Flåckfeber», Leonora Christina «en rasende og fortvivlet Sygdom» -, der nu viste sig at være uhelbredeligt. Utaalsomt skal det være faldet ham, denne «KampensLøve, Hector gjenfødt iNord», saaledes at være bunden til Sygesengen, medens Kanonernes Drøn gav Gjenlyd fra Voldene; barsk skal han have afvist Hofpræsterne, der vilde yde ham den sidste Trøst, og den djærve Præstemand fra Trinitatis Jens Justesen Bjerre maatte til for at faa ham i Tale og gjøre ham forstaaeligt, at nu maatte han overgive sig og nedlægge den Kaarde, han hidtil vel nok fremfor alt havde stolet paa, og som han havde ført til saa stor Hæder for sit Fædreland. Hans Død, ii. Dec. 1658, i hans 29. Aar vakte stor Sorg i Kjøbenhavn, hos Kongen, der skal have opbudt alle Hjælpemidler for at bevare sin trofaste Broder, imellem Soldaterne og blandt Borgerne, hvis erklærede Yndling han var, og som især, ved Siden af hans raske Kjækhed, synes at have følt sig tiltalte af det ærlige, pligtopfyldende og omsigtsfulde i hans Karakter. Ved en Tilfældighed, i hvilken en smuk Symbolik er skjult, forblev U. C.s Lig staaende oven Jorde, indtil Fjenden drog bort fra Kjøbenhavn. Kongen vilde have en prægtig Begravelse, men der fattedes Midler. Først n. Maj 1660, i samme Maaned som Freden sluttedes, fandt Bisættelsen Sted med den største Højtidelighed og Pragt efter et af Kongen selv udkastet Ceremoniel i vor Frue Kirke. En Mindestøtte er rejst U. C. i Slotshegnet ved Jægerspris.

Exeqviis Uld. Chr. Guldenlow elogium, 1660. Epitaphium U. C. Giildenlou, 1660. Hofman, Dsk. Adelsmænd

III, 232. $t A. Sørensen.


Teil des 3. und das 5. Kapitel aus “Frau Marie Grubbe”

„Nieder mit ihm!“ schrie man. „Nieder mit ihm! Er soll widerrufen, was er gesagt hat; er soll gestehen, was er gekriegt hat, um uns zu verführen. Nieder mit ihm ! Gebt ihn uns hierher zum Geständnis ! Wir wollen es ihm schon abzwacken!“

„Er soll in den Keller, das soll er“, riefen andere, „er soll in den Ratsstubenkeller! Langt ihn herab! Langt ihn herab!“

Ein paar starke Kerle hatten ihn schon gepackt. Der Unglückliche klammerte sich an das Holzge1änder der Treppe; da rissen sie dieses und auch ihn auf die Straße hinab, hinunter in die Menge. Er wurde mit Fußtritten und Faustschlägen empfangen. Alle Weiber zerrten an seinem Haar und seinen Kleidern, so daß kleine Jungen, die an der Hand ihres Vaters dastanden und zusahen, vor Vergnügen hüpften.

„Laßt Mette vorkommen!“ wurde von hinten hergeschrien. „Geht beiseite! Beiseite! Mette soll ihn in Verhör nehmen.“

Mette kam hervor. „Will Er seine Teufelspredigt wieder zurücknehmen? Will Er das, Meister Lurifax?“

„Nimmermehr, nimmermehr! Man soll Gott mehr gehorchen denn den Menschen, wie geschrieben stehet.“

„Soll man das!“ sagte Mette, zog ihren Holzpantoffel aus und bedrohte ihn damit. „Aber die Menschen haben Holzpantoffel, das haben sie, und du bist ein Soldknecht

des Satans und nicht Gottes des Herrn; ich werd dich schlagen, das werd ich, daß dein Gehirn da nebenan auf der Mauer sitzen soll!“, und sie schlug ihn mit dem Pantoffel.

„Versündigt Euch nicht, Mette“, stöhnte der Magister.

„Da soll denn doch der Satan!“ kreischte sie.

„Still, still“, rief man, „nehmt euch in acht, nehmt euch in acht und dränget nicht so; da kommt Gyldenlöv, der Generalleutnant !“

Eine hohe Gestalt ritt vorüber. „Lange lebe Gyldenlöv, der tapfere Gyldenlöv!“ brüllte die Menge.

Man schwenkte mit Hüten und Mützen, und die Rufe wollten kein Ende nehmen; dann ritt die Gestalt weiter, dem Walle zu.

Es war der Generalleutnant der Miliz, Oberst zu Pferde und zu Fuß, Ulrik Christian Gyldenlöve, des Königs Halbbruder .

Die Menge zerstreute sich, es wurden weniger und weniger, bald waren es nur noch ein paar einzelne.

„Es ist gleichwohl kurios“, sagte Färber Gert, „da schlagen wir dem den Kopf entzwei, der von Friedfertigkeit redet, und rufen uns heiser für den, der am meisten schuld an dem Kriege ist.“

„Gott beföhlen, Gert Pyper, Gott befohlen und eine geruhsame gute Nacht!“ sagte der Kaufmann abbrechend und eilte von ihm weg.

„Der denkt an Mettes Pantoffel!“ murmelte der Färber; dann ging auch er.

Drüben auf der Treppe saß Jesper Kiim ganz allein und hielt sich den schmerzenden Kopf; und oben auf dem Wall gingen die Wächter auf und nieder und spähten über das dunkle Land hinaus, wo alles still war, ganz still, obwohl Tausende von Feinden da draußen lagen.

Viertes Kapitel [ausgelassen]

Fünftes Kapitel

Nach den Hauptausfällen am 2. September und 20. Oktober war die Stadt voll von dem Ruhme Ulrik Christian Gyldenlöves, des Oberst Satan, wie die Bürger ihn nannten. Sein Name war in aller Munde; es gab kein Kind in der Stadt, das nicht Bellarina, seinen Fuchs mit den weißen Socken, kannte; und wenn er vorüberritt, guckten die Schönjungfrauen der Stadt bewundernd der schlanken, hohen Gestalt nach in dem breitschößigen, blauen Trabantenrock mit den gewaltigen, weißen Aufschlägen, der roten Schärpe und dem spannenbreiten Degengehenk, und sie waren stolz, wenn ihr schönes Gesicht ihnen ein Nicken oder einen Blick von dem frechen Soldaten einbrachte. Ja, selbst die gesetzten Familienväter und ihre tollenhäubigen Matronen, die doch wußten, wie schlimm er war, und alle seine schönen Geschichten kannten, nickten einander vergnügt zu, wenn sie ihm begegnet waren, und vertieften sich in die schwierige Frage, wie es wohl der Stadt ergangen sein möchte, wenn er nicht gewesen wäre.

Daß die Soldaten und Wallmannschaften ihn vergötterten, war nun kein Wunder, denn er besaß ganz die volksgewinnenden Gaben seines Vaters, des Königs Christian IV. Allein auch in andern Beziehungen artete er ihm nach, er hatte sowohl seine Heftigkeit wie seine Unmäßigkeit geerbt, aber auch einen Teil seiner Begabung, seine Entschlossenheit und seinen Überblick. Er war sehr geradezu; ein mehrjähriger Aufenthalt an fremden Höfen hatte keinen Hofmann aus ihm gemacht, ja, er war nicht einmal sonderlich höflich; im täglichen Verkehr war er abstoßend wortkarg, und im Dienst tat er niemals den Mund auf, ohne zu fluchen und zu schwören wie der gemeinste Matrose.

Aber Soldat, das war er. Trotz seines jugendlichen Alters -er zählte nur achtundzwanzig Jahre -ordnete er die Verteidigung der Stadt und leitete die gefahrvollen, aber wichtigen Ausfälle mit einer so überlegenen Einsicht und einer so großen Reife der Pläne, daß die Sache wohl kaum bei irgendeinem andern von Frederiks III. Männern in so guten Händen gewesen wäre.

Es war daher begreiflich, daß sein Name alle anderen verdunkelte und daß die Winkelpoeten in ihren versifizierten Berichten über die Ausfälle ihm zuriefen: „Du sieggekrönter Gyldenlöv, du Dänemarks Feind -Erretter“, oder ihn mit einem „Oh, heil dir, heil du nordischer Mars, du tapferer David der Dänen“ begrüßten und ihm wünschten, daß sein Leben möge werden wie ein cornu capiae oder Füllhorn, voller Lob und Ehre, Gesundheit, Wohlstand und Glück; und es war äußerst natürlich, daß manche stille Abendandacht mit einem Gebet zu Gott endete, auch fernerhin Herrn Ulrik Christian zu erhalten; ja es gab wohl einzelne fromme Gemüter, die zu dem Herrn seufzten, daß sein Fuß möge hinweggeleitet werden von den schlüpferigen Adelswegen der Sünde und sein Sinn von allem abgewendet bleibe, was böse sei, dem schimmernden Lichtkranz der Tugenden und der Wahrheit zu, auf daß derjenige, der in so vollem Maße die Ehre dieser Welt errungen habe, auch teilhaftig werden möge der einzigen wahren und rechten Ehre!

Marie Grubbe beschäftigte sich in Gedanken viel mit diesem nahen Anverwandten ihrer Muhme. Zufälligerweise war sie niemals mit ihm zusammen gewesen, weder bei Frau Rigitze noch anderswo; nur auf der Straße hatte sie ihn gesehen, einmal in der Dämmerung, als Lucie ihn ihr gezeigt hatte.

Alle sprachen von ihm; fast jeden Tag wurden neue, mutige Züge von ihm erzählt; sie hörte und las auch, daß er ein Held war, und das jubelnde Murmeln, das in jener Dämmerstunde, als er vorüberritt, durch die Volksmenge gegangen war, hatte einen unauslöschlichen Eindruck auf sie gemacht.

Der große Name, wie es der Beiname des Helden ist, hob ihn ganz aus den Reihen der gewöhnlichen Menschen heraus. Sie hatte sich Helden eigentlich niemals wie andere Menschen vorgestellt. König Alexander von Mazedonien, Holger Danske, Ritter Bayard und ihresgleichen, das waren Helden, große, feine, strahlende Gestalten, die mehr Muster waren und so was, als daß sie Menschen waren wie andere Leute. So wie sie, als sie noch klein war, niemals geglaubt hatte, daß jemand es dahin bringen könne, so zierlich zu schreiben wie die Vorschriften, nach denen man schrieb, so war es ihr auch niemals eingefallen, daß jemand so weit gelangen könne, ein Held zu werden. Helden waren etwas Vergangenes, etwas, das gewesen war . Daß man einem Helden begegnen könne, einem wirklichen Helden, ihm zu Pferde in der Store-Färgesträde begegnen könne, so wild hatte sie niemals geträumt. Das Leben sah plötzlich ganz anders aus, es gab etwas anderes auf der Welt als das Alltägliche; das Große, Schöne, buntfarbig Reiche, wovon in den Geschichtsbüchern und den Liedern stand, das konnte einem alles begegnen. Es gab also wirklich etwas, wonach man sich mit ganzer Seele sehnen konnte; all diese Worte, von denen Menschen und Bücher voll waren, sie bedeuteten etwas, waren etwas; es war ein Sinn in ihren unklaren Träumen, in ihrem Sehnen, es war nichts, was sie allein empfand; erwachsene Leute glaubten daran. Das Leben war reich, strahlend reich.

Noch ahnte sie es nur; sie war davon überzeugt, daß es so sei, aber sie konnte nicht sehen und fühlen, daß es so war. Er allein war das Handgreifliche für sie, war ihr ein Pfand dafür, daß es so war. Deswegen drehten sich alle ihre Gedanken und Träume ewig und beständig um ihn, und manch liebes Mal stürzte sie ans Fenster, wenn sie unten auf der Straße Huf trab vernahm, und sie überredete oft die willige Lucie, wenn sie draußen waren, einen Umweg mit ihr nach dem Schloß zu machen; aber sie sahen ihn niemals.

Und dann geschah es an einem der allerletzten Tage im Oktober, am Spätnachmittag, daß sie in einer der Fenstervertiefungen in dem langen Zimmer, wo der Ofen stand, saß und klöppelte. Frau Rigitze saß am Kamin, sie hatte ein kleines Becken mit glühenden Kohlen bei sich und nahm von Zeit zu Zeit einige getrocknete Blumen und Zimmetrinde‘ aus einer Büchse, die sie auf dem Schoße hielt, und legte sie auf die Kohlen. Die Luft in dem niedrigen Zimmer war heiß und erstickend und süß, und zwischen den breiten, dunkelgeblümten Gardinen kam nur sehr wenig Licht herein. Aus der anstoßenden Kammer hörte man einen Rocken schnurren, und dazwischen nickte Frau Rigitze ein wenig ein in ihrem gepolsterten Stuhl.

Marie Grubbe war matt von der Wärme. Sie suchte ihre heißen Wangen an den kleinen, betauten Fensterscheiben zu kühlen und guckte gleichzeitig auf die Straße hinaus, wo eine dünne Schicht frisch gefallenen Schnees die Luft blendend hell machte. Sah sie dann wieder in die Stube hinein, wurde es da doppelt dunkel und drückend. Plötzlich trat Ulrik Christian so rasch zur Tür herein, daß Frau Rigitze zusammenfuhr. Er sah Marie nicht und setzte sich gleich drüben an den Kamin. Dann äußerte er ein paar entschuldigende Worte, daß es so lange her sei, seit er dagewesen war; er· sagte, daß er müde sei, setzte sich vornüber auf den Stuhl, die Hand unter der Wange, und schwieg still, Frau Rigitzes lebhafter Rede nur halbwegs lauschend.

Marie Grubbe war ganz bleich vor Erregung geworden, als sie ihn eintreten sah; sie schloß eine Weile die Augen, als schwindele es ihr, dann wurde sie glühendrot und hatte Mühe, Atem zu holen. Sie hatte ein Gefühl, als sinke der Fußboden unter ihr ein oder als schwebe das ganze Zimmer mit Stühlen, Tischen und Menschen durch die Luft hinab, und alles, was drinnen war, sah sie so wunderlich scharf und bestimmt, aber doch so unruhig; es war, als könne sie es nicht so recht mit dem Blick festhalten, und dann sah außerdem alles so neu und fremd aus. Indessen währte es nicht lange, bis dies vorüberging und sie wieder zu sich kam. Da war er also. Sie wünschte, sie wäre weit weg von hier oder bloß oben in ihrer Kammer, in ihrer friedlichen, kleinen Kammer; ihr war so bange; sie konnte merken, wie ihre Hände zitterten. Wenn er sie nur nicht sah!

Sie drückte sich lautlos tiefer in die Fensternische und richtete erst jetzt bestimmt den Blick auf den Gast ihrer Muhme.

So also sah er aus! Nicht viel, viel größer? Und seine Augen waren ja gar nicht funkelnd schwarz; blau waren sie, gute blaue, schwermütige Augen, das hatte sie sich gar nicht gedacht. Er war so blaß und sah so betrübt aus; jetzt lächelte er, aber nicht wirklich fröhlich; seine Zähne waren so weiß, und wie sein Mund schön war, so fein und klein!

Je länger sie ihn ansah, desto schöner erschien er ihr, und sie fing an, sich darüber zu wundern, daß sie ihn sich größer und überhaupt anders gedacht hatte. Sie vergaß ganz ihre Furcht und dachte nur an all das Lob und Berühmen, das sie über ihn gehört hatte. Die ganze Zeit sah sie ihn an, und sie stellte sich ihn an der Spitze seiner Scharen vor, vorwärts stürmend unter dem Jubel des Volkes , und alles wich, oder es wurde beiseite geschleudert, wie die Wellen beiseite geschleudert werden, wenn sie schäumend gegen die breite Brust eines Seglers anspringen. Die Kartaunen donnerten, Pallasche blitzten, und Kugeln pfiffen in dem gewitterdunklen Rauch , doch er sprengte vorwärts, keck und aufrecht, und an seinem Steigbügel schleif te der Sieg, wie in der Chronik stand, die sie gelesen hatte.

Voller Bewunderung und Begeisterung strahlte ihr Auge ihn an.

Bei einer plötzlichen Bewegung fing er den Blick auf. Er drehte den Kopf zur Seite, sah nieder und hatte Mühe, ein triumphierendes Lächeln zu unterdrücken; dann erhob er sich und tat, als bemerke er erst jetzt Marie Grubbe.

Frau Rigitze sagte, es sei ihre kleine Bruderstochter, und Marie machte ihr Kompliment.

Ulrik Christian war überrascht, auch ein wenig enttäuscht, zu erfahren, daß die Augen, die ihn so angesehen hatten, die eines Kindes waren.

„Ma chère“, sagte er ein wenig spitz und sah auf ihre Arbeit nieder. „Sie ist die größte Meisterin darin, geheim und still zu arbeiten, die ich jemals gekannt habe; man hat ja die ganze Zeit nicht das geringste von ihren Klöppe!stöcken gehört.“

„Ach“, sagte Marie, die ihn wohl verstand, „als ich den Generalleutnant sah“, und sie schob das schwere Klöppelkissen auf die Fensterbank, „da kam es mir in den Sinn, daß es jetzt eher Zeit sei, für Verbandzeug zu sorgen als für Haubenstaat. „

„Da bedünket mich doch, Hauben kleiden ebenso scharmant in Kriegszeiten wie sonst“, sagte er und sah sie an.

„Ja, aber wer hat Gedanken dafür in Zeiten wie die heurigen!“

„Viele“, sagte Ulrik Christian, der anfing, sich an ihrem Ernst zu ergötzen, „zum Beispiel ich!“

„Ja, ich verstehe“, sagte Marie und sah ernsthaft zu ihm auf, „es ist ja nur ein Kind, mit dem Ihr redet. “ Sie machte einen zeremoniellen Knicks und griff nach der Klöppelarbeit.

„Warte Sie ein wenig, Jungfräulein!“

„Ach nein, lasset mich Euch nicht länger inkommodieren.“

„Höre Sie jetzt“, sagte er, packte sie hart bei den Handgelenken und beugte sie über den Klöppeltisch zu sich hinüber, „Sie ist mir bei Gott eine schwierige Person, aber“, flüsterte er, „hat Sie mir einen guten Tag geboten mit einem Blick wie der, mit dem Sie mich angesehen hat, so will ich mitnichten, daß Sie mich eine Handbewegung später mit so einem kärglichen Lebewohl grüßet; das will ich mitnichten -so -küsse Sie mich nun!“

Marie drückte mit Tränen in den Augen ihre bebenden Lippen auf die seinen, er ließ sie los, und sie sank neben dem Tisch nieder, den Kopf auf den Armen ruhend.

Marie war ganz verwirrt. Sowohl an diesem Tage wie an dem folgenden hatte sie eine dumpfe Empfindung von Knechtschaft, daß sie nicht mehr frei sei. Es war ihr, als sei ihr ein Fuß auf den Nacken gesetzt, als sei sie in den Staub getreten und könne sich nicht wieder erheben. Aber es war kein bitteres Gefühl, es war kein Trotz in ihren Gedanken, kein Wunsch nach Rache war da. Eine wunderbare Ruhe war über ihr Gemüt gekommen, kein fliegender Schwarm bunter Träume und auch keine Sehnsucht mehr. Ulrik Christian gegenüber empfand sie nichts Bestimmtes, sie wußte nur, daß, wenn er sagte: komm, so mußte sie kommen, wenn er sagte: geh, so mußte sie sich entfernen. Sie verstand das nicht, aber so war es, so würde es bleiben, und anders konnte es niemals werden.

Sie klöppelte und nähte den ganzen Tag mit einer ungewöhnlichen Ausdauer, und während sie arbeitete, summte sie alle die traurigen Lieder, die sie kannte, vor sich hin, von den Rosen der Liebe, deren Farbe erblich und die nie wieder blühen; von dem Burschen, der seine Maid verlassen und in das fremde Land ziehen mußte, woher er niemals, niemals wieder zurückkehrte; und von dem Gefangenen, der in dem tiefen Turm so traurig lange saß; und wie dann zuerst sein edler Falke, danach sein treuer Hund und zuletzt sein gutes graues Roß starben, während sein treuloses Weib Malvina fröhlich und froh und ohne Sorge lebte. Diese Lieder sang Marie und viele andere, und zuweilen seufzte sie, zuweilen war sie dem Weinen nahe, so daß Lucie glaubte, sie sei krank, und haben woHte, daß sie Wegerichblätter in ihre Strümpfe legte.

Als Ulrik Christian ein paar Tage darauf wieder einsah und sanft und freundlich zu ihr redete, war auch sie, als ob nichts zwischen ihnen gewesen wäre; aber sie sah mit einer kindischen Neugier auf die großen, weißen Hände, die sie so hart angefaßt hatten, und sie spähte danach, was in seinem Auge und in seiner Stimme wohl gewesen sein konnte, was sie so hatte einschüchtern können; und auch den Mund mit dem schmalen, herabgebogenen Schnurrbart betrachtete sie, aber verstohlen und mit einer heimlich kitzelnden Angst.

In der nächstfolgenden Zeit kam er fast jeden oder jeden zweiten Tag, und Marie Grubbe wurde mehr und mehr von ihm eingenommen. Wenn er abwesend war, so erschien ihr das alte Haus öde und leblos, und sie sehnte sich nach ihm, wie der Schlaflose sich danach sehnt, daß es Tag werden möge ; aber wenn er dann kam, war ihre Freude doch niemals voll und frei, sie fühlte sich ihm gegenüber immer so unsicher.

Eines Nachts träumte sie, daß sie ihn durch die dichtgefüllten Straßen reiten sehe, so wie an jenem ersten Abend; allein es erschoH kein Jubel, und alle Gesichter blickten kalt und gleichgültig nach ihm; ihr selber wurde angst in dem Schweigen, und sie wagte nicht, ihm zuzulächeln, sondern verbarg sich hinter dem Haufen; da sah er sich mit einem fragenden, seltsamen, wehmütigen Blick um, und er richtete sich auf sie, dieser Blick, und sie drängte sich vor durch das Volksgewimmel, warf sich nieder, . gerade vor seinem Pferde, und das setzte seine kalten, eisernen Hufe auf ihren Nacken.

Sie erwachte, setzte sich aufrecht im Bett hin und sah sich verwundert um in der kalten, mondhellen Kammer; ach, es war nur ein Traum! Und sie seufzte, sie wollte ihm doch so gern zeigen, wie sehr sie ihn liebte. -Ja, so war es, sie hatte es bisher noch nicht gewußt, sie liebte ihn. Es ward ihr bei diesem Gedanken, als liege sie im Feuer, es flimmerte ihr vor den Augen, und alle Pulse des Herzens pochten, pochten, pochten. Sie liebte ihn; wie wunderlich war es zu sagen, sie liebte ihn! So herrlich war es, so stolz, so gewaltig wirklich, aber doch so unwirklich. Herrgott, was konnte es helfen, sie liebte… und ihr kamen Tränen in die Augen aus Mitleid mit sich selbst aber bei alledem! Und sie barg sich wieder warm und weich unter dem Federbett, es war doch schön, dazuliegen und so an ihn und ihre Liebe zu denken, an ihre große, große Liebe.

Das nächste Mal , als Marie Ulrik Christian sah, war kein Gefühl der Unsicherheit in ihr, im Gegenteil, das Geheimnis, das sie in sich trug, machte sie bedeutend in ihren eigenen Augen, und die Furcht, es zu verraten, machte ihr Wesen beherrschter, fast gereift. Es kam nun eine herrliche Zeit, voller Träume und voller Sehnen, eine phantastisch herrliche Zeit; oder war es etwa nicht herrlich, wenn Ulrik Christian fortging, vor ihm und allen andern verborgen, ihm Hunderte von Handküssen nachzuwerfen, oder wenn er kam, sich vorzustellen, wie ihr geliebter Freund sie in die Arme schließen, sie bei allen süßen Namen der Welt nennen und sich zu ihr setzen würde; und wie würden sie einander dann in die Augen sehen -lange, und sie würde ihre Hand durch sein weiches, braunes, lockiges Haar gleiten lassen. Was machte es denn, daß es nicht geschah, im Gegenteil, sie wurde ganz rot bei dem Gedanken, daß es etwas sei, was wirklich geschehen könne.

Es waren schöne, glückliche Tage; aber da geschah es, daß Ulrik Christian Ende November gefährlich erkrankte. Seine Gesundheit, die lange durch Ausschweifungen nach allen möglichen Richtungen hin geschwächt war , hatte vielleicht das anhaltende Nachtwachen und die anstrengende Arbeit, die mit seinem Posten verbunden war, nicht aushalten können, oder vielleicht waren es neue Ausschweifungen gewesen, die den Bogen zu straff gespannt hatten. Ein schmerzhaftes, zehrendes Siechtum mit wilden Fiebergeschichten und ewiger Unruhe brach aus und nahm nach Verlauf von kurzer Zeit eine so gefährliche Wendung, daß es offenbar war, der Name dieser Krankheit sei der Tod.

Es war am 11. Dezember.

In dem großen, lederbraunen Gemach, das zu Ulrik Christians Krankenzimmer führte, schritt der königliche Konfessionarius Hans Didrichsen Bartscheer unruhig auf und nieder über den mit kunstvoll geflochtenen Strohmatten belegten Estrich. Er blieb wie geistesabwesend vor den Gemälden an den Wänden stehen und betrachtete scheinbar mit großer Aufmerksamkeit die nackten, üppigen Nymphen, die ausgestreckt im Schatten dunkler Bäume lagen, die badenden Susannen und die süßliche Judith mit den kräftigen, nackten Armen; aber lange vermochten sie ihn nicht zu fesseln. Er trat an das Fenster und ließ den Blick ratlos von dem grauweißen Himmel zu den feuchten, glänzenden Kupferdächern schweifen und zu den länglichen Haufen schmutzigen Tauschnees unten im Schloßhofe. Daim begann er von neuem seine unruhige Wanderung, murmelnd und gestikulierend.

Es deuchte ihn, als gehe die Tür, er blieb plötzlich stehen und lauschte: Nein! Dann holte er schwer Atem und ließ sich in einen Stuhl niederfallen, und da saß er und seufzte und rieb beklommen die Handflächen gegeneinander, als die Tür wirklich aufging und ein ältliches Frauenzimmer mit einer großen Falbelhaube aus rotgetüpfeltem Stoff ihm vorsichtig winkte.

Der Geistliche nahm sich zusammen, schob die Agende unter den Arm, glättete seine Samarie und trat in das Krankenzimmer.

Es war ein großer, ovaler Raum, von der Diele bis zur Decke mit dunklem Getäfet aus dessen stark vertieften Mittelfüllungen eine Reihe häßlicher, buntgemalter Türken-und Mohrenköpfe mit weißen Zähnen hervorgrinsten. Ein dünnes, blaugraues Tuch, mit dem das schmale, tiefe Gitterfenster unten verhangen war, hielt die untere Hälfte des Zimmers in einem tiefen Halbdunkel, während das Licht frei auf den Deckengemälden spielte, wo Pferde, Waffen und nackte Leiber zu einem unauflöslichen Wirrwarr vereint waren, und auf dem Baldachin des Himmelbettes mit seinen silbergefransten Vorhängen aus gelbem Damast.

Eine warme, von Salben und anderen Medikamenten beklommene Luft schlug dem Geistlichen entgegen, als er eintrat, und war nahe daran, ihm den Atem zu benehmen. Er griff nach einem Stuhl, und auf den gestützt , sah er in seiner Schwindligkeit alles sich an ihm vorüberdrehen: den Tisch mit Flaschen, Phiolen und Uringläsern, das Fenster, die Krankenwärterin mit Schaube, das Bett mit dem Kranken, den Waffenständer und die offene Tür zu dem Nebenzimmer, wo das Feuer im Kamin flamm te.

„Gottes Friede, Herr“, grüßte er mit zitternder Stimme, als der Schwindel sich etwas gelegt hatte. “ Was zum Teufel will Er hier?“ brüllte der Kranke und richtete sich im Bett auf.

„Gemach, gnädigster Herr, gemach“, beschwichtigte Ane Schuhmachersch, die Krankenfrau, und ging auf das Lager zu; sie strich liebkosend über das Federbett hin,

„es is der hochwürdige Konfessionar Seiner Majestät, der hiegeschicket is und Euch beichten soll.“

„Gnädigster Herr! Edler Herr Gyldenlöv!“ begann der Geistliche und näherte sich dem Bett. „Wohl weiß ich, Ihr habet nicht gehört zu den einfältigen Weisen oder weisen Einfältigen, so des Herrn Worte gehabt haben zu ihrem immerwährenden Stützestab und sein Haus zu ihrer stetigen Herberge. Und obwohl der Gott, der die Kartaunen des Donners dröhnen lässet, auch df‘:r Gott ist, der die güldenen Palmen des Sieges oder die biutträufenden Zypressen der Niederlage in seiner Hand hält, so ist es doch bei den Menschen, wo nicht zu entschuldigen, so doch zu begreifen, daß der, dem vieles Volk gegeben ist, darüber zu gebieten und ihm voranzugehen mit seinem vaillanten Exemplum, für eine Weile vergessen kann, daß wir wie eitel Nichts sind, wie ein schwankend Rohr, ja wie kraftlose Propfreiser in des Weltenschöpfers gewaltigen Händen, und daß er törichtlich denket: Dieses habe ich ausgerichtet, diese Tat ist eine Frucht, die ich zur Reife und Vollendung gebracht habe. Allein, teurer Herr, nun Ihr hier auf Eurem harten Schmerzenslager ruhet, nun hat sicherlich der Gott, der der huldreiche Gott der Liebe ist, Euren Verstand erleuchtet und sich Euer Herze zugewendet, so daß Ihr mit Angst und Beben harret, Eure unabgewaschenen Sünden zu bekennen, auf daß Ihr mit Vertröstung die Gnade und Vergebung empfahen könnet, die er mit beiden liebreichen Händen Euch zur Annahme entgegenstrecket. Der Wurm der Reue mit den scharfen Zähnen …“

Bekreuzt mich vorn und bekreuzt mich hinten, Buße und Besserung, Vergebung der Sünden und das ewige Leben“, höhnte U1rik Christian und setzte sich ganz aufrecht im Bette hin; „glaubt Er, glaubt Er, sauertöpfischer Glatzkopf, der Er ist, weil einem die Knochen in Stücken und Splittern aus dem Leibe herausschwären, daß man um diesetwillen geneigter sein sollt, Sein Pfaffengeschwätz anzuhören?“

„Gnädigster Herr, Ihr mißbrauchet höchlich das Privilegium, das Euer hoher Stand und mehr noch Eure bedauerliche Krankheit Euch verleihen, unnötig einen geringen Diener der Kirche auszuschelten, der nur seine Pflicht erfüllet, indem er Eure Gedanken auf das zu wenden suchet, so für Euch sicherlich allein vonnöten ist. Ach, hoher Herr, es frommet wenig, wider den Stachel zu lecken! Hat nicht diese verzehrende Seuche, so Euren Leib geschlagen hat, Euch gelehret, daß niemand dem Strafgericht des Herrn entgehen kann und daß die Geißelhiebe des Himmels auf Hohe wie auf Niedere fallen?“

Ulrik Christian unterbrach ihn lachend: „Da schwatzet Ihr, verzehr mich die Hölle, wie ein einfältiger Bube; das, was mich plaget, hab ich mir ehrlich und redlich selber verschaffet, und wenn Ihr wähnet, daß Himmel und Hölle einem dergleichen zuschicken, so will ich Euch sagen, daß man das durch Trinken und Nachtschwärmerei und durch Galanterie und solcherlei Dinge bekommt, darauf könnt Ihr Euch verlassen. Na, nun nehm Er mir aber seine hochgelehrten Beine zur Kammer hinaus, so geschwind Er kann, sonst werd ich .. .“

Hier bekam er einen seiner Anfälle, und während er sich unter großen Schmerzen wand und wimmerte, schwur und fluchte er so lästerlich und so kurios erschrecklich, daß der Geistliche bleich ward vor Ärgernis und Grauen. Und er flehte zu Gott um Stärke und überzeugende Kraft, daß es ihm doch vergönnet sein möge, diese so hart verwahrloste Seele der Wahrheit und dem herrlichen Trost der Religion zugänglich zu machen. „Herre, Herre, mit weinender Stimme rufe ich Euch an und flehe zu Euch, Ihr wollet ablassen von so garstigem Fluchen und Schwören. Bedenket doch, daß die Axt schon an der Wurzel des Baumes liegt und daß er jählings abgehauen und ins Feuer geworfen wird , wenn er in seiner Unfruchtbarkeit beharret und nicht in der elften Stunde in Blüten ausbricht und Frucht ansetzet. Lasset ab von Eurer unseligen Widerspenstigkeit und werfet Euch voll Reue und Gebet vor die Füße Eures Erlösers …“

Ulrik Christian hatte sich, als der Pfarrer begann, auf das Kopfende des Bettes gesetzt, und nun wies er drohend nach der Tür und rief einmal über das andere: „Raus, Pfaff! Raus! Marsch! Ich duld Ihn nicht länger!“

„Und lieber Herre“ , fuhr der Geistliche fort, „wenn Ihr Euch verstecket, weil Ihr verzweifelt, Gnade zu finden , sintemal Euer Sündenberg so ohne Maßen, so höret denn mit Jubel, daß Gottes Gnadenquell unerschöpflich ist. ..“

“ Toller Pfaffenhund, geht Er jetzt“, fauchte Ulrik Christian zwischen den zusammengebissenen Zähnen hervor, “ eins -zwei -!“

,,-und wenn Eure Sünden rot wären wie Blut, ja wie türkischer Purpur …“

„Rechtsum!“

,,-er wird sie doch weiß machen wie des Libanons . .. „

„So soll doch Sankt Satan und alle seine heiligen Engel“, brüllte Ulrik Christian, indem er aus dem Bette sprang, einen Degen vom Waffenständer riß und heftig nach dem Pfaffen stieß. Der aber hatte sich hurtig ins Seitengemach hinein geborgen und die Tür hinter sich zugeschlagen. Ulrik Christian rannte jetzt wütend gegen die Tür, fiel dann machtlos zu Boden und mußte ins Bett hinaufgehoben werden, doch nahm er den Degen mit.

Der Rest des Vormittags verging in schläfriger Ruhe; er hatte keine Schmerzen, und die Mattigkeit, die über ihn gekommen war, fand er angenehm und wohltuend. Er lag da und starrte die kleinen Lichtpunkte an , die sich zwischen den Fäden des Tuches hereindrängten, das vor das Fenster grhangen war, und zählte die schwarzen Ringe am Eisengitter. Dazwischen lächelte er vergnügt, wenn seine Gedanken auf die Priesterjagd kamen, und ward nur jedesmal verdrießlich, wenn Ane Schuhmachersch haben wollte, daß er die Augen schließen und versuchen sollte zu schlafen.

Bald nach Mittag ward hart an die Tür geklopft, und unmittelbar darauf trat der Pfarrer an St. Trinitatis, Magister Jens Justesen, ein. Der große, wohlbe1eibte Mann mit den groben, kräftigen Zügen, dem kurzen schwarzen Haar und den großen, tiefliegenden Augen ging gleich an das Bett und grüßte: „Guten Tag.“

Sobald Ulrik Christian sah, daß wieder ein Geistlicher vor seinem Bett stand, wurde er so wütend, daß er an allen Gliedern bebte, und Flüche und Schimpfworte entfuhren ihm wider den Pfarrer, wider Ane Schuhmachersch, die seinen Frieden nicht besser wahren konnte, und wider Gott im Himmel und alle heiligen Dinge.

„Schweigt still, Menschenskind !“ donnerte Herr Jens. „Ist das eine Sprache für einen zu führen, der schon mit einem Bein im Grabe stehet? Brauchet Ihr lieber den flackernden Lebensfunken, der noch in Euch ist, um Euren Frieden mit dem Herrgott zu machen, als Streit anzufangen mit den Menschen. Ihr gebaret Euch ja wie ein Missetäter und Verbrecher, die, wenn ihr Urteil gefällt ist und sie sehen, daß sie den Zangen und dem Beil nicht entgehen können, die für sie in Bereitschaft gehalten werden, dann in ihrer elenden Ohnmacht drohen und mit schmutzigen Wahnsinnsworten wider Gott den Herrn dräuen und schelten, um sich damit selber Mut einzuflößen und sich solcherweise über den See nahezu tierischer Zerknirschung, dem gelähmten Feigheitszustand und knechtisch verzweifelter Reue aufrechtzuhalten, in die doch solche Kumpane zuletzt sinken und vor denen sie fast mehr Furcht haben als vor dem Tod und den Qualen des Todes.“

Ulrik Christian hörte ruhig zu, bis er den Degen unter dem Federbett hervorgestoßen hatte; da schrie er: „Hüte dich, Pfaffenwanst!“ und machte einen Ausfall gegen Herrn Jens. Der aber parierte sicher den Stoß mit seiner breiten Agende.

“ Lasset doch solche Pagenstreiche fahren“, sagte er höhnisch, „dazu sind wir doch beide zu gut. .. ! Und Sie da“ -er wandte sich an Ane Schuhmachersch -, “ Sie läßt uns jetzt am besten allein.“

Ane ging, der Pfarrer zog seinen Stuhl an das Lager, und U1rik Christian legte den Degen weg auf das Federbett.

Und dann sprach Herr Jens mit schönen Worten von der Sünde und der Sünden Sold. von Gottes Liebe zu den Kindern der Menschen und vom Tode am Kreuz.

Während der Geistliche sprach, spielte U1rik Christian mit dem Degen, so daß das Licht auf der blanken Klinge spielen konnte; er fluchte, trällerte Bruchstücke unzüchtiger Lieder und wollte ihn mit gotteslästerlichen Fragen unterbrechen, aber Herr Jens ließ sich nicht stören und redete weiter von den sieben Worten am Kreuz, von dem heiligen Abendmahl, von der Vergebung der Sünden und den Freuden des Himmelreichs.

Aber da richtete sich U1rik Christi an im Bette auf und sagte Herrn Jens gerade ins Gesicht: „Das ist alles eitel Lug und Trug!“

„Hol mich der Teufel, wie ich hier stehe: Es ist wahr!“ rief der Pfarrer. „Jedes ewige Wort“; und er schlug auf den Tisch, so daß Kruken und Gläser durcheinanderfielen; dann erhob er sich, und mit strenger Stimme redete er auf den Kranken ein und sagte: „Ihr verdientet, daß ich in meinem gerechten Zorn den Staub von meinen Fußsohlen schüttelte und Euch einsam hier liegen ließe, als sichere Beute des Teufels und seines Reiches, denn dahin werdet Ihr gewißlich kommen. Ihr seid von denen, die täglich den Herrn Jesum an den Galgen des Kreuzes nageln, 1Ind für solche stehen alle Pfuhle der Hölle bereit. Spottet nicht über den furchtbaren Namen der Hölle, denn das ist ein Klang, der ein Feuer der Pein umfaßt, ja, der das jämmerliche Geschrei und das Schmerzensknirschen der Gemarterten und sich vor Schmerz Windenden in sich schließet! Ach, die Not und die Qualen der Hölle sind größer, als ein Mensch zu fassen vermag; denn wenn einer radgebrochen und unter dem Zwicken glühender Zangen stürbe, und er erwachte im Feuer der Hölle, er würde sich nach seiner Richtstatt sehnen wie nach Abrahams Schoß. Wohl sind Seuch und Siechtum bitter für des Menschen Fleisch, wenn sie sich wie ein Zugwind Zoll für Zoll durch alle Fibern quälen und wenn sie die Sehnen spannen, als sollten sie zerreißen; wenn sie wie salzig Feuer in den Eingeweiden des Lebens brennen und mit stumpfen Zähnen an dem untersten Mark des Lebens nagen; aber die Qualen der Hölle sind wie ein sausender Sturmwind von Schmerzen, so an den kleinsten Gliedern der Gelenke zerren gleich einem wirbelnden Unwetter von unergründlichen Wehen, einem ewigen Wirbel von Jammer und Pein; denn wie eine Welle an den Strand spült und eine nächste folgt und die nächste wieder in alle Ewigkeit, so folgen die versengenden Stiche und Hiebe der Hölle aufeinander, ewig und ewiglich sonder Ende und Aufhören.“

Der Kranke sah sich verwirrt um.

„Ich will nichts“, murmelte er, „ich will nichts; ich hab weder mit Eurer Hölle noch mit Eurem Himmelreich zu schaffen; ich will sterben, einzig und allein sterben und nichts weiter.“

„Ihr werdet sicherlich sterben“, sagte der Pfarrer; „aber am Ende von dem dunklen Gange des Todes sind nur zween Pforten, eine hinein zu den Freuden des Himmelreichs und eine zu dem Jammer der Hölle, und ist kein anderer Weg zu kommen, gewißlich nicht.“

„Ja, da ist einer, Pfaff, da ist einer -ist da nicht einer? Antworte ! Ist da nicht ein tiefes, tiefes Grab dicht dabei für die, die ihre eigenen Wege gingen, ein tiefes, schwarzes Grab hinab zu nichts, zu gar nichts in der WeIt?“

„Die, so ihre eignen Wege gingen, die steuern dem Reich des Teufels zu; es wimmelt von ihnen vor den Pforten der Hölle, Hohe und Niedere, Alte und Junge; sie stoßen sich und drängen sich, um dem klaffenden Schlund zu entrinnen, und sie schreien erbärmlich zu dem Gotte, dessen Weg sie nicht haben folgen wollen, daß er sie hinwegführen soll. Das Geheul der Abgründe ist über ihren Häupten, und sie winden sich in Angst und Elend, aber die Pforten der Hölle werden sich über ihnen schließen, wie sich die Wasser über dem Ertrinkenden schließen.“

„Ist das nicht etwas, was Ihr nur so erzählet? Wie? Bei Eurem ehrlichen Namen, ist es was anderes als nur Erdichtetes?“

„Ja!“

„Aber ich will nichts, ich will von Eurem Herrn nichts wissen, ich will gar nicht ins Himmelreich, bloß sterben.“

„So fahre denn zu der schauerlichen Marterstatt der ewig Verdammten, wo die siedenden Wogen des unendlichen Schwefelsees die unseligen Scharen umtosen, deren Gliedmaßen in den Krämpfen der Qual zucken und deren heiße Münder zwischen den züngelnden Flammen der Oberfläche nach Luft saugen. -Ich sehe ihre Leiber umhertreiben gleich weißen Möwen auf dem Meere , ja wie fliegenden Gischt in blasendem Sturm; und ihre Schreie sind wie das Brüllen der Erde, wenn Erdbeben

ihre Eingeweide erschüttern, und ihr Jammer ist ohne Namen. Ach, daß mein Herz dich losbeten dürfte, du Armer! Allein die Gnade hat ihr Antlitz verhüllet, und die

Sonne der Barmherzigkeit ist untergegangen.“

„Aber so hilf mir doch, Pfaff!“ stöhnte Ulrik Christian. „Wozu bist du Pfarrer, wenn du nicht helfen kannst? Bete! Um Gottes willen, bete! Sind denn keine Gebete in deinem Mund? Oder gib mir deinen Wein und dein Brot; darin ist ja Rettung, sagen sie, im Wein und im Brot; oder sind das Lügen, lauter schändliche Lügen? Ich will vor deinem Gotte kriechen wie ein reuiger Knabe, er ist ja so stark, so ungerecht stark, so trostlos mächtig; mach ihn gut, deinen Gott, mach ihn gut gegen mich, ich beuge mich, ich beuge mich, ich kann ja nicht mehr!“

„Bete!“

„Ja, ich will beten, ich will beten, soviel es sein muß _ ja!“ Und er richtete sich im Bett auf die Knie und faltete die Hände. „Ist das recht?“ fragte er und sah Herrn Jens an. „Und was soll ich sagen?“

Der Pfarrer antwortete nicht.

Eine Weile lag U1rik Christian so und starrte mit großen, fieberglühenden Augen empor. „Es sind keine Worte da, Pfaff“, wimmerte er; „Herr Jesus, sie sind allesamt weg“, und er brach weinend zusammen.

Plötzlich fuhr er auf, griff nach seinem Degen, zerbrach ihn und schrie: „Herr Jesus Christus, sieh, ich zerbreche meinen Degen!“ Und er hielt die blanken Klingenstücke in die Höhe: „Pardon, Jesus, Pardon!“

Der Pfarrer sprach jetzt Worte der Versöhnung zu ihm und beeilte sich, ihn auf den Tod vorzubereiten, da es nicht so aussah, als werde er es noch lange machen. Dann rief Herr Jens Ane Schuhmachersch und entfernte sich.

Da die Krankheit für ansteckend gehalten wurde, kam keiner von den Nächststehenden zu dem Kranken hinein; aber in einem Gemach im unteren Stockwerk waren einige Anverwandte und Freunde, der Leibmedikus des Königs und ein paar Hofkavaliere versammelt, um die Besuche der Adelspersonen, Gesandten, Offiziere, Hofleute und Ratsmänner zu empfangen, die kamen, um nach des Siechen Befinden zu fragen. Der Friede des Krankenzimmers ward daher nicht gestört, und U1rik Christian war wieder allein mit Ane Schuhmachersch.

Es begann zu dämmern. Ane legte etwas Holz auf das Feuer im Kamin, zündete ein paar Kerzen an, holte ihr Gebetbuch hervor und setzte sich gemütlich zurecht; sie zog ihre Schaube na’th vorn und fiel bald in Schlaf. Draußen im Vorzimmer waren ein Bader und ein Lakai postiert, für den Fall, daß etwas geschehen sollte; sie lagen nun beide dort am Fenster auf dem Fußboden und spielten Würfel auf der Strohmatte, damit es nicht rassele, und sie waren so vertieft in ihr Spiel, daß sie nicht merkten, wie jemand durch das Zimmer schlich, bis sie die Tür des Krankengemachs sich hinter diesem Jemand schließen hörten.

“ Es war wohl der Medikus!“ sagten sie und sahen einander erschreckt an.

Es war aber Marie Grubbe.

Sie näherte sich lautlos dem Bett und beugte sich über den Kranken, der still dalag und schlief. In dem schläfrigen, unbestimmten Licht sah er so bleich und fremd aus, die Stirn so leichenblaß, die Augenlider so seltsam groß; und die mageren, wachsgelben Hände tasteten matt und hilflos auf dem dunkelblauen Kissen herum.

Marie weinte. „Bist du so krank?“ murmelte sie. Sie ließ sich vor dem Bett auf die Knie nieder, stützte ihre Ellenbogen auf den Bettrand und sah ihm gerade ins Gesicht.

Er wimmerte und schlug die Augen auf. Suchend und unruhig war sein Blick. „Ulrik Christian!“ sagte sie und legte ihre Hand auf seine Schulter. „Sind hier noch mehr?“ stöhnte er matt. Sie schüttelte den Kopf. „Bist du sehr krank?“ fragte sie.

„Ja, es ist bald aus mit mir.“

„Nein, nein, das darf nicht sein, denn wen habe ich noch, wenn du dahingehst? Nein, nein, wie soll ich das aushalten!“

„Zu leben? -Es ist leicht zu leben; aber ich habe das Brot des Todes und den Wein des Todes empfahen, ich muß sterben … ja, ja, ja . . . Brot und Wein, Fleisch und Blut -glaubst du, das kann … nein, nein, Jesu Christi Name, Jesu Christi Name! Sprich ein Gebet, Kind, ein recht stark Gebet!“

Marie faltete ihre Hände und betete.

„Amen, Amen! Bete noch einmal! Ich bin ein so großer Sünder, Kind, es gehört so viel dazu, bete noch einmal, ein langes Gebet mit vielen Worten -vielen Worten! Nein? Was ist denn das? Warum dreht sich das Bett? Halt fest, halt fest ! Es geht herum … wie ein wirbelndes Unwetter von vielen Qualen, ein ewiger Wirbel von Qualen und … ha, ha, ha … bin ich wieder trunken? Was ist das für ein Spiel. Und was, Teufel, habe ich denn getrunken? -Wein! – Jawohl, es war Wein, was ich trank! Ja, ja, lustig, mein Kind, lustig, küß mich , mein Huhn!

Herzen und küssen
ist Himmel auf Erd …

Küß mich noch mal, mein Schnutechen, ich bin so kalt, aber du bist rund und warm . . . küß mich warm! – Und du bist weiß und drall, weiß und glatt . . . „

Er hatte seine Arme um Marie geschlungen und preßte das erschreckte Kind an sich. Im selben Augenblick erwachte Ane Schuhmachersch und sah den Kranken dasitzen dasitzen und mit einem fremden Frauenzimmer schäkern. Drohend hielt sie ihr Gebetbuch empor und schrie: „Raus, du höllisch Weib -sitzt mich das lose Ding und tändelieret mit de sterbende Gnad! Raus, wer du bist -elender Bote des Menschenfeindes, des lebendigen Teufels!“

„Teufel!“ brüllte Ulrik Christian und schleuderte entsetzt Marie Grubbe von sich. „Weiche von mir, Satan! Hinaus, hinaus!“, und er schlug Kreuz auf Kreuz. „Oh, du verfluchter Teufel! Du wolltest mich zur Sünde verlokken in meinem letzten Atemzug, in der letzten Stunde, wo eins so vorsichtig sein soll, fort, fort, im gesegneten Namen des Herrn, du verdammte Gestalt!“ Mit weit aufgerissenen Augen und Grauen in jedem Zuge stand er im Bett auf und deutete nach der Tür.

Sprachlos und außer sich vor Entsetzen stürzte Marie hinaus.

Der Kranke warf sich nieder und betete und betete , während Ane Schuhmachersch laut und langsam ein Gebet nach dem andern aus ihrem großgedruckten Buche las.

Ein paar Stunden darauf starb Ulrik Christian.

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Wengel: Claus von Ahlefeldt, Gelting von 1614 – 1674

Claus von Ahlefeldt, a.d.H. Gelting von 1614 – 1674.

Hans-Peter Wengel (Stadtarchivar in Kappeln)

Die Aufschrift auf dem Bild lautet: "Claus v. Ahlefeldt, Erbherr der Herrschaft Bramstedt, Schierensee, Klein Nordsee, v. Wisch, Ritter des Elefanten- und Dannebrog Ordens. Seiner königl. Majestät zu Dänemark, Norwegen Generalfeldmarschall Vice-Re in Norwegen, Ober-Kriegsrath, Oberster zu Fuss und Ross, Amtmann zu Nieborch".

Die Aufschrift auf dem Bild lautet:
„Claus v. Ahlefeldt, Erbherr der Herrschaft Bramstedt, Schierensee, Klein Nordsee, v. Wisch, Ritter des Elefanten- und Dannebrog Ordens. Seiner königl. Majestät zu Dänemark, Norwegen Generalfeldmarschall Vice-Re in Norwegen, Ober-Kriegsrath, Oberster zu Fuss und Ross, Amtmann zu Nieborch“.

Geboren wurde er in Gelting am 2. September 1614. Er diente als Page  und Offizier im kaiserlichen Heer. Im Erbfolgekrieg von Mantua nahm er  unter anderem an dem Sturmlauf bei Mantua teil, trat 1634 in das Heer  von Wallenstein ein, und sah, wie er am 15. Februar 1634 starb. Er wurde  dann im Mai 1634 in Leiden immatrikuliert und kam im Juli 1635 nach  Paris.

1636 – 1637 sowie 1638 – 1639 war er Hofjunker bei König Christian  IV. Dabei immer wieder im Ausland. 1643 königlicher Rat und am  25.Dezember Oberstleutnant. Er nahm an der Eroberung von Itzehoe am  19.Januar 1644 teil und ebenso am 5. August an der des Schlosses von  Kiel. Am 25. Dezember 1644 erhielt er seine Bestallung zum Generalmajor  der Kavallerie über das alte Rantzauische Regiment in Glückstadt. Am 30.  Dezember 1644 nahm er an der Eroberung des Schlosses Ribe teil. Am 5.  Juli 1645 wurde ihm das Regiment Bauer verliehen. Nach dem Tode seiner  Schwiegermutter Vibeke Kruse erhielt er Bramstedt und kaufte  Klein-Nordsee 1650 aus der Konkursmasse seiner Mutter.

1651 – 1653  Generalwachtmeister. 1656 – 1657 Chef des Reiterregimentes Henrik v.  Ahlefeldt. Im Dezember 1657 Chef des Dragonerregimentes. 1658 wurde er  gleich nach dem Friedensbruch von Schweden gefangen genommen. Nach dem  Tode seines Schwagers, U.C.Gyldenlöv am 11. Dezember 1658, übernahm er  die Verteidigung der Westfront von Kopenhagen. Am 2. Februar wurde er  Generalleutnant und schlug in der Sturmnacht 10./11. Februar 1659 den  Angriff auf die Südwestfront ab. Er war einer der Hauptführer in der  Schlacht bei Nyborg am 14. Dezember und erhielt den Oberbefehl über  Fühnen. Am 23. Dezember 1659 General der Infanterie, Richter im  Kriegskollegium, Oberbefehlshaber der Miliz in Norwegen und Leiter der  Ämter Trondheim. 1663 Ritter des Elefantenordens. 1666 Chef des  nordjütischen Regiments. Am 4. Februar 1671 Gouverneur von Nyborg und  Leiter des Amtes Nyborg. Am 28. April 1669 Feldmarschall. Gestorben  1674. Begraben in der St. Nikolai-Kirche zu Kiel. Sein Bild hängt dort.  Seine Rüstung ist im Museum in Schleswig.

Er war 3 mal verheiratet.

1.) Verheiratet mit Catharina von Qualen, gest. 1639 in Lübeck.

Sie  hatte eine Tochter: Elenore Christine, geb. 1639. Verheiratet mit  Rittmeister, später Oberst und Gouverneur in Tobago, Frantz Monck. gest.  1705 in den Haag.

2.) Verheiratet mit Elisabeth Sophie Gyldenlöve,  Tochter König Christians IV. und der Vibeke Kruse, geb. 1633 . Geheiratet  am 18. Juni 1648 und gestorben am 20. Januar 1654. Beigesetzt am 16.  März 1654 in St. Nikolai zu Kiel.

Sie hatte eine Tochter: Christine  Sophie Amalie auf Ulriksholm, das sie von dem Bruder ihrer Mutter, Ulrik  Christian Gyldenlöv geerbt hatte, ebenso Bramstedt, geb. 1650. Diese  Tochter war dreimal verheiratet.

      • mit Claus von Oertzen 1669. Die Ehe wurde aufgelöst.
      • heimlich mit Johann Gottfried Freiherr von Kielmannsegg im Jahre  1683. Er als Katholik ließ 1695 die Ehe für ungültig erklären. Sie  hatte eine Tochter aus ihrer ersten Ehe mit Herrn v. Oertzen. Zu ihr  flüchtete sie. Diese Tochter heiratete Thomas Theodor Reichsgraf von  Schmidegg. Aus dessen Nachlass stammen die Bilder. Die Schmideggs  sind in der männlichen Linie erloschen. Das Bild kam im Erbgang an  die Grafen v. Segur.
      • mit dem russischen Generalmajor Johann Carl Freiherr Diede zum  Fürstenstein. Sie ist 1729 auf Bramstedt verstorben. [Anmerkung Jan-Uwe Schadendorf 6.12.2019: Bei Diede dürfte es sich um eine Verwechselung handeln. Der russ. Generalmajor ist Johan Carel van Dieden, Herr auf Hurwenen (Nl) und gehört nicht zu den Diede zum Fürstenstein. Für die Eheschließung in 1712 fehlt mir ein Belege; Johan Carel und Christine Sophie werden bereits 1701/1703 in Böhmen als Besitzer/Verwalter des Gutes Slavétin genannt: https://cs.wikipedia.org/wiki/Řísnice]

3.) Verheiratet mit Anna Hedwig Buchwald, geb. 4. Januar 1629 auf  Klein-Nordsee und Schierensee am 1. März 1655. Gestorben am 14.  Dezember auf Klein-Nordsee.

Sie hatte 6 Kinder:

    • Carl 1656 – 1677 als niederländischer Rittmeister in der  Schlacht bei St. Omer gefallen.
    • Margarete Hedwig 1657 – 1659.
    • Anna Beate Elisabeth 1658 – 1710, verlobte sich 1678 mit  Carl Baron Friesen auf Altrahlstedt.
    • Friederike Sophie 1660 – 1663.
    • Daniel Josias, geboren und gestorben 1662.
    • Daniel Josias 1663 – 1689, gefallen in einem Duell mit  Hauptmann St. Paul vor Frederikshald.
Veröffentlicht unter B1 - Schlossbesitzer, E - Personen und Persönlichkeiten | Kommentare deaktiviert für Wengel: Claus von Ahlefeldt, Gelting von 1614 – 1674

Schlossbesitzer: Gerhard Steding

Stand: 20.10.2003/10.12.2019

Die knappen Daten zu einigen Besitzern des Bramstedter Schlosses will ich zunächst mit Notizen füllen, die ich im Internet fand. Einer dieser Besitzer ist:

Ger(har)d Steding

Die Gesellschaft für Familienforschung eV in Bremen gibt jährlich Hefte unter dem Namen  „Blätter der „Maus““ heraus.
In Heft 21 aus November 1999 werden Familiengräber im Bremer St. Petri Dom beschrieben, darunter auch der Name Steding.

In der „Maus“ heißt es:
“ Die Familie Steding (auch Stedingk oder Stedingen) stammt wohl, wie der Name sagt, aus dem Stedinger Land. Die Stedinger, im Mittelniederdeutschen als „Gestadebe-wohner“ bezeichnet, waren ursprünglich freie Bauern in den Marschen der Unterweser gewesen, die seit Beginn des 13. Jahrhunderts die Abgabe des „Zehnten“ an den Bremer Erzbischof verweigert hatten. Nach tapferer Gegenwehr unterlagen die Stedinger am 25.5.1234 in der Schlacht bei Altenesch nahe Bremen der Übermacht des Kreuzfahrerheeres Erzbischof Gerhards II. 1)
Die Familie Steding gehörte schon seit dem 13. Jahrhundert zu den erzbischöflichen
Dienstmännern in Bremen und seinem Umfeld. Sie war ein ritterliches und bürgerliches Geschlecht, das Ratmänner und später auch Bürgermeister stellte. 2)
Die Familie Steding war weit verzweigt, und es ist bisher nicht gelungen, die verschiedenen Zweige der Familie genealogisch vollständig aufzuarbeiten.
Nach wie vor ist z.B. die Warnung Fahnes richtig, nach der die „Westphälischen … von den Bremischen und Neumärkischen Stedings wohl zu unterscheiden sind“ 3), und nicht zu Unrecht schloß bereits Mushard seinen Artikel „Von den Stedingen“ mit der Bemerkung: „Doch ist von fernerer Propagation dieser Familie keine genug sichere Nachricht vorhanden. „ 4)
Diese Unsicherheit betrifft auch die im Dom begrabenen Heinrich, Arend, Gesche und Sophie Steding, und es erscheint wenig sinnvoll, Vermutungen über deren familiären Zusammenhang mit den vielen Ratsherren und Bürgermeistern, die diese Familie gestellt hat, vorzulegen. Es werden z.B. mehrere Wappen der Familie überliefert, und sogar von
den in Bremen nachweisbaren Stedings wurden mindestens drei Wappen geführt: eines mit goldenen Stiegen oder Treppens, eines mit blauem Schild, auf dem ein Helm mit weißen Flügeln abgebildet ist, die jeweils drei weiße Rosen auf rotem Balken überdecken und eines, bei dem aus einem dreimal geteilten Schildfuß ein Löwe herauswächsf. Welches dieser Wappen die folgenden Stedings trugen, ist wiederum nicht sicher.

Der Hinweis auf das Wappen mit Helm, weißen Flügeln und weißen Rosen auf rotem Balken führt allerdings direkt nach Bramstedt und dort in die Kirche. Im Epitaph neben der Kanzel für die 1586 verstorbene Tochter des Gerd Steding wird dieses Wappen abgebildet und weist damit den Weg in die Bremer Familie Steding. Vater gleichfalls Gerd (oo 1519 Gesche Trupe) und Großvater Arend, zu dem in der „Maus“ steht:

Arend Steding,

gestorben 1516, war verheiratet mit Gesche v. d. Tiever, gestorben am 26.7.1516.*) Seine Eltern müssen früh verstorben sein, denn urkundlich ist 1472 ein Vormund für ihn bezeugt. Ob die Nachricht von 1511, daß die „von Steding dem Domdechanten Mandelsloh ihren Hof zu Dahlenhusen“ übergeben haben 12), sich auf ihn bezieht oder auf den zeitgleichen Bürgermeister Carsten Steding, kann nicht entschieden werden.
Arend Steding hatte drei Söhne: Hans, Cord und Gerd, der 1519 Gesche Trupe, 1500-1572, heiratete I ] . Das Ehepaar Arend und Gesche Steding fand nach Gerhard Meyer (1828) ein gemeinsames Grab im Gang unter dem Doml.. später wurde es außerhalb des Doms im Glockenhof unter einer Grabplatte (Nr. 75 des Lageplans) bestattet.

*) Bremisches Jahrbuch 1864, Seite CX
Anno 1516 d. 26 July starif Geseke, Arend Stedings sine Hussfrowe, der Gott gnädig sey. Anno 1516 d. 21. Sept. starff Arend Steding, dem Gott gnädig sey. Darunter das Wappen der Steding und der von der Tiver.

Die familiäre Herkunft des Bramstedter Stedings ist also geklärt.
Im Internet findet man verschiedene (und differierende) genealogische Darstellungen. Eine ist diese Stammtafel in der zwar nicht Ger(har)d selbst, aber seine Eltern auftauchen:Stammtafel Steding


Fundstücke

Schule und Ausbildung
Gerhard Steding besucht die Schule des Molanus in Bremen und wendet sich dann einem Studium in Wittenberg zu (1557-62)
dazu in: https://www.ostfriesischelandschaft.de/fileadmin/user_upload/BIBLIOTHEK/Emder_Jahrbuch/EJ09.pdf 
Jahrbuch der Gesellschaft für bildende Kunst und vaterländische Altertümer, Emden. Neunter Band. Darin: Über Johannes Molanus.   Von Oberlehrer a. D. B u n t e in Hannover. Johannes Molanus 1) oder, wie er eigentlich hiess, Johannes van der Molen 2),

Seite  36: Aus den mitgeteilten Programmen, Stundenplänen und Schulgesetzen können wir uns in betreff der Bremer Schule zur Zeit des Rektorats des Molanus (1563—1583) ein ziemlich genaues Bild machen.
Seite 38: Seinem früheren Schüler Steding, der Rechtswissenschaft studieren wollte, riet er, erst 2—3 Jahre sich mit den Redekünsten, mit  Moralphilosophie, Mathematik und Geschichte zu beschäftigen.
Seite 41: Die Korrespondenz des Molanus war eine sehr ausgedehnte.  Die erhaltenen Briefe sind besonders an folgende Personen gerichtet: 1. ..  — 6. Gerhard Steding aus Bremen. Er studierte in Wittenberg 1557—62.
Seite 44: 107, Heimann Winkel. Er war einer der Lehrer, die im Jahre 1562, als Vasmer und Steding Scholarchen waren, nach Bremen zurückgerufen wurden, nachdem sie kurz vorher ausgewiesen waren.

Immatrikulation:
Matrikel 1557 in Wittenberg  Gerardus Stedingk Bremensis
http://digital.bibliothek.uni-halle.de/hd/content/pageview/2513571 und https://www.civ-online.org/de/service/datenbank/#/matrikel/59cbe9a4d310d83800006067?offset=34


als Anwalt / Syndicus 1571
https://www.preussischoldendorf.de/media/custom/391_2454_1.PDF?1463645903&NavID=2863.8&La=1
Landkarte aus dem Jahre 1571 mit erstaunlicher Detailtreue aufgefunden. Bei der aufwendigen Kartenerstellung ging es natürlich um Geld, nämlich um Reichs – und Türkensteuern, die der Mindener Bischof Hermann von Schaumburg an den römisch-deutschen Kaiser/König bzw. den Reichshofrat zahlen musste
Gerhard Steding zu dieser Sachen verordneter Fürstlicher Mindischer Syndikus.


https://de.wikipedia.org/wiki/Hieronymus_Schultze
als gottorfischer Vizekanzler (ab 157?)
Wann Gerd Steding in Dienste der Hofes Holstein-Gottrof trat und wann er Vizekanzler wurde, habe ich noch nicht ermitteln können [Stand: 12/2019]
Seine Heirat mit der Witwe des Caspar Fuchs, der Kanzler der Deutschen Kanzlei in Kopenhagen war, läßt aber den Schluss zu, dass er zum dem Zeitpunkt „von Stand“ war.

Kanzler in Holstein Gottorf waren zu seiner Zeit:
Adam Tratziger (Kanzler 1558-1584); Hieronymus Schultze (Kanzler 1584 – 1591);


Diplomat für Holstein-Gottorf (1578)
https://archive.org/details/historiskesamli01rrgoog/page/n352?q=gerhard+steding
S. 341 Gerhard Steding „til Brambsted“ erwähnt für 1578 zusammen mit Heinrich von Ahlefeldt von Satrupholm als Gesandten des Königs Christian III. nach Linz „Königlich Dännemarkischer und Fürstlich Holsteinischer Abgesandter“


in kirchlichen Ämtern: (1586)
Steding, Gerhardus, Canonicus der hohen Stifts=Kirche von An. 1586 den 18. April, starb in Schweden An. 1604 den 23. Sept.
in Beuthers Hamburgisches Staats- und Gelehrten-Lexicon S. 368
https://digitalisate.sub.uni-hamburg.de/detail/?tx_dlf%5Bid%5D=3442&tx_dlf%5Bpage%5D=327&tx_dlf%5Bdouble%5D=1&cHash=0e34594eab59714c66f1c285f3b61ee8


als gottorfischer Vizekanzler (1591)
https://archive.org/details/bub_gb_G6YOAAAAYAAJ/page/n271?q=%22Gerd+steding%22
S. 82 ff.
Nachfolge des verstorbenen Herzogs Philipp von Holstein-Gottorf

https://archive.org/details/bub_gb_88RCAAAAcAAJ/page/499/mode/2up?q=steding S. 500
1592 wird er als Nachfolger in der Position des Landvogts von Dithmarschen vorgesehen, seine Ernennung scheitert aber am Widerstand der Dithmarscher. Es heißt dort in der Fußnote „203). [Antonius Heimreich] Walther [Ditmarsische Chronik] S. 241. 246. 247.  wo zugleich gemeldet wird, daß die Landes: Herrshaft 1592 am 2. März Gerdt Steding von Bremen, also. eine nicht aus Dithmarsen gebürtige Person, zum Landvogt bestellen wollen, aber die Ditmarser dagegen eingekommen.“

https://archive.org/details/geschichtedesre00dhgoog/page/360/mode/2up?q=%22gerdt+steding%22
( Geschichte Schwedens 1, von Olof von Dalin S. 361) Beim Reichstag in Linköping am 27. Februar 1600 zusammen mit Clement Laderdorf als Gesandte des Herzogs Johann Adolf von Holstein.


Andere Angaben zur Familie Steding gefunden bei: http://home.t-online.de/home/irmiGS/sattelhof.htm und ergänzt um einige andere Fundstücke

Der ‚Sattelhof‘ ist die  älteste Blumenthaler Hofstelle und wird zum ersten Mal im Jahre  1304 erwähnt, als er als „Vorborch tho  Blomendale“ durch die Ritter von Oumünde als Lehen  an den Knappen Cord Steding gegeben wird.

 1470 verkauft dessen  Sohn Karsten den freien Sattelhof „geheten  de Borchwall, so de bowen den Blomendale belegen“ für 125 Bremer  Mark an den Kirchherrn Hohann Steding und die Bremer Bürger Arend  Steding und Heinrich Vreyen.

 1579 gehört Burgwall  dem Bremer Bürgermeister Karsten Steding und seinem Bruder Gerhard.  Erbe wird zunächst Karsten Stedings Witwe Köneke von Borken  und 1628 deren Sohn Arnold Steding (* 4.1.1591, + 1628). Karstens Tochter Rebecca (* Bremen 4.2.1626, + Bützow 20.12.1677) verkauft  „das freye Gut zu Borchwalle“ für 600 Reichstaler an  den Rat der Stadt Bremen und damit an Haus Blomendal. Es wird jeweils  durch einen Meier, der zinsabgabe- und spannpflichtig ist, vom Haus  Blomendale aus vergeben.

steding_blumenthal1600BLUMENTHAL um 1600 (nach Dillich aus Alfred Tietjen  : „Blumenthal – meine Heimat“)

Erst 1839 wird der Besitz,  ermöglicht durch das eingeführte Ablösungsgesetz, von  dem ehemaligen Meier Johann Burgwall käuflich erworben. Dieser  bleibt ledig und kinderlos und vererbt den Hof an den Sohn seiner Schwester  Lücke Burgwall – Diedrich Krudop. Dessen Nachfolger Hinrich Krudop  (1877 mit Mathilde Schulken getraut) betreibt noch eine kurze Zeit die  Brauerei und die inzwischen auf Burwall eingerichtete Sommerwirtschaft.  1882 verkauft er den etwa 30 ha großen Grundbesitz an den Bremer  Reeder und Konsul Olmann Thyen für 72.000 Goldmark. Das Anwesen  wurde 1927 und 1936 von der Gemeinde Blumenthal zurück gekauft.

Auch heute wird der Sattelhof  – wie schon zu meiner Jugendzeit – als Freizeitstätte genutzt.  Und ohne damals gewusst zu haben, daß auch einige „Borgwalls“  zu meinen direkten Vorfahren gehören, hab ich mich dort immer sehr  wohl gefühlt.

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Kallinich: Geschichte der Bad Bramstedter Moorbahn 1930-1977

Jürgen Kallinich, Bad Bramstedt

schrieb die Geschichte der Bad Bramstedter Moorbahn auf und stellte mir seine  Arbeit für die Veröffentlichung an dieser Stelle zur Verfügung.

Hier als pdf-Datei.

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Rademacher: Die NSDAP im Gau Schleswig-Holstein

Diese Seite habe ich derzeit wegen urheberrechtlicher Fragen vom Netz genommen. Ersatz wird z.gg.Zt. folgen.

Eine sehr umfangreiche Seite zu Geschichte und dieser Phase der Geschichte ist zu finden unter

http://www.verwaltungsgeschichte.de.

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Johann Friedrich Butenschön – Jakobiner, Pädagoge, Rektor, Schriftsteller

Butenschön, Johann Friedrich
Pädagoge, Rektor, Schriftsteller, Redakteur, Jakobiner

historisch gesehen ist Butenschön wohl eine der bedeutendsten Personen der deutschen Geschichte, die Bramstedt als ihren Geburtsort vorweisen. (Lebenslauf)

Johann Friedrich Butenschön (Büste in Landau, Bildvorlage unbekannt)

Zu seiner Person gibt es in der Landesbibliothek in Kiel eine Schrift, die hier mit freundlicher Zustimmung des Autors veröffentlicht werden kann und die 1987 im Biographischen Lexikon Band 8 erschien.

Molzow, Hartwig:

BUTENSCHÖN, Johann Friedrich, geb. 14.06.1764 Bramstedt, gest. 16.5.1842 Speyer; ev. – Pädagoge, Schriftsteller.

Eltern: Johann Barthold Butenschön, geb. 1722 Bramstedt, gest. 3.1.1784 ebd., seit 1765 Kirchspielvogt u. Zolleinnehmer ebd.; Metta Margaretha geb. Basuhn, geb. 1736, gest. 2.10.1770 ebd.; Tochter d. Bramstedter Kirchspielvogts u. Zolleinnehmers Johann Hinrich Basuhn. Der Vater war seit 1772 in 2. Ehe verh. m. Anna Krohn, Tochter d. Kellinghusener Kirchspielvogts Hartwig Krohn.
(Eine Tochter dieser Eltern, also eine Schwester Johann Friedrich Butenschöns heiratete in die Bramstedter
Müllersfamilie Wichmann ein.)

Ehefrau: 1.) Catharina Elisabetha Nagel, geb. 6.02.1772, gest. 19.06.1819 Speyer; verh. 26.09.1797 Straßburg; Tochter d. Straßburger Unternehmers d. öffentlichen Arbeiten Michel Nagel u. d. Anna Barbe geb. Dannenwald. – 2.) Philippine Magdalene Ilgen, geb. 8.12.1787 Grünstadt, gest. 10.10.1866 Speyer; verh. 14.12.1821 Grünstadt; Tochter d. Paul Ilgen (gest. 1818), Kabinettssekretärs d. Grafen zu Leiningen-Westerburg in Grünstadt, u. d. Margaretha geb. Schwarz. Kinder: aus 1.) 8, von denen 1 Sohn u. 2 Töchter B. überlebten, darunter: Wilhelmine Adelaide (Minna), geb. 5.08.1800 Colmar, gest. 21.05.1846 Speyer, verh. m. d. Mathematiker u. Astronomen Friedrich Magnus Schwerd (1792—1821; s. ADB, 33, S. 415-417). – Aus 2.) 1 Sohn, 2 Töchter.

B. wuchs in Bramstedt auf und mußte den Besuch einer höheren Schule gegen seinen Vater durchsetzen, dem er auf dem Hof und in der Schreibstube bis zu seinem 17. Lebensjahr helfen mußte. Die Wißbegier des Jugendlichen veranlaßte schließlich Verwandte, ihm den Besuch des Christianeums in Altona zu ermöglichen, in dessen unterste Klasse er 1782 eintrat. Schon nach drei Jahren erhielt er mit Auszeichnung die Entlassung zur Universität. Zum SS 1785 ließ er sich an der Philosophischen Fakultät der Univ. Jena immatrikulieren, gegen den erklärten Willen seiner Verwandten, die für ihn das bei bedürftigen Studenten übliche Theologiestudium vorgesehen hatten und ihn nun mittellos ließen. Im SS 4786 wechselte B. zur Univ. Kiel über, wo er bei Vertretern der Spätaufklärung wie Martin Ehlers (1732-1800), W. E. Christiani (s. Bd 6, S. 62), J. Chr. Fabricius (s. Bd 2, S. 136), D. H. Hegewisch (s. Bd 5, S. 117) und bei Chr. C. L. Hirschfeld (s. Bd 5, S. 126) studierte. Seinen Lebensunterhalt bestritt er durch Stundengeben in den klassischen Sprachen; die Existenznot trieb ihn aber schon zum Jahresende fort. Er begleitete einen jungen holsteinischen Adligen ins Elsaß und fand in Colmar an Gottlieb Konrad Pfeffels Ecole militaire für protestantische Adlige eine Anstellung als Lehrer für Griechisch und Latein. 1787 ging B. nach Heidelberg, wo er vermutlich auch die Universität besucht hat, vor allem aber zum Broterwerb Sprachunterricht erteilte und Gelegenheitsschriften und Übersetzungen verfaßte. Ein größeres Werk aus dieser Zeit ist das historische Lesebuch über Cäsar, Cato und Friedrich den Großen. Im Zusammenhang mit dieser Arbeit nahm B. brieflichen Kontakt mit dem Schweizer Historiker Johannes v. Müller (1752-1809) auf, der ihn als ein Mentor ermutigte. 1789 wollte B. ihn besuchen; auf dem Weg machte er in Straßburg Station, um die Ereignisse der inzwischen ausgebrochenen Französischen Revolution aus der Nähe zu verfolgen. Im August reiste er nach Zürich weiter, wo er eine von szenischen Darstellungen unterbrochene Romanbiographie Alexanders des Großen und einen Band „Romantische, komische, rührende und moralische Unterhaltungen“ (1791 erschienen), beides in pädagogischer Absicht auf jugendliche Leser gezielt, schrieb. Im August 1790 kehrte er nach Straßburg zurück und immatrikulierte sich am 9. Oktober an der Universität, trat dann aber noch im selben Monat eine Hofmeisterstelle bei der Baronin v. Holland in Stuttgart an, wo er bis September 1792 blieb, als er an die Univ. Jena zurückging, um sein Studium zu beenden. Mit Friedrich Schiller, der dort seit 1789 Universalgeschichte lehrte, trat er sofort in Kontakt, und dieser vermittelte ihm den Druck einiger kleiner Schriften beim Verleger Göschen. Bei Karl Christian Ehrhard Schmidt (1761-1812) und K. L. Reinhold (s. Bd 5, S. 227) hörte er Philosophie und begeisterte sich für Kants „Kritik der praktischen Vernunft“. Seine materiellen Verhältnisse wurden jedoch sehr bald wieder so bedrängt, daß er Jena Mitte Januar 1793 erneut ohne Studienabschluß verlassen mußte, um in Straßburg bei Freunden Hilfe zu suchen.

B. kam in Straßburg wenige Tage nach der Hinrichtung Ludwigs XVI. am 21.1.1793 an. Er trat bald der „Volksgesellschaft“ („Gesellschaft der Freunde der Freiheit und Gleichheit“), dem örtlichen Jakobinerclub, bei, wo er den später als „Henker von Straßburg“ berüchtigt gewordenen Eulogius Schneider (1756-1793) kennen und schätzen lernte. So schloß er sich dem von Schneider geführten Kreis von aus dem Ausland nach Straßburg geeilten Jakobinern an, der dort zeitweilig eine führende Rolle im Revolutionsgeschehen spielte. Er trat in der Volksgesellschaft als Redner auf, war zeitweilig Protokollführer und wurde schließlich von ihr zum Stadtsekretär gewählt. Später gehörte B. auch dem Überwachungskomitee der Jakobiner an („Ausschuß der Wachsamkeit und allgemeinen Sicherheit“), das am 8.10.1793 durch den kurz zuvor ins Elsaß entsandten Kommissar des Nationalkonvents Saint-Just zur Durchsetzung der radikal-revolutionären Politik Robespierres eingerichtet worden war. Als Angehöriger dieses Revolutionstribunals mit Schneider als öffentlichem Ankläger scheint B. sich zurückgehalten zu haben.

Im Frühjahr 1793 hatte B. sich dem vom Straßburger Jakobinerclub aufgebotenen Bataillon der Revolutionsarmee angeschlossen. Seine dreimonatige Verpflichtung zum Feldzug in der königstreuen Vendee verlängerte er, ernüchtert von den Schrecken des Krieges, nicht, sondern er kehrte im September nach Straßburg zurück, wo er seine journalistische Tätigkeit als Mitarbeiter bei der von Schneider herausgegebenen jakobinischen Zeitschrift „Argos“, die er Anfang 1793 begonnen hatte, intensivierte. Auch bei der gleichgesinnten Zeitschrift „Der Weltbote“ arbeitete er mit. Nach der Verhaftung Schneiders im Dezember übernahm B. die alleinige Herausgeberschaft des „Argos“. Zusammen mit einer Gruppe von gemäßigten, überwiegend deutschstämmigen Revolutionären, die zunehmend als verdächtige Ausländer galten, wurde B. dann im Januar 1794 verhaftet und in den Festungsanlagen der Gedeckten Brücken („Ponts Couverts“) der Stadt gefangengehalten; in der Haft konnte er weiterhin den „Argos“ herausgeben und auch eine an das französische Publikum gerichtete Rechtfertigungsschrift verfassen, in der er sich gegen den Vorwurf wehrt, die kosmopolitisch eingestellten ausländischen Revolutionäre seien unzuverlässig („Frederic Butenschoen, sans-culotte danois“, s. Werke). Warum er zunächst nicht – wie die anderen Verhafteten – nach Paris gebracht wurde, wo die sichere Hinrichtung drohte, ist unklar; daß er nach der schließlich doch erfolgten Überstellung an das Pariser Revolutionstribunal um die Jahresmitte 1794 nicht unters Fallbeil kam, wird mit dem allgemeinen Abebben des Justizterrors nach der Guillotinierung Robespierres und Saint-Justs im Juli desselben Jahres zusammenhängen.

Nach seiner Freilassung aus dreimonatiger Haft in der Pariser Conciergerie kehrte B. Ende Oktober 1794 ins Elsaß zurück und wurde von Pfeffel mindestens bis April 1795 in Colmar aufgenommen. Bis ins nächste Jahr hielt er sich dann wieder in Zürich als Hofmeister auf. In dieser Zeit verfaßte er seinen Briefroman „Petrarka“, der ihm einen gewissen Bekanntheitsgrad in literarischen Kreisen verschaffte. Trotz der Enttäuschung über den Verlauf der Revolution und über ihre Führer, die B. in der Vorrede zu diesem Roman äußerte, bekannte er sich in einem Bericht über seine Revolutionserlebnisse und in einer apologetischen biographischen Arbeit über Schneider bei aller Ablehnung der revolutionären Exzesse zu den Zielen der Revolution und zur Revolution als Instrument der politischen Veränderung.

Als, nach der Verabschiedung des Gesetzes vom 25.10.1795 über die Einrichtung von Zentralschulen in den Departements, Pfeffel sich mit Erfolg darum bemüht hatte, seine frühere Ecole militaire in ein solches Institut umzuwandeln, verschaffte er B. im Juli 1796 eine Anstellung als Professor der Geschichte in Colmar. Damit begann für B. eine – vor dem Hintergrund der bewegten Zeitumstände als stetig zu bezeichnende – Karriere im Erziehungswesen beiderseits des Rheins, nur anfangs noch einmal unterbrochen von einem Aufenthalt in Straßburg (Ende 1797), währenddessen er als Übersetzer bei der Departmentsverwaltung arbeitete und die „Straßburger Neue Zeitung“ herausgab. Nachdem 1800 der Geschichtsunterricht an den Zentralschulen für nebensächlich, die Einrichtung von Lehrstühlen für Naturgeschichte für vorrangig erklärt worden war, erhielt B. im November den Lehrauftrag für dieses Fach, den er bis zur Schließung der Zentralschule zum Jahresende 1803 neben dem Geschichtsunterricht wahrnahm. 1801 wurde er Mitglied des Verwaltungsrats der Schule, im Januar 1802 auch Verwalter der Stadtbibliothek, als der er sich um die Bewahrung der aufgelösten Klosterbibliotheken in der Umgegend verdient gemacht hat. Der 1801 gegründeten Colmarer „Societe d’emulation“, einer zeittypischen spätaufklärerischen gelehrten Gesellschaft, die unter dem Vorsitz des Departementspräfekten Felix Desportes mehr als lokale Bedeutung erlangte, gehörte B. als besonders aktives Mitglied an.

Während nach der Schließung der Zentralschulen die meisten ihrer Lehrkräfte in die neu eingerichteten Sekundärschulen übernommen wurden, ging B. 1804 nach Mainz, der Hauptstadt des Departements Donnersberg, wohin er schon im Herbst des Vorjahrs als Professor am Lycee imperial berufen worden war. Diese unter dem Konsulat als Staatsanstalt eingerichtete weiterführende Schule hatte im November 1803 den Lehrbetrieb aufgenommen. B. unterrichtete Geschichte, Latein, Griechisch, Deutsch, Englisch, Geographie und Buchführung, während die meisten anderen Professoren nur ein einziges Fach betreuten. Bereits im Dezember 1804 wurde er zum „Censeur des etudes“ ernannt, womit er einen Sitz im Verwaltungsrat der Schule innehatte und doppeltes Gehalt erhielt. Als am 10.5. 1808 durch Dekret Napoleons die „Universite imperiale“ ins Leben gerufen wurde, teilte man der – als Teil dieser zentralistischen Organisation des Bildungswesens im napoleonischen Kaiserreich – zu bildenden Mainzer Akademie die Departements Saar, Donnersberg und Rhein-Mosel als Unterrichtsprovinz zu. B. wurde seit 1809 als einer von zwei Inspektoren mit Visitationsreisen im Bezirk der Mainzer Akademie betraut. In dieser Funktion übte er seit 1811 auch die volle Disziplinargewalt über die Lehrer der Departements aus. Im September 1812 wurde B. nach dem Tod des Akademierektors Franz Alexander Boucly zum „Recteur provisoire et President“ der Mainzer Akademie ernannt, unterrichtete aber auch weiterhin am Lyzeum. Als sich die Schule vor den heranrückenden alliierten Truppen nach Metz zurückzog, blieb B. in Mainz und richtete einen provisorischen Unterrichtsbetrieb ein; nach der Übergabe der Stadt im Mai 1814 mußte er aber seinen Posten aufgeben. Joseph Görres, der vorher als Lehrer in Koblenz B.s Aufsicht unterstanden hatte, übernahm unter der preußisch-österreichischen Verwaltung des „Generalgouvernements des Mittel-Rheins“ als „Direktor des öffentlichen Unterrichts“ B.s Funktionen und setzte ihn als „Inspektor des öffentlichen Unterrichts“ für die Departements Saar (das Saarland bis einschließlich Trier) und Wälder (Luxemburg) ein. Im August 1814 wurde B. zusammen mit dem Mainzer Hof rat Wilhelm Jung „Schulinspektor“ im Administrationsbezirk der interimistischen österreichischbayrischen „Gemeinschaftlichen Landes-Administrations-Kommission“. Beiden gemeinsam oblag die Leitung des Gymnasium illustre (des vormaligen Lycee) in Mainz. Außerdem wurde B. als Vizepräsident in den Ausschuß für die Verwaltung des Universitätsfonds und in die Zensurkommission berufen.

Im September 1815 wurde B. weltlicher Konsistorialrat im protestantischen Generalkonsistorium in Worms, dem Sitz der österreichisch-bayrischen Verwaltung. Nach der Eingliederung der Pfalz in das Königreich Bayern (Mai 1816) wurde das Generalkonsistorium nach Speyer verlegt und B. zum Kreisschulrat und Konsistorialrat mit Sitz in Speyer ernannt. In dieser Stellung unterstand ihm das gesamte Bildungswesen der neuen bayrischen Rheinprovinz (später „Rheinkreis“), das aufgrund seines Reorganisationsplans von 1816 (s. Werke) ein eigenständiges Gepräge behielt und auch Einrichtungen des französischen Schulwesens bewahrte. B.s Tätigkeit als Schuladministrator war so erfolgreich, daß sie auch in altbayrischen Kreisen Anerkennung fand. Besonders um die Hebung der Lehrerausbildung machte er sich unter großem persönlichen Einsatz verdient, und nach einer zeitgenössischen Statistik stand die Pfalz bald hinsichtlich der Versorgung der Bevölkerung mit öffentlichen Schulen an der Spitze der acht bayrischen Kreise. Feinde machte sich B., der von Jugend an antiklerikal eingestellt und als Christ ein eingefleischter Rationalist war, vor allem beim katholischen Klerus, der die von ihm betriebene Zusammenlegung von kleinen Konfessionsschulen zu Simultanschulen bekämpfte. Als weltliches Mitglied des Generalkonsistoriums hatte er maßgeblichen Anteil an der Unierung der lutherischen und der reformierten Kirche in der Pfalz auf der Generalsynode in Kaiserslautern (August 1818); der weitgehend von ihm verfaßte neue Katechismus war deutlich der rationalistischen Theologie der Heidelberger Schule (Heinrich Eberhard Gottlob Paulus) verhaftet, blieb aber trotz wiederholter heftiger Angriffe von orthodoxer Seite bis 1854 gültig.

Auch außerhalb Bayerns erlangte B. eine gewisse Prominenz, vor allem als Herausgeber der „Neuen Speyerer Zeitung“ (seit Juli 1816), deren z. T. radikaler Liberalismus sowohl bei Sympathisanten wie Ludwig Börne als auch bei Gegnern wie Friedrich Gentz Beachtung fand, wobei das kirchliche Amt des Herausgebers als besonders kurios bzw. empörend empfunden wurde. Wegen der zunehmend scharfen Zensur nach den Karlsbader Beschlüssen von 1819 gab B. Anfang 1821 diese journalistische Tätigkeit auf. Nach dem Regierungsantritt König Ludwigs I. von Bayern im Oktober 1825 verlor er seine Stelle als Kreisschulrat im Zuge der neuen Sparpolitik, nicht zuletzt aber, weil er auch dem neuen König selbst als bekannter ehemaliger Revolutionär und „Demagoge“ verdächtig war. Als Konsistorialrat blieb er bis Mai 1833 im Amt, und noch im September desselben Jahres nahm er als Abgeordneter an der 5. Generalsynode der Union in Kaiserslautern teil. Seine Entlassung erfolgte im Zusammenhang einer Disziplinierung des gesamten Vorstandes des Konsistoriums durch das altkirchlich eingestellte und Ludwigs I. Staatskirchenpolitik unterstützende Oberkonsistorium in München.

B. verdankte die Erfolge in seinen wechselnden Wirkungskreisen offenbar nicht nur seiner Tüchtigkeit, sondern auch charakterlichen Qualitäten. Von seiner Persönlichkeit zeigten sich selbst weltgewandtere Zeitgenossen wie August Hermann Niemeyer beeindruckt (s. Qu.); der Märzrevolutionär Carl Heinrich Alexander Pagenstecher (1799-1869), der B. 1819 nach der Ermordung August v. Kotzebues einen Rechtfertigungsbrief des Attentäters Karl Ludwig Sand zum Abdruck in B.s Zeitung gab, nennt ihn in seinen Lebenserinnerungen (s. Qu.) „Speyers damals berühmtesten Mann“ und beschreibt ihn als einen „feurigen Greis mit scharfen, höchst intelligenten Gesichtszügen und funkelnden Augen.“

Quellen: Ungedruckte Qu., Briefe u. Abdr. v. Briefen nachgewiesen b. Hahn (s. Lit.), S. V u. VII. – Kbb. Bramstedt (Ev.-luth. Kirchengem.). – Kbb. Speyer u. Grünstadt (Zentralarch. d. Ev. Kirche d. Pfalz, Speyer). – Aug. H. Niemeyer, Beobachtungen auf Reisen in u. außer Deutschland, 4: Deputationsreise nach Frankreich im Jahr 1807, Halle 1824, bes. S. 91-95. – Aug. W. Schlegel, Sämtliche Werke, hrsg. v. E. Böcking, 10, Lpz. 1846, S. 201-206 (Rezension d. „Petrarka“, s. Werke). – Briefe v. u. an F. v. Gentz, hrsg. v. F. C. Wittichen u. E. Salzer, 3, München u. Bln 1913, T. 1, S. 384 f., 423, 430 f., 455; T. 2, S. 41. -C. H. A. Pagenstecher, Lebenserinnerungen, hrsg. v. A. Pagenstecher, 1, Lpz. 1913, S. 75 u. 125. – L. Börne, Denkwürdigkeiten d. Frankfurter Zensur, in: Sämtliche Schrr., hrsg. v. I. u. P. Rippmann, 1, [2. Aufl.] Dreieich 1977, S. 880-920, bes. 891.

Werke: Leiden zweyer edlen liebenden nach d. Spanischen d. Don Miguel de Cervantes Saavedra, nebst d. merkwürdigen Leben dieses berühmten Spaniers u. einem Versuche über d. Spanische schöne Literatur, Heidelberg 1789 [1788] (UB Heidelberg). – Caesar, Cato u. Friedrich v. Preussen, ein hist. Lesebuch, ebd. 1789 (Herzog August Bibl. Wolfenbüttel). – Alexander d. Eroberer, T. 1 [mehr nicht ersch.], Zürich u. Lpz. [1791] (UB Kiel). -Romantische, komische, rührende u. moralische Unterhaltungen, T. 1 [mehr nicht ersch.], St. Gallen 1791 (Kreisbibl. Eutin). – Aufruf an d. Bürger d. Ober- u. Niederrheinischen Departements, b. Gelegenheit d. zweiten Kreuzzuges wider d. Franken, in: Argos 1793 (Neudr. Nendeln 1976), 2. Halbjahr, S. 105-109, 113-118. – [Gedicht,] in: ebd., S. 145-147.-Zweiter Aufruf an meine Mitbürger, in: ebd., S. 149-152, 156-159.-Dritter Aufruf, in: ebd., S. 281-284. – Frederic Butenschoen, sans-culotte danois, aux sans-culottes francais, salut et fraternite [Straßburg 1794] (Bibliotheque Nationale, Paris.) -Rede nach Ablegung d. Eides in d. Ges. d. Freunde d. Freiheit u. Gleichheit, ebd. 1794. -Petrarka, ein Denkmal edler Liebe u. Humanität, 1 [mehr nicht ersch.], Lpz. 1796 (Sächsische Landesbibl. Dresden). – Meine Erfahrungen in d. fürchterlichsten Tagen d. fränkischen Revolution, in: Klio 1796 (Neudr. Nendeln 1972), Bd 1, S. 10-35, 334-349 (entgegen Ankündigung keine Forts.). – Bruchstücke über d. Leben u. d. Hinrichtung d. Revolutionairs Eulogius Schneider, in: ebd., S. 270-333 (fälschlich „Beschluß* überschrieben), Bd 2, S. 89-106. – Republikanische Rede, gehalten am Friedens-Feste zu Strassburg den 30. Frimaire 6 [20.12.1797], Straßburg [1797] (Bibliotheque Nationale, Paris). – Die alte goldene Zeit am Rhein, in: Rheinisches Arch. 1, 1810, S. 75-78 (Kopie in d. SHLB). -Merkwürdige Scenen aus d. Bauernkriege v. 1525, in: ebd., S. 357-389 (Kopie ebd.). -Katechismus d. christlichen Religions-Lehre, zum Gebrauche beym Religions-Unterrichte, Speyer 1823 (Pfälzische Landesbibl. Speyer). – Reise-Schilderungen, Flucht-Abentheuer u. Robinsons-Sagen, zur Stärkung u. Richtung d. jugendlichen Muthes, 1 [mehr nicht ersch.], Heidelberg u. Speyer 1826 (UB Freiburg). – (Übs.) Bottin, Rede über d. Eintracht, Straßburg o. J. (Bibliotheque Nationale, Paris).

Literatur: Verz. b. Hahn (s. u.), S. IX-XIV. – ADB, 3, S. 650 f. – NDB, 3, S. 78. – Kordes, S. 47. – L.-S., 1, S. 86 f. – Alberti 1867, 1, S. 106. – Nachruf in: [Augsburger] Allg. Ztg v. 26.08.1842, Beil., S. 1897 f. (auch in: NNdD 20,1842 [1845], S. 393-395). -H. Schreibmüller, Der pfälzische Konsistorial- u. Kreisschulrat F. B„ Kaiserslautern 1917 (SHLB; Separatdruck aus d. Pfälzischen Protestantenvereinskai. 1917). – H. Pfannenschmid, Gottlieb Konrad Pfeffels Fremdenbuch m. biogr. u. kulturgesch. Erläuterungen, Colmar 1892. -J. Lefftz, Die gelehrten u. literarischen Ges. im Elsaß vor 1870, Heidelberg 1931, bes. S. 137,139. – J. Kopp, Der Neuhumanismus in d. Pfalz, Bln 1928 (Monumenta Germaniae Paedagogica, Beih. 3). – H. Hahn, J. F. B., Diss. (masch.) Mainz 1953 (Kopie in d. SHLB). -R. v. Thadden, Protestantismus u. Liberalismus z. Zeit d. Hambacher Festes 1832, in: Liberalismus in d. Ges. d. dt. Vormärz, hrsg. v. W. Schieder, Göttingen 1983 (Gesch. u. Ges., Sonderh. 9), S. 95-114, bes. 100 f., 110 f. – R. Marx, Strasbourg, centre de la propagande revolutionnaire vers l’Allemagne, in: Deutschland u. d. Französische Revolution, hrsg. v. J. Voss, München 1983 (Beih.e d. Francia 12), S. 16-25.

Hartwig Molzow


Im Jahre 2013 erhielt ich auch Süddeustchland von einem Nachfahren der Butenschöns eine Lieferung mit originalen Dokumenten von Johann Friedrich Butenschön, überwiegend Reisedokumente aus seiner Zeit bei Colmar und Straßburg.
Die Dokumente habe ich dem Landsarchiv übergeben.

Hier sind die Scans der Dokumente:


In dem Buch „DIE FRANZÖSISCHE REVOLUTION IM SPIEGEL DER DEUTSCHEN LITERATUR“ aus dem Reclam-Verlag (1979), S. 593ff,   werden zwei Texte von Butenschön wiedergegeben zu seinen Erlebnissen / Sichtweisen aus der revolutionären Zeit:

Rede nach Ablegung des Eides in der Gesellschaft der Freunde der Freiheit und Gleichheit (Straßburg, 23. Juli 1793)

Mehr als einmal habe ich zur Großmut gegen die Feinde aufgemuntert und gesagt, daß ein freier Mann ein Mann sei, der Vernunft und Sittlichkeit über alles schätze und der deswegen so freudig in den Streit für sein Vaterland fliege, weil ihm dieses seine schönsten Rechte sichert und ihm am meisten und besten Gelegenheit gibt, sich zur Moralität und zum Glücke auszubilden.
Freilich werden mich die kalten Herzen wenigstens sehr unklug schelten, daß ich am Ende dieser Rede meine Gesinnungen und Hoffnungen so ehrlich auskramte und sogar ein Glaubensbekenntnis hinzufügte, welches man mir irgendwo, wie ich erfahren habe, zum entsetzlichen Verbrechen anrechnet. Ich will es gerade deswegen hierhersetzen und weiter kein Wort dazu sagen, als daß ich es auch jetzt noch, da ich kälter geworden bin, etwa die Floskel im dritten § ausgenommen, für das meinige erkenne. Wohl hatte ich damals alles in einem zu schönen Lichte gesehen, aber meine Absicht bleibt mir immer ehrwürdig, man mag sagen, was man will.
„Ich habe den Eid der Freiheit geschworen und werde ihn halten, so wahr Gott der Allmächtige lebt. Ihr seid jetzt alle meine Brüder und Schwestern, ich will euch lieben, wie man seine liebsten Geschwister liebt, ich will eure Rechte unerschrocken bis in den Tod verteidigen und will mich kräftig bemühen, euch auch durch mein Beispiel zu zeigen: wieviel der Mensch vermag, wenn er will, und wie hoch er sich. erbebt, wenn er sich ein freier Mann fühlt?“
„Höret jetzt mein Glaubensbekenntnis, und hoch klopfe euer Herz empor, wenn es auch das eurige ist.“
1. Ich glaube, so gewiß, als ich Gott und Unsterblichkeit glaube, daß Frankreich eine einzige unzertrennliche Republik ist und bleiben wird. Der Beweis liegt in euren und – auch in meinem Herzen!
2. Ich glaube, daß bald alle Thronen der geistlichen und weltlichen Despoten umgestürzt sein werden. Der Beweis liegt in dem unerschrockenen Mute, in den Säbeln und Kanonen unsrer tapfern Waffenbrüder.
3. Ich glaube, daß die gute Sache bald überall siegen wird. Der Beweis liegt in dem überall hervorstrahlenden Lichte der Aufklärung und in dem rastlosen Eifer der Gesellschaften der Freunde der Freiheit und Gleichheit.
4. Ich glaube, daß Frankreich in kurzer Zeit der glücklichste Staat der Erde sein wird. Der Beweis liegt in den täglich zunehmenden edlen Gesinnungen und Taten unsrer Bürger und Bürgerinnen.
5. Ich glaube, daß die ganze Menschheit den fränkischen Freistaat bald als ihren größten Wohltäter segnen wird. Der Beweis liegt in der sich überall entwickelnden Anerkennung menschlicher Rechte und Pflichten.
6. Ich glaube endlich, daß ich keine meiner Arbeiten besser anfangen und enden kann als mit dem göttlichen Ausrufe: Frei leben oder sterben!

(Klio. Eine Monatsschrift für die französische Zeitgeschichte, Bd. I, 1796, S. 345-347; nach: Les socieülS politiques de Strasbourg pendant les annees 1790 a 1795. Extraits de leurs proces-uerbaus; publies par F. C. Heitr. Strasbourg 1863, S.271)

Meine Erfahrungen in den fürchterlichsten Tagen der fränkischen Revolution (1796)

Ich weiß, was Burke, Rebberg, Girtanner und ihre Anhänger von der fränkischen Revolution gesagt haben, und möchte ihre Sünden gegen die Humanität nicht auf mich nehmen. Ebensowenig billige ich die unbedingte Lobrednerei, aber männliche Würdigung einer
wichtigen Sache verdient meine innigste Achtung. Vielleicht klingt es wunderlich, allein es kommt aus dem Grunde meiner Seele; mein Urteil über die fränkische Revolution ist und wird bleiben: Auch jetzt noch bin ich bereit, für sie Zu sterben! Ich habe sie nicht gemacht, sie ist da, und nun wehe dem, der es wagt, sie rückgängig zu machen!
Doch das wird nimmer geschehen, so viel Blut ist nicht umsonst vergossen, so viel teuer. erkaufte Weisheit nicht umsonst eingeerntet worden. Das alte Gebäu ist umgestürzt, Materialien zu einem neuen, im edlern, humanern Stile liegen fertig, wer wird so törigt sein und die schönen, neuen Quader liegenlassen, um aus dem alten, wurmstichigen, zerschmetterten Gebälk sich eine Wohnung zu bereiten, die in kurzer Zeit unfehlbar wieder zusammenfallen und ihre Bewohner erschlagen muß?
Neue Formen sind überall schwer einzuführen, dringt aber das Werk einmal über einen gewissen Punkt hinaus, so wird’s wenigstens vor der Hand unendlich schwerer, zur alten Form zurückzukehren, und das ist denn auch ein wichtiger Weg zur Vervollkommnung
des Menschengeschlechts.
Übrigens kenne ich keinen mächtigem Beweis des Daseins einer weisen Vorsehung als die Geschichte politischer Revolutionen. Solche Kräfte in solchem Kampfe und dennoch am Ende sichtbarer Gewinn an Weisheit und Humanität, wahrlich, da waltet kein blindes Ungefähr. Wir stehen jetzt wieder auf einer neu errungenen Stufe der Menschenwürde, für uns mag sie noch in Nebel gehüllt sein, unsre Nachkommen sehen schon heller.
… Aus Straßburg hatte mir ein Freund viel Tröstliches geschrieben, ich ging dem Lichte nach, es war das einzige, welches meine dunklen Aussichten erhellte. Man machte mir Hoffnung zu einer Lehrstelle, und ich gewann neuen Mut durch den Gedanken, endlich einmal einen festen, nützlichen Wirkungskreis zu bekommen.
Wie gewöhnlich beschloß ich erst nach Straßburg zu gehen, um nachher um Rat fragen zu können, ob ich auch gehen sollte. Die Meinungen waren geteilt, und die ganze Formalität überflüssig …
Um die Mitte des Monats Januar 1793 ging ich aus Jena, es war scharfer, klingender Frost, und das weiße Totenkleid der Natur rührte mich bis zu Tränen. Ich weiß nicht, was sich in mir regte, aber alles schien mich zu bitten, diese glücklichen Täler nicht zu verlassen. Ich kämpfte mit mir selbst und überwand. Es traf sich, daß gerade an diesem Morgen die fürchterlich schöne Leibgarde des Königs von Preußen66 in Weimar einrückte. Die Preußen gingen nicht gern, mancher Offizier sprach mit Enthusiasmus von der
Revolution. Das war Öl in die helle Flamme meiner Phantasie. Lob aus dem Munde eines Feindes, der mit Bajonett und Kanonen daherstürmt, ist groß und erschütternd. Ich ward jetzt Franke mit Leib und Seele. Die Belagerung von Mainz kam immer näher,
es dürstete mich nach einem Kampf für Menschenrecht und Freiheit. Das dumpfe, schauerliche Rollen der Kanonen und Pulverwagen war Musik in meinen Ohren, und die wehenden Fahnen dünkten mir geheimnisvolle Zeichen einer bessern Welt; meine Wärme für die Revolution stieg bis zur Schwärmerei.
Zwei Stunden vor Straßburg, als ich schon lange den ehrwürdigen Münsterturm durch den Nebel durchschimmern gesehen hatte, begegnete mir ein Dragoner zu Pferd. Im Vorbeireiten rief er mir zu: „Sie haben den König getötet!“, und seine Stimme zitterte, indem er‘ s sagte. Plötzlich verschwanden alle die schönen Bilder um mich her, ich hing dem Gedanken nach, daß es großmütiger gewesen wäre, wenn man ihm das Leben geschenkt hätte, und erinnerte mich vorzüglich an das, was der redliche, gelehrte Reinhold mir bei meiner Abreise aus Jena darüber gesagt hatte.
Ich eilte weiter, kam bald in die Stadt und durchlief sie in mich selbst versenkt. Es war noch früh, auf der Straße fand ich keinen Bekannten. Ich trat in das Haus meiner mütterlichen Freundin, sie hatte eine Schrift in der Hand, und die hellen Tränen rollten ihr übers Gesicht. Die Beschreibung von der Hinrichtung des Königs hatte so sehr auf sie gewirkt. Etwas später ward diese natürliche Empfindung zum Staatsverbrechen gemacht, und es haben rechtschaffene Leute bluten müssen, weil sie sich, wie es hieß, über Ludwigs Tod apitoyiert67 hatten. Ich war mit Leib und Seele für die Republik, hielt selbst den Tod des Königs für
politisch notwendig, aber ich hatte und habe noch Respekt vor diesen Tränen. Dieses mag Kleinigkeit scheinen, aber man wird schon nachher sehen, daß es keine Kleinigkeit war.

(Klio. Eine Monatsschrift für die französische Zeitgeschichte, Bd.1, 1796, S. 17-19, 20 j., 26 f.)


In einer Beilage zur Leipziger Allgemeinen Zeitung Nr. 150 vom 30. Mai 1842 wird über seinen Tod berichtet und ein Nachruf verfasst:

*Aus der Pfalz, 22. Mai. Die Speyerer Zeitung enthält die Nachricht vom Tode Butenschön’s. Seit einer Reihe von Jahren war dieser edle Mann nicht nur von jeder amtlichen Wirksamkeit entfernt, sondnern über den Verlust seines Lieblingssohnes niedergebeugt, zurückgezogen und ohne materielle Theilnahme an den Vorkommnissen des Tages. So erregte denn auch die Kunde von seinem Hinscheiden bei der Masse der Leute beiweitem nicht jene regen Aeußerungen von Theilnahme, wie man hätte denken mögen. Um so inniger aber ist der Schmerz bei Allen, welche im Falle sich befinden, ein geistiges Wirken im vollen Maße zu würdigen.
Butenschön war es, dem wir (in seiner Eigenschaft als Kreisschulrath von 1816-27) die bessere Organisation unsers gesamten Schulwesens verdanken. Er ist es, der am meisten dazu beitrug (als Consistorialrath), daß die Vereinigung der Lutheraner und Reformirten in Rheinbaiern in der Weise erfolgte, wie es geschah, sodaß nach der Vereinigungsurkunde die unirte Kirche nicht als eine der Vernunft widerstrebende erscheint. Was er als politischer Schriftsteller geleistet, bewies am meisten die 1816-21 von ihm redigirte Neue Speyerer Zeitung, in welchem Blatt er mit allen Waffen des Geistes und Verstandes dermaßen für Freiheit, Wahrheit und Recht känpfte, daß diese Zeitung damals nicht nur für die am freisinnigsten, sondern nicht minder für die am geistvollsten redigirte in ganz Deutschland galt, bis endlich die Karlsbader Beschlüsse auch sie zum Schweigen brachten. Aber nicht blos zu den geistvollsten, sondern auch zu den geehrtesten und, was mehr als alles Dies ist, zu den edelsten, charakterfesten und überzeugungstreuesten Männern gehörte Butenschön sein ganzes Leben hindurch. Nie hat er um Gunst geuhlt, nie Opfer zu bringen Bedenken getragen, wo es seiner Überzeugung, wo es der Wahrheit und dem Rechte galt. Man wird nur wenige Charaktere auffinden können, die in dieser Beziehung so völlig makellos stehen wie er. Von der Zeit an, in welcher er, ergriffen von den 1789 und 1790 in Frankreich zur Verwirklichung gelangenden edlen und freisinnigen Ideen, nach Strasburg wanderte, dann freiwillig als gemeiner Soldat für die Sache der Republik in der Vendeé kämpfte, bis an sein Lebensende, ist dieser edle Nordländer (er war 1764 in Holstein gebroen) immer und unter allen Verhältnissen der Nämliche geblieben. In dem wir mit dem so oft ausgesprochenen Wunsche schließen: „Möge er in Frieden ruhen!“ dürfen wir wohl noch hinzufügen: „Möge sein Leben Andern ein Vorbild sein!“


am Orte seiner geburt findet sich 1938 in den Bramstedter Nachrichten einen Notiz:

Johann Friedrich Butenschön
(17647—1842) aus Bramstedt, der sehr früh Waisenkind geworden ist. Unter größten Entbehrungen konnte der Knabe das Gymnasium zu Altona besuchen und studierte ab 1785 in Jena, Kiel und Heidelberg: 1790 ging er nach Straßburg, wurde 1982 Soldat und machte als solcher im Jahre 1792 den Feldzug in der Vendöe mit. Nach Beendigung des Krieges wurde er erster Sekretär der Munizipalverwaltung in Straßburg. 1794 wurde er nach Paris abgeführt und entging dort nur durch Zufall der Hinrichtung. Als Rodespierre gestürzt war, wurde Butenschön Professor und Bibliothekar in Kolmar; ging 1803 als Professor an das Lyzeum nach Mainz, wurde 1809 in Mainz Inspektor und 1812 sogar Direktor der Mainzer Akademie. Ist dann weiter 1816 Regierungs- und Schulrat zu Speyer und hat es dort im Jahre )817 noch bis zum Konsistorialrat gebracht. Seit 1834 lebte er im Ruhestande in dieser alten, deutschen Kaiserstadt und ist darin im Mai 1842 gestorben. Butenschön ist eigentlich durch sein Leben viel interessanter denn als Dichter. Die Literaturgeschichten und biographischen Handbücher kennen nicht einmal seinen Namen. Wir wollen aber das nennen, was Brümmer von Butenschöns Schriften verzeichnet: „Leiden zweier edlen Liebenden“ (Nach Cervantes Saavedra; 1798), das Drama „Alexander der Eroberer“ (1791) und das Buch „Romantische, komische, rührende und moralische Unterhaltungen“, wovon nur ein Teil 1791 herausgekommen ist. So hat dieser heimatliche Dichter sehr früh das Schreiben wieder aufgegeben, wozu ihn seine Aemter auch wohl wenig Zeit gelassen haben werden.
Ein Dichter sehr christlicher Richtung war der Geistliche.


Hier ein paar Links zu Seiten, auf denen Butenschön Erwähnung findet:

https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Speyerer_Zeitung/Neue_Speyerer_Zeitung

https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Evangelische_Kirche_der_Pfalz_%28Protestantische_Landeskirche%29

http://www.evpfalz.de/6704.php
http://www.evpfalz.de/5829.php
http://www.evpfalz.de/werke/archiv/bestand.pdf

http://www.rlb.de/hades/1995/had3dat23.html#3659

http://www.zeit.de/2001/29/Kultur/200129_a-14.juli.xml

http://www.bautz.de/bbkl/s/s1/schneider_eu.shtml

http://histrom.literature.at/cgi/wrapcgi.cgi?wrap_config=hr_bu_all.cfg&nr=81340

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Geschichte der JFS

Geschichte der JFS, entnommen der Homepage der Schule am 11.2.2016

Die Historie der Jürgen-Fuhlendorf-Schule

Ernst Neumann, Hans Wilhelm Meyer, Ulrich March, Uwe Czerwonka

Die sehr bewegte und interessante Geschichte der Jürgen-Fuhlendorf-Schule ist hier in einzelnen Abschnitten nachzuvollziehen. Bitte wählen Sie rechts die Kapitel über die verschiedenen Zeitabschnitte aus.

1908 – 1922

Zu Beginn unseres 20. Jahrhunderts wurde im Zeichen des steigenden Wohlstandes und Bildungsstrebens im deutschen Kaiserreich in der damals rund 2500 Einwohner umfassenden kleinen Landstadt Bad Bramstedt der Wunsch rege, am Ort eine höhere Privatschule zu errichten. Sie sollte befähigte Kinder aus der Stadt und ihrer Umgebung auf den späteren Besuch einer höheren Lehranstalt vorbereiten. Es ist das Verdienst des damaligen Pastors lic. Dr. Ernst Hümpel, daß er sich zum energischen Verfechter dieses an ihn herangetragenen und von ihm selbst lebhaft gehegten Wunsches machte. Dabei fand er in dem Arzt Dr. med. Paul Wulf einen umsichtigen, tatkräftigen Helfer. In der ganzen Umgegend, auch in Kaltenkirchen und Großenaspe, wurden Werbeabende veranstaltet, an denen Pastor Hümpel durch Darlegung der Vorteile, die das Vorhanden­sein einer solchen Schule für die heranwachsende Jugend biete, mit Erfolg für seinen Plan Stimmung machte. Am 2. Februar 1908 wurde der „Verein für die Höhere Privatschule“ gegründet und beschlossen, die Schule bald ins Leben zu rufen. Es bildete sich ein ge­schäftsführendes Kuratorium, bestehend aus Pastor Dr. Hümpel, Dr. Wulf, Amtsgerichtssekretär Matthies, Viehhändler H. Langhinrichs und Pen­sionsbesitzer G. Meyer aus Bad Bramstedt sowie 0. Möller und Tischler­meister Lüders aus Kaltenkirchen. Der genannte Beschluss fand in der Elternschaft so großen Widerhall, daß man, nachdem die Regierung in Schleswig die einstweilige Genehmigung erteilt hatte, sofort an die Arbeit gehen konnte. Zwei im Wohnhaus (1. Stock!) des Tischlermeisters Graf im Landweg zur Verfügung stehende Räume wurden entsprechend einge­richtet und die Schule am 1. Mai 1908 mit 39 Kindern eröffnet.
Die meisten Kinder besuchten damals die sogenannte Vorschule als Vor­stufe zum Eintritt in die Sexta, einige wenige die Sexta selbst, die Haupt-klasse, wie sie offiziell hieß. Höhere Klassenstufen waren zunächst noch nicht vorhanden. Die Zahl der zur Verfügung stehenden Lehrkräfte aber belief sich auf vier, von denen jedoch nur eine einzige hauptamtlich wirkte: Fräulein Frieda Krüger aus Barmen. Sie war also die erste eigentliche Lehrkraft unserer Schule. Außerdem unterrichteten Pastor Dr. Hümpel, die im Meyerschen Pensionat tätige Lehrerin Fräulein Planier und der an der Volksschule angestellte Lehrer A. Kühl nebenamtlich. Pastor Dr.Hümpel aber als Leiter der Schule gab der jungen Anstalt auf Jahre hinaus ihr Gepräge.
Das Jahr 1909 brachte einen weiteren Fortschritt. Die Schülerzahl wuchs auf 53, und eine dritte Klasse wurde eingerichtet. Auch der erste Lehrer­wechsel trat ein: eine neue hauptamtliche Lehrkraft wurde gewonnen, zwei der bisherigen Lehrerinnen schieden aus, und andere traten an ihre Stelle.
Im Jahre 1910 zählte die Schule bereits 67 Kinder. Zwei neue Klassen­zimmer im Erdgeschoß des genannten Hauses im Landweg wurden in Benutzung genommen. Jetzt gab es außer der Vorschule bereits drei Klassen: Sexta, Quinta und Quarta. Da die Räumlichkeiten dadurch immer enger wurden, richtete das Kuratorium, einer Anregung aus Mitglieder­kreisen folgend, an die Stadt den Antrag, die aufblühende Schule zu über­nehmen. Doch wurde dieser Antrag mit Stimmenmehrheit von dem Stadt­verordnetenkollegium abgelehnt. Vermutlich spielte in damaliger Zeit das Vorurteil, daß eine höhere Schule als eine Art Standesschule anzusehen sei, eine wesentliche Rolle und war vielleicht sogar für die Ablehnung aus­schlaggebend.
Als Pastor Dr. Hümpel erklärte, die Schulleitung niederlegen zu wollen, beschloß das Kuratorium, einen hauptamtlichen Leiter anzustellen. Als solcher wurde Rektor Gehrs aus Borkum gewählt, während Pastor Dr. Hümpel weiterhin – bis Oktober 1912 – als Vorsitzender des Kuratoriums fungierte. Der neue Leiter trat seine Stelle 1911 an. Gleichzeitig erfuhr der Unterrichtsbetrieb insofern eine wichtige Umstellung, als an die Stelle des Latein, das fortab nur noch wahlfreies Unterrichtsfach in der inzwischen neu entstandenen Klasse U III war, Französisch als Hauptsprache trat. So wurde aus der Schule eine Vorbereitungsanstalt für den Übergang auf die Oberrealschule oder das Realgymnasium.
Das ständige Wachsen der Schülerzahl – 1911 waren es schon 73 Kinder – machte den Bau eines eigenen Schulhauses notwendig. Man begann, sich immer eingehender mit diesem Problem zu beschäftigen. Bald ergab sich, daß die ursprünglich vorgesehene Bausumme von 30.000 Mark keineswegs aus­reichte und das Doppelte, also 60.000 Mark erforderlich waren. Als eine hiesige Sparkasse sich bereit erklärte, die Bausumme zu mäßigen Zinsen herzu­geben, wurde noch im gleichen Jahr der Bau beschlossen. Ein schönes Beispiel für Opfersinn und Schulinteresse bekundeten damals viele Eltern und Freunde der Schule, als sie Anteilscheine zeichneten und mit je 300 Mark für die angeliehene Bausumme hafteten. Bis Ende des Jahres stand das Schulhaus im Rohbau da, und am 17. April 1912 konnte die Schule in ihr eigenes, geräumiges und zweckmäßig eingerichtetes schönes Heim ein­ziehen. Sie hatte nunmehr 99 Jungen und Mädchen und umfaßte, abge­sehen von der Vorschule, die Klassen VI – OIII.
Mit dem Einzug in das neue Heim, vier Jahre nach ihrer Begründung, hatte die Schule sozusagen ihre Kinderschuhe ausgezogen. Im allgemeinen blieb die Schülerzahl konstant. Sie bewegte sich um 100 Kinder, von denen rund ein Drittel Mädchen waren. Unterrichtende Lehrkräfte gab es meist fünf. Es war eine kleine Schule, die der Landschaft, in die sie hineingestellt war, einen notwendigen Dienst leistete, ja, für sie allmählich unentbehrlich war. Dies erweist deutlich die Tatsache, daß bereits zum ersten Mal im Jahre 1911 sowohl das Stadtverordnetenkollegium von Bad Bramstedt wie auch der Segeberger Kreistag Zuschüsse leisteten und unsere Schule dieser finan­ziellen Förderung auch weiterhin alle die folgende Jahre hindurch für würdig erachteten.
Der erste Weltkrieg übte auf die Schule keine größere Wirkung aus. Der Schulbetrieb konnte im ganzen aufrechterhalten bleiben. Die Schülerzahl stieg weiterhin und erreichte 1918, als man des zehnjährigen Bestehens der Anstalt – entsprechend der Schwere der Zeit ohne besondere Feierlich­keiten – gedachte, die bisherige Höchstzahl von 171 Kindern. Ehrend sei auch an dieser Stelle der Gefallenen gedacht: Ein jüngerer Lehrer mit Namen Ernst Piur, der gleich zu Beginn des Krieges freiwillig in das Heer eingetreten war, und sechs ehemalige Schüler haben in den Kämpfen von 1914 bis 1918 ihr Leben gelassen. Ein früherer Schüler verlor das Augenlicht.
Auch nach dem Krieg blieb die Schule zunächst in ihrem Bestand so gut wie unverändert. Der Abbau der Vorschulklassen (entsprechend der nunmehr durch Reichsgesetz festgelegten Grundschulpflicht) konnte sogar noch mehrfach hinausgeschoben werden und war erst im Jahre 1932 abgeschlos­sen. Nach genau zehnjähriger Wirksamkeit trat am 1. April 1921 Rektor Gehrs von der Leitung der Schule zurück. Sein Nachfolger wurde Rektor Schneider. Unter ihm erlebte die Schule einen grundlegenden Wandel und trat damit in den zweiten Abschnitt ihrer Geschichte und Entwicklung ein.

1922-1936

Verhältnismäßig leicht wurden die Wirren und Stürme der Inflation von dem Schulverein als Träger der Anstalt überwunden, und die Schule konnte sogar in dieser Zeit einen großen Schritt vorwärts tun. Seit den ersten Jahren ihres Bestehens umfaßte sie, abgesehen von den Vorschulklassen, die Klassen VI bis OIII. Ab Ostern 1922 erhielt sie eine Untersekunda, und im September hieß sie nunmehr amtlich „Realschule e. F.“ Zu Ostern 1923 wurde dann die erste Abschlußprüfung gehalten. Zu diesem Zweck mußten die betreffenden Jungen und Mädchen der letzten Klasse nach Bad Oldesloe fahren und sich an der dortigen Oberrealschule der Prüfung unter­ziehen. Diese brachte eine große Enttäuschung: Nur drei Prüflinge unter sieben bestanden. Mit gutem Recht äußerte in der Mitgliederversammlung des Schulvereins im Mai dieses Jahres ein Kuratoriumsmitglied, der Grund liege hauptsächlich in dem Mangel an geeigneten Lehrmitteln, und ihre Anschaffung sei dringend erforderlich. Das Fiasko hatte ein Gutes: Die Anstrengungen wurden verdoppelt, alle Kräfte wurden angespannt, und so geschah es bei der Abschlußprüfung im Jahre 1924, daß von sechs Prüflin­gen fünf, und im folgenden Jahre, daß von acht Prüflingen sieben in Bad Oldesloe bestanden. Sie war nunmehr in ihrem Weiterbestehen als Realschule, das heißt als höhere Schule, gesichert. Als im Dezember 1926 nochmals an die Stadtverwaltung das Gesuch erging, die Schule zu übernehmen, wurde ausdrücklich betont, daß sie auf jeden Fall Realschule bleiben müsse und eine Umwandlung in eine Mittelschule nicht in Frage komme. Das Gesuch selbst hatte keinen Erfolg.
Nach dem Ausscheiden von Rektor Schneider übernahm ab 1. Oktober 1923 Studienassessor Richard Horstmann die Leitung der Schule. In seiner fast vierjährigen Tätigkeit verstand es Direktor Horstmann, die Schule vor­wärtszubringen und ihre weitere Entfaltung zu fördern. Die allgemein im damaligen deutschen Bildungswesen spürbare Modernisierung und Reformfreudigkeit – dieses Wort im besten Sinne des Wortes gebraucht! -fanden auch an der Realschule in Bad Bramstedt einen günstigen Nieder­schlag. Schulbetrieb und Unterrichtsweise wurden weitgehend umgewan­delt, wobei der Gedanke des Arbeitsunterrichts, eine Lieblingsidee jener Jahre, theoretisch durchgearbeitet und praktisch nach besten Kräften ver­wirklicht wurde. Die Verbindung mit der Elternschaft wurde auf Eltern­abenden gepflegt. Ausflüge, Fahrten der älteren Schüler zum Besuch kultu­reller Veranstaltungen in Kiel und Hamburg, Lesenachmittage, mancherlei Feierstunden sowie Laienspielaufführungen lockerten das Schulleben auf und vermehrten die Schulfreudigkeit. Ab Ostern 1925 wurde Englisch anstatt Französisch die erste Fremdsprache.
1932 wurde Oberstudienrat a. D. Prof. Ernst Hansen aus Flensburg Direk­tor. Er wirkte genau vier Jahre in diesem Amt.
Infolge höherer Anordnung kam es in dieser Zeit wieder einmal zu einem Wechsel in der Fremdsprachenfolge: Ab Ostern 1933 war Französisch in Sexta die erste Fremdsprache, und in Obertertia kam Englisch hinzu. Mitt­lerweile war der Nationalsozialismus zur Macht gelangt. Im Mai 1933 fei­erte die Realschule ihr 25jähriges Bestehen; keiner der Beteiligten konnte ahnen, wie verhängnisvoll sich die politischen Ereignisse dieses Jubiläums­jahres noch auswirken sollten. Im übrigen verdient es vermerkt zu werden, daß die beiden Direktoren in der Zeit von 1933 – 1945 ihre Stellung wahrten, ohne je der damals allmächtigen Partei anzugehören, und die Gerechtigkeit verlangt es nicht minder anzuerkennen, daß auch die führenden Parteifunk­tionäre im damaligen Bad Bramstedt maßvoll genug waren, die Schule im allgemeinen ihre bewährte Eigenart erhalten und weiter pflegen zu lassen.
Oberstudienrat a. D. Dr. Dietrich Heine wurde am 26. März 1936 vom Vorstand der Realschule einstimmig zum Leiter der Anstalt gewählt. Am 15. Oktober trat er sein neues Amt als Schulleiter an.

1937-1949

Der Bericht über die „Ära Heine“ sei mit einer allgemeinen Feststellung begonnen: Vom ersten Tage an bestand ein ausgezeichnetes Verhältnis zwischen Schulleiter einerseits und Vorstand und Kuratorium andererseits, im wohltuenden Gegensatz zu manchen früheren Zeiten, da nur zu oft Differenzen und Spannungen sich unliebsam bemerkbar gemacht hatten. Was aber noch wesentlich wichtiger war: Dr. Heine entfaltete mit seinem Amtsantritt eine energiegeladene, ideenreiche Tätigkeit, die der Schule sichtbaren Auftrieb verlieh.
Anfang Dezember 1936 wurde bekanntgegeben, daß fortab die Schüler der Untersekunda nicht mehr zur Abschlußprüfung die Oberschule in Bad Oldesloe aufsuchen mußten, sondern die Prüfung an der eigenen Schule in Bad Bramstedt im Beisein des Oldesloer Direktors ablegen konnten. Andere bezeichnende Maßnahmen fördernder Art fielen ebenfalls in die erste Zeit nach Dr. Heines Amtsantritt, wie vermehrte Durchführung von Elternabenden und ähnlichen Veranstaltungen und die Begründung einer Kameradschaft ehemaliger Schüler und Schülerinnen der Realschule.
Es war im Frühjahr 1937, als Dr. Heine im Zusammenhang mit der amtlich angeordneten Umbenennung der bisherigen „Realschule e. V.“ in „Private Oberschule für Jungen und Mädchen“ den Vorschlag machte, der Anstalt einen würdigen Namen nach einer historischen Persönlichkeit zu geben. Der Gedanke wurde sehr beifällig aufgenommen. Vorgeschlagen wur­den: „Roland-Schule“, „Gorch-Fock-Schule“, „Graf-Luckner-Schule“ und schließlich „Jürgen-Fuhlendorf-Schule“. Dieser Name wurde gewählt in Erinnerung an den Mann, der als Fleckenvorsteher einst im 17. Jahrhundert die Bramstedter Bauern vor der Leibeigenschaft bewahrte. Seit August 1937 führt unsere Schule mit behördlicher Genehmigung ihren traditionellen Namen.
In Auswirkung der damaligen Schulreform und der sonstigen Maßnahmen des totalitären Staates, die ohne Widerspruch hingenommen werden muß­ten, sank die Schülerzahl in erschreckendem Maße: Sie bewegte sich in den Jahren 1937 und 1938 um 90 und ging sogar im Mai 1939 bis auf 72 zurück. Es zeugt von dem unverwüstlichen Optimismus aller maßgebenden Män­ner im Vorstand und Kuratorium einschließlich des zu diesem gehörenden Direktors Dr. Heine, daß man dennoch nicht verzagte. Die Feier des 30jährigen Bestehens der Schule am 16. Juli 1938 war laut Bericht der „Bramstedter Nachrichten“ aus diesen Tagen der Anlaß zu einem Festakt, wie ihn Bad Bramstedt nur selten begangen hat.
Noch im selben Jahr 1938 bahnte sich eine neue Entwicklung an, die wir rückblickend als wichtigen Markstein im Aufstieg der Jürgen-Fuhlendorf-Schule beurteilen müssen: Im Zuge der damals vom Reichserziehungsminister verfügten „Planung der höheren Schulen“ bot sich ihr die Möglich­keit, trotz ihres privaten Charakters, der doch deutliche Merkmale einer gemeinnützigen Einrichtung auswies, als „Zubringeschule“ anerkannt zu werden, das heißt als eine Schule, die den öffentlichen Anstalten völlig gleichgestellt war, so daß beispielsweise die Abgangszeugnisse ohne weite­res zum Übergang auf öffentliche höhere Schulen berechtigten. Freilich waren wichtige Voraussetzungen zu erfüllen. Besonders hing die Errei­chung des genannten Zieles davon ab, daß ein naturwissenschaftlicher Arbeitsraum und zwei naturwissenschaftliche Sammlungsräume in das Schulgebäude eingebaut und die Sammlungen für Biologie, Chemie und Physik vervollständigt wurden, und dies erforderte bedeutende finanzielle Mehraufwendungen. Die Gesamtkosten dieser Umgestaltung des Schulgebäudes und der Neuerstellungen beliefen sich auf rund 12.000 RM. Da man nicht damit rechnen konnte, sie nur aus Schulgeldern und staatlichen sowie sonstigen öffentlichen Zuschüssen zusammenzubringen, wurden die Eltern aufgefordert, möglichst zahlreich Bürgschaften von je 300 RM zu leisten. Es zeugt von dem Opfersinn und dem Schulinteresse der Elternschaft, daß zahlreiche Zeichnungen erfolgten. Erfreulicherweise brauchte diese Bürg­schaft aber dann nicht in Anspruch genommen zu werden. Der für damalige Verhältnisse umfangreiche Erweiterungsbau begann nach langen Vorarbei­ten im August 1939, drei Wochen vor Kriegsausbruch, und konnte, wenn auch mit mehrmaligen Verzögerungen, durchgeführt werden. Bereits am 25. Januar 1940 wurde die Jürgen-Fuhlendorf-Schule als private Zubringe­schule für die Oberschule in Bad Oldesloe vom Reichserziehungsminister anerkannt und ihr bald darauf die Genehmigung erteilt, zu Ostern 1940 eine Klasse 6 einzurichten. Da diese Klasse nach damaliger Ordnung bereits zur Oberstufe rechnete, war mitten im Krieg der erste Schritt zum weiteren Ausbau der Anstalt getan worden.
Aus dem Lehrerkollegium mußte Studienrat Dr. Helmut Schwarz noch am Ende des Krieges, im März 1945, sein Leben opfern. Wie viele von den frü­heren Schülern der Jürgen-Fuhlendorf-Schule gefallen oder vermißt sind, wird sich schwer endgültig feststellen lassen. Die Zahl 50 dürfte nicht zu hoch gegriffen sein, eine erschütternd große Zahl aus dieser verhältnismä­ßig kleinen Privatschule und ein getreues Spiegelbild jener allgemeinen Erscheinung, daß im zweiten Weltkrieg der Tod unter der deutschen Jugend furchtbare Ernte hielt.
Im übrigen sicherten paradoxerweise Leid, Unglück und Verderben, das deutsche Schicksal jener schweren Kriegsjahre, unserer Jürgern-Fuhlendorf-Schule damals die Existenzberechtigung: Die schweren Luftangriffe auf Hamburg und später auf Neumünster erzwangen die Verlegung größerer Bevölkerungsteile auf die ländliche Umgebung und veranlaßten die Ein­schulung vieler gefährdeter Kinder in ruhigeren Orten. So stieg die Zahl der Jungen und Mädchen bei uns im Laufe des Krieges sprunghaft an, wie fol­gende Übersicht verdeutlicht: 1939: 72, 1940: 91, 1941:117, 1942:104, 1943: 136, 1944: 253. Diese gewaltige Zunahme der Schülerzahl in einem viel zu engen Schulgebäude stellte an die Arbeitskraft und das Organisationstalent Dr. Heines, der selber schon über das Alter hinaus war, in dem man norma­lerweise seinen Beruf ausübt – im Jahre 1944 vollendete er das 70. Lebens­jahr -, die höchsten Anforderungen, zumal gleichzeitig sich andere Schwie­rigkeiten drückend bemerkbar machten: Lehrkräfte waren äußerst schwer zu beschaffen, im Winter bereitete die Frage der Heizung größte Sorgen, und die Knappheit auf allen Gebieten des Lebens nahm täglich zu.
April 1945 hörte der Unterricht auf. Als er auf Anordnung der Militärregie­rung gegen Jahresende wiederaufgenommen werden sollte; galt es, aus dem
Nichts anzufangen. Jeder weiß, daß es damals an allem fehlte. Das Schulge­bäude war vorhanden, doch hatte es durch Belegung mit der Organisation Todt in den letzten Kriegswochen erheblich gelitten und diente jetzt Flüchtlingen als Unterkunft. Als der Unterricht am 28. November 1945 wie­der eröffnet wurde, fanden sich 140 Jungen und Mädchen ein. Die nächsten Wochen brachten laufend Zugänge, so daß die Schülerzahl bis Ostern 1946 auf 270 anschwoll. Die Zahl der Lehrkräfte dagegen war 1945 bis auf zwei zusammengeschrumpft. Dr. Heine eröffnete nach dem Zusammenbruch seine Schule mit Frau Dr. Dreves und Fräulein Jüngst. Sie bildeten den Stamm des neuen Kollegiums, das danach allmählich geschaffen wurde.
Auch nach dem Kriege blieb Dr. Heine trotz seines hohen Alters weiterhin auf seinen Posten. Tatkräftig unterstützt von Herrn Schumann, Hitzhusen, dem stellvertretenden Vorsitzenden des nach dem Kriege neu gebildeten Kuratoriums, sah er eine neue große Aufgabe darin, einen Plan zu verwirk­lichen, der in früheren Jahren schon gelegentlich zaghaft geäußert worden war, den aber je durchzuführen man kaum zu hoffen gewagt hatte: Er beantragte die Einrichtung einer Obersekunda, um die Jürgen-Fuhlendorf-Schule nunmehr zu einer Vollanstalt auszubauen. Dr. Heine fand bei Herrn Oberschulrat Jaquet in Kiel volle Unterstützung in seinem Vorhaben und einen warmen Förderer unserer Schule: Dem Antrag wurde nach formaler Genehmigung seitens der Militärregierung stattgegeben und so zu Ostern 1946 eine Obersekunda eingerichtet.
Am 1. Oktober 1948 legte der hochverdiente Leiter der Schule, Direktor Dr. Heine, sein Amt nieder und trat in den Ruhestand. Bei der Abschiedsfeier wurden ihm in reichem Maße Ehrungen zuteil; von den verschiedensten Seiten wurde ihm dankend Anerkennung bezeugt für seine Verdienste um den überraschenden Aufstieg der Schule in den zwölf Jahren seiner Wirk­samkeit. So war es auch selbstverständlich, daß er bei der Reifeprüfung unserer ersten Oberprima, die von der Kieler Schulbehörde eigens auf den 4. März 1949, seinen 74. Geburtstag, gelegt worden war, als Ehrengast im Prüfungskollegium weilte und berechtigten Stolz und hohe Freude emp­fand, als unsere ersten acht Abiturienten geschlossen durchs Ziel gingen. Die Leitung der Schule hatte nach dem Ausscheiden Dr. Heines für andert­halb Jahre kommissarisch Studienrat Herbst inne; er führte in dieser Zeit die ersten beiden Reifeprüfungen an unserer Schule in den Jahren 1949 und 1950 erfolgreich durch.

1950-1958

Gleichzeitig mit dem soeben dargestellten Aufstieg der Jürgen-Fuhlendorf-Schule seit 1946 trat eine bedrohliche Krise finanzieller Art in Erscheinung, die zeitweise geradezu die weitere Existenz der Anstalt in Frage stellte.
Schon bald nach ihrer Wiedereröffnung Ende 1945 zeigte sich deutlich, daß der alte Schulverein zukünftig nicht mehr in der Lage war, mit Hilfe der einkommenden Schulgelder und verhältnismäßig geringer öffentlicher Zuwendungen in der bisherigen Form die Schule zu erhalten. Mit der Wäh­rungsreform im Jahre 1948 und der etwa gleichzeitig für alle öffentlichen Schulen gesetzlich verankerten Schulgeldfreiheit wurde der Anstalt ihre bisherige Existenzgrundlage völlig entzogen, ja, auch ihre Daseinsberech­tigung ließ sich in Frage stellen, als durch die damals eingeführte sechsjäh­rige Grundschulpflicht die stärksten Klassen der Unterstufe fortfielen und dadurch naturgemäß die Schülerzahl wieder zurückging. Erwähnt sei in die­sem Zusammenhang, daß in Anbetracht dieser ausgesprochenen Notlage dem damaligen Lehrerkollegium das gewiß nicht leichte Opfer auferlegt wurde, für die Zeit vom 1. Januar 1949 bis 31. März 1950 auf 25% des Gehalts zu verzichten. Schließlich war ein gangbarer Weg gefunden, der das Weiterbestehen der Anstalt finanziell gewährleistete: Am 1. April 1950 wurde die Jürgen-Fuhlendorf-Schule eine „Stiftung öffentlichen Rechts“, an die das Land Schleswig-Holstein, der Kreis Segeberg und die Stadt Bram-stedt angemessene geldliche Zuwendungen zu leisten gewillt waren und sich entsprechend verpflichteten. Die Verwaltung der Stiftung und aller Schulangelegenheiten außerhalb des eigentlichen Unterrichts oblag fortab dem Stiftungsvorstand, der an die Stelle des früheren Kuratoriums trat. Vorsitzender dieses Stiftungsvorstandes war für eine kurze Übergangszeit Herr Quistorff und dann mehrere Jahre Herr Bürgermeister Gebhardt. Zur Übernahme der laufenden Verwaltungsgeschäfte erklärte sich unsere hie­sige Stadtverwaltung bereit. Mit Wirkung vom 1. April 1950 übernahm die Leitung Oberstudiendirektor z. Wv. Dr. Neumann, der bereits seit Oktober 1948 dem Kollegium als Lehrkraft angehörte.
Die Verkürzung der höheren Schule durch Einführung der sechsjährigen Grundschulpflicht war nur von kurzer Dauer. Schon zu Ostern 1951 wurde die Grundschulzeit für zukünftige Oberschüler wieder auf vier Jahre festge­legt, und so begann nach Wiedererrichtung der Klassen VI und V unsere Schule, die im März 1951 nur 232 Schüler(innen) zählte, das Schuljahr 1951/52 mit insgesamt 430 Schülern (darunter 182 Mädchen). Das bedeu­tete eine Zunahme von rund 85 %! Auch in den beiden nächsten Jahren stieg die Schülerzahl noch an.
In den Jahren 1951 bis 1956 bestand das schwierigste Problem darin, wie man der drückenden Enge und Raumnot im jetzt viel zu kleinen Schulge­bäude Herr werden sollte. Im Hinblick auf die sicher zu erwartende gewal­tige Zunahme der Schülerzahl hatte der Direktor bereits im Februar 1951 Schritte eingeleitet mit dem Ziel, durch Um- und Erweiterungsbauten innerhalb des Schulgebäudes neue Klassenräume zu schaffen. Um wenig­stens die äußere Durchführung des Schulbetriebes zu ermöglichen, wur­den drei im Gebäude befindliche und noch immer von Privatpersonen benutzte Räume und eine Küche der früheren Direktorwohnung freige­macht, jedoch mußten sie, da die Geldmittel für die Maurer- und Maler­arbeiten fehlten, zunächst in dem Zustand, wie sie waren, in Benutzung genommen werden. Alle ehemaligen Schüler, die zwischen Ostern und Sommerferien 1951 unsere Anstalt besucht haben, werden sich daran erin­nern, wie ausgesprochen primitiv die Verhältnisse damals waren. Erst in den Sommerferien wurden die erwähnten in Klassenräume umgewandelten Wohn- beziehungsweise Küchenräume einigermaßen instandgesetzt. Die Freude über diese baulichen Verbesserungen zu Beginn des zweiten Schul­vierteljahres wurde allerdings noch dadurch getrübt, daß sich die erhoffte Neuanschaffung von Schulmöbeln weiterhin verzögerte. Erst zur Jahres­wende 1951/52 wurde die langersehnte Neuausstattung wenigstens eines Teiles der Klassenräume Wirklichkeit, und sechs Klassenräume wurden mit modernen raumsparenden Zweisitzertischen und entsprechenden Schüler­stühlen geschmackvoll eingerichtet.
Ein Gutes hatten die erwähnten Schwierigkeiten und Unzuträglichkeiten: Auch an höherer Stelle hatte man die Einsicht gewonnen, daß endlich Grundlegendes geschehen müßte. Nach manchen Beratungen und Ver­handlungen zwischen Vertretern der Landesregierung, des Kreises Sege­berg, dessen Landrat, Herr Dr. Alnor, ebenso wie sein Amtsvorgänger Herr Dr. Dr. Pagel, sich die Förderung unserer Schule stets angelegen sein ließ, und unserer hiesigen Stadtgemeinde konnte im Herbst 1954 endlich der erste Spatenstich getan werden. Die lange Frostperiode des folgenden Jahres bedingte dann eine weit längere Unterbrechung der Arbeiten, als man ursprünglich angenommen hatte. Im Mai 1955 wurde das Richtfest gefeiert, und im Dezember war der langersehnte Neubau end­lich fertiggestellt. Beginn des Jahres 1956 wurde mit den Umbauarbeiten im Altgebäude begonnen; und so ergab sich die Notwendigkeit, den gesamten Unterricht in den Neubau zu verlegen. Aber auch diese Übergangszeit lag schließlich hinter uns: Allmählich war auch das Altgebäude in seiner neuen, stark veränderten Form bezugsfertig und verwendungsbereit. Im Juli 1956 konnten der Zeichensaal, fünf Klassenräume sowie die neuen Räume für den Oberstudiendirektor und den Oberstudienrat, das Geschäftszimmer und das Elternsprechzimmer in Benutzung genommen werden. Als letztes Erfordernis blieb die Erstellung zeitgemäßer Räume für die Naturwissenschaften und deren Ausstattung mit den gerade heutzutage so wichtigen Geräten und Utensilien verschiedenster Art. Bereits zu Beginn der Sommerferien 1956 waren die beiden vorgesehenen Fachräume, der eine für Physik, der andere für Chemie und Biologie, samt ihren Nebenräu­men fertiggestellt.
Am 14. August 1952 überreichte Oberschulrat Jaquet als Vertreter des Kultusministeriums in feierlicher Form dem bisherigen kommissarischen Leiter der Schule, Dr. Neumann, die Urkunde über seine Ernennung zum Oberstudiendirektor, dem bisherigen Studienrat  W. Zylka die über seine Ernennung zum Oberstudienrat sowie drei Herren und sechs Damen des Lehrkörpers die Urkunden über ihre Ernennung zum Studienrat bezie­hungsweise zur Studienrätin. Daß damit die Lehrkräfte unserer Schule als Landesbeamte eine gesicherte Position erhielten, durfte mit vollem Recht als Gewinn für die gesamte Jürgen-Fuhlendorf-Schule angesehen werden: Was in den vorangegangenen 44 Jahren sich oft so unliebsam ausgewirkt hatte, gehörte damit der Vergangenheit an: der häufige Lehrerwechsel mit all seinen Schattenseiten.
Durch das „Gesetz über die Unterhaltung und Verwaltung der öffentlichen Schulen“ vom 28. März 1957 wurde mit Wirkung vom 1. April 1957 die Jürgen-Fuhlendorf-Schule in Bad Bramstedt staatliches Gymnasium unse­res Landes. Nach siebenjährigem Bestehen wurde somit die Stiftung öffent­lichen Rechts aufgelöst, und an ihre Stelle trat das Land.

1958-1966

Die Feiern zum 50jährigen Bestehen der Jürgen-Fuhlendorf-Schule wurden vom 28. bis 30. April 1958 begangen. Nach einem gemeinsamen Gottes­dienst der ganzen Schulgemeinde in der Maria-Magdalenen-Kirche und einer Gefallenenehrung für die im 2. Weltkrieg gebliebenen ehemaligen Schüler der Schule, bei der die heute in der Pausenhalle hängenden eiche­nen Gedenktafeln zusammen mit der Holzplastik des Segeberger Künstlers Otto Flath enthüllt wurden, fand am 29. April das Jubiläum seinen Höhe­punkt in einem Festakt im Kaisersaal. An ihm nahmen Vertreter des Kul­tusministeriums (Oberschulrat Theune), Angehörige des Gründers der Schule, des Pastors Ernst Hümpel, Elternvertreter, ehemalige Schüler und Freunde sowie die Schüler der ganzen Schule teil. Den Festvortrag hielt der damalige Schulleiter, Oberstudiendirektor Dr. Ernst Neumann, unter dem Thema „Vom Sinn und Geist der heutigen höheren Schule“. Besonders eindrucksvoll war die Rede des 84jährigen ehemaligen Leiters der Schule, Dr. Dietrich Heine, der die Entwicklung der Schule von 1908 bis 1958 unter den lateinischen Spruch „Per aspera ad astra“ stellte. Nachdem am Abend die Laienspielgruppe das Stück „Der Sturm“ von Shakespeare aufgeführt hatte, klang das Schuljubiläum am 30. April mit einem Schulfest für alle Schüler und einem Festball aus, der bis in den Morgen des 1. Mai, des Tages, an dem 50 Jahre vorher die erste Unterrichtsstunde der späteren „Jürgen-Fuhlendorf-Schule“ stattgefunden hatte, andauerte.
Wenn man die Geschichte der Schule in den letzten 25 Jahren betrachtet, läßt sie sich in drei Abschnitte zergliedern, in denen – mehr zufällig -jeweils ein anderer Schulleiter an der Spitze der Schule stand. Der erste Abschnitt unter Oberstudiendirektor Dr. Neumann dauerte bis zum 31. März 1966 und endete mit seiner Verabschiedung und der Übernahme der Schulleitung durch den bisherigen Oberstudienrat an der Holstenschule in Neumünster, Herrn Johannes Hillmann. Der zweite Abschnitt umfaßt dann die Zeit unter Oberstudiendirektor Hillmann und dauerte bis zum 31. August 1972. Am 1. September 1972 beginnt der dritte Abschnitt. Wäh­rend dieser Zeit stand die Schule zunächst unter der kommissarischen Leitung von Studiendirektor Hans Wilhelm Meyer, ab 20. Februar 1973 unter der Leitung von Oberstudiendirektor Dr. Ulrich March, bis dahin Oberstudienrat an der Ricarda-Huch-Schule in Kiel.
Die fast acht Jahre vom Schuljubiläum bis zur Verabschiedung des da­maligen Schulleiters waren gekennzeichnet durch eine relative Ruhe im Schulgeschehen und durch einen scheinbar unaufhaltsamen politischen und wirtschaftlichen Aufschwung in Staat und Gesellschaft. Wie das Leitwort Dr. Heines „Per aspera ad astra“ in seiner Rede zum Schuljubi­läum hatte erkennen lassen, war die Meinung vorherrschend, daß man für die Schule in der damaligen Zeit eigentlich alles erreicht hatte, was mög­lich war, und daß die im weiteren Verlauf sich ergebenden neuen Wünsche bei der derzeitigen allgemeinen Lage leicht würden erfüllt werden kön­nen. Die wirtschaftliche Lage der Lehrkräfte war gesichert, die so bedrückende Schulraumnot schien durch die Baumaßnahmen der vergangenen Jahre überwunden. Die Schülerzahl blieb zunächst im wesentlichen konstant bei etwa 400, erreichte dann zu Beginn des Schuljahres 1965/66 aber schon die Zahl 470, was vor allem auf die erheblich höhere Zahl von Neuanmeldungen von Sextanern zurückzuführen war. Erstmals in der Geschichte der Jürgen-Fuhlendorf-Schule war es notwendig, drei Sexten einzurichten.
Hier werfen bereits die kommenden Ereignisse ihre Schatten voraus, ohne daß man damals schon die ganze Tragweite der Entwicklung erkannte. Im Jahre 1964 hatte der Heidelberger Professor Georg Picht mit seiner Schrift „Die deutsche Bildungskatastrophe“ die Politiker und Pädagogen der Bundesrepublik Deutschland aufgeschreckt. Picht hatte die Situation in Deutschland auf dem Gebiet der Bildung und Ausbildung sehr pessi­mistisch beurteilt und u. a. gefordert, die Zahl der Abiturienten und Stu­denten erheblich zu erhöhen, mit der Begründung, daß die Bundesrepu­blik Deutschland im Vergleich mit anderen Industriestaaten die niedrigste Zahl an angehenden Akademikern aufzuweisen habe. Dies müsse auf längere Sicht zu einer katastrophalen Benachteiligung der Deutschen im internationalen Wettbewerb führen. Die nun beginnende Diskussion in der Öffentlichkeit kam zwar überwiegend zu dem Schluß, daß die von Picht vertretenen Auffassungen über eine Bildungskatastrophe in Deutsch­land übertrieben waren, führten aber doch in weiten Bevölkerungsschich­ten – gefördert durch die neuen Medien – zu lebhaften Auseinanderset­zungen über den Wert höherer Bildung und schließlich zu einem im ganzen erfreulichen Abbau der Zurückhaltung auch gegenüber den höheren Schulen.
So stiegen von nun an die Anmeldungen zu den weiterführenden Schulen, besonders auch im ländlichen Bereich, zu dem auch der Einzugsbereich unserer Schule gehört, sprunghaft an. Das Ergebnis war für die Jürgen-Fuhlendorf-Schule die schon erwähnte Notwendigkeit der Einrichtung von drei Sexten zu Beginn des Schuljahres 1965 / 66 und damit der Beginn der Drei-zügigkeit für die ganze Unter- und Mittelstufe. Nimmt man die seit 1956 auch in unserer Schule eingeführte Trennung in einen sprachlichen und mathematisch-naturwissenschaftlichen Zweig in der Oberstufe hinzu, so ergibt sich, daß der für höchstens 15 Klassen konzipierte Erweiterungsbau allmählich nicht mehr ausreichte. Zwar waren die Oberstufenklassen zunächst noch zahlenmäßig schwach und konnten in vielen Fächern als geschlossener Jahrgang unterrichtet werden, doch zeigt schon der Jahresbe­richt der Schule über das Schuljahr 1959 / 60, daß die Einrichtung von Wanderklassen, ein Zustand, den man für überwunden gehalten hatte, wieder notwendig geworden war.
Hinzu kam, daß durch die Einrichtung eines mathematisch-naturwissen­schaftlichen Zweiges die Kapazität der Fachräume in keiner Weise mehr ausreichte. Schon in der Festschrift zum 50jährigen Jubiläum hatte der an der Schule tätige Studienrat Wangerin auf Mängel in der Ausstattung für den naturwissenschaftlichen Unterricht hingewiesen, als die Folgen der Oberstufengabelung noch nicht zum Tragen gekommen waren. Jetzt begann deutlich zu werden, wie recht er gehabt hatte. Mit zwei Räumen für den Unterricht in drei naturwissenschaftlichen Fächern war auf die Dauer ein moderner Unterricht nicht möglich.
So liefen bereits ab 1959 – von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt -die ersten zaghaften Bemühungen an, einen neuen Erweiterungsbau für die Schule zu schaffen. Ab 1963 ist dann die Rede von einem vollständigen Neubau der Schule. 1965 wagt der damalige Schulleiter die Voraussage, daß der Neubau 1968 fertig sei. Doch erst unmittelbar vor dem Ende der Amts­zeit Dr. Neumanns, am 3. Februar 1966, wird das für den Neubau vorgese­hene 2,7 ha große Grundstück zwischen Düsternhoop und Großenasper Weg erworben. Damit aber waren die Vorbereitungen für den Neubau zunächst beendet, und Dr. Neumann schließt seinen letzten Jahresbericht 1966 mit der pessimistischen Feststellung: „Angesichts der finanziellen Schwierigkeiten des Landes Schleswig-Holstein hat die Regierung in Kiel das für unser staatliches Gymnasium grundsätzlich genehmigte Bauvor­haben vor kurzem auf unbestimmte Zeit verschoben.“

1966-1972

Am 25. März 1966 wurde der Oberstudiendirektor Dr. Neumann feierlich verabschiedet und trat nach Vollendung des 65. Lebensjahres in den Ruhe­stand. Mit dem 1. April übernahm dann der bisherige Oberstudienrat Johannes Hillmann aus Neumünster die Schulleitung, die er bis zum 31. August 1972 innehatte.
Waren die letzten Jahre unter der Leitung Dr. Neumanns eine Zeit relativer Ruhe gewesen, so ist die Zeit des Direktorats des Oberstudiendirektors. Hillmann eine Zeit der Unruhe und des Wandels. Politisch ging die Regie­rungszeit des Bundeskanzlers Ludwig Erhard zu Ende, und es folgte am Ende des Jahres 1966 in Bonn die Bildung der großen Koalition. An ihr entzündete sich die schon latent vorhandene Kritik an den politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen in unserem Staat. Diese Kritik war schon längere Zeit vor allem von Intellektuellen geübt worden, die dem 1949 ent­standenem Staat „Bundesrepublik Deutschland“ und seiner Gesellschaft eine zu starke Betonung des rein materiellen Wohlergehens vorgeworfen hatten. Sie hatten darüber hinaus häufig die – ihrer Meinung nach – zu starke Westintegration der Bundesrepublik kritisiert und eine Regelung der Beziehung zum Osten vermißt. Durch diese Politik der bisherigen Bundes­regierungen sei eine Wiedervereinigung Deutschlands unmöglich gewor­den. Ganz allgemein wurden die politischen und gesellschaftlichen Struk­turen unseres Staatswesen als „verkrustet“ bezeichnet und der Regierung „Immobilismus“ in wichtigen Fragen vorgeworfen. Nach Gründung der großen Koalition in Bonn hielt man jegliche wesentliche Veränderung für nahezu ausgeschlossen.
Alle diese Strömungen wurden von Teilen der Studentenschaft aufgenom­men. Für sie trat die Kritik an der Bildungspolitik in den Vordergrund. Zum Teil beeinflußt durch die Thesen Pichts, forderten die Studenten ei­ne massive Erweiterung der Bildungsmöglichkeiten, die Vermehrung der Zahl der Abiturienten und Studenten, den Bau neuer Hochschulen und die materielle Förderung auch der weniger Bemittelten. Von den Ge­danken bestimmter Studentengruppen beeinflußt, daß die derzeitige Begrenzung der akademischen Bildung von den „Herrschenden“ gewollt sei, um durch das Fernhalten der höheren Bildung von den breiten Schich­ten der Bevölkerung das bestehende System zu „zementieren“, forderten Studenten eine umfassende Bildungsreform und eine Reform der Universitätsverfassungen und der Schulen. Diese Reformen müßten, um wirk­lich durchgreifend zu sein, mit wesentlichen Reformen von Staat und Gesellschaft einhergehen. In einem Staat wie der Bundesrepublik Deutsch­land seien die notwendigen Reformen im Bildungswesen nur möglich, wenn ihnen grundlegende Änderungen des gesamten Staatswesens voraus­gingen.
So kam es damals zu ausgedehnten Unruhen in den Universitätsstädten, zu Störungen des Lehrbetriebs und zum Teil auch zu gewaltsamen Ausschrei­tungen. Von den Studenten griffen diese Gedanken auf ältere Schüler der höheren Schulen über, so daß auch die Schule mit Forderungen nach durchgreifenden Reformen konfrontiert wurde.
Obwohl die genannten politischen Auseinandersetzungen Bad Bramstedt zunächst noch nicht erreichten, wurde doch schon die Anfangszeit der Schulleitung von Herrn Hillmann durch Unruhe im Schulleben geprägt.
Mit dem Schuljahr 1967/68 sollte der jeweilige Schuljahreswechsel vom 1. April auf den 1. August verlegt werden, so daß die Großen Ferien von diesem Zeitpunkt an die Schuljahre trennen sollten. Um diese Terminum­stellung zu erreichen, wurde in Schleswig-Holstein – wie in den meisten Bundesländern – die Zeit vom 1. April 1966 bis zum 31. Juli 1967 in zwei sogenannte Kurzschuljahre aufgeteilt. So begann das erste Kurzschuljahr mit dem 1. April und endete am 30. November 1966, das zweite schloß sich dann am 5. Dezember an, um dann zum 1. August 1967 wieder in ein normales Schuljahr einzumünden.
Diese Umstellung des Schuljahres und die Einrichtung der Kurzschuljahre bedeuteten eine ungewöhnlich starke Belastung des Kollegiums und der Schülerschaft. Alle Termine, die sonst in zwei vollen Jahren wahrgenom­men werden mußten, waren jetzt innerhalb einer viel kürzeren Zeit einzu­planen. So fanden zwei Reifeprüfungen, zwei Übergangsprüfungen in die Sexta, zwei Versetzungskonferenzen usw. statt. Die Schülerzahl stieg in diesem Zeitraum weiter sprunghaft an, so daß im Kurzschuljahr 1966/67 bereits die gesamte Unterstufe dreizügig geführt werden mußte. Die Zahl der Schüler, die am 1. Mai 1965 noch 470 betragen hatte, stieg zum 1. Mai 1966 auf 539 (14,7%), zum 15. Januar 1967 gar auf 613 (13,7%). Diese 613 Schüler waren in 22 Klassen aufgeteilt, für die nur 14 eigentliche Klassenräume zur Verfügung standen.
Zu Beginn des neuen regulären Schuljahres 1967/68 (Stichtag 1. Septem­ber 1967) war eine weitere Steigerung der Schülerzahl im Vergleich zum Vorjahr auf nunmehr 648 zu verzeichnen, was einen erneuten Zuwachs von 5,7% bedeutete. Jetzt mußten sogar 23 Klassen eingerichtet werden. Die Raumnot an der Schule hatte mit Beginn des neuen Schuljahres allerdings vorerst ihren Höhepunkt überschritten. Auf Initiative des Schulleiters konnten am ersten Schultag acht Pavillonklassen auf dem für den späteren Neubau der Schule vorgesehenen Gelände am Düsternhoop in Betrieb genommen werden, so daß jetzt fast jede Klasse ihren eigenen Raum besaß.
Doch so groß auch die Erleichterung von Lehrern und Schülern sein mochte, daß die Frage der Raumbeschaffung auf diese Weise gelöst war, so wurde dieser Vorteil fast aufgewogen durch die damit neu auftreten­den Schwierigkeiten und Belastungen. Das Hauptgebäude Am Bahnhof 16 und die neuen Pavillonbauten lagen knapp einen Kilometer auseinander. So mußten die Pausen für die betroffenen Lehrer und Schüler oft dazu benutzt werden, bei jeder Witterung von einem Gebäude in das andere zu wechseln. Die kurzen Pausen reichten dafür kaum aus. Es kam daher oft zu Verzögerungen im Unterrichtsbeginn. Die Frage der Sicherheit für die Schüler trat auf, wenn sie während der Pause die Gebäude wechselten und dabei u. a. die Straße Landweg überqueren mußten. Zwar wurden weit­gehend Schüler der Unterstufe in den Pavillons untergebracht, weil sie am wenigsten Fachunterricht erhielten, der in den Sonderräumen Am Bahn­hof erteilt wurde, zwar wurde durch die Stundenplangestaltung versucht, die Wechsel an einem Tag so gering wie möglich zu halten, doch blieb die Belastung gerade für die jüngeren Schüler erheblich. Die Lehrer waren auf die Benutzung ihres eigenen Pkws angewiesen, um pünktlich zum jeweiligen Unterrichtsbeginn zur Stelle zu sein. Der Verlust von echten Pausen für die zwischen den beiden Schulgebäuden pendelnden Lehrer und Schüler sowie die dadurch bedingte Vermehrung der Aufsichten für die übrigen Lehrkräfte bedeuteten eine zusätzliche Beanspruchung. Für diese Sonderbelastungen wurde zunächst weder ein zeitlicher, noch ein finanzieller Ausgleich gewährt. Zu alledem kam noch die Sorge bei Lehrer, Eltern- und Schülerschaft, daß dieser Zustand lange anhalten könne und daß man nach Regelung der schlimmsten Raumnot den Beginn des Neubaus immer weiter hinausschieben könne, weil die finanzielle Situa­tion des Landes auch damals bereits schwierig war. Es kam alles darauf an, den Übergangscharakter der gefundenen Raumlösung immer wieder zu betonen und die maßgeblichen Stellen zu veranlassen, den Neubau mög­lichst bald in Angriff zu nehmen.
Schließlich bedeutete auch der steigende Lehrermangel für die Schule eine erhebliche Belastung. Die Zahl der an der Schule beschäftigten Lehrkräfte konnte mit der zunehmenden Schülerzahl in keiner Weise Schritt halten. So wurden zu Beginn des Schuljahres 1968 / 69 insgesamt 158 Wochenstun­den nicht erteilt, davon 68 in den wissenschaftlichen Fächern.
Im Laufe des Jahres 1968 erreichte die in den Schulen größerer Städte schon länger herrschende Unruhe auch die Jürgen-Fuhlendorf-Schule. Diese verspätete Entwicklung lag wohl einmal an der räumlichen Ferne der Kleinstadt Bad Bramstedt von den großen Universitätsstädten, zum ande­ren möglicherweise auch an der in der Schule herrschenden Atmosphäre, in der der Kontakt zwischen Lehrern und Schülern traditionell überwiegend erfreulich eng war. So hatte der Sprecher der abgehenden Abiturienten 1960 die Verhältnisse an der Schule sehr positiv gewertet und u. a. erklärt, daß sich das Verhältnis zwischen Lehrer und Schüler allmählich einer echten Partnerschaft nähere. An die Stelle der Amtsautorität trete mehr und mehr die natürliche Autorität, die in der inneren Reife, der wissens­mäßigen Überlegenheit, in der Geduld und dem Wohlwollen des Älteren ihren Ursprung habe. Auch wenn man berücksichtigt, daß diese Feststel­lungen bei einer Entlassungsfeier getroffen wurden, bei der aus Höflichkeit und Takt vielleicht manches positiver dargestellt worden ist als es wirklich empfunden wurde, so bleibt doch immer noch genügend Erfreuliches über den Geist an der Jürgen-Fuhlendorf-Schule erhalten.
Die Unruhe, die von einem Teil der Schüler ausging, begann mit einer Flugblattaktion gegen die Entscheidung des Schulleiters, eine Teilnahme der Schüler an der Übertragung der Debatte des Bundestages über die Ver­abschiedung der Notstandsgesetze nicht zuzulassen. Als Begründung für diese Entscheidung wurde geltend gemacht, daß andere Gleichaltrige, die nicht mehr die Schule besuchten, ein solches Recht ebenfalls nicht zugebil­ligt bekommen könnten und daß außerdem eine Information auch außer­halb der Unterrichtszeit in ausreichendem Maße möglich sei. (An einer Veranstaltung der SMV zu diesem Thema an einem Nachmittag kurz vor der Flugblattaktion, auf der ein den Jungsozialisten angehörender Jura­student gesprochen hatte, hatten von allen Schülern der Schule nur fünf [!] teilgenommen.) Im Laufe der Zeit formulierten einige Schüler ihre Forde­rungen, wobei sie vieles von dem wiederholten, was an anderen Schulen bereits gefordert worden war und seitdem die öffentliche Diskussion beschäftigte: Teilnahme von Schülern an Schulkonferenzen, Mitwirkung bei der Zensurengebung, den Lehrplänen und der Lehr- und Lernmittelbeschaffung, Aufhebung des Rauchverbots für Schüler, der „Zensur“ der Schülerzeitungen und zum Teil auch eine radikale Änderung der Lern­inhalte. Trotz der teilweise sehr gegensätzlichen Standpunkte zwischen den genannten Schülern und der Lehrerschaft blieben schwere Zwischenfälle und Konflikte eine Ausnahme, Schüler und Lehrer blieben immer ge­sprächsbereit, und manche Vorschläge von Seiten der Schüler waren durch­aus konstruktiv. Die meisten der genannten Forderungen sind heute erfüllt, obwohl man in manchen Fällen über deren Sinn streiten kann. Die Schule hat vielfach aber auch von den neuen Gedanken profitiert. Der Umgangs­ton zwischen den drei am Schulleben beteiligten Gruppen – Lehrer, Eltern, Schüler – ist zweifellos lockerer und offener geworden, und auch das Verhältnis zwischen Lehrkräften und vorgesetzten Behörden hat sich erfreulich verändert. Positiv zu werten ist ganz sicher auch die Locke­rung des Verfahrens bei der mündlichen Abiturprüfung. Einen unerfreulichchen Höhepunkt erreichte die Unruhe unter der Schülerschaft, als einige unbekannt gebliebene Schüler die Ehrentafeln für die Gefallenen von den Wänden rissen.
Der Beginn des Schuljahres 1969/70 stand im Zeichen der Errichtung der Zweigstelle unseres Gymnasiums in Kaltenkirchen, wo zu Beginn des Schuljahres je zwei Sexten und Quinten eingerichtet wurden, die zunächst in einem neuerbauten Flügel der dortigen Volksschule untergebracht wur­den. Die Lehrkräfte für die vier Klassen wurden zum Teil von Pensionären und Lehrkräften gestellt, die in Kaltenkirchen wohnten und zum Teil noch an anderen Schulen unterrichteten. Die Leitung der Zweigstelle Kaltenkirchen übernahm Oberstudienrat Friedrich Schneider, der bisher an der Jürgen-Fuhlendorf-Schule tätig gewesen war. Kurz nach der Errichtung der vier Klassen wurde in Kaltenkirchen auch mit dem ersten Bauabschnitt für ein neues Gymnasium begonnen, das dann in einigen Jahren selbständig und von der Jürgen-Fuhlendorf-Schule in jeder Hinsicht unabhängig sein sollte. Die Errichtung des Gymnasiums in Kaltenkirchen bedeutete einen tiefen Einschnitt in der Geschichte der Jürgen-Fuhlendorf-Schule. Ein gro­ßer Teil der Schülerschaft, die bisher täglich mit der AKN von Quickborn, Harksheide, Henstedt-Ulzburg, Kaltenkirchen und Umgebung nach Bad Bramstedt gekommen waren, würde sich künftig nach Kaltenkirchen orien­tieren. Die Schülerzahl in Bad Bramstedt würde sich drastisch verringern. Tatsächlich trat auch schon zu Beginn des Schuljahres eine Verringerung der Schülerzahl ein (Beginn 1968: 681 Schüler, Anfang 1969: 653 Schüler). Diese Verringerung bedeutete zweifellos eine Entlastung des Bad Bramstedter Gymnasiums, wenn diese auch nur von kurzer Dauer war. Eine erhebliche zusätzliche Belastung für das Kollegium der Jürgen-Fuhlendorf-Schule aber war die Versorgung der neuen Zweigstelle mit Lehrern, die mit den vorhandenen Kaltenkirchener Lehrkräften nicht gewährleistet werden konnte. So mußten Kollegen tage- oder stundenweise nach Kaltenkirchen fahren, um hier Unterricht zu erteilen. Die Jürgen-Fuhlendorf-Schule bestand damit aus drei auseinander liegenden Komplexen: dem Hauptge­bäude in Bad Bramstedt, den Pavillons am Düsternhoop und der neuen Zweigstelle in Kaltenkirchen, die immerhin 14 Kilometer von Bad Bramstedt entfernt lag. So war eine außerordentlich komplizierte Planungsarbeit nötig, um die Lehrerversorgung an den drei Stellen zu gewährleisten und die Belastung für die betroffenen Lehrer so gering wie möglich zu halten. Sie blieb ohnehin groß genug.
Einen Höhepunkt erreichte damals die Raumnot für den naturwissenschaft­lichen Unterricht durch die inzwischen herangewachsenen starken Jahr­gänge, die nun die Oberstufe besuchten. Sie mußten sich noch immer mit zwei naturwissenschaftlichen Unterrichtsräumen im Hauptgebäude begnü­gen. Ebenso war der Sportunterricht nur mit größten Improvisationen mög­lich, da für alle Schüler der Jürgen-Fuhlendorf-Schule nur die Meine Halle gegenüber dem Hauptgebäude am Bahnhof zur Verfügung stand, die der Bramstedter Turnerschaft gehörte. So mußten neben dem Schulhof der Radweg am Bahnhof und der Badesteig, also öffentliche Straßen und Wege, zu Hilfe genommen werden, um den Sportunterricht einigermaßen durch­führen zu können. Erstaunlich ist, daß dabei noch zum Teil beachtliche sportliche Leistungen erzielt wurden. Neben Siegen auf Kreis- und Landes­ebene, die vor allem in verschiedenen Turnieren bei Spielen erreicht wur­den, war der vierte Platz unserer Mädchenmannschaft im Finale des Wettbe­werbs „Jugend trainiert für Olympia“ im September 1969 in Berlin ein besonderer Erfolg, der sogar 1970 wiederholt werden konnte. Hierbei muß allerdings betont werden, daß diese Erfolge zu einem guten Teil der Arbeit der Sportvereine der Stadt Bad Bramstedt mit zu verdanken sind.
Die Lösung aller genannten Schwierigkeiten konnte nur durch den nun schon fast ein Jahrzehnt geplanten Neubau erreicht werden. Die Hoffnung von Eltern, Lehrern und Schülern richtete sich auf dieses Ziel, und man erwartete in dieser Zeit fast täglich das Zeichen zum Baubeginn, der späte­stens im Herbst 1970 liegen sollte.
Daher erfaßte alle Beteiligten große Enttäuschung und Erregung, als zu Beginn des Schuljahres 1970 / 7l bekannt wurde, daß eine weitere Verschie­bung des Baubeginns auf das nächste Frühjahr 1971 hingenommen werden müsse. In dieser Situation schlössen sich Lehrerkollegium, Eltern- und Schülerschaft zusammen, um die unhaltbaren Zustände an der Schule end­lich zu beenden und den Beginn des Neubaus möglichst umgehend herbei­zuführen. Es wurde ein Aktionsausschuß gegründet, dem Vertreter der drei am Schulleben beteiligten Gruppen angehörten. Schriftliche Eingaben, Verhandlungen in Kiel und ein Gespräch mit dem Ministerpräsidenten in Bad Bramstedt, die der Aktionsausschuß führte, brachten dann den gewünschten Erfolg. Am 12. November 1970 traf ein Telegramm des dama­ligen Ministerpräsidenten Dr. Lemke ein, in dem er die sofortige Baufrei­gabe mitteilte und die Fertigstellung für das Frühjahr 1972 in Aussicht stellte. Am 19. November begannen bereits die Erdarbeiten auf dem Ge­lände Düsternhoop, das in der Zwischenzeit in Eigenhilfe als Behelfssport­platz hergerichtet und genutzt worden war. Nach kurzer Winterpause gin­gen die Arbeiten im Frühjahr 1971 zügig weiter.
Bis zur tatsächlichen Fertigstellung des neuen Schulgebäudes mit der Turnhalle wurden zur Erleichterung der Schularbeit eine Reihe von So­fortmaßnahmen wirksam: Gegenüber dem Hauptgebäude Am Bahnhof wurden drei Schulbaracken mit sechs großen Klassenräumen aufgestellt, für die zwischen den Pavillons und dem Hauptgebäude pendelnden Schüler wurde ein Schulbus gemietet, und den zwischen den Gebäudekomplexen pendelnden Lehrern wurden Stundennachlaß oder finanzielle Entschädi­gungen zugebilligt.
So begann sich im Laufe des Jahres 1971 die Situation fühlbar zu entspan­nen. Durch den geschlossenen Einsatz von Eltern, Lehrern und Schülern war nun die größte Krise in der Geschichte der Jürgen-Fuhlendorf-Schule gemeistert. Hier gebührt den damaligen Vorsitzenden des Elternbeirats, Herrn Kurt Schmidt, und seinem Stellvertreter, Herrn Dr. Norbert Dettmer, noch einmal besonderer Dank. Ohne ihren energischen und unermüd­lichen Einsatz hätten die damals so schwierigen Probleme sicher nicht so schnell gelöst werden können. Die Aktivitäten für den Schulneubau waren aber auch ein Zeichen für die harmonische Zusammenarbeit aller am Schulleben Beteiligten.
Das Schuljahr 1971/72 stellt den Übergang zu unserer heutigen Schulsitua­tion im allgemeinen dar:
Zu Beginn des Schuljahres 1971 / 72 wurde – wie in allen Schulen des Landes – auch bei uns die Orientierungsstufe eingeführt. Das bedeutet, daß die Schüler der vierten Klasse der Grundschule zunächst nach dem Willen der Eltern und ohne jede Übergangsprüfung für die folgenden zwei Jahre die Hauptschule, die Realschule oder das Gymnasium besuchen können. Ein Gutachten der Grundschule soll es den Eltern erleichtern, für ihre Kin­der die richtige Entscheidung zu treffen. Während der nun folgenden zwei Jahre soll die Eignung der Schüler für einen der drei Schultypen von den unterrichtenden Lehrern festgestellt werden. Bei Nichteignung für das Gymnasium oder die Realschule können die betroffenen Schüler auch gegen den Willen der Eltern „schrägversetzt“ werden, d. h. sie können bei Nichterreichen des Klassenziels vom Gymnasium auf die Real- oder Haupt­schule, von der Realschule auf die Hauptschule zurückversetzt werden, ohne aber dabei ein Schuljahr zu verlieren. Ebenso können Schüler, deren Eignung für die weiterführenden Schulen sich herausstellt, mit Einver­ständnis der Eltern auf die Realschule oder das Gymnasium wechseln.
Zum gleichen Zeitpunkt wurde die Zweigstelle Kaltenkirchen durch Erlaß vom 28. April 1971 zum Gymnasium i. E. (im Entstehen) erklärt und damit selbständig. Die Leitung behielt Studiendirektor Friedrich Schneider. Am 22. Oktober 1971 fand das Richtfest des Neubaus des Bramstedter Gymnasiums am Düsternhoop statt.
Nach langen, z. T. kontrovers geführten Diskussionen wurde durch Konferenzbeschluß vom 27. Januar 1972 mit knapper Mehrheit die Einführung der Studienstufe an der Jürgen-Fuhlendorf-Schule mit dem Schuljahresbeginn 1972 / 73 beschlossen. Der Schulelternbeirat stimmte der Einfüh­rung der Studienstufe auf seiner Sitzung vom 7. März 1972 nahezu einstimmig zu.
Inzwischen gingen die Bauarbeiten am Neubau weiter, so daß zu Beginn des neuen Schuljahres mit der Aufnahme des Unterrichts in den neuen Ge­bäuden gerechnet werden konnte.
Am 1. August 1972 trat der damalige Stellvertreter des Schulleiters, Studiendirektor Alfred Zylka, der bis dahin für die Schulorganisation ver­antwortlich gewesen war, in den Ruhestand. An seine Stelle trat Studien­direktor Hans Wilhelm Meyer.
Am 1. September schied der Schulleiter selbst aus dem Dienst aus und trat in den Ruhestand, so daß mit dem Beginn des Schuljahres 1972 / 73 auch hier ein Neubeginn bevorstand.
Schließlich vollzog sich seit der Einrichtung des Gymnasiums in Kaltenkirchen in dieser Zeit auch eine einschneidende Veränderung im Einzugs­gebiet der Jürgen-Fuhlendorf-Schule. Während aus dem Gebiet südlich der Stadt nur noch einige Oberstufenschüler das Bad Bramstedter Gymnasium besuchten, die meisten anderen dagegen schon das Gymnasium Kaltenkirchen, entwickelte sich zunehmend der Osten des Kreises Steinburg mit den Orten Kellinghusen und Wrist zum Einzugsgebiet der Schule. Während 1963 nur etwa 6% der Schülerschaft aus Kellinghusen gekommen waren, waren es zu Beginn des Schuljahres 1972/73 etwa 22% (126 Schüler aus Kellinghusen und 18 aus Wrist). Damit wurde es nötig, für die auswärtigen Schüler einen eigenen Bushalteplatz auf dem Schulgelände einzurichten, so daß die Schüler bis unmittelbar an die Schule fahren können.

1972-1983

Mit dem 1. September 1972 begann die dritte Phase der Geschichte der Jürgen-Fuhlendorf-Schule seit 1958. Mit nur wenigen Tagen Verspätung konnte der Neubau am Düsternhoop 48 seiner Bestimmung übergeben wer­den. Unter Mithilfe des gesamten Kollegiums und eines großen Teils der Schülerschaft wurde der Umzug vom alten Schulgebäude Am Bahnhof voll­zogen. Außerdem bewährte sich hier – wie immer – der langjährige Haus­meister, Herr Virkus. Es stand nun ein neues Gebäude bereit, das nahezu allen Anforderungen eines modernen Unterrichts gerecht wurde. Dies galt für die naturwissenschaftlichen Fachräume ebenso wie für die vielen Räume für den künstlerisch-gestaltenden Unterricht. Ein Sprachlabor wurde wenig später eingerichtet. Die Schule verfügt über ein Fotolabor, einen Lichtbildraum für den Geographieunterricht, Farbfernsehgeräte und einen modernen Computer. Auch die Innenausstattung mit Mobiliar, Lehr-und Lernmitteln erfolgte sehr großzügig. Zur Schule gehören außerdem ein eigener Parkplatz und ein überdachter Fahrradstand. Ein Sportplatz und eine eigene moderne Turnhalle ermöglichen eine deutliche Verbesserung des Sportunterrichts.
Mit dem Wechsel des Schulgebäudes waren Wechsel auch im personellen Bereich verbunden. Da nach dem Ausscheiden des bisherigen Schulleiters noch keine Neuwahl erfolgt war und die Ausschreibungen für dieses Amt längere Zeit in Anspruch nahmen, mußten alle Ämter der Schulleitung zunächst vorübergehend neu Verteilt werden, um die neuen, ungewohnten Aufgaben einigermaßen lösen zu können. Denn obgleich der Neubau mit dem Beginn des Schuljahres bezogen worden war, blieben noch zahllose Kleinigkeiten zu tun. An vielen Stellen des neuen Gebäudes mußte noch letzte Hand angelegt werden, und die verschiedenen Handwerker waren noch monatelang im Hause, die Inneneinrichtung war noch längere Zeit nicht vollständig. Durch die langen Liefertermine fehlte es an allen Enden, und es war nötig, immer wieder auf die zugesagten Termine zu drängen. An vielen Stellen mußte improvisiert und zunächst auf z. T. altes Mobiliar zurückgegriffen werden. Wochenlang fehlten die Wandtafeln in allen Klas­sen. Nur im Pavillon, der weiterhin genutzt werden mußte und auch heute noch für die Schule unentbehrlich ist, konnte einigermaßen geregelter Unterricht erteilt werden.
Die kommissarische Schulleitung übernahm Studiendirektor Hans Wil­helm Meyer, der einen Monat zuvor nach der Verabschiedung des bisheri­gen Amtsinhabers das Amt des stellvertretenden Schulleiters übernommen hatte. Mit der Wahrnehmung der Geschäfte des stellvertretenden Schullei­ters wurde Studiendirektor Pönisch, mit der Leitung der gleichzeitig neu eingeführten Studienstufe Oberstudienrat Simonsen betraut, der kurz darauf zum Studiendirektor ernannt wurde. Schließlich hatte auch im Schulsekretariat wenige Wochen zuvor ein Wechsel stattgefunden. Frau Käte Saggau, seit Juli 1945 als Sekretärin an der Schule tätig, war zum 1. April ausgeschieden, und Frau Bebensee mußte sich als neue Kraft in ihr Aufgabenfeld einarbeiten.
Auf Grund aller dieser Schwierigkeiten, deren Ende zunächst nicht abseh­bar war, hatte das Kollegium der Schule im Zusammenwirken mit der Elternschaft schon im späten Frühjahr des Jahres den Studiendirektor Meyer bewogen, sich um das Amt des Schulleiters zu bewerben. Da bekannt war, daß es nicht üblich ist, einen Lehrer an der Schule, an der er bisher unterrichtet hat, als Schulleiter einzusetzen, wurde in Anbetracht der Umstände um eine Ausnahmeregelung ersucht.
Tatsächlich blieb die kommissarische Schulleitung monatelang bestehen. Die Lage an der Schule stabilisierte sich erstaunlich schnell. Die neue Um­gebung, das neue und moderne Inventar und die Großzügigkeit aller Räum­lichkeiten wirkten sich auch im Verhalten der Schülerschaft erfreulich aus. Es zeigte sich hier, daß die Umgebung, in der man arbeitet, auf das Verhal­ten von erheblichem Einfluß ist. Auch die neu eingerichtete Studienstufe arbeitete planmäßig, ohne daß es zu erwähnenswerten Schwierigkeiten gekommen wäre. Jedenfalls bleibt festzustellen, daß kein einziger nennens­werter Disziplinarfall das Kollegium beschäftigte.
Erst am 11. Januar 1973 fand nach zweimaliger Ausschreibung die Wahl eines neuen Schulleiters durch den Schulleiterwahlausschuß statt, der aus je fünf Vertretern der Eltern- und Lehrerschaft sowie aus einem Vertreter des Landesschulamtes bestand, der allein über fünf Stimmen verfügte. Der kommissarische Leiter war nicht auf die Vorschlagliste der Kandidaten für das Amt des Schulleiters gesetzt worden. Der Leiter des Landesschulamtes hatte keine Veranlassung gesehen, von der Regel, eine Lehrkraft einer fremden Schule zum Schulleiteramt vorzuschlagen, abzuweichen. So wurde die Schulleiterwahl durch Aktionen der Schüler in der Schule, eine Demonstration in der Öffentlichkeit und einen eintägigen Unterrichtsboy­kott begleitet. Dabei richtete sich der Schülerprotest nicht gegen die Person des neu gewählten Schulleiters, sondern gegen das Verfahren, einen von Lehrern, Eltern und Schülern favorisierten Kandidaten nicht auf die Vor­schlagsliste für das Amt des Schulleiters zu setzen.
Am 11. Januar 1973 wurde der bisherige Oberstudienrat Dr. Ulrich March aus Kiel zum Schulleiter gewählt, der sein Amt am 20. Februar 1973 antrat.
Die nun folgende Zeit brachte trotz ihres turbulenten  Beginns eine Konso­lidierung des Schullebens. Große Veränderungen blieben aus, wenn auch eine ganze Reihe von Reformen von geringerer Tragweite eingeführt wurde.
Die Orientierungsstufe war nur geringen Veränderungen unterworfen und besteht heute 12 Jahre. Hierbei bewährte sich die angestrebte sehr weitge­hende Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Schultypen allerdings kaum und ist heute nur noch auf wenigen Gebieten vorhanden.
Die Studienstufe ist inzwischen in der gesamten Bundesrepublik die ein­zig verbindliche Form der Oberstufe aller Gymnasien. Sie hat viele Wand­lungen hinnehmen müssen und hat sich zu einem organisatorisch außer­ordentlich komplizierten Gebilde entwickelt. Der Grund für die ständigen Veränderungen in dieser Oberstufenform liegt in den unterschiedlichen Erwartungen, die man in der Öffentlichkeit in Bezug auf das Abitur hat. So gab es besonders zur Zeit der Einführung einflußreiche Kräfte, die den Schülern der Oberstufe schon eine weitgehende Spezialisierung und Wahl­freiheit unter dem Unterrichtsangebot zubilligen wollten. Andere, beson­ders aus dem Bereich der Hochschulen, beklagten von Anfang an die zu weitgehende Spezialisierung und führten darauf den Mangel an Allgemein­bildung bei den angehenden Studenten zurück. Heute haben wir zu einer Form gefunden, die zwischen Pflichtfächern zur Sicherung der Allgemein­bildung und Wahlfächern zur Vertiefung von besonderen Neigungen eine Synthese versucht. Sicher ist hier das letzte Wort noch nicht gesprochen, sowohl was die Organisationsform der Studienstufe als auch die Einrich­tung an sich angeht. Vielfach wird bereits wieder die Rückkehr zum alten Klassenverband auch in der Oberstufe gefordert.
Eine für die Entwicklung und die Arbeit der Schule im ganzen positive Neuerung bedeutete im Februar 1977 die Einrichtung der Jürgen-Fuhlendorf-Schule als Ausbildungsschule für die Studienreferendare des Studien­seminars Neumünster. Sicher brachte die Betreuung der Lehramtsanwärter zusätzliche Belastungen organisatorischer und pädagogischer Art für eine Reihe von Kollegen mit sich, auf der anderen Seite bedeutete der Kontakt mit den jungen Referendaren den Zwang zu ständiger Auseinandersetzung mit modernen pädagogischen Fragen und Problemen. Vier bis sechs Refe­rendare werden seitdem in jedem Semester an der Jürgen-Fuhlendorf-Schule ausgebildet und legen hier auch ihr zweites Staatsexamen ab. Man­cher von ihnen ist nach Ablegung der zweiten Prüfung auf eigenen Wunsch an unserer Schule als vollausgebildete Lehrkraft geblieben.
Schließlich bleibt noch zu erwähnen, daß im Juli 1978 das neue Schulgesetz für das Land Schleswig-Holstein verabschiedet wurde, das auch für die Jürgen-Fuhlendorf-Schule einige Veränderungen mit sich brachte. So kann nach dem § 59 des Gesetzes nicht mehr das Land Schleswig-Holstein Trä­ger der Schule sein, sondern an seine Stelle tritt die Gemeinde, in der die Schule liegt, oder der Kreis. Nach längeren Verhandlungen hat sich die Stadt Bad Bramstedt nicht in der Lage gesehen, neben der Trägerschaft für die anderen Schulen auch die für das Gymnasium zu übernehmen, so daß die Jürgen-Fuhlendorf-Schule seit dem 1. Januar 1982 vom Kreis Segeberg als einziges Gymnasium des Kreises übernommen worden ist. Lediglich die Anstellung und Besoldung der Lehrkräfte sind im Zuständigkeitsbereich des Landes geblieben.
Schließlich wurde durch das Schulgesetz die Schulkonferenz als das höch­ste Beschlußorgan der Schule eingerichtet. Die Schulkonferenz besteht aus allen Lehrern und – bei der Größe unserer Schule – aus 15 Elternvertretern und 15 Schülern. Von den Lehrkräften haben nur diejenigen mit zweitem Staatsexamen Stimmrecht.
Betrachten wir am Schluß noch einmal die Lage der Jürgen-Fuhlendorf-Schule im Jahre 1983 zu ihrem 75jährigen Bestehen: Aus der kleinen priva­ten Schule, die am 1. Mai 1908 ihren Unterricht in zwei gemieteten Räumen mit 39 Schülern aufnahm, ist ein modernes Gymnasium geworden. Der Lei­stungsstand der Schule zeigt ein erfreuliches Niveau. Die Schule wird vom Staat bzw. vom Kreis Segeberg getragen und verfügt seit etwa zehn Jahren über ein neues Gebäude am Nordostrand der Stadt, das in seiner Ausstat­tung nahezu allen Anforderungen gerecht wird. Heute, Stichtag 21. Januar 1983, besuchen 751 Schüler die Schule, wobei die hohe Zahl der Mädchen auffällt, die mit 427 zu 324 Jungen eindeutig die Mehrheit bilden. Die Schü­ler der Unter- und Mittelstufe sind auf 19 Klassen verteilt. In der Oberstufe mit 99 Jungen und 108 Mädchen sind 30 Leistungs- bzw. Schwerpunktkurse und 90 Grundkurse gebildet worden, wobei der Fächerwahl der Schüler bei der Organisation in weitestem Maße Rechnung getragen wird und nur ganz wenige Wünsche unberücksichtigt bleiben müssen. Der Unterricht – auch in der Oberstufe – wird nur am Vormittag erteilt (wenn wir von einigen Sportkursen der Oberstufe absehen), eine Bedingung, die für eine Schule mit so hohem Anteil auswärtiger Schüler die Arbeit sehr erleichtert. An der Schule unterrichten heute insgesamt 57 Lehrkräfte, stundenweise Beschäf­tigte und fünf Studienreferendare eingeschlossen.
Nach dem Verlust des südlichen Einzugsgebietes um Kaltenkirchen, Henstedt-Ulzburg und Quickborn, wo heute eigene Gymnasien bestehen, hat sich das Einzugsgebiet in den Osten des Kreises Steinburg verlagert. Allein aus den Orten Wrist und Kellinghusen stammen heute etwa 28 % unserer Schüler. Die Busverbindungen zu den genannten Orten und den umliegen­den Gemeinden sind ausgebaut worden. Eigene Schulbusse besorgen die Beförderung der Schüler, die unmittelbar vor den Schulgebäuden auf dem Schulgelände abgesetzt werden.
Bis zum Ende des Schuljahres 1981/82 haben an der Schule insgesamt 1085 Schüler das Abitur bestanden, darunter 395 Mädchen, das sind 36,4 %. Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß sich auch unter den Abitu­rienten der Anteil der Mädchen ständig vergrößert hat. Möglicherweise spielen hierbei neben einer veränderten Einstellung der Eltern und Schüler zum Abitur auch die erweiterten Wahlmöglichkeiten eine Rolle, die an unserer Schule seit Einführung der Studienstufe bestehen. Zur Abiturprü­fung in diesem Jahr (1983) werden sich 58 Abiturienten melden, davon 31 Mädchen, das sind 53,5%.
Nach einer Untersuchung der letzten 10 Jahre stammen die Schüler unserer Schule aus allen Schichten der Bevölkerung unseres Einzugsgebietes.
Eine Aufteilung nach Berufsgruppen der Eltern ergibt danach folgendes Bild:
Kinder von:
nichtakadem. Angestellten etwa 21 %
nichtakadem. Selbständigen etwa 17%
nichtakadem. Beamten und Soldaten etwa 15,5 %
Akademikern etwa 21 %
Landwirten etwa 13%
nichtselbst. Handwerkern und Arbeitern etwa 11 %
nicht Berufstätigen bilden die Restgruppe.

So hätten wir heute allen Grund, zufrieden zu sein. Wir haben im Schul­wesen im allgemeinen und an unserer Schule im besonderen Fortschritte erzielt, die wir uns vor wenigen Jahrzehnten nicht hätten träumen lassen. Und doch zeigen die Abiturienten der letzten Zeit zunehmend Resignation und einen Pessimismus, der zu dem Erreichten nur schlecht zu passen scheint. Auch viele von ihnen hat die Furcht vor der Ungewissen Zukunft erfaßt. Ist diese Furcht berechtigt?
Sicher ist es heute keine Selbstverständlichkeit mehr, daß jeder Schul­abgänger einen seiner Bildung, Ausbildung und Neigung entsprechenden Arbeitsplatz findet. Davon sind auch Abiturienten und Studenten betrof­fen. Die Hochschulen sind überfüllt, und auch viele Akademiker mit Staats­examen haben Mühe, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu finden. Den­noch sollten gerade die Abiturienten daran denken, daß sie zu denen gehö­ren, die von den Sorgen um den Arbeitsplatz noch am wenigsten betroffen sind. Denn sie haben auf Grand ihrer Qualifikation die Möglichkeit, in eine Vielzahl von Berufen auszuweichen. Da dies aber oft auf Kosten derer geschieht, die diese Qualifikation nicht besitzen, wird das Gesamtproblem nur verlagert. Dies zu lösen kann aber nicht mehr in das Aufgabengebiet der Schule fallen, sondern es muß von allen Kräften der Gesellschaft mit aller Energie in naher Zukunft gelöst werden.

1983-2000

Aus drei Gründen stellt die Zeit des ausgehenden 20. Jahrhunderts für die Jürgen-Fuhlendorf-Schule eine Phase der Konsolidierung dar:
1.) Die noch von der Kriegs- und Nachkriegszeit herrührenden Mängel (überhöhte Klassenfrequenzen, unzulängliche Lernmittelausstattung, Raummangel) werden endgültig überwunden.
2.) Ein gewachsenes, fachwissenschaftlich kompetentes und weitgehend auch pädagogisch qualifiziertes und motiviertes Kollegium ist entschlossen, seinen spezifischen Erziehungs- und Bildungsauftrag zu erfüllen, und es wird dabei von einer überaus schulfreundlichen Elternschaft unterstützt.
3.) Die teilweise einschneidenden geistig-politischen Wandlungsprozesse, insbesondere der seit Ende der sechziger Jahre einsetzende pädagogische Paradigmenwechsel, zwingen zu ständiger didaktischer Reflexion und damit zu bewussterem Unterrichtsverhalten. Mancherlei Innovationen bereichern das Schulleben und lassen sich zunächst auch noch mit gymnasialen Grundsätzen wie dem Leistungsgedanken oder dem Prinzip der Allgemeinbildung vereinbaren.
Hatte sich bereits die Übernahme der Trägerschaft durch das Land Schleswig-Holstein günstig auf die schulischen Rahmenbedingungen ausgewirkt, so lässt der neue Schulträger (seit 1982), der Kreis Segeberg, von Anfang an keinen Zweifel daran aufkommen, dass er die ihm zugefallene Aufgabe besonders engagiert erfüllen werde. Tatsächlich beschließen Kreistag und Kreisverwaltung in der Folgezeit eine Fülle von Maßnahmen, die zu einer durchgreifenden Verbesserung der schulischen Situation beitragen.
Zunächst wird 1984 ein großer Buswendeplatz mit übersichtlichen und sicheren Haltestellen eingerichtet – für eine Schule mit rund zwei Drittel auswärtiger Schüler eine unabdingbare Notwendigkeit. Der Kreis Segeberg erwirbt sodann ein größeres Areal im Nordosten des Schulgeländes und sichert damit die räumliche Zukunft der Schule, die sich nur in diese Richtung ausdehnen kann. Im Schuljahr 1987/88 fällt dann die Entscheidung für einen groß angelegtenErweiterungsbau, der die provisorischen Pavillons, in denen die unteren Klassen untergebracht sind, überflüssig macht. Außerdem werden in den folgenden Jahren eine Schülerbibliothek, ein Lehrerarbeitsraum, ein Werkraum, zwei Computerräume und ein Raum für die Schülervertretung errichtet; das Lehrerzimmer wird beträchtlich erweitert. In den Sommerferien des Jahres 1990 beginnt schließlich der Bau einer großen, modernen Sporthalle, die im September 1992 eingeweiht wird. Da die alte Halle bestehen bleibt, eröffnen sich damit optimale Möglichkeiten für den Unterricht im Fach Sport – das letzte Fach, das bis zu diesem Zeitpunkt noch unter Raummangel zu leiden hat. Der Vereinssport in Bad Bramstedt und Umgebung erfährt durch den Bau der Sporthalle erheblichen Auftrieb, was ebenfalls der Schule zugute kommt (sinnvolles Freizeitverhalten vieler Schüler, Kooperation und wechselseitige Anregungen zwischen Schul- und Vereinssport).
Im Jahre 2000 schließlich fasst der Kreistag den Beschluss, das Hauptgebäude der Jürgen-Fuhlendorf-Schule zu sanieren, das in der Folgezeit anstelle des maroden Flachdachs eine neue Dachkonstruktion konventionellen Stils erhält. Zugleich werden die Fassaden erneuert und behindertengrechte Einrichtungen geschaffen (u.a. Bau eines Fahrstuhls).
So erfreulich alle diese Maßnahmen auch sind und so sehr sie die schulische Arbeit er­leichtert und begünstigt haben, so sind für das an einer Schule herrschende Klima und für den pädagogischen Erfolg doch letztlich die hier jeweils versammelten Menschen entscheidend, Lehrer und Schüler in gleichem Maße. Das Verhältnis zwischen beiden Gruppen bleibt an der Jürgen-Fuhlendorf-Schule auch gegen Ende des 20. Jahrhunderts weiterhin im wesentlichen problemlos. Einer der Gründe dafür ist sicher die ländlich geprägte Einzugsregion mit ihrer Überschaubarkeit und ihren gewachsenen Strukturen, die das gegenseitige Verständnis begünstigen. Die Errichtung der neuen Gymnasien in Norderstedt, Quickborn, Henstedt-Ulzburg und Kaltenkirchen hat seit den sechziger Jahren den ländlichen Charakter des Einzugsgebiets, das sich nunmehr auf das westliche Mittelholstein beschränkt, weiter verstärkt. Krisenhafte gesellschaftliche Entwicklungen, die sich im letzten Viertel des Jahrhunderts häufen (allgemeiner Autoritätsverfall, Migration, Gewaltbereitschaft, öffentliche Verwahrlosung, Drogenmissbrauch), wirken sich hier natur­gemäß nicht so stark aus wie in den großstädtischen Ballungsgebieten. Die Schülerschaft wird in immer stärkerem Maße an der schulischen Organisation beteiligt: Schüler sitzen in der Schulkonferenz und in sämtlichen Fachkonferenzen und beteiligen sich an der Planung und Durchführung von Projekttagen und Oberstufenfahrten. Gerade bei den immer mehr an Bedeutung gewinnenden außerunterrichtlichen Veranstaltungen entwickelt sich ein vertrauensvolles Verhältnis, das auf gegenseitiger Achtung und Verständnis für die jeweils andere Seite beruht. Vorschläge und Beschlüsse der Schülervertretung werden von den Lehrern vielfach aufgegriffen und diskutiert; die zahlreichen Gespräche zwischen der Schulleitung und dem jeweiligen Schülersprecher verlaufen ausnahmslos in freundlich-verbindlicher Atmosphäre. Kennzeichnend für das Lehrer-Schüler-Verhältnis an der Jürgen-Fuhlendorf-Schule ist auch, dass disziplinarische Probleme nur verhältnismäßig selten, schwere Disziplinarfalle fast gar nicht auftreten. Seit Anfang der neunziger Jahre ist allerdings auch an der Jürgen-Fuhlendorf-Schule bei jüngeren Schülern eine aufkeimende Bereitschaft zur Gewaltanwendung zu beobachten, und trotz des Einsatzes eines unkonventionell, aber erfolgreich arbeitenden Drogenbeauftragten aus dem Kollegium kann der Marihuanakonsum nicht völlig verhindert werden.
Das Verhältnis zwischen Schule und Elternschaft gestaltet sich problemlos, vielfach überaus positiv. Immer wieder heben die Vorsitzenden des Schulelternbeirats (seit 1983 Herr Prox, danach Herr v. Rauch, im letzten Jahrzehnt des Jahrhunderts Herr Finck) die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Kollegium und Schulleitung hervor. Regelmäßig finden, zumeist im Hause des Vorsitzenden, in entspannter Atmosphäre gemeinsame Sitzungen des Vorstandes und mehrerer Vertreter der Schule statt, bei denen mancherlei Schwierigkeiten bereits im Vorfeld ausgeräumt werden können, bevor sie sich zu ernsten Problemen auswachsen. Die Eltern werden in vielfältiger Weise in die Arbeit der Schule mit einbezogen, vor allem im Zusammenhang mit den Projekttagen und dem Schüleraustausch. Die enge Verbindung zu den verschiedenen Partnerschulen wäre überhaupt nicht möglich gewesen, wenn nicht immer wieder zahlreiche engagierte Eltern Quartiere für die Gäste bereitgestellt hätten. Segensreich für die Schule ist auch die Arbeit des Fördervereins, der nacheinander von den Herren Dr. Leupelt, Christiansen, Polster und Jessen geleitet wird. Der Verein, dem einige hundert Eltern und Ehemalige angehören, stellt in jedem Schuljahr rund
15000 DM bereit und ermöglicht damit in einer Zeit knapper öffentlicher Kassen pädagogisch sinnvolle Maßnahmen, an die ohne dieses Geld nicht zu denken gewesen wäre, zum Beispiel im Zusammenhang mit einer Studienreise nach Italien einen Abstecher nach Capri, eine ganze Reihe von Schülerpublikationen und regelmäßig den Ankauf von Büchern, die den Abiturienten als Abschiedsgeschenk der Schule übergeben werden. Problematisch bleibt bis weit in die achtziger Jahre hinein die Unterrichtsversorgung. Die Schülerzahlen steigen unentwegt und erreichen im Jahre 1980 einen Höchststand von 800, die erst zu Beginn des 21. Jahrhunderts übertroffen wird. Der Lehrermangel ist angesichts der vielen Klassen und Kurse beträchtlich, insbesondere in den Fächern Religion, Physik, Kunst und Musik, wobei für letzteres Fach wie schon in den Jahrzehnten davor lediglich ein einziger Fachlehrer zur Verfügung steht. Seit Mitte der achtziger Jahre beginnt sich jedoch die Lage zu entspannen, da u.a. als Folge des „Pillenknicks“ die Schülerzahl allmählich sinkt (Ende des Schuljahrs 1984/85 nur noch 700 Schüler). Zugleich gelingt es, eine ganze Reihe von leistungsfähigen jungen Kollegen für den Dienst an der Jürgen-Fuhlendorf-Schule zu gewinnen, darunter auch eine ausreichende Anzahl von Fachlehrern für die bisherigen Mangelfächer. In den neunziger Jahren kann dann endlich der volle Unterricht erteilt werden. Zugleich verringern sich die Klassen- und Kursfrequenzen, so dass wirkungsvollerer Unterricht erteilt werden kann. Darüber hinaus ermöglichen diese Entwicklung und das Engagement gerade auch der jüngeren Kollegen es, den regulären Unterricht durch neue Unterrichtsformen zu ergänzen und bisher nicht behandelte Inhalte zu vermitteln, die das Schulleben bereichern und den gymnasialen Bildungsgedanken auf neue Weise zur Geltung bringen. Zwar treten auch in Bad Bramstedt allmählich manche Merkmale des traditionellen Gymnasiums zurück, umfassende Faktenkenntnis etwa, klassische Literatur im Fach Deutsch und in den Fremdsprachen, insbesondere auch die historische Verankerung geisteswissenschaftlicher Themen. Am Ziel einer möglichst umfassenden Allgemeinbildung für jeden Schüler hält das Kollegium jedoch zunächst fest; auch bleibt das Bramstedter Gymnasium eine leistungsorientierte Schule.
Zu den wichtigsten pädagogischen Innovationen gehört die Ergänzung des Unterrichts im Klassen- und Kursverband durch zusätzliche schulische Veranstaltungen. So tritt neben den systematisch und langfristig angelegten Unterricht der „Projekt‘-Unterricht, der entweder an bestimmten Tagen des Schuljahrs für alle Schüler oder im Rahmen klassenübergreifender Sonderveranstaltungen für speziell interessierte Schüler stattfindet. Dabei kommt es immer wieder auch zu fächerübergreifenden Aktivitäten. So finden zum Beispiel wiederholt auf Schloss Salzau „Musische Tage“ statt, an denen bestimmte Themen mit künstlerischen, musikalischen und tänzerischen Mitteln erarbeitet werden.
An den Projekttagen, die einmal im Schuljahr stattfinden, wird der Unterricht nicht in Klassenverbänden und Kursen, sondern in Projektgruppen erteilt, und zwar in aufgelockerter Form und unter weitgehender Mitwirkung der Schüler. Bereits bei der Planung werden Eltern und Schüler mit einbezogen, einzelne Projekte auch von Eltern geleitet. In inhaltlicher Hinsicht dürfen die behandelten Gegenstände naturgemäß nicht zu komplex sein, doch sind im übrigen der Phantasie und der Kreativität kaum Grenzen gesetzt. So werden, um ein beliebiges Beispiel herauszugreifen, an den Projekttagen des Schuljahrs 1993/94 u.a. folgende Projekte angeboten: „Chaos“ in der Mathematik, Heimische Wildtiere, Bronzezeit, Friedrich der Große, Deutsch-französischer Grenzraum. Emil Nolde, Standardtänze. Der Unterricht wird auf diese Weise um die Dimension des Praktischen, Anschaulichen, Erlebnishaften ergänzt. So nehmen die Schüler im Rahmen des Projekts „Heimische Wildtiere“ an einer Revierführung teil, lernen Spuren und Fährten lesen und erleben eine Rothirschbrunft – alles Dinge, die im Rahmen des regulären Biologieunterrichts kaum oder gar nicht möglich sind. Die günstigere Relation zwischen Schüler- und Lehrerzahl gestattet nunmehr auch die deutliche Vermehrung von Arbeitsgemeinschaften. Wie bisher erlernen praktisch alle Schüler zumindest zwei Jahre lang die dritte Fremdsprache, und zwar freiwillig, so dass die entsprechenden Unterrichtsveranstaltungen den Charakter von Arbeitsgemeinschaften haben. Ende der achtziger Jahre werden dann auch Arbeitsgemeinschaften in Italienisch, Russisch und Spanisch, zeitweise auch in Altgriechisch angeboten, so dass interessierte sprachbegabte Schüler auch diese Sprachen erlernen können. Insgesamt beträgt die Zahl der innerhalb eines Schuljahrs stattfindenden Arbeitsgemeinschaften etwa zwanzig, wobei die Fächer Chemie, Kunst, Sport, Geschichte und vor allem Musik stehen im Vordergrund; zwei junge Musiklehrer führen nicht nur die seit jeher bestehenden Chöre fort, sondern bauen zusätzlich zwei Orchester und eine Big Band auf. Die Chöre und Orchester treten nicht nur in Bad Bramstedt auf, wo alljährlich das Weihnachtskonzert und eine weitere größere Konzertveranstaltung stattfinden, sondern auch in anderen Orten des Einzugsgebiets, darüber hinaus bei Konzertreisen ins In- und Ausland.
Große Bedeutung für die Außenwirkung der Schule hat auch die Theater-Arbeitsgemeinschaft, die in den neunziger Jahren die Tradition der legendären Musiktheater-Aufführungen des Musikerziehers Winfried Hahn („Hänsel und Gretel“, „Zauberflöte“, „Freischütz“) fortsetzt und mit überzeugenden Inszenierungen klassischer und moderner Stücke Beifall und Anerkennung findet. Höhepunkte ihrer Wirksamkeit stellen u.a. die Aufführungen von Oscar Wildes „Bunbury“ und Shakespeares „Sommernachts-traum“ in den Jahren 1999 und 2000 dar, die nahezu professionell dargeboten werden.
Als Beispiel für wissenschaftsbezogene Arbeitsgemeinschaften sei eine Geschichts-AG genannt, die von 1991 bis 1996 besteht und während dieser Zeit die erste wissenschaftlich fundierte Kellinghusener Stadtgeschichte erarbeitet, wobei jeder Schüler Archivalien, gedruckte Quellen und Sekundärliteratur für eine bestimmte Epoche erforscht („Geschichte Kellinghusens“, Kellinghusen 1997). Die Sitzungen der Arbeitsgemeinschaft finden zum großen Teil im Kellinghusener Rathaus statt; vielfältige Kontakte mit Fachleuten und sonstigen Interessierten vor und nach dem Erscheinen des Buches festigen die Verbindung der Schule mit ihrem westlichen Einzugsbereich. ‚ Der Öffentlichkeitswirkung der Schule, zugleich aber auch dem Prinzip der wissenschaftlichen Propädeutik dient auch eine periodische Publikation, die „Schriftenreihe der Jürgen-Fuhlendorf-Schule“. In fünfzehn Heften, die zwischen 1975 und 2000 erscheinen, werden neben einigen Lehrerarbeiten vor allem besonders gelungene Schülerstudien veröffentlicht, die aus Referaten und Facharbeiten hervorgegangen sind oder auch extra für die Veröffentlichung in der Schriftenreihe angefertigt werden. Voraussetzung für den Druck ist die Erforschung bisher unbekannter Gegenstände insbesondere der Regional- und Lokalgeschichte des Einzugsgebiets. Auch hier wird von Anfang an die Elternschaft beteiligt: Mitbegründer und Mitherausgeber ist der seinerzeitige Vorsitzende des Schulelternbeirat, Herr Professor Dr. Benthe.
Neben solchen Einzelstudien, neben den Arbeitsgemeinschaften und Projekttagen gewinnen während des Berichtszeitraums weitere außerunterrichtliche Veranstaltungen zunehmend an Bedeutung. Aus den traditionellen Wandertagen und Klassenfahrten, die in der Unter- und Mittelstufe weiterhin durchgeführt werden, entwickeln sich ein- und mehrtägige Exkursionen mit fachspezifischer Zielsetzung und kursübergreifende Studienreisen der Oberstufe: auch der internationale Schüleraustausch wird ständig weiter ausgebaut. Die Exkursionen haben mitunter Projektcharakter, gehen aber im allgemeinen aus dem regulären Unterricht hervor. So stellt der Besuch des Kernkraftwerks Brokdorf, eines Wattenbiotops, einer englischsprachigen Shakespeareaufführung oder der Hamburger Kunsthalle häufig den Abschluss einer entsprechenden Unterrichtseinheit in den Fächern Physik, Biologie, Englisch und Kunst dar.
Neu ist die Studienreise der Oberstufe. Nachdem die Schulkonferenz zunächst noch darüber gestritten hat, ob Oberstufenfahrten nach Auflösung der Klassenverbände überhaupt noch sinnvoll seien, entwickelt sich an der Jürgen-Fuhlendorf-Schule folgendes System: Eine unbegrenzte Anzahl von Lehrern, zumeist Leiter von Leistungskursen, stellen um die Mitte des vorletzten Schuljahrs den Schülern ihr Reisekonzept dar. Die Schüler entscheiden mehrheitlich darüber, welche der angebotenen Fahrten stattfinden – zumeist sind es drei. Zu Beginn des letzten Schuljahrs werden die gewählten Reisen dann gleichzeitig durchgeführt. Es bleibt damit genügend Zeit, sie auf kursübergreifenden Veranstaltungen inhaltlich und organisatorisch vorzubereiten und im regulären Unterricht gewisse Akzente zu setzen. Reiseziele sind in der Regel die großen europäischen Kulturmetropolen, darunter immer wieder Wien und Paris, Rom und London, daneben aber auch ganze Regionen im europäischen Ausland, etwa Schottland, das Elsass oder Südtirol/Venedig. Dabei ergibt sich naturgemäß, dass Schüler, die besonders an den neuen Fremdsprachen interessiert sind, nach Frankreich oder Großbritannien fahren, während historisch-künstlerisch Interessierte südliche Ziele bevorzugen. Insofern stellen vielfach die Leistungskurse Französisch, Englisch und Geschichte die jeweilige Kerngruppe der Fahrten nach Paris, London und Rom dar, was die pädagogische Arbeit vor Ort sehr erleichtert, da der Fahrtleiter einen großen Teil seiner Gruppe gut kennt. Die Nachbereitung findet in ganz unterschiedlicher Weise statt: Mitunter werden lediglich bei einem geselligen Beisammensein Fotos ausgetauscht, aber es kommt auch vor, dass sich Abituraufgaben auf die besuchte Region beziehen, was freilich voraussetzt, dass alle Angehörigen eines Leistungskurses an der Fahrt teilgenommen haben. Schüleraustausch und Schulpartnerschaften mit dem Ausland hat es auch früher schon gegeben, doch gewinnt beides im Zeitalter dichter werdender internationaler Verflechtungen und zunehmenden Wohlstands in der Elternschaft zunehmende Bedeutung. Regelmäßig verbringt eine ganze Reihe von JFS-Schülern ein Schuljahr im Ausland, zumeist in den Vereinigten Staaten, während gleichzeitig bis zu einem halben Dutzend junger Ausländer, überwiegend Amerikaner, während eines Schuljahrs am Unterricht der Jürgen-Fuhlendorf-Schule teilnimmt. Aus diesen Aufenthalten ergeben sich die vielfältigsten internationalen Verbindungen, bis hin zur Eheschließung eines US-Amerikaners und einer Bramstedterin. Mitte der achtziger Jahre wird eine Schulpartnerschaft zwischen der Jürgen-Fuhlendorf-Schule und dem College St. Dominique in Mortefontaine, etwas später eine weitere mit dem College Anne Marie Javouhey in Senlis begründet. Zahlreiche junge Franzosen haben im Rahmen dieser Partnerschaften Schleswig-Holstein kennengelernt, die Bramstedter Austauschschüler nicht nur die französische Provinz, da sowohl Mortefontaine als auch Senlis in der Nähe von Paris liegen. Während Verbindungen mit Schülern des englischsprachigen Raumes immer nur sporadisch zustande kommen, entwickelt sich seit Ende der achtziger Jahre allmählich eine dauerhafte Partnerschaft zwischen der Jürgen-Fuhlendorf-Schule und dem Wirtschaftsgymnasium Mjölby in Mittelschweden. Auch hier steht der Schüleraustausch im Vordergrund. Die jungen Schweden interessieren sich vor allem für deutsche Wirtschaftsunternehmen, legen jedoch den Zeitpunkt ihrer Besuche so, dass schwedische Schülerinnen am St.-Lucia-Tag im traditionellen Kerzenschmuck in Bad Bramstedt auftreten können. Die Besucherzahlen aus Mjölby sprengen zeitweilig alle Dimensionen. So halten sich im Dezember 1997 nicht weniger als 90 schwedische Schüler im Zusammenhang mit einer Konzertreise in Schleswig-Holstein auf. Damit ist die Gästekapazität Bad Bramstedt erschöpft, so dass ein Lübecker Gymnasium um Hilfe gebeten werden muss. . : Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus kommt auch eine Verbindung mit einem polnischen Gymnasium zustande, die auf einer Städtepartnerschaft zwischen Bad Bramstedt und dem hinterpommerschen Dramburg aufbaut. Den Höhepunkt erlebt diese Partnerschaft, als sich geschichtsinteressierte junge Polen mit deutschen Altersgenossen zu einer etwa zwei Jahre lang bestehenden Arbeitsgemeinschaft zusammenschließen, an der auch Schüler des Bramstedter Partnergymnasiums in Greifswald beteiligt sind. Die Gruppe, zu der rund ein halbes Dutzend Schüler von jedem der drei Gymnasien gehören, wollen gemeinsam das Kriegsende und die unmittelbare Nachkriegszeit an der südlichen Ostseeküste, also in Schleswig-Holstein, Mecklenburg und Pommern, erforschen. Zur Vorbereitung einer entsprechenden Publikation halten sich die Schüler jeweils für einige Tage in Dramburg, Greifswald und Bad Bramstedt auf, von wo aus nicht nur Sehenswürdigkeiten der jeweiligen Region, sondern vor allem auch solche Orte und Gebäude besucht werden, die bei den Ereignissen des Jahres 1945 eine Rolle gespielt haben. Im Frühjahr 2000 erscheint dann die Schrift gleichzeitig in Bad Bramstedt und in Dramburg in einer deutsch- und einer polnischsprachigen Fassung („Kriegsende und Neubeginn an der Ostsee. Holsteinische, vorpommersche und polnische Schülerstudien zum Jahr 1945“). Diese Schrift bringt der Arbeitsgruppe übrigens eine Auszeichnung auf Bundesebene einj nämlich einen Preis der „Deutschen Kinder- und Jugendstiftung“: Zur Entgegennahme der Auszeichnung werden alle deutschen und polnischen Schüler vom Bundespräsidenten auf Schloss Bellevue in Berlin empfangen.
Die weitaus engste Partnerschaft entwickelt sich in den neunziger Jahren zwischen der Jürgen-Fuhlendorf-Schule und einem der drei Greifswalder Gymnasien, der Alexander-von-Humboldt-Schule. Diese Partnerschaft erwächst unmittelbar aus den Ereignissen der Jahre 1989/90 und der Wiedervereinigung Deutschlands. Die Jürgen-Fuhlendorf-Schule ist von den Vorgängen von Anfang an betroffen, da gleich nach der Öffnung der Mauer etwa ein Dutzend Schüler aus der DDR aufgenommen werden, deren schulische Integration sich aufgrund der völlig unterschiedlichen Bildungsvoraussetzungen recht schwierig gestaltet. Wie viele andere westdeutsche Schulen fühlt sich auch die Jürgen-Fuhlendorf-Schule damals von den politischen Vorgängen herausgefordert; Lehrer und Schüler, auch sehr viele Eltern haben das Gefühl, den Ereignissen nicht einfach zusehen zu dürfen. Als die Schule den Tag der Wiedervereinigung festlich begeht, sind bereits die ersten Kontakte zu mecklenburgischen und vorpommerschen Schulen geknüpft Im Laufe des Winters 1990/91 verdichten sich dann die Beziehungen zu einer Greifswalder Polytechnischen Oberschule, die im Sommer darauf in ein Gymnasium umgewandelt werden soll. Das Kieler Kultusministerium ist damit einverstanden, dass die Leiterin dieser Schule, Frau Dr. Scherpelz, die sich im Frühjahr 1991 mit einer vierzigköpfigen Gruppe künftiger mecklenburgisch-vorpommerscher Gymnasialdirektoren eine Woche lang in Schleswig-Holstein aufhält, während dieser Zeit der Jürgen-Fuhlendorf-Schule zugewiesen wird, so dass die Verbindung weiter gefestigt werden kann. Im Frühsommer beschließt dann die Schulkonferenz einstimmig die Partnerschaft. In Greifswald werden die Umwandlung in ein Gymnasium und der Abschluss der Partnerschaft mit einer feierlichen Abendveranstaltung begangen. Zugleich gibt die Big Band der Jürgen-Fuhlendorf-Schule ein öffentliches Konzert im Freilichttheater des Klosters Eldena, das nachhaltigen Eindruck hinterlässt. Zweck der Veranstaltung ist es auch, die Greifswalder Öffentlichkeit auf die nunmehrige Alexander-von-Humbold-Schule und auf die neue Schulart aufmerksam zu machen. Am folgenden Vormittag übergibt dann in Anwesenheit aller Schüler und Lehrer eine Bramstedter Eltern- und Lehrerdelegation auf dem Schulhof zahlreiche bunt verpackte Kartons mit neuen Büchern im Wert von 2500 DM – eine Spende von Eltern und Buchhändlern aus Bad Bramstedt. Diese Bücher, die später wiederholt ergänzt werden, bilden den Grundstock der Schulbibliothek und stellen damit für das neue Gymnasium eine wichtige Hilfe dar.
In der Folgezeit entwickelt sich ein überaus reger Austausch von Schülern, Eltern und Lehrern, der bis um die Jahrhundertwende anhält und beide Seiten in vielfacher Weise bereichert. Der Lehreraustausch vollzieht sich zunächst vorzugsweise in der Form, dass einige Bramstedter Lehrer für ein bis zwei Wochen an der Alexander-von-Humboldt-Schule unterrichten, während Greifswalder Lehrer mit der gleichen Fächerkombination deren Unterricht in Bad Bramstedt übernehmen. Auf diese Weise fällt kein Unterricht aus, und beide Seiten können in fachlicher und pädagogischer Hinsicht voneinander lernen, zumal die beiden Schulen Fachkonferenzen und sonstige dienstliche Veranstaltungen so terminieren, dass sie in die Zeit der Anwesenheit der Gäste fallen.
Dass sich die Partnerschaft so fruchtbar entwickeln kann, ist vor allem auch der Elternschaft beider Schulen zu verdanken, die immer wieder Quartiere für Eltern, Lehrer und Schüler organisiert und sich in ihrer Gastfreundschaft wechselseitig zu überbieten sucht. So stellt der Schulelternbeiratsvorsitzende der Jürgen-Fuhlendorf-Schule immer wieder sein Haus für Logiergäste, Treffen mit Besuchern, Besprechungen und Festlichkeiten zur Verfügung. Im August/September 1996 findet eine gemeinsame Oberstufenfahrt nach Rom statt, an der zu etwa gleichen Teilen Schüler der beiden Abschlussjahrgänge teilnehmen. Die Fahrt bedeutet eine der letzten Aufbauhilfen aus Bad Bramstedt, denn in den folgenden Jahren wird immer deutlicher, dass die Alexander-von-Humboldt-Gymnasium, die sich mittlerweile zu einem der leistungs­fähigsten Gymnasien Mecklenburg-Vorpommerns entwickelt hat, das gesamte schulische Leben aus eigener Kraft gestalten kann. Damit gibt es für die Jürgen-Fuhlendorf-Schule keine innere Notwendigkeit mehr für ein Partnerschaftsverhältnis zu einer Schule im Inland.
Weitere Einzelheiten zur Entwicklung der Partnerschaft zwischen beiden Schulen sind dem Heft 14 der „Schriftenreihe der Jürgen-Fuhlendorf-Schule zu entnehmen, das von fünf Bramstedter und Greifswalder Schülern verfasst worden ist („Ein Beitrag zur deutschen Einheit. Die Partnerschaft zwischen dem Alexander-von-Humboldt-Gymnasium Greifswald und der Jürgen-Fuhlendorf-Schule Bad Bramstedt“, Bad Bramstedt 1997). Mit dem Regierungswechsel von 1988 erfasst der bildungspolitische „Paradigmenwechsel“ auch Schleswig-Holstein in stärkerem Maße als zuvor. Wenn es auch eine ganze Reihe von Jahren dauert, bis Erlasse, Lehrpläne und Prüfungsordnungen den neuen Vorstellungen entsprechen, so ist doch von vornherein klar, dass es um die Substanz des Gymnasiums bisheriger Prägung geht. Schlagwortartig lässt sich die neue bildungspolitische Zielsetzung wie folgt kennzeichnen:
Schule hat vornehmlich eine gesellschaftspolitische Funktion: die Herstellung von Chancengleichheit für die nachwachsende Generation. Das gegliederte Schulsystem soll deshalb durch vereinheitlichende Schulformen wie die Gesamtschule oder Gemeinschaftsschule ersetzt werden.
An die Stelle umfassender Persönlichkeitsbildung tritt die Ausbildung anwendungsbezogener Fertigkeiten, an die Stelle fachimmanenter Inhalte treten weitgehend methodisch verstandene „Kompetenzen“.
Der Schüler spielt eine selbständige Rolle beim Lernprozess; der Lehrer wandelt sich vom „Unterweisenden“ zum „Moderator“.
Die neuen Lehrpläne weisen – eine schleswig-holsteinische Spezialität – für alle Fächer fünf „Kernprobleme“ aus, an denen sich der Unterricht zu orientieren hat. Damit wandelt sich das Verständnis von fächerübergreifendem Unterricht grundlegend.
Ob beziehungsweise in welchem Umfang sich diese Vorstellungen längerfristig durchsetzen lassen, ist um die Jahrtausendwende noch offen. Zweifellos stehen aber die Gymnasien Humboldtscher Prägung – und damit auch die Jürgen-Fuhlendorf-Schule noch vor ihrem Jahrhundertjubiläum – vor völlig neuen, krisenhaften Herausforderungen – nicht, was das Lehrer-Schüler-Eltern-Verhältnis oder die materielle Ausstattung angeht, wohl aber hinsichtlich ihres pädagogischen und unterrichtlichen Profils und ihres Verständnisses von Bildung und Erziehung.

2000-2008

Die Ausführungen folgen nicht der Chronologie der Abläufe, sondern setzen für diesen Zeitraum deutliche Schwerpunkte, stellen die Veränderungen dar und geben einen Ausblick auf Kommendes.

Zeit der Veränderungen

Kann die Zeit des ausgehenden 20. Jahrhunderts von Herrn Dr. Ulrich March als Phase der Konsolidierung gekennzeichnet werden, so ist der Beginn des 21.  Jahrhunderts von weitreichenden Veränderungen geprägt, die jede einzelne Schule und das Schulsystem insgesamt grundlegend umgestalten werden.

Ansteigende Schülerzahlen und Wechsel im Leitungs- und Lehrerkollegium

Zu diesen Veränderungen gehören das Anwachsen der Schülerzahlen, die entsprechende Vergrößerung des Kollegiums und die fast vollständig neue Zusammensetzung der erweiterten Schulleitung.

Die Anzahl der Schülerinnen und Schüler, die die Jürgen-Fuhlendorf-Schule  besuchen, steigt in dem Zeitraum 2000 bis 2008 von 700 auf 1000 an. Das Kollegium erweitert  sich auf über 60 Lehrkräfte, wobei sich  zahlreiche Veränderungen im Kollegium durch Pensionierungen, Versetzungen und die Neueinstellung von Kolleginnen und Kollegen ergeben. Auch gibt es eine starke Tendenz zur Teilzeitbeschäftigung, sei es aus persönlichen, familiären Gründen oder um die rapide gestiegene Belastung  zu reduzieren.

Nach der Pensionierung von Herrn Dr. Ulrich March wird die Schulleiterstelle ausgeschrieben und  Herr Uwe Czerwonka als neuer Schulleiter gewählt.

Nachdem Herr Otto, Herr Sievert und  Herr Hüseler in Pension gegangen sind, werden die Stelle des stellvertretenden Schulleiters mit Herrn Langkabel, die Oberstufenleitung mit Herrn Rozanski und die Mittelstufenleitung mit Frau Berner besetzt. Die Funktionsstelle des Koordinators für schulfachliche Aufgaben wird vom Ministerium aufgrund der gestiegenen Schülerzahl ausgeschrieben und  Herrn Dannmeier übertragen.

Bauliche Veränderungen – Zusammenarbeit mit dem Schulträger

Die gestiegenen Schülerzahlen machen bauliche Veränderungen notwendig.  Der Bedarf an Klassenräumen wird zunächst  durch die Aufstellung von bis zu vier Container-Klassenräumen gedeckt. Ab Herbst 2005 wird jedoch mit dem Anbau von vier Klassenräumen und einem zusätzlichen Computerraum begonnen. Der Bau wird bei laufendem Schulbetrieb bis zum Beginn des Schuljahres 2005/2006 fertig gestellt, und so kann die Zahl der Container-Klassenräume von vier auf zwei reduziert werden.

Der Schulträger sorgt durch die Neuausstattung des Lehrerzimmers, die Neugestaltung der Lehrerbibliothek und des ehemaligen Raucherzimmers sowie die Anpassung der Chemie-Fachräume an die neuesten Sicherheitsstandards für eine weitere Verbesserung der räumlichen Gegebenheiten. Ferner sind die Deckenstatik der Fachräume und des Verwaltungstraktes überprüft und die  notwendigen  Sanierungsmaßnahmen ohne  Störungen des Schulbetriebes in vorbildlicher Weise durchgeführt worden. Das für die Baumaßnahmen zuständige Facility-Management und die Schule kooperieren dabei in sehr enger Absprache.

Die Erweiterung des Schulgebäudes durch den Neubau bewirkt eine wesentliche, jedoch nur vorübergehende Verbesserung der Raumsituation.

Die Schule war ursprünglich auf Dreizügigkeit ausgelegt, muss aufgrund der Schülerzahlen zurzeit in einigen Klassenstufen eine Fünf- bis Sechszügigkeit verkraften und muss sich – wenn die Prognosen zutreffen – in Zukunft konstant auf eine Vierzügigkeit einstellen.

Im Jahr 2008 ist festzustellen, dass weiterhin zwei Klassenräume in Containern vorgehalten werden müssen. Auch besteht bei der jetzigen Schülerzahl und in Folge der im kommenden Schuljahr beginnenden Reform der Oberstufe ein Bedarf an größeren Klassenräumen, und die Fachräume (Kunst, Musik, Naturwissenschaften) müssen schnellstens dem Bedarf angepasst werden. Um die Aufrechterhaltung eines ordnungsgemäßen Schulbetriebs zu gewährleisten und den pädagogischen Anforderungen zu entsprechen, wird – im Abgleich mit dem Musterraumprogramm – der Zusatzbedarf ermittelt und einvernehmlich festgelegt. Ein fachräumlicher Bedarf (Ausbau und Neubau) in den naturwissenschaftlichen Bereichen Chemie, Physik und Biologie sowie für Kunst und Musik wird in intensiven Gesprächen, an denen das Facility-Management, die Schulleitung und die Fachschaftsvertreter beteiligt sind, festgestellt.

Die bei Schulbegehungen festgehaltenen Wünsche und Anregungen im Bereich der Bauunterhaltung werden im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten umgesetzt bzw. in Planung gegeben. Die kontinuierlich steigenden Schülerzahlen und veränderte fachwissenschaftliche und pädagogische Anforderungen erfordern jedoch immer wieder bauliche Maßnahmen und Umgestaltungen.

Mit großem Engagement setzen sich alle an Schule Beteiligten und zahlreiche Sponsoren für die Einrichtung einer Cafeteria ein, denn aufgrund der längeren Aufenthaltszeiten der Schülerinnen und Schüler in der Schule ist eine Versorgungsmöglichkeit dringend notwendig.

Das Schulprogramm als Rahmen der schulischen Entwicklung

Seit der Jahrtausendwende wendet sich die öffentliche und politische Aufmerksamkeit verstärkt bildungspolitischen Fragen zu. So wird die nationale und internationale Diskussion seitdem sehr stark von PISA und den Folgen bestimmt. Auf Landesebene sorgt im Jahre 2000 zunächst der Auftrag der Landesregierung, dass jede Schule ein eigenes Schulprogramm entwickeln soll, für Diskussionsstoff. Mit der Schulprogrammarbeit als erstem Schritt soll einerseits jede Schule die Möglichkeit erhalten, eigene Stärken und Schwächen zu erkennen und zu benennen und klare Schwerpunkte zu setzen. Auch soll die Autonomie der Schulen gestärkt werden. Andererseits wird aber auch deutlich gemacht, dass sich Schulen verstärkt einer Kontrolle ihrer Ergebnisse unterziehen müssen.

Schulprogrammarbeit soll dabei im Dreischritt von Zielsetzung, Umsetzung und Evaluation zu einer zentralen Steuerungs- und Entwicklungsinstanz der Schule werden.

Und so entwickeln Eltern, Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte unserer Schule zu Beginn des neuen Jahrhunderts in einer großen Kraftanstrengung ein Schulprogramm, das im Jahre 2002 von der Schulkonferenz, in der Lehrkräfte, Eltern und Schülerinnen und Schüler vertreten sind, verabschiedet wird und eine Grundlage für die schulische Weiterentwicklung darstellt.

Alle Beteiligten sind dabei zu der Erkenntnis gekommen, dass die Probleme von Schule und Gesellschaft im pädagogischen Bereich nicht durch einen wie auch immer gearteten großen Wurf gelöst werden können, sondern nur in einem Prozess der kleinen, konkreten Schritte, der von Eltern, Schülerinnen und Schülern und Lehrkräften gemeinsam getragen wird.

Das Schulleben verändert sich in den folgenden Jahren nach 2002 weiter, neue Ziele und Aufgaben werden deutlich.  Das Schulprogramm muss aktualisiert und in Orientierung an den aktuellen Anforderungen neu ausgerichtet werden.

Im Jahr 2008 erarbeitet ein Gremium, das aus  Vertretern der Eltern- sowie der Schülerschaft und des Kollegiums besteht, eine Vorlage für das neue Schulprogramm.

Bei der Fortschreibung des Schulprogramms wird trotz kontroverser Diskussionen immer wieder deutlich, dass Eltern, Schülerinnen und Schüler sowie das Kollegium letztlich den weiteren Weg der Schule gemeinsam gestalten wollen und eigene Empfindlichkeiten zurückstellen und Kompromisse suchen und finden. Erstmals werden dem neuen, fortgeschriebenen Schulprogramm Leitsätze vorangestellt, die das pädagogische Fundament der Jürgen-Fuhlendorf-Schule prägnant ausdrücken. So heißt es dort:

Unsere schulische Gemeinschaft ist von den folgenden gemeinsamen Werten und Zielen geprägt:

  • Jeder ist für die Gemeinschaft wichtig, und jeder übernimmt nach seinen Kräften Aufgaben für die Gemeinschaft.
  • Wir unterstützen unsere (Mit-)Schülerinnen und (Mit-)Schüler in ihrer Entwicklung zu selbstständigen, selbstbewussten und verantwortungsbewusst handelnden Menschen, die nicht nur sich selbst, sondern auch den Mitmenschen und die Gemeinschaft wahrnehmen und achten.
  • Individuelles und gemeinsames Lernen sehen wir als Chance, durch Anstrengung, Verbindlichkeit und Leistung unsere Talente und Fähigkeiten zu entdecken sowie uns selbst weiterzuentwickeln und die Gemeinschaft voranzubringen.
  • Unser Umgang miteinander ist von Achtung, Vertrauen, Hilfe und Toleranz geprägt. Wir vertreten unsere Meinung und streiten mit Worten und Argumenten um den richtigen Weg. Wir sind bereit, die besseren Argumente gelten zu lassen und unsere Meinung gegebenenfalls zu ändern.
  • Unterricht abwechslungsreich, motivierend, fördernd und fordernd zu gestalten, ist die Aufgabe aller an unserer Schule mitwirkenden Gruppen.
  • Die Gestaltung unserer Schule als Lern- und Lebensraum ermöglicht es allen, sich in der Schule wohl zu fühlen und sich mit der Schule zu identifizieren.

Evaluation im Team –  Anstoß zu  Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung

Der Besuch des EVIT-Teams im Herbst 2006 vermittelt der Schule eine genaue Analyse der Qualität sowie Hinweise auf Bereiche, in denen Handlungsbedarf für die weitere schulische Entwicklung ersichtlich ist.

Die externe Evaluation von Schulen im Team ist seit 2004 flächendeckend in Schleswig-Holstein eingeführt worden. Ziel des Verfahrens ist es, die Qualität einer Schule zu erfassen und Rückmeldungen für die Weiterentwicklung zu geben. Zugrunde gelegt sind 49 Qualitätskriterien, die in einem Handbuch zusammengefasst sind. Im Zentrum des Verfahrens steht die Qualität des Unterrichts, erfasst werden aber auch die räumlichen Verhältnisse, die Zusammenarbeit zwischen Schule und Elternhaus, die Zufriedenheit von Lehrkräften und Schülerschaft und die Arbeit der Schulleitung.

Im Oktober 2006 überprüft ein EVIT-Team von vier  Schulexperten (zwei Vertreter des Ministeriums, eine Vertreterin des Instituts für Qualitätsentwicklung an Schulen Schleswig-Holstein (IQSH) sowie  ein Schulleiter einer vergleichbaren Schule) anhand eines festgelegten Verfahrens die wichtigsten Qualitätsbereiche der Jürgen-Fuhlendorf-Schule. Im Rahmen dieses Verfahrens  werden Eltern, Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler  befragt, zahlreiche Gespräche geführt und statistische Daten ausgewertet. An den zwei Besuchstagen wird der Unterricht  beobachtet, damit ein möglichst genaues und umfassendes Bild von der Arbeit der Schule entworfen wird.

Die Erkenntnisse aus dem Schulbereich werden vom EVIT-Team in einem Bericht zusammengefasst, der in den schulischen Gremien erörtert und ausgewertet wird.

Dieser EVIT-Bericht gibt der Schule eine deutliche Rückmeldung über die schulische Situation. Zwar wird im Bericht festgestellt, dass die Zufriedenheit mit der Schule bei Schülerinnen und Schülern, Eltern und Lehrkräften gleichermaßen hoch ist, dass der Unterricht fachlich anspruchsvoll ist und in einer freundlichen Atmosphäre stattfindet und dass der Umgangston respektvoll und wertschätzend ist, aber es werden auch Schwächen überaus deutlich benannt. So wird vor allem kritisiert, dass die Selbstständigkeit und Eigenaktivität der Schülerinnen und Schüler noch nicht genügend gefördert wird, dass leistungsstarke und leistungsschwache Schülerinnen und Schüler noch nicht angemessen gefördert werden, dass die Aufgabenbereiche der Schulleitungsmitglieder nicht klar genug geregelt sind, dass der Informationsfluss nicht optimal ist und dass noch nicht entschieden genug nach dem beschlossenen Schulprogramm gearbeitet wird. Auch die Zusammenarbeit der Lehrkräfte untereinander und mit den Eltern wird als verbesserungswürdig angesehen.

Insgesamt zeigt sich, dass die Schule den Generationenwechsel im Kollegium und in der Schulleitung sowie die kontinuierlich wachsenden Schülerzahlen noch nicht optimal verarbeitet hat.

Zur Auswertung des  EVIT-Berichts werden binnen eines Monats in über 30 Klassen Elternabende durchgeführt und eine „Prioritätenliste“ erstellt, die die von der Elternschaft vorrangig angestrebten Veränderungen verdeutlicht.

Das Kollegium diskutiert den Bericht auf mehreren Konferenzen intensiv und offen. Zwar ist für alle eine derartige Form der Kritik an der eigenen Arbeit neu, und nicht jeder Kritikpunkt kann geteilt und angenommen werden, aber insgesamt führt der kritische EVIT-Bericht einerseits zu einer Solidarisierung mit der Schule und andererseits zu einer Aufbruchstimmung. Eine Zielvereinbarung mit der Schulaufsicht im Ministerium wird geschlossen, und zahlreiche Veränderungen werden in Angriff genommen.

Im Schuljahr 2006/2007 und im laufenden Schuljahr wird eine Vielzahl von Maßnahmen wirksam:

  • Entwicklung eines Methodencurriculums für die Klassen 5 und 6
  • Entwicklung eines Förderkonzeptes mit einem Schwerpunkt bei den 7. und 8. Klassen
  • Ausbildung von Streitschlichtern
  • Ausbildung von Schulsanitätern
  • verbindliches Berufspraktikum in den 10. Klassen
  • Berufsberatung durch eine Beraterin für akademische Berufe der Bundesagentur für Arbeit
  • Klärung und Festlegung der Arbeitsbereiche der Schulleitungsmitglieder
  • Teilnahme von Schulleitungsmitgliedern an den Konferenzen der Fachschaften
  • Einrichtung des Rates der Fachvorsitzenden
  • Gründung eines Eltern-Lehrer-Chores
  • Veröffentlichung einer Online-Zeitung („Der EinBlick“)
  • Einrichtung von „Vorhabenwochen“, in denen verstärkt außerschulische Lernorte eingebunden werden können
  • Veranstaltungen, die von der Schüler-, Eltern- und Lehrerschaft gemeinsam beschlossen, geplant und durchgeführt werden können (Flohmarkt, Konzerte)

Im Herbst 2008 wird die Schulaufsicht die Schule erneut besuchen, um Einblicke in die Weiterentwicklung des Schullebens zu erhalten.

Eltern und Schülervertretung –  Partner für die Weiterentwicklung der JFS

Für die Entwicklung der Schule stellt die Zusammenarbeit mit den Eltern, den Klassenelternbeiräten und dem Schulelternbeirat, dem Förderverein und der Schülervertretung eine verlässliche Grundlage dar. Eltern bringen sich in vielfältiger Form in das Schulleben ein und bereichern den Schullalltag und das Schulleben durch unterschiedliche Aktionen. Die Unterstützung zeigt sich beispielsweise bei Projekten, der Leitung von Arbeitsgemeinschaften, der Ausgestaltung von Klassenräumen, der Einrichtung der Mediothek, der Einrichtung von Schließfächern für die Schülerschaft, bei Elterninformationsabenden und musikalischen Veranstaltungen oder Sponsorenläufen.

Der Schüleraustausch mit unseren Partnerschulen in Frankreich, Polen, Russland und Schweden wird, getragen von der Lehrerschaft und den Eltern, weiter ausgebaut. Durch die  hervorragende Unterstützung der Eltern, die unsere Gäste bei sich aufnehmen, sind diese vielfältigen Kontakte erst möglich. Die Partnerschaft zu Greifswald bleibt weiter formal bestehen, wird aber leider nur einmal durch ein gemeinsames Kunstprojekt im Bereich der Oberstufe mit Leben erfüllt.

Die von Frau Susanne Lüdtke initiierte und von ihr monatlich als E-Mail verschickte Schulzeitung „Der EinBlick“ vermittelt durch die Vielfalt der von unterschiedlichen Autorinnen und Autoren geschriebenen Beiträge ein lebendiges Bild des schulischen Lebens. Mit dem „EinBlick“ ist  ein sehr modernes und wirksames Medium geschaffen worden, um Informationen schnell und direkt an die Bezieher der Schulzeitung zu vermitteln. Denn eine große und weiter wachsende Schule leidet doch erheblich darunter, dass niemand die zahlreichen Aktivitäten an unserer Schule mehr überschauen kann.

Klassenelternbeiräte begleiten und unterstützen die organisatorische und pädagogische Arbeit der jeweiligen Klassenkollegien. Hierbei ist besonders die Bereitschaft, sich auf Elternabenden mit pädagogischen Fragen zu beschäftigen und gemeinsam mit den in den Klassen tätigen Lehrkräften bei Problemen zu Lösungen zu gelangen, verstärkt zu beobachten und sehr zu begrüßen.

Die Vorsitzenden des Schulelternbeirates,  Herr Fink, Herr Dr. Gather  und seit dem Jahr 2006 Herr Lauff unterstützen und begleiten die schulische Arbeit und die Entwicklung der Schule mit außergewöhnlich hohem persönlichem Engagement. Die gemeinsame Arbeit in den Gremien ist stets von großem Vertrauen  und Verständnis für die schulischen Belange gekennzeichnet.

Bei den Sitzungen des Schulelternbeirates werden von den Eltern Fragen und Anliegen in offener Form vorgebracht. Das gemeinsame Ringen um konstruktive, für die Schule umsetzbare und tragbare Lösungen steht dabei immer im Vordergrund.

Maßnahmen, die sich durch Krankheitsvertretungen ergeben, Fragen, die aus Klassenzusammenlegungen entstehen, und andere Aspekte der schulischen Weiterentwicklung werden im Schulelternbeirat durchaus kritisch hinterfragt.

Unterstützung wird gegeben bei der Umsetzung der im Schulprogramm festgehaltenen Ziele, bei der Überarbeitung des Schulprogramms, bei Anträgen an die Schulkonferenz,  einer Vortragsreihe, bei Projekten, der Vorbereitung, Durchführung und Auswertung des EVIT-Besuchs, bei musikalischen Veranstaltungen, bei Elterninformationsabenden  zum Übergang auf die weiterführende Schule sowie beim Schüleraustausch.

Die Arbeit des Fördervereins stellt ein sehr wichtiges Element für das schulische Leben dar. Dank des sehr großen Einsatzes des Vorstandes mit seinem Vorsitzenden Herrn Jessen gelingt es dem Verein, die Zahl der Mitglieder zu erhöhen. Die zur Verfügung gestellten Mittel fördern die Arbeit der Fachschaften und unterstützen die Schule in vielfältigem Maße zum Wohle der gesamten Schülerschaft.

Die Schülervertretung engagiert sich in verstärktem Maße für die Anliegen der Schule und soziale Projekte. Deutlich wird dies bei der Arbeit am Schulprogramm, der Teilnahme an den Fachkonferenzen und in der Schulkonferenz. Regelmäßig beteiligen sich Schülerinnen und Schüler an dem von der Schülervertretung beantragten und von der Schulkonferenz beschlossenen „Sozialen Tag“ von „Schüler helfen Leben“. Am „Sozialen Tag“, der seit 1998 in Schleswig-Holstein und  seit 2006 jährlich bundesweit stattfindet, arbeiten Schülerinnen und Schüler, um das Geld für Projekte in Südosteuropa zu spenden. Auch in diesem Jahr beabsichtigen viele Schülerinnen und Schüler, sich am 8. Juli 2008 für soziale Projekte zu engagieren.

Außerunterrichtliche Aktivitäten

Neben dem Unterricht gibt es vielfältige Aktivitäten, die die Schule zum Lebens- und Erfahrungsraum für Schüler gestalten.

Im Bereich der pädagogischen Arbeit der Schule wird deutlich, dass die vielen Arbeitsgemeinschaften, die sportlich, musisch-kreativ oder mathematisch ausgerichtet sind, großen Zuspruch finden. Die Arbeitsgemeinschaften Ball und Spiele, Basketball, Bibel, Big Band, Bücherei, Chor, Fußball, Gartenbau, Handarbeit, Homepage, Mathematik, Modellbahn, Mediothek, Polnisch, Schach, Schülerzeitung, Tanz, Theater, Open Office, Orchester, Volleyball bereichern das Schulleben.

Aufführungen der Theater- und Musikarbeitsgruppen sowie Ausstellungen anderer Gruppen (Kunst, Modelleisenbahn und andere) ermöglichen Schülerinnen und Schülern ihre Arbeit zu präsentieren und tragen ebenfalls dazu bei, die Schule in der Öffentlichkeit darzustellen.

Hervorzuheben ist, dass sich neben Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern auch Eltern (Handarbeits-, Polnisch- und Tanz-AG)  engagieren.

Weitere pädagogische Schwerpunkte stellen die Teilnahme an Wettbewerben dar. Jugend debattiert, Mathematik-Olympiade, Schulbanker, Weihnachtsaufgabenwettbewerb Mathematik, Lange Nacht der Mathematik und  Big Challenge sind Veranstaltungen, an denen erfreulich viele Schüler der JFS teilnehmen. Die Teilnahme an sportlichen Wettbewerben (Crosslauf, Handball, Kreisbestenkämpfe Leichtathletik) werden ebenfalls fortgesetzt, wobei als besonderer Erfolg hervorzuheben ist, dass die Handballmannschaft in der Wettkampfklasse Jungen II Landessieger wird und beim Bundesfinale „Handball“ Wk II Jungen in Berlin im Schuljahr 2005/2006 den fünften Platz belegt.

Im Rahmen der von allen am Schulleben beteiligten Gruppen getragenen Veranstaltungen ist als ein herausragendes Ereignis der UNICEF-Lauf am Ende des Schuljahres 2006/2007 hervorzuheben. Dieser Lauf erbringt über 25.000 Euro, von denen die Hälfte der UNICEF übergeben wird. Die an der Schule verbleibende Hälfte der Einnahmen ist für die Ausstattung bzw. den Aufbau einer Cafeteria vorgesehen.

Vernetzung mit Institutionen und Fachkräften aus der Region

Im Bereich der Drogenprävention liegt ein weiterer Schwerpunkt der pädagogischen Arbeit.  Die Jürgen-Fuhlendorf-Schule ist seit dem Herbst 2005 rauchfreie Schule.

Die Präventionsarbeit wird in Zusammenarbeit mit der ATS Suchtberatungsstelle Kaltenkirchen fortgesetzt und ergänzt durch die Zusammenarbeit mit der Polizei und der Segeberger Mühle, um die Aufklärung über Gefahren, die sich mit der Nutzung des Internets und des Handys ergeben, zu verstärken.

Im Bereich des Verkehrsunterrichts nimmt die Schule regelmäßig am Verkehrswettbewerb teil und arbeitet eng mit der örtlichen Polizei im Rahmen der Verkehrssicherheit für Fahrradfahrer zusammen.

Doch die Gegenwart der Polizei beschränkt sich nicht auf die Gewalt- und Suchtprävention und die Überprüfung der Verkehrssicherheit. Mit Herrn Lorenz, Polizeioberkommissar von der Polizeidienststelle Bad Bramstedt, übernimmt ein ehemaliger Schüler der JFS die Aufgaben eines Kontaktbeamten und sorgt für häufige polizeiliche Präsenz. Herr Lorenz stellt sich in vielen Klassen und Gremien vor und macht deutlich, dass er seine Rolle als Ansprechpartner ernst nimmt.

Hilfen zur Berufsvorbereitung und Berufsfindung

Ebenfalls finden Maßnahmen zur Berufsvorbereitung und Berufsfindung einen stärkeren Einzug in das Schulleben. Die Schulkonferenz macht das Berufspraktikum für die 10. Klassen ab dem Jahr 2007 verbindlich. Bewerbungstraining, Wirtschaftspraktikum, individuelle Beratung durch das Berufsinformationszentrum, individuelle Studien- und Berufsberatung, die Teilnahme an der örtlichen Berufsbildungsmesse sowie der Messe Nordjob eröffnen den Schülerinnen und Schülern einen erweiterten Zugang zu Berufsfeldern.

Förderung von Schülerinnen und Schülern

Die Förderung von Schülerinnen und Schülern mit besonderer Begabung ist ebenfalls  Gegenstand unserer pädagogischen Bemühungen. Dank der Unterstützung der Stiftung der Sparkasse Südholstein werden  Schülerinnen und Schülern außerschulische Angebote gemacht. Zurzeit besuchen über 50 Schülerinnen und Schüler die angebotenen Kurse.

In Bezug auf die Förderung von leistungsschwächeren Schülerinnen und Schülern wird ein erstes Konzept entwickelt und umgesetzt.  Seit dem Schuljahr 2007/2008 bietet die Schule Schülerinnen und Schülern der Klassen 7 und 8 die Möglichkeit, an Förderkursen in den Fächern Deutsch, Englisch, Französisch, Latein und Mathematik teilzunehmen, um vorhandene Defizite in einem begrenzten zeitlichen Rahmen zu beheben.

Schülerinnen und Schüler  mit Lese- und Rechtschreibschwäche werden in der Orientierungsstufe  weiterhin  im Rahmen des Legasthenie-Unterrichts gefördert.

Attraktiv sind  auch die Angebote der Förderung, die durch den Einsatz von Fremdsprachenassistentinnen ermöglicht werden. Landeskundliche Einsichten und sprachliche Fähigkeiten werden durch Konversationskurse vertieft und der  Fremdsprachenunterricht durch Muttersprachlerinnen bereichert.In Zusammenarbeit mit dem Institut Français ist es so im Schuljahr 2004/2005 möglich, dass eine französische Fremdsprachenassistentin 64 Schülerinnen und Schüler auf spezielle Sprachprüfungen (DELF A1 bis A6) erfolgreich vorbereitet.

Gemeinwesenorientierung und Zusammenarbeit mit den Schulen

Die Schule nimmt regelmäßig an den Sitzungen des Örtlichen Bildungsrates teil und ist in unterschiedlichen Arbeitsgruppen, die sich mit bildungspolitischen Fragen der Region beschäftigen, vertreten. Die Zusammenarbeit mit Schulleitungen des Schulverbandes und der Region sowie Treffen von Lehrkräften ermöglichen Absprachen und  Abstimmungen in organisatorischen und  pädagogischen Aufgabenfeldern. Der Übergang von den Grundschulen auf die Jürgen-Fuhlendorf-Schule wird durch diese Maßnahmen und gegenseitige Besuche vorbereitet und unterstützt.

Die Ausbildung von Referendarinnen und Referendaren wird durch die Zusammenarbeit mit Partnerschulen in Neumünster ergänzt und bereichert.

Neustrukturierung des Schulsystems

Das neue Schulgesetz führt seit dem Jahre 2007 zu weitreichenden Veränderungen in der Schullandschaft.

Die bisherigen Haupt- und Realschulen werden auf Antrag der jeweiligen Schulträger in Regional- bzw. Gemeinschaftsschulen umgewandelt.

Das Gymnasium bleibt als weiterführende Schulart bestehen, wird aber auch weitreichend neu umgestaltet.

  • Das Zentralabitur wird eingeführt. Schon in diesem Schuljahr sind an unserer Schule in den Leistungskursfächern Mathematik,  Englisch, Deutsch, Biologie und Physik zentrale Prüfungsaufgaben von den Schülerinnen und Schülern des 13. Jahrgangs bearbeitet worden.
  • Die Schülerinnen und Schüler, die im Schuljahr 2008/2009 in die 5. Klasse eines Gymnasiums wechseln, gilt die Reduzierung des bisher neunjährigen gymnasialen Bildungsganges auf acht Schuljahre, das heißt die im kommenden Sommer neu eingeschulten Fünftklässler werden erstmals im Schuljahr 2015/2016 die  Abiturprüfung  nach acht Schuljahren ablegen.
  • Im Schuljahr 2008/2009 werden Schülerinnen und Schüler der gymnasialen Oberstufe in der neuen Struktur der Profiloberstufe unterrichtet. Damit werden das Kurssystem und die Unterscheidung von Leistungs- und Grundkursen abgeschafft. In Zukunft findet der Unterricht in der gesamten Oberstufe fast ausschließlich im Klassenverband statt.
  • Abiturprüfungen im Rahmen der strukturierten Oberstufe werden zum ersten Mal von Schülerinnen und Schülern der gymnasialen Oberstufe am Ende des Schuljahres 2010/2011 abgelegt.

Wie in allen Schularten wird auch am Gymnasium stärker als bisher die Förderung der einzelnen Schülerin und des einzelnen Schülers als das zentrale Ziel aller schulischen Arbeit und als durchgängiges Unterrichtsprinzip verwirklicht werden.

Hierbei werden folgende Instrumente weiter entwickelt und stärker eingesetzt:

  • die Arbeit mit individuellen Lernplänen,
  • offene und binnendifferenzierende Unterrichtsformen,
  • frühzeitiges Methodenlernen,
  • inner- und außerschulische Förderprozesse.

Um die veränderte Unterrichtskultur zu unterstützen, wird ab dem kommenden Schuljahr die Kontingentstundentafel als Instrument der Flexibilisierung der Organisation des Unterrichts eingeführt. Dies bedeutet, dass unsere Schule mehr pädagogischen Gestaltungsspielraum erhält, da die für die einzelnen Fächer vorgesehenen Stunden nicht mehr je Jahrgangsstufe ausgewiesen werden, sondern bezogen auf die Orientierungsstufe (Klasse 5 und 6) bzw. auf die  Mittelstufe (Klasse 7-9). Die Oberstufe umfasst im achtjährigen Bildungsgang die Einführungsphase (Klasse 10) und eine Qualifikationsphase (Klasse 12 und 13).

Infolge des neuen Schulgesetzes des Landes Schleswig-Holstein wird sich voraussichtlich eine Änderung der Schulträgerschaft ergeben. Bisher ist die Jürgen-Fuhlendorf-Schule das einzige Gymnasium des Kreises Segeberg mit dem Kreis als Schulträger gewesen. Zum jetzigen Zeitpunkt ist noch nicht geklärt, welcher Träger  für unsere Schule zuständig sein wird. Zu hoffen ist jedoch, dass die Phase der Unsicherheit nur kurz bleibt und die Entwicklung unserer Schule in vertrauensvoller Zusammenarbeit weiter vorangetrieben werden kann.

Ausblick

Veränderungen haben die vergangenen Jahre geprägt, Veränderungen werden die kommenden Jahre prägen, ein Ende ist noch nicht abzusehen. Schüler, Eltern und Lehrkräfte müssen sich auf Neues einstellen und können von Neuem profitieren.

Was in einer globalisierten Wirtschaft notwendig sein mag, dass nämlich das Tempo der Veränderungen immer mehr zunimmt und kaum ein Stein auf dem anderen bleibt, ist im pädagogischen Bereich und im menschlichen Zusammenleben und Miteinander problematisch. So bemühen sich alle an Schule Beteiligten darum, Umgangsformen und Elemente, die das bisherige Schulleben geprägt und strukturiert haben, auch in der Zukunft zu bewahren und mit Leben zu erfüllen. So wollen wir das Engagement für unsere Schule beibehalten und vertiefen, einen freundlich lockeren, aber respektvollen und von gegenseitiger Achtung geprägten Umgangston bewahren und die vertrauensvolle Zusammenarbeit aller an Schule Beteiligten fortführen. Die Einschulung der neuen Schülerinnen und Schüler, Konzerte, Adventssingen, Theateraufführungen, Klassen- und Studienreisen, Besuche der Partnerschulen, Abi-Streich, Abi-Zeitung, die Entlassung der Abiturientinnen und Abiturienten sowie der Abi-Ball werden bei allen ersichtlichen Veränderungen als Traditionen der Schule ihren Platz im Schuljahr behalten.

Die Voraussetzungen, dass die Jürgen-Fuhlendorf-Schule den zukünftigen Veränderungen und den damit verbundenen Herausforderungen gut begegnen kann, sind durch eine engagierte und kritisch-wohlwollende Elternschaft, eine offene und aufnahmebereite Schülerschaft und ein erfahrenes und fachlich fundiert ausgebildetes Lehrerkollegium in hohem Maße gegeben.

Gemeinsam mit Eltern und Schülerinnen und Schüler wird es auch in Zukunft gelingen, die Jürgen-Fuhlendorf-Schule zum Wohle aller weiterzuentwickeln.

2008-2013

Beitrag folgt

 

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Krause u.a.: Kurt Wilckens

Kurt Gustav Wilckens

Familiengrab in Bad Bramstedt

Familiengrab in Bad Bramstedt

Im Januar 2003 tauchten in Bad Bramstedt Flugblätter auf, die an einigen Bäumen und Gebäuden geheftet waren. Sie schienen aus der anarchistischen hamburger Szene zu kommen und machten auf einen der ihren, auf Kurt Wilckens aus Bad Bramstedt aufmerksam. Ein Familienname, der noch heute in Bad Bramstedt sehr bekannt ist.

Für die Segeberger Zeitung recherchierte daraufhin die Gymnasiastin Juliane Krause zu dieser Person und verfaßte den hier aufzurufenden Artikel (PDF-Datei, Acrobat Reader erforderlich).

die Recherche erschien auch im Heimatkundlichen Jahrbuch des Kreises Segeberg, 2003, S. 84


 

Juliane Krause, Bad Bramstedt

Attentäter und Held der Arbeiter

Erinnerungen an den Bramstedter Kurt Wilckens

Zum 80. Mal jährte sich zu Beginn des Jahres das Attentat auf den argentinischen Oberst Varela, der für eine blutige Niederschlagung eines Arbeiteraufstandes in Patagonien verantwortlich war. Sein Mörder war Kurt Wilckens, 1886 in Bramstedt (das „Bad“ im Namen fehlte damals noch) geboren. Wilckens ist in dem südamerikanischen Land bis heute bekannt. Er wurde damals zu einem gefeierten Helden der Sozialrevolutionären Arbeiterbewegung Argentiniens, obwohl er schon mit 36 Jahren eines gewaltsamen Todes starb.

Kurt Wilckens war einer von fünf Söhnen von August und Johanna Wilckens, geborene Harms. Er emigrierte auf Grund von Massenarbeitslosigkeit in Deutschland 1910 in die USA. Dort engagierte er sich stark für die Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der mexikanischen und europäischen Minenarbeiter und wurde Anhänger des Anarchosyndikalismus, einer Gewerkschaftsbewegung, deren Ziel die Herrschaftslosigkeit war. Wegen dieser Aktivitäten und einer Beteiligung an einem Aufstand schoben ihn die US-Behörden nach Deutschland ab. Zurück in Hamburg entschied er sich zu Emigration nach Argentinien. Dort war die Situation der Arbeiter ähnlich wie in den USA. Doch im ausgehenden 19. Jahrhundert hatte sich in der Arbeiterschaft durch europäische Einwanderer revolutionäres Gedankengut verbreitet. Die ersten beiden Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts waren von zahlreichen Aufständen geprägt. In Patagonien, einem Gebiet im südlichen Teil des Landes, eskalierte die Lage schließlich. 1.500 streikende Arbeiter wurden auf Kommando von Oberst Varela erschossen.atentadovarela

Wilckens, der sich damals in Argentinien den Anarchisten angeschlossen hatte, schwor Rache für seine Gesinnungsgenossen. Am 25. Januar 1923 tötete er Oberst Varela auf der Straße mit einer Bombe und Pistolenschüssen. Kurz darauf wurde er von der Bürgerwehr gefasst und zu 17 Jahren Gefängnis verurteilt.

In der argentinischen Literatur wird Wilckens als ein ruhiger Gefangener beschrieben, der von seinen Mithäftlingen respektiert wurde. Regelmäßig bekam er Besuch von anarchistischen Genossen, die dem Vegetarier auch Lebensmittel zukommen ließen. Wilckens gelang es mit Hilfe seiner Freunde, eigene Schriften aus dem Gefängnis heraus zu veröffentlichen. So schrieb Kurt Wilckens in einem Brief am 21. Mai 1923 aus dem Gefängnis: „Die Zukunft, unsere Zukunft, wird nicht geprägt sein von Streit, Verbrechen und Lügen. Sie wird voll Leben, Liebe und Einsicht sein.“

Am 15. Juni 1923 wurde der Bramstedter von einem studentischen Mitglied der faschistischen Liga Patriótica Argentina in seiner Zelle ermordet.

HkJb2003


im Internet fand ich noch einige (fremdsprachliche Links zu Wilckens.
Das Grab seiner Eltern und seines Bruders Max ist noch auf dem Friedhof in Bad Bramstedt erhalten.

In einem Film von Osvaldo Bayer und Frieder Wagner wird sein Leben beschrieben. (auf spanisch)

http://www.ainfos.ca/03/jan/ainfos00436.html oder hier als pdf-Ausdruck

http://www.oni.escuelas.edu.ar/olimpi99/interolimpicos/patagonia1921/hvindica.htm oder als pdf-Ausdruck

http://www.discepolo.org.ar/soto1.htm (link tot in 2008) oder als pdf-Ausdruck

Im ;Hamburger Abendblatt wurde 2017 ein Bericht zu ihm veröffentlicht.

und folgenden englischen Text:

http://flag.blackened.net/af/org/issue54/wilckens.html oder als pdf-Ausdruck von anderer Seite

KURT GUSTAV WILCKENS was born 3 November 1886 at Bad Bramstedt in Schleswig-Holstein, close to the Danish border in Germany, one of the five sons of August Wilckens and Johanna Harms. Of average height with red hair and light blue eyes, he loved nature and hated cities. Starting work as a miner in Silesia, he emigrated at the age of 24 to the United States where he got work in the Arizona mines.
In Arizona he became involved in the agitation of the revolutionary workers’ organisation, the Industrial Workers of the World (popularly known as the Wobblies). Wilckens took part in strikes and became an orator in the miners’ mass meetings, The IWW organised successfully among Mexicans and South Europeans, the lowest paid of the miners. As a result of the growing might of the miners in the Bisbee area, the local businessmen and scab miners organised into Loyalty Leagues. Early on 12 July 1916, 2000 Loyalty Leaguers commenced a round-up of miners. One miner shot dead a Loyalty leaguer in self-defence and was gunned down. There were robberies, vandalism, and beatings and abuse of women carried out by the Leaguers during the round-up. 1 ,186 men, including 104 Wobblies, among them Wilckens, were herded into cattle trucks and dumped across the border in the New Mexico desert. Wilckens, by now an anarchist as well as an IWW member, was interned in a camp for German prisoners. He escaped from there, was recaptured and deported to Germany in 1920 from where he departed to Argentina, arriving there in late September.
Here, he got a job as an agricultural worker in Rio Negro, then as a docker in Buenos Aires. He frequented the anarchist bars and centres. On 12 May 1921, he was the victim of a provocation by a cop who attempted to have him expelled from Argentina. This failed, but Kurt spent four months in prison before being freed. At this time, anarchism was strong among the working class of Argentina. After his release from jail Kurt devoted all his energy and money to help his imprisoned comrades.
In the south, in Patagonia, the anarchists had started organising among the agricultural workers of Santa Cruz province and among the workers of the meatpacking plants and ports. General strikes broke out regularly and workers formed themselves into horse-mounted units. Patagonia was experiencing an armed uprising inspired by anarchists. The government sent in the troops and, egged on by the British landowners, 1500 workers, including many anarchists, were rounded up and summarily executed. The leader of the repression, Colonel Hector Varela, was feted by the British who sang, „For he’s a jolly good fellow“. The reaction of prostitutes in a local brothel was different, shouting, „Assassins, Pigs! We won’t go with killers“, when Varela’s troops turned up after the slaughter. They were jailed for insulting men in uniform!

Disgusted

Wilckens was disgusted by the murders headed by Varela. He was heavily influenced by the pacifism of Tolstoy, but felt that violence from the ruling class had to be answered. On 27 January 1923, he met Colonel Varela on the street and hurled a bomb at him. Wounded in both legs, Varela attempted to draw his sabre. Wilckens emptied his colt revolver into him, ending the life of this butcher. Arrested by vigilantes, he bluntly shouted, „I have avenged my brothers“. Wilckens insisted that his act was an individual act, with no accomplices. At his trial he stated that he had shot Varela so that he could never kill again.
In jail, Wilckens began to recover from the injuries sustained during the assassination. Anarchists gave great solidarity and he was visited frequently and received food parcels (he was a teetotaller and a vegetarian). He was able to write for various publications, including some international anarchist papers. He explained that he didn’t, „see Varela as an insignificant official. No, in Patagonia he was governor, judge, executioner and gravedigger¼ Tomorrow, our tomorrow will not foster strife, crime and lies; it will foster life, love, science; let us work to speed that day“.
The sentence proposed by the judiciary was 17 years in jail. But already the army and the right were plotting . On the night of 15 June 1923, before sentence was passed, prison guards smuggled in Ernesto Perez Millan. This young man, an ex-police sergeant from Santa Cruz province, was a member of the Patriotic League, a reactionary and anti-Semitic organisation formed after the 1919 general strike, with the backing of the army, the Church and the employers. He had sworn revenge at Varela’s funeral. He shot Wilckens through the chest. The bullet pierced a lung but did not kill him outright. He died the following morning.
The police and the government confiscated his body, but news spread and an unlimited general strike broke out throughout the country. The police fired on a mass demonstration in Once Square. Two workers were shot dead, including the Spanish anarchist Enrique Gombas, and one cop. Millan himself did not long survive the murder. The authorities made out he was unbalanced and had him put in a secure mental hospital. Here, he was gunned down by a Yugoslav midget!
Wilckens had acted in a time of great social strife and class war. A gentle and idealistic man of great integrity, he expressed immense solidarity. His disgust at the massacre of workers had forced him to act.
————

1925 — Argentina: Perez Millan (rightwing nationalist who killed the anarchist Kurt Gustav Wilckens in his prison cell), is killed in an asylum in Buenos Aires

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?/Schadendorf: Die Kirchspielvogtei – wechselvolle Geschichte eines Gebäudes

Die Kirchspielvogtei


038-15tam 18.12.1936 erschien in den „Bramstedter Nachrichten“ folgender Artikel eines unbekannten Verfassers „mm“. Der mir vorliegende Zeitungsausschnit wurde von dem Ortschronisten Hans-Hinrich Harbeck an einigen Stellen handschriftlich korrigiert, die Korrekturenm werden hier wiedergegeben mit H.H.H.: ….

 


mm Auch ein Jubiläum . Hundert Jahre alt wurde in diesem Jahre die frühere Kirchspielvogtei am Bleeck. Im Jahre 1836 wurde sie durch den damaligen Kirchspielvogt Tycho Emil Harts erbaut, der dort bis 1849 wohnte. Seine Nachfolger waren die Kirchspielvögte Hugo Beidel (H.H.H.: Seidel) bis 1853, Nicolai Heinrich Göttsche bis 1859, Christian Hans Wilhelm von Linstow bis 1868, Reinhold Sievers bis 1874 und Dr. phil. Heinrich Flögel, der bis zum Erlaß der neuen Landgemeindeordnung in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, durch die die Kirchspielvogteien aufgehoben und dafür Amtsbezirke eingerichtet wurden, im Amte war. Dann wurde das Gebäude Rentamt bis 1895. Es wohnten dort nacheinander die Rentmeister Bernhard Hufe bis 1890 und Paul Speidel bis 1895. Darauf wurde es Arzthaus. Dr. Paul Wulf erwarb es und wohnte dort bis an seinen Tod 1918. Ihm folgte Dr. Christian Kühl und seit einem Jahr übt Dr. Förster in dem Haus seine Praxis aus. – Nicht uninteressant ist die Vorgeschichte des Grundstücks.
Sie läßt sich bis in die Zeit des dreißigjährigen Krieges zurückverfolgen. Im Jahre 1628, am 25. April, dem dritten Ostertage, fiel das dort belegene Haus, ein Bauernhaus, dem von den Wallensteinern angelegten Brande , der alles, was zwischen den drei Toren lag, dem Beckertor im Norden, dem Hudetor im Westen und dem Hogendoor im Süden, also dem heutigen Bleeck samt Achtern Bleeck und Mühlenstraße (wenn man so sagen darf, die Altstadt von Bad Bramstedt) vernichtete, zum Opfer. Nur das Schloß wird, wohl aufgrund seiner etwas isolierten Lage und seiner massiven Bauart, stehen geblieben sein. Der damalige Besitzer hieß Westphal. Unter seinen Sohne Hinrich Westphal, im Jahre 1685 (H.H.H.: 1695) wurde aus der Vollhufe eine Drittelhufe, das hing zusammen mit der Neuaufteilung der Landnutzungsrechte, wie sie unter dem Fleckensvorsteher Jürgen Fuhlendorf während des Kampfes gegen den Gutsherrn, den Baron von Kielmannsegge, vorgenommen wurde. Die Drittelhufe bestand bis 1815. Sie sah in dieser Zeit also in 130 (H.H.H.: 120) Jahren, 12 Besitzer; darunter treffen wir viele mit bekannten Namen: Fuhlendorf, Langmaack, Köhncke (aus Hingstheide), Kröger (aus Kisdorf), Rave (aus Armstedt), Micheel (aus Hagen), Fock (aus Weddelbrook). 1808 – es war die Zeit der napoleonischen Kriegswirren – geriet der Besitzer in Konkurs. Einer der Gläubiger, Hinrich Schröder aus Kellinghusen, übernahm den Besitz, verkaufte ihn aber bald an den Grafen Rantzau auf Luisenberg, der ihn nach zwei Jahren an Jasper Wilckens veräußerte. Nachdem 1813 die neben dem Hause gelegen Abschiedskate – jetzt Schumacher Hauschildt – abverkauft worden war, wurde 1815 durch Verkauf von Ländereien aus der Drittelhufe eine 31/192-Hufe. Diese kaufte Hinrich Hochgreve aus Bilsen, ihm folgte Joachim Huß aus Dätgen, darauf kamen drei Besitzer mit Namen Bremer. Damit war die Reihe der Bauern zu Ende. Das alte Bauernhaus wurde niedergerissen und machte der Kirchspielvogtei Platz. – Vollhufe, Drittelhufe, Sechstelhufe, Kirchspielvogtei, Rentamt, Arztwohnung – fürwahr ein wechselvolles Schicksal.


Soweit der Artikel aus 1936. Das Haus hatte auch im Folgenden eine Nutzung als Arztpraxis. Der Name Dr. Heinrich wird vielen Bramstedtern noch geläufig sein. Er war der letzte Besitzer dieses Hauses, bevor es zusammen mit dem Nachbarhaus Hausschildt an Investoren aus Hamburg verkauft wurde, die jedoch ihr Vorhaben einer Seniorenwohnanlage nicht verwirklichten. Es folgte eine Investorengruppe aus Bramstedt/Hitzhusen, die das Gelände erwarb. Nachdem zunächst – aufgrund politischen Drucks – vorgegeben wurde, das Gebäude der Vogtei erhalten zu wollen, fiel es vor wenigen Wochen nach rund 165 Jahren Lebensdauer der Abrißbirne zum Opfer. Nur die östliche Hauswand blieb stehen (Grenzbebauung) – sie scheint wohl von besonders guter Qualiät zu sein.!?!

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