Lexika: Magnus Wedderkop

aus Biographisches Jahrbuch Nr. 8, S. 372

WEDDERKOP, Magnus (seit 1683: von; laut anderer Quelle schon 1682), geb. 26.10.1637 Husum, gest. 16.1.1721 Hamburg, begr. 28. 2. Lübeck (Dom); ev. – Jurist, Staatsmann.

Magnus von Wedderkop

Magnus von Wedderkop

Die Familie W. stammt aus Barum bei Braunschweig, wo der Großvater Hofbesitzer war.

Eltern: Henning Wedderkop, gest. 1662 Husum, kaiserlicher Leutnant unter Wallenstein, seit 1636 Kaufmann u. Kupferschmied in Husum; Anna geb. An-dresen, geb. 2. 2.1614 Husum, gest. 24.03.1692 ebd.

Ehefrau: Margaretha Elisabeth Pincier, get. 19.11.1661, gest. 19.7.1731, begr. Lübeck (Dom); verh. 16.4.1683; Tochter d. Lübecker Domherrn Ludwig Pincier (1624-1702) u. d. Christine geb. Hudemann (gest. 1702).
Kinder: 6 Söhne, 1 Tochter, darunter: Gottfried, geb. 6.03.1689 Tremsbüttel, gest. 25.1.1741, kgl.-dänischer Landrat in Schleswig-Holstein u. außerordentlicher Gesandter in Paris, seit 1731 Oberhofmeister der Herzoginwitwe Elisabeth Sophie Marie von Braunschweig-Lüneburg-Wolfenbüttel (s. d.), Erbauer d. Herrenhauses Steinhorst. – Friedrich Christian, geb. 11.9.1697 Tremsbüttel, gest. 12.06.1756 Hamburg, holstein-gottorfischer Minister, General-Postmeister und Amtmann von Tremsbüttel. – Anna Catharina, geb. 1699 Tremsbüttel, gest. 7.9.1741; verh. m. Cyril Wich (1695—1756), Sohn d. englischen Residenten in Hamburg John Wich (gest. 1713).

W. besuchte zunächst die Husumer Gelehrtenschule, seit 1653 das Katharineum in Lübeck. Da er noch drei jüngere Brüder hatte, die nach dem Willen des Vaters ebenfalls eine gute Ausbildung erhalten sollten, mußte er sich durch Musikunterricht seinen Lebensunterhalt größtenteils selbst verdienen. 1657 begann er an der Univ. Helmstedt mit dem Jurastudium, doch bereits am 10.10. desselben Jahres immatrikulierte er sich in Jena, wo er im Hause des Mathematikers und Theosophen Eberhard Weigel (1625-1699) wohnte. Nachdem er drei Jahre hauptsächlich bei Johann Strauch (1614-1679) und Georg Adam Struve (1619-1692) studiert hatte, kehrte er kurz in die Heimat zurück, um dann im Herbst 1661 als Mentor der Brüder Heinrich und Gotthard v. Brömbsen aus Lübeck an die Univ. Heidelberg zu gehen. Im Anschluß an ihre Studien machte W. mit ihnen eine Bildungsreise durch Frankreich und Italien. 1664 wurde W. von Johann Friedrich Boeckelmann (1633-1681) in Heidelberg promoviert und dort ein Jahr später von Kurfürst Karl Ludwig von der Pfalz zum Professor für Staats- und Lehnsrecht ernannt. 1668 lernte er auf einer Mission, die er im Auftrage des Kurfürsten unternahm, den Gottorfer Herzog Christian Albrecht kennen, der ihn 1669 als Professor an die Univ. Kiel berief. In Kiel verfaßte W. einige kleinere juristische Schriften und wurde 1672 Prorektor.

Im März 1676 wurde W. Hof- und Kanzleirat des Lübecker Bischofs August Friedrich (1646-1705), des jüngeren Bruders Herzog Christian Albrechts, sowie Syndikus des Domkapitels; im Juli desselben Jahres ernannte ihn Christian Albrecht zum Rat von Haus aus und schickte ihn im Februar 1677 als Unterhändler zu den Verhandlungen nach Nimwegen, wo W. die Restituierung des Gottorfer Herzogtums erreichen sollte, nachdem König Christian V. (s. Bd 6, S. 57) 1676 den herzoglichen Teil Schleswigs okkupiert hatte. Seit der Zeit hielt W. keine Vorlesungen mehr an der Universität, behielt aber seine Bezüge als Professor. Nach den Friedensschlüssen von Fontainebleau und Lund 1679, durch die Dänemark die besetzten Gebiete herausgeben mußte, wurde W. Hof- und Kanzleirat des Herzogs. Von den erhaltenen Dotationen konnte er sich das Gut Seegard auf Pellworm kaufen.

Als 1681 das Geheime Ratskollegium gebildet wurde, erhielt W. darin die Stelle des geheimen Sekretärs. 1682 wurde er Land- und Hofrat, und 1683 [andere Quelle: 1682] erhielt er vom Kaiser den erblichen Adel. Im selben Jahr wurde er auch Lübecker Domherr; mit dieser Stelle waren die Einkünfte aus den Dörfern Groß und Klein Barnitz verbunden. W.s Stellung im Geheimen Ratskollegium war gefestigt, weil man ihm in Schweden, dem wichtigsten Verbündeten des Gottorfer Herzogtums, vertraute. Bei seinen Bemühungen, die zerrütteten Staatsfinanzen, die sich nach der erneuten Sequestrierung des Gottorfer Anteils am Herzogtum Schleswig 1684 noch verschlechtert hatten, in Ordnung zu bringen, arbeitete W. eng mit der Familie Mussaphia in Hamburg zusammen, die auch die Münzgeschäfte Christian Albrechts tätigte. Diese geschäftlichen Beziehungen warfen für ihn persönlich beträchtliche Summen ab, die es ihm ermöglichten, große Vorschüsse an die herzogliche Rentkammer zu geben und sich dafür Ländereien verpfänden zu lassen. Die Verhandlungen zur Restituierung des Gottorfer Herzogs führten hauptsächlich der mehr auf einen Ausgleich mit Dänemark bedachte Regierungspräsident Joachim v. Ahlefeldt (1646-1717) und W. Nachdem diese durch den Altonaer Vergleich 1689 erfolgreich abgeschlossen worden waren, ernannte der Herzog W. zum Amtmann von Tremsbüttel und Steinhorst. Der Erfolg der Politik Ahlefeldts ließ W.s Einfluß im Geheimen Ratskollegium in den nächsten Jahren zwar geringer werden, doch konnte er die finanziellen Schwierigkeiten des Herzogs nutzen, um 1691 das Amt Steinhorst und 1692 das Gut Tangstedt zu erwerben. Nachdem er 1692 Geheimer und Kammerrat geworden war, wurde er 1693 von König Karl XI. von Schweden zum Etatsrat ernannt und in die schwedische Ritterschaft aufgenommen.

Nach dem Tode Christian Albrechts ernannte der neue Herzog Friedrich IV., der eine bewußt antidänische Haltung einnahm, W. 1695 zum Regierungspräsidenten an Stelle Joachim v. Ahlefeldts. Im selben Jahr wurde er in die schleswig-holsteinische Ritterschaft rezipiert und erhielt außerdem vom Herzog das Amt eines General-Erbpostmeisters, das für ihn im Zusammenhang mit den Münzgeschäften der Mussaphia von großer Wichtigkeit war. Ebenfalls 1695 begann er, mit seinem Schwager Johann Ludwig Pincier (1660—1730; seit 1698 Freiherr v. Königstein) sich an den Neueindeichungen an der Westküste zu beteiligen, wodurch er beträchtlichen Landbesitz erwarb. Außerdem kaufte er Ländereien bei Stapelholm. Auch im Geheimen Ratskollegium arbeitete W. eng mit seinem Schwager zusammen, der als ehemaliger Hofmeister Friedrichs IV. in die Regierung berufen worden war.

Der gottorfisch-dänische Konflikt war 1689 nur vorübergehend beigelegt worden. Da der dänische König weiterhin versuchte, das Gottorfer Herzogtum zu gewinnen, suchte Friedrich IV. Unterstützung bei seinem Schwager, König Karl XII. von Schweden. 1700 brach wegen der Gottorfer Frage der Nordische Krieg aus, und nur mit Unterstützung Schwedens und der Seemächte gelang es W., daß der Herzog im Frieden von Traventhal (August 1700) in seinen Rechten nochmals bestätigt wurde. Als Friedrich IV. im Juni 1702 sein Herzogtum an Tilemann Andreas v. Bergholtz verpachtete, um an der Seite Karls XII. am Feldzug gegen Polen teilzunehmen, blieben W. nur die äußeren Angelegenheiten. In dieser Zeit erwarb er das Gut Moisling bei Lübeck von den Erben des Gottschalk v. Wickede.

Nach dem Tod Friedrichs IV. im Juli 1702 bei Klissow übernahmen für den erst zweijährigen Karl Friedrich (s. Bd 5, S. 143) dessen Mutter Hedwig Sophie und dessen Onkel Christian August als Administrator die Vormundschaft. Sie beriefen W. erneut zum Regierungspräsidenten, da er das Vertrauen der Herzoginwitwe genoß. Dem Geheimen Ratskollegium gehörte nun auch G. H. v. Görtz (s. d.) an, der bald W.s schärfster Gegner wurde. Vor allem in der Finanzpolitik wurden die gegensätzlichen Standpunkte deutlich: W. drängte auf Sparsamkeit, während Görtz einer aufgebauschten Hofhaltung das Wort redete. Im Zusammenhang mit dem Münzprozeß gegen die Familie Mussaphia wurde W. der Korruption beschuldigt, doch am 5.06.1705 von der Herzoginwitwe rehabilitiert. Im nächsten Jahr erreichte er, daß Christian August Bischof von Lübeck wurde; er erhielt dafür außer reichen Dotationen zusammen mit seinem angeheirateten Neffen Heinrich Muhlius die Ernennung zum „perpetuus visitator et inspector“ der Kieler Universität. Da die Spannungen im Geheimen Ratskollegium immer stärker wurden, konnte W. 1708 die Herzoginwitwe zwar noch dazu veranlassen, eine Untersuchung der Mißstände in der vormundschaftlichen Regierung in Stockholm vorzunehmen; doch da Hedwig Sophie bereits im selben Jahr starb, kamen ihre Reformen nicht mehr zum Tragen. Nach dem Tod der Herzoginwitwe wurde Christian August alleiniger Vormund. Da ihm die offensive Görtzsche Politik besser zusagte, verlor W. rasch an Einfluß. Er fühlte sich in den Herzogtümern nicht mehr sicher und zog sich unter Beibehaltung aller Ämter nach Hamburg zurück, wo er ein Palais besaß. Im Dezember 1709 gelang es Görtz, W. nach Gottorf zu locken, ihn zu verhaften und anschließend in die Festung Tönning zu bringen. W.s Häuser im Hamburg und Lübeck wurden durchsucht, wobei alle Papiere und Obligationen beschlagnahmt wurden; seine Güter wurden unter Sequester gestellt, und einen Teil seiner Einnahmen sicherte sich Görtz. Interventionen des Kaisers sowie des schwedischen und des dänischen Königs zugunsten W.s wurden damit abgewiesen, daß man die Sache zum Kriminalfall erklärte. Eine Anklageschrift wurde nicht verfaßt und trotz der 1710 ergangenen Aufforderung an alle Untertanen, Anklagen und Beschwerden gegen W. vorzubringen, kam nicht genügend Beweismaterial zusammen. Ein unparteiisches Gericht sollte daher 1711 darüber entscheiden, ob ein in Verdacht geratener Staatsdiener auch ohne ordentliches Gerichtsverfahren bestraft werden könne, doch kam das Gericht zu keiner Entscheidung. Als im Laufe des Nordischen Krieges die Festung Tönning 1713 erst den Schweden geöffnet und dann von den Dänen belagert wurde, erhielt der Kommandant Z. Wolff (s. Bd 7, S. 329) von Görtz den Befehl, W. im Falle einer Übergabe der Festung hinzurichten, doch konnte dies vom dänischen König verhindert werden. Bei der Kapitulation am 7.02.1714 wurde W. befreit. Er wandte sich kurz darauf an den Administrator und forderte ein Gerichtsverfahren, um seine Unschuld zu beweisen. Gleichzeitig trat er in die Dienste des dänischen Königs, der ihn zum Geheimen Rat ernannte, doch spielte W. in der folgenden Zeit keine politische Rolle mehr. Er kümmerte sich um die Wiederherstellung seiner Güter und um die Ordnung seiner Vermögens Verhältnisse. 1716 erging ein Mandat des deutschen Kaisers, das die Rückerstattung aller Vermögenswerte an W. befahl. Im selben Jahr konnte er noch das Gut Marutendorf mit dem Meierhof Blockshagen kaufen. Bereits ein Jahr später teilte er die Güter unter seine Erben auf. Als Herzog Karl Friedrich mündig geworden war, sprach er W. 1719 von aller Anklage frei; er setzte ihn wieder in sein Amt als Regierungspräsident ein und zwang Christian August zu einer Ehrenerklärung. Für seine erlittenen Verluste erhielt W. 300 000 Taler Entschädigung. Im selben Jahr entwickelte er einen Plan zur Lösung der Streitigkeiten zwischen Dänemark und Gottorf: Der Herzog sollte auf seine Anteile an Schleswig verzichten und sich dafür in Holstein mit den königlichen Anteilen entschädigen lassen. Doch da beide Seiten ihre Interessen dadurch bedroht sahen, fand der Vorschlag keinen Anklang.

W. verbrachte die letzten Jahre seines Lebens in Hamburg; neben der Musik widmete er sich seiner umfangreichen Bibliothek, die er im Laufe seines Lebens zusammengetragen hatte. Sie wurde nach seinem Tod in Hamburg versteigert.

W. war klug und sehr ehrgeizig. Seine diplomatischen Fähigkeiten ließen ihn im Dienste der Gottorfer Herzöge zu den höchsten Staatsämtern aufsteigen. Seiner Voraussicht und seinem Geschick war es zu verdanken, daß die Souveränität des kleinen Staates gegenüber Dänemark behauptet werden konnte. Seine Stellung und Machtposition eröffneten ihm aber auch die Möglichkeit, sich materielle Vorteile zu verschaffen. W. verstand durch kluge und sparsame Haushaltsführung, die Gelder gut anzulegen und zu vermehren. Er kaufte hauptsächlich Güter. Sein Aufstieg und sein Reichtum schafften ihm aber auch viele Neider und trugen schließlich zu seinem Sturz bei. Bei den Untergehörigen seiner Besitzungen soll er dagegen sehr beliebt gewesen sein.

Quellen: LAS, Abt. 7 (vgl. VLAS 4,5,11). -Julius v. W., Gesch. d. Geheimrats M. v. W„ Ms. (Schloßarch. Breitenburg). – Danmark-Norges Traktater 1523-1750, hrsg. v. L. Laursen, 7-11, Kop. 1926-1949.

Werke: Verz. in Cimb. lit. (s. lit.).

Literatur: ADB, 41, S. 387-390. – Bricka, 18, S. 289-292. – DBL, 25, S. 173-177. – DBL 3. Ausg., 15, S. 311 f. – Cimb. lit., 1, S. 713 f. – J. B. Maius, Prorector et senatus academiae Kiloniensis ad oratorem panegyricam in funere … Magni Wedderkopii… habendam … invitant, Kiel 1721 (SHLB). – J. H. v. Seelen, Athenae Lubecenses, 2, Lübeck 1720, S. 124-131. – Zedler, 53,1747, Sp. 1783-1786. – J. Laß, Slg einiger Husumischer Nachr., 2, Flensburg 1750, S. 79-81. – G. Ph. Schmidt, M. v. W., in: PB 1825, S. 1-14. – PB 1826, S. 73. – K. v. Warnstedt, M. v. W., in: Jbb. f. d. Landeskunde d. Herzogthümer Schleswig, Holstein u. Lauenburg 7, 1864, S. 304-326. – G. Hille, Das General-Erbpostmeisteramt d. Familie W. im Gottorpschen Antheil v. Schl.-Holst., in: ZSHG 5, 1875, S. 301-347. -Festschr. z. 275jährigen Bestehen d. Christian-Albrechts-Univ. Kiel, hrsg. v. P. Ritterbusch u. a., Lpz. 1940. – O. Kähler, M. v. W., ein Schleswig-Holsteinischer Jurist u. Staatsmann, in: SHA 194, 1947, T. A, S. 221-224. – H. Kellenbenz, Vom Geheimen Consilium zum Geheimen Ratskollegium, in: ZSHG 73,1949, S. 197-231, bes. 213 f., 217, 219 f., 223, 230. – Ders., Sephardim an d. unteren Elbe, Wiesbaden 1958 (Vjschr. f. Sozial- u. Wirt-schaftsgesch., Beih. 40). – Ders., Die Herzogtümer v. Kopenhagener Frieden b. z. Wiedervereinigung Schleswigs 1660-1721, in: GSH, 5, Neumünster (1960) 1986, S. 221, 226, 229-231, 240, 242, 247, 254, 274-279, 284-286, 289-291, 303, 305, 316 f., 328, 341 f., 346, 358, 360, 385, 387. – Ders., Schleswig in d. Gottorfer Zeit 1544-1711, Schleswig 1985. -A. Geerkens, Glück, Not u. Ende d. Festung Tönning, in: JbNfl 3, 1951/52, S. 5-41, bes. 11 f., 30, 33 f., 38. – C. Rodenberg/V. Pauls, Die Anfänge d. Christian-Albrechts-Univ. Kiel, Neumünster 1955 (QuFGSH 31). – R. Pries, Das Geheime Regierungs-Conseil in Holstein-Gottorf 1716-1773, ebd. 1955 (QuFGSH 32). – Volbehr/Weyl, S. 26 f.- G. Finke, Der Stand d. Wedderkop-Forschung, in: FJbSH 3, 1964, S. 58-63. – Gesch. CAU, 3, 1, Neumünster 1965. – Achelis, Matrikel, Nr 2684. – H. Funck, M. u. Gottfried v. W., Erbherren v. Steinhorst, in: LbgH, N. F. 57,1967, S. 21-39. – K. Feilcke, Leben u. Werke d. Ministers M. v. W. u. d. Lübecker Dom, in: ZNF 47, 1972, S. 153-161.

Porträts: Gemälde (Kiel, Kunsthalle), Abb.: s. Taf. 5. – Kupf. v. Chr. Fritzsch, 1743, nach einem Gemälde v. J. M. v. d. Hude (SHLB; Westergaard Nr 12673), Abb.: Gesch. CAU (s. Lit.), Taf. 3; Neudr. v. d. Originalplatte, 1970 (SHLM).

Hubertus Neuschäffer


weiterer biographischer Eintrag:
http://de.wikisource.org/wiki/ADB:Wedderkop,_Magnus_von

Wedderkopp: Magnus v. W. (jetzt geschrieben Wedderkop), wurde am 26. October 1637 zu Husum als der älteste Sohn Henning Wedderkopff’s und seiner Ehefrau, Anna, geb. Andersen geboren.

Seine Vorfahren hatten, so besagt der ihm erneute Adelsbrief, „einige hundert Jahren als gute Edelleuth in Braband und Geldern sich aufhaltend bei denen Herzogen zu Burgund und Geldern, wie auch den Königen zu Hispanien etc. etc. in vornehmen Kriegs und Civilbedienungen willige Dienste erzeigt“. Joachim v. W., Obristlieutenant in Philipp’s II. Heer, verließ seines Glaubens wegen sein Vaterland und zog nach Franken, wo auch sein Sohn verblieb. Joachim’s Enkel Henning war Magnus’ Vater. Derselbe entsagte dem in Wallenstein’s Reiterei als Lieutenant geleisteten Dienst und ließ sich in Husum nieder, und trieb dort einen Handel „mit Kupfer und anderen Sachen“.

Magnus besuchte die Stadtschule in Husum und dann die Gelehrtenschule in Lübeck. Seinen Unterhalt mußte er sich theilweise durch Musikunterricht gewinnen. Zu akademischen Studien der Philosophie und der Rechte ging er nach Helmstedt, nach kurzer Zeit aber schon für drei volle Jahre nach Jena. Nebenbei lernte er die französische Sprache völlig beherrschen.

Im J. 1661 übernahm er sodann die Leitung der Studien zweier Söhne seines Gönners, des Herrn v. Brömsen in Lübeck. Zwei Jahre lang blieb er mit diesen seinen Zöglingen in Heidelberg und begleitete sie dann auf Reisen durch Frankreich und Italien. In Heidelberg war Kurfürst Karl Ludwig aufmerksam auf ihn geworden, so wurde er 1664 als Docent des Staats- und Lehnrechts nach Heidelberg und dann in den Staatsdienst berufen, den er 1669 verließ, um eine ihm vom Herzog Christian Albrecht von Schleswig-Holstein-Gottorp angetragene Professur in der juristischen Facultät der neu gegründeten Universität zu Kiel anzunehmen, durch eine Rede: „de moralium corporum unione“ führte er sich dort ein. Unter den von ihm derzeit verfaßten Schriften sind zu nennen: „de fructibus et eorum acquisitione“ (1670); „de jurisdictione“ (1671); „de praescriptione moratoria“ (1675); „Theses miscellaneae ex jure tam publico quam privato“ (1676). Im J. 1676 berief ihn der Herzog, nachdem er schon vorher die Stellung eines Syndikus am Domcapitel und Rathes des Bischofs zu Lübeck erhalten hatte, an seinen Hof, wo er 1683 sich mit Elisabeth v. Pincier vermählte, mit deren Bruder er eine einflußreiche Stellung gewann.

Die Bedeutung dieser Stellung lag in der Berathung und den Diensten, [388] welche dem Herzoge und seinen Nachfolgern zu leisten waren bei der derzeitigen krausen Politik. „Das verwirrte Cimbrien“ und alle das Ostseebecken umgebenden Staaten fielen aus einem Kriege und einer Zwistigkeit in die andere. Für die Herzöge von Gottorp handelte es sich dabei immer um die Herrschaft in den Herzogthümern Schleswig und Holstein, besonders in Schleswig, welches ihnen von Dänemark streitig gemacht wurde. Die gesammte europäische Politik spielte in diese Streitigkeiten hinein und so gab der zwischen Ludwig XIV. und Holland 26. Januar 1679 zu Nimwegen abgeschlossene Friede W. Gelegenheit, Günstiges, besonders des Kaisers Schutz, für seinen Herzog auszuwirken, (s. A. D. B. IV, 190). Als er durch eine Dotation hierfür belohnt wurde, sprach er in seinem Danke aus: „Daß er wie bishero also auch in’s Künftige vor Dero Herzoglichen Hauses Interesse seinem Eide und Pflichten nach unterthänigst werde vigiliren“.

Dieses Versprechen hat er getreulich gehalten, insbesondere dem Herzoge Christian Albrecht in dem 1689 unter günstigen allgemeinpolitischen Verhältnissen abgeschlossenen Altonaer Vergleich (s. A. D. B. IV, 191) und dann auch dessen Nachfolger, dem Herzoge Friedrich IV., in dem am 17. August 1700 abgeschlossenen Travendahler Frieden (s. A. D. B. VIII, 32), durch welchen der Herzog Alles erreichte, was er für den Augenblick verlangen konnte.

Wedderkopp’s Politik zeichnete sich sein ganzes Leben lang aus durch ein unverrückbares Festhalten an dem von Anbeginn verfolgten Ziele der Befreiung des herzoglichen Regiments von dem eben so unausgesetzten Druck und Angriffe Dänemarks darauf, und durch ein kluges Maßhalten bei gewandter Benutzung aller günstigen Momente und endlich durch thunlichsten Schutz des Wohles von Land und Leuten, ganz besonders durch redliche, sparsame und geordnete Wirthschaftlichkeit. So wird er denn auch geschildert als ein kluger, gelehrter, in den Welthändeln erfahrener Mann, der den Zustand und das Beste des Landes genau kannte.

Bereits 1682 hatte der Kaiser Leopold I. ihm den Adel, auf dessen Führung der Vater verzichtet hatte, erneuert, er wurde für sich und seine Nachkommen in die schleswig-holsteinsche Ritterschaft aufgenommen, sowie auch in die schwedische Ritterschaft und es wurde ihm der Titel eines schwedischen Etatsraths verliehen. Im December 1694 starb der Herzog Christian Albrecht. Sein Sohn und Nachfolger in der Regierung Friedrich IV. (s. A. D. B. VIII, 21 f.) ernannte W. zum Präsidenten des Geheimraths und seinen Schwager Pincier zum Stellvertreter.

Friedrich war verheirathet mit der Schwester Hedwig Sophie des Königs Karl XII. von Schweden. Diesem auf seinem Kriegszuge[WS 1] nach Polen folgend und des Regierens durchaus unlustig, ging er auf den tollen Plan des Oberstlieutenants v. Bergholz, eines Schwiegersohnes des beim Herzog in großer Gunst stehenden Etatsraths v. Clausenheim ein, und verpachtete diesem Abenteurer die Gottorpischen Lande zu völlig eigenmächtiger Regierung (s. A. D. B. VIII, 20); W. und Pincier wurden auf das Auswärtige beschränkt.

Eine unglaubliche Wirthschaft begann und große, unsinnig abenteuerliche Pläne wurden geschmiedet. „Aber ein unglücklicher Schuß zernichtete zugleich mit dem Leben des tapferen Herzogs Friedrich am 19. Juli 1702 bei Clißow in Polen in einem Augenblick alle diese Anschläge“. Des Herzogs Sohn Karl Friedrich war erst zwei Jahre alt und wurde unter Vormundschaft seiner Mutter und seines Vaters Bruders, des Herzogs Christian August (s. A. D. B. IV, 192 f.), Coadjutors und erwählten Nachfolgers des Bischofs von Lübeck, gestellt. W. blieb an der Spitze des Geheimraths, in welchem sich ihm ein Gegner in der Person des Georg Heinrich v. Görz, Freiherrn v. Schlitz (s. A. D. B. IX, [389] 389 f.) entgegen stellte. Das Trachten dieses Mannes ging auf Gewinnung der Macht. Der Herzog-Administrator, ein junger Mann von 29 Jahren, war mehr dem Vergnügen und dem Luxus zugeneigt als den Geschäften, diesen Neigungen erwies sich Görz förderlich, W., dessen Streben auf Ordnung und Sparsamkeit ging, nur hinderlich. Außerdem bemühte sich W. das seit dem Travendahler Friedensschluß bestehende gute Verhältniß zur Krone Dänemark zu erhalten in ausgesprochener Gegnerschaft gegen Görz.

Gesteigert wurde diese Gegnerschaft durch die von W. vor die in Stockholm zum Zwecke der Erziehung ihres Sohnes residirende Herzogin Wittwe gebrachte Untersuchung des tief zerrütteten Finanzzustandes des Landes, welche durchaus zu Wedderkopp’s Gunsten ausfiel.

Kurz darauf, im December 1708, starb die Herzogin Wittwe und W. verlor in dieser vortrefflichen Fürstin seine beste Stütze. Es wurde ihm am Gottorpischen Hofe unheimlich und er zog sich deshalb, seine Person nicht mehr gesichert haltend, nach Hamburg zurück, wo er ein Palais besaß, von hier aus noch an den Regierungsgeschäften theilnehmend und dabei, wie alle Zeit seines Lebens, der Musik seine Mußestunden weihend, ein persönlicher Freund Händel’s und Bach’s und deren großer Verehrer.

Man verstand es aber doch, ihn zum Präsidium einer Geheimrathssitzung nach Schleswig, wohin nicht die Macht des Kaisers, welche man fürchtete, reichte, zu locken. Am 19. December 1709 kam der nun 72jährige alte Herr auf dem Schlosse Gottorp an, wurde auf das huldvollste empfangen und bei der Tafel trank der Herzog, welcher Wedderkopp’s klugem und geschicktem Dienste und fester Energie den sicheren Besitz des einträglichen, ihm von Dänemark hart bestrittenen Bisthums Lübeck verdankte (s. A. D. B. IV, 192), „mit sehr gnädigem Bezeigen“ seine Gesundheit; aber nach Aufhebung der Tafel auf dem Wege in sein Zimmer wurde er in Haft genommen und in einer „Heuerkutsche“ in selbiger Nacht nach der Festung Tönningen gebracht. Seinem Schwager Pincier, welchen man in selbiger Nacht gleichfalls hatte festnehmen wollen, gelang es, zu entkommen.

Das sehr bedeutende Vermögen, die Güter und die Häuser in Lübeck und Hamburg wurden mit Beschlag belegt. Sechs Monate vergingen, ehe der Gefangene zum Verhör gebracht wurde. Es fehlte an Anklagematerial. Um dieses zu schaffen, wurde die Aufforderung von den Kanzeln des Landes angeordnet: jedermann habe bei schwerer Strafe zu melden, was er Uebles von W. vorzubringen wisse. Es meldete sich Niemand. Aber der Zweck der Beseitigung Wedderkopp’s wurde trotzdem weiter verfolgt. Unterm 23. Juni 1713 erging ein von Görz erschlichenes Todesurtheil gegen ihn „wegen vieler besonderer Verbrechen“, deren aber keines genannt steht. Es kam jedoch nicht zur Execution.

Die Zustände im Lande wurden währenddeß in solcher Weise niedergedrückt, daß es davon heißt: „Man kann mit Wahrheit sagen, daß die damalige Verfassung des gottorpischen Staates ipsa corruptione corruptior, verderbter als die Corruption selber war“ (s. A. D. B. IV, 192, 193).

Der nach der Niederlage Karl’s XII. bei Pultawa (1709) zwischen Schweden und Dänemark ausgebrochene Krieg hatte die Schweden 1713 in die ihnen vom Herzog-Administrator geöffnete Festung Tönningen getrieben (s. A. D. B. IV, 192), und sie wurden dort von den sie verfolgenden Dänen belagert. König Friedrich IV. von Dänemark ließ durch einen Parlamentair den Festungscommandanten für das Leben Wedderkopp’s, um dessen Schutz gegen die Görz’schen Angriffe er angegangen war, verantwortlich machen.

Am 7. Februar 1714 capitulirte die Festung und W. wurde befreit, nachdem er 4 Jahre und 4 Monate gefangen gesessen hatte, in einem Alter von 77 Jahren. Wunderbar ist es, daß ihm leiblich und geistig bei der langen [390] schweren Haft, in die man ihn gesetzt hatte, die Kräfte erhalten blieben, die heilige Schrift und der Unterricht in der Musik, welchen er einem mit ihm gefangen sitzenden dänischen Lieutenant ertheilte, wie einst in der Jugend in Lübeck, waren ihm Hülfe und Trost.

Vergeblich blieb auch jetzt noch seine Forderung einer Unschuldserklärung. Diese erfolgte erst, als Görz den Dienst des Herzogs mit dem König Karl’s XII. von Schweden, wo ihn nach dieses seines neuen Herren plötzlichem Ende der Tod durch Henkers Hand traf (s. A. D. B. IX, 393), vertauscht hatte. Im J. 1719 erließ der Herzog Karl Friedrich eine Erklärung: „daß Ihro Hoheit benannten 50jährigen treuen Diener von aller Verantwortung loszählten, voriger Gnade versicherten“ u. s. w., ihn in seine alten Aemter einsetzten und ihm seine Güter und Vermögen zurückerstatteten. Noch einmal wurde W. berufen, in das Schicksal des Hauses Gottorp mit seinem erfahrenen Rathe einzugreifen. Er empfahl, zum Zwecke endgültiger Auseinandersetzung mit Dänemark, auf Schleswig, welches stets der Anlaß zum Streite gewesen, Verzicht zu leisten und dafür in Holstein eine Entschädigung „Pflug um Pflug“ zu suchen. Der Herzog folgte aber diesem Rathe nicht und verlor nun Schleswig auf immer, ohne die Vortheile zu gewinnen, die ihm W. in Aussicht stellen zu können geglaubt hatte.

Dieser verbrachte seine letzten Lebensjahre in Hamburg in viel Mühe und Arbeit um die Beordnung seiner durch die Kämpfe mit Görz schwer verworrenen Vermögensangelegenheiten. Noch lange Jahre nach seinem Tode spann sich ein verwickelter Proceß zwischen den Wedderkopp’schen und Görz’schen Erben fort.

Am 16. Januar 1721, 83 Jahre alt, entschlief der so hoch gestiegene und so schwer angefeindete Mann sanft und ruhig in den Armen seiner treuen, glaubensstarken Gattin, die ihn um 10 Jahre überlebte. Beide Ehegatten haben ihre Grabstätte im Dome zu Lübeck, dessen Kanonikus W. war, gefunden.

Schl.-H. Provinzialber. 1825, I, 1. – Jahrb. VII, 304. – v. Kobbe, S.-H. Gesch., Altona 1854, S. 2 ff. – Bremer, Gesch. Schl.-H., Kiel 1864, S. 310 ff. – E. Möller, Schl.-H. Gesch. I, 713. – Jöcher IV, 1840. – Hamb. Schriftstellerlex. VII, 586. – Gesch. d. Gottorf. Hofes unter Herz. Friedrich IV. Frankf. 1774. – Ratjen in k. Universitätschronik für 1857, Kiel 1858, S. 12. – Zeitschr. f. Schl.-H. Geschichte V, 301, XII, 1 ff. – Archiv f. Gesch. des Herzogth. Lauenburg. Mölln i. Lbg. – L. Alwardt I, Heft 1, S. 75. – Zacharias Wolf, Commandant der Festung Tönningen. Tagebuch vom 1. Januarii 1713 bis 30. Januarii 1714. Königl. Buchdruckerei zu Kopenhagen 1714 und Abdruck danach. – Spitta, J. S. Bach I, 256. – Mattheson, Ehrenpforte.

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