March: Erlebte Geschichte

ULRICH MARCH

ERLEBTE GESCHICHTE

SCHRIFTENREIHE

DER JÜRGEN-FUHLENDORF-SCHULE

Herausgegeben von U. March

Heft 15

Bad Bramstedt 2000

Inhalt

Geschichte als Geschehen    S. 5

Geschichte als Erinnerung   S. 8

Geschichte als Wissenschaft   S. 12

Geschichte als Schulfach    S. 18

Geschichte und Politik    S. 23

Schriftenverzeichnis    S. 27

H.J.J. Hay, Kellinghusen, 2000

Während meines bisherigen Lebens habe ich stets ein enges Verhältnis zu Klio, der Muse der Geschichte, gehabt. Wenn ich anläßlich meines Ausscheidens aus dem Dienst dieses Verhältnis bilanziere, so haben meine Darlegungen naturgemäß subjektiven Charakter. Dennoch beruhen die mitgeteilten Erkenntnisse und Erfahrungen zugleich auf objektiven Fakten meiner persönlichen Biographie. Geschichtswissenschaftlich gesehen sind die folgenden Ausführungen als Äußerungen eines Zeitzeugen, mithin nicht als Darstellung, sondern als Quelle einzustufen.

Mit dem letzten von mir herausgegebenem Heft unserer Schriftenreihe verabschiede ich mich von allen Lehrern, Schülern und Eltern der Jürgen-Fuhlendorf-Schule.

Bad Bramstedt, im Frühsommer 2000

U. March

Alles, was uns begegnet, läßt Spuren zurück   (Goethe).

Geschichte als Geschehen

Während des Zweiten Weltkriegs wurde im Radio zu bestimmten Zeiten im Anschluß an die Nachrichten der Text des Wehrmachtsberichts noch einmal ganz langsam und deutlich wiederholt, zum Mitschreiben für interessierte Dienststellen und Presseleute. Diese Programmgestaltung des Rundfunks machte ich mir als Sieben- und Achtjähriger zunutze. Ich besaß seit meiner frühen Kindheit einen alten Diercke-Atlas, den ich immer wieder studierte, so dass ich mir im Laufe der Zeit gewisse topographische Grundkenntnisse angeeignet hatte. Dank der einfachen Sprache der Wehrmachtsberichte und der Langsamkeit des Diktats war ich in der Lage, das militärische Geschehen zu lokalisieren und eine – wenn auch noch so rudimentäre – Vorstellung vom Kriegsablauf zu gewinnen. Noch heute erinnere ich mich an das bedrückende Gefühl, das mich beschlich, als ich im Winterhalbjahr 1944/45 feststellen mußte, dass die Fronten unaufhaltsam näherrückten.

Das Geschilderte zeigt, glaube ich, modellhaft einen charakteristischen Zugangsweg zur Welt des Historisch-Politischen auf. Irgendwann stellt man fest, dass es außer dem Geschehen im eigenen, begrenzten Umfeld noch ein anderes, übergreifendes allgemeineres Geschehen gibt, das sinnlich nicht unmittelbar erfahrbar ist. dass es gleichwohl erhebliche Bedeutung hat, erkennt man zunächst an dem Stellenwert, der ihm allgemein – in der Öffentlichkeit, in Gesprächen, in der Publizistik – beigemessen wird. Man versucht daher, sich näheren Aufschluß zu verschaffen, da man instinktiv spürt, dass dieses Allgemeine mit der eigenen, kleinen Welt eng verbunden ist, dass Geschichte und persönliches Lebensschicksal unlösbar miteinander verflochten sind.

dass dem so ist, sollte ich schon bald mit brutaler Deutlichkeit erfahren: Ich erlebte unmittelbar und sehr bewußt die Kämpfe um meine hinter-pommersche Heimat, den Einmarsch der Roten Armee und das anschließende  Chaos,   die   sowjetische  Herrschaftspraxis   und  die

Vertreibung nach Westdeutschland. Dies alles stellte – verbunden mit dem Umstand, dass mein Vater nicht aus dem Krieg zurückkehrte und meine Mutter völlig mittellos mit vier kleinen Kindern allein dastand – die Auflösung der gewohnten Ordnungen und eine extreme soziale Deklassierung dar. dass es keine Stabilität der politisch-gesellschaftlichen Verhältnisse gibt, dass vielmehr das Wesen historischen Geschehens der Wandel ist, habe ich notgedrungen gleichsam auf empirischem Wege in einer entscheidenden Kindheitsphase erfahren. Es hat seither keinen Anlaß gegeben, diese vor 55 Jahren gewonnene Erkenntnis in Zweifel zu ziehen.

Und noch eine zweite Eigentümlichkeit historischen Geschehens ist mir, ebenfalls bedingt durch die ungewöhnlichen Zeitverhältnisse, bereits in meiner Grundschulzeit deutlich geworden, die fundamentale Tatsache nämlich, dass sich dieses Geschehen einer einheitlich-einhelligen Beurteilung entzieht und dass man sich im Bemühen um objektive Erkenntnis grundsätzlich auf schwankendem Boden bewegt.

Schon an meinem Diercke-Atlas, der noch aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg stammte, waren mir die im Vergleich zu neueren Karten mitunter merkwürdig anmutenden Grenzen aufgefallen. Später geriet ich mit unserem französischen Kriegsgefangenen in Streit, weil über dessen Bett eine Frankreich-Karte hing, die Elsaß-Lothringen mit einschloß. Es war offenkundig, dass es hinsichtlich der geographischen Ausdehnung eines Landes unterschiedliche Vorstellungen geben konnte.

Dies war erst recht bei der Beurteilung politischer Tagesfragen der Fall. Die öffentliche Meinung im NS-Staat war nicht so monolithisch, wie man sich das heute vorstellt. Zwar war wie in allen totalitären Diktaturen der Einfluß der staatlichen Propaganda gewaltig, aber gerade deswegen fiel es einem Kind sofort auf, wenn politische Bemerkungen von Eltern oder Verwandten so gar nicht mit der Doktrin des herrschenden Regimes in Einklang zu bringen waren. In unserem kleinen Dorf, wo sich alle kannten, wurde teilweise sehr offen gesprochen; ich erinnere mich, dass es Leute gab, die das Scheitern des Staatsstreichs vom 20. Juli 1944 zutiefst bedauerten.

Auf vollends oppositionelle Ansichten stieß man in dem französischen Kriegsgefangenenlager, das auf unserem Hofe eingerichtet war und das alle Kinder des Dorfes gerne aufsuchten, weil es dort dank der Rote-Kreuz-Pakete, die die Gefangenen erhielten, Schokolade und andere Naschereien gab, auf die man in Deutschland schon seit Jahren verzichten mußte. Über westliche Illustrierte – ich erinnere mich an ein Großfoto von der Invasion in der Normandie – wurden uns verblüffende Beurteilungen der politisch-militärischen Lage vermittelt. Eines Tages fuhr der unserem Hof zugeteilte Franzose ständig mit der Pferdekarre um den Mistberg und spottete dabei lauthals: „Räder müssen rollen für den Sieg!“ – eine Parole, die damals an allen Eisenbahnzügen angebracht war.

Fast noch beeindruckendere Beispiele für die Relativität historisch-politischer Werturteile erlebte ich nach der Niederlage. Immer wieder kam es vor, dass ein und dieselbe Person ein und dieselbe Tatsache nunmehr ganz anders, ja sogar völlig gegenteilig bewertete als zuvor. Zutiefst betroffen war ich, als nach der Vertreibung in das linksrheinische Deutschland einige der neuen Mitbürger uns als „Pollacken“ ansahen – nicht einmal die eigene Nationalität schien also über alle Zweifel erhaben.

Es sollte noch Jahrzehnte dauern, bis ich in den Jahren 1989 – 1991 wieder ähnlich bedeutsame Vorgänge erleben konnte wie in meiner Kindheit. Wiederum war der Hauch der Historie zum Greifen spürbar, wiederum der Zusammenhang zwischen Politik und Geschichte für jedermann offenkundig. Nach einer griffigen Formulierung besteht dieser Zusammenhang darin, dass Geschichte geronnene Politik, Politik Geschichte im Werden ist. In der Tat: Was ich um die Mitte der vierziger Jahre als politisches Geschehen erlebte, die Niederlage, den Zerfall der Siegerkoalition, die Spaltung Deutschlands und Europas, war 45 Jahre später längst zu Geschichte erstarrt. Andererseits wurden jetzt neue politische Kräfte freigesetzt, die sich gegen hoffnungslos verkrustete Strukturen richteten und ihrerseits veränderte historische Konstellationen und eine neue historische Epoche heraufgeführt haben. Zwischen Politik einerseits und Geschichte andererseits besteht, wie in solchen Umbruchzeiten besonders deutlich zu erkennen ist, ein evidenter innerer Zusammenhang: Es handelt sich lediglich um unterschiedliche Aggregationszustände menschlicher Verhältnisse, um zwei Seiten ein und derselben Medaille.

Die Erinnerung ist das einzige Paradies,
woraus wir nicht vertrieben werden können   (Jean Paul).

Geschichte als Erinnerung

Wie der Einzelmensch dank seines Gedächtnisses auf sein früheres Leben zurückblicken kann, gibt es auch eine überindividuelle Vorstellung von Vergangenheit als kollektive Erinnerung von Gruppen, etwa von Familien, regionalen Verbänden oder ganzen Völkern. Geschichte in diesem Sinne ist „die Form, in der sich eine Kultur Rechenschaft über ihre Vergangenheit gibt“ (Huizinga). Diese kollektive Erinnerung wirkt sich mehr oder weniger bewußt auch auf die historische Vorstellungswelt des Einzelnen aus. Deren individuelle Entwicklung vollzieht sich zunächst vor allem auf dreierlei Weise:

1. durch das eigene Miterleben zeitgeschichtlicher Vorgänge,

2. durch die mehr oder weniger bewußte Übernahme von Vorstellungen anderer,   vom   bloßen   Hörensagen   im   Verwandtschafts- und Bekanntschaftskreis bis zur staatlich intendierten Traditionspflege,

3. durch die systematische Unterweisung in Schule und Hochschule, verbunden  mit  mehr  oder  weniger  planvollem  eigenen  Bemühen (Forschung, Lektüre, Museumsbesuche, Reisen).

Die Summe der auf diese Weise gewonnenen Einsichten und Erfahrungen ist allerdings noch nicht gleichbedeutend mit Geschichtsbewußtsein, sondern lediglich dessen notwendige Voraussetzung. Geschichtsbewußtsein entwickelt sich erst in ständiger geistiger Auseinandersetzung, die kritisch und affirmativ zugleich ist. Einerseits sind alle Informationen und Zusammenhänge beständig auf ihre Plausibilität, ihre Tragfähigkeit und ihre innere Logik hin zu befragen. Andererseits ist auch die eigene Existenz als geschichtlich bedingt zu verstehen, das Ich in den Gesamtablauf der Geschichte einzuordnen. Jeder Mensch wird geprägt durch seine Herkunft und seine Zugehörigkeit zu bestimmten politischsozialen Gruppierungen, die den Rahmen dessen bilden, was der Einzelne als historisch begründete Identität entwickelt.

Aus dieser vorgegebenen, ebenfalls ständig zu hinterfragenden Identität und dem eigenen kritischen Bemühen um historische Erkenntnis entsteht Geschichtsbewußtsein.

Wie alle Ostdeutschen hatte ich durch das Erlebnis von Krieg und Kommunismus, Flucht und Vertreibung einen anderen Erfahrungshintergrund als beispielsweise meine rheinischen Klassenkameraden am Neußer Quirinus-Gymnasium, die zumeist den Krieg einigermaßen unbeschadet überstanden hatten. Nach der Vertreibung waren wir 14 Tage lang in einem Viehwagen von Ostpommern bis an den Niederrhein gefahren, wobei ich diese Fahrt anhand eines kleinen Taschenatlasses genau verfolgt hatte. Ich hatte also sehr bewußt ganz Deutschland durchquert, während viele meiner Klassenkameraden allenfalls gelegentlich die rechte Rheinseite gesehen hatten.

Die erweiterte Perspektive, die mit dem persönlichen Erlebnis zeitgeschichtlicher Vorgänge verbunden ist, sollte mir auch weiterhin wiederholt zugute kommen, etwa während der 1968er Revolte oder bei Auseinandersetzungen mit der deutschen Frage.

Was die indirekte Vermittlung politisch-historischer Gegenstände angeht, so standen mir seit meiner Kindheit sehr viele, aber auch sehr widersprüchliche Informationen zu Gebote. Unser Hof in Pommern war nacheinander Gefangenenlager, Sitz einer Abschnittsverwaltung für den Bau des – später völlig nutzlosen – ostdeutschen Befestigungssystems („Panzergraben“), Bataillonsgefechtsstand der Wehrmacht und Rinderzuchtbetrieb einer sowjetisch geführten Kolchose; entsprechend bunt und konträr waren die Informationen, die man aufschnappte. Einerseits stand man als Kind sehr stark unter dem Eindruck der NS-Propaganda, andererseits wurde Entscheidendes davon von Verwandten und Nachbarn in Frage gestellt. Außerdem wurde ich innerhalb weniger Jahre mit völlig unterschiedlichen offiziellen Geschichtsleitbildern konfrontiert: mit dem nationalsozialistischen, dem kommunistischen und dem demokratischen.

Aus der Summe der Informationen und der ständigen Notwendigkeit vergleichenden Abwägens entwickelten sich die ersten Anfänge eines eigenen Geschichtsbewußtseins, zunächst allerdings recht zögerlich, da ich anfangs aus einer Art kindlicher Trotzhaltung oder aus Loyalität zu mir nahestehenden Personen bei einer vorgefaßten Meinung blieb. Allmählich jedoch lernte ich, dass man gut daran tat, Äußerungen und Ansichten anderer nicht einfach als bare Münze zu übernehmen und nur halbwegs gesicherte Fakten in das sich entwickelnde Geschichtsbild einzubeziehen.

Die erste systematische Einführung in die Geschichte erfuhr ich am Gymnasium, wo uns in einem elementaren und einem zweiten gehobenen Durchgang von den Anfängen bis zur Gegenwart wesentliche Epochen vermittelt wurden. Der Unterricht war nicht exzellent, an heutigen Verhältnissen gemessen jedoch außerordentlich effektiv. Es wurde größter Wert auf die sichere Kenntnis der historischen Fakten gelegt, auf umfangreiches, detailliertes, „abfragbares“ Wissen. Der „zweite Durchgang“ gewann erheblich an Dichte und Tiefe durch den Umstand, dass damals die geisteswissenschaftlichen Disziplinen noch ein historisches Selbstverständnis hatten. Durch die Lektüre der Originaltexte von Thukydides, Sallust und Tacitus, durch zahlreiche geistesgeschichtliche Informationen im Deutsch-, Kunst- und Musikunterricht wurde der Geschichtsuntericht ergänzt und abgerundet.

Meine Gymnasialzeit fiel in die Epoche „abendländischer Restauration“; in Neuß, „des Kölner Erzstifts treuesten Tochter“, war die damit verbundene christlich-katholische Komponente besonders spürbar. Kein Wunder also, dass damals der Geschichtsunterricht stark europaorientiert war, wobei insbesondere die gemeinsamen antiken Wurzeln, die christliche Prägung des Kontinents und die Gemeinsamkeiten mit dem nahen Frankreich betont wurden.

Ich habe mich damals gegen diese „karolingische“ Orientierung der jungen Bundesrepublik und die entsprechende Ausrichtung des staatlichen Unterrichts gesträubt, weil dies alles so gar nicht mit meiner bisherigen Erfahrungswelt in Einklang zu bringen war. Nicht erst seit heute bin ich jedoch der Überzeugung, dass meine Geschichtslehrer, entkleidet man ihre Vorstellungen eines gelegentlich etwas penetranten ideologischen Beigeschmacks, Recht hatten. Inzwischen ist mir klargeworden, dass der frühmittelalterliche Verschmelzungsprozeß von Antike, Christentum und fränkisch-germanischer Welt tatsächlich konstitutiv gewesen ist für die Geschichte der Völker unseres Kontinents und dass die Gemeinsamkeiten so augenfällig sind, dass man mit Recht von einer „Einheit in der Vielfalt“ gesprochen hat.

Auf der anderen Seite gehört zu meinen frühen kindlichen Erfahrungen die Erkenntnis, dass es sich bei Franzosen und Deutschen, Russen und Polen um Menschen von jeweils ausgeprägt eigener Art handelt, und diese Erkenntnis ist seither zwar immer mehr differenziert, aber niemals grundlegend erschüttert worden. Je mehr ich mich etwa mit der deutschen Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts beschäftigte, um so mehr gewann ich den Eindruck, dass die Einheit und Freiheit unseres Landes das historische Grundthema darstellen und dass beispielsweise die schwarz-rot-goldenen Fahnen des Wartburgfestes von 1817 und die der Leipziger Herbstdemonstrationen von 1989 letztlich dieselben Zielvorstellungen symbolisierten. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass nach wie vor die Völker die Träger der historischen Entwicklung sind, so sind es die Ereignisse, die sich seit 1989 in Ost- und Ostmitteleuropa abspielen.

dass Geschichtsbewußtsein keine statische Größe ist, geht auch daraus hervor, dass aus letztlich politischem Interesse immer wieder versucht wird, durch planmäßiges publizistisches Vorgehen allgemein akzeptierte, als selbstverständlich geltende Paradigmen und Wertungssysteme außer Kraft zu setzen. Das war beispielsweise in umfassenden Sinne bei der 68er Bewegung der Fall, die aufs Ganze gesehen als ziemlich erfolgreich bezeichnet werden muß. Aber auch nicht so grundsätzliche Auseinandersetzungen dieser Art, bei denen es auf den ersten Blick nur um innerfachliche Fragen zu gehen schien, dienten dem gleichen Ziel, etwa die Fischer-Zechlin-Kontroverse um den Ausbruch des Ersten Weltkriegs, der „Historikerstreit“ über die „Singularität“ des Judenmordes oder der in den letzten Jahren unternommene, in wissenschaftlicher Hinsicht lächerliche Versuch, die gesamte Wehrmacht zu kriminalisieren. Wie diese Beispiele zeigen, ist Geschichte im Sinne historischer Erinnerung nie etwas Statisch-Abgeschlossenes, sondern immer etwas Dynamisch-Lebendiges; Geschichtsbewußtsein wird immer wieder in Frage gestellt, muß immer wieder neu erworben und begründet werden.

Das erste Gesetz des Historikers: nicht Falsches zu sagen,
das zweite: sich nicht zu scheuen, das Wahre zu sagen   (nach Cicero).

Geschichte als Wissenschaft

Wissenschaft ist die systematische, logisch und methodisch begründete Ermittlung und deutende Verknüpfung von Kenntnissen, über deren Zustandekommen Rechenschaft abzulegen ist, so dass sie jederzeit überprüft und korrigiert werden können. Jede Wissenschaft ist durch einen speziellen Gegenstand und eine spezielle Methode gekennzeichnet, wobei Natur-, Geistes- und Sozialwissenschaften jeweils unterschiedliche Methoden anwenden. Gegenstand der Geschichtswissenschaft ist das sich zwischen Menschen abspielende Geschehen (Geschichte = Geschehenes), ihre Methode überwiegend die Quelleninterpretation, also ein textdeutendes (hermeneutisches) Verfahren. Die Disziplin galt daher traditionell als Geisteswissenschaft, bevor sie um 1970 unter dem Ansturm der Sozialwissenschaften in eine tiefe Krise geriet; manche Wissenschaftlicher wollten in der Geschichte nurmehr eine „historische Sozialwissenschaft“ sehen.

Diese Zeiten sind vorbei. Während beispielsweise die Soziologie seither deutlich an Boden verlor, hat sich die Geschichte nicht nur als eigenständige Wissenschaft behauptet, sondern ist – quantitativ gesehen – vor allem in den 80er und 90er Jahren kräftig aufgeblüht.

Was die „Objektivität“ der von der Geschichtswissenschaft bereitgestellten Ergebnisse angeht, so lassen sich diese sicherlich nicht mit naturwissenschaftlichen Erkenntnissen vergleichen. Wie alle anderen Geisteswissenschaften ist die Geschichte jedoch dank der permanten innerfachlichen Diskussion in der Lage, sich approximativ in Richtung objektive Wahrheit zu bewegen; je länger die Diskussion währt, um so genauer wird das Bild. Wenn sich heute beispielsweise in der Lutherforschung kaum mehr Unterschiede zwischen evangelischer und römisch-katholischer Betrachtungsweise feststellen lassen, so ist dies ein Zeichen dafür, dass unsere Zeit ein sehr viel genaueres Lutherbild hat als beispielsweise die frühe Neuzeit. Der Gang der Forschung läßt sich also als Asymptote beschreiben: Wir erreichen die Wahrheit nie, aber wir kommen ihr im Laufe der Zeit sehr, sehr nahe.

Mit Geschichte als Wissenschaft kam ich zuerst als Geschichts- und Germanistikstudent an den Universitäten Köln, Berlin (Freie Universität) und Kiel, dann als Wissenschaftlicher Assistent am Historischen Seminar in Kiel, schließlich als Lehrbeauftragter an der Pädagogischen Hochschule Kiel in Berührung. Meine ersten Erfahrungen waren ausgesprochen positiv. Gleich zu Beginn meines Studiums zogen mich renommierte Hochschullehrer wie Prof. Rassow oder Prof. Schieder in ihren Bann. Beeindruckend war vor allem die Souveränität, die Professoren und Dozenten im Umgang mit historischen Gegenständen an den Tag legten, auch die Unbedingtheit, mit der einige von ihnen – wie auch manche Doktoranden und Habilitanden – ihren Forschungsaufgaben nachgingen. dass regelmäßig auch an Abenden und an Wochenenden hart gearbeitet wird, ist mittlerweile in unserer Gesellschaft ja durchaus unüblich.

Imponierend auch die großen geschichtswissenschaftlichen Unternehmungen, etwa das Riesenwerk der Monumenta Germaniae Historica, eine Sammlung mittelalterlicher Quellen, in die ich über meinen Doktorvater, Prof. Jordan, Einblick erhielt, oder die von Prof. Erdmann besorgte Edition der Reichskanzler-Akten der Weimarer Republik. In manchem Teilbereichen der Disziplin war der wissenschaftliche Fortschritt mit Händen zu greifen, etwa in der Geschichte der frühen Neuzeit oder in der Wirtschafts- und Sozialgeschichte.

Wer in den 60er Jahren in der Geschichtswissenschaft über einen allgemeineren Gegenstand forschen wollte, konnte dies nach meinen Eindrücken kaum mehr auf dem Felde der Antike, der mittelalterlichen Reichsgeschichte oder im Bereich des 19. Jahrhunderts tun. Es blieben die frühe Neuzeit, die Zeitgeschichte und die Landesgeschichte. Die frühe Neuzeit hat mich nie so stark interessiert wie andere Epochen, und die Zeitgeschichte erschien mir grundsätzlich problematisch, da ich der Meinung war – und bin -, dass die jeweilige Gegenwart sich selbst gar nicht historisch verstehen kann. Ich habe mich aus diesen Gründen gegen Ende meines Studiums vor allem auf die Landesgeschichte konzentriert, die ich seit jeher als besonders reizvolle Teildisziplin des Faches angesehen habe. Auch hier dürften frühe Erfahrungen prägend gewesen sein. Durch die Vertreibung ins Rheinland, durch das Studium in Berlin und Kiel und durch zahlreiche Reisen, vorwiegend Radtouren nach Süddeutschland, ist mir schon in meiner Kindheit und Jugend die geographische, geistige und historische Vielfalt der Regionen Deutschlands bewußt geworden, die zu vergleichender Analyse geradezu einlädt. Politisch hat dies übrigens die Auswirkung gehabt, dass ich mein ganzes Leben lang überzeugter Föderalist gewesen bin.

Ich ließ mir also, nachdem ich Anfang der sechziger Jahre beide Staatsexamina abgelegt hatte, für die Doktorarbeit ein Thema geben, das sich auf vier Jahrhunderte schleswig-holsteinischer Verfassungsgeschichte bezog („Die Wehrverfassung der Grafschaft Holstein“)- Diese Arbeit, die ich neben meiner beruflichen Tätigkeit schrieb, hat mich, was Abende, Wochenenden und Ferien angeht, einige Jahre meines Lebens gekostet. Ich würde sie gleichwohl immer wieder in Angriff nehmen, da historische Arbeit und Forschung für mich etwas ungemein Befriedigendes darstellt.

Die großen Fragen der Menschheit sind nach meiner Überzeugung zu allen Zeiten die gleichen gewesen; es gibt zwar technischen, nicht aber philosophischen, religiösen, ethischen oder ästhetischen Fortschritt. Wenn dem so ist, dann ist derjenige, der geschichtswissenschaftlich arbeitet oder forscht, dem Humanum selbst auf der Spur, und zwar gleichgültig, ob er eine Proseminararbeit anfertigt oder seine Habilitationsschrift erstellt. Am interessantesten für den Menschen ist zumeist doch letztlich der Mensch. Woher aber können wir – außer durch Beschäftigung mit Kunst und Literatur – etwas über diese Spezies erfahren, wenn nicht aus der Geschichte?

Die Dissertation, 1970 von der Philosophischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität angenommen, bildete den Auftakt zu einer Reihe weiterer Veröffentlichungen überwiegend zur holsteinischen Regionalgeschichte, aber auch zur deutschen und europäischen Geschichte. Sie sind zwar, bedingt durch die zunehmende berufliche Belastung, ihrem Umfang nach meistens recht knapp geraten, haben mir aber wie alle anderen mit Wissenschaft zusammenhängenden Tätigkeiten – Sektionsleitung der Universitätsgesellschaft, Vorsitz bei der Wissenschaftlichen Staatsprüfung, Vortrags- und Herausgebertätigkeit – über Jahrzehnte hinweg Freude und Befriedigung verschafft.

Auf der anderen Seite gab es im Zusammenhang mit meiner wissenschaftlichen Tätigkeit auch viel Verdruß und immer wieder die niederschmetternde Erfahrung, offenkundig schädlichen Entwicklungen hilflos zusehen zu müssen. Ich denke dabei vor allem an die sogenannte Studentenrevolte der späten sechziger Jahre und den durch sie ausgelösten „Paradigmenwechsel“, der zumindest die geisteswissenschaftliche Lehre und Forschung, darüber hinaus aber auch das gesellschaftliche Miteinander und die politische Kultur unseres Landes bis heute stark beeinflußt.

Ich war damals zur Fertigstellung meiner Dissertation aus dem Schuldienst an die Christian-Albrechts-Universität abgeordnet und am Historische Seminar als Wissenschaftlicher Assistent tätig. Mit fassungslosem Erstaunen, ja mit Entsetzen beobachtete ich wie viele andere meines Alters, dass zahlreiche Kommilitonen, die nur wenige Jahre jünger waren, der neomarxistischen Ideologie anheimfielen – in unmittelbarer räumlicher Nähe zum „real existierenden Sozialismus“ in der DDR und nur gut zwanzig Jahre nach den angedeuteten Erfahrungen des Jahres 1945. Damals ist mir besonders deutlich geworden, in wie starkem Maße der jeweilige Erfahrungshorizont einer Generation deren politische Einstellung beeinflußt.

Die Parolen und Zielvorstellungen der damals hoch emotionalisierten Studenten waren teils witzig, teils kindisch, teils weltfremd-naiv; die „revolutionären“ Aktionen wurden immer gewalttätiger und brutaler. Regelmäßig zogen gewaltbereite „Demonstranten“ mit dem rhythmischen Kampfruf „Hooo-Hooo-Ho-Tschi-Minh“ durch die Kieler Innenstadt. Fensterscheiben klirrten, Vorlesungen wurden gesprengt, Institute gestürmt und demoliert, „Sit-in’s“ und „Love-in’s“ organisiert, „Studentenstreiks“ ausgerufen und mit Gewalt durchgesetzt. Auch auf dem Kieler Campus kam es zur entwürdigenden Behandlung verdienter Gelehrter; auch hier wurden die damals gängigen Parolen skandiert, von denen dem heutigen Leser eine kleine Auswahl vorgestellt sei:

      • „Oma, ‚runter vom Balkon, unterstütz‘ den Vietcong!“
      • „Brecht dem Schütz (= Regierender Bürgermeister von Berlin) die Gräten, alle Macht den Räten!“
      • „Wer zweimal mit der derselben pennt, gehört schon zum Establishment.“
      • „Macht kaputt, was Euch kaputtmacht!“

Am Historischen Seminar nahm sich dies alles insofern besonders absurd, manchmal sogar unfreiwillig komisch aus, als „Revolutionäre“ noch nie sehr viel Sinn für überkommene Strukturen und geistige Traditionen entwickelt haben – eine unabdingbare Voraussetzung jeder ernsthaften Beschäftigung mit Geschichte. Es sollen ja gerade wesentliche Traditionen und aus der Vergangenheit wirkende Kräfte ausgemerzt werden. Auf Emotionen basierender revolutionärer Haß auf die Vergangenheit und rationaler Umgang mit ihr schließen sich gegenseitig aus.

Da die Polizei damals, sofern überhaupt nach ihr gerufen wurde, oft merkwürdig spät erschien, mußte man häufig genug zur Selbsthilfe greifen, um die zum Teil wertvollen Institutseinrichtungen und Forschungsunterlagen zu schützen. Ich erinnere mich noch, dass ich einmal eine ganze Nacht auf der Couch von Prof. Erdmann geschlafen habe, um als menschlicher Wachhund die Akten des Deutschen Bildungsrates zu sichern, dessen Vorsitzender Erdmann damals war.

Was bleibt als Bilanz jener wilden Zeit? Erstens der Eindruck, dass mangelnde Zivilcourage, um nicht zu sagen fehlendes Rückrat, weit verbreitet sind und gerade auch bei Beamten auf Lebenszeit, denen die öffentliche Vertretung einer bestimmten Position doch nicht schaden kann, eher die Regel als die Ausnahme darstellen. Kaum einer der damaligen Professoren trat dem geschilderten Treiben entgegen. Zweitens die persönliche, nicht nur auf Hörensagen beruhende Erkenntnis, dass eine hoch-emotionalisierte, demagogisch aufgeputschte Menge buchstäblich zu allem in der Lage ist. Drittens die resignative Einsicht, dass auch sachlich unbegründete, nach allgemeiner Einschätzung zunächst kuriose Vorstellungen, langfristig ihre Wirkung tun, wenn die entsprechenden Parolen über Jahrzehnte hin ständig wiederholt werden und wenn – wie geschehen – den progressiven Matadoren der „lange Marsch durch die Institutionen“ gelingt.

Der Niedergang der deutschen Wissenschaft im allgemeinen und der Geschichtswissenschaft   im   besonderen   ist   allerdings   durch   die „Kulturrevolution“ nicht ausgelöst, sondern nur beschleunigt worden. Am Anfang stand die zweimalige Ausschaltung leistungsfähiger Hochschullehrer – 1933 und 1945. Schon zu Beginn der sechziger Jahre zeichnete sich die moderne Massenuniversität ab, die etwas qualitativ anderes darstellte als die Universität des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Wie ich selber beobachten konnte, entzogen sich manche Hochschulschullehrer ihrer Verantwortung gegenüber den Studenten, indem sie darauf verzichteten, elementare Zusammenhänge darzustellen und historisch-politisches Problembewußtsein zu wecken. Die große historische Überblicksvorlesung starb; statt dessen wurden Hilfskräfte wie Tutoren und Assistenten zum Lehrbetrieb herangezogen. Auch in der geschichtswissenschaftlichen Forschung und in den Seminaren ging es zunehmend weniger um die großen Gegenstände der Disziplin; statt dessen wurden immer mehr punktuelle, oft entlegene, mitunter absonderliche Einzelthemen bearbeitet. Die „Atomisierung der Geschichtswissenschaft“, die hier nur angedeutet werden kann, ging natürlich überwiegend zu Lasten der Studenten – eine fatale Entwicklung, die wenig später voll auf den Schulunterricht durchschlagen sollte.

 Lernen kann ein jeder von jedem, der gelebt hat   (v. Holtet).

Geschichte als Schulfach

Bis in die sechziger Jahre hinein blieb das Humboldtsche Prinzip „Bildung durch Wissenschaft“ unangefochten. Der Geschichtslehrer sah seine Aufgabe darin, den Schülern eine umfassende historische Grundorientierung zu vermitteln, indem er, fußend auf dem jeweiligen Stand der Forschung, im Unterricht die wichtigsten Ergebnisse seiner Disziplin in altersgerechter Weise darbot („Abbilddidaktik“).

Seit etwa 1970 trat auch hier ein Paradigmenwechsel ein. Es begann damit, dass sich für die Geschichtslehrer zunehmend die Aufgabe der „Bewältigung“ der nationalsozialistischen Vergangenheit stellte. Wenig später setzte auf breiter Front eine allgemeine „Lernziel-Diskussion ein – eine wahrhaft kopernikanische Wende in der Geschichte des deutschen Gymnasiums. Nunmehr war die Zielsetzung des Unterrichts nicht mehr ausschließlich wissenschaftsimmanent vorgegeben, sondern nach dem Willen der jetzt an Einfluß gewinnenden Geschichtsdidaktiker sollten sich die Geschichtslehrer an festgelegten Lernziel-Taxonomien orientieren. Die Geschichte wurde – wenigstens dem Grundsatz nach – zum Steinbruch, dem der Lehrer das jeweils passende Material entnehmen sollte.

Ich habe – gemeinsam mit vielen anderen Fachkollegen – gegen teilweise beträchtlichen Widerstand versucht, dieser Entwicklung entgegenzuwirken, zunächst als Mitglied der Fachkonferenz an der Ricarda-Huch-Schule in Kiel, dann als Schulleiter, schließlich als Landesvorsitzender des Geschichtslehrerverbandes. Dabei wurde immerhin erreicht, dass sich die Abkoppelung des Geschichtsunterrichts von der Geschichtswissenschaft in Schleswig-Holstein bis etwa 1990 nicht so radikal vollzogen hat wie in manchen anderen Bundesländern. Für die gymnasiale Oberstufe gilt dies weitgehend bis heute, da die seinerzeit durchgesetzten Lehrpläne bisher unverändert geblieben sind.

Schon in meiner Junglehrer-Zeit beobachtete ich, dass der Geschichtsunterricht, wie ich ihn verstand, auch noch von einer ganz anderen Seite her in Frage gestellt wurde. Bei der schulpraktische Ausbildung der Referendare stellte ich fest, dass zunächst wenige, später immer mehr keinen ausreichenden Gesamtüberblick über den Geschichtsablauf mitbrachten. Einige, die diesen Mangel selbst spürten, machten sich in den Geschichtsstunden, in denen sie hospitierten, Aufzeichnungen zur Sache, was ja eigentlich nicht der Zweck der pädagogischen Ausbildung ist. Die unterrichtlichen Auswirkungen waren spürbar: Ein zunehmender Anteil der jungen Kollegen bereitete sich zwar auf die einzelnen Stunden, besonders auf Lehrproben-Stunden, gründlich und gewissenhaft vor, lebte aber ansonsten gleichsam von der Hand in den Mund. Die Folge: Eine Reihe jüngerer Geschichtslehrer war nicht mehr in der Lage, im Unterricht die großen Zusammenhänge herzustellen, historische Gegenstände im politischen Sinne zu abstrahieren, Vergleiche zwischen historischen Vorgängen etwa der Antike einerseits, der späten Neuzeit andererseits zu ziehen.

Da ich wenige Jahre zuvor beobachtet hatte, dass die Universität ihre entsprechenden Aufgaben immer weniger wahrnahm, war diese Entwicklung nicht überraschend. Natürlich haben die wirklich Qualifizierten unter den angehenden Historikern die Lücken, die der akademische Lehrbetrieb seither hinterläßt, bis zum heutigen Tage immer wieder durch Selbststudium geschlossen, doch bei allen war und ist naturgemäß ein derartiges persönliches Engagement nicht zu erwarten.

Auf wundersame Weise fügte es aber nun die Entwicklung der historischen Fachdidaktik, dass der unqualifizierte Geschichtslehrer-Nachwuchs aus seiner Not eine Tugend machen konnte. Je mehr nämlich staatlicher-seits die Erfüllung von Lernzielen erwartet wurde, die der Disziplin nicht immanent waren, sondern inzwischen auch von außen an das Schulfach Geschichte herangetragen wurden, um so weniger sah man es überhaupt noch als notwendig an, den Schülern einen Gesamtüberblick zu vermitteln. Nicht mehr die großen Zusammenhänge und die Kenntnis der wichtigsten Gegenstände und Epochen waren Ziel des Geschichtsunterrichts, sondern das Erreichen der vorgegebenen Lernziele.

Die Auswahl der Unterrichtsinhalte gewann einen hohen Grad der Beliebigkeit. Natürlich kann man beispielsweise das Lernziel „Emanzipation“ anhand zahlloser historischer Gegenstände erarbeiten. dass bei diesem Verfahren aber wichtige andere Gegenstände und Vorgänge, ohne die unsere Gegenwart nicht zu verstehen ist, im Unterricht nicht mehr vorkommen, nimmt man seither in Kauf.

Da ich in den entscheidenden 80er Jahren als Landesvorsitzender des hier vor allem geforderten Fachverbandes an den Auseinandersetzungen um den Geschichtsunterricht aktiv teilnahm, seien im Folgenden einige Punkte erwähnt, bei denen ich mich besonders engagiert habe. Es ging z.B. um die Frage, ob Geschichte chronologisch oder thematisch unterrichtet werden sollte. Früher war es üblich gewesen, nach einem ersten Durchgang durch die Geschichte in der Obersekunda erneut mit der Antike zu beginnen und die Schüler, nunmehr auf erheblich anspruchsvollere Weise, nochmals über das Mittelalter und die Neuzeit zur Gegenwart zu führen. Dieser „zweite Durchgang“ war jetzt absolut verpönt; bereits der Begriff geriet zum Unwort, denn auch und gerade auf der Oberstufe sollte fortan „thematisch“ gearbeitet werden. Im Unterschied zu anderen Bundesländern gelang es in Schleswig-Holstein, einen Oberstufenlehrplan durchzusetzen, der zwar thematisch gegliedert ist und im einzelnen „didaktische Gesichtspunkte“ vorschreibt, der aber die wichtigsten Gegenstände des Faches enthält und die Themen außerdem in chronologischer Reihenfolge bringt. Daher ist der didaktische Paradigmenwechsel hier bisher nicht so vollständig durchgeschlagen wie anderswo.

Ein weiterer Streitpunkt betraf die Frage, ob der Geschichtsunterricht vorwiegend konkretes menschliches Handeln oder Strukturen von langer Dauer behandeln solle. Hier hat sich – anders als beim Oberstufen-Lehrplan – in dem gegenwärtig gültigen Lehrplan der Sekundarstufe I die strukturelle Betrachtung in einer Weise durchgesetzt, die im Vergleich mit anderen Bundesländern ungewöhnlich radikal erscheint.

Gestritten wurde auch über die Frage, inwieweit an die Stelle der europa-zentrischen die globale Geschichtsbetrachtung treten solle. Dabei ignorierten die Vertreter der letzteren Auffassung, dass zahlreiche die Menschheitsentwicklung bestimmenden Phänomene zunächst in Europa und nur in Europa auftreten. Gestritten wurde ferner über die neuen Teildisziplinen (z.B. Alltagsgeschichte, Umweltgeschichte, Frauengeschichte), die sich seit den achtziger Jahren entwickelten und die dem Geschichtsunterricht ganz neue Akzente verliehen haben.

Während meiner Dienstzeit hat sich nicht nur der Inhalt, sondern auch der Stil des Geschichtsunterrichts weitgehend geändert. Der Frontalunterricht wird vielfach als undemokratisch verteufelt; die Schüler sollen ihre Lernergebnisse selbst erarbeiten, der Lehrer lediglich noch als Organisator und Moderator fungieren. Den Schüler-Arbeitsgruppen legte man deshalb historische Quellen – genauer: meist sehr knappe Quellenauszüge – zur Interpretation vor. Zwar bin auch ich der Meinung, dass der Schüler mit den bedeutenden Quellentexten unserer Geschichte konfrontiert werden muß. Ich halte es jedoch für übertrieben und schädlich, wenn in nahezu jeder Stunde eine Quelle interpretiert wird, samt der zugehörigen obligatorischen „Stillarbeitsphase“. Das ganze kostet sehr viel Zeit, und der Aufwand steht im allgemeinen in keinem rechten Verhältnis zum Ergebnis. Wenig überzeugend erscheint mir auch die für diese Unterrichtsweise vorgebrachte Begründung, der Schüler könne sich dann selbst ein objektives Bild des jeweiligen historischen Gegenstandes machen. Genau das kann er ohne Mithilfe des Lehrers eben nicht, und wer manipulieren möchte, kann dies genauso durch Auswahl und Arrangement der vorgelegten Quellenspots wie in direkter Ansprache.

Zusammenfassend kann man sagen, dass die oben angedeutete „Atomisierung der Geschichtswissenschaft“ an der Schule nachvollzogen wird: Man gräbt an einzelnen Stellen tief, mitunter sehr tief, verzichtet dann aber – schon aus Zeitgründen – auf geistige Verknüpfungen, historische und politische Zusammenhänge, grundlegende Kenntnisse der jeweiligen Epoche und auf die deutende Gesamtschau.

Wie verhält sich ein Geschichtslehrer, dessen Dienstzeit in eine derartige Umbruchphase fällt? Ich habe mich während all der Jahre von zwei Grundprinzipien leiten lassen: von der fachlichen Verpflichtung gegenüber der Wissenschaft und von der pädagogischen Verantwortung für meine Schüler. Was die zahllosen didaktischen Neuerungen angeht, habe ich das übernommen, was nicht Ausfluß politischen Wollens oder modischer Schnickschnack war, sondern eine Bereicherung des Unterrichts darstellte. Auf diese Weise habe ich während meiner Tätigkeit an der Jürgen-Fuhlendorf-Schule – neben dem Unterricht im Klassenverband, in Grundkursen und in anderen Fächern – fast ein Dutzend Leistungskurse zum Abitur geführt, mit deren Mitgliedern ich teilweise heute noch in Verbindung stehe. Gesprächsthemen sind dann nicht nur der seinerzeitige Unterricht, sondern auch die gemeinsamen Exkursionen. Überzeugt vom Bildungswert des Reisens, habe ich während meiner Dienstzeit regelmäßig Oberstufenfahrten mit historisch-kulturhistorischer Akzentuierung durchgeführt, z. B. nach Berlin, Wien, Prag, Venedig oder Florenz, überwiegend jedoch nach Rom – in meinen Augen die Stadt, in der sich am ehesten die ganze Fülle europäischer Geschichte erschließt.

Was uns fast unumgänglich zu lächerlichen Personen macht, ist der Ernst, mit dem wir die jedesmalige Gegenwart behandeln
(Schopenhauer).

Geschichte und Politik

Seit ich als kleiner Junge erstmals erlebte, dass gegenwärtiges Handeln unwiderruflich zur Vergangenheit wird, dass Politik zur Geschichte gerinnt, habe ich beides nie als Gegensatz, sondern stets im komplementären Sinne verstanden, eben als zwei Seiten ein und derselben Medaille. Das genuin Politische an der Politik bleibt ja erhalten, wenn diese zu Geschichte wird und damit lediglich in einen anderen „Aggregatszustand“ tritt.

Angesichts dieser Zusammenhänge halte ich Geschichte für das Zentralfach der politischen Bildung, und zwar nicht nur im schulischen Bereich. Für diese Ansicht habe ich zwei Gründe: Erstens bleibt politische Bildung ohne Geschichte notwendigerweise lückenhaft und oberflächlich. Zweitens ermöglicht die Geschichte – und nur die Geschichte – die Ausbildung eines politischen Kategoriensystems, und zwar im reflektierenden Nachvollzug historischer Entscheidungen und im Vergleich zwischen Vergangenem und Gegenwärtigem.

Als Beispiel dafür, dass politische Bildung ohne Geschichte Stückwerk bleibt, führe ich die Entwicklung nach dem Zusammenbruch des Ostblocks, der Sowjetunion und Jugoslawiens an. Seither traten Staaten wie Polen, Ungarn, Tschechien, Litauen, Lettland und Estland sofort mit aller Entschiedenheit die Rückkehr nach Europa an; zur Zeit sind sie mit bemerkenswertem Erfolg dabei, ihre politische Verfassung, ihre Wirtschaftsordnung und ihr Rechtssystem dem ihrer westlichen Nachbarn anzupassen. In Rußland, Weißrußland, der Ukraine, Serbien, auch in Bulgarien und Rumänien verlief und verläuft diese Entwicklung dagegen sehr viel zögerlicher und bisher ohne große Erfolge. Warum sind diese Staaten von westlichen Verfassungs-, Wirtschafts- und Rechtsverhältnissen noch weit entfernt, warum gibt es in Weißrußland und Serbien immer noch kommunistisch geführte Regierungen?

Wer dieses Problem nicht historisch einzuordnen weiß, kann das Faktum der höchst unterschiedlichen Entwicklung im ehemaligen Ostblock nicht wirklich verstehen, da er deren Ursachen und Bedingtheiten nicht kennt; er könnte auch nichts über die mutmaßliche künftige Entwicklung sagen. Die historische Interpretation des gekennzeichneten Tatbestandes geht dagegen davon aus, dass als Folge der Teilung des Römischen Reiches im Jahre 395 eine lateinisch-katholische Westregion und eine griechischorthodoxe Ostregion entstanden, die seither eine sehr unterschiedliche Entwicklung genommen haben. Während es im Westen neben dem Staat, der im übrigen bereits im Mittelalter und erst recht seit dem 18. Jahrhundert freiheitliche Verfassungsformen entwickelte, immer geistig eigenständige Gewalten – die Kirche, die Universitäten, die künstlerischintellektuelle Welt, die Presse – gegeben hat, herrschten im Osten der Cäsaropapismus und in seinem Gefolge durchweg autokratische Systeme. Der griechisch-orthodoxe Osten hat weder eine Renaissance noch eine nennenswert durchschlagende Aufklärung, weder Bürgerfreiheit noch Rechtsstaatlichkeit, weder Menschenrechtsbewegung noch Parlamentarismus in unserem Sinne erlebt; während der jahrhundertelangen Türken- und Mongolenherrschaft war er zudem vollends von der Entwicklung im übrigen Europa abgeschnitten.

Diese Trennungslinie von 395 verläuft mitten durch das ehemalige Jugoslawien: Slowenen und Kroaten haben wie Tschechen, Polen, Ungarn und Balten ihr Christentum und ihre Kultur von Rom erhalten, während Serben und Mazedonier wie Russen, Ukrainer, Weißrussen, Rumänen und Bulgaren von Byzanz aus christianisiert wurden. Es ist natürlich außerordentlich schwer, vielleicht unmöglich, freiheitlich-demokratische Staatswesen, Rechtsstaatlichkeit und ein freies Wirtschaftsleben in einer Region zu begründen, die dergleichen nie gekannt hat. Die heute klar erkennbare Spaltung des ehemaligen Ostblocks wie auch des ehemaligen Jugoslawiens ist also historisch bedingt und wird sich mithin, wenn überhaupt, erst innerhalb eines größeren Zeitraums überwinden lassen.

Als zweites Beispiel für die dargelegten Zusammenhänge zwischen Politik und Geschichte möchte ich die politische Rolle der Regierung Kohl – Genscher in den entscheidenden Monaten des deutschen Vereinigungsprozesses anführen. Ich konnte mit meinen damaligen Schülern die jeweils aktuelle Situation viel besser vor dem Hintergrund des – gescheiterten – Einigungsversuchs von 1848 und des – geglückten -von 1871 beurteilen als etwa durch die regelmäßige Interpretation der Tagesschau, zumal die handelnden Politiker von 1848/49, 1870/71 und 1989/90 jeweils vor ganz ähnlichen Problemen standen: Widerstand des europäischen Auslands, innerdeutsche Grundsatzopposition, bereits entwickeltes Staatsbewußtsein der deutschen Einzelstaaten.

Wie dieses Beispiel zeigt, ist die Geschichte in der Lage, ein Kategoriensystem für die Einordnung und Beurteilung politischer Fakten und Vorgänge bereitzustellen. Sie kann dies leisten, da sie es mit bereits erfolgten Einscheidungen und bereits abgeschlossenen Entwicklungen zu tun hat, die der kritischen Reflexion und der vergleichenden Analyse zugänglich sind. Geschichte ist somit für die wirkliche geistige Durchdringung politischer Prozesse und Phänomene unverzichtbar.

Ich habe mich während meiner gesamten Dienstzeit bemüht, einen in diesem Sinne „politischen“ Geschichtsunterricht zu erteilen. Geschichte ist in meinem Verständnis nichts Antiquarisches, sondern etwas ungemein Wirksames, unsere Gegenwart in vielfacher Hinsicht Bestimmendes. Sie ist gerade das an der Vergangenheit, das nicht oder jedenfalls nicht ganz und in jeder Hinsicht vergangen ist.

Damit diese fruchtbare Wechselwirkung zwischen Politik und Geschichte zustandekommt, bedarf es meines Erachtens dreier Voraussetzungen. Erstens benötigt man engagierte Lehrer, denn „ wer nicht brennt, kann nicht entflammen“ (Makarenko). Zweitens müssen die Schüler ein Minimum an politischem Interesse aufbringen; ein in dieser Hinsicht völlig unbegabter Schüler sollte das Leistungsfach Geschichte ebensowenig wählen wie ein unmusikalischer Schüler das Leistungsfach Musik. Drittens bedarf es umfassender Kenntnisse historischer Fakten und Zusammenhänge. Wer glaubt, im Zeitalter elektronisch abrufbarer Daten darauf verzichten zu können, hat nichts von dem engen Zusammenhang zwischen Wissen und Bildung verstanden, wie es auch und gerade für das Fach Geschichte kennzeichnend ist:

„ Wer nicht von dreimal tausend Jahren
Weiß Rechenschaft sich abzulegen,
Bleib im Dunkel, unerfahren,
Mag von Tag zu Tage leben.“                  (J. W. v. Goethe)

Schriftenverzeichnis

      • Die Wehrverfassung der Grafschaft Holstein, Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte, Band 96, 1971
      • Zur Kirchengeschichte Nordelbingens in vorschauenburgischer Zeit; in: Aus Reichsgeschichte und Nordischer Geschichte, Festschrift für Karl Jordan, herausgegeben von H. Fuhrmann, H. E. Mayer und K. Wriedt, Stuttgart 1972
      • Die holsteinische Heeresorganisation im Mittelalter, Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte, Band 99, 1974
      • Die mittelalterliche Wehrorganisation im Amt Segeberg, Jahrbuch für den Kreis Segeberg, Band 20, 1974
      • Bornhöved in militärgeschichtlicher Sicht, in: Festschrift zur 750.
        Wiederkehr des Tags von Bornhöved, Bornhöved 1977 (auch im Jahrbuch für den Kreis Segeberg, Band 22, 1976)
      • Kleine Geschichte Europas (zusammen mit P. Bollmann und T. Petersen), Stuttgart 1979 (fünf Auflagen)
      • Die Grenze des Kreises Segeberg in raumgeschichtlicher Sicht, Jahrbuch für den Kreis Segeberg, Band 27, 1981
      • Die Chronik des Jürgen Fuhlendorf (Quellenedition mit Einführung und Erläuterungen), Schriftenreihe der Jürgen-Fuhlendorf-Schule, herausgegeben von H. F. Benthe und U. March, Heft 8, Bad Bramstedt
        1983
      • Kleine Geschichte der Deutschen (zusammen mit P. Bollmann und T. Petersen), Stuttgart/Herford 1984
      • Kleiner Atlas zur Geschichte Schleswig-Holsteins (zusammen mit M. Jessen-Klingenberg), Braunschweig 1986
      • Bedingungen und Aufgaben der geschichtlichen Bildung in der Oberstufe des Gymnasiums, in: Geschichte, Politik und ihre Didaktik, Jahrgang 14, 1986, Heft 1/2 (Vortrag auf dem 35. Deutschen Historikertag)
      • Besinnung auf Friedrich den Großen, Kiel 1986 (Herausgeber)
      • Der Raum Segeberg im Zeitalter der altsächsischen Gauverfassung, Jahrbuch für den Kreis Segeberg, Band 33, 1987
      • Geschichte des Raumes Segeberg, in: Kreis Segeberg, herausgegeben von der Kreisverwaltung, München 1990
      • Die deutsche Ostsiedlung, Kulturelle Arbeitshefte, herausgegeben vom Bund der Vertriebenen, Heft 1990
      • Der Handel zwischen Frankfurt und Lübeck, in: Ausstellungskatalog „750 Jahre Frankfurter Messe“, Frankfurt/Main 1991
      • Geschichte des Kreises Segeberg. Mit fünf Zeichnungen von K. Stosch, Schriftenreihe der Jürgen-Fuhlendorf-Schule, Heft 12, 1992
      • Die Kapitulation von 1945 aus regionalgeschichtlicher Sicht, Jahrbuch für den Kreis Segeberg, Band 41, 1995
      • Alltag im Nationalsozialismus: Kellinghusen, Steinburger Jahrbücher, Band 40, 1995
      • Geschichte Kellinghusen. Mit Beiträgen von F. Ehlers, F. Fischer, M. Hanßen, U. March, M. Pollok und M. Rohwer, Kellinghusen 1997 (Herausgeber)
      • Der Erste Weltkrieg, Unterrichtsmaterialien für Lehrkräfte, herausgegeben vom Stark Verlag, Freising 1997
      • Bornhöved – Ort historischer Entscheidungen, Jahrbuch für den Kreis Segeberg, Band 44, 1998
      • Klausurenvorschläge für den Grundkurs Geschichte, Unterrichtsmaterialien für Lehrkräfte, herausgegeben vom Stark Verlag, Freising 1999
      • Klausurenvorschäge für den Leistungskurs Geschichte, Unterrichtsmaterialien für Lehrkräfte, herausgegeben vom Stark Verlag, Freising 2000
      • Bramstedt im Früh- und Hochmittelalter – Forschungsprobleme und Hypothesen, Jahrbuch für den Kreis Segeberg, Band 45, 1999
      • Schülerlexikon Geschichte, herausgegeben von T. Petersen, mit Beiträgen von H. Bunz, H. J. Kayser, U. March, T. Petersen und W. Thomas, Freising 2000
      • Kriegsende und Neubeginn an der Ostsee. Holsteinische, vorpommersche und polnische Schülerstudien zum Jahr 1945 (Herausgeber), Bad Bramstedt 2000
      • Erlebte Geschichte, Schriftenreihe der Jürgen-Fuhlendorf-Schule, Heft 15, 2000

Schriftenreihe der Jürgen-Fuhlendorf-Schule,

herausgegeben von H. F. Benthe und U. March

Heft 1: R. Benthe – S. Breßlein, Die Bevölkerungsstruktur Bad Bramstedts (1975)

Heft 2: P. Heinacher, Die Anfänge des Nationalsozialismus im Kreis Segeberg (1976)

Heft 3: K. Bendschneider, Die Bramstedter Fleckensgilde von 1688 (1977)

Heft 4: B. Dau, Die Lesegewohnheiten der Kellinghusener Bevölkerung (1978)

Heft 5: K. W. Krane, Vom Gesundbrunnen zur Rheumaklinik. Geschichte des Bramstedter Kurbetriebs (1979)

Heft 6: H. Heims – H. Lenze, Bad Bramstedt im Zweiten Weltkrieg (1982)

Heft 7: E. Neumann – H. W. Meyer, Geschichte des Bramstedter Gymnasiums (1983)

Heft 8: Die Chronik des Jürgen Fuhlendorf, herausgegeben von U. March (1983)

Heft 9: M. Köhne, Parteien und Wahlen in Kellinghusen 1929 – 1933 (1985)

Heft 10: Von Ostdeutschland nach Bad Bramstedt. Flüchtlingsschicksale 1945, mit Beiträgen von F. Ehlers, F. Fischer, S. March, S. Schurbohm, H. Tillmann, K. Uhrhammer (1988)

Heft 11: H.-H. Steenbock, Kellinghusen und Stellau als mittelalterliche Hafenplätze (1988)

Heft 12: U. March, Geschichte des Kreises Segeberg. Mit fünf Zeichnungen von K. Stosch (1992)

Heft 13: F. Ehlers, Geschichte der Ortschaft Wrist-Stellau (1993)

Heft 14: A. Behnsen – D. Fehlhaber – M. Finck – A. Röske – U. Teßmann, Ein Beitrag zur deutschen Einheit. Die Partnerschaft zwischen dem Alexander-von-Humboldt-Gymnasium Greifswald und der Jürgen-Fuhlendorf-Schule Bad Bramstedt (1997)

 

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Breßlein / Benthe: Bevölkerungsentwicklung der Stadt Bad Bramstedt

Abdruck mit freundlicher Zustimmung von Herrn Dr. Ulrich March

RENATE BENTHE/ SUSANN BRESSLEIN

DIE BEVÖLKERUNGSSTRUKTUR BAD BRAMSTEDTS

SCHRIFTENREIHE

DER JÜRGEN – FUHLENDORF – SCHULE

Herausgegeben von H. F. Benthe und U. March

HEFT 1

Bad Bramstedt 1975

Susann Breßlein, Die Bevölkerungsentwicklung
Bad Bramstedts seit 1965 S. 7

Renate Benthe, Der Gastarbeiteranteil der
Bramstedter Bevölkerung . . S. 19

Herstellung: Druckerei und Verlag H. Sönksen, Plön


Drei Jahre nach Einführung der Studienstufe tritt die Jürgen-Fuhlendorf-Schule mit einer Schriftenreihe an die Öffentlichkeit, in deren Rahmen künftig in erster Linie bemerkenswerte Schülerarbeiten, aber auch wissenschaftliche Veröffentlichungen von Lehrern erscheinen sollen. Wenngleich ein abschließendes Urteil über Vorzüge und Schwächen des Kurssystems gegenüber dem traditionellen Klassensystem zur Zeit noch nicht möglich ist, so läßt sich doch schon erkennen, daß die Arbeitsformen der Studienstufe – so etwa die Leistungs – und Fachkurse oder die Facharbeiten in den Leistungsfächern – in besonderem Maße geeignet sind, fachlich interessierte und befähigte Schüler von der Sache her zu besonderen Leistungen zu motivieren. Auf diese Weise sind in den letzten Jahren einige Arbeiten entstanden, die insofern wissenschaftlichen Ansprüchen genügen, als sie einen – wenn auch begrenzten und den Bemühungen des Schülers zugänglichen – Gegenstand, ‚der bisher nicht oder nicht abschließend bearbeitet worden ist, methodisch sauber analysieren und sprachlich angemessen ‚darstellen. Solche Arbeiten, die gewiß auch in Zukunft an der Jürgen – Fuhlendorf – Schule entstehen werden, der interessierten schulischen und außerschulischen Öffentlichkeit zugänglich zu machen und dem angehenden Forscher bereits in jungen Jahren die Möglichkeit zu bieten, eigene Arbeitsergebnisse zu publizieren, ist die Aufgabe dieser Schriftenreihe.

Professor Dr. H.F. Benthe Dr. U. March
Vorsitzender des Schulelternbeirats Oberstudiendirektor


Das vorliegende Heft, das mit dankenswerter Unterstützung der Stadt Bad Bramstedt, des Fördervereins der Jürgen-Fuhlendorf-Schule, der Commerzbank Bad Bramstedt und der Landkreditbank Bad Bramstedt erscheint, enthält je einen Aufsatz einer Obersekundanerin und einer Unterprimanerin des Schuljahres 1973/74. Die Arbeiten sind hervorgegangen aus einem Fachkurs Deutsch mit dem Thema „Einführung in das Pressewesen und in die Grundformen publizistischer Arbeit“, der von Februar bis Juni 1974 an der Jürgen-Fuhlendorf-Schule stattfand.

Die Bevölkerungsentwicklung Bad Bramstedts seit 1965

Von Susann Breßlein

Inhalt

        • Natürliche Bevölkerungsbewegung, Zu – und Abwanderung
        • Altersaufbau – Religionszugehörigkeit
        • Familienstruktur – Bildungsstand
        • Ergebnisse und Perspektiven
        • Verzeichnis der benutzten Quellen

1. Natürliche Bevölkerungsbewegung, Zu – und Abwanderung

Aus den vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Bevölkerungszahlen für das Jahr 1974 ergibt sich, daß im vorigen Jahr in der Bundesrepublik 724 881 Menschen starben, während nur 623 067 lebend geboren wurden. Seit es regelmäßige amtliche Bevölkerungszählungen gibt, seit 130 Jahren, ist dies das größte Geburtendefizit in Friedenszeiten. Die Geburtenrate, also die Zahl der Neugeborenen auf tausend Einwohner, hat mit 10,0 einen Tiefstand erreicht, der in der ganzen Welt einmalig ist (Frankreich: 16,4, Italien: 16,0, Schweden: 13,5; ‚Weltdurchschnitt: 35). Entsprechend dem Trend im Bundesgebiet ist auch in Bad Bramstedt seit Jahren eine stark rückläufige Geburtenentwicklung zu beobachten (vgl. Abb. 1). Aufgrund der besonderen Altersstruktur der Bevölkerung unserer Stadt (s, S, 12 ff.) überstieg hier bereits im Jahre 1970 die Zahl der Sterbe – fälle die der Geburten, während sich für die Bundesrepublik erstmals im Jahre 1972 ein Geburtendefizit ergab. Ein Unterschied zur allgemeinen Entwicklung besteht auch insofern, als in Bad Bramstedt im Jahre 1974 wieder ein leichter Anstieg der Geburtenzahl zu verzeichnen war. Da jedoch im gleichen Jahr die Zahl der Sterbefälle erheblich stärker anstieg, ist auch in Bad Bramstedt das Geburtendefizit im letzten Jahr noch größer geworden.

In sehr viel stärkerem Maße als durch die natürliche Bevölkerungsbewegung wurde und wird die demographische Entwicklung Bad Bramstedts durch Zu- und Abwanderung bestimmt. Sowohl die Zahl der Zuzüge als auch die der Wegzüge ist erstaunlich hoch (vgl. Abb. 2); die jährliche Fluktuationsrate liegt im Durchschnitt bei etwa 10 % der Ge –

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Abb. 1: Absolutzahl von Geburten und Sterbefällen innerhalb eines Jahres

Abb. 2: Zu - und Wegzüge innerhalb eines Jahres

Abb. 2: Zu – und Wegzüge innerhalb eines Jahres

Abb. 3 a, b: Prozentzahlen der Zu - und Wegzüge in den einzelnen Wirtschaftszweigen und Berufsgruppen

Abb. 3 a, b: Prozentzahlen der Zu – und Wegzüge in den einzelnen Wirtschaftszweigen und Berufsgruppen

Abb. 3 a, b: Prozentzahlen der Zu - und Wegzüge in den einzelnen Wirtschaftszweigen und Berufsgruppen

Abb. 3 a, b: Prozentzahlen der Zu – und Wegzüge in den einzelnen Wirtschaftszweigen und Berufsgruppen

Merkwürdigerweise rangiert das an sich große Freizeitangebot der Kurstadt Bad Bramstedt nicht in einer der vorderen Positionen (Punkt 4). Allem. Anschein nach ist es jedoch besser als in anderen Orten, denn diesen Punkt haben weniger Wegzügler als Zuzügler angegeben. Genau umgekehrt ist es bei den Verkehrsbedingungen (Punkt 3). Das Schimpfen der nichtmotorisierten Bürger über die schlechten Verbindungen mit öffentlichen Verkehrsmitteln – auch im Vergleich zu Kaltenkirchen – scheint also gerechtfertigt.

Ein großes Lob für Bad Bramstedt stellen die zu Punkt 5 geäußerten Motive dar. Nur sehr, sehr wenige gaben als Umzugsgrund bessere Bildungsmöglichkeiten am neuen Wohnort an – die Arbeit der Bramstedter Schulen und der Volkshochschule wird von der Bevölkerung offenbar positiv eingeschätzt.

Abb. 4: Gründe für vollzogenen Umzug

Abb. 4: Gründe für vollzogenen Umzug

Häufigkeit der Nennungen
1. allgemeine Gründe 8. bessere Wohnungen
2. ausschließlich persönlich – familiäre Gründe 9. berufliche Aufstiegsmöglichkeiten
3. bessere Verkehrsbedingungen 10. höherer Verdienst
4. bessere Freizeitmöglichkeiten 11. Ausscheiden aus der
Landwirtschaft
5. bessere Bildungsmöglichkeiten 12. allgemeiner Berufswechsel
6. kürzere Pendlerwege 13. Versetzung durch den Arbeitgeber
7. Schaffung von Eigentum 14. Antritt der ersten Arbeitsstelle

2. Altersaufbau – Religionszugehörigkeit

Die folgende Tabelle zeigt den Anteil der verschiedenen Altersgruppen an der Gesamtbevölkerung Bad Bramstedts, verglichen mit dem Bundesdurchschnitt der Städte entsprechender Größe:

Bundesrepublik

Bad Bramstedt

unter 15 Jahren

22,6 %

22,5 %

15 – 20 Jahre

9,0 %

8,0 %

21 – 54 Jahre

40,4 %

37,2 %

55 – 64 Jahre

15,6 %

15,6 %

über 64 Jahre

12,3 %

16,7%

Abb. 5 a, b: Altersstruktur Bad Bramstedts in Prozent - und absoluten Zahlen

Abb. 5 a, b: Altersstruktur Bad Bramstedts in Prozent – und absoluten Zahlen

Abb. 5 a, b: Altersstruktur Bad Bramstedts in Prozent – und absoluten Zahlen

Zwei Altersgruppen weichen in signifikanter Weise vom Bundesdurchschnitt ab:

Die Gruppe der 21 – bis 54jährigen, also die Hauptgruppe der Erwerbstätigen, ist in Bramstedt unterdurchschnittlich, die der Rentner (über 64 Jahre) hingegen überdurchschnittlich vertreten. Nicht zuletzt deshalb sind die Sterbequote und der Überschuß der Sterbefälle so hoch (vgl. Abb. 1). Bad Bramstedt wird also ganz offenkundig als Alterswohnsitz bevorzugt; mit seinem Kurgebiet, seiner Ruhe und seiner reinen Luft vermag es ja auch gerade älteren Leuten einiges zu bieten.

Auch bei der graphischen Darstellung der Altersstruktur (vgl. Abb. 5 a, b) fällt die starke Überalterung der Stadt sofort ins Auge. Den größten Teil der Bevölkerung nehmen die Kinder (0-15 Jahre) ein, dicht gefolgt von den Sechzehn- bis Dreißigjährigen. Der starke Männerüberschuß in dieser Rubrik ist höchstwahrscheinlich durch die Angehörigen des Bundesgrenzschutzes zu erklären. Die Sexualproportion der Einunddreißig – bis Fünfundvierzigjährigen ist etwa ausgeglichen, doch schon die nächst ältere Gruppe ist durch starken Frauenüberschuß gekennzeichnet, der auch in den nächsten Altersgruppen auftritt und bei den Rentnern das größte Ausmaß erreicht.

Abb. 6: Religionszugehörigkeit in Prozent der Gesamtbevölkerung zur Zeit der letzten Volkszählung (27. 5. 1970)

Abb. 6: Religionszugehörigkeit in Prozent der Gesamtbevölkerung zur Zeit der letzten Volkszählung (27. 5. 1970)

Wie überall in Schleswig – Holstein ist auch in Bad Bramstedt die übergroße Mehrheit der Bevölkerung evangelisch – lutherischer Konfession. Während früher überhaupt lediglich die beiden Gruppen der Lutheraner und der Katholiken statistisch von Belang waren, hat gerade in den letzten Jahren der Anteil der „Sonstigen“ zugenommen. Ob sich bei der nächsten Volkszählung ein verändertes Bild ergibt, bleibt abzuwarten.

3. Familienstruktur – Bildungsstand

Aus den Zahlen der Abb. 7 läßt sich die durchschnittliche Haushaltsgröße berechnen, die nicht vom Bundesdurchschnitt abweicht: Sie liegt bei 2,6 Personen pro Haushalt. Die starke Zahl der weiblichen Einpersonenhaushalte beruht wahrscheinlich darauf, daß es etwa 20 % verwitwete oder geschiedene Frauen in Bad Bramstedt gibt (vgl. Abb. 8). Ein weiteres Zeichen für die prekäre Alterssituation ist die hohe Zahl der Haushalte mit nur zwei Personen, also der Haushalte, in denen es keine Kinder gibt. 1022 von 2128 Mehrpersonenhaushalten sind ohne ledige Personen unter 18 Jahren; das ist fast die Hälfte aller Bramstedter Haushalte.

Pers. Abb. 7: Private Haushalte zur Zeit der Volkszählung (27. 5. 1970)

Pers. Abb. 7: Private Haushalte zur Zeit der Volkszählung (27. 5. 1970)

Abb. 8: Familienstand zur Zeit der Volkszählung in Prozent bezogen auf eine Zahl von 7929 = 100 % (27. 5. 1970)

Abb. 8: Familienstand zur Zeit der Volkszählung in Prozent bezogen auf eine Zahl von 7929 = 100 % (27. 5. 1970)

ist, wie bereits gesagt, der hohe Anteil an Witwen und Geschiedenen. Der sehr niedrige Anteil der männlichen Pendants fällt dabei deutlich aus dem Rahmen. Wie zu erwarten, liegen die Prozentzahlen der Verheirateten an der Spitze, jedoch nicht wesentlich über denen der Ledigen.

Abb. 9: Schulabschluß des Bevölkerungsanteils der über Vierzehnjährigen (27. 5. 1970) 5978 = 100 %

Abb. 9: Schulabschluß des Bevölkerungsanteils der über Vierzehnjährigen (27. 5. 1970) 5978 = 100 %

Der überwiegende Teil der Bevölkerung Bad Bramstedts hat lediglich Volksschulbildung; bei den Frauen sind es sogar über Dreiviertel. Nur sehr wenige Bürger haben eine Schulbildung, die über die Obersekundareife und das Abitur hinausgeht. Während es bei den Männern noch etwa 20 % sind, sind es bei den Frauen nicht ganz 10 %. Auch hier dürften sich jedoch die Prozentzahlen gerade in den letzten Jahren merklich verschoben haben.

4. Ergebnisse und Perspektiven

Zusammenfassend kann man sagen, daß das Wachstum Bad Bramstedts in letzter Zeit mehr durch Zuzüge als durch Geburten zustandekam. Aus dem Geburtenüberschuß wurde bereits 1970 ein Sterbeüberschuß – ein Wandel, der wesentlich durch die Alterssituation bedingt ist. Die jährliche Fluktuationsquote – der Anteil der Ab- und Zuwanderer an der Gesamtbevölkerung – liegt mit etwa zehn Prozent erstaunlich hoch. Im übrigen ist die gegenwärtige Bevölkerungsstruktur der Stadt durch folgende Merkmale gekennzeichnet:

1. Bad Bramstedt ist überaltert.

2. Die meisten Bürger gehören – wie allgemein in Schleswig – Holstein – der evangelischen Kirche an.

3. Die Durchschnittsgröße der Haushalte beträgt ca. 2,6 Personen pro Haushalt.

4. Es gibt nur wenig mehr Verheiratete als Ledige.

5. Die weitaus meisten Bramstedter haben keine weiterführenden Schulen besucht.

Stellt man abschließend die gewonnenen Ergebnisse in einen größeren Zusammenhang, so zeigt zunächst ein Blick auf die langfristige Bevölkerungsentwicklung (vgl. Abb. 10), daß die Einwohnerzahl Bad Bramstedts erst in den letzten dreißig Jahren eine Höhe erreicht hat, die mit der gegenwärtigen vergleichbar ist. Der steile Anstieg nach dem Zweiten Weltkrieg ist auf die Flüchtlingsbewegung aus Ostdeutschland, das zeitweilige Stagnieren auf die Umsiedlungen in andere Bundesländer, der neuerliche Anstieg in den sechziger Jahren auf die Verlegung des Bundesgrenzschutzkommandos „Küste“ nach Bad Bramstedt zurückzuführen. In den frühen siebziger Jahren wurden zudem ungewöhnlich viele neue Wohnungen bezugsfertig.

Lassen diese Beobachtungen einen vorsichtigen Rückschluß auf die zukünftige Entwicklung zu? Geht man davon aus, daß in der Vergangenheit vor allem außergewöhnliche Ereignisse einen starken Bevölkerungszuwachs hervorgerufen haben, so kommt dem Projekt des Großflughafens Kaltenkirchen zweifellos besondere Bedeutung für die künftige Bevölkerungsentwicklung Bad Bramstedts zu. Wird der Flughafen gebaut, so dürfte die Einwohnerzahl der Stadt erneut stark ansteigen – wie 1945 infolge der Flüchtlingsbewegung, wie 1964 aufgrund der Ansiedlung von Angehörigen des Bundesgrenzschutzes. Im übrigen wird die Bevölkerungsentwicklung von der wohl auch in nächster Zukunft positiven Wanderungsbilanz und von der natürlichen Bevölkerungsbewegung abhängen. Erweist sich das gegenwärtige Geburtentief als vorübergehend – es gibt gewisse Gründe für diese Annahme – so dürfte Bad Bramstedt demnächst auch wieder auf natürliche Weise wachsen. Ob die langfristige Perspektive unserer Stadtväter, die für 1985 mit 14 000 – 15 000 Einwohnern rechnen, richtig ist, wird erst die Zukunft erweisen.

Abb. 10: Bevölkerungsentwicklung der letzten hundert Jahre in absoluten Zahlen

Abb. 10: Bevölkerungsentwicklung der letzten hundert Jahre in absoluten Zahlen

5. Verzeichnis der benutzten Quellen

Stadtentwicklungs – und Flächennutzungsplan Bad Bramstedt, erstellt von der WIBERA

Untersuchungen über die Grundlagen für einen Stadtentwicklungsplan Bad Bramstedt, von Gerhard Binzus, Arbeitsgemeinschaft Stadtentwicklung des Ortsvereins der SPD, Bad Bramstedt 1970

Gemeindeblatt 01 060 004 der Volkszählung des Jahres 1970

Statistiken des Einwohnermeldeamtes Bad Bramstedt


Der Gastarbeiteranteil der Bramstedter Bevölkerung

Von Renate B e n t h e

Inhalt

      • Die Gastarbeiter als neue Bevölkerungsgruppe
      • Berufstätigkeit und Altersstruktur
      • Wohnverhältnisse
      • Haushaltsgröße – Schulbesuch der Kinder
      • Zusammenfassung

1. Die Gastarbeiter als neue Bevölkerungsgruppe

Unsere mittlerweile fast 10 000 Einwohner zählende Stadt Bad Bramstedt bot vor etwa 10 bis 12 Jahren noch das typische Bild einer holsteinischen Kleinstadtgemeinde, geprägt durch landwirtschaftliche Anwesen, Weiden und Wiesen. Die Industrie und die mit ihr verknüpften Bevölkerungsgruppen standen noch ziemlich im Hintergrund.

Die Farben dieses Bildes haben sich im Laufe der letzten Jahre grundlegend geändert. Die alteingesessenen Bad Bramstedter sahen sich einer immer stärker anschwellenden Flut von „Fremden“ gegenübergestellt, verschiedenartigen Gruppen von Menschen, die Bad Bramstedt – aus welchen Gründen auch immer – als zukünftigen Wohnort und Arbeitsplatz ausgewählt hatten.

Unter diesen Neuhinzugezogenen befand sich eine Minderheit, die in nicht geringem Maße zur Veränderung der Bad Bramstedter Bevölkerungsstruktur beigetragen hat und der deshalb auch eine gewisse Aufmerksamkeit gewidmet werden muß: die Gastarbeiter, die zum größten Teil in der Industrie beschäftigt sind.

Bad Bramstedt ist also keineswegs nur ein in die „Ruhe großer Wälder und weiter Wiesen eingebettetes Heilbad“ , sondern eine ständig wachsende Kleinstadt, in der die Industrie keine geringe Rolle mehr spielt. Diese Tatsache ist allein schon durch die verhältnismäßig hohe Anzahl der ausländischen Arbeitnehmer bewiesen.

Da 80 % der Ausländer in der Fisch – und Fleischindustrie und im Hotelgewerbe beschäftigte Türken, Griechen und Jugoslawen sind, bezieht sich die Dokumentation vorwiegend auf diese Gruppen. Aufgrund der wesentlich geringeren Anzahl und mangelnder für eine solche Untersuchung notwendiger Unterlagen sind die Gastarbeiter der übrigen Nationen im Folgenden lediglich bei den Statistiken berücksichtigt. Insgesamt sind derzeit 477 ausländische Arbeiter in Bad Bramstedt gemeldet, darunter 237 Frauen (Stand: Juni 1974). Sie stammen aus folgenden Herkunftsländern:

Ägypten

4

Jugoslawien

44

Arhgentinien

1

Kanada

1

Belgien

1

Nigeria

6

Bolivien

1

Norwegen

1

Brasilien

1

Österreich

13

Chile

1

Pakistan

1

Dänemark

11

El Salvador

1

Finnland

3

Schweden

3

Frankreich

1

Schweiz

4

Großbritannien

3

Spanien

16

Griechenland

45

Türkei

286

Holland

11

Tunesien

1

Irland

2

USA

6

Italien

6

staatenlos

3

Bei weitem am stärksten vertreten sind somit die Türken (60%), gefolgt von Griechen und Jugoslawen (je 10 %).

2. Berufstätigkeit und Altersstruktur

Die ersten ausländischen Industriearbeiter kamen etwa in den Jahren 1962 – 1964 nach Bad Bramstedt. Ihre Zahl stieg im Laufe der vergangenen Jahre mit dem Anwachsen der Industrie und der Erweiterung von Betrieben . Die hierfür repräsentativsten Beispiele sind die Firmen Kelle und „Nordfleisch“, die den größten Teil der in Bad Bramstedt lebenden Gastarbeiter beschäftigen.

Die Kelle – Betriebe, die 1962/63 die ersten ausländischen Arbeiter unter Vertrag nahmen, achteten stets darauf, daß ihre Anzahl auf die Betriebsgröße zugeschnitten blieb. So beschäftigte man im Jahre 1963 etwa 20 Ausländer; mit der Erweiterung der Firma wurden dann zunehmend mehr Gastarbeiter eingestellt – eine Entwicklung, die zwischen 1969 und 1973 ihren Höhepunkt erreichte. Die Zahl der Ausländer, die vorwiegend aus der Türkei, aus Griechenland und aus Jugoslawien stammten, betrug zu der Zeit 120. Gegenwärtig arbeiten in den Kelle – Betrieben 107 Ausländer; die Reduzierung der Zahl läßt sich damit erklären, daß einige von ihnen den Arbeitsplatz wechselten oder auch nach einem mehrjährigen Aufenthalt in Deutschland wieder in ihr Herkunftsland zurückkehrten.

Von den 107 in den Kelle – Betrieben arbeitenden Ausländern sind

            • 72 % Türken
            • 20 % Griechen
            • 13 % Jugoslawen
            • 2 % Spanier.

Die Mehrheit der Ausländer ist recht jung; das Durchschnittsalter beträgt etwa 25 bis 30 Jahre. Zu bemerken wäre außerdem noch, daß über 70 % der ausländischen Arbeiter weiblich sind.

Ursprünglich kamen die Arbeiter ohne Angehörige nach Bad Bramstedt, um mit dem im Verhältnis zu Griechenland oder zur Türkei hier hohen Verdienst die zu Hause gebliebene Familie zu unterstützen und deren Lebensstandard zu erhöhen. Die einzelnen Arbeiter (meist Mutter oder Vater der Familie) waren in Wohnheimen untergebracht, die von der Firma für sie zur Verfügung gestellt wurden. Das hat sich im Laufe der letzten Jahre insofern geändert, als der Trend zur Familienzusammenführung einsetzte. Zuerst kam der Ehemann beziehungsweise die Ehefrau des in der Fischindustrie beschäftigten Familienteils, um ebenfalls eine Arbeit in der Fabrik zu erhalten. Später wurden dann die Kinder nachgeholt, so daß sich die Familie oft endgültig oder zumindest für längere Zeit als vorgesehen in Bad Bramstedt ansiedelte. Die meisten der bei Kelle beschäftigten Ausländer sind – je nach Herkunftsland – untereinander verwandt, die herangewachsenen Kinder arbeiten ebenfalls in der Fabrik, so daß häufig dadurch die Möglichkeit gegeben ist, sich für längere Zeit unter Vertrag nehmen zu lassen. (Zur Zeit allerdings dauert der Ende November 1973 angeordnete Anwerbestop noch an.) Während der letzten Jahre sind die Löhne um 80 bis 100 % gestiegen, der Durchschnittsstundenlohn liegt augenblicklich bei 6, – DM für Männer und 6,50 DM für Frauen, die vorwiegend Akkordarbeit verrichten.

Ein Mitarbeiter der Kelle – Betriebe berichtet: „Wenn man die Gesamtheit der ausländischen Arbeitnehmer betrachtet, so kann man sagen, daß ihr Interesse für die Firma selbst gering ist. Ihr einziges Verlangen besteht darin, möglichst viel Geld zu verdienen, um arbeitsunfähige oder arbeitslose Angehörige zu Hause zu unterstützen. In der Regel sind die Ausländer bessere Akkord – Arbeiter als die Einheimischen. Unannehmlichkeiten, die – laut allgemein verbreiteter Ansicht – Ausländer angeblich den Firmen bereiten sollen, haben wir nicht. Die meisten konnten sich im Laufe kürzerer oder längerer Zeit gut in das Betriebsleben einfügen.“ Jedoch bilden die vorwiegend türkischen, griechischen und jugoslawischen Arbeiter der Firma – abgesehen von einigen wenigen, die schon zehn Jahre und länger hier sind – infolge der schwer zu überwindenden Sprachbarriere in sich geschlossene Minderheiten. Nur wenige sprechen ausreichend Deutsch, um mit den im Betrieb arbeitenden Einheimischen näher in Kontakt kommen zu können.

Die Anzahl der bei „Nordfleisch“ beschäftigten Ausländer ist – nach größerem Zustrom 1969 – seit 1971 etwa gleich geblieben. Es handelt sich um 39 Türken, 19 Jugoslawen, 9 Spanier, 2 Griechen und 1 Tunesier. Von den Beschäftigten sind 52 männlich und 17 weiblich; das Durchschnittsalter beträgt 32 Jahre.

Es werden überwiegend Facharbeiter beschäftigt, von denen ein großer Teil als ungelernte Kräfte bereits vor zehn Jahren zunächst für ein Jahr unter Vertrag genommen wurde und sich im Laufe der Zeit spezialisierte. Infolge des verhältnismäßig langen Aufenthaltes in Bad Bramstedt sind kaum Sprachschwierigkeiten vorhanden. 90 % der Arbeiter haben ihre Familien hier und leben in der Stadt.

Außer bei den beiden genannten Betrieben werden ausländische Arbeiter noch in nennenswertem Umfang beschäftigt beim Köhlerhof (14 Türken), beim Kurhaus (12 Arbeitnehmer unterschiedlicher Nationalität), bei der Firma Stich & Co. (6 Türken und Jugoslawen), beim Hotel Panorama (5 Jugoslawen) und bei der Firma Westedt (4 Türken). Beim Vergleich der beiden Großbetriebe, die ‚die meisten Gastarbeiter beschäftigen, fällt zunächst auf, daß der sehr unterschiedliche Anteil männlicher und weiblicher Arbeiter mit den verschiedenen Arbeitsaugaben zusammenhängt: „Nordfleisch“ als Großschlachthof beschäftigt zu 75 % männliche Gastarbeiter , die Kelle – Betriebe, ein Fischverarbeitungsunternehmen, dagegen zu 70 % weibliche Gastarbeiter. Interessanterweise ist nur die türkische Nationalität in beiden Betrieben vertreten. Demgegenüber ist Griechenland in einem ausgesprochen männlichen Arbeiterbetrieb praktisch nicht vertreten, bei vorwiegend weiblichen Arbeitnehmern steht es an zweiter Stelle. Das Fehlen männlicher griechischer Arbeiter wird kompensiert durch einen höheren Anteil von Jugoslawen und Spaniern.

Der Anteil der einzelnen Altersklassen in der einheimischen Bevölkerung und in der Gastarbeiterbevölkerung ist unterschiedlich. Dem höheren Anteil der Ausländer bei den Altersklassen der Fünfzehn – bis Zwanzigjährigen und der Zwanzig – bis Fünfundvierzigjährigen stehen deutlich geringere Anteile bei der älteren Bevölkerung gegenüber. Auffallend ist jedoch, daß der Anteil der Kinder und Jugendlichen bei Einheimischen und Ausländern gleich ist; die Altersstruktur der Ausländer gleicht sich somit „von unten her“ den Verhältnissen der .einheimischen Bevölkerung an. Bei gleichbleibend guter Beschäftigungslage für Ausländer dürfte es infolgedessen nur eine Frage der Zeit sein, bis sich die Alterskurven beider Bevölkerungsanteile weiter angeglichen haben.

Abb. 11: Die Arbeitsplätze der Ausländer 1. Kelle – Betriebe 2. Firma Westedt 3. Nordfleisch 4. Verschiedene Betriebe der Innenstadt (vereinzelte ausländische Arbeiter) 5. Firma Stich & Co. 6. Kelle - Betriebe 7. Hotel Köhlerhof 8. Hotel Panorama 9. Kurhaus

Abb. 11: Die Arbeitsplätze der Ausländer
1. Kelle – Betriebe
2. Firma Westedt
3. Nordfleisch
4. Verschiedene Betriebe der Innenstadt (vereinzelte ausländische Arbeiter)
5. Firma Stich & Co.
6. Kelle – Betriebe
7. Hotel Köhlerhof
8. Hotel Panorama
9. Kurhaus

Abb. 12: Prozentualer Vergleich der Altersklassen einheimischer und ausländischer Arbeiter bezogen auf 4255 Einheimische und 477 Gastarbeiter

Abb. 12: Prozentualer Vergleich der Altersklassen einheimischer und ausländischer Arbeiter bezogen auf 4255 Einheimische und 477 Gastarbeiter

3. Wohnverhältnisse

Die meisten der bei Kelle beschäftigten türkischen Gastarbeiterfamilien leben in mehreren Altbauwohnheimen in unmittelbarer Nähe des Betriebes. Es ist die einzige gettoartige Siedlung einer größeren Anzahl ausländischer Arbeitnehmer in Bad Bramstedt. In einem der Gebäude sind auf verhältnismäßig engem Raum zehn Familien mit durchschnittlich zwei bis drei Kindern untergebracht. Gekocht wird für alle Personen in einer Gemeinschaftsküche im Erdgeschoß; die Miete beträgt je Familie 200 DM. Die hier lebenden Türken bilden – wie auch an ihren Arbeitsplätzen innerhalb der Firma – eine in sich geschlossene Minderheit, die kaum mit der einheimischen Bevölkerung in Kontakt steht und deren Deutschkenntnisse gering sind. Eine Ausnahme bilden die Kinder, die, bedingt durch Schulbesuch, Mitgliedschaft in Sportvereinen und wegen der relativ geringeren Sprachschwierigkeiten eher integriert sind. Ein kleiner Teil der Familien lebt in einem von der Firma errichteten Neubaumietshaus im Gewerbegebiet.

Abb. 13: Die Wohnungen der Gastarbeiter (vereinfachte Darstellung, bezogen auf den türkischen und griechischen Bevölkerungsanteil)

Abb. 13: Die Wohnungen der Gastarbeiter (vereinfachte Darstellung, bezogen auf den türkischen und griechischen Bevölkerungsanteil)

Die übrigen bei Kelle und Nordfleisch beschäftigten türkischen, griechischen und jugoslawischen Industriearbeiter bewohnen nicht zu den Firmen zugehörige Altbauten in der Innenstadt, Neubaumietshäuser am Bissenmoorweg oder leben zur Untermiete bei Privatleuten. Einige wenige Familien, die in der Regel schon acht Jahre oder länger in Bad Bramstedt sind und die voraussichtlich für längere Zeit hierbleiben werden, haben sich ein kleines Haus gemietet oder gekauft (keine Neubauten).

 

Hinzuzufügen wäre noch, daß bei den griechischen und jugoslawischen Gastarbeitern keine Schwerpunkte in bezug auf eine geschlossene Ansiedlung, wie es bei den Türken der Fall ist, zu verzeichnen sind.

4. Haushaltsgröße, Schulbesuch der Kinder

Was den Familienstand der ausländischen Arbeitnehmer angeht, so sind von 477 Personen 174 ledig; das entspricht einem Anteil von etwa einem Drittel. Außerdem gibt es 35 kinderlose Ehepaare und 57 Familien mit Kindern. Schlüsselt man die Familien nach Kinderzahlen auf, so ergibt sich folgendes Bild:

  • Familien mit 1 Kind 22
  • Familien mit 2 Kind er 19
  • Familien mit 3 Kind er 9
  • Familien mit 4 Kinder 4
  • Familien mit 5 Kinder 2
  • Familien mit 6 Kind er 1
  • Familien mit mehr als 6 Kinder keine

Bei der statistischen Auswertung dieser Zahlen zeigt sich, daß die durchschnittliche Haushaltsgröße im Gastarbeiter-Kollektiv 1,8 Personen umfaßt. Sie ist damit erheblich kleiner als die der einheimischen Bevölkerung (2,6 Personen).

Noch auffälligere Unterschiede zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen ergeben sich hinsichtlich des Schulbesuchs der Kinder. Unter der Schülerschaft des Gymnasiums und der Realschule sind Ausländerkinder nur zu einem ganz unerheblichen Anteil (vertreten (1 beziehungsweise 2 Schüler), doch auch die Hauptschule wird bei weitem nicht von allen Kindern der entsprechenden Altersgruppen besucht. Besonders die Mädchen werden im allgemeinen von ihren Eltern nicht zur Schule geschickt; unter den sechzehn Gastarbeiterkindern der Hauptschule Bad Bramstedts sind nur zwei Mädchen. Der Nationalität nach sind es dreizehn Türken, ein Spanier und ein Jugoslawe.

Alle ausländischen Schüler sind älter als der Klassendurchschnitt und haben zum Teil beträchtliche Schwierigkeiten bei der Anwendung der deutschen Sprache. Aus diesem Grund besuchen die Kinder der Gastarbeiter die Schule in der Regel auch erst nach etwa ein – bis zweijährigem Aufenthalt in Deutschland, nachdem sie sich in sprachlicher Hinsicht etwas eingewöhnt haben.

5. Zusammenfassung

Im Jahre 1974 waren in Bad Bramstedt 477 Ausländer registriert. Damit machte der Ausländeranteil ca. 5 % der Gesamtbevölkerung aus. Im wesentlichen teilen sich die Gastarbeiter auf zwei Großbetriebe auf, wobei der Betrieb mit vorwiegend männlichen Arbeitnehmern (Nordfleisch) überwiegend Türken beschäftigt und kaum Griechen, während in dem Betrieb mit weiblichen Arbeitnehmern (Kelle-Betriebe) die griechische Nationalität sehr stark vertreten ist.

Die durchschnittliche Familiengröße der Gastarbeiterhaushalte liegt mit 1,8 Personen deutlich unter der Haushaltsgröße der einheimischen Bevölkerung (2,6 Personen).

Die Altersstruktur des Gastarbeiteranteils ist in den Altersklassen 0 – 44 Jahren sehr ähnlich der der Bramstedter Bevölkerung. Erst in den Altersklassen über 45 Jahren ist die Repräsentation der Ausländer erheblich schwächer. Es bleibt zu erwarten, daß sich bei gleichbleibender Konjunktur eine weitere Angleichung der Altersstruktur entwickelt.

Veröffentlicht unter J - Neuzeit | Kommentare deaktiviert für Breßlein / Benthe: Bevölkerungsentwicklung der Stadt Bad Bramstedt

March: Die Geschichte des Kreises Segeberg

veröffentlicht mit freundlicher Zustimmung des Herrn Dr. Ulrich March
(Hinweis: Der Text ist gescannt und über Schrifterkennung übertragen. Somit sind Übertragungsfehler bei mittelalterlichen Schreibweisen und Zahlenangaben nicht ausgeschlossen.)

ULRICH MARCH

GESCHICHTE

DES KREISES SEGEBERG

Mit fünf Zeichnungen von Kirsten Stosch

SCHRIFTENREIHE

DER JÜRGEN-FUHLENDORF-SCHULE

herausgegeben von H. F. Benthe und U. March

HEFT 12 Bad Bramstedt 1992


Inhalt

1. Vor- und frühgeschichtliche Grundlagen Seite 5

2. Die Burgvogtei Segeberg (12. – 14. Jahrhundert) Seite 8

3. Das Amt Segeberg (15. – 19. Jahrhundert) Seite 18

4. Der Kreis Segeberg (19. – 20. Jahrhundert) Seite 28

5. Konstanten und Perspektiven Seite 31

Mit der vorliegenden Veröffentlichung möchte die „Schriftenreihe der Jürgen-Fuhlendorf-Schule“ das 125jährige Bestehen des Kreises Segeberg würdigen, der vor gut einem Jahrzehnt die Trägerschaft der Schule übernommen und seither die schulische Entwicklung in bemerkenswerter Weise gefördert hat. Die Schrift zielt darauf ab, der interessierten Öffentlichkeit, insbesondere auch der Schülerschaft, die Grundlagen der Geschichte des heimatlichen Nahraums zu vermitteln, insbesondere auch der älteren Geschichte des Kreisgebietes.

Sie ist – in sprachlich leicht abweichender Form – bereits unter dem Titel „Geschichte des Raumes Segeberg“ in dem vom Kreis herausgegebenen Text- und Bildband „ Kreis Segeberg“ erschienen (Kunstverlag Josef Bühn, München 1990). Die Federzeichnungen stammen von Kirsten Stosch, derzeit Unterprimanerin der Jürgen-Fuhlendorf-Schule.

Prof. Dr. H.F. Benthe Dr. U. March

H. J. J. Hay, Kellinghusen, 1992


Burgvogtei und Landkreis Segeberg

JFS_Schriften_12_Seite07

I. Vor- und frühgeschichtliche Grundlagen

Der heutige Kreis Segeberg ist uraltes Siedlungsgebiet. Seit die Menschen ihr Dasein als Jäger und Sammler aufgeben und zu seßhaften Ackerbauern und Viehzüchtern werden – das ist in unser Region gegen Ende der mittleren Steinzeit der Fall -, haben sie sich auch an dafür geeigneten Stellen des Raumes Segeberg niedergelassen. Gräber aus der Jungsteinzeit (4000 – 1800 v. Chr.) finden wir sowohl im Westen als auch im Osten des Kreisgebietes; gut erhalten sind beispielsweise die beiden Riesenbetten nordöstlich von Tarbek. In Heidmoor bei Berlin ist eine jungsteinzeitliche Siedlung ausgegraben worden, die zu den ältesten und bedeutendsten in Schleswig-Holstein gehört. Auch in der Bronzezeit (1800 – 800 v. Chr.) ist unsere Heimat besiedelt gewesen. Die für diese Zeit typischen Hügelgräber, heute häufig von Buchen bewachsen, finden sich in weiten Teilen des Kreisgebietes, vor allem im Raum Bornhöved. In den zahlreichen Gräbern zwischen Bornhöved und Gönnebek sind so reichhaltige Bronze- und Goldfunde geborgen worden, daß man hier den Sitz eines Herrschergeschlechts vermutet hat. Für die Eisenzeit (seit 800 v. Chr.) sind ebenfalls sowohl im Westen als auch im Osten des heutigen Kreises Spuren menschlicher Wirksamkeit nachzuweisen. So wurden bei Großenaspe und bei Schwissel eisenzeitliche Urnenfriedhöfe ausgegraben; der letztere, der mit über 1600 Urnenfunden zu den bedeutendsten seiner Art gehört, ist übrigens am Fuße mehrerer stein- und bronzezeitlicher Gräber angelegt worden, so daß die Siedlungskontinuität hier sinnfällig zum Ausdruck kommt.

Der Siedlungskontinuität entspricht die ethnische Kontinuität. Von dem Zeitpunkt an, für den wir überhaupt die Existenz verschiedener Völker nachzuweisen vermögen, also seit der Bronzezeit, ist der Raum Segeberg stets von Germanen bewohnt gewesen, jedoch mit der Einschränkung, daß der Osten des heutigen Kreises vom frühen Mittelalter bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts von Slawen besiedelt ist. Dieses Volk, das wie die Germanen zur indogermanischen Völkerfamilie gehört, ist ursprünglich im westlichen Rußland ansässig, besiedelt aber, nachdem erhebliche Teile der Ostgermanen die Gebiete zwischen Elbe und Weichsel verlassen haben, nach und nach auch das östliche und mittlere Deutschland und erreicht etwa um 700 n. Chr. die Elbe-Saale -Linie. In Schleswig-Holstein schieben sich die Slawen bis zur Linie Kiel – Bornhöved – Segeberg – Oldesloe – Artlenburg vor, so daß das Gebiet des heutigen Kreises Segeberg in den folgenden Jahrhunderten von zwei unterschiedlichen ethnischen Gruppen besiedelt ist: Im Osten ist der zum Stammesverband der Abodriten gehörende slawische Teilstamm der Wagrier ansässig, im Westen der germanisch-deutsche Stamm der (Nieder-) Sachsen, der sich später im Zusammenhang mit der deutschen Ostsiedlung auch auf die vorübergehend slawischen Gebiete Norddeutschlands ausdehnt. Zwischen dem Siedlungsgebiet der Sachsen und der Slawen erstreckt sich eine urwaldartige, kaum zu durchdringende, etwa 20 bis 30 km breite Grenzzone, der „Isarnho“, der sich von der Kieler Förde bis zur Elbe hinzieht und mit den beiden größten zusammenhängenden Waldgebieten Schleswig-Holsteins, dem Sachsenwald und dem Segeberger Forst, noch heute landschaftsprägende Bedeutung hat.

Durch den Siedlungsvorstoß der Slawen nach Westen wird das sächsische Nordelbingen, also das Land zwischen Eider und Elbe, zur „Wespentaille der germanischen Welt“: Nur über diesen Gebietsstreifen ist noch eine ungehinderte Verbindung von Skandinavien nach Deutschland und Westeuropa möglich, und zwar über den seit der Steinzeit bestehenden Ochsenweg, der von Jütland über die Schleswiger Landenge zur unteren Elbe führt. Dieser uralte Handels- und Heerweg, der bis zur frühen Neuzeit seine Bedeutung behalten sollte und stellenweise noch heute gut im Gelände zu erkennen ist, verläuft über eine Strecke von rund 50 km durch das Gebiet des heutigen Kreises Segeberg, und zwar über Neumünster – Großenaspe – Bad Bramstedt – Kaltenkirchen – Ulzburg – Norderstedt nach Hamburg mit einer Abzweigung nach Wedel.

Von den rund hundert Gauen des Sachsenstammes liegen drei, nämlich der Dithmarschengau, der Holstengau und Stormarngau, nördlich der Elbe. Es handelt sich um politisch organisierte Siedlungsgebiete, die durch Ödmarkengrenzen voneinander getrennt sind und ihrerseits wieder in jeweils vier Viertel gegliedert sind. Das entscheidende politische Organ ist die Gauversammlung, das „Goding“, dem alle freien Männer des Gaues angehören und das regelmäßig an dem jeweiligen Gauhauptort (in Meldorf, Schenefeld bei Hohenwestedt und Hamburg) zusammentritt.

Zwei der nordelbischen Sachsengaue umfassen Gebiete des heutigen Kreises Segeberg. Die beiden späteren Großkirchspiele Bramstedt und Kaltenkirchen, das ist der ganze Westen des Kreises einschließlich der Gebiete um Boostedt, Großenaspe, Schmalfeld, Kisdorf, Henstedt-Ulzburg und Wakendorf II, gehören zum Südviertel des Holstengaues (Zentrum: Kellinghusen). Die südlichen Randgebiete des Kreises Segeberg entlang der Linie Norderstedt – Kayhude – Nahe – Itzstedt – Sülfeld, aber auch das Gebiet um Struvenhütten – Stuvenborn – Seth, gehören dagegen zum Stormarngau, und zwar mit Ausnahme des Raumes Norderstedt zu dessen Nordostviertel (Zentrum: Sülfeld). Holstengau und Stormarngau sind durch das Niederungsgebiet der oberen Pinnau, durch den Oberalsterraum und durch den Kisdorfer Wohld voneinander getrennt.

Der Osten des heutigen Kreises Segeberg einschließlich des Raumes Bornhöved – Bad Segeberg – Leezen gehört zum slawischen Wagrien, das von beiden Sachsengauen durch die schon erwähnte breite Ödmarkzone des „Isarnho“ geschieden ist. Das Gebiet ist durch eine Vielzahl kleiner Siedlungskammem gekennzeichnet, die sich häufig an Flußniederungen oder Seengebiete anlehnen. Aus der späteren kirchlichen Einteilung, aber auch aus verschiedenen Angaben der „Slawenchronik“ des Bosauer Pfarrers Helmold, läßt sich schließen, daß die Orte Süsel, Oldenburg, Plön und Segeberg/Warder die politischen Zentren Wagriens gewesen sind. Der Einflußbereich des letzteren reicht im Norden bis in die Nähe des Plöner Sees; Bosau und Dersau gehören zum Plöner, Bornhöved und Schlamersdorf zum Segeberger Distrikt.

Gegen Ende des 8. Jahrhunderts tritt Nordelbingen erstmals in das Licht der Geschichte, und zwar im Zusammenhang mit dem Sachsenkrieg, der dreißig Jahre lang von beiden Seiten mit größter Erbitterung geführt wird und mit der Einbeziehung Norddeutschlands in das Reich Karls des Großen endet. Die letzte bedeutende Schlacht dieses Krieges wird auf dem Gebiet des heutigen Kreises Segeberg geschlagen: Im Jahre 798 werden die noch nicht unterworfenen nördlichen Sachsengaue auf dem Sventana-Feld bei Bornhöved von einem fränkisch-slawischen Heer besiegt; 804 erlischt der letzte Widerstand. Einige Jahre später wird die Grenze zwischen dem fränkischen Reich und den in Ostholstein ansässigen Slawen genau festgelegt. Der „Limes Saxoniae“, wie sie in den Quellen genannt wird, führt von der Elbe bis zur Kieler Förde und verläuft im Segeberger Bereich zunächst entlang der Trave, dann über den Ort Blunk zur Tensfelder Au und schließlich zu einem als „stagnum colse“ bezeichneten Gewässer, unter dem möglicherweise der Stocksee zu verstehen ist.

Durch die Zugehörigkeit Nordelbingens zum fränkischen und späteren deutschen Reich haben sich die hier herrschenden Verhältnisse wenig geändert. Die überkommene Gauverfassung bleibt intakt; die Reichsgewalt reicht im allgemeinen kaum über Hamburg hinaus. In gesellschaftlicher Hinsicht bleibt wie bisher das freie Bauerntum tonangebend; Lehnswesen und Grundherrschaft – sonst fast im gesamten Reichsgebiet für die Sozialverfassung kennzeichnend – setzen sich nicht durch. Selbst von einer vollen Christianisierung Nordelbingens kann keine Rede sein, da sich die Pfarrorganisation in den nächsten Jahrhunderten im wesentlichen auf die drei Gaukirchen in Hamburg, Meldorf und Schenefeld beschränkt und damit die Voraussetzung für eine regelmäßige gottesdienstliche Versorgung der gesamten Bevölkerung nicht gegeben sind . Insbesondere in den hier zur Debatte stehenden östlichen Randgebieten entlang des „Limes Saxoniae“ muß – auch aufgrund späterer Angaben Helmolds von Bosau – mit der Fortdauer des Heidentums gerechnet werden.

Im übrigen ist dieser Raum vom 9. bis zum beginnenden 12. Jahrhundert häufig umkämpftes Grenzgebiet, denn die Beziehungen zwischen den nordelbischen Sachsen und ihren slawischen Nachbarn sind vielfach wenig friedlich. Da, wie erwähnt, die Reichsgewalt nördlich der Elbe kaum zur Geltung kommt, sind die Holsteiner und Stormarner bei der Abwehr der Slawen, die besonders im 9. und im 11. Jahrhundert immer wieder den „Limes Saxoniae“ durchbrechen, auf eigene Kräfte angewiesen. Die ständige Grenzsicherung wird dabei von der „Virtus Holsatorum“ wahrgenommen, einer berittenen, aus Angehörigen der großbäuerlichen Führungsschicht gebildeten Truppe.

II. Die Burgvogtei Segeberg (12. – 14. Jahrhundert)

Das 12. Jahrhundert ist – allgemeinhistorisch betrachtet – die bedeutendste Epoche in der Geschichte der Region Segeberg. In dieser Zeit gehen von hier entscheidende Impulse für die deutsche Ostsiedlung aus – ein tiefgreifender, zweihundert Jahre lang anhaltender und die weitere Geschichte der Deutschen in vielfacher Hinsicht bestimmender Vorgang.

Im Jahre 1134 begibt sich Lothar von Supplinburg, Herzog von Sachsen, deutscher König und römischer Kaiser, auf den Gipfel des Kalkberges, der damals noch viel höher ist als heute und das umgebende Land weit überragt. Der Kaiser erkennt sofort die einzigartige strategische Bedeutung dieser bereits im Slawenland gelegenen Anhöhe und befiehlt, hier eine Burg zu errichten – der erste Stützpunkt der Reichsgewalt im Inneren Nordelbingens. Diese Baumaßnahme ist im Zusammenhang mit Lothars aktiver Ostpolitik zu sehen, die auf die Besiedlung und Erschließung der westlichen Slawengebiete abzielt und u. a. durch die Einsetzung der Schauenburger als Grafen von Holstein, der Askanier als Markgrafen von Brandenburg und der Wettiner (bis 1918 Herrscher von Sachsen) zum Ausdruck kommt.

Die Burg Segeberg (= Siegesburg), in deren Schutz auch ein für die kirchliche Erschließung der Gegend gedachtes Stift, das spätere Augustiner-Chorherrenstift, und eine kleine Siedlung entstehen, ist für die militärische Absicherung der wenig später einsetzenden deutschen Besiedlung Ostholsteins von entscheidender Bedeutung gewesen. Auch später noch, als bereits ganz Schleswig-Holstein von einem Netz landesherrlicher Burgen überzogen ist,

Maria-Magdalenen-Kirche, Bad Bramstedt

Maria-Magdalenen-Kirche, Bad Bramstedt

stellt sie die stärkste Festung des Landes dar. Nicht zuletzt deswegen wird hier, im sogenannten Blauen Turm der Burg, jahrhundertelang das landesherrliche Archiv aufbewahrt, in dem sich die wichtigsten Urkunden und Dokumente aus allen Landesteilen befinden.

Um die Bedeutung der Burg Segeberg für die schauenburgische Landesherrschaft richtig einschätzen zu können , muß man wissen, daß während des ganzen Mittelalters die Defensivwaffen den Offensivwaffen überlegen sind. Eine gut verteidigte und gut verproviantierte Burg kann kaum eingenommen werden – der Besitz der Burgen bedeutet somit die Herrschaft über das Land. Das vorrangige Ziel aller landesherrlichen Politik muß daher sein, die Verteidigungsfähigkeit der Burgen des Landes zu gewährleisten. Die darauf abzielenden Maßnahmen lassen sich, was die Burg Segeberg angeht, zwar erst aus späteren Nachrichten entnehmen, es besteht jedoch kein Zweifel, daß von Anfang an entsprechend verfahren worden ist.

Wichtig ist zunächst, daß eine militärisch wie politisch zuverlässige Besatzung in die Burg gelegt wird. Wie stark diese in Segeberg in den ersten Jahrhunderten gewesen ist, wissen wir nicht. Es ist aber anzunehmen, daß die Angehörigen der Burgbesatzung, in den Quellen als „castellani“ bezeichnet, schon im 12. Jahrhundert ritterlichen Standes sind und zum gräflichen Landesherrn in einem Lehnsverhältnis stehen, das durch wechselseitige Treuebindung gekennnzeichnet ist und damit einen stark persönlichen Charakter hat. An der Spitze der Besatzung steht der gräfliche Vogt („advocatus“), der die landesherrlichen Hoheitsrechte vor Ort wahrnimmt und zunächst vor allem militärische Aufgaben hat. In Kriegszeiten bietet er die Wehrdienstpflichtigen seines Bezirks, in diesem Fall Bauern und Ritter der Vogtei Segeberg, auf und befehligt sie; im Frieden sorgt er für die Instandhaltung der Burg und für ihre Versorgung mit Lebensmitteln. Was die Burg Segeberg angeht, so werden dafür höchstwahrscheinlich von Anfang an die Bauern der Kirchspiele Bornhöved, Segeberg und Leezen herangezogen.

Über sie gebieten die schauenburgischen Grafen nicht nur als Landes-, sondern auch als Grundherren, d. h. daß diese Bauern – im Unterschied zu den freien Bauern nicht als „rustici“, sondern als „coloni“ bezeichnet – Land bewirtschaften, das rechtlich gesehen nicht ihnen, sondern dem Grafen gehört. Dafür sind sie ihm zu Gegenleistungen verpflichtet, die in Form von persönlichen Diensten („Hand- und Spanndienste“) oder Geldzahlungen („Grundzins“), in diesem Fall aber wegen der Nähe der Burg Segeberg vor allem in Naturalleistungen bestehen. Es ist also kein Zufall, daß die gräflichen Grundherrschaften – wie überwiegend auch sonst in Holstein – in der Nähe der landesherrlichen Burg liegen: Die bäuerlichen Hintersassen des Grafen in den drei genannten Kirchspielen gewährleisten die Lebensmittelversorgung der Burg Segeberg.

Wichtig für die Verteidigung der Burg ist aber nicht nur deren Verproviantierung, sondern auch ihr baulicher Zustand. Für bauliche Ausbesserungsmaßnahmen im Frieden und für Bau- und Schanzarbeiten im Krieg wird die männliche Bevölkerung der Vogtei Segeberg auf der Rechtsgrundlage des „Burgwerk“ herangezogen, einer öffentlichen Leistung, zu der zunächst jedermann verpflichtet ist. Schon wegen der räumlichen Nähe zur Burg Segeberg ist anzunehmen, daß auch diese Dienste vielfach von landesherrlichen Hintersassen der Kirchspiele Bornhöved, Segeberg und Leezen geleistet worden sind.

1138/39 erobern die Holsten und Stormarner in zwei Feldzügen ganz Wagrien; die slawische Herrschaft wird auf Mecklenburg zurückgedrängt. Im Jahre 1143 ruft Graf Adolf II. von Schauenburg überall in Norddeutschland zur Besiedlung des neu gewonnenen Landes auf und leitet damit die deutsche Ostsiedlung ein. Im Schutzbereich der Segeberger Burg lassen sich überwiegend Neusiedler aus dem Holstengau und aus Westfalen nieder, wobei die – zunächst zögernden – Holsten vor allem die Gebiete in der Nähe des „Limes Saxoniae“ und am Oberlauf der Trave besetzen, während sich die Westfalen weiter östlich niederlassen.

In der Regel vollzieht sich das Siedlungswerk in der Weise, daß ein mit den Verhältnissen vertrauter „Lokator“ im Altsiedelland einen Treck siedlungswilliger Bauern zusammenstellt, ihn in das Zielgebiet führt und dort die Ansiedlung vornimmt. Die Lokatoren sind häufig ritterlicher Herkunft oder wachsen im Neusiedelland in den Ritterstand hinein, denn der Graf vergibt die einzelnen Siedlungsdistrikte an ihm ergebene Vasallen, die damit das Recht erhalten, den jeweiligen Bezirk als Grundherrschaft einzurichten und sich dort einen befestigten Rittersitz („curia“) zu erbauen. Auf diese Weise schaffen sich die Grafen eine ritterliche Lehnsmannschaft, die dem Siedlungsunternehmen den in der Anfangszeit nötigen militärischen Rückhalt verleiht und außerdem das wichtigste Instrument für den Aufbau der gräflichen Landesherrschaft darstellt.

Die Siedler werden also überwiegend nicht als freie Bauern angesetzt, sondern stehen von Anfang an in einem grundherrlichen Abhängigkeitsverhältnis. Zwar führen sie ihre Höfe in der Regel als erbliche Familienbetriebe, aber rechtlich gesehen gehört das Land, das sie bearbeiten, nicht ihnen, sondern ihrem Grundherrn, der demzufolge auch verpflichtet ist, die – in alter Zeit stets mit dem Besitz von Grund und Boden verbundenen – militärischen Leistungen für das betreffende Gebiet zu erbringen. Dafür und für die Nutzung des Landes sind die Bauern ihrem Grundherrn gegenüber zu bestimmten Gegenleistungen verpflichtet, die in Form von Geldzahlungen , Naturalabgaben oder Hand- und Spanndiensten abgegolten werden oder sich auch aus mehreren dieser Leistungen zusammensetzen. Wenngleich die Befreiung vom Kriegsdienst und der Schutz, den der Bauer von seinem Grundherrn erfährt, vor allem in den unsicheren Zeiten der eigentlichen Landnahme durchaus ihre Vorteile haben, so ist doch der rechtliche Status der Neusiedler im Vergleich zu den in Altholstein ansässigen Freibauern von vornherein gemindert.

In der Vogtei Segeberg, deren Ausdehnung weitgehend der des heutigen Landkreises Segeberg entspricht, bilden sich also damals, was die Sozialverfassung der Bevölkerung angeht, drei ganz unterschiedliche Teilbereiche heraus. Westlich des alten „Isarnho“, in den Großkirchspielen Bramstedt und Kaltenkirchen, bleibt es bei der überkommenen Sozialstruktur. Hier sitzen nach wie vor freie Bauern auf Höfen, die ihr erbliches Eigentum darstellen und über die sie frei verfügen können. Sie haben der Landesherrschaft gegenüber die mit ihrem Grundbesitz verbundenen öffentlichen Leistungen, insbesondere Steuern und Kriegsdienst zu erbringen, sind aber sonst niemandem verpflichtet.

Die Dörfer der Kirchspiele Bornhöved, Segeberg und Leezen sind überwiegend zu einer landesherrlichen Grundherrschaft zusammengefaßt, so daß für die hier ansässigen Bauern ein doppeltes Abhängigkeitsverhältnis entsteht: Die Grafen sind für sie Grund- und Landesherren zugleich.

Der Osten der Vogtei Segeberg schließlich besteht aus einer Vielzahl zumeist adliger Grundherrschaften. Zwar sind die Grafen hier ebenfalls Landesherrn, doch nehmen sie die entsprechenden Befugnisse fast ausschließlich den Grundherren gegenüber wahr, die somit die Masse der bäuerlichen Bevölkerung von der direkten Verbindung zur Landesherrschaft abschließen. Die zumeist ritterlichen Grundherren residieren vielfach auf Wasserburgen, aus denen sich später die – deswegen häufig an Gewässern gelegenen – Herrenhäuser der adligen Güter entwickeln. Die grundhörigen Bauern haben zwar ihre Verpflichtungen gegenüber dem Grundherrn zu erfüllen, bewirtschaften aber im übrigen ihre Höfe in eigener Regie.

Gegen Ende des 12. und zu Beginn des 13. Jahrhunderts fallen in Norddeutschland und im Ostraum wichtige historische Entscheidungen, die auch die Vogtei Segeberg berühren. Mächtigster Herrscher im Norden des Reiches ist bis 1180 Herzog Heinrich der Löwe, der die Ostsiedlung kräftig

Katharinenkirche in Großenaspe

Katharinenkirche in Großenaspe

fördert und die Grundlagen für die deutsche Ostseeherrschaft des Spätmittelalters legt; er hält sich wiederholt in Nordelbingen auf und hat auch Segeberg besucht. Nach seinem Sturz gerät das politische System Norddeutschlands in eine tiefe Krise, und es sieht für einige Zeit so aus, als sollte das unter König Waldemar kräftig erstarkende dänische Großreich nicht nur die Ostseeherrschaft erringen, sondern auch zum Träger der Ostsiedlung in diesem Raum werden. Holstein, Mecklenburg und das reichsfrei gewordene Lübeck werden von den Dänen erobert, die auch auf Pommern und Estland übergreifen. Auf der Segeberger Burg herrscht ein Vogt des Grafen Heinrich von Orlamünde, der seinerseits im Auftrag des dänischen Königs Nordelbingen regiert – ein Zustand übrigens, der von dem fast ausschließlich in Italien weilenden Kaiser Friedrich II. ausdrücklich bestätigt wird.

In dieser Situation sind es die norddeutschen Fürsten und die Bürger der Städte Hamburg und Lübeck gewesen, die eine grundlegende Wende herbeigeführt und die deutsche Zukunft im Ostseeraum gesichert haben. Wiederum fällt die Entscheidung im Bereich des heutigen Kreises Segeberg, und zwar am Maria-Magdalenen -Tag (22. Juli) des Jahres 1227 bei Bornhöved. Der Sage nach soll Graf Adolf IV. von Schauenburg, als die Schlacht ungünstig für die Deutschen steht, angesichts des ganzen Heeres auf die Knie gefallen sein und gelobt haben, Mönch zu werden und der heiligen Maria Magdalena Kirchen und Altäre zu weihen, wenn Gott ihm doch noch den Sieg verleihe. Daraufhin sei am Himmel eine herrliche Frauengestalt erschienen, die das blendende Sonnenlicht abgelenkt und das Heer der Verbündeten gesegnet habe, das daraufhin von neuem Mut erfüllt worden sei und die Dänen besiegt habe.

Selten hat eine Schlacht so weitreichende historische Folgen gehabt: Das dänische Großreich bricht zusammen , die Voraussetzungen für den Fortgang der deutschen Ostsiedlung und für die Machtstellung der Hanse im Ostseeraum sind gegeben. Die weitere Entwicklung ist vor allem durch den Aufstieg der – seit 1226 – Freien Reichsstadt Lübeck gekennzeichnet, die in wirtschaftlicher, kultureller und rechtlicher Hinsicht für weite Bereiche Nordeuropas prägende Bedeutung erlangt. Auch die Grafschaft Holstein und insbesondere der Lübeck benachbarte Raum Segeberg werden naturgemäß in vielfältiger Hinsicht von dieser Stadt beeinflußt. So gestaltet die Stadt Segeberg, die sich aus der kleinen Siedlung unterhalb der Burg entwickelt hat, wie die meisten Städte im Ostseeraum ihre Verfassung nach lübischem Recht. Da das Original der Stadtgründungsurkunde nicht erhalten geblieben ist, wissen wir nicht genau, wann der Ort zur Stadt erhoben worden ist. Nach dem Wortlaut einer allerdings etwas fragwürdigen Abschrift einer mittelniederdeutschen Übersetzung, die ihrerseits auf Abschriften des lateinischen Originaltextes zurückgeht, ist die Stadt im 13. Jahrhundert gegründet worden. Einige Anhaltspunkte – insbesondere die Art des Stadtsiegels – deuten auf einen Zusammenhang mit der ersten großen Stadtgründungswelle im Zeitalter Adolfs IV., der auch Plön, Oldenburg, Oldesloe und Itzehoe gründet. Da Graf Adolf IV. entsprechend seinem Gelübde während der Schlacht von Bornhöved im Jahre 1239 in ein Kloster eintritt und danach keine Urkunden mehr ausstellt, ist es sehr gut möglich, daß Segeberg sein Stadtrecht Ende der zwanziger oder während der dreißiger Jahre des 13. Jahrhunderts erhalten hat.

Auf jeden Fall ist mit dem lübischen Recht die Selbstverwaltung der Bürgerschaft verbunden. Entscheidendes Verfassungsorgan ist der Rat, der die internen Verwaltungs- und Justizangelegenheiten der Stadt regelt. Er ergänzt sich selbst, indem er jeweils beim Tod eines Mitgliedes einen Angehörigen der führenden Familien kooptiert, der im allgemeinen auf Lebenszeit im Rat verbleibt. Im übrigen ist der Rat auf Zusammenarbeit und Interessenausgleich mit dem gräflichen Stadtherrn angewiesen, der in diesem Fall durch den Burgvogt vertreten wird. Da die landesherrliche Burg Segeberg sehr bedeutend, die Stadt aber nur verhältnismäßig klein ist, läßt sich gut denken, daß sich der Rat dabei häufig nach der Decke strecken muß. Von einem so weiten Spielraum, wie ihn die größeren Städte oder gar die Freien Reichsstädte haben, kann jedenfalls keine Rede sein.

Angaben über die genaue räumliche Ausdehnung der Vogtei Segeberg liegen seit dem 14. Jahrhundert vor. Die Urkunde, die über die Landesteilung des Jahres 1316 ausgefertigt wird, ordnet „dheme huse to segheberghe“ die Kirchspiele Kaltenkirchen, Bramstedt, Bornhöved (mit Ausnahme des Raumes Ruhwinkel – Perdöl – Wankendorf- Stolpe) und Schlamersdorf zu. Sieht man einmal von dem Raum Großenaspe – Heidemühlen – Boostedt ab, der bis in das 20. Jahrhundert hinein nach Neumünster bzw. Kiel / Bordesholm hin orientiert bleibt, so entspricht also die gesamte West- und Nordgrenze der Vogtei Segeberg der heutigen Kreisgrenze.

Die Teilungsurkunde von 1316 rechnet dann ferner zur Vogtei Segeberg die Kirchspiele Segeberg, Leezen, Pronstorf, Warder, Gnissau und Curau, nicht jedoch das Kirchspiel Sülfeld. Wie bereits für das frühe Mittelalter gezeigt, ist also der Raum Sülfeld – Itzstedt- Sievershütten – Stuvenborn nach wie vor nach Stormarn orientiert; im übrigen entspricht auch die Südgrenze der Vogtei Segeberg der heutigen Kreisgrenze. Im Osten schließlich reicht der Einfluß des Segeberger Vogts im Bereich des Kirchenspiels Curau über das Gebiet des heutigen Kreises hinaus.

„Haus Segeberg", Landratsamt

„Haus Segeberg“, Landratsamt

Wichtig ist, daß die Urkunde des Jahres 1316 das Adelsland im Osten nicht nach Grundherrschaften aufführt, sondern ganz selbstverständlich und ohne Einschränkung als Teilgebiete der Vogtei Segeberg betrachtet.

III. Das Amt Segeberg (15. – 19. Jahrhundert)

Während des 15. und 16. Jahrhunderts kommt es in ganz Europa zu grundlegenden politischen, sozialen und geistigen Wandlungen, die für den Eintritt in eine neue Geschichtsepoche, die Neuzeit, kennzeichnend sind. Was nun die Region Segeberg, insbesondere deren Ostgebiete, angeht, so ist in diesem Zusammenhang zunächst auf eine tiefgreifende Veränderung des adligen Selbstverständnisses hinzuweisen, die wiederum mit den veränderten militärischen Verhältnissen zu tun hat. Im 14. und erst recht im 15. Jahrhundert mehren sich die Anzeichen dafür, daß die Zeit der schweren adligen Panzerreiterei und damit der ritterlichen Kriegführung vorbei ist; die Siege von bäuerlichem Fußvolk über gepanzerte Ritterheere – etwa der Schotten bei Bannocksburn, der Flamen bei Kortrijk oder der Schweizer bei Morgarten, schließlich die Niederlagen Karls des Kühnen und das Debakel des schleswig-holsteinischen Ritterheeres bei Hemmingstedt – sprechen eine deutliche Sprache. Der Adelige, der sich bis dahin vorwiegend als Ritter und Lehnsmann fühlt und dessen Selbstverständnis im wesentlichen von seiner militärischen Aufgabe bestimmt ist, muß sich unter diesen Umständen nach einem anderen Tätigkeitsfeld umsehen bzw. sich auf einen anderen Lebensschwerpunkt hin orientieren. Die Masse des Adels entscheidet sich für die Landwirtschaft: Der Ritter des Mittelalters wird zum Gutsherrn der Neuzeit, die mittelalterliche „curia“ zum modernen Herrenhof.

Für das ostelbische Neusiedelland, auch für die östlichen Gebiete der Vogtei Segeberg, kommt es damit zu einschneidenden gesellschaftlichen Veränderungsprozessen, die durchweg zum sozialen Abstieg des Bauerntums führen. Betreibt der adelige Grundherr bis dahin die zu seiner „curia“ gehörige Landwirtschaft im wesentlichen zur Eigenbedarfsdeckung, so stellt sich die Lage jetzt anders dar: Seine bäuerlichen Hintersassen konkurrieren mit ihm auf dem nahegelegenen Lübecker Markt, und er hat im Gegensatz zu früher das größte Interesse daran, die eigene Anbaufläche innerhalb seiner Grundherrschaft auszuweiten.

Die grundhörigen Bauern sind dem Druck des Adels, der sich aus dieser Situation für sie ergibt, auf die Dauer nicht gewachsen gewesen, zumal im Zeitalter des Ständestaates auch die politische Bedeutung des Adels immer mehr zunimmt. Einen ersten Höhepunkt erreicht die Macht der Ritterschaft, als ihr Friedrich I. auf dem Kieler Landtag des Jahres 1524 die volle Gerichtsbarkeit über ihre bäuerlichen Untertanen gewährt und zugleich alle Angehörigen des Adels von der öffentlichen Gerichtsbarkeit des Landesherrn befreit. Gestützt auf die damit gegebenen juristischen Mittel und unter Ausnutzung ihrer überlegenen politischen und finanziellen Möglichkeiten haben sie im Laufe der Zeit mehr und mehr Ländereien der Bewirtschaftung durch ihre Hintersassen entzogen und dem eigenen Hofland zugeschlagen. Damit verlieren die bäuerlichen Hintersassen größtenteils oder ganz ihre wirtschaftliche Selbständigkeit und sind gezwungen, als Landarbeiter auf dem Herrenhof Dienst zu tun. Der Endpunkt dieser Entwicklung ist erreicht, wenn praktisch der ganze grundherrliche Distrikt vom Herrenhof aus bewirtschaftet wird – aus der Grundherrschaft des Mittelalters ist die Gutsherrschaft der Neuzeit geworden.

Im 17. Jahrhundert entwickelt sich die Gutsuntertänigkeit der Bauern in den östlichen Adelsdistrikten in der Weise, daß in mancherlei Hinsicht bereits von persönlicher Abhängigkeit gesprochen werden muß. Dagegen scheitert damals der Versuch, die Institution der Gutsherrschaft auch auf den Westen des Segeberger Raumes auszuweiten. Hier, im Bereich der Kirchspiele Bramstedt und Kaltenkirchen, ist die freibäuerliche Tradition ungebrochen, wenngleich es inmitten des Bauernlandes auch hier einzelne Adelssitze gibt. Einer davon ist der Hof Bramstedt, der in der Nähe des Ortszentrums liegt, der Fleckensgemeinde Bramstedt aber nicht untersteht.

Im Jahre 1685 erwirbt der damalige Besitzer des Gutes Bramstedt, Baron von Kielmannsegg, einen von König Christian V. ausgestellten Pfandbrief auf das Amt Segeberg, zu dem im wesentlichen die Kirchspiele Bramstedt, Kaltenkirchen, Bornhöved, Leezen und Segeberg gehören. Die dänischen Könige, seit dem Ripener Vertrag von 1460 auch Landesherren in Schleswig und Holstein, sind durch den Dreißigjährigen Krieg in derartige finanzielle Schwierigkeiten gekommen, daß sie darangehen, bestimmte öffentliche Rechte, so etwa das Jagd- und Fischereirecht sowie die Hoch- und Niedergerichtsbarkeit, auf dem Pfandwege zu vergeben. Baron von Kielmannsegg glaubt nun, mit dem Pfandbrief, in dem seine Befugnisse in der Tat recht umfassend formuliert werden, ein Mittel in der Hand zu haben, um die Gutsuntertänigkeit in Bad Bramstedt durchzusetzen. Von der Kanzel der Maria-Magdalenen-Kirche herab läßt er verkündigen, daß er hinfort die Obrigkeit in Bramstedt darstellt, und fordert die Fleckenseinwohner auf, ihm für den folgenden Tag je Haushalt zwei Personen für seine Jagd zur Verfügung zu stellen. Der Bramstedter Bauer und damalige Fleckenvorsteher Jürgen Fuhlendorf hat später eine Chronik über diese Ereignisse verfaßt, in der es u. a. heißt:
„Zu mir als Schreiber dieses schickte er selben Sonntagnachmittag seinen Voigt, mir befehlendt, ich solte morgen, als Montag früh, mit 4 Pferdt und einen Wagen auf den Hof sein und nach Hambourg fahren. Darauf ich antwortete, er ginge unrecht, ich wüste von keinen Baron als meiner Obrigkeit; der König were meine Obrigkeit. Der Voigt aber, ehe fast eine Stunde zu Ende ging, da ich mich zum andernmahl auch wegerte, zum drittenmahl wiederkan, sagende, wan ich nicht fahren wolte, wolte mich der Baron alsofort hohlen laßen, ins Gefängnis werfen, da ich weder Sonn- und Mondschein sehen könnte. Worauf ich antwortete, er solte auf solche Ahrt nicht wieder in mein Hauß kommen; käme er wieder, mich zu hohlen, ich wollte mich so lange wehren biß an den Todt, und sollte er mir nimmer lebendig auf seinen Hof bringen. Welches dan, weil er den Ernst sahe, daß Mahl darbey blieb.

Montag morgens war daß gantze Flecken mit Mann, Weib und Kinder versammelt, da dan nichts als Häulen und Weinen gehöret wurde, ja wie die Kinder Israel in Egypten und am Rohten Meer, also schrie ein jeder zu Gott, daß er sie aus dieser Noth helfen und erretten wolte. Worauf sie dan endlich schlü-ßig worden, verbunden und verschrieben sich zusammen alle damahls lebende Männer im Flecken, daß sie nicht allein Geld und Guth, sondern auch Leib und Bludt vor ihre Freyheit laßen und darbey aufsetzen wolten und nimmer unter den Bramstedter Hof sich geben. Wan sie auch all das Ihrige solten im Stich laßen, wolten sie doch lieber mit Weib und Kindern davonziehen.“

Mit dem korporativen Zusammenschluß aller Fleckenseinwohner und dem Entschluß zum Widerstand gewinnt die Angelegenheit grundsätzliche Bedeutung. Die Auseinandersetzung wird in den folgenden Jahren auf den verschiedensten Ebenen mit politischen, juristischen und finanziellen Mitteln angefochten, wobei der Baron auch vor Einschüchterung und Anwendung von Brachialgewalt nicht zurückschreckt. Die Bramstedter sind schließlich bereit, sich durch eine einmalige Zahlung, die auf alle Fleckenseinwohner umgelegt wird, selbst aus der Pfandschuld zu befreien; mit Unterstützung der Krone gelingt dies auch. Im Jahre 1695 steht fest, daß die Bramstedter es geschafft haben, ihre traditionellen Freiheitsrechte zu bewahren und die Ausweitung der Gutsuntertänigkeit auf das Altsiedelland zu unterbinden.

Die Vereinigung, zu der sich die Fleckensbewohner in der Stunde der Not zusammengeschlossen haben, besteht übrigens heute noch als Fleckensgilde, die das Andenken an die Tat Jürgen Fuhlendorfs und das Bewußtsein von der freiheitlichen Tradition des Ortes wachzuhalten bemüht ist.

Die sozialgeschichtliche Entwicklung im Raum Segeberg verläuft also ganz unterschiedlich: Während die Bauern der östlichen Adelsdistrikte überwiegend auf den Status von Tagelöhnern herabsinken, sind die Bauern der beiden westlichen Kirchspiele in der Lage, ihren sozialen Rang zu behaupten. Was jedoch den politisch-administrativen Bereich angeht, so müssen sie sich im Vergleich zur sächsischen Frühzeit und zum Hochmittelalter gewisse Einschränkungen gefallen lassen. Zwar wird der Grundsatz der bäuerlichen Selbstverwaltung auf Kirchspiels- und Gemeindeebene im Kern nicht angetastet, jedoch bringt die Entwicklung zur modernen Staatlichkeit, insbesondere der zunehmende Handlungsbedarf für den Staat der frühen Neuzeit, es mit sich, daß vieles, was zuvor von den Bauern in eigener Regie geregelt worden ist, von Organen und Behörden der Landesherrschaft angeordnet, durchgeführt und kontrolliert wird. Was beispielsweise die Nutzung der Segeberger Heide im Bereich des alten „Isarnho“ für jagdliche Zwecke, zur Schweinemast oder zur Brennstoffversorgung angeht, so gilt für die Frühzeit ganz selbstverständlich der Grundsatz vom „Volksrecht am Unland“, der die beliebige Nutzung für jedermann ermöglicht. Je mehr sich nun die moderne Staatlichkeit entwickelt, in diesem Fall: eine staatliche Forstverwaltung aufgebaut wird, um so mehr werden die überkommenen Rechte der Bauern eingeschränkt. Zu ganz ähnlichen Entwicklungen kommt es in den Bereichen des Gerichtswesens, der Lokalverwaltung und später des Schulwesens.

Die Kirchspiele Bornhöved, Segeberg und Leezen stehen, da sie grundherrlich geprägt sind, zunächst im Gegensatz zu den freibäuerlichen Kirchspielen des Westens. Da jedoch die Landesherren hier weniger als Grundherren in Erscheinung treten, haben diese Gebiete die sozialgeschichtliche Entwicklung der adeligen Grundherrschaften im Osten nicht mitgemacht. Andererseits sind sie – auch durch die Nähe der Segeberger Burg – voll in die landesherrliche Verwaltung mit eingebunden und sind somit in gleicher Weise von der Ausbildung der modernen Landesverwaltung betroffen wie die westlichen Kirchspiele. Auf diese Weise ergibt sich bereits im Mittelalter eine Angleichung zwischen den landesherrlichen Kirchspielen im Neusiedelland und den altholsteinischen Kirchspielen Bramstedt und Kaltenkirchen. Während sich durch die Emanzipation des Adels und dessen Sonderrechte die adeligen Kirchspiele des Ostens immer mehr aus der landesherrlichen Verwaltung herauslösen, wachsen die westlichen und die mittleren Kirchspiele, von der Segeberger Burg aus einheitlich verwaltet, immer mehr zusammen.

Die Veränderung der Verhältnisse wird auch dadurch deutlich, daß im 15. Jahrhundert die Bezeichnung „Vogt“ („Burgvogt“, „advocatus“) verschwindet; stattdessen ist vom „Amtmann“ die Rede. An die Stelle der „Vogtei Segeberg“ tritt nunmehr in den Quellen das „Amt Segeberg“, und zwar ist mit der Änderung der Bezeichnung auch eine Änderung des Begriffsinhalts zu beobachten. Während die „Vogtei Segeberg“ stets auch die adeligen Kirchspiele im Osten umfaßt hat, wird das neue Wort „Amt“ im allgemeinen nur mehr auf die nichtadeligen Teile der Region bezogen, also auf das Gebiet der Kirchspiele Bramstedt, Kaltenkirchen, Bornhöved, Segeberg und Leezen sowie auf die Stadt Segeberg.

Damit tritt im Segeberger Raum eine administrative Zweiteilung ein: Die Mitte und der Westen der ehemaligen Vogtei Segeberg werden weiterhin von der Segeberger Burg verwaltet, während sich die weiter östlich gelegenen Gutsbezirke selbst verwalten. Letzteres wird übrigens auch dadurch deutlich, daß bei den Landesteilungen zwar die Ämter, nicht jedoch die Adelsgebiete geteilt werden; die Gutsdistrikte werden vielmehr von den Landesherren gemeinsam, in Wirklichkeit vom Adel selbst verwaltet.

In diesen beiden Teilregionen der früheren Vogtei und des heutigen Landkreises Segeberg entwickelt sich die gesamte öffentliche Ordnung bis 1867 recht unterschiedlich. Im Westen bleiben die Kirchspiele, die letztlich auf die germanische Zeit zurückgehen – die ersten Großkirchspiele sind identisch mit den Gauvierteln -, die Gliederungseinheiten des öffentlichen Lebens schlechthin. Nicht nur in kirchlich-religiöser, sondern auch in politischer, administrativer, rechtlicher, militärischer, wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht ist der Kirchort der Mittelpunkt für die gesamte Umgebung. Hier tritt das Kirchspielsding zusammen, hier werden Verwaltungsangelegenheiten entschieden und verkündet, Gerichtsurteile gefällt und vollstreckt, hier versammelt sich in Kriegszeiten das Aufgebot der wehrdienstpflichtigen Männer. Das Kirchspielsding ist ein aus Einwohnern des Kirchspiels bestehendes Verwaltungs- und Gerichtsorgan, das die seit der sächsischen Zeit ungebrochene Tradition der bäuerlichen Lokalverwaltung fortsetzt. Einberufen und geleitet wird es vom Kirchspielvogt, der als Lokalbeamter dem Segeberger Amtmann unterstellt ist und insoweit für die Durchsetzung landesherrlicher Anordnungen vor Ort verantwortlich ist. In lokalen Angelegenheiten und auch im Rechtswesen behalten die Bauern jedoch ihre Befugnisse; der Kirchspielsvogt ist Gerichtsvorsitzender, aber nicht Richter.

Windmühle in Götzberg

Windmühle in Götzberg

Ganz anders stellt sich die Situation in den Adelsdistrikten des Ostens dar. Hier ist die Gliederungseinheit des öffentlichen Lebens nicht das Kirchspiel, sondern der Gutsbezirk. Die Kirchspiele sind reine Pfarrsprengel und lediglich für das kirchlich-religiöse Leben zuständig, wobei man freilich

bedenken muß, daß die Kirche damals auch im sozialen Leben eine wichtige Rolle spielt. Politische, gerichtliche und administrative Angelegenheiten werden auf Gutsbezirksebene geregelt, wobei der jeweilige Gutsherr die entscheidende Instanz ist. Er ist zwar an die landesherrlichen Grundsatzentscheidungen gebunden, untersteht jedoch nicht dem Segeberger Amtmann und gestaltet seine lokalen Angelegenheiten in eigener Verantwortung.

In einem einzigen Bereich nur bleibt die frühere Verbindung zwischen dem Segeberger Amtmann und den östlichen Adelsbezirken erhalten, und zwar im Militärwesen. Der schleswig-holsteinische Adel unterliegt bis weit in die Neuzeit hinein der Roßdienstpflicht, und da im Kriegsfalle das Aufgebot irgendwie organisiert werden muß, bieten sich dafür die landesherrlichen Burgen als die militärischen Zentren des Landes an. In den Landregistern des 16. und 17. Jahrhunderts, in denen die Pferdegestellungszahlen verzeichnet sind, ist daher die schleswig -holsteinische Ritterschaft nach Ämtern gegliedert, wobei der Begriff „Amt“ hier in einem weiteren Sinne zu verstehen ist. Ein Landregister aus dem Jahre 1543 etwa enthält unter der Überschrift „Segeberger Ampt“ folgenden Angaben:

Otto Seestedt, Amptmann, Rath                  8
 Hennicke von Bockwolden tho Pronstorp         6
 Gossing Wensin tho Rolefstorp                 3
 Marquart von Bockhwolden thon Syerhane       12
 Casper Fuchß tho Bramstedte                   2
 Paul Ritzeroue tor Hasselborch                4
 Dirick Blome thom Seedorp                     6
 Bartholomeus van Anesfelde thor Frysenborch   4
 Breyde Rantzow, Rath zu Redtwisch             4
 Jürgen van Anefelde tom Grönenberge           3
 Jürgen van Anefelde thor Wensyn               6
 Benedictus Rantzouw thom Schaphuße            2
 Jacob Rantzau tho Daldorp
 Hans Pogwisch tor Farve                       6
 Hennecke von Bockwolden thor Wensin
 Detlef von Bockwolden tho Mucksfelde

Andere Landregister nennen auch die Güter Wulfsfelde, Övelgönne, Neversdorf, Borstel, Sirhagen, Hornsdorf, Nütschau und Tralau; das neuzeitliche „Amt Segeberg“ im militärischen Sinne reicht also weit über die mittelalterliche Vogtei Segeberg hinaus.

Die angegebenen Zahlen bezeichnen übrigens nur die eigentlichen Streitrosse und berücksichtigen nicht, daß jeder Ritter („gudemann“) über mindestens einen Helfer („knecht“, „renner“) und mindestens drei Pferde verfügen muß. Die Angabe „Hennecke von Bockwohlden thor Pronstorp … 6″ besagt also, daß der dem Gut Pronstorf aufliegende Roßdienst mit einem Kontingent von sechs Streitrossen abzuleisten ist und daß Herr Henning von Buchwald – sich selbst mitgerechnet – sechs Vollgerüstete mit Gefolge und mit der entsprechenden Anzahl von Reit- und Packpferden zu stellen hat.

Die Bedeutung des Adels liegt allerdings damals gar nicht mehr so sehr im militärischen als vielmehr im politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Bereich.Was das letztere angeht, so entfaltet sich auch auf den Gütern und Herrensitzen des Segeberger Raumes im 16. und besonders im 17. und 18. Jahrhundert eine reiche Adelskultur, die uns noch heute – in der Anlage der Güter, in der baulichen Gestaltung der Herrenhäuser, in der Innenarchitektur – ganz unmittelbar begegnet.

Die ritterliche „curia“, anfangs nur eine Art befestigtes Bauernhaus, ist zunächst noch sehr klein und unansehnlich. In Hornstorf beispielsweise sind bis heute zwei je 6 x 6m große Kellerräume erhalten, die früher die Größe der ganzen Anlage bezeichnet haben. Je mehr die Adelssitze jedoch ihren Charakter als Festungen verlieren, um so mehr wird den Wohnbedürfnissen Rechnung getragen und um so größer werden sie: Aus der Burg des Mittelalters wird das Schloß der Neuzeit. So entsteht während des Dreißigjährigen Krieges als erstes kunstgeschichtlich bemerkenswertes Zeugnis der Adelsarchitektur im Raum Segeberg das stattliche Herrenhaus Wensin, bei dem die baugeschichtliche Kontinuität insofern deutlich wird, als es noch mancherlei mittelalterliche Architekturelemente aufweist. Bedeutende Adelsbauten in unserer Gegend sind ferner die aus dem Hoch- bzw. Spätbarock stammenden Herrenhäuser von Muggesfelde und Borstel, vor allem aber das des Gutes Pronstorf – „vielleicht das schönste Herrenhaus des 18. Jahrhunderts in Schleswig-Holstein; bei aller Pracht der Fassade, deren Architekt mit den Formelementen der Zeit auf das sicherste umzugehen verstand, ordnet sich der Bau wunderbar in die Seelandschaft und die umgebenden Baumgruppen ein“ (Peter Hirschfeld).

Prächtige Bauten hat auch Heinrich Rantzau ausführen lassen, der seit 1554 als Amtmann in Segeberg residiert und von 1556 bis 1598 königlicher Stadthalter gewesen ist. Er läßt die landesherrliche Burg auf dem Kalkberg als modernes Schloß ausbauen, errichtet für den König eine Wohnung in dem ehemaligen Stiftsgebäude und baut sich selbst ein repräsentatives Haus in der Stadt. Alle diese Bauten sind heute nicht mehr vorhanden, doch zeugen noch mancherlei Spuren vom Wirken Heinrich Rantzaus, dem es in überzeugender Weise gelungen ist, seine humanistischen und künstlerischen Neigungen mit seiner politischen Tätigkeit und dem Dienst am Gemeinwohl zu verbinden.

Auf den soliden Grundlagen, die Heinrich Rantzau für die weitere Entwicklung des Amtes Segeberg gelegt hat, baut sein Nachfolger Marquard von Pentz auf, der im Jahre 1612 der Segeberger Kirche ihre holzgeschmückte Kanzel gestiftet hat. Welche Bedeutung Schloß und Amt Segeberg damals haben, geht auch daraus hervor, daß König Christian IV. im Jahre 1621 die protestantischen Reichsstände zu einer Beratung nach Segeberg einberuft, an der zahlreiche Fürsten, darunter Kurfürst Friedrich von der Pfalz, teilnehmen; auch England und die Niederlande sind vertreten. Wenige Jahre später macht jedoch der Dreißigjährige Krieg dieser Blütezeit Segebergs ein Ende.

Seit den Slawenkämpfen des Hochmittelalters war die Region Segeberg nur noch selten unmittelbar von Kriegsereignissen betroffen worden. Die Kämpfe zwischen den Schauenburgern und den dänischen Königen spielen sich in Schleswig ab, und das Verhältnis zu Mecklenburg und Lübeck ist im allgemeinen friedlich. Im Jahre 1533 versucht jedoch der Lübecker Bürgermeister Wullenwever, den sich anbahnenden Niedergang der Hanse mit militärischen Mitteln aufzuhalten (sogenannte Grafenfehde). Um den Krieg gegen Dänemark offensiv führen zu können, muß er die Bedrohung ausschalten, die von der verhältnismäßig nahegelegenen königlichen Burg Segeberg für die Hansestadt ausgeht. Die Burg hält der Belagerung jedoch stand, obwohl die Lübecker modernste Geschütze einsetzen. Als ein Entsatzheer herannaht, zieht sich der lübische Feldhauptmann Markus Meyer wieder zurück, zerstört aber vorher noch die Stadt Segeberg und den Nachbarort Gieschenhagen.

Stärker noch wird das Amt Segeberg durch den Dreißigjährigen Krieg in Mitleidenschaft gezogen. Zwar liegt das Schwergewicht der Kämpfe mit den kaiserlichen Truppen unter Tilly und Wallenstein mehr im Westen (vor allem im Raum Breitenburg – Krempe – Glückstadt), doch berühren die Truppen auf ihren Märschen natürlich auch andere Landesteile, so daß vor allem die an den großen Heerstraßen gelegenen Orte, etwa Bramstedt, schwer zu leiden haben. Gegen Ende des Krieges, im Jahre 1644, zerstören schwedische Truppen das von Heinrich Rantzau erbaute Segeberger Bergschloß so weitgehend, daß es in der Folgezeit verfällt und dann ganz abgebrochen wird. Heute erinnert nur noch der tiefe Brunnen an Burg und Schloß Segeberg.

Um den Kampf gegen die Schweden wirksamer führen zu können, ruft der Segeberger Amtmann Jasper von Buchwald zum Partisanenkampf auf. In einzelnen Dörfern des Amtes werden Freischaren gebildet, die, in Rotten zu 20 – 45 Mann gegliedert, den schwedischen Nachschub zu stören suchen. Die sich dabei entwickelnden Kämpfe werden von beiden Seiten erbarmungslos geführt. Die „freien Knechte“ oder „Schnapphähne“ sind – ähnlich wie die „Werwölfe“ der Lüneburger Heide – in den Gegenden, in denen sie aufgetreten sind, noch lange als unerschrockene Freiheitskämpfer gefeiert worden.

Im 18. Jahrhundert profitiert auch der Raum Segeberg von der „Ruhe des Nordens“, die dadurch zustandekommt , daß es dem norwegisch-dänisch-schleswig-holsteinischen Gesamtstaat gelingt, sich aus allen europäischen Verwicklungen herauszuhalten. In die napoleonischen Kriege wird jedoch auch Dänemark hineingerissen, und zwar ist es bis zum Schluß – auch noch nach der Völkerschlacht bei Leipzig – mit dem Kaiserreich Frankreich verbündet. So kommt es, daß Truppen der Verbündeten, vor allem Schweden und Russen, gegen Ende des Jahres 1913 über Lübeck in das Amt Segeberg eindringen. Die Dänen ziehen sich nach Nordwesten zurück, ihre Nachhut wird jedoch am 7. 12. 1813 von einer vorpreschenden schwedischen Kavallerieeinheit unter Führung von General Skiöldebrand angegriffen; obwohl die Dänen auch über Artillerie und Infanterie verfügen, werden sie geschlagen und ziehen sich auf Rendsburg zurück. Dieses dänisch-schwedische Nachhutgefecht wird als dritte Schlacht von Bornhöved bezeichnet, obgleich es in seiner militärischen und politischen Bedeutung nicht im entferntesten mit den Ereignissen von 798 und 1227 verglichen werden kann.

Auch im ersten und zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts bleibt die Verwaltungsstruktur des Segeberger Raums im Prinzip so, wie sie sich im späten Mittelalter entwickelt hat, obwohl die öffentlichen Aufgaben stark zunehmen. Aufgrund der Fortschritte in der Medizin steigt die Bevölkerungszahl deutlich an; während beispielsweise die Einwohnerzahl der Stadt Segeberg im 18. Jahrhundert auf 600 gesunken ist, hat die Stadt gegen Ende des 19. Jahrhunderts schon über 4000 Einwohner. Wenn auch die Industriealisierung noch nicht einsetzt, so ist doch der Staat in den Bereichen der Wirtschaft, des Verkehrswesens und der Schulorganisation in stärkerem Maße gefordert als früher. Bemerkenswert sind in diesem Zusammenhang der gegen Ende des ersten Jahrhundertdrittels erfolgte Bau der „Kunstchaussee“ zwischen Altona und Kiel, die durch den Westen des Amtes führt und deren Meilensteine heute noch an der nunmehrigen Bundesstraße 4 stehen, sowie die Einrichtung des Segeberger Lehrerseminars im Jahre 1839, durch das die Stadt auf dem Gebiet des Schulwesens überörtliche Bedeutung erhält und das bis zum Jahre 1925 bestanden hat.

IV. Der Kreis Segeberg (19. bis 20. Jahrhundert)

Die schleswig-holsteinische Erhebung des Jahres 1848 und der deutschdänische Krieg von 1864 werden von der Bevölkerung des Segeberger Raumes mit der gleichen leidenschaftlichen Anteilnahme erlebt wie in anderen Teilen der Herzogtümer. Die Einverleibung Schleswig-Holsteins in die preußische Monarchie durch das Besitzergreifungspatent König Wilhelms I. vom 12. Januar 1867 stößt auch hier auf erhebliche Vorbehalte, da die Bevölkerungsmehrheit lieber ein eigenständiges Schleswig-Holstein innerhalb eines deutschen Bundesstaates gesehen hätte. Die preußische Politik begegnet dieser verbreiteten Stimmung recht geschickt; Eingliederung und Verwaltungsanpassung vollziehen sich – soweit es geht – unter bewußter Rücksichtnahme auf die im Lande gegebenen Verhältnisse. So werden die Landkreise, die am 22. September 1867 nach dem Vorbild der übrigen preußischen Provinzen entstehen, in Anlehnung an die traditionellen Ämter gebildet und häufig auch mit den gleichen Namen bezeichnet; die ersten Landräte gehören fast alle dem schleswig-holsteinischen Adel an und entstammen damit der gleichen gesellschaftlichen Schicht wie zuvor die Amtmänner, mit denen sie teilweise sogar identisch sind.

Durch die Verordnung „betreffend die Organisation der Kreis- und Distriktbehörden sowie die Kreisvertretung in der Provinz Schleswig-Holstein“ wird neben 19 weiteren Kreisen der bis heute bestehende Kreis Segeberg geschaffen. Er besteht „aus dem Amte Segeberg; den zum Amte Trittau gehörigen Dörfern Bredenbekshorst, Sievershütten, Nahe und Stuvenborn; den zum Amte Tremsbüttel gehörigen Dörfern Itzstedt und Tönningstedt; dem zum Amte Reinfeld gehörigen nach Segeberg und Pronstorf eingepfarrten Dörfern; den zum Amte Plön gehörigen Kirchspiel Bornhöveder Dörfern und dem zu demselben Amte gehörigen Dorfe Travenhorst; der zum Kloster Itzehoe gehörigen Vogtei Armstedt; den zur Herrschaft Breitenburg gehörigen Dörfern Hitzhusen, Weddelbrooksdamm und Mönklohe; den Gütern Caden, Borstel, Bramstedt, Asfrade; dem Kanzleigut Kuhlen; den Gütern Pronstorf, Margarethenhof, Rohlstorf, Wensien, Müssen, Muggesfelde, Travenort, Seedorf und Hornstorf, Glasau; den Hasselburger Eingesessenen von Rönnau (und) der Stadt Segeberg“.

Kernstück des neuen Kreises Segeberg ist also das gleichnamige Amt, das um die in seinem Umfeld gelegenen adeligen Güter erweitert wird, insbesondere um den geschlossenen Güterkomplex östlich des alten „Limes Saxoniae“. Der neue Kreis entspricht im wesentlichen der alten Burgvogtei Segeberg und umfaßt somit diejenigen Gebiete, die seit jeher den Raum Segeberg ausgemacht haben; gemessen etwa an manchen Gebietsreformen der letzten Jahrzehnte fällt auf, mit wieviel Augenmaß und historischem Sachverstand damals gearbeitet worden ist.

Kirche in Pronstorf

Kirche in Pronstorf

Die Gebietsfläche des neu geschaffenen Kreises Segeberg beträgt zunächst 1157,2 km2 und liegt heute bei 1344,32 km2. Die Zunahme erklärt sich im wesentlichen aus den Gebietsveränderungen der Jahre 1932 und 1970. 1932 wird der Kreis Bordesholm aufgelöst, und der Raum Gadeland – Boostedt -Großenaspe – Heidmühlen fällt an den Kreis Segeberg. Im Jahre 1970 verliert der Kreis Segeberg die Gemeinde Gadeland an den Stadtkreis Neumünster, gewinnt aber die aus vier vorher selbständigen Gemeinden gebildete neue Stadt Norderstedt, schon zum Zeitpunkt ihrer Gründung die fünftgrößte des Landes. Weitere einschneidende Vorgänge in der Verwaltungsgeschichte des Kreises sind die Einführung der Kreisordnung für die Provinz Schleswig-Holstein im Jahre 1888 und ein Gesetz des Jahres 1927, durch das Güter (mit Ausnahme des Forstgutbezirks Buchholz) selbständige Gemeinden werden oder bestehenden Gemeinden zugeschlagen werden.

Die Bevölkerung des Kreises wächst vor dem zweiten Weltkrieg langsam, aber stetig; die Einwohnerzahl liegt 1895 bei 39 000, 1910 bei 44 000 und 1939 bei 53 000. Die in den Jahren 1945 / 46 nach Schleswig-Holstein strömenden Flüchtlinge und Vertriebenen aus Ostdeutschland lassen dann die Einwohnerzahl des Kreises auf mehr als das Doppelte hochschnellen, bevor sich die Bevölkerung durch die Umsiedlung von Flüchtlingen in andere Bundesländer während der fünfziger Jahre wieder verringert (1958:91 000 Einwohner). In den folgenden Jahren ergibt sich durch das Wirtschaftswachstum im Hamburger Umland, durch die Übersiedlung zahlreicher Hamburger nach Schleswig-Holstein und durch die Einbeziehung der Stadt Norderstedt in den Kreis Segeberg erneut ein starkes Wachstum der Bevölkerung, das – seit den siebziger Jahren gebremst – bis heute anhält (Einwohnerzahl 1989: 215 000).

Der Kreis Segeberg hat während der Kaiserzeit noch weitgehend agrarischen Charakter. Daran ändert sich auch durch den ersten Weltkrieg nichts Grundlegendes, obgleich die Landwirtschaft hier wie in anderen Gebieten des Reiches während der Weimarer Republik in eine tiefe Krise gerät. Einschneidende Auswirkungen auf die Gesamtentwicklung des Kreisgebietes hat dann jedoch der zweite Weltkrieg. Zwar ist der Kreis durch die militärischen Vorgänge unmittelbar kaum betroffen; die Luftkriegsschäden sind, aufs Ganze gesehen, unbedeutend, und die Besetzung durch britische Truppen vollzieht sich im wesentlichen kampflos. Schon während des Krieges, insbesondere seit den schweren Bombenangriffen auf Hamburg im Sommer 1943, strömen jedoch Hamburger Evakuierte, seit den ersten Monaten des Jahres 1945 auch Ostflüchtige in den Kreis Segeberg. Das Kriegsende und die Vertreibung der Deutschen aus dem Gebiet östlich von Oder und Neiße führen dann zu einer nie erlebten Überbevölkerung des in wirtschaftlicher Hinsicht strukturschwachen Gebietes, die in Verbindung mit den Kriegsverlusten, dem allgemeinen Elend der Nachkriegszeit und der Spaltung Deutschlands und Europas, durch die der Kreis in eine geographische Randlage gerät, die Situation beinahe hoffnungslos erscheinen läßt.

Schon seit den fünfziger Jahren zeichnen sich unverkennbar positive Entwicklungstendenzen ab. Neben und an die Stelle der Landwirtschaft tritt in zunehmendem Maße der vorher nicht nennenswerte sekundäre Wirtschaftssektor, während zugleich der tertiäre Sektor einen beträchtlichen Ausbau erlebt. Industrie und Gewerbe siedeln sich insbesondere entlang der Achse Hamburg – Kaltenkirchen an, wobei wirtschaftliche Auftriebskräfte vor allem in Norderstedt, aber auch in Ellerau und Henstedt-Ulzburg zur Geltung kommen. Handel und Dienstleistung nehmen im ganzen Kreisgebiet erheblich zu; insbesondere sind in diesem Zusammenhang die Kreisstadt (Kreisverwaltung, Möbelfirma Kraft, Bundeswehrstandort) und die Stadt Bad Bramstedt (Rheumaklinik, Bundesgrenzschutzpräsidium Nord) zu nennen.

Die hier nur andeutungsweise erwähnten positiven Entwicklungstendenzen verdichten sich in den sechziger, siebziger und achtziger Jahren. In diese Zeit fallen der Erwerb Norderstedts und der eigentliche wirtschaftliche Aufschwung im Südwesten des Kreises sowie – damit verbunden – eine günstige Beschäftigungs-, Bevölkerungs – und Finanzentwicklung. Zugleich werden in diesen Jahrzehnten durch die planmäßige Verbesserung der ökonomischen, der administrativen und auch der schulischen Infrastuktur die Voraussetzungen dafür geschaffen, daß der Kreis Segeberg die Spitzenstellung, die er Anfang der neunziger Jahre unter den schleswig-holsteinischen Landkreisen einnimmt, auch in Zukunft halten kann.

V. Konstanten und Perspektiven

In der Geschichte des Raumes Segeberg lassen sich gewisse Konstanten erkennen, die im wesentlichen durch die geographischen Verhältnisse bedingt sind. Die Region liegt zwischen Kiel, Lübeck und Hamburg, den drei größten nordelbischen Städten also, hat aber selbst keine bedeutende städtische Siedlung hervorgebracht. Der Raum ist vielmehr durchaus ländlich geprägt, und zwar ist in geographischer, politischer und sozialer Hinsicht zwischen einer westlichen und einer östlichen Teilregion zu unterscheiden.

Wichtig sind auch die großräumlichen Zusammenhänge. Die Region Segeberg liegt im Südosten der kimbrischen Halbinsel, also im Übergangsraum zwischen Nord- und Mitteleuropa, einerseits, dem westlichen und dem östlichen Norddeutschland andererseits. Diese Lage im gleichsam doppelten Spannungsfeld hat, wie etwa die Vorgänge des ausgehenden 8., des 12., des 13., und der Mitte des 20. Jahrhunderts bewiesen, die Geschichte des Raumes Segeberg ganz eindeutig geprägt, und zwar in positiver wie in negativer Hinsicht. Nichts spricht dafür, daß dies in Zukunft anders ist. Es gibt daher gute Gründe für die Annahme, daß einerseits der Ausgleich zwischen Nord- und Mitteleuropa, anderseits die Aufhebung der West-Ost-Spannung durch den Zusammenbruch des kommunistischen Imperiums und die Wiedervereinigung Deutschlands außerordentlich günstige Voraussetzungen für die künftige Entwicklung des Raumes Segeberg darstellen.

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Fritzsche: Die Grafen Luckner (auf Bimöhlen)

Die Grafen Luckner und Bimöhlen

Im 19. Jahrhundert wohnte über viele Jahre die (bzw. eine) Familie Luckner auf dem Hof Bimöhlen, aus der der berühmte “SEETEUFEL” Felix Graf Luckner stammt.

Der Heimat und Familienforscher Werner Fritzsche aus Dresden stellte mir dazu seine Forschungsergebnisse zur Verfügung, die ich hier 2005 veröffentlichte und und nun in einer neuere Fassung aus 2010 vorliegt, diese finden Sie als pdf-Dokumnent (4,5 Megabyte; längere Ladezeit).

 

Vorwort

Mit der Geschichte des westlichen Dresdner Raumes waren fast 100 Jahre lang die Grafen von Luckner auf Schloss Altfranken eng verbunden.
Obwohl der Lucknerpark das Territorium war, welches sich eng mit meiner Kindheit verbindet, bestand an den Grafen von Luckner damals wenig Interesse.
Die vor ca. drei Jahren begonnene Beschäftigung mit dieser Familie, mit der Geschichte ihres Schlosses und mit den Verwandten Grafen von Luckner vom Gutshof in Pennrich, aus welcher der im 1. Weltkrieg als Kaperkapitän Sr. Majestät Kaiser Wilhelms II. so erfolgreiche „Seeteufel“ Korvettenkapitän Felix Graf von Luckner stammt, ergab nun eine reizvolle Aufgabe, auf „Spurensuche“ nach den sächsischen Grafen von Luckner und deren Vorfahren zu gehen; Quellen in der Literatur und in Archiven zu erforschen und auszuwerten sowie vielfältige Beziehungen zu Privatpersonen und Heimatvereinen zu knüpfen, um das Leben und Wirken der Grafen von Luckner möglichst breit zu erfassen.

Als Ergebnis liegt eine Broschüre vor, die dem Leser nicht nur die sächsischen Grafen von Luckner nahe bringt, sondern auch Persönlichkeiten der Zeitgeschichte mit erfasst, die in irgendeiner Form zu den Luckners in Beziehung standen.

Einer breiten, interessierten Leserschaft wünsche ich viel Vergnügen beim Lesen.

Werner Fritzsche
Verfasser

Dresden, im Juni 2005


Kontakt zum Verfasser:
per E-Mail an: wefri@gmx.de
oder
perTel./Fax: 0351-2843920

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Heims / Lenze: Bad Bramstedt im zweiten Weltkrieg

Abdruck mit freundlicher Zustimmung von Herrn Dr. Ulrich March

HOLGER HEIMS/HARK LENZE

BAD BRAMSTEDT IM ZWEITEN WELTKRIEG

SCHRIFTENREIHE
DER JÜRGEN-FUHLENDORF-SCHULE
Herausgegeben von H. F. Benthe und U. March
HEFT 6 Bad Bramstedt 1982

Das vorliegende Heft 6 der „Schriftenreihe der Jürgen-Fuhlendorf-Schule“ enthält Ergebnisse lokalgeschichtlicher Schülerforschungen aus den Jahren 1980/81. Grundlage der Veröffentlichung bilden einige Kapitel zweier Facharbeiten, die im Rahmen eines Leistungskurses im Fach Geschichte entstanden sind und zum Herbst- bzw. Frühjahrsabitur des Schuljahrs 1981/82 eingereicht wurden.
Die beiden Verfasser betreten mit dieser Publikation Neuland. Da sie überwiegend aus archivalischen Quellen schöpfen, sind die meisten im folgenden vorgestellten Fakten und Vorgänge entweder völlig unbekannt oder jedenfalls noch nie im Zusammenhang dargestellt worden.
Unser Dank gilt der Stadt Bad Bramstedt und dem Förderverein der JFS, ohne deren finanzielle Hilfe eine Drucklegung nicht möglich gewesen wäre. Außerdem danken wir dem Bramstedter Stadtarchivar, Herrn Studienrat z. A. Wolfgang Platte, für seine Unterstützung bei den Archivstudien.

Professor Dr. H.F. Benthe Dr. U. March

H. J. J. Hay, Kellinghusen, 1982


INHALT

I. Das Kurhaus als Reservelazarett Seite 7
II. Luftschutzmaßnahmen und Luftangriffe Seite 13
III. Das kulturelle Leben Seite 25
IV. Anmerkungen Seite 31
V. Quellen- und Literaturverzeichnis Seite 32

I. Das Kurhaus als Reservelazarett

In einem Vertrag zwischen dem Kurhaus und der Wehrmacht war vor Kriegsausbruch festgelegt worden, daß im Falle eines bewaffneten Konflikts die gesamte Rheumaheilstätte der Heeresleitung als Reservelazarett zur Verfügung gestellt würde. Im Bedarfsfall sollten die Rheumapatienten innerhalb von nur drei Tagen den verwundeten Soldaten Platz machen. Verstärkt durch Ärzte der Wehrmacht, sollten die an der Rheumaheilstätte tätigen Ärzte dort leichter verwundete Soldaten behandeln.

Nach Ausbruch des Krieges wurde das Kurhaus anfangs nur teilweise mit Wehrmachtsangehörigen belegt. Die ersten 40 Soldaten trafen nach Beendigung des Polenfeldzuges in der Rheumaheilstätte ein; dabei handelte es sich größtenteils um ehemalige Rheumapatienten, die während des Feldzugs wieder rheumatische Beschwerden bekommen hatten. Ein Großteil dieser Soldaten stammte aus der Umgebung von Bad Bramstedt, so daß sie meistens über das Wochenende nach Hause entlassen werden konnten. Die Behandlung übernahmen die nicht eingezogenen, im Kurhaus weiterarbeitenden Rheumaärzte sowie ein seit Kriegsausbruch in der Rheumaheilstätte tätiger Militärarzt. Wie es bei allen Reservelazaretten üblich war, befand sich auch im Kurhaus seit dem 1. September 1939 eine Schreibstube der Wehrmacht, der erwähnte Militärarzt und eine Wehrmachtsapotheke mit einem Stabsapotheker an der Spitze.

Der große Umbruch kam dann im Winter 1941/42, dem ersten Winter des Rußlandsfeldzuges, als das gesamte Kurhaus innerhalb weniger Wochen von allen Rheumapatienten geräumt und mit verwundeten Wehrmachtsangehörigen belegt wurde. Die Kapazität des Kurhauses betrug zu dieser Zeit etwa 600 Patienten, die von ungefähr 20 Ärzten, zum überwiegenden Teil neu hinzugezogenen Sanitätsoffizieren, und von etwa 30 Krankenschwestern und -pflegern behandelt wurden. Außerdem befanden sich 15 von der Wehrmacht gestellte Handwerker in dem neuen Reservelazarett, die für die Instandhaltung der Gebäude und Zimmer sowie der technischen Einrichtungen sorgten. Da die Handwerker, die Ärzte der Wehrmacht sowie die Krankenschwestern und -pfleger von der Wehrmacht nach Bad Bramstedt beordert worden waren, kamen diese Personen aus dem gesamten Gebiet des Deutschen Reiches. Bis auf die Krankenschwestern, die sich größtenteils aus Freiwilligen, teilweise auch aus Arbeitsdienstverpflichteten zusammensetzten, taten alle bei der Wehrmacht ihren Dienst.

Der Transport der Verwundeten zum Kurhaus wurde in Lazarettzügen bewerkstelligt. Diese Züge hielten nicht weit von dem heutigen Bahnhof Kurhaus Bad Bramstedt auf einem Abstellgleis, das zu dem 1930 erbauten Hauptgebäude führte und noch bis vor kurzem bestand. Die meisten nur aus wenigen Waggons bestehenden Verwundetenzüge trafen in unregelmäßigen Abständen zur Nachtzeit in Bad Bramstedt ein. Da vor allem gegen Ende des Krieges und in der Nachkriegszeit nicht genügend Tragebahren und fahrbare Betten zur Verfügung standen, mußten die nicht gehfähigen Soldaten von jedem verfügbaren Mann vom Abstellgleis bis zur Rheumaheilstätte getragen werden.

Ungefähr mit Beginn des Jahres 1942 waren alle Betten mit Soldaten der Wehrmacht belegt; das blieb so bis Ende 1944. Von Anfang 1945 bis Kriegsende und in den ersten Nachkriegsjahren wurde die ehemalige Rheumaheilstätte nicht nur mit verwundeten Wehrmachtsangehörigen, sondern auch mit Flüchtlingen aus den deutschen Ostgebieten stark überbelegt. Besonders schwere Fälle gelangten erst damals in das Reservelazarett, wie man an den Sterbezahlen, die gegen Kriegsende sprunghaft anstiegen, ersehen kann. Wahrscheinlich nahm man vorher Schwerverwundete nicht ins Kurhaus auf, weil hier moderne Geräte und Instrumente fehlten. Man hatte beispielsweise in dem gesamten Reservelazarett nur einen einzigen, dazu noch ziemlich kleinen, Operationssaal. daß man trotz der fehlenden modernen Gerätschaften in den Monaten vor der Kapitulation Schwerverwundete in das Reservelazarett aufnahm, lag wohl daran, daß durch die immer weiter fortschreitende Besetzung von deutschem Reichsgebiet durch alliierte Truppen wichtige Reservelazarette verlorengingen, so daß man verstärkt auf die noch vorhandenen zurückgreifen mußte.

Die Versorgung des Lazaretts mit Lebensmitteln und Medikamenten war während des Krieges ausreichend bis gut. Kritisch wurde die Versorgungssituation erst nach Kriegsende in den Jahren 1945 bis 1947. In diesen Jahren diente das Kurhaus teilweise noch als Reservelazarett, in zunehmendem Maße jedoch als „Influx-Station“ für die Flüchtlinge. Darunter verstand man damals ein Krankenhaus, das sich auf die Bekämpfung von Infektionen und Seuchen unter den Flüchtlingen aus den deutschen Ostgebieten spezialisiert hatte.

Die teilweise sehr hohe Patientenzahl von bis zu 1200 Personen – das entspricht der doppelten Kapazität des Kurhauses im Jahre 1939 – stellte gerade zu dieser Zeit höchste Anforderungen an Ärzte, Krankenschwestern und Pfleger, deren Zahl sich kaum erhöht hatte. In dieser Zeit der Überbelegung brachte man die Flüchtlinge und Soldaten unter anderem auch auf den Fluren, im Speisesaal und in den Moorbäderwannen unter. Wegen der großen Zahl besonders kritischer Fälle war die Sterberate entsprechend hoch.

Während der Benutzung als Reservelazarett stand das Kurhaus Bad Bramstedter Bürgern grundsätzlich nicht zur Verfügung. Nur in äußersten Notfällen, etwa bei der schweren Verwundung von zwei Weddelbrooker Bürgern infolge eines Tieffliegerangriffes in Höhe der Mergelkuhlen (2 km südlich von Bad Bramstedt an der Bundesstraße 4), wurden in dem Reservelazarett Zivilisten notbehandelt und versorgt.

Die Behandlung und die Verpflegung im Reservelazarett war für alle Dienstgrade dieselbe; Offiziere wurden nicht besser behandelt als Unteroffiziere oder Mannschaftsangehörige. Nicht der militärische Rang, sondern der Schweregrad der Verwundung war für die Intensität der ärztlichen Betreuung entscheidend. Auch die Truppengattung spielte in dieser Hinsicht keine Rolle; Angehörige der Waffen-SS wurden weder bevorzugt noch benachteiligt.

Genaue Unterlagen über Anzahl, Dienstgrad und Alter der im Kurhaus verstorbenen Wehrmachtsangehörigen liegen für den Zeitraum vom 6. August 1944 bis zum 11. Januar 1946 vor; Quelle ist das Beerdigungsregister des Kirchspiels Bad Bramstedt. daß vor dem 6. August 1944 im Kirchenbuch keine Eintragungen von verstorbenen Wehrmachtsangehörigen vorkommen, könnte zwei Gründe haben: Entweder verstarb vor diesem Zeitpunkt tatsächlich niemand im Kurhaus, oder die – gewiß nicht sehr zahlreichen – Toten wurden zunächst noch in ihre Heimatgemeinden überführt und dort beerdigt. Nach dem 11. Januar 1946 gab es keinen Todesfall eines Wehrmachtsangehörigen infolge einer Kriegsverletzung mehr. In der Zwischenzeit verstarben im Bad Bramstedter Reservelazarett insgesamt 162 Soldaten. Sie wurden alle auf dem Friedhof im Ehrenfriedhofsbereich beerdigt, wo sie größtenteils noch heute liegen. Der Transport vom Kurhaus zum Friedhof erfolgte in Holzsärgen auf einem Pferdewagen. Da die Leichenhalle nicht ausreichte, errichtete man einen Schuppen auf dem Friedhof, der als zweite Leichenhalle diente.

Während des Jahres 1944 und auch noch im Januar 1945 hielt sich die Sterberate im Reservelazarett Bad Bramstedt in Grenzen; es starben nicht mehr als fünf Wehrmachtsangehörige monatlich, in manchen Monaten weniger. In dem halben Jahr von August 1944 bis Januar 1945 verloren im Durchschnitt je Monat vier Soldaten ihr Leben. Von Januar auf Februar 1945 dagegen verdoppelte sich die Anzahl der Toten im Reservelazarett von fünf auf zehn, so daß bereits an jedem dritten Tag ein Soldat im Kurhaus starb. Damals befanden sich die Alliierten schon auf dem Gebiet des Deutschen Reiches, so daß, wie bereits erwähnt, in stärkerem Umfang auf noch in deutscher Hand befindliche Reservelazarette zurückgegriffen werden mußte. Dies bedeutete, daß nun auch Schwerverwundete nach Bad Bramstedt transportiert wurden.

Von Februar auf März stiegen die Todesfälle nur unwesentlich, bevor sie sich im April 1945 von 12 auf 35 erhöhten. Neben den schon genannten Gründen machte sich hierbei noch ein regionales Ereignis bemerkbar, nämlich ein Tieffliegerangriff der Alliierten auf einen mit deutschen Soldaten besetzten offenen Lastkraftwagen in Höhe der Merkelkuhlen. Von den bei diesem Angriff verletzten Wehrmachtsangehörigen erlagen im Monat April 15 ihren Verwundungen.

Auf den ersten Blick mag einem das weitere Anwachsen der Sterberate von 35 Toten im April auf 42 im Mai erstaunlich erscheinen, denn in diesem Monat wurde nur noch an neun Tagen gekämpft. Zum einen aber befanden sich im Kurhaus schwerverletzte Soldaten, die über eine längere Zeitspanne in Lebensgefahr schwebten, zum anderen spielten auch in diesem Monat regionale Ereignisse eine Rolle. So starben am Kapitulationstag 17 Esten, die auf deutscher Seite, größtenteils bei der SS, mitgekämpft hatten, in der ehemaligen Rheumaheilstätte an einer Methylalkoholvergiftung. Viele Gründe sprechen dafür, daß es sich hierbei um Selbstmord handelte. Der zweite Grund für die hohe Sterberate im Mai 1945 ist, daß am 31. des Monats ein englisches Munitionsdepot am Schäferberg explodierte. Nach der Explosion verstarben 11 ehemalige deutsche Soldaten, die als Kriegsgefangene zur Bewachung des Depots eingesetzt waren, davon neun noch an demselben Tag, und sieben Engländer, die man ebenfalls in das Kurhaus eingeliefert hatte. 1)
Ab Mai 1945 ging die Sterberate der Wehrmachtsangehörigen im Kurhaus deutlich zurück. Im Juni fanden 13 ehemalige deutsche Soldaten dort ihren Tod, davon zwei infolge der Explosion des Munitionsdepots und noch neun an im Krieg erlittenen Verletzungen. Im darauffolgenden Juli sind nur noch vier Todesfälle erwähnt, und ungefähr auf diesem Niveau hielt sich die Sterberate bis Januar 1946. In diesem Monat, fast ein Dreivierteljahr nach der Kapitulation, fanden die letzten beiden Wehrmachtsangehörigen im ehemaligen Reservelazarett den Tod.

Insgesamt kann man sagen, daß die Sterberate zuerst langsam und dann steil vom August 1944 bis zu ihrem Höhepunkt im April bis Mai 1945 ansteigt und dann zuerst steil und danach langsam bis zum Januar 1946 wieder abfällt.

Von den 159 Toten, die zu den bewaffneten deutschen Streitkräften gehört hatten, waren 135, also 84,9 %, bei den Wehrmachtsteilen Heer und Luftwaffe eingesetzt, 11 (= 6,9 %) waren Angehörige der Waffen-SS, fünf (= 3,1 %) taten Dienst bei der Marine; drei waren Volkssturmangehörige, jeweils zwei gehörten der Polizei an bzw. hatten sich freiwillig als Hilfswillige gemeldet, und eine Person gehörte zu einem in der Schlußphase des Krieges zum Kampf aufgestellten Arbeitsdienstverband. Diese Statistik zeigt, daß die meisten im Kurhaus verstorbenen Soldaten zum Heer und zur Luftwaffe gehörten.

Was die Heimatorte der Toten angeht, so verteilen sie sich über das gesamte Reichsgebiet, wobei natürlich Gegenden mit großer Bevölkerungsdichte wie das Ruhrgebiet stärker vertreten sind als beispielsweise Schleswig-Holstein. Aber auch nicht deutschstämmige Soldaten und Deutsche aus Gebieten, die erst nach 1937 dem Reich angegliedert worden waren, sind unter den Toten. Zur ersten Gruppe gehören die bereits erwähnten 17 Esten, ferner ein Holländer, ein Rumäne, ein Kaukasier und ein Russe, 2) zur letzteren sieben Sudetendeutsche, drei Österreicher und zwei Elsaß-Lothringer.

Untersucht man die Altersstruktur der Toten, so fällt sofort auf, daß bei den 30- bis 40-jährigen Soldaten die meisten Sterbefälle auftraten. 31 Personen oder 19,4 % der im Kurhauslazarett zwischen dem 6. August 1944 und dem 11. Januar 1946 Verstorbenen waren an ihrem Todestag 30 bis 34 Jahre alt; 30 Männer, das sind 18,8 °/o, waren 35 bis 39 Jahre alt. Es ist anzunehmen, daß diesen Altersgruppen auch der Großteil der Patienten in der ehemaligen Rheumaheilstätte angehörte. Dahinter folgten die 40- bis 44-jährigen mit 25 Todesfällen (= 15,6 %), und erst danach kamen die 20- bis 24-jährigen mit 23 Verstorbenen, also 14,4 %. Von dieser letzteren Altersgruppe sowie von der Gruppe der 25- bis 29-jährigen hätte man eigentlich erwartet, daß sie die Hauptlast der deutschen Verluste zu tragen gehabt hätten, aber dies ist zumindest im Kurhauslazarett nicht der Fall gewesen. Denn unter den 25- bis 29-jährigen waren ebenso wie bei den 45- bis 49-jährigen nur 15 Tote (= 9,4 %). Es folgten die unter 20 Jahre alten Soldaten mit 11 Sterbefällen (= 6,9 %), darunter vier 17-jährige. Bei den über 50 Jahre alten Personen waren nur einzelne Todesfälle zu beklagen; der älteste Verstorbene, ein Volkssturmmann, war 66 Jahre alt. Das durchschnittliche Sterbealter betrug 32,6 Jahre.

Von 150 der im Kurlazarett verstorbenen Soldaten sind die Dienstgrade bekannt, die sie in der Wehrmacht bzw. der SS innehatten. 143 davon waren Mannschafts- oder Unteroffiziersdienstgrade. Sieben waren Offiziere, darunter vier Hauptleute. Dies bedeutet, daß im Reservelazarett Bad Bramstedt auf 20 verstorbene Mannschaftsangehörige und Unteroffiziere durchschnittlich ein Offizier kam. 3) Geht man von den Friedensstärken aus, so war das quantitative Verhältnis von Mannschafts- und Unteroffizierssoldaten zu Offizieren in der deutschen Wehrmacht 30 :1. Somit verstarben in der ehemaligen Rheumaheilstätte überproportional viele Offiziere.

Alle Reservelazarettoten wurden auf dem evangelischen Friedhof Bad Bramstedt beerdigt. In 107 Fällen war die Trauerfeier evangelisch, in 27 Fällen katholisch, und in acht Fällen fand eine Trauerfeier ohne kirchliche Mitwirkung statt. Am Tag der Kapitulation, dem 9. Mai 1945, häuften sich auch durch den mutmaßlichen gemeinsamen Selbstmord der 17 Esten 4) die Todesfälle so stark, daß alle 20 an diesem Tag Verstorbenen nur mit einem Gebet am Grabe beerdigt wurden, da man offensichtlich für Trauerfeiern nicht genügend Zeit hatte.

II. Luftschutzmaßnahmen und Luftangriffe

Im Zuge der nationalsozialistischen Kriegsvorbereitungen wurden in Bad Bramstedt wie im übrigen Reichsgebiet bereits kurz nach der Machtergreifung Hitlers die ersten Luftschutzmaßnahmen getroffen. So wurde im Sommer 1933 eine Ortsgruppe des nationalsozialistisch geprägten Reichsluftschutzbundes (RLB) in der Kur- und Rolandstadt gebildet, die schon nach wenigen Wochen ihres Bestehens rund 200 Mitglieder aufwies. Die Begründung für den Aufbau des Reichsluftschutzbundes war, daß alle an Deutschland angrenzenden Staaten moderne Flugzeuge besaßen und angeblich auch gewillt waren, diese gegen das Deutsche Reich einzusetzen. Systematisch wurde nun ein immer größerer Teil der Bevölkerung mit dem Luftschutz vertraut gemacht. Der RLB gründete u. a. in Itzehoe und Flensburg Reichsluftschutzschulen, an denen während des Winters 1933/34 zwei Gemeinde- und zwei Polizeibeamte aus Bad Bramstedt einen viertägigen Lehrgang absolvieren mußten. In Bad Bramstedt selbst machte man die breite Bevölkerung im Frühjahr 1934 durch Plakate an den Anschlagsäulen, verschiedene Vorträge des RLB, durch Zeitungsartikel, die zuvor von der Ortspolizeibehörde zensiert worden waren, und schließlich durch Verdunkelungsübungen mit Fragen des Luftschutzes vertraut. Die erste große Übung fand am 15. März 1934 in der Zeit von 8.00 bis 8.30 Uhr statt. Jeder Bürger mußte sein Haus so verdunkeln, daß kein Lichtschein nach draußen dringen konnte, was durch Polizei, Amtsträger des RLB, SA, SS und Arbeitsdienst kontrolliert wurde. Bei Nichtbeachtung der Verdunkelungsvorschriften mahnte man den jeweiligen Bürger; bei wiederholtem Zuwiderhandeln wurde er bestraft. Während des Jahres 1934 wurden noch zwei weitere Verdunkelungsübungen durchgeführt, deren zeitliche Dauer bis auf drei Stunden erhöht und deren Durchführung „scharf kontrolliert“ wurde.5) In den darauffolgenden Jahren wurde durchschnittlich eine Verdunkelungsübung je Jahr veranstaltet.

Als weitere Luftschutzmaßnahme mußte die Stadt Bad Bramstedt im Herbst 1934 einen Wasserversorgungsplan für Löschmaßnahmen nach Luftangriffen aufstellen. Dieser fiel aufgrund der Lage der Stadt an den Auen recht zufriedenstellend aus; die noch fehlenden zwei Wasserstellen wurden durch den Bau von Feuerlöschbrunnen (so z. B. am Landweg 48 / 50) eingerichtet. Im Frühjahr 1935 führten die Feuerwehr, eine Sanitätskolonne und die Ortsgruppe Bad Bramstedt des Reichsluftschutzbundes eine Luftschutzübung am Alten Kurhaus durch, wo kurz zuvor ein Lehrgelände des RLB entstanden war. Zu diesem Zweck brannte man dort einen Schuppen ab, der gelöscht werden mußte und in dem sich „verletzte“ Personen befanden. Über diese Luftschutzübung berichteten die Bramstedter Nachrichten mehrfach, wobei eine dieser Reportagen auch einen Aufruf, dem örtlichen Luftschutzbund beizutreten, enthielt. 6)

Ab 1935 begann dann der systematische Aufbau des RLB der Kur- und Rolandstadt. An der Spitze der RLB-Ortsgruppe stand der Ortsgruppenleiter, ihm folgten sechs Luftschutzuntergruppenführer, die im Butendoor, auf dem Kirchenbleeck, auf dem Bleeck, in der Altonaer und in der Kieler bzw. in der Rosenstraße wohnten und in dem jeweiligen Stadtbezirk für den Luftschutz verantwortlich waren. Ihnen nachgeordnet waren 36 Blockwarte und ebensoviele Stellvertreter, die für durchschnittlich vier Häuser zuständig waren; es folgten die Hausluftschutzwarte, denen die Hausfeuerwehr für die einzelnen Gebäude unterstand. Alle diese Positionen wurden durch den Ortsgruppenleiter besetzt, der die entsprechenden Personen auswählte. Rechtsgrundlage dafür war u. a. die erste Durchführungsverordnung zum Luftschutzgesetz vom 4. Mai 1937, nach dem der Ortsgruppenleiter jedermann ohne vorherige Befragung mit einer Amtsträgerschaft im RLB betrauen konnte. Bei Weigerung war es möglich, gegen die betreffende Person eine Geldstrafe zu verhängen. Als Amtsträger war man dazu verpflichtet, für die ordnungsgemäße Verdunkelung und das Aufsuchen der Luftschutzräume bei Luftalarm zu sorgen und an den Ausbildungsabenden des RLB teilzunehmen.

1937 fanden in Bad Bramstedt Schulungen für die Hitlerjugend (HJ), den Bund deutscher Mädchen (BdM), die Amtsträger des RLB, die Polizei, die Landjägerei, das Bürgermeisteramt und die Lehrer- und Frauenschaft statt. Im Herbst 1938 schulte der RLB jeweils zwei Tage lang an drei verschiedenen Stellen Bad Bramstedts jeweils etwa 16 Hausgemeinschaften bzw. Familien im Luftschutz, um auch den einzelnen Bürger mit der Materie vertraut zu machen. Auf diese Weise wurden nach und nach alle Einwohner Bad Bramstedts vom RLB ausgebildet.

Wie man sieht, war die Bevölkerung auf den am 1. September 1939 ausbrechenden Krieg in Bezug auf den Luftschutz gut vorbereitet. Jeder wußte darüber Bescheid, wie man verdunkelte, wo sich der nächste Luftschutzraum befand, was die verschiedenen Sirenentöne (Fliegeralarm, Entwarnung usw.) bedeuteten und wie man sich grundsätzlich bei Luftangriffen zu verhalten hatte.

Während des Krieges mußte dann täglich zur Nachtzeit verdunkelt werden. Außerdem wurde in Bad Bramstedt bei Kriegsbeginn eine örtliche Luftschutzwache aufgestellt. Sie sollte alliierte Luftbewegungen beobachten und diese der Wehrmacht melden. Im November 1940 wurde eine zweite Luftschutzwache speziell für das Reservelazarett im Kurhaus aufgestellt. An dieser Wache waren 40 Personen beteiligt, die dann von der örtlichen Luftschutzwache befreit waren. Jeweils zwei Männer übernahmen die Wache für einen Tag, für den darauffolgenden Tag waren die beiden nächsten Männer verantwortlich usw., so daß die erste Wache nach 20 Tagen wiederum Dienst hatte. Für Krankheitsfälle standen Ersatzleute zur Verfügung, die man in diesem Fall benachrichtigen mußte.

Während des Krieges wurden auch Jugendliche im Alter von 14 bis 18 Jahren zur Luftschutzdienstpflicht (Luftschutzwache, Hausfeuerwehr etc.) herangezogen; ab Frühjahr 1944 waren sogar Kinder vom 10. Lebensjahr an luftschutzdienstpflichtig.

Da die Aufgaben jedes einzelnen bei Luftangriffen schon in der Vorkriegszeit geregelt worden waren, wurden während des Krieges der Bevölkerung durch den RLB, die Stadt Bad Bramstedt und die Bramstedter Nachrichten vorwiegend die Wirkungsweise der verschiedenen Bombentypen und das Verhalten beim Auffinden von alliierten Flugblättern oder abgestürzten alliierten Flugzeugen erklärt. Grundsätzlich unterschied man zwischen Brand- und Sprengbomben. Brandbomben erzeugten beim Erdaufprall eine große Stichflamme, Sprengbomben explodierten sofort bei Erdberührung. Die Wirkung der Sprengbomben konnte man nicht verhindern, während ein durch Brandbomben entstandener Brand mit Sand oder Wasser bekämpft werden sollte. Jede abgeworfene Bombe mußte bei der Ortspolizeibehörde gemeldet werden; dies galt im besonderen für nicht explodierte Bomben, sogenannte Blindgänger, die man dann entschärfen mußte. Bei Auffinden von Blindgängern in Wohngebieten mußte ein bestimmter Teil dieses Gebietes je nach Bombengröße von der Bevölkerung geräumt werden, bis die Bombe durch einen Feuerwerker entschärft oder abtransportiert worden war. In Bad Bramstedt brachte man die Blindgänger meistens äußerst vorsichtig auf den Sportplatz, wo man sie entschärfen konnte, ohne im Falle einer Explosion allzu große Gebäudeschäden befürchten zu müssen. Bei Beschädigungen oder Zerstörungen von Häusern oder Wohnungen konnte die Ortspolizeibehörde einen Bergungstrupp der Wehrmacht anfordern. Dabei handelte es sich um einen dreißig Mann starken Pionierzug aus Lübeck.

Ende Juni 1943, nach den schweren Bombenangriffen auf Hamburg, erstellte man in Bad Bramstedt sogar eine Art Katastrophenplan für den Fall eines größeren Luftangriffes auf die Stadt. Darin hieß es, daß die Ortsgruppe des Deutschen Roten Kreuzes eine größere Menge Verbandsmaterial (Bild) an einem sicheren Ort aufbewahren sollte, von wo man es im Notfall schnell zu jedem Punkt der Stadt transportieren konnte. Als Obdachlosensammelstelle mit Erster-Hilfe-Behandlung war die Turnhalle der Volksschule vorgesehen. Dorthin sollten auch die Möbel der Obdachlosen gebracht werden, um Plünderungen vorzubeugen. Sehr alte und körperlich behinderte Bürger Bad Bramstedts sollten im Altersheim untergebracht werden; diejenigen Personen, die infolge von Bombenabwürfen schwer verletzt wurden, sollten sofort in die Zivilkrankenhäuser Kaltenkirchen oder Neumünster eingeliefert werden. Nur in äußersten Notfällen waren Schwerverletzte in das Reservelazarett im Kurhaus zu bringen.JFS_Schriften_6_17_720

Als gegen Ende des Krieges, etwa ab Mitte 1944, die Alliierten den deutschen Luftraum nahezu vollständig beherrschten, so daß während der Tageszeit alles, was sich bewegte, von Tieffliegern angegriffen werden konnte, wurden in mehreren Städten Schleswig-Holsteins Flugabwehr-MG’s aufgestellt. Auch Bad Bramstedt sollte, wie aus einem geheimen Schreiben des Flakkommandos Neumünster vom 28. Juli 1944 hervorging, ein Zwillingsmaschinengewehr erhalten. Die Stellung sollte so gewählt werden, daß eine gute Nachrichtenverbindung gewährleistet war; die Bedienung sollte nur tagsüber entweder durch Ortspolizisten, Stadt- oder Landwacht erfolgen, wobei nur auf einwandfrei erkennbare Feindflugzeuge geschossen werden sollte.

Da Bad Bramstedt in einem Tal liegt, sah der Bürgermeister nur den Liethberg oder den Turm der Jürgen-Fuhlendorf-Schule, der heutigen Grundschule am Bahnhof, als geeigneten Standort an. Die Bedienung hingegen machte Schwierigkeiten, da nur vier Stadtwachtmänner am MG ausgebildet waren. Außerdem wohnte keiner dieser Stadtwachtmänner in der Nähe der vorgesehenen Stellungen. Die Alarmierung der jeweiligen Mannschaft sollte durch die Sirenentöne „Öffentliche Luftwarnung“ oder „Fliegeralarm“ erfolgen. Zwei Minuten nach diesen Sirenentönen konnte man im Radio auf der Frequenz von 173 Kilohertz einen Luftlagebericht empfangen, der durch die Flakdivision in Neumünster gesendet wurde. Die MG -Bedienungsmannschaft konnte die Frequenz des Senders jeden Abend von 19.00 bis 19.10 Uhr abstimmen.

Aus einem Schreiben des Bürgermeisters vom 2. August 1944 geht hervor, daß Bad Bramstedt bis zu diesem Zeitpunkt noch keine Maschinengewehre erhalten hatte. Ob diese später noch geliefert wurden, ist nicht mehr festzustellen. Es könnte aber gut möglich gewesen sein, da sich u. a. auch in Wiemersdorf, das bei weitem nicht die Bedeutung Bad Bramstedts hatte, gegen Kriegsende eine Flugabwehreinheit befand.

Seit 1942 wurde verstärkt in der Kur- und Rolandstadt darauf hingewiesen, daß Plünderungen mit dem Tode bestraft würden. Nach Bombenangriffen verließ man häufig die Wohnungen, ohne die Möbel mitzunehmen, oder man stellte diese nur auf die Straße. Für Diebe war es somit ein leichtes, sich dieser Sachen zu bemächtigen. In Bad Bramstedt wurden am 3. Dezember 1942 zehn Plakate mit der Aufschrift „Plünderer werden sofort erschossen“ aufgestellt, die von diesem Zeitpunkt an wohl bis zum Kriegsende in der Kur- und Rolandstadt standen.

Als dieses Kriegsende bereits abzusehen war, gab der Reichsführer der SS, Himmler, im September 1944 einen Befehl an jeden Polizisten und Wehrmachtsangehörigen, also auch an die Ortspolizeibehörde Bad Bramstedts, heraus, daß diese mit jeder Waffe, z. B. auch einer einfachen Dienstpistole, auf jeden allierten Jagdbomber oder Tiefflieger schießen sollten. Es dürfte aber wohl im gesamten Reichsgebiet kaum zu Abschüssen mit diesen Waffen gekommen sein; vielmehr erscheint der Befehl als verzweifelter Versuch, der fast totalen alliierten Luftüberlegenheit entgegenzutreten.

Ab Mai 1944 forderte man die Bevölkerung verstärkt dazu auf, sich bei Flak-Beschuß gegen alliierte Flugzeuge in das Hausinnere zurückzuziehen, da die Flugabwehrkanonen aufgrund der vielen Tiefflieger recht niedrig schossen und somit ungeschützte Personen gefährdeten. Vom 30. Dezember 1944 an wurde in der Bramstedter Umgebung anscheinend mit Luftlandungen gerechnet, da ein Befehl an die hiesige Ortspolizeibehörde erging, das Landen von Fallschirmspringern oder Lastenseglern sofort telefonisch dem Flugplatzkommando Kaltenkirchen zu melden. Noch bedrohlicher schien die Lage im Februar 1945 zu werden, als ein spezielles Sirenensignal „Luftlandealarm“ eingeführt wurde, das wenige Tage später auch als Panzerwarnung galt. Bis zum Kapitulationstag tauchten hingegen weder alliierte Fallschirmjäger noch Panzer in der näheren Umgebung Bad Bramstedts auf.

Da jeder Bombenabwurf von der Ortspolizeibehörde registriert und protokolliert wurde, liegen äußerst präzise Angaben über die alliierten Bombenabwürfe auf Bad Bramstedt vor. Die ersten Bomben gingen am 16. November 1940 gegen 6.45 Uhr in der Nähe der drei Kilometer östlich von der Stadt gelegenen Bauernsiedlung Klashorn nieder. Es handelte sich hierbei um zwei englische Sprengbomben, die beide dicht neben der Reichsstraße 206 (heute B 206) in eine Tannenschonung fielen. Dabei wurden keine Menschen getötet oder verletzt, und es gab auch keinerlei Schäden. An diesem Bombenabwurf war nur ein Flugzeug beteiligt, das sein eigentliches Ziel möglicherweise nicht mehr erreichen konnte und daher vielleicht mit einem Notabwurf die Reichsstraße 206 treffen wollte. In dem genauen Polizeiprotokoll wurde u. a. eine präzise Skizze über die Lage der Bombentreffer und die Trichtergröße angefertigt, die anschließend dem Landrat in Bad Segeberg zugesandt wurde. Außer diesem Angriff fand im Jahre 1940 noch ein Luftangriff statt, bei dem ein weidendes Jungrind getötet wurde.

Auch 1941 gab es fast gar keine Luftangriffe auf Bad Bramstedt. Nur am 20. Oktober fiel um 23.05 Uhr eine englische Brandbombe auf ein an der Kieler Straße gelegenes Wohnhaus. Die schon brennende Bombe konnte von einem in der Nähe wohnenden Bezirksschornsteinfegermeister durch Überschütten mit Sand gelöscht werden. Ansonsten fand man am 22. Dezember in der Nähe der Siedlung Bissenmoor eine englische Fliegerkombination. Wahrscheinlich gehörte diese Uniform einem englischen Piloten, dessen Maschine abstürzte oder notlanden mußte, wobei der Engländer ziemlich unversehrt sein Flugzeug verlassen konnte und nun seine Uniform auszog, um nicht sofort gefangengenommen zu werden.

Das Jahr 1942 brachte die größten Gebäudeschäden und die meisten Ziviltoten, was jedoch auf einem Zufall beruhte und nicht die Folge eines planmäßigen Angriffs auf Bad Bramstedt war. Denn das ganze Ausmaß der Schäden war auf eine einzige Bombe zurückzuführen, die in der Nacht vom 26. zum 27. Juli als Volltreffer einschlug. Sie fiel, anscheinend wiederum als Notabwurf, gegen 1.15 Uhr. Das abwerfende Flugzeug gehörte zu einem größeren Verband von etwa 100 Bombern, der von 23.00 Uhr abends bis 1.00 Uhr morgens die Stadt, aus westlicher Richtung kommend, überflog und Hamburg zum Angriffsziel hatte. 7) Das wahrscheinlich beschädigte Flugzeug warf alle seine neun Sprengbomben über Bad Bramstedt ab, wobei sechs in der Auweide hinter dem Tannenhof explodierten und nur Flurschaden verursachten, jeweils eine als Blindgänger in die Rosenstraße und in den Butendoor fielen und eine voll das Haus Bleeck Nr. 25 traf. Dabei wurden dieses Gebäude und die beiden Nachbarhäuser vollständig zerstört. Weitere vier Gebäude im Bereich Bleeck -Mühlenstraße wurden schwer, etwa 20 erheblich beschädigt; rund 50 Häuser trugen leichte Schäden davon. Nach welchen Gesichtspunkten die Ortspolizeibehörde die Beschädigungsgrade (leicht, erheblich und schwer) bestimmte, ist nicht mehr festzustellen, jedoch ist anzunehmen, daß schwer bzw. erheblich beschädigte Häuser kaum mehr bewohnbar gewesen sein werden.

Da – aus welchen Gründen auch immer – kein Fliegeralarm ausgelöst worden war, befanden sich die Bramstedter in ihren Wohnungen. Acht Menschen wurden sofort getötet, und 21 weitere Personen (1 Zivilpole , ansonsten Bramstedter) wurden leicht bis sehr schwer verletzt. Von diesen 21 Verletzten verstarb ein Kind bereits auf dem Transport von Bad Bramstedt zum Krankenhaus Neumünster, und eine Frau fand wenige Tage später den Tod, so daß der Bombenabwurf insgesamt zehn Tote und 19 Verletzte forderte. Bei den zehn Toten handelte es sich um sieben Frauen und drei Kinder. daß keine männlichen Personen getötet wurden, lag wohl daran, daß diese sich zum großen Teil als Soldaten der Wehrmacht im Krieg befanden. Aber auch Zufälligkeiten waren anscheinend von Bedeutung, denn unter den 19 Verletzten befanden sich nicht weniger als 11 Männer.

Sofort nach dem Bombenangriff gab die Ortspolizei Meldung an den Landrat, wobei die Todesursachen genauer differenziert wurden. Jeweils vier Personen wurden durch Bombensplitter getötet bzw. verletzt. Fünf Leute starben durch herabstürzende Mauertrümmer, die außerdem 16 Menschen verletzten.8) An den Aufräumarbeiten waren außer 75 Bad Bramstedter Bürgern die Feuerwehr, die Marine- und Kraftfahrerausbildungsabteilung aus Heidkaten und die in der näheren Umgebung untergebrachten Kriegsgefangenen beteiligt. Zur Behebung der Bombenschäden wurden unter anderem in Hitzhusen lagernde Dachziegel, die einem dortigen Bauern gehörten, beschlagnahmt. Eine entsprechende Verfügung erging bereits am 28. Juli; sie bestand aus einem Satz und war vom Bürgermeister der Stadt Bad Bramstedt unterzeichnet.

Da etliche Gebäude bis zur Unbewohnbarkeit zerstört worden waren, mußten 35 Familien, zusammen 100 Personen, vorübergehend in anderen Wohnungen leben. Bis auf eine Familie, die nach Wiemersdorf zog, fanden alle übrigen Personen in Bad Bramstedt Unterkunft. Auch die Möbel konnten größtenteils in den Wohnungen aufgestellt werden. Nur in einigen Fällen, wo dies nicht möglich war, brachte man die Möbel in die Turnhalle.

Die in die Rosenstraße und in den Butendoor gefallenen Blindgänger wurden im August durch den Sicherheits- und Hilfsdienst Lübeck freigelegt und auf dem Sportplatz entschärft. Zuvor waren die in nächster Umgebung gelegenen Wohngebiete für sieben Tage geräumt worden.

Im Laufe des Jahres 1942 fielen sonst nur noch 21 Brandbomben auf eine Weide bei Klashorn, und zwar am 19 . April gegen 3.00 Uhr morgens, wobei von den 21 Bomben lediglich sechs zündeten. Da keine Bauernhöfe in der näheren Umgebung lagen und der Weideauftrieb noch nicht erfolgt war, gab es keine Toten oder Verletzten und auch keine Schäden an Gebäuden oder Vieh.

Im Jahre 1943 fanden keine Luftangriffe auf Bad Bramstedt statt. Am 19. Mai wurde lediglich eine alliierte Brandfackel, die bei Notlandungen auf dem Wasser Anwendung fand, in Bad Bramstedt gefunden. Entweder handelte es sich dabei um einen Notabwurf oder sie hatte sich von alleine gelöst.

1944 wurde Bad Bramstedt wieder stärker vom Luftkrieg betroffen, wobei man aber nicht von systematischen Angriffen sprechen kann. Am 8. Januar wurden sechs amerikanische Stabbrandbomben abgeworfen, wiederum auf eine Wiese in der Nähe Klashorns, die aber allesamt nicht zündeten. Am 24. Mai gegen 10.20 Uhr detonierten zehn 100-kg-Sprengbomben in der Nähe der Segeberger Straße am Ostausgang der Stadt. Bei diesem Abwurf gab es keine Toten oder Verletzten; nur 168 Fensterscheiben und an die zehn Fensterrahmen wurden zerstört. Im Oktober fanden Angehörige des Reservelazarettes in der Nähe der Straße „Am Wittrehm“ einen abgeworfenen alliierten Flugzeugbenzintank. Er dürfte aus ähnlichen Gründen wie die Brandfackel im Jahr zuvor abgeworfen worden sein. Dieser Benzintank wurde einige Zeit später von der Fliegerhorstkommandantur Kaltenkirchen abgeholt.

In den letzten Kriegsmonaten, also von Januar bis Mai 1945, machte sich die alliierte Luftüberlegenheit in ganz Deutschland sehr stark bemerkbar. Neben der zahlenmäßigen Überlegenheit der Alliierten wirkte sich der Umstand aus, daß die amerikanischen und englischen Flugzeuge in näher zum Deutschen Reich gelegenen Basen, etwa in Holland, Belgien oder Frankreich, starten und dadurch länger im deutschen Luftraum operieren konnten. Verstärkt setzten die Alliierten Tiefflieger ein, die mit ihren Maschinengewehren auf alles schossen, was sich bei Tageslicht am Boden bewegte. Auch Bad Bramstedt hatte bis zur Kapitulation unter diesen Angriffen zu leiden.

Am 17. Januar überquerte ein alliierter Bomberverband von Osten nach Westen die Stadt, wobei sechs Sprengbomben über Bad Bramstedt abgeworfen wurden. Die beiden ersten fielen in der Nähe des Waldbades, zwei weitere neben dem Alten Kurhaus, die nächste nahe dem toten Arm der Osterau unweit der Mühle und die letzte im Nordwesten der Stadt. Trotz der Nähe von Gebäuden wurden nur wenige Fensterscheiben zerstört; auch gab es keine Toten oder Verletzten. Wiederum fertigte die Ortspolizeibehörde ein genaues Protokoll einschließlich Skizze an.

Der erste Tieffliegerangriff auf Bad Bramstedt fand am 22. Februar 1945 statt. Gegen 13.00 Uhr warfen zwei niedrigfliegende alliierte Flugzeuge jeweils zwei Sprengbomben ab, die in der Nähe der Mühle und des Bahnhofsgebäudes aufschlugen. Dabei wurde eine im Haus An der Mühle Nr. 1 wohnende Frau getötet, die gerade auf der Veranda Geschirr spülte und sich nur sechs Meter von dem Aufschlagpunkt einer Bombe entfernt befand. Ihre vierjährige Tochter, die auf der Straße spielte, erlitt nur leichte Verletzungen im Gesicht . Auch die beim Bahnhofsgebäude gefallenen Bomben verletzten eine Person, und zwar den Bahnhofsgastwirt, leicht am Kopf. Außerdem entstanden in der Nähe des Bahnhofes teilweise erhebliche Sachschäden im Lager einer Firma. Schließlich zerstörten diese vier Sprengbomben zahlreiche Fensterscheiben im Umkreis von 80 Meter.

Bereits vier Tage später, am 26. Februar, ereignete sich der zweite Tieffliegerangriff. Dabei wurden auf der Reichsstraße 206 zwischen den Kilometersteinen 3,9 und 4,4 (Ostausgang der Stadt nahe Klashorn) gegen 14 .20 Uhr ein Omnibus der Firma Prahl und ein LKW der Wehrmacht von zwei Tieffliegern beschossen. In dem aus Bad Segeberg kommenden Omnibus konnten alle Fahrgäste rechtzeitig von dem Fahrer alarmiert werden, so daß sie bis auf einen schwerbeschädigten Soldaten des Reservelazarettes, der von einem Besuch in Struvenhütten ins Kurhaus zurückkehren wollte, im Straßengraben Deckung suchen konnten. Der schwerbeschädigte Soldat wurde durch einen Rückenschuß verletzt, und eine Frau erhielt einen Unterschenkeldurchschuß. Auch der Beifahrer des Wehrmachtsfahrzeugs wurde durch einen Splitter am Rücken verletzt. Ein Fahrzeug des Deutschen Roten Kreuzes aus Bad Bramstedt brachte alle drei Verletzten in das Reservelazarett im Kurhaus. Die beiden Fahrzeuge mußten abgeschleppt werden.

Am 15. April beschossen tieffliegende alliierte Flugzeuge mehrere offene Lastkraftwagen der Wehrmacht in Höhe der Mergelkuhlen. Auf den mit Soldaten besetzten Fahrzeugen befanden sich auch eine 26-jährige Frau und ein 12-jähriger Schüler aus Weddelbrook, die man mitgenommen hatte. Bei diesem Angriff verloren 15 Soldaten, alle im Rang eines Obergefreiten, sowie die beiden Zivilisten ihr Leben.

Der erste und einzige bekannte Abschuß eines Tieffliegers bei Bad Bramstedt fand am 24. April gegen 14.00 Uhr statt. Dabei traf eine in Wiemersdorf stationierte Flak-Einheit ein britisches Jagdflugzeug so schwer, daß es in der Nähe des Schäferberges abstürzte. Der Pilot, ein Neuseeländer, sprang kurz vorher mit dem Fallschirm ab und wurde schon wenige Minuten später von deutschen Soldaten, die aus Hitzhusen kamen, gefangengenommen und am darauffolgenden Tag nach Neumünster gebracht. Die Flugzeugtrümmer holten Angehörige des Fliegerhorstes Kaltenkirchen später ab.

Am 26. April um 10.15 Uhr fand der letzte Tieffliegerangriff im Raum Bad Bramstedt statt, der genauestens von der Ortspolizei protokolliert wurde.
Dabei griffen acht britische Flugzeuge einen aus Richtung Kiel kommenden Möbelwagen an, der sich auf der Reichsstraße 4 (heute B 4) bei Kilometerstein 31,2 zwischen Bad Bramstedt und Lentföhrden befand. Der Fahrer und der Beifahrer des Möbelwagens sowie zwei Mitfahrende konnten rechtzeitig das Fahrzeug verlassen, das durch den Beschuß in Flammen aufging. Bis auf den Beifahrer suchten alle Personen im Straßengraben Deckung; der Beifahrer rannte auf einen nahegelegenen Wald zu, wobei er tödlich getroffen wurde. Der im Graben liegende Fahrer erhielt einen Fuß- und Oberschenkeldurchschuß, während die beiden Mitfahrenden unverletzt blieben.

Zusammenfassend kann man sagen, daß auch eine Kleinstadt wie Bad Bramstedt während des zweiten Weltkrieges in nicht ganz unerheblichem Maße alliierte Luftangriffe zu spüren bekam. Insgesamt verloren 29 Personen, 15 Soldaten und 14 Zivilisten, ihr Leben; eine ungefähr gleich große Anzahl von Personen wurde mehr oder minder schwer verletzt, und es entstand erheblicher Sachschaden, vorwiegend an Gebäuden und Fahrzeugen. Als folgenschwerster Angriff muß der vom 27. Juli 1942 gewertet werden, da dieser die meisten Ziviltoten forderte und den größten Sachschaden an Bramstedter Häusern verursachte.

III. Das kulturelle Leben

Mit dem Kriegsausbruch am 1. September 1939 und der Einberufung immer größerer Teile der männlichen Bevölkerung der Stadt mußte das seit jeher sehr rege lokale Vereinsleben zwangsläufig stark eingeschränkt werden und schließlich fast ganz zum Erliegen kommen. So ruhte zum Beispiel während des Krieges die Vereinstätigkeit der Fleckensgilde von 1688 weitgehend; gleiches galt für die Vogelschützengilde von 1695, deren Vorstand sich aber jährlich am Tage des Vogelschießens, also am zweiten Dienstag nach Pfingsten, zu einer Besprechung traf. Die traditionellen Feste und Feiern, etwa das Gildefest und der Tanz um den Roland, unterblieben während der Dauer des Krieges. Die Männergesangvereine „Liedertafel“ und „Eintracht“ konnten ebenfalls keine Aktivität entfalten, weil ja die meisten ihrer Mitglieder eingezogen waren.

Einer der wenigen weiterhin aktiven Vereine war die Bramstedter Turnerschaft. Ihre Veranstaltungen konnten im großen und ganzen regelmäßig durchgeführt werden, wenngleich dem Verein in den NS -Jugendorganisationen „Hitlerjugend“ (HJ) und „Bund deutscher Mädchen“ (BdM) eine gewisse Konkurrenz erwachsen war. Im übrigen hatten diese beiden Verbände vorwiegend politischen Charakter; ihre Aktivität auf kulturellem Gebiet hielt sich von vornherein in Grenzen und nahm gegen Kriegsende immer mehr ab. Wurden zu Anfang des Krieges gelegentlich noch Gesangs- oder Volkstanzabende für Eltern und Gäste veranstaltet und vereinzelt kleinere Stücke für die Patienten der Rheumaheilstätte bzw. des Reservelazaretts aufgeführt, so unterblieben derartige Veranstaltungen mit weiterer Dauer des Krieges weitgehend. Musikabende oder Aufführungen kleinerer Stücke fanden zumeist nur noch in privaten Rahmen statt.

Nach einer Weisung des Vorsitzenden des „Deutschen Gemeindetages“ und Leiters des „Hauptamtes für Kommunalpolitik“ der NSDAP vom Mai 1941 sollten auch mittlere und kleinere Städte nicht auf die „Kunst des Theaters und der Musik“ verzichten müssen. 9) Deshalb organisierte die Stadt in Zusammenarbeit mit der Kreisgruppe der NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“ (KdF) Gastspiele größerer Bühnen in Bad Bramstedt.

Offensichtlich war die Stadtverwaltung von sich aus sehr daran interessiert, der Bevölkerung ein gewisses kulturelles Angebot zu bieten, denn schon vorher hatten in Bad Bramstedt des öfteren Aufführungen stattgefunden, die zusammen mit dem „KdF“-Verband organisiert worden waren. Bei diesen Aufführungen, die allesamt im damals rund 300 – 350 Personen fassenden „Kaisersaal“, dem größten Saal im Orte, veranstaltet wurden, handelte es sich überwiegend um niederdeutsche Komödien. Der erste Theaterabend der Gemeinschaft „KdF“ war am 2. Dezember 1939; 10) die „Niederdeutsche Bühne“ aus Neumünster führte das Lustspiel „De Döschmaschin“ auf. Ähnliche Stücke wurden vom gleichen Ensemble auch in den folgenden Jahren dargeboten. Den Akten des Stadtarchivs ist zu entnehmen, daß die Vorstellungen bis zum Jahr 1943 ungefähr zweimal jährlich stattfanden, meist im Frühjahr oder im Herbst. 11) Nach 1943 ist nur noch eine weitere Lustspielvorführung der „Niederdeutschen Bühne“ (12. April 1944) erwähnt. 12)

Infolge der Bombardierungen Hamburgs, besonders im Juli und August 1943, wurden große Teile der dortigen Bevölkerung obdachlos; sie wurden u. a. auch nach Bad Bramstedt evakuiert. Zur Unterhaltung der Ausgebombten fanden im „Kaisersaal“ mehrere Gastspiele Hamburger Künstler statt, so zum Beispiel am 25. August 1943 ein bunter Abend mit zehn Sängern und Tänzern der Staatsoper Hamburg. Für die Evakuierten war dabei der Eintritt kostenlos. 13)

Vorwiegend für diesen Personenkreis war auch eine Aufführung der Komödie „Der Raub der Sabinerinnen“ durch Schauspieler des Hamburger Schauspielhauses gedacht (2. September 1943).14) Nach dem Frühjahr 1944 fanden keine weiteren Gastspiele Hamburger Künstler mehr statt.

Die genannten Veranstaltungen erfreuten sich allesamt einer großen Beliebtheit und waren zumeist sehr gut besucht. Diese Tatsache dürfte u. a. dadurch zu erklären sein, daß in einer Zeit, in der es noch keine Fernsehsendungen gab, die Bevölkerung solche Vorführungen als eine willkommene Abwechslung betrachteten, die zudem für die meisten finanziell erschwinglich war.

Neben den im „Kaisersaal“ durchgeführten Theater- und Musikveranstaltungen waren auch die Bramstedter Kinovorstellungen während des Krieges größtenteils gut besucht. Da der Film damals neben Rundfunk und Zeitungen zu den wichtigsten Informationsquellen zählte, ist es nicht verwunderlich, daß auch in Bad Bramstedt bis Kriegsende regelmäßig an drei Abenden der Woche Kinovorführungen stattfanden.

In den Vorstellungen, die recht preiswert waren und neben dem Hauptfilm stets auch die neueste Wochenschau enthielten, wurden sowohl Filme mit politischer Tendenz als auch reine Unterhaltungsfilme gezeigt.

Bestanden zu Beginn des Krieges in Bad Bramstedt zwei in Konkurrenz zueinander stehende Kinos, nämlich die „Rolandlichtspiele“ im „Kaisersaal“ und die „Kurlichtspiele“ im Schlüskamp, so wurde das letztere Lichtspieltheater später von der Besitzerin des „Kaisersaals“ gepachtet.

Fortan fanden die Filmvorführungen dann im Gebäude der „Kurlichtspiele“ am Bahnhof statt. Daneben wurden einmal wöchentlich Filme im jetzigen Speisesaal der Bramstedter Rheumaklinik gezeigt.
Dort fanden zur Unterhaltung der Verwundeten verhältnismäßig häufig auch sonstige kulturelle Veranstaltungen statt. Neben vereinzelten kleinen Aufführungen und Vortragsabenden durch die Ortsgruppen der HJ und des BdM waren des öfteren der bekannte Lautensänger R. Germer und der Rezitator H. Fleischer aus Hamburg im Lazarett zu Gast. Außerdem wurden dort von Kellinghusener Künstlern Violinstücke vorgetragen, überwiegend Barockmusik und Opern- und Operettenarien, aber auch Volkslieder. Gelegentlich trat neben dem Bramstedter Kirchenchor auch der gemischte Chor aus Kellinghusen für die verwundeten Soldaten auf.

Neben „Kaisersaal“ und Kurhauslazarett ist die Maria-Magdalena-Kirche während des Krieges ein Zentrum des kulturellen Lebens gewesen. Vor allem der Initiative des Organisten J. Daniel war es zu verdanken, daß zahlreiche Musikveranstaltungen von hohem Niveau in Bad Bramstedt durchgeführt wurden. Er stützte sich dabei hauptsächlich auf die von ihm geleitete Bramstedter Kantorei, die fast ausschließlich aus Frauen bestand. Dieser Chor wurde bei kirchlichen Konzerten mitunter durch die Kellinghusener „Liedertafel von 1835″ ergänzt. Außerdem wurden für größere Veranstaltungen Sänger und Musiker aus Kiel oder Hamburg verpflichtet.

Solch ein außergewöhnliches Ereignis war zum Beispiel die Aufführung des im 15. Jahrhundert entstandenen geistlichen Spiels „Die Bordesholmer Marienklage“ am Karfreitag 1941, bei der neben der Bramstedter Kantorei u. a. zwei Künstler aus Kiel mitwirkten. Sänger aus Kiel und ein Neumünstera-ner Kammerorchester waren auch bei einem Mozart-Konzert unter den Ausführenden, das am 7. Dezember 1941 anläßlich der 150. Wiederkehr des Todestages von W. A. Mozart gegeben wurde. Zur Weihnachtszeit wurde in der Bramstedter Kirche „alte und neue Weihnachtsmusik“ auf der Orgel gespielt.15)

Die Bramstedter Kantorei und die Kellinghusener „Liedertafel“ gaben außerdem im Kurhauslazarett zahlreiche Beweise ihres musikalischen Könnens. Unter der Mitwirkung einiger Soldaten fanden dort Liederabende mit klassischer und volkstümlicher Musik statt. Im Kurhaus gelangte im Februar 1943 mit dem Haydnschen Oratorium „Die Schöpfung“ ebenfalls ein größeres Werk zur Aufführung; dabei wirkte u. a. auch ein Musikkorps der Luftwaffe mit.

Im Gegensatz zu den Veranstaltungen im Kurhauslazarett konnten die Konzerte in der Maria-Magdalena-Kirche wegen der strengen Verdunkelungsvorschriften nur nachmittags stattfinden. Trotz dieses Handicaps und trotz der ständigen Verschlechterung der Kriegslage wurden die musikalischen Veranstaltungen bis in das letzte Kriegsjahr hinein fortgesetzt; sie fanden insbesondere an den kirchlichen Feiertagen und anläßlich bestimmter Gedenktage statt. So gab es im Dezember 1943 zum 70. Geburtstag des Komponisten Max Reger ein Kirchenkonzert, und auch das 100-jährige Jubiläum der Bramstedter Orgel wurde noch am 24. September 1944 musikalisch gefeiert. 16)

Erwähnt sei noch, daß anläßlich des 20-jährigen Bestehens der Bramstedter Kantorei im April 1944 das „Freiheitsoratorium“ „Der Feldherr“ im „Kaisersaal“ aufgeführt wurde. Dieses im Einklang mit der nationalsozialistischen Ideologie aus dem Händeischen „Judas Maccabäus“ umgearbeitete Stück fand nicht nur in Bramstedt ein positives Echo, es wurde mit dem gleichen Erfolg auch in Kellinghusen und Kaltenkirchen dargeboten. 17)

Neben diesen größeren kulturellen Veranstaltungen der Kirche fanden im Gemeindehaus kleine Lieder- und Konzertabende statt; im Rahmen der jährlichen Weihnachtsfeier wurde u. a. zumeist ein kleines Stück aufgeführt.

Zusammenfassend ist festzuhalten, daß die Bramstedter Kantorei trotz der immer trostloser werdenden Verhältnisse sehr aktiv und sehr bemüht war, den Einheimischen wie auch den Verwundeten im Reservelazarett durch ein recht reichhaltiges Programm etwas Abwechslung zu bieten.

Eine weitere kulturelle Einrichtung ist in der von der Stadt im Rathaus unterhaltenen öffentlichen Bücherei, der „Volksbücherei“, zu sehen. Einmal wöchentlich war diese von einer Stadtangestellten ehrenamtlich geführte Bibliothek für ungefähr zwei Stunden geöffnet, und jeder Bürger über 16 Jahre konnte sich gegen eine sehr geringe Gebühr die gewünschten Bücher ausleihen. Nachdem die Bücher, die kurz vor Kriegsbeginn zwecks „Neuordnung“ an die „Staatliche Volksbüchereistelle“ in Kiel geschickt worden waren, im Juli 1940 zurückgekommen waren, war bis Ende des Krieges in Bad Bramstedt ein regelmäßiger Leihbetrieb zu verzeichnen, der auch durch den Bombenabwurf auf die Stadt am 27. Juli 1942 nicht unterbrochen wurde. Die Liste der freigegebenen Bücher enthielt neben nationalsozialistischen Schriften („Mein Kampf, „Der Mythos des 20. Jahrhunderts“ usw.) und einer großen Auswahl an Unterhaltungsliteratur vorwiegend historische, geographische und sonstige Sachbücher, ferner Werke der deutschen Heimatschriftsteller.

Aus der erhalten gebliebenen „Leseordnung“ 18) kann man allerdings entnehmen, daß vor allem die Unterhaltungsliteratur begehrt war. So bestanden für die „belehrenden Bücher“ keine Ausleihbeschränkungen, während aus der „Abteilung Romane und Erzählungen“ monatlich je Person insgesamt nur vier Bände ausgegeben wurden, was auf die Beliebtheit dieser Art von Büchern schließen läßt.

Während des ganzen Krieges war die Stadt bestrebt, durch Neuerwerb den Bücherbestand aufzustocken und das Angebot zu erweitern. Hatte die „Volksbücherei“ bei Kriegsbeginn rund 700 Bände, so betrug deren Zahl am Ende des Krieges mindestens 1100;19) die letzte Rechnung über neueingetroffene Bücher datiert noch vom 6. Mai 1945.

Am Beispiel des örtlichen Büchereiwesens ist ebenso wie an den Bemühungen der Stadt, Gastspiele fremder Bühnen in Bramstedt zu arrangieren, das kulturelle Bemühen der Stadtverwaltung abzulesen. So lag es auch im städtischen Interesse, die im Dezember 1942 gegründete Ortsgruppe der „Schleswig-Holsteinischen Universitätsgesellschaft“ zu unterstützen, die auf dem bis dahin in Bad Bramstedt noch etwas vernachlässigten Gebiet der Erwachsenenbildung tätig wurde. 20)

Aufgrund der Verkehrsverhältnisse, die sich im Laufe des Krieges zunehmend verschlechtert hatten, war es für interessierte Bramstedter immer schwieriger geworden, Vorträge der Neumünsteraner Ortsgruppe der „Universitätsgesellschaft“ zu besuchen, so daß schließlich am 10. Dezember 1942 auf Initiative des damaligen Leiters des Jürgen-Fuhlendorf-Gymnasiums, Dr. Heine, die hiesige Ortsgruppe gegründet wurde.

Zum Eröffnungsabend im „Kaisersaal“ sprach ein Kieler Professor über die „ethischen Grundlagen Japans und den Sieg der Erneuerungsbewegung“; neben den geladenen Ehrengästen waren auch viele Bramstedter Bürger und Patienten des Kurhauslazaretts anwesend.

Die dem „Deutschen Volksbildungswerk“ unterstehende Vereinigung wurde jährlich von der Stadt mit 200 Reichsmark unterstützt – wahrscheinlich ein Grund dafür, daß die Eintrittspreise recht niedrig lagen. Die Vorträge wurden, wie noch heute, in den Wintermonaten gehalten. Bis zum Kriegsende fanden rund 20 solcher Veranstaltungen statt, zumeist im „Kaisersaal“ oder in Fachräumen der Jürgen-Fuhlendorf-Schule, ab Februar 1945 im „Gasthof zur Mühle“. Der letzte Vortragsabend ist für den 27. März 1945 verzeichnet. Das breite Spektrum der Angebote reichte von länderkundlichen über musik- und literaturwissenschaftliche, geschichtliche und geistesgeschichtliche Themen bis zu naturwissenschaftlichen Vorträgen. 21)

Zusammenfassend kann man feststellen, daß das kulturelle Leben in der Rolandstadt trotz der sich durch den Kriegsverlauf ergebenden Einschränkungen durchaus rege geblieben ist und daß verschiedene kulturelle Institutionen bemüht waren, sowohl der Stadtbevölkerung als auch den Verwundeten im Lazarett etwas Abwechslung zu bieten, sei es zur Unterhaltung oder zur Bildung.

IV. Anmerkungen

1) Die Wucht der Explosion war so groß, daß dadurch die tiefe Schlucht im Herrenholz entstand. Explosionssplitter flogen bis nach Bissenmoor, das mehr als zwei Kilometer von der Unglückstelle entfernt ist.
2) Die russische Nationalität ergibt sich mit einiger Wahrscheinlichkeit aus dem Geburtsort Woronesch.
3) Das entsprechende Verhältnis beim gesamten Feldheer lag bei 1 : 29.
4) Vergleiche Seite 10.
5) Bramstedter Nachrichten vom 30. April 1934.
6) Bramstedter Nachrichten vom 30. April 1934.
7) Percy Ernst Schramm, Kriegstagebuch des Oberkommandos der Wehrmacht, Frankfurt am Main 1963, Band II, 1942, S. 529. (Eingegangene Meldungen im Generalstab der Luftwaffe vom 26. Juli 1942).
8) Zu diesem Zeitpunkt waren erst neun Personen verstorben und 20 verletzt. Bei der später im Krankenhaus Neumünster verstorbenen Frau ließ sich die Todesursache nicht mehr feststellen.
9) Stadtarchiv, Akte „Kulturelle Angelegenheiten, von der Verwaltung aus gesehen (1938 – 49)“.
10) Bramstedter Nachrichten vom 4. Dezember 1939.
11) Bramstedter Nachrichten vom 8. Februar 1943,16. März 1940 und 12. April 1944.
12) Stadtarchiv, Akte „Kulturelle Angelegenheiten, von der Verwaltung aus gesehen (1938-49)“.
13) Bramstedter Nachrichten vom 26. August 1943. 14) Bramstedter Nachrichten vom 31. August 1943.
15) Bramstedter Nachrichten vom 8. Dezember 1941.
16) Bramstedter Nachrichten vom 26. September 1944.
17) Bramstedter Nachrichten vom 22. April 1944.
18) Stadtarchiv, Akte „Volksbücherei (1937-45)“.
19) Stadtarchiv, Akte „Volksbücherei (1937-45)“.
20) Stadtarchiv, Akte „Universitätsgesellschaft (1942-45)“.
21) Stadtarchiv, Akte „Universitätsgesellschaft (1942-45)“.

V. Quellen- und Literaturverzeichnis

1. Ungedruckte Quellen
Gefallenen- und Vermißtenregister der Bramstedter Friedhofsverwaltung.
Akte „Kurhaus“ (1939-45), Stadtarchiv Bad Bramstedt.
Akte „Luftschutz“ (1933-45), Stadtarchiv Bad Bramstedt.
Akte „Kulturelle Veranstaltungen 1941-47″, Stadtarchiv Bad Bramstedt.
Akte „Kulturelle Veranstaltungen 1943-47″, Stadtarchiv Bad Bramstedt.
Akte „Universitätsgesellschaft 1942-45″, Stadtarchiv Bad Bramstedt.
Akte „Volksbücherei 1937-45″, Stadtarchiv Bad Bramstedt.
Akte „Kulturelle Angelegenheiten, von der Verwaltung aus gesehen“, Stadtarchiv Bad Bramstedt.
Akte „Luftschutz“ (1938-44), Stadtarchiv Bad Bramstedt.
Akte „Bombenschäden in Bad Bramstedt“ (1943 – 44), Stadtarchiv Bad Bramstedt.

2. Gedruckte Quellen
Percy Ernst Schramm (ed.), Kriegstagebuch des Oberkommandos der Wehrmacht (Wehrmachtführungsstab), Band I-IV, Frankfurt/Main1961-1965.
Bramstedter Nachrichten, Jahrgänge 1934-1945.

3. Darstellungen
Nicholas Bethel, Der Angriff auf Rußland, Amsterdam 1980.
Gerhard Binder, Geschichte im Zeitalter der Weltkriege, Stuttgart 1977.
Martin Blumenson, Die Befreiung, Amsterdam 1981.
R. Heifermann / SL. Mayer/D. Shermer, Kriege des 20. Jahrhunderts, Wien s. a. Karl-Wilhelm Krane, Vom Gesundbrunnen zur Rheumaklinik. Geschichte des Bramstedter Kurbetriebs, Schriftenreihe der Jürgen -Fuhlendorf-Schule, ed. H. F. Benthe und U. March, Heft 5, Bad Bramstedt 1979.
Putzger, Historischer Weltatlas, Bielefeld 1965.
Robert Wernick, Der Blitzkrieg, Amsterdam 1980.

Ausschnitt aus dem Stadtplan Bad Bramstedt mit freundlicher Genehmigung des Verlages Jürgen Hartmann, 2359 Henstedt-Ulzburg 2, Telefon (0 4193) 59 90

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Harbeck: Chronik von Bramstedt

Chronik Bramstedts

Hans Hinrich Harbeck

Mit ungeheurer Akribie und bewundernswerter Ausdauer hat der Bad Bramstedter Lehrer Hans Hinrich Harbeck in den 30er und vierziger Jahren Unmengen von Archivalien gesichtet und seine Notizen zu Papier gebracht. Darunter viele Texte und einige Urkunden, die durch Kriegseinwirkung verloren gegangen sind und deren Inhalt er bewahrt hat.

Nach den Jahren des Sammelns folgten Jahre des Aufbereitens, um dieses Werk in den Buchdruck zu bringen. Darüber verstarb der alte Herr und zum Glück für ihn und der Nachwelt bewahrten seine Tochter Lisbeth und ihr Bruder Walter nicht nur die Arbeit ihres Vaters auf, sondern bereiteten sie in mühevoller Kleinarbeit auf, so daß das Buch 1959 erscheinen konnte. Es ist noch heute als das grundlegendste Werk zur Bramstedter Geschichte anzusehen und unverzichtbar für jeden Heimatforscher.

Das Buch gibt es heute nur noch in Antiquariaten hier und da zu erwerben und ob des Umfanges ist es für den Heimatforscher nicht immer leicht, die gesuchten Stellen im Buch zu finden.
Daher kam mir der Gedanke, dieses Buch einzuscannen und den Text damit in eine Form zu bringen, die ihn nicht nur im Internet lesbar macht, sondern ihn auch gut durchsuchen lässt.

Auch ich möchte dem Autor nochmals meine Anerkennung zollen und diesen Text hiermit für die Nachwelt bewahren und einem breiten Kreis Interessierter bereitzustellen.

Ich danke besonders Hartmuth Böttcher, der mir mit seiner Hilfe die Arbeit sehr erleichterte.


 

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Schadendorf: Friedrich Ebert Denkmal – NSDAP

Friedrich Ebert – Geschichte eines Denkmals
und das Aufkommen der NSDAP in Bad Bramstedt

Etwas versteckt befand sich bis 2009 an der Glückstädter Straße gleich hinter der Brücke ortsauswärts im Schatten einer großen Weide das Denkmal des Friedrich Ebert. Heute steht es (wieder) am Liethberg.
Es ist Symbol und Zeuge zugleich der Geschichte des “1000-jährigen Reiches” in Bad Bramstedt.

Ende der 20er Jahre setzen sich die Bad Bramstedter Sozialdemokraten um den langjährigen Vorsitzenden Gustav Schatz dafür ein, am Orte ein Denkmal für den ersten demokratischen Reichspräsidenten Friedrich Ebert aufzustellen.
In der Nachschau geschah dies im unmittelbaren Vorfeld des Aufkommens der NSDAP.
Zwar gab es mindestens seit 1928 eine Ortsgruppe der DVP u.a. unter dem Vorsitz von Lehrer Tamm (der später die NS-Beamtenorganisation leitete), aber in der Stadtverordnetenversammlung gab es bis 1929 nur einen bürgerlichen Block (11 Mandate) und 2 Sozialdemokraten.
Bei der Kommunalwahl 1929 ergab sich ob der städtischen Finanzen und der Großinvestition der Rheumaklinik eine Spaltung des bürgerlichen Lagers in zwei Listen ( “Gemeinwohl” und “Mittelstand”), jedoch keine Liste der NSDAP, wie es zu der Zeit in den Nachbarorten schon der Fall war.
Auf der anderen Seite trat eine den Kommunisten nahestehende Liste “Freie Arbeiter” auf.
Im Ergebnis der Wahl 1929 bekam die SPD ein Mandat hinzu und kam auf drei Sitze, genauso viele wie die Liste “Gemeinwohl”. Die “Freien Arbeiter” gewannen zwei Sitze und die Liste “Mittelstand” holte mit fünf die meisten Mandate.

Zu diesem Zeitpunkt scheint die nationalsozialistische Bewegung noch keinen großen Widerhall in Bad Bramstedt zu finden. Bei der von Hitler und Hugenberg initiierten Volksabstimmung am 22.12.1929 über den Young-Plan stimmten nur 36 gegenüber 423 für deren Intentionen (bei allerdings nur 35 % Wahlbeteiligung). 1)

Zurück zum Denkmal: Nach einigen Diskussionen gelingt der SPD schließlich die Überzeugungsarbeit für das Ebertdenkmal und so vermelden am 17.01.1930 in einem Bericht über die Sitzung der Stadtverordneten, daß die Versammlung über den Standort des Ebert-Denkmales beraten habe.
Die Beratungen sollen seinerzeit hoch hergegangen sein, da die SPD einen Standort auf dem Bleeck wünschte. Doch damit drang sie nicht durch. Das Denkmal findet schließlich seinen Platz am Wege zur sogenannten Wattefabrik, dem Standort des heutigen Hochhauses Unter der Lieth 31 und damit ganz in der Nähe des Hauses des Gustav Schatz. (Haus Nr. 29). Es schien als müsse er ein Auge darauf haben.
Dieser Gedanke schien auch angebracht, denn fast schlagartig hielt auch in Bad Bramstedt die NSDAP Einzug. Von Brokstedt und Hagen kommend, wo PG Schurbohm der ersten Ortsgruppe in dieser Region vorstand, kam die Bewegung in den Ort.

Am 6.2.1930 findet sich ein Anzeige in den Bramstedter Nachrichten zu einer Versammlung der NSDAP im Sängerheim (Bleeck 23, im Krieg zerstört) und der Hinweis auf einen Ortsgruppe der NSDAP in Bad Bramstedt. Und am 8.9.1930 meldet die Zeitung die offizielle Gründung einer Ortsgruppe unter Vorsitz des Architekten und Baumeisters Henry Büchler. Büchler wohnte zu dieser Zeit in seinem neuen Haus an der Lieth unweit des Sozialdemokraten Schatz.
Doch ist dies nur das sichtbare Ergebnis einer über schon längere Zeit erfolgten Agitation, die insbesondere darauf zielte, örtliche Meinungsträger (Multiplikatoren heißt das heute) für sich einzunehmen. Das was schlagartig erschien war systematisch vorbereitet, durch Eindringen in Organisationen wie Bramstedter Turnerschaft, Gesangsvereine ebenso wie in Feuerwehr und Schützenverein.1)

Der Kriegerverein war gleichfalls durchsetzt von diesem Gedankengut und Träger oder zumindest freudiger Empfänger des Gedankengutes. Die Kriegervereine waren allen Orten national-konservative Vereinigungen mit wenig Neigung zur Republik; „Für Gott, König und Vaterland – Gegen die Sozialisten“ war ihre Devise seit der Kaiserzeit.

Eine der deutsch-national-denkenden Personen, die sich für die neue Bewegung einnehmen ließen bzw. ihr willig folgten, war der Lehrer Otto Schnepel (sen.), der Vorsitzender der Bramstedter Turnerschaft und des Kriegervereins war.

Es scheint in kurzer Zeit gelungen zu sein. So fällt z.B. auf, daß die Bramstedter Nachrichten zunehmend freundlicher und ausführlicher über die NSDAP und ihre Aktivitäten berichten. So findet sich z.B. am 10.2.1932 der gesamte Rechenschaftsbericht der Ortsgruppe in der Zeitung wieder – ein Vorzug, den bei Herausgeber Paustian keine andere Partei genoß.
Und während die NSDAP 1929 nicht zur Kommunalwahl antrat, vollzog sich durch Eintritt der bürgerlichen Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung in die NSDAP und deren Organisationen im Stillen ein realer Wechsel. Im Oktober 1932 bestand die bürgerlich-mittelständische Mehrheitsfraktion ausschließlich aus Nationalsozialisten. 1)

Die Reichstagswahlergebnisse der Jahre 1930 und 1932 sehen auch in Bramstedt die NSDAP in Front. Bei der Juliwahl 1932 sogar weit über dem Landesdurchschnitt. Die lokale Besonderheit mag darin liegen, daß durch die Amtsenthebung des Bürgermeisters Erlenhorst und die Anlaufschwierigkeiten der Rheumaklinik ein besonderer Boden für nationalsozialistische Agitation vorhanden war. “Alles”, so beschrieben die Bramstedter Nachrichten einen SA-Aufmarsch vom 6.7.1932, “verlief ohne Störungen. Stramm und ruhig ihrer Kraft bewußt und ihres Sieges gewiß, so war das Auftreten der Leute.”

Die neuen Kraftverhältnisse sollten sich auch bald in der Stadtverordnetenversammlung zeigen: Für die Wahl am 12.3.1933 trat neben den Sozialdemokraten und den Kommunisten nur noch eine nationale Einheitsliste an. Zwar hatten einige Leute um den Apotheker Fritz Neumann und Otto Kruse noch versuchte einen nationale Liste “Schwarz-Weiß-Rot” aufzustellen, zogen diese aber unmittelbar wieder zurück. Ein Leserbrief des stv. Ortsvorsitzender der NSDAP, Karl Schlichting, am 4.3.1933 maßregelt diese Bewerber in schärfster Weise als “Spießbürger” und lässt den wahren Hintergrund des Rückzuges erkennen. Auf der national(sozialistischen) Einheitsliste stehen fast alle bürgerlichen Bewerber des Jahres 1929.

In Bad Bramstedt werden bei diversen Leuten, die zwar nationalbürgerlich aber nicht der nationalsozialistisch gesinnt sind, Scheiben eingeschlagen und Häuser beschmiert. So z.B. bei der Familie Carl Seller im Landweg.

In Kellinghusen wird im Vorfeld der Wahl der Arbeiter Otto Fabian getötet wurde und am Wahltag sind in Quickborn und Kellinghusen blutige Zusammenstöße zwischen SA, SS und Rot-Front-Kämpfern zu verzeichnen, bei denen Kämpfer des Bundes getötet werden. Die Wahlen selbst finden in Bad Bramstedt in äußerlich ruhiger Atmosphäre statt.

Ebenfalls am 12.3. wird in Kiel der Rechtsanwalt Dr. Spiegel, der den Bürgermeister Erlenhorst vertritt, von Leuten in SA-Uniform ermordet. Mit ihm entledigt man sich eines unliebsamen politischen Gegners und und will wohl auch Einfluß auf den Prozeß nehmen, der wenige Tage später liegt.

Nach den “Bereinigungen” im Vorfeld fällt das Wahlergebnis eindeutig aus: Die absolute Mehrheit geht an die Einheitsliste. Die Sozialdemokraten erringen noch zwei (Friedrich Hinz und Kröger) und die Kommunisten einen (Scheck) Sitz. Weder SPD noch KPD können die Sitze antreten, da sie verhaftet werden (KPD) bzw. zu den Sitzungen nicht eingeladen werden bzw. daran gehindert werden. So finden sich im Mai 1933 noch folgende Personen :als Stadtvertreter wieder:

NSDAP-Fraktion im Stadtrat Bad Bramstedt/Kreis Segeberg (Stand Mai 1933)
Blöcker, Gustav, Butendoor 5 (nachgewählt am 10.4.. für Freudenthal)
Dehn, Hans, Im Winkel 3
Horst, Heinrich, Bei der Kirche 1
Kiel, Rudolf, An der Mühle 2
Köhler, Otto, Tannhof
Obst, Fritz, Maienbeck 30
Schlichting, Karl, Bleeck 20 (1. Vorsitzender)
Sievers, Max, Unter der Lieth 1
Wilhelmi, Dr. Heinrich, Bimöhler Str. 7

von der Einheitsliste ferner:
Schnepel, Otto
Warnemünde, Alfred
Freudenthal, Gottlieb

und als Ratmänner ab 10.4.1933
Freudenthal, Gottlieb
Krumbeck, Karl
Rave, Heinrich

Den Geist dieser Tage beschreibt Wolfgang Platte in seiner “Geschichte Bramstedts” wie folgt:
“Der Prozeß der nationalsozialistischen Machtergreifung und der nachfolgenden Phase der NS-Herrschaftssicherung durch Gleichschaltung ist auch in Bad Bramstedt als langfristige und subtil verlaufende Entwicklung zu verstehen, deren Wurzeln nicht nur in die Zeit der Weimarer Republik und die damit verbundene politische Neuorientierung verfolgt werden können. Als ein wichtiger Kontinuitätsträger in diesem Zusammenhang ist sicherlich der auch in der Zeit zwischen 1919 und 1933 sehr aktive Bramstedter Kriegerverein, der seine Tätigkeit nach Ende des 1. Weltkrieges vornehmlich auf die politische Agitation legt, anzusehen. Ziele der oft recht polemisch vorgetragenen politischen Äußerungen des Kriegervereins sind unter anderem die Abstimmungsergebnisse des Volksentscheides im Zusammenhang mit der Rückführung Nord-Schleswigs an das Königreich Dänemark, dem Versailler Friedensvertrag, der Außen- und Versöhnungspolitik Stresemanns. So ist es nicht verwunderlich, wenn die Fahnen des Kriegervereins auch von Anfang an bei den nationalsozialistischen Parteiveranstaltungen und Umzügen zu sehen sind. Die während der Zeit zwischen 1919 und 1933 herrschende allgemeine ordnungspolitische Unsicherheit lässt schließlich die eher als unpolitisch zu bezeichnende bürgerliche Mittelschicht sowie das Kleinbürgertum auf ihrer Suche nach politischem Halt bei den Nationalsozialisten landen. Nur so kann letztlich die relative Kontinuität bei der personellen Zusammensetzung der wichtigen städtischen Entscheidungsgremien, die auch über das Ende des 2. Weltkrieges hinaus zu beobachten ist, erklärt werden. Auch die bereits geschilderte verstärkte Einflußnahme von NS-Mitgliedern anderer Ortsverbände auf die wichtigen örtlichen Vereine verfehlen ihre Wirkung nicht. So steht auch die Bramstedter Turnerschaft bei ihrem Frühjahrs-Schau-Turnen am 19.3.1933 nach den Worten ihres 1. Vorsitzenden (Otto Schnepel sen.) nicht nur geschlossen wie ein Mann hinter dem Führer, sondern hat auch die vorangegangenen 14 Jahre als eine Zeit unsäglicher Schmach empfunden. Die Auflösung der örtlichen Organisation der B.T. und ihre Einverleibung in die Hierarchie des NS-Staates im Zuge der Gleichschaltung war somit lediglich eine reine Formsache.
Auch die Heimatpresse bekommt zunehmend einen anderen Stil. Die Berichterstattung über die NS-Veranstaltungen wird emotional engagiert. Zusätzlich sind verstärkt ideologisch motivierte Leitartikel zu finden, so etwa zum Thema: „Das Wesen der deutschen Fraulichkeit“.

Symbolischer Höhepunkt der NS-Machtübernahme schließlich sind die Feierlichkeiten anläßlich der Reichstagseröffnung vom 22.3.1933. In der Berichterstattung der Bramstedter Nachrichten lautet es hierüber:
„Alle waren gekommen, um die Stunden, mit denen ein neues und freies Deutschland beginnt, mitzuerleben. (…) Neben den Kämpfern der braunen Sturmkolonnen, die Frontsoldaten des alten Deutschlands neben den traditionellen Fahnen des Kriegervereins, die Uniformen jener Männer, deren Wahlspruch und Tätigkeit im Dienst der Nächstenliebe liegt. Neben dem Handwerker der Bauer, neben dem Arbeiter der Faust die Arbeiter der Stirn. Eine Volksgemeinschaft, in der auch kein Verband, kein Verein fehlte, der auf dem Boden der Vaterlandsliebe steht (…)“

Zu Füßen des Rolandstandbildes wurde im Anschluß an diesen sicherlich sehr eindrucksvollen Umzug eine Feierstunde abgehalten, in deren Verlauf der Festredner, ein Bramstedter Lehrer,(Otto Schnepel sen.) unter Verwendung des sattsam bekannten nationalsozialistischen Vokabulars mit der Verfassung von Weimar und den für sie verantwortlichen Novemberverbrechern abrechnete — obgleich die NS-Machtergreifung durch diese freiheitliche Verfassung erst ermöglicht worden ist. Als besonders zynisch muß dem heutigen Betrachter die Absingung des Chorals „Ein‘ feste Burg ist unser Gott“ im Verlauf dieser Feier in Verbindung mit dem „Horst-Wessel-Lied“ erscheinen. Die sehr engagiert vorgetragene Festrede hat bei einigen vornehmlich jugendlichen Teilnehmern einen derart tiefen Eindruck hinterlassen, daß diese noch in der gleichen Nacht das an der Straße „Unter der Lieth“ auf gestellte Friedrich-Ebert-Denkmal zerstörten.”

Damit sind wir wieder bei dem Ebert-Denkmal angelangt. In den Bramstedter Nachrichten heißt es zu dieser Nacht, daß die Anlage zerstört sei (gemeint ist wohl die Grünanlage am Denkmal) und daß junge Leute es gewesen seien. Der Wächter (G. Schatz ?) habe sie vertreiben können, “es fielen Schüsse”. – Also auch hier am Orte eskalierte die Gewalt und man kann nur von Glück sagen, daß niemand zu Schaden kam.

Der weitere Fortgang ist kurz erzählt: G. Schatz nahm die Inschrift von dem Stein (ein Findling) ab und nahm sie in Gewahrsam. Trotz Drohungen und bohrende Nachfragen rückte er sie nicht heraus. Die “jungen Burschen” stahlen den Stein, und sollen ihn in gemeinschaftlicher Aktion zu den Mergelkuhlen an der Ecke Hamburger Straße / Weddelbrooker Straße gebracht und dort versenkt haben. Alte Bad Bramstedter können sich noch an diese Aktion erinnern.

In den folgenden Wochen und Monaten wurden auch in Bad Bramstedt viele Maßnahmen gegen andersdenkende durchgeführt. So berichten die Bramstedter Nachrichten von Hausdurchsuchungen von Polizei und SA in der Glückstädter Straße bei “linksgerichteten Männern”. – Die HJ unter PG Clausen, oder die NS-Frauen unter Frau Schoel/Holm sind nur Teile der Durchdringung des täglichen Lebens mit der NS-Ideologie. Dies geht soweit, daß z.B. Pastor Christiansen am 5.4.1937 einen Passionsandacht absagt, weil zur gleichen Zeit eine Wahlkundgebung der NSDAP stattfindet.

Nach dem Krieg nimmt sich die neuen Gemeinderäte des Denkmals an. Unter dem 16.4.1946 wird der Beschluß gefaßt, daß diejenigen, die das Denkmal entfernt haben, einen neuen Stein herbeischaffen und herrichten sollen. Genannt werden: Max Sievers (Bauer, Unter der Lieth), Karl Kroll jun.(Maienbeeck), Heinrich Wulf (Pferdehändler, Mühlenstraße), Willi Dibbern (Bauer, Landweg/Bimöhler Str.), Albert Warkentin (Fuhrunternehmer, Kieler Berg), Karl Japp, Andreas Hinrichs (Wirt, Birkengrund), Bruno Scholz (Rheumaheilstätte), Karl Baum (Gärtner, Kieler Berg), Max Steffens (Bauer, Landweg), Hermann Schmidt (Schlachter, Butendoor).
Die Wiederherstellung soll bis zum 1. Mai 1946 erfolgen und mit der Überwachung beauftragt der Gemeinderat die beiden Sozialdemokraten Panzer und Hinz.
So schnell scheint es dann nicht gegangen zu sein, ob die Beschuldigten sich wehrten oder welche Gründe Ausschlag gaben, ließ sich noch nicht ermitteln.
Jedenfalls geht im August ein erneute Aufforderung an weitere Beteiligte:
Julius Timm (Schuhmacher, Maienbeeck), Emil Suhr (Schlachter, Maienbeeck), Adolf Rogge (Viehhändler, Butendoor), Bernhard Marienhagen (Bauer, Bissenmoor) und Julius Lamaack (Bimöhler Str.).

Am 31.8.1946 kann der Polizist Niels dann den Vollzug an den Stadtdirektor Meinke vermelden.

Hier finden sich die damaligen Dokumente

Dann hatte das Denkmal knapp 15 Jahre Ruhe, bis Baumaßnahmen einen neuen Standort erforderten. Eine Geschichte, die sich fast sechs Jahre lang hinzog. Im Zuge dieser Maßnahme nahm die Inschrift Schaden und musste erneuert werden, im gleichen Zuge kam die Anregung, zusätzlich ein Profilbild Eberts auf dem Stein anzubringen. Das wurde in die Tat umgesetzt und so bekam das Denkmal seine bis heute anhaltende Form aus Bildnis und Inschrift.

Nach einem Rockkonzert 1997 entwendeten einige Teilnehmer die Platte mit Eberts Bildnis und nahmen es als Souvenir mit. Der FDP Bundestagsabgeordnete und Stiefenkel Gustav Schatz’, Jürgen Koppelin, schrieb eine Belohnung aus für die Wiederbeschaffung – es blieb ohne Erfolg.
Noch im gleichen Jahr sorgten der SPD-Ortsverein und Mitwirkung des Bürger- und Verkehrsvereins für Ersatz, der nun hoffentlich lange Bestand haben wird.

In 2007 entwickelt die Bramstedter Fleckensgilde den Gedanken, den Platz an der Hudau für die dort 2001 zuvor angepflanzte Schnepel-Eiche (zu Ehren des langjährigen verdienten Gildemeisters Otto Schnepel jun.) umzugestalten und das Ebert-Denkmal zu versetzen.
Zwei Jahre später wird das in die Tat umgesetzt. Das Ebert-Denkmal kommt wieder an den Liethberg in die Nähe seines ersten Aufstellungsortes.

 

1) Wolfgang Platte, Geschichte Bramstedts, Sommerland-Verlag, Bad Bramstedt, alt-bramstedt.de

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Schadendorf: Ebert-Denkmal Historie

Das Denkmal des Friedrich Ebert wird um 1960 Gegenstand eines Musterbeispiels für einen bürokratischen Akt. Für einen Neubau soll das Denkmal versetzt werden, was mit Irrungen und Wirrungen vebrunden ist, die in den Akten aufgezeichnet sind. Friedrich-Wilhelm Obersteller hat es daraus abgeschrieben. Es spricht für sich selbst.
28.05.1959 Es liegt ein Antrag vor, das Friedrich-Ebert-Denkmal wegen eines geplanten Neubaus “Unter der Lieth” (31) zu versetzen. Der städtische Bauausschuß stimmt einer Versetzung von “Unter der Lieth” zur “Glückstädter Straße” zu.
08.06.1959 Das Grundstück “Unter der Lieth” wird für einen Punktbau benötigt.
23.06.1959 Das Bauamt macht einen Vorschlag für die Gestaltung der Anlage an der “Glückstädter Straße”.
30.06.1959 Der Magistrat berät und nimmt den Ausführungsvorschlag an.
26.02.1960 Der geplante Standort wird mit dem Landschafts- und Gartenarchitekten Lüttge besichtigt.
19.03.1960 Eine Verfügung ergeht: Die Umsetzung des Denkmals wird verschoben, da noch kein Bauantrag für das Hochaus vorliegt.
08.08.1960 Es ist noch keine Änderung eingetreten.
03.10.1960 Es ist noch keine Änderung eingetreten.
09.05.1961 Ein Schrieben des Kaufmann Jürgen Dehn: Die Verhandlungen für den Grundstückserwerb seien abgeschlossen. Verlegung des Denkmals könne nun erfolgen, die Kosten für den Transport wolle man übernehmen wegen des Entgegenkommens beim Grundstückserwerb.
27.05.1961 Grundstückskaufvertrag bedarf einer Ergänzung. Verlegung des Gedenksteines ist aufgeschoben.
25.08.1961 Wiedervorlage des Vorganges zeigt noch keine Veränderung.
15.09.1961 Die Akte geht an Stadtbauinspektor Steffen mit der Anweisung, die Angelegenheit (Versetzung) sofort weiter zu bearbeiten. Prüfung, ob Baugenehmigung erforderlich ist.
15.09.1961 Schreiben an den Kaufmann Jürgen Dehn: Die Verlegung des Denkmales will jetzt man durchführen, er möge die Erfüllung seiner Zusage erklären.
25.09.1961 Zustellung des Schreibens an den Kaufmann Jürgen Dehn (Empfangsbestätigung).
13.11.1961 Bauantrag geht an den Kreis Segeberg
08.02.1962 Bauschein wird erteilt.
12.06.1962 Antrag auf Gebrauchsabnahme (siehe weiter 22.2.1963)
27.06.1962 Rechnung der Firma Haensel für Herstellung des Sockels für das Denkmal
28.06.1962 Architekt Feldsien übergibt stellvertretend für die Firma Dehn den Auftrag für die Steinverlegung an die Firma Haß.
30.06.1962 Gedenkstein wird neben den Sockel auf dem Rasen abgelegt.
03.07.1962 Firma Huß sagt die richtige Aufstellung zu.
15.07.1962 Bauausschuß empfiehlt, die Versetzung so durchzuführen, wie am es 23.6.1959 beschlossen und am 8.2.1962 im Bauantrag beschrieben wurde.
18.07.1962 Vermerk: Stadtrat Haensel teilt mit, dass während des Transprots die Plakette (in Wirklichkeit nur die Schrift) auf dem Gedenkstein entzweigegangen sei.
06.08.1962 Rücksprache mit Jürgen Dehn. Ergebnis ist nicht aktenkundig festgehalten worden.
07.11.1962 Stadtvertreter Dr. Johannsen regt an, eine Neubeschaffung vorzunehmen auch mit Bildnis.
10.12.1962 Für die Neubeschaffung der Plakette wird ein besonderer Aktenvorgang angelegt.
10.12.1962 Pflegearbeiten für die Anlage sind durch städtische Arbeiter durchzuführen
19.12.1962 Uhrmachermeister Werner Thomsen soll eine Firma heraussuchen, die solche Plaketten herstellen kann.
10.01.1963 Werner Thomsen hat noch keine Antwort, er hat eine Firma im Rheinland angeschrieben.
15.01.1963 Erinnerung
21.01.1963 Erinnerung
15.02.1963 Antwort liegt vor bei Werner Thomsen
21.02.1963 Werner Thomsen unterbreitet seine vorliegenden Angebote mit Zeichnung.
22.02.1963 Gebrauchsabnahmeschein des Kreises für den neuen Sockel liegt nun vor
26.02.1963 Bauaussschuß empfiehlt, das angebotene Bronzerelief zu beschaffen.
05.03.1963 Der Magistrat beschließt, das Angebote von Werner Thomsen zunächst zurückzustellen.
26.03.1963 Bauausschuß und Magistrat beschließen nun einstimmig ein Relief-Porträt mit geändertem Schriftzug Friedrich Ebert zu beschaffen.
30.03.1963 Werner Thomsen wird beauftragt einen Kostenvoranschlag für die nun beschlossene Ausführung zu beschaffen. (Es folgen mehrere Erinnerungen)
24.04.1963 Werner Thomsen legt Kostenvoranschlag vor.
05.09.1963 Die Firma Kolbe in Itzehoe wird um ein Angebot für die Befestigung und die Anbringung des Schriftzuges gebeten. Hinsichtlich des Schriftzuges und desse Anbringung gibt es unklare Formulierungen.
01.10.1963 Firma Kolbe erhält von der Stadtverwaltung eine Konkretisierung des Auftrages und Bitte um ein neues Angebot. Ein Auftrag an die rheinische Firma für Relief ist noch nicht erteilt.
10.10.1963 Firma Kolbe bittet um eine Skizze, wie der Schriftzug “Friedrich Ebert” angebracht werden soll.
15.10.1963 Angebot der Firma Kolbe, das (vorsorglich) statt eines druchgehenden Schriftzuges Einzelbuchstaben in römisch Antiqua vorsieht.
27.10.1963 Stadt schreibt an Firma Kolbe und bittet nun um ein Angebot für Druckbuchstaben statt eines Schriftzuges.
02.12.1963 Es liegt ein endgültiges Angebot der Firma Kolbe vor.
06.12.1963 Die Stadt stellt fest, daß der Betrag im Haushalt zur Verfügung steht (440 DM)
09.12.1963 Stadt erteilt Auftrag an Firma Kolbe.
08.01.1964 Erinnerungsschreiben an die Firma Kolbe, das Relief und die Buchstaben anzubringen.
17.01.1964 Firma Kolbe teilt mit, daß die Lieferung des Reliefs sich verzögere.
30.01.1964 Die Haushaltsmittel sind 1963 nicht in Anspruch genommen worden, sie werden für 1964 bereitgestellt.
20.03.1964 Erinnerungsschreiben an die Firma Kolbe, das Relief und die Buchstaben anzubringen.
24.03.1964 Fa. Kolbe an die Stadt: Die Arbeiten sollen nach Ostern vorgenommen werden.
05.06.1964 Stadt schreibt (Plakette ist nun wohl angebracht), daß sie keine Kenntnis von der Anbringung der Plakette erhielt.  Stadtrat Dr. Peter beanstandet die Ausführung.
08.06.1964 Firma Kolbe meldet die Anbringung des Reliefs. Die Anbringung ist nicht gut, der Stein muss bearbeitet werden.
25.06.1964 Fa. Kolbe sagt neue Anbringung zu (wegen Urlaub sei die geleistete Arbeit nicht überwacht worden).
27.06.1964 Fa. Kolbe sagt einwandfreie Anbringung zu. (Die Bepflanzung soll nicht zerstört werden, daher Hinauszögerung bis zur Renovierung des Rolands.)
07.07.1964 Die Arbeiten am Roland sollen Ende August stattfinden (Fa. Kolbe); die Stadt ist einverstanden.
17.08.1964 Renovierung des Rolands ist noch nicht erfolgt.
21.09.1964 Renovierung des Rolands ist noch nicht erfolgt.
09.10.1964 Renovierung des Rolands ist noch nicht erfolgt.
04.02.1965 Renovierung des Rolands ist noch nicht erfolgt.
12.04.1965 Arbeit am Gedenkstein wird von der endgültigen Renovierung des Rolandes abgekoppelt.
11.05.1965 Die Firma Kolbe hat die Gedenkplatte ordnungsgemäß angebracht, die Rechnung wird zur Zahlung angewiesen.
Zeitdauer: 28.05.1959 – 11.05.1965, fast sechs Jahre !!!
Weitere Daten zum Denkmal Friedrich Eberts
24.05.1982 Im Ausschuß für Bauwesen und Stadtplanung schlägt Herr Gottfried Lehnert vor, einen besseren Standort für das Denkmal zu suchen. Dem wird einstimmig statt gegeben.
  Die Standortfrage bleibt in den Akten offen bzw. wird nicht verfolgt.
20.12.1982 Herr Ernst-August Steffen, Bauamtsleiter, erläutert die am Denkmal durchgeführten Maßnahmen.
03.08.1997 Die Plakette (Ebertrelief) ist verschwunden / entfernt.
15.08.1997 Bericht dazu in der Zeitung
18.08.1997 Es wird Anzeige gegen unbekannt erstattet. Stadt schätzt Schaden auf 5.000 Mark.
23.08.1997 Jürgen Koppelin setzt Belohnung für Wiederbeschaffung aus.
18.09.1997 Staatsanwaltschaft teilt die Einstellung des Verfahrens mit.
14.10.1997 SPD-Ortsverein und Bürger- und Verkehrsverein beschliessen, eine neue Plakette/Relief anbringen zu lassen und es zu finanzieren.
27.11.1997 Die neue Plakette wird angebracht.
2011 Das Denkmal wird erneut versetzt und kehrt in die Nähe seines ersten Aufstellungsortes zurück.
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Heimatverein des Kreises Segeberg: Heimatkundliche Jahrbücher des Kreises Segeberg 1955 – heute

In 2018 habe ich zusammen mit dem Heimatverein des Kreises Segeberg die Jahrbücher zurück bis 1955 digitalisieren lassen, so dass Sie jetzt auch online zur Verfügung stehen (bis auf jeweils die letzten 5 Jahre). Für diese Kooperation sage ich Dank, es ist eine wertvolle Quelle für alle Heimatforscher.

Der Heimatverein hat das jetzt auf seiner Homepage sehr schön dargestellt, so dass ich hier nur noch darauf verlinken muss.

Heimatkundlichen Jahrbücher des Kreises Segeberg

 

 

 

 

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Jacobsen: Die Chroniken des Kreises Segeberg

aus dem Heimatkundlichen Jahrbuch des Kreises Segeberg, Jahr 2000, S. 166 ff

Manfred Jacobsen, Schwerin (mittlerweile Stadtarchivar Bad Bramstedt)

Die Chroniken des Kreises Segeberg

Seit einiger Zeit bemühe ich mich, eine Aufstellung aller Chroniken der Städte und Gemeinden des Kreises Segeberg zu erstellen. Als Ideegeber und zugleich Basis diente der Bestand an Chroniken des Stadtarchivs Bad Bramstedt und der Arbeitsgemeinschaft für Heimatforschung im Westen des Kreises Segeberg (Die Bücher der AG befinden sich als Dauerleihgabe im Stadtarchiv). Ergänzend fügte ich zunächst noch den Bestand des Segeberger Heimatvereins hinzu. Die oben genannten Chroniken hatte ich also alle auch in der Hand.

Um die Lücken danach weiter zu schließen, benutzte ich die Bibliographie zur Schleswig-Holsteinischen Ortsgeschichte (s. u.), die Schleswig-Holsteinische Bibliographie und für die Neuerscheinungen die letzten Jahrgänge der Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte (ZSHG). Abschließend erschien noch ein Aufruf im Segeberger Jahrbuch, mir die Ortschroniken mitzuteilen. Ein wichtiges Ergebnis dieses Aufrufs – neben einigen mir vorher unbekannten Chroniken – war die Aufnahme von Bildbänden in meine Auflistung, da der Wunsch danach doch erheblich erschien.

Diese jetzt veröffentlichte Auflistung ist sicherlich immer noch nicht vollständig. Das liegt vor allem daran, daß trotz eindeutiger Rechtslage nicht von allen Chroniken ein Belegexemplar an die Landesbibliothek Kiel abgeliefert wurde. Die hier noch fehlenden älteren Chroniken und die Neuerscheinungen werden, soweit ich sie in Erfahrung bringen kann, als Nachtrag in einem späteren Jahrbuch veröffentlicht. Wer vorher wissen möchte, ob mir für einen Ort inzwischen ein weiterer Chroniktitel vorliegt, kann sich gerne mit mir telefonisch, brieflich oder per Email in Verbindung setzen. Das gilt natürlich weiterhin auch für die Meldung weiterer Chroniken bzw. Bildbände.

Um das Auffinden einer bestimmten Chronik zu erleichtern und gleichzeitig die vorhandenen Lücken erkennbar zu machen, stehen alle Orte des Kreises Segeberg in alphabetischer Reihenfolge. Soweit mir bekannt, habe ich auch heutige Ortsteile, die früher eigenständige Orte waren, mit aufgeführt und verweise dort auf den heutigen Ortsnamen. Chroniken, die mehrere Orte betreffen, sind auch mehrfach aufgeführt. Die Abkürzungen (siehe Verzeichnis) bei den Chroniken teilen die Bücher in Chroniken und Bildbände ein und geben an, wo der jeweilige Band zu finden ist. Auch hierzu nehme ich gerne Ergänzungen und Anregungen entgegen.

Abkürzungsverzeichnis
ABB: Archiv Bad Bramstedt
AG: Arbeitsgemeinschaft für Heimatforschung
BB: Bildband
CH: Chronik
HS: Heimatverein des Kreises Segeberg
LB: Landesbibliothek
UB: Universitätsbibliothek

Ausleihmöglichkeiten in LB und UB zu den üblichen Öffnungszeiten und im Stadtarchiv und beim Heimatverein nach Vereinbarung.

Ortsgeschichte. Regionalgeschichte Schleswig-Holstein, Hrsg. von der Arbeitsgemeinschaft Archiv Museum Chronik in Schleswig-Holstein, 1997.


Altengörs
Lüthje, Albert, Altengörs – Chronik eines alten Slawendorfes, Selbstverlag Lüthje Neuengörs 1990. LB91A49, CH
(in Ortsgeschichte Regionalgeschichte SH)

Alveslohe
Wendt, Johannes, Alveslohe – ein Dorf in Holstein. Mit Zeichnungen nach alten Fotos von Swantje Streich. Alveslohe Heim-Verlag 1994. LB94A346, CH

Hoch, Gerhard, Alveslohe und das Gut Kaden, Meincke Norderstedt 1996 CH

Armstedt
Breiholz, Karl-Adolf, Die Urgeschichte des Dorfes Armstedt (im Auftrag der Gemeinde Armstedt bearbeitet: Sport- und Kulturausschuß), Armstedt Verf. 1983. CH

Riediger, Hans, Bauernhöfe und Geschlechter im altholsatischen Siedlungsgebiet des Kirchspiels Bramstedt: Brmstedt, Borstel, Hardebek, Bd. 2, Roland-Verlag Bad Bramstedt 1994. ABB, AG, CH
(in Ortsgeschichte Regionalgeschichte SH)

Bahrenhof

Bad Bramstedt
300 Jahre Bad Bramstedter Heilquellen 1681-1981. 50 Jahre Rheumaklinik Bad Bramstedt 1931-1981, Wäser Verlag Bad Segeberg 1981. ABB, CH
(in Ortsgeschichte Regionalgeschichte SH)

Harbeck, Hans Hinrich, Chronik von Bramstedt, Hamburg 1958. ABB, CH
(in Ortsgeschichte Regionalgeschichte SH)

Kühl, August, Bad Bramstedt. Das Bad vor den Toren Hamburgs, der Stadt der Wiesen und Auen, 1937. CH
(in Ortsgeschichte Regionalgeschichte SH)

Leupelt, Hans-Jochen, Die Verfassung und Verwaltung des Amtes Segeberg und des Fleckens Bramstedt, Hamburg 1975 (Diss.) AG, CH
(in Ortsgeschichte Regionalgeschichte SH)

Platte, Wolfgang, Bad Bramstedt im 20. Jahrhundert. 75 Jahre Stadtgeschichte im Spiegel der Akten des Bad Bramstedter Stadtarchivs und Berichten der Lokalpresse. Bad Bramstedt 1985. ABB, CH
(in Ortsgeschichte Regionalgeschichte SH)

Platte, Wolfgang, Geschichte Bramstedts. Vom Kirchdorf zum modernen Kurbad. Bad Bramstedt 1988. ABB, HS, CH

Röstermund, Max, Bad Bramstedt – Der Roland und seine Welt, Wachholtz Verlag Neumünster 1952. LBShv2008 CH
(in Ortsgeschichte Regionalgeschichte SH)

Schadendorf, Jan-Uwe, Alt-Bramstedt im Bild, Bad Bramstedt 1978. ABB, CH

Schadendorf, Jan-Uwe, Bad Bramstedt in alten Ansichten, Zaltbommel/NL 1986. ABB, BB

Bad Segeberg
800 Jahre Segeberg, Hrsg. Stadt Bad Segeberg, Bad Segeberg 1937. AG, CH
(in Ortsgeschichte Regionalgeschichte SH)

850 Jahre Bad Segeberg. Verlag Wäser Bad Segeberg 1984. HS, CH
(in Ortsgeschichte Regionalgeschichte SH)

Die Stadt Bad Segeberg. Bildband. Mit einer geschichtlichen Abhandlung von Horst Tschentscher, Verlag Wäser Bad Bramstedt 1982. HS, BB

Erdmann-Degenhardt, Antje, Im Schatten des Kalkbergs, die Geschichte von Burg, Kloster und Stadt Segeberg, Wäser Bad Segeberg 1988. CH

Heimrich, Adolf Jacob Wilhelm, Aus alter Zeit, Wäser Verlag 1876. CH
(in Ortsgeschichte Regionalgeschichte SH)

Siemonsen, Hans, Bad Segeberg in neun Jahrhunderten, Wäser Bad Segeberg 1984. HS, CH
(in Ortsgeschichte Regionalgeschichte SH)

Stegelmann, Ernst, Aus Segebergs alten und jungen Tagen – Bilder aus der Vergangenheit u. Gegenwart, Selbstverlag 1900. BB
(in Ortsgeschichte Regionalgeschichte SH)

Tschentscher, Horst, Die Stadt Bad Segeberg, Wäser Bad Segeberg 1982. CH
(in Ortsgeschichte Regionalgeschichte SH)

Bark
Kröger, Inge, Bark – Chronik eines Dorfes 1249-1991. CH

(in Ortsgeschichte Regionalgeschichte SH)
Kröger, Inge, Alte Ansichten aus Bark. BB

Bebensee

Bimöhlen
Bimöhler Dörpslüd un Leben. Eine Bimöhler Bilderchronik aus vergangenen Tagen. Zusammengestellt von Steffen Möller und Anneliese Rohblick, Sommerland Verlag Bad Bramstedt 1991. AG, ABB, BB

Blunk
Lüthje, Albert, Blunk – ein Dorf am alten Sachsenwall, Blunk Gemeinde Blunk 1988. CH
(in Ortsgeschichte Regionalgeschichte SH)

Bockhorn siehe Bark

Boostedt
Jaensch, Karl, Ortschronik Boostedt, Boostedt 1978. LB79B310, CH
(in Ortsgeschichte Regionalgeschichte SH)

Das Dorf Boostedt im Wandel eines Jahrhunderts, Bad Segeberg. BB

Bornhöved
Pasche, Georg, Chronik des Kirchspiels Bornhövede. Nach gedruckten und ungedruckten Quellen, Schleswig 1839 (Faksimile-Nachdruck. Hrsg. vom Schleswig-Holsteinischen Heimatbund, Bornhöved 1979.) AG, HS, CH

Piening, Adolf, Chronik von Bornhöved, Wäser Bad Segeberg 1953 (Heimatschrift des Kreises Segeberg). AG, HS, CH

Piening, Adolf, Chronik von Bornhöved. 2. erw. Aufl., erstellt durch einen Arbeitskreis d. Gemeinde Bornhöved. (Mit) Fortschreibung 1953-77, Bornhöved 1977 = Heimatschrift des Kreises Segeberg. CH

Gutsche, Erna, geb. Piening, Die Dorfchronik von Bornhöved (Fortschreibung der Chronik von Adolf Piening). Hrsg. von Erna Gutsche, geb. Piening, Bornhöved Selbstverlag 1976. CH

Timmermann, Harald, Bornhöved in alten Ansichten, Zaltbommel 1987. BB

Timmermann, Harald, Kennt Ihr sie noch, die alten Bornhöveder, Zaltbommel 1990. BB

Timmermann, Harald, Das Amt Bornhöved in alten Ansichten, Zaltbommel 1995. BB

Borstel
Riediger, Hans, Bauernhöfe und Geschlechter im altholsatischen Siedlungsgebiet des Kirchspiels Bramstedt: Armstedt, Borstel, Hardebek, Bd. 2, Roland-Verlag Bad Bramstedt 1994. ABB, AG, CH
(in Ortsgeschichte Regionalgeschichte SH)

Borstel siehe Sülfeld

Bühnsdorf
Lüthje, Albert, Bühnsdorf- einst das größte Dorf der Reinfelder Klosterabtei, Bordesholm Lüthje (Selbstverlag) 1991. CH
(in Ortsgeschichte Regionalgeschichte SH)

Daldorf

Damsdorf
Pöhls, Heinrich, Zwischen Grimmeisberg, Stocksee und Tensfelder Au. Eine Heimatkunde d. Dörfer Stocksee, Damsdorf, Tensfeld, Tarbek, hrsg. von den vier Gemeinden, Neumünster Evert 1979. CH
(in Ortsgeschichte Regionalgeschichte SH)

Dreggers

Ellerau
Heinrich, Olga/Heinrich, Hans, Chronik von Ellerau, Ellerau 1977. AG, HS, CH

Fahrenkrug
Lüthje, Adolf / Jürgensen, Heinz, Fahrenkrug – eine Chronik, Fahrenkrug Gemeinde Fahrenkrug 1992. LB92B227, CH
(in Ortsgeschichte Regionalgeschichte SH)

Föhrden-Barl
Riediger, Hans, Bauernhöfe und Geschlechter im altholsatischen Siedlungsgebiet des Kirchspiels Bramstedt: Fuhlendorf, Föhrden-Barl, Wiemersdorf, Bd. 1, Roland-Verlag Bad Bramstedt 1988. AG, CH
(in Ortsgeschichte Regionalgeschichte SH)

Fredesdorf

Friedrichsgabe siehe Norderstedt

Fuhlendorf
Fuhlendorf. 800 Jahre Fuhlendorf, hrsg. Gemeinderat und Vorstand der Vereine Fuhlendorf, Fuhlendorf Gemeinde Fuhlendorf 1989. HS, CH
(in Ortsgeschichte Regionalgeschichte SH)

Riediger, Hans, Bauernhöfe und Geschlechter im altholsatischen Siedlungsgebiet des Kirchspiels Bramstedt: Fuhlendorf, Föhrden-Barl, Wiemersdorf, Bd. 1, Roland-Verlag Bad Bramstedt 1988. AG, CH
(in Ortsgeschichte Regionalgeschichte SH)

Garbek siehe Wensin

Garstedt siehe Norderstedt

Geschendorf
Winter, Edgar, Ortschronik von Geschendorf, i. V

Gieschenhagen siehe Bad Segeberg

Glasau
Lund, Georg, Glasow, Sarowe, Smachthagen. Eine Chronik, Wäser Verlag Bad Segeberg 1980. HS, CH
(in Ortsgeschichte Regionalgeschichte SH)

Glashütte siehe Norderstedt

Goels siehe Krems II

Gönnebek
Behnk, Magdalene, Gönnebek auf alten und neuen Bildern. BB

Biß, Adolf/Sievers-Biß, Anna, Chronik von Gönnebek, Gönnebek 1974. ABB, CH

Götzberg siehe Henstedt-Ulzburg

Goldenbek siehe Pronstorf

Großenaspe
Großenaspe. Bilder aus vergangenen Jahrzehnten. Hrsg. von der Gemeinde Großenaspe, Geiger-Verlag Horb am Neckar 1988. HS, AG, BB

Großenasper Dorfchronik Heft 1—45. Hrsg. von der Dorfchronik-Arbeitsgemeinschaft Großenaspe über Neumünster, 1961-1970. HS, ABB, CH
(in Ortsgeschichte Regionalgeschichte SH)

Groß Gladebrügge
Lüthje, Albert, Klein Gladebrügge und seine Vergangenheit – ein Rückblick über 700 Jahre (1177-1857), Bad Segeberg Amt Segeberg Land 1987. HS, CH
(in Ortsgeschichte Regionalgeschichte SH)

Groß Kummerfeld

Steggewentze, Wilhelm, Chronik des Dorfes Groß Kummerfeld, Groß Kummerfeld 1964. CH

Groß Niendorf

Groß Rönnau

Hagen
Barth, K., Die Chronik von Hagen. Entwicklung vom Wehrhagen zur Siedlung, Glückstadt 1989. HS, CH

Hamdorf

Hardebek
Riediger, Hans, Bauernhöfe und Geschlechter im altholsatischen Siedlungsgebiet des Kirchspiels Bramstedt: Armstedt, Borstel, Hardebek, Bd. 2, Roland-Verlag Bad Bramstedt 1994. ABB, AG, CH
(in Ortsgeschichte Regionalgeschichte SH)

Harksheide siehe Norderstedt

Hartenholm
Weller, Harry, Hartenholm einst und jetzt. Ein Aufriß der Geschichte und Entwicklung eines holsteinischen Dorfes. Dokumentation, Photos, Erzählungen, Plaudereien, Wäser Bad Segeberg 1982. AG, HS, CH
(in Ortsgeschichte Regionalgeschichte SH)

Hasenkrug

Hasenmoor

Heidmoor

Heidmühlen
Daacke, Henry von, Chronik der Gemeinde Heidmühlen im Kreis Segeberg, Heidmühlen 1978. AG, CH
(in Ortsgeschichte Regionalgeschichte SH)

Daacke, Henry von, Chronik der Gemeinde Heidmühlen im Kreis Segeberg, Bd. II, Selbstverlag der Gemeinde Heidmühlen 1990. CH

Henstedt siehe Henstedt-Ulzburg

Henstedt-Ulzburg
Kircher, Nora, Henstedt-Ulzburg, Hrsg. v. d. Buchhandlung H. Rahmer, edition fotografica Göttingen 1993. BB

Post, Hildegard, Im Laufe der Zeit. Alte Photographien aus Götzberg, Henstedt und Ulzburg, Geiger Verlag Horb am Neckar 1989. BB

Zelck, Volkmar, Ortsgeschichte Henstedt-Ulzburg. Die Entwicklung der Dörfer Götzberg, Henstedt und Ulzburg bis zur Großgemeinde, Husum 1996. CH

Hitzhusen

Högersdorf

Hüttblek
Meier, Erwin, Dorfschaft Hüttblek 1541 – 450 Jahre – 1991, Druck: Berndt Proechel, Mozartstraße 16, 2000 Hamburg 76

Itzstedt

Kaltenkirchen
Kaltenkirchen, Stadt, Herausgegeben aus Anlaß der Verleihung der Stadtrechte an die Gemeinde Kaltenkirchen am 26. November 1973. ABB, CH

Kaltenkirchen im Wandel der Zeit. Vom Werden der Stadt in Alten und Neuen Bildern, Evert Druck Neumünster 1989. BB

Kattendorf

Kayhude

Kisdorf

Klein Gladebrügge siehe Groß Gladebrügge

Klein Kummerfeld

Klein Niendorf siehe Bad Segeberg

Klein Rönnau

Krems I siehe Leezen

Krems II
Wätjen, Hans, Chronik der Gemeinde Krems II (Kr. Segeberg), 1200-1984, im Auftrag der Gemeinde Krems II hrsg. von Lutz Höppner, verfaßt und red. von Hans Wätjen, Krems II Höppner (Selbstverlag) 1984. HS, CH
(in Ortsgeschichte Regionalgeschichte SH)

Kükels

Latendorf

Leezen
800 Jahre Leezen. Eine Gemeinde in Bildern zwischen gestern und heute. Zusammengestellt von Hans Kabel, Verlag Wäser Bad Segeberg 1997. BB

Lentföhrden

Mielsdorf
Lüthje, Albert, Mielsdorf – ein von Knicks umsäumtes Dorf, 1984. HS, CH
(in Ortsgeschichte Regionalgeschichte SH)

Mönkloh

Mözen

Nahe
Nahe anno dazumal. Bilder und Geschichten aus alter Zeit, Geiger-Verlag, Horb am Neckar 1988. HS , BB

Negernbötel

Nehms

Neuengörs
Horn, Friedrich, Chronik des Dorfes Neuengörs, Kiel 1970. AG, HS, CH
(in Ortsgeschichte Regionalgeschichte SH)

Neversdorf

Norderstedt
Heimatbuch der Gemeinde Garstedt. Zsgst. v. Detlev Ehlers. Hrsg. v. Stadt Norderstedt, Norderstedt Selbstverlag der Stadt Norderstedt 1970. AG, CH
(in Ortsgeschichte Regionalgeschichte SH)

600 Jahre Harksheide. Herausgegeben anläßlich der Festwoche vom 31. August bis 8. September 1974 und des 80jährigen Bestehens der Freiwilligen Feuerwehr Harksheide der Stadt Norderstedt. AG, CH

Kröger, Otto, Chronik der Gemeinde Harksheide, Harksheide 1963. AG, CH
(in Ortsgeschichte Regionalgeschichte SH)

Norderstedt, Friedrichsgabe, Garstedt, Glashütte, Harksheide, hg. von der Stadt Norderstedt, Norderstedt
1. Die Norderstedter Ursprungsgemeinden bis 1970, Manfred von Essen, 1994.
2. Von der Stadtgründung bis 1994, Marlen von Xylander, 1994. CH
(in Ortsgeschichte Regionalgeschichte SH)

Nützen

Oering

Oersdorf

Paßopp siehe Wensin

Pronstorf
Cirsovius, L. J., Nachrichten über Pronstorf, Kirche, Kirchenpatrone, Prediger, Kirchenjuraten, Organisten, Orgeln, Todtengräbern, Läuter, Sitten und Gebräuche, 1880 (Nachdruck ca. 1980). CH

Harloff, G., Chronik der Kirchengemeinde Pronstorf, Nachdruck ca. 1982. CH

1198-1998. 800 Jahre Vicelin-Kirche Pronsdorf, 1998. CH

Rantzau, A. L. Gräfin zu, Die Chronik von Pronstorf, ein Beitrag zur Schleswig-Holsteinischen Adels- und Kirchspielgeschichte, 1902 (Nachdruck ca. 1985). CH

Quaal siehe Rohlstorf

Quaalerteich siehe Stipsdorf

Reinsbek siehe Pronstorf

Rhen siehe Henstedt-Ulzburg

Rickling
800 Jahre Rickling. 1164-1964. Festschrift. Hrsg. von der Gemeinde Rickling. AG, CH

Rickling. 825 Jahre Gemeinde Rickling. 1164-1989. Festschrift, Rickling Gemeinde Rickling 1989. CH

Brundert, Heinrich, Rickling – Geschichte und Geschichten, Rickling Gemeinde Rickling 1991. CH

Rohlstorf

Schackendorf
Gröhn, Klaus, Ortschronik der Gemeinde Schackendorf, i. V CH

Schieren
Lüthje, Albert, Schieren – ein Dorf im Kirchspiel Warder, 1984. HS, CH
(in Ortsgeschichte Regionalgeschichte SH)

Schlamersdorf siehe Seedorf

Schmalensee
Göttsch, Heinrich, Chronik von Schmalensee, Selbstverlag 1948. CH
(in Ortsgeschichte Regionalgeschichte SH)

Schmalfeld

Schwissel

Seedorf
Bruhn, Eduard, Chronik der Kirchengemeinde Schlamersdorf unter besonderer Berücksichtigung der Geschichte der adeligen Güter und der agrarischen Verhältnisse, Wäser Bad Segeberg 1925 (3. Auflage 1985). AG, HS, CH

Chronik der Gemeinde Seedorf. Forts. d. 1925 ersch. Chronik der Kirchengemeinde Schlamersdorf… von Eduard Bruhn, zsgst. von Bruno Köll, Seedorf Gemeinde Seedorf 1983. HS, CH

Seekamp siehe Seedorf

Seth

Sievershütten
Steenbuck, Ernst, Chronik Sievershütten 1483—1983, Sievershütten 1983. AG, CH
(in Ortsgeschichte Regionalgeschichte SH)

Söhren siehe Weede

Steinbek siehe Weede

Stipsdorf
Dreifke, Max, Stipsdorf- Geschichte und Geschichten von Emil Westphal, Thela Schütte-Jensen und Max Dreifke, zusammengetragen von Max Dreifke, hrsg. v. Gemeinde Stipsdorf, Stipsdorf Gemeinde Stipsdorf 1992. CH

Stocksee
Pöhls, Heinrich, Zwischen Grimmelsberg, Stocksee und Tensfelder Au. Eine Heimatkunde d. Dörfer Stocksee, Damsdorf, Tensfeld, Tarbek, hrsg. von den vier Gemeinden, Neumünster Evert 1979. CH
(in Ortsgeschichte Regionalgeschichte SH)

Online-Geschichte: Seite http://www.geschichte-stocksee.de/, auf der sich (unterhalb der Kartendarstellung) die Rechnungsbücher der Stockseer Dorfschule und die Stockseer Schulchronik befindet.

Strenglin siehe Pronstorf

Strukdorf
Strukdorfer Dorfchronik, Strukdorf Arbeitskreis Dorfchronik 1985-1994 (35 Hefte). Teilweise HS, CH
(in Ortsgeschichte Regionalgeschichte SH)

Struvenhütten
Steenbuck, Ernst, Ein Dorf an der Schmalfelder Au. Ortschronik für Struvenhütten, 2000. AG, CH

Stubben
Lüthje, Albert, Stubben – Chronik eines holsteinischen Bauerndorfes, Neuengörs Gemeinde Neuengörs 1985. HS CH
(in Ortsgeschichte Regionalgeschichte SH)

Stuvenborn
Steenbuck, Ernst, Chronik der Gemeinde Stuvenborn. Schönes Dorf Stuvenborn, Stuvenborn 1996. CH

Sülfeld
Bärwald, Ulrich, Sülfeld in alten Ansichten, Europäische Bibliothek Zaltbommel/NL 1984. BB

Bärwald, Ulrich, Sülfeld in alten Ansichten, Band II, Europäische Bibliothek Zaltbommel/NL 1985. BB

Bärwald, Ulrich, Sülfeld – Bilder aus vergangenen Tagen, Geiger-Verlag Horb am Neckar 1986. BB

Bärwald, Ulrich, Sülfeld – lebendige Vergangenheit, Geiger-Verlag Horb am Neckar 1991. BB

Bärwald, Ulrich, Borstel in alten Ansichten, Europäische Bibliothek Zaltbommel/NL 1995. BB

Tarbek
Pöhls, Heinrich, Zwischen Grimmeisberg, Stocksee und Tensfelder Au. Eine Heimatkunde d. Dörfer Stocksee, Damsdorf, Tensfeld, Tarbek, hrsg. von den vier Gemeinden, Neumünster Evert 1979. CH
(in Ortsgeschichte Regionalgeschichte SH)

Tensfeld
Pöhls, Heinrich, Zwischen Grimmeisberg, Stocksee und Tensfelder Au. Eine Heimatkunde d. Dörfer Stocksee, Damsdorf, Tensfeld, Tarbek, hrsg. von den vier Gemeinden, Neumünster Evert 1979. CH
(in Ortsgeschichte Regionalgeschichte SH)

Todesfelde

Trappenkamp
Bechert, Claus Dietrich, Chronik der Gemeinde Trappenkamp, Khm-Verlag Wankendorf 1976. UB Ah119, LB78A250, HS, CH

Wendt, Stefan, Trappenkamp. Geschichte einer jungen Gemeinde, hrsg. v. d. Gemeinde Trappenkamp, Trappenkamp 1992. CH
(in Ortsgeschichte Regionalgeschichte SH)

Travenhorst

Travenort siehe Travenhorst

Traventhal siehe Groß Gladebrügge

Ulzburg siehe Henstedt-Ulzburg

Wahlstedt
Chronik Wahlstedt. Herausgegeben von der Gemeinde Wahlstedt, Verlag Wäser Bad Segeberg 1958. ABB, CH

Wahlstedt. Vom Dorf zur Stadt, Wahlstedt 1989. HS, BB

Wakendorf I
Meynertz, Christian, Chronik des Dorfes Wakendorf I, Wäser Verlag Bad Segeberg 1981. HS, CH

Wakendorf II

Wardel siehe Blunk

Warder siehe Rohlstorf

Warderbruck siehe Krems II

Weddelbrook

Weede
Bustorf, Gustav/Lentföhr, Hermann, Chronik von Söhren, Verlag Wäser Bad Segeberg o. J. (1941/1982). LB83A865, HS, CH

Lüthje, Albert, Weede – ein Dorf im Umbruch, Weede Gemeinde Weede 1981. (dazu ein Ergänzungsband) HS, CH

Lüthje, Albert, 700 Jahre Steinbek – Chronik, Bad Segeberg Amt Segeberg Land 1983. HS, CH

Wensin

Westerrade
Lüthje, Albert, Westerrade – ein Dorf an der Strucksau, 1987. HS, CH
(in Ortsgeschichte Regionalgeschichte SH)

Dieter Harfst: 750 Jahre Westerrade (1249-1999) – Westerrader Geschichte(n).

Wiemersdorf
Oppermann, Willi, Unser Wiemersdorf. Schriftliche und mündliche Überlieferungen aus der Vergangenheit des Dorfes und von den Dorfbewohnern während der früheren Zeiten, Wiemersdorf 1994. AG, CH

Riediger, Hans, Bauernhöfe und Geschlechter im altholsatischen Siedlungsgebiet des Kirchspiels Bramstedt: Fuhlendorf, Föhrden-Barl, Wiemersdorf, Bd. 1, Roland-Verlag Bad Bramstedt 1988. AG, CH
(in Ortsgeschichte Regionalgeschichte SH)

Winsen

Wittenborn

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