Eingescannte und formatierte Fassung; Fehlerbereinigung noch nicht abgeschlossen / Bearbeitungsstand: 23.03.2005


HANS HINRICH HARBECK
CHRONIK VON BRAMSTEDT

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HANS HINRICH HARBECK


 

Chronik
von
Bramstedt

 

BROSCHEK VERLAG . HAMBURG

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Entwurf des Schutzumschlages: Atelier Broschek


Alle Rechte, einschließlich der Übersetzung und der Rundfunksendung, sowie die fotomechanische Wiedergabe und die Mikroverfilmung, vorbehalten

Printed in Germany

© S. J. Walter Hardebeck, Johannesburg 1959
Gesamtherstellung: Broschek & Co., Hamburg

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INHALTSVERZEICHNIS

                                                                                                                                                                                                                                                                                                Seite

Verzeichnis der Abbildungen........................................................................................ . . . . --- 5

Dank........................................................................................................................................... 8

Vorwort...................................................................................................................................... 9

I. Kapitel   Der Siedlungsraum nördlich der Elbe..................................................................... 11

II. Kapitel   Der Ortsname....................................................................................................... 18

III. Kapitel   Die Kirche........................................................................................................... 21

IV. Kapitel   Der Flecken....................................................................................................... 153

V. Kapitel   Das Gut Bramstedt  .......................................................................................... 258

VI. Kapitel    Die alte Bramstedter Mühle............................................................................. 297

VII. Kapitel    Gut Gayen...................................................................................................... 309

VIII. Kapitel    Jürgen Fuhlendorf, der Befreier..................................................................... 313

IX. Kapitel   Der Roland........................................................................................................ 328

X. Kapitel    Vom Schulwesen des Kirchspiels Bramstedt.................................................... 335

XI. Kapitel   Von der Apotheke und den ersten Ärzten........................................................ 371

XII. Kapitel   Bramstedt als Kurort....................................................................................... 375

XIII. Kapitel   Von Lagemännern und Landausschuß............................................................ 406

XIV. Kapitel   Hohe Besucher............................................................................................... 415

XV. Kapitel   Industrie.......................................................................................................... 418

XVI. Kapitel   Verkehrswesen............................................................................................... 423

XVII. Kapitel   Chausseebau 1832 und Einnahme aus Chaussee- und Brückengeldern.       436

XVIII. Kapitel    Seuchen bei Mensch und Vieh................................................................... 445

XIX. Kapitel    Gemeinnützige Einrichtungen....................................................................... 452

XX. Kapitel    Gottlieb Carl Christian Freudenthal  ............................................................ 473

XXI. Kapitel   Anhang: Geld, Maße und Gewichte in Bramstedt................................ 477

Quellenverzeichnis............................................................................................................. 484

 

VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN

Abb.Nr.

 

Seite

1.        Stadtsiegel von 1869-1910....................................................................................... 233

2.        Stadtsiegel von 1910—1938.................................................................................... 234

3.        Stadtsiegel ab 1938................................................................................................... 234

4.        Bad Bramstedter Notgeld........................................................................................ 235

5.        Ein Bramstedt-Lied................................................................................................... 483
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BILDANHANG

Abb. Nr.

 

 

6.        Die Kirche (Photohaus Hoffmann, Bad Bramstedt)

7.        Maria Magdalena (Photo Diedrichsen, Bad Bramstedt)

8.        Altar (Photo Diedrichsen, Bad Bramstedt)

9.        Triumphkreuz (Photo Diedrichsen, Bad Bramstedt)

10.     Das Taufbecken (Photohaus Hoffmann, Bad Bramstedt)

11.     Älteste bekannte Urkunde über Bramstedt aus dem Jahre 1448 (Stadtarchiv Kiel, Nr. 112 a). Original durch Kriegseinwirkung verloren gegangen (Photo Diedrichsen, Bad Bramstedt)

12.     Älteste bekannte Bestätigung der Fleckensgerechtsame von 1533 (Landesarchiv Schleswig, Urkundenabteilung 131a Nr. 1) (Photo-Vahlendieck, Schleswig)

13.     Ältestes Bramstedter Siegel (Photohaus Hoffmann, Bad Bramstedt)

14.     Bramstedter Wappen (Photohaus Hoffmann, Bad Bramstedt)

15.     Bramstedter Fleckenssiegel

16.     Siegel: Schusteramt 1523 (Photo Stadtarchiv, Bad Bramstedt)

17.     Amtshaus-Rathaus (Photohaus Hoffmann, Bad Bramstedt)

18.     König Christian IV. von Dänemark (Photo Diedrichsen, Bad Bramstedt)

19.     Wiebeke Kruse (Photo Diedrichsen, Bad Bramstedt)

20.     Das Bramstedter »Schloß« (Photohaus Hoffmann, Bad Bramstedt)

21.     Der Roland von Bramstedt (Photo Diedrichsen, Bad Bramstedt)

22.     Gottlieb Carl Christian Freudenthal (Photo im Besitze der Tochter, Frau Kiel)

23.     Neues Kurhaus (Photohaus Hoffmann, Bad Bramstedt)

24.     Bramstedt um 1820

25.     Hans Hinrich Harbeck (Photo im Besitze der Tochter, L. Harbeck)

 

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In Verehrung meines Vaters

und in Liebe zu meiner Heimat

übergebe ich dieses Buch

der Öffentlichkeit.

 

S.  J.   WALTER   BARDEBECK

BUENOS   AIRES,  IM  NOVEMBER   1959

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DANK

Für Überlassung von Aktenmaterial, von alten Schriften, Urkunden und Protokollen sei noch besonders gedankt dem Landesarchiv Schleswig-Holstein, dem Stadtarchiv Kiel, dem Stadtarchiv Bad Bramstedt, dem Kirchenvorstand Bad Bramstedt, der freiwilligen Feuerwehr, der Turnerschaft, dem Männerchor von 1858 und den Gilden in Bad Bramstedt.

LISBETH HARBECK

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VORWORT

 

Nach dem Tode meines Vaters im Jahre 1950 übernahm seine Frau und langjährige Helferin, Susanne Harbeck, die ihr als ein Vermächtnis zugefallene Aufgabe, das noch unvollendete Werk des Verstorbenen für die Herausgabe druckfertig zu machen. Als dann auch meine Mutter im Frühjahr 1958 für immer die Augen schloß, hinterließ sie ein Vorwort zu dem Gesamtwerk, das hier folgen möge:

»Seit dem Jahre 1936 ist an der Bramstedter Chronik gearbeitet worden. Es wurde mit unermüdlichem Fleiß gesammelt, gewandert und geforscht. Wo auch nur etwas von alter Zeit zu entdecken war, wurde sorgfältig nachgegraben. In den Häusern der Bramstedter lag aus vergangenen Tagen noch dieses und jenes. Da waren alte Leute, die aus ihren Erinnerungen Wertvolles zu berichten wußten. Alte Dokumente, die in den Schubladen halb vergessen aufbewahrt wurden, und alte Briefe kamen wieder zum Vorschein. Im Bürgermeisteramt stand eine große Truhe, und im Archiv der Kirche lagen wertvolle alte Bücher und Schriften. Vor allem aber gab es das große Staatsarchiv in Kiel. In einigen Abständen wurde wochenlang von morgens bis abends alles Wissenswerte aus den alten Akten ausgeschrieben. Das Sammeln des Stoffes war aber nur die Vorarbeit. Dann begann die eigentliche Mühewaltung des greisen Chronisten, das sorgsame Auswählen und Auswerten der gesammelten Einzelheiten. Über 10 Jahre war er damit beschäftigt. Es kam der Krieg und mit ihm alle Erschwernis des täglichen Lebens. Oft verzögerten die ungewöhnliche Kälte des Winters und der Mangel an Feuerung jegliche Arbeit. Auch das Interesse der meisten Menschen war jetzt von anderen, im Augenblick lebenswichtigeren Dingen in Anspruch genommen, so daß leider wenig Unterstützung von fremder Seite zu erhoffen war. Schließlich trat der Tod an den rastlosen Schreiber heran und nahm dem 87jährigen die Feder aus der Hand, die er mit so viel Liebe und Eifer für seine Heimat geführt hatte. Die Chronik war so gut wie beendet; es fehlte nur noch die nicht geringe Arbeit des Ordnens und Sichtens der vielen, fertig vorliegenden Artikel und Abhandlungen. Niemand vermag die letzte Feilung einer solchen Arbeit so gut abzuschließen wie der Urheber und Schreiber des Ganzen selbst. Und doch mußte nun die Arbeit ohne ihn getan werden. Der Famulus mußte einspringen, der in all den Jahren schon Handlangerdienste geleistet hatte und immerhin mit allem vertraut war. Er tat es zaghaft und schweren Herzens, aber er war schließlich der einzige, der versuchen konnte, es im Sinne des Verstorbenen zu vollenden. Denn ihm lag daran, daß dies Werk, in dem die ganze Liebe und Sorgfalt eines treuen alten Mannes, eines aufrechten und geraden Holsteiners steckte und das ein Stück seines Wesens und seiner eigenen Lebensweisheit war, nun auch wirklich so erhalten blieb, wie es von ihm gedacht und geschrieben worden war: Ich hab's gewagt! Möge die Chronik nun vielen Freude machen, die Liebe zur Heimat wecken und stärken und auch späteren Generationen noch nützen, wenn wir auch nicht fordern und glauben wollen, was in dem alten Fleckensbuch am Anfang steht: »Wat hier geschrewen ist, is alles ewig duernde!«

Ich habe weder an den handschriftlichen Aufzeichnungen etwas geändert, noch wurde das Werk bis in die Gegenwart weitergeführt. Nur einige Fußnoten sowie kleine Ergänzungen zu den Aufzeichnungen über Verkehrswesen, Feuerwehr, Turnverein und Chorwesen bis etwa 1930 sind hinzugefügt worden. Mein Vater hatte es dereinst aus guten Gründen abgelehnt, das Jahr 1933 in seinen Berichten zu überschreiten. Es bleibe späteren Chronisten überlassen, eine Fortsetzung zu schreiben.

Denjenigen, die meinen Eltern und zuletzt auch mir geholfen haben, die Chronik über das alte Bramstedt bis zur Druckreife gelangen zu lassen, sei an dieser Stelle herzlicher Dank gesagt.

Möge das Werk sowohl in den alteingesessenen als auch in den neu hinzugezogenen Bürgern unserer Stadt das Verbundenheitsgefühl zu Bad Bramstedt vertiefen und festigen!

 

Gut Gayen 1958

Lisbeth Harbeck       

 

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I. DER SIEDLUNGSRAUM NÖRDLICH DER ELBE

 

Die ersten Nachrichten über die Sachsen

 

 (Niederdeutsche Warte V 2)

 

»Auf dem Nacken der zimbrischen Halbinsel«, so schreibt der Alexandriner Ptolomaios um 150 nach der Zeitwende, »wohnen die Saxones«. Diese Bemerkung des griechischen Forschers ist das älteste schriftliche Zeugnis über die Sachsen. Es enthält zugleich einen Hinweis auf deren engere Wohnsitze, die Gaue Holstein, Stormarn und Dithmarschen. Nach der Ansicht verschiedener Forscher haben die Bodenfunde die Richtigkeit der überlieferten Anmerkung bestätigt.

Hofmeister in »Urholstein«: »Das gesamte Sachsenvolk entströmte dem Gebiet nördlich der Elbe, und hier war es kein anderer Platz als der Gau Holsaten, der das Ausgangsland der gewaltigen sächsischen Kolonisation darstellt.« Mit ihren »klinkergebauten« Booten setzten sie um 200 nach der Zeitwende über die Elbe. In der Stammessage heißt es, daß die Sachsen auf dem jenseitigen Ufer »Thüringer« angetroffen hätten und dann auf die Chauken gestoßen seien. Auch hier ergänzen die Funde die überlieferten Berichte. Im Gebiet zwischen Elbe und Weser entdeckte man bisher 60 sächsische Friedhöfe, unter denen der von Westerwanna mehr als 6000 Gräber und über 1300 Urnen besaß. Mit Hilfe römischer Münzen hat man eine weitere zeitliche Stütze für die behauptete Übersiedlung vom Nord- zum Südufer erhalten. Man fand die fremdländischen Geldstücke u. a. in den Urnenfriedhöfen von Perlberg, Issendorf, Wenden und Altenwalde. Zur selben Zeit stießen die Sachsen über See an die Nordseeküste vor. Der Streifen von der Scheide bis zur Bretagne wird zu jener Zeit »Sachsengestade« genannt.

 

Zeitpunkt der Siedlung

 

Schon vor der Zeitenwende haben die Zimbern und Teutonen in großen Scharen die zimbrische Halbinsel, also auch Holstein, verlassen, um im Süden, auf römischem Boden, günstigere Bedingungen für dauernde Siedlung auszunutzen. Frühere Nachrichten über unser Heimatland und seine Bewohner liegen nicht vor. Zwar sind auch in der Bramstedter Gemarkung Altertumsfunde gemacht worden, besonders unter der Lieth, die auf die Stein- und Bronzezeit zurückweisen. N.F. Paustian hat auf diesem Gebiet sich eifrig betätigt und dem Kieler Museum für Altertümer einen wertvollen Schatz solchen Gutes zuwenden können. Auch das Bramstedter Gemeindehaus hütet solche Funde. Aber, abge-

 

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sehen davon, daß des Genannten Sammlung zu einem guten Teil nicht der hiesigen Feldmark entstammt, ist im ganzen zu sagen, daß Nachweise über eine frühere Siedlung an hiesigem Orte nicht beigebracht worden sind. Mit dem Gedanken, an des heutigen Bramstedt Stelle habe einst ein größeres, mächtigeres gestanden, ist nichts anzufangen, solange jedes handfeste Zeugnis dafür fehlt. Unbestritten bleibt aber, daß Bramstedt in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts durch den Erzbischof Ansgar zu einem der ersten Kirchorte Holsteins geworden ist; genaue Feststellung des Jahres fehlt.

 

Von Urholstein und Holstein

 

Das Kirchspiel Bramstedt wird von Geschichtsforschern als ein »urholsteinisches« angesprochen. Sofern damit gesagt sein soll, daß es zu den ersten Kirchspielen zählt, die im Gebiete des heutigen Landes Holstein gegründet worden sind, handelt es sich um einen unbestreitbaren Tatbestand. Will man aber hinweisen auf ein »Urholstein«, aus dem ein anderes Holstein sich entwickelt hat, so liegt die Sache nicht so einfach. Die Bramstedter werden ziemlich restlos der Meinung sein, ihre Ortschaft sei ganz bestimmt ein Bestandteil von »Urholstein« gewesen, ohne allerdings die Grenzen dieses Landes angeben zu können. Auch ist der Entwicklungsgang zum heutigen »Holstein« wenigen vertraut. Wer das bedauert, dem möchten folgende tabellarisch gefaßten Angaben willkommen sein.

113-101 vor der Zeitwende: Der germanische Stamm der Kimbern verläßt seine Heimat, die Halbinsel nördlich der Elbe; Wanderung nach Gallien und über die Alpen; Untergang nach tapferstem Kampfe.

5. Jahrhundert, Mitte: Sachsen und Angeln, auch Jüten, siedeln über das Meer nach Britannien, nachdem König Vortigern sie um Beistand gegen die Urbewohner, die Pikten und Skoten, gebeten hatte; sie machen sich zu Herren des britischen Landes.

Um 800 Karl, der Frankenkaiser, schließt Frieden mit den Sachsen; der nördlich der Elbe wohnende Teil dieses Stammes wehrt sich noch; Karl bezwingt sie unter Beistand der östlicher wohnenden Wenden (Slawen) und fügt 811 das eroberte Land seinem Reiche ein; es hatte bis dahin unter Herrschaft des Dänenkönigs gestanden und trägt nun den Namen Nordalbingien (Albis/Elbe).

834 Ansgar wird zum Erzbischof von Hamburg ernannt, dem auch Nordalbingien unterstellt ist; in die Zeit von 834-40 ist die Gründung der Bramstedter Kirche zu verlegen.

961 Kaiser Otto der Große betraut den energischen Hermann Billung mit der Lehnsherrschaft über das Herzogtum Sachsen mit Einschluß der Nordmark. Die Billunger haben sich behauptet bis 1106. (Dithmarschen und die Haseldorfer Marsch von Wedel bis zum Rhin waren der Grafschaft Stade einverleibt.)

 

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11.  Jahrhundert, zweite Hälfte: Adam von Bremen, Domherr daselbst, schreibt Nachrichten über Nordalbingien nieder. Danach sind drei sächsische Stämme dort angesiedelt: die Dithmarscher (Meerleute) im Westen; die Stormarn (am Störfluß Wohnende), im Süden durch die Elbe, im Westen und Norden begrenzt durch die Sturia und deren unweit Neumünster einmündenden Zuläufe; die Holsaten (Waldbewohner) nördlich der Stör, südlich der Eider bis zum südlichsten Punkt ihres Mittellaufes, im Westen an Dithmarschen und im Osten an Wagrien, das Grenzland der Wenden, stoßend. - Damit sind die Wohngebiete Ditmarsia, Stormaria, Wagria und Holsatia zum erstenmal geschichtlich festgelegt. Und in diesem Holsatia ist doch wohl das eingangs berührte »Urholstein« gegeben. Aber das Kirchspiel Bramstedt liegt südlich und östlich der Stör, durchaus in Stormaria. Denn der Domherr berichtet sonder Gnade: eos Sturia flumen interluit — zwischen ihnen (den Holsaten und den Stormarn) fließt der Störfluß. Siehe auch unter 1428.

12.  Jahrhundert  Bis in dieses Jahrhundert, zum Teil noch später, haben die Holsaten und Stormarn manchen harten Strauß gegen die Wenden ausfechten müssen. Letztere sind zeitweise bis über Hamburg und im Norden bis nach Rendsburg vorgedrungen. Sie haben die Hammaburg zerstört, das Land gebrandschatzt und die Einwurzelung und Ausbreitung der christlichen Lehre stark behindert.

1110  Graf Adolf I. von Schauenburg übernimmt die Herrschaft über Holstein und Stormarn, nicht wie die Billunger als beauftragter Beamter, sondern als erblicher Fürst. (Lehnsherr war Herzog Lothar von Sachsen.) Das Schauenburger Wappen, ein Schild mit drei Ecknägeln aus Silber und dazwischen drei gezackten Zierleisten, wird von Holstein übernommen, nicht von Stormarn. Die Schauenburger Grafen haben, von geringen Unterbrechungen abgesehen, bis zum Jahre 1460 sich behauptet, also für das Schicksal unserer Heimat eine große Bedeutung gehabt. Der erste Adolf residierte in Hamburg und richtete dort die Domkirche wieder auf. Er förderte in seinem Bereich die christliche Lehre und den Wohlstand seiner Untertanen. + 1130

1127 Vicelin, der Apostel der Wenden, gründet in Wippendorf das »neue Münster«. Man hatte ihn dorthin gerufen, um in der alten Kapelle aus Ansgars Zeit zu predigen. Ihm wird nachgerühmt vom Prediger Helmold in Bosau, er habe durch die Kraft seiner Predigt »die unbändigen Waldesel zu Menschen herangebildet«. Auch in Bramstedt, Barmstedt, Stellau und Kellinghusen sei er bemüht gewesen, dem Evangelium (wieder) Eingang zu verschaffen. (Man beachte 300 Jahre nach der Einführung von Ansgar.)

1130-1164 Graf Adolf II. - Lothar, inzwischen (1125) deutscher Kaiser geworden, hatte das Herzogtum seinem Schwiegersohn Heinrich dem Stolzen übergeben. Lothars Nachfolger aber setzte 1138 den Markgrafen Albrecht

 

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den Bären zum Herzog über Sachsen ein. Dem versagt Adolf II. die Anerkennung, kann sich aber nicht behaupten und muß das Land räumen.

1138 Heinrich von Badewiede tritt auf des Markgrafen Anordnung an Adolfs Stelle. Dieser, ein hervorragender Krieger, nimmt den Kampf gegen die Wagrier auf und bereitet ihnen eine entscheidende Niederlage, die der Herrschaft der Wenden innerhalb Albingiens ein Ende macht. - Heinrich der Stolze stirbt 1139. Sein Sohn, Heinrich der Löwe, bekommt Sachsen zurück. Albrecht der Bär tritt ab, und sein Freund Badewil wird mit Lauenburg abgefunden.

1143  Graf Adolf II. führt wieder das Zepter. Holstein, Stormarn und Wagrien werden unter dem Namen Holstein zu einem Staatsgebilde vereint. »Urholstein« ist nicht mehr (siehe unter 11. Jahrhundert). Aber noch stehen Dithmarschen (seit 1062 dem Erzbischof von Bremen Untertan) und die Haseldorfer Marsch (siehe 961) außerhalb.

1143-1164 Viele Adelige, auch Bauern, werden in Ostholstein, das nun nur dünn bevölkert war, mit Gütern und prächtigen Hufen ausgestattet. Auswärtige Siedler kommen ins Land, z. B. Friesen nach Süsel, Westfalen nach Ahrensbök, Holländer in die Eutiner Gegend. - Auch Vicelin hat sich in dieser Hinsicht verdient gemacht. Auf seinen Ruf kamen holländische Kolonisten in die Kremper Marsch, in die Wilster und Haseldorfer Marsch. Sie haben den vielfach noch urwüchsigen Boden, der oft eine wahre Wildnis darbot, in fruchtbares Ackerland umgewandelt. Und das war auch seinem Kloster nicht nachteilig; denn dies wurde mit dem Rechte ausgestattet, beiderseits der Ciester (Seester) den »Zehnten« zu heben. Anerkennend hat Adolf II. ihm auch das Bistum Oldenburg übergeben, identisch mit dem Bistum Lübeck, aus dem später das Fürstentum Lübeck entstanden ist.

1164-1203 Adolf III. - Herzog Waldemar von Schleswig (Südjütland), Bruder des Dänenkönigs, dringt in Holstein ein, besiegt Adolf bei Stellau (1202); letzterer wird bei Hamburg gefangen genommen. - Im nächsten Jahr wird Waldemar, nun auch König von Dänemark, zum Herrn über Schleswig und Holstein. Adolf wird gegen sein Ehrenwort freigegeben, dabei aber aus seinem Lande verbannt.

1203  Waldemar ist Beherrscher der ganzen kimbrischen Halbinsel. Graf Albert von Orlamünde, Neffe Waldemars, wird Statthalter über Nordalbingien.

1214  Der spätere Staufenkaiser Friedrich II. verzichtet zugunsten Waldemars (des Siegers) auf alle Rechte in Nordalbingien. Der Papst bestätigt den Vertrag (wegen des Bremer Erzbistums).

1225-1239 Adolf IV., des verbannten Schauenburgers Sohn, tritt hervor, verbündet sich mit Heinrich von Schwerin und dem Erzbischof von Bremen. Dem Schweriner war es vorher gelungen, mit List den mächtigen Waldemar als Gefangenen nach Mecklenburg zu führen. Der vereinigten Macht gelang es, den zum Reichsverweser Dänemarks eingesetzten Albert

 

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         von Orlamünde vollständig zu schlagen. - Adolf nahm das väterliche Erbe in Besitz, nachdem er den Hamburgern wertvolle Vorrechte zugestanden hatte. - Waldemar erlangte durch feierlichen Eid, künftig Frieden halten zu wollen, seine Freiheit.

           Waldemar wird vom Papste seines Eides ledig gesprochen, besetzt überraschend Rendsburg und Itzehoe, und der Kampf lodert abermals auf. An Stelle des Erzbischofs von Bremen ist diesmal Herzog Albrecht von Sachsen der Dritte im Bunde.

1227  Nach allerlei Wechselfällen kommt es zur Entscheidungsschlacht bei Bornhöved. Die Dithmarscher Bauern waren während der Schlacht auf Adolfs Seite getreten. Ergebnis:
Die Dänenherrschaft ist beendet. Die von Friedrich II. aufgegebene Nordgrenze des deutschen Reiches und die Selbständigkeit der holsteinischen Grafschaft sind wiederhergestellt. Lübeck wird völlig freie Reichsstadt. Hamburg bleibt noch unter holsteinischer Hoheit, ist indessen praktisch fast selbständig. Dithmarschen, schon 1202 von der Grafschaft Stade getrennt, bleibt Freistaat unter unmittelbarer Hoheit des Bremer Erzbischofs.

           Adolf gründet, seinem Gelübde gemäß, eine Reihe von Klöstern: Johannis- und Maria-Magdalenen-Kloster zu Hamburg, Nonnenkloster in Reinbek, desgleichen in Ivenstedt (1272 nach Itzehoe verlegt), Kloster zu Cismar, Marienkloster zu Preetz wird ausgestattet mit der Propstei, wohin Kolonisten gerufen werden; Adolf geht 1239 ins Maria-Magdalenen-Kloster zu Hamburg, gründet später noch das Marienkloster zu Kiel, wo er die letzten Jahre gelebt hat und gestorben ist (1261).

1239 Abel, Herzog von Schleswig, Sohn Waldemars II. und Schwiegersohn Adolfs IV., wird von letzterem zum Vormund seiner noch unmündigen Söhne Johann und Gerhard bestellt. Also lag nun die Regierung Schleswigs und Holsteins in einer Hand. - Abel kommt in Streit mit seinem Bruder, dem Dänenkönig Erich; er läßt diesen in der Schleimündung ermorden, und es gelingt ihm, auch die dänische Krone zu gewinnen, d. h. praktisch die ganze Halbinsel zu beherrschen. Indessen starb er schon nach zwei Jahren.

1252  Die Friesen hatte er ebenfalls gefügig machen wollen. Diese waren ohne einen eigenen Verband. Sie duldeten keine Adeligen und keine Sklaven unter sich. Als König Abel ihre seitherige Freiheit mit Gewalt unterbinden wollte, hat der Rademacher Wessel Hummer ihn mit der Streitaxt erschlagen. - Doch haben sie den dänischen Königen ein »Landgeld« dauernd entrichtet.

           Johann und Gerhard werden beide als Regenten anerkannt. Sie fordern die Herausgabe Rendsburgs, das 1227 noch bei Schleswig geblieben war, und setzten sich durch. Sie haben das volle Erbrecht für Holstein eingeführt, wonach jeder männliche Erbe ihres Hauses das gleiche Anrecht auf die Herrschaft haben sollte. Nach ihrem Tode wurde demnach das Erbe auf-

 

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geteilt, und so gab es nun zwei Hauptlinien unter den regierenden Grafen: die Kieler oder ältere Linie, von Johann I. abstammend, und die Itzehoer oder jüngere Linie, von Gerhard I. abstammend.

Um 1300 herrschten bereits fünf Grafen im Lande:
Kieler Linie: Adolf V. zu Segeberg und Johann II. zu Kiel; Itzehoer: Heinrich I. zu Rendsburg, Gerhard II. zu Plön, Adolf VI. zu Schauenburg; letzterem unterstand in Holstein nur die Grafschaft Pinneberg, die dadurch zum Anhängsel des Stammlandes wurde.
Es ist klar, daß diese Zersplitterung, die auch noch Erbstreitigkeiten im Gefolge hatte, dem Lande nicht förderlich sein konnte.

14. Jahrhundert, erste Hälfte:
Die Kieler Linie erlischt. Gerhard III. oder der Große und Johann der Milde haben die Regierung in Händen. Der Stand der Adeligen trotzt ihren Befehlen. In der Wilstermarsch kommt es zur offenen Auflehnung. Dithmarscher Bauern schließen sich an. Gerhard zeichnet sich als Kriegsheld aus. Persönlich packt er den Führer der Dithmarscher und schleudert

1306 ihn zu Boden. Sein Ansehen stieg gewaltig: der Adel fügte sich. Doch war sein Gebiet, auch nachdem sein Mitregent verzichtet hatte, gering: Amt Rendsburg, Stadt Itzehoe und ein paar kleine Distrikte.

1315 Adolf VI. zu Segeberg wird von dem Grafen Reventlow, den er schwer beleidigt hatte, in seinem Schlosse überfallen und erschlagen. Gerhard nimmt den Anteil Segeberg an sich. Man kann mit großer Wahrscheinlichkeit annehmen, daß darunter Praefectura Segebergensis, die sich mit dem späteren »Amt Segeberg« ziemlich genau deckte, zu verstehen ist. Mit anderen Worten: ein erheblicher Teil von Stormarn, darunter die Kirchspiele Bramstedt und Kaltenkirchen, ist nun mit urholsteinischem Gebiet vereinigt worden. - Übrigens zeichnet die Geschichte Adolf VI. als einen hartherzigen, bei seinen Untertanen verhaßten Bedrücker.

1317  Schlacht bei Bramstedt (auf dem Strietkamp). Des Erschlagenen Verwandte und Freunde erkennen das Verfahren Gerhards nicht an. Es kommt zum Kampf. Der Schauenburger Graf wird bei Bramstedt, die ihm verbündeten Dithmarscher werden bei Bünzen besiegt.
Gerhard einigt sich mit seinem Vetter Johann dem Milden, der von Plön nach Kiel übersiedelt.
So hatte Holstein zwei Regenten, abgesehen von dem kleinen Pinneberger Anteil.

1319  Gerhard versucht vergeblich, die Dithmarscher unter seine Herrschaft zu zwingen.

1324 Er dringt in das Gebiet des Bischofs von Lübeck ein. Dieser schleudert die geistliche Waffe des Bannstrahls gegen ihn. Gerhard fügt sich: zahlt Entschädigung, macht eine Bußwanderung nach Lübeck und tut fußfällig Abbitte.

           Gerhard hat in der Folge erreicht, daß er zum Vormund über den jungen Herzog von Schleswig, zugleich Erbprinz von Dänemark, berufen worden

 

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ist. Der junge König trat das Herzogtum Südjütland an Gerhard ab mit der Bestimmung, »daß es nie wieder mit Dänemark zu einem Staate vereinigt werden sollte«.

1340 Aber als Vormund und Reichsverweser in Dänemark hat er sich unbeliebt gemacht. Der dänische Edelmann Niels Ebbesen hat ihn im Krankenbett erstochen. - Kein anderer Schauenburger hat eine solche Machtstellung innegehabt wie Gerhard der Große.

1340-1386 Heinrich (Isern Hinnerk) und Klaus, des Ermordeten Söhne, waren kluge und tapfere Regenten. 1375 haben sie sich als Erben in Besitz Südjütlands (Schleswigs) gesetzt.
»Isern Hinnerk«, der Name ist von Heinrichs Rüstung hergeleitet. Als Gast des Königs von England soll er einen wilden Löwen, den man gegen ihn losgelassen hatte, durch seine Ruhe und seinen festen Blick gebändigt haben. Seither hat er zwei goldene Löwen im blauen Schild seines Wappens tragen dürfen.

1386 Die dänische Königin Margarete (de swatt Greet) belehnt Gerhard VI. mit dem Herzogtum Schleswig. Gerhard war ein Sohn des »Isern Hinnerk«.

1404  Die Landesfürsten Gerhard VI. und Albrecht sind gestorben, letzterer ohne Erben, beide gefallen im Kampfe gegen die Dithmarscher. Gerhard hinterläßt drei Söhne: Heinrich 7 Jahre alt; Adolf 3 Jahre; Gerhard nach des Vaters Tod geboren. Heinrich wird im Hause der Königin Margarete, Adolf in dem des Hohenzollerngrafen Friedrich, der 1415 zum Kurfürsten von Brandenburg ernannt wurde, erzogen.

1420 Als Achtzehnjähriger kehrt Adolf VIII. in die Heimat zurück, um mit Heinrich zusammen das väterliche Erbe anzutreten. Bischof Heinrich von Osnabrück, Bruder von Gerhard VI., hat die Vormundschaft geführt. Der Dänenkönig wollte Schleswig zurücknehmen. Die Dithmarscher standen auf des Königs Seite. - Aber die jungen Herzöge, von den Holsten, den Friesen und einigen Hansestädten treulich unterstützt, bereiteten den Gegnern bei Immerwad eine entscheidende Niederlage.

1435 Adolf VIII. alleiniger Landesherr über Schleswig und Holstein, Nordfriesland, Helgoland und Haseldorf er Marsch eingeschlossen.

1448  Ihm wird die dänische Krone angetragen. Er verzichtet und schlägt dem dänischen Reichsrat den Grafen Christian von Oldenburg, den Sohn seiner Schwester, vor. Dieser wird, nachdem er in aller Form dem Herzog Adolf und den schleswig-holsteinischen Ständen die Versicherung gegeben hat, daß »Schleswig niemals wieder mit Dänemark vereinigt werden solle«, zum König gewählt.

1459  Adolf VIII. stirbt, beweint von seinen Untertanen.

1460  Die Personalunion mit Dänemark tritt in Kraft.

 

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II. DER ORTSNAME

 

Unsere Stadt teilt ihren Namen mit fünf anderen Ortschaften im deutschen Reiche. Allesamt liegen sie im Gebiet der plattdeutschen Sprache. Bad Bramstedt überragt die übrigen in der Volkszahl so sehr, daß es für sich allein 50 Prozent Häupter mehr zählt als die übrigen zusammen. Anders gesprochen: es handelt sich um fünf Dörfer. Die Ortsnamen stimmen im Lautklang überein; in der Schreibweise sondern sich die zwei in Pommern gelegenen ab als Bramstädt, was hier unbedenklich als orthographische Zufälligkeit zu verbuchen ist. Die restlichen drei liegen in Schleswig bei Leck, im Kreis Wesermünde und bei Bassum, also die letzten beiden in Hannover.

Die älteste bekannt gewordene Niederschrift unseres Ortsnamens von eines Hiesigen Hand lautet: »bramstede«. In der Folge begegnet man in regellosem Wechsel den Formen Brame-, Brahm-, Bramb-, Brahmb-, verbunden mit dem Grundwort: sted, stede, stedt, auch einmal städt. Niemand bezweifelt, daß beide Teile des Ortsnamens niedersächsischen Ursprungs sind, ebensowenig, daß der zweite Teil die Bezeichnung einer Stelle, einer Stätte, eines Platzes, eines Ortes ist. Dieses Wort findet sich innerhalb des früheren und des heutigen Wohngebietes der Niedersachsen als geradezu typisch immer wieder: in Schweden in der Form »stad« (Halmstad), in Dänemark als »sted« (Ringsted), in England als »stead« (Halstead in. der Grafschaft Essex-Ostsachsen). Bramstedt wird allein durch seinen Namen als niedersächsische Siedlung ausgewiesen. Beachtenswert ist, daß sich im Lande Oldenburg die ursprüngliche Form »stede« erhalten hat (Rastede, Westerstede).

Nicht ganz so einfach steht es um die Deutung des Bestimmungswortes »Bram«. Es wird kein Zufall sein, daß auch unser Flüßlein durch das gleiche Merkmal bestimmt wird. Bramau, früher kurz Brame, Brahme (siehe Stielers hochgeschätzten Atlas, 19. Jahrhundert) und Bram (Mathias Seutter, Karte von Holstein, Mittelalter). Wir stehen vor der Frage, ob die Siedlung oder die Aue zuerst mit diesem Namen Bram bedacht worden sei. Mir ist einmal folgende Meinung begegnet: Die Insel zwischen Osterau, Hudau und Kaffeegraben sei von den ersten Siedlern an ihren Ufern bebaut worden. Die so geschaffene Verbrämung (Umrandung) habe zu dem Namen Bramstedt geführt. Mir fehlt der Glaube. Einmal, weil im Sprachschatz der Niedersachsen dieses Wort gänzlich unbekannt ist, und zum andern auch deswegen, weil ich den Kaffeegraben nicht als natürlichen, sondern als von Menschenhand geschaffenen Wasserlauf ansehe (siehe auch Mühle).

Der natürliche Ablauf der Dinge gestaltet sich doch so, daß der Fluß oder die Aue, an deren Ufern man zu siedeln sich entschließt, bereits seinen Namen vorher

 

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erhalten hat. Bei Ortsbezeichnungen wie Störkathen und Eiderstedt sieht man als ganz selbstverständlich an, daß hinsichtlich des Namens dem Fluß die Erstgeburt zukommt. Der Hinblick auf die genannten Karten bestärkt unsere Ansicht, daß unser Fall bedenkenlos an die berührten beiden Fälle anzuschließen ist, d. h. daß unser Ort seinen Namen trägt nach dem Gewässer, an dem unsere Ursiedler ihre Hütten gebaut haben. So ist unser Ort einfach und natürlich als stede an der Bram legitimiert.

Wer dem Ortsnamen die Erstgeburt zuschreiben wollte, der müßte folgerichtig unsere Aue an die Bimöhler, die Schmalfelder und die Lentföhrder als »Bramstedter Au« anschließen. Wer das nicht als todsicher anerkennen will, der wird immer noch in aufgezeigtem Gedankengang den Regelfall dargestellt sehen müssen.

Und doch ist die Wißbegierde nicht befriedigt. Sie fragt: Was hat es mit dem beiden Täuflingen zuerkannten »Bram« auf sich? Wie kommt die Aue zu diesem Merkmal?

Nun, es steht eine Antwort zur Verfügung, die wohl befriedigen mag. Fügen wir den eingangs gegebenen Ortsbezeichnungen ein paar hinzu: Brahmkamp bei Heide, Bramkamp bei Rendsburg, Brahmsee bei Nortorf, so haben wir insgesamt neun Erdenflecke vor Augen. Der Verfasser hat von jedem Orte schriftlich Erkundigung einziehen wollen, was nur einmal nicht gelungen ist. Wahrheitsgemäß ist zu berichten, daß genannte Gegenden übereinstimmend mit trockenem, sandigem Boden reichlich ausgestattet sind, wo dürre Heide und der Besenstrauch prächtig gedeihen und erhebliche Flächen für sich in Anspruch nehmen, wenn auch infolge der fortschreitenden Urbarmachung in schwindendem Ausmaß. (In Bramfeld, einem Hamburger Stadtteile, wird es ehedem nicht anders gewesen sein). Der Besenstrauch, auch Ginster, in der Wissenschaft Sarothamnus vulgaris genannt, ist dem Plattdeutschen - und genannte Gegenden werden ausnahmslos von solchen bewohnt - unter dem Namen Bram, Braam, Brahm, das »a« allemal recht dunkel gesprochen, aufs beste bekannt. Dieser Strauch, auffallend durch seine etwas absurde Gestalt und durch die reiche Fülle goldgelber Blüten, besetzt, solange er nicht gestört wird, weitgestreckte Flächen und verleiht ihnen im Sommer ein prächtiges Aussehen. So ist es kein Wunder, daß gerade der »Brahm« recht oft seinen Namen hat hergeben müssen zur Bezeichnung seines Standortes, es möge sich handeln um Siedlungen, um Gewässer oder Feldflur. Hinsichtlich der Flurnamen seien noch genannt: Brahmberg, Brahmloh, Brahmhorst, Brahmviert, Brahmmoor.

Daß unseres Ortes Gemarkung in Urzeiten in sehr erheblichem Umfange mit Brahm geschmückt gewesen ist, bedarf keines Nachweises. Immerhin sei in Erinnerung gebracht, daß N. F. Paustian, Bramstedts erster Freimüller, allein zehn Tonnen (mindestens fünf Hektar) Ginsterland, besetzt mit Gesträuch von einem Zoll Dicke durch Feuersbrunst zur Urbarmachung vorbereitet hat (siehe Kähler, Stör-Bramautal, Seite 110). Verfasser ist selbst Zeuge gewesen, wie auf den Gayen eine Tannenpflanzung von etlichen Hektar einen vieljährigen Da-

 

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seinskampf mit dem Urwüchsigen hat führen müssen auf der ganzen Anbaufläche. Hier sei eingeschaltet, daß eine Äußerung der Bramstedter Nachrichten (8. November 1937), wonach der Brahmstrauch eine ausgesprochene Randpflanze sei, nicht stichfest ist. Der Brahm behauptet durchaus das ganze Feld, in der Lüneburger Heide sowohl als auch in der hiesigen Feldmark, solange er nicht durch den tiefgreifenden Pflug auf den bescheidenen Platz an Wall und Weg zurückgedrängt wird.

Die Bramstedter Bramfelder werden nach Ortslage in Richtung Bimöhlen - Hitzhusen in untadeliger Entfaltung geprangt und auch sonst sich nicht versteckt haben. Wahrlich, die Benennung von Ort und Gewässer paßt sich völlig den naturgegebenen Verhältnissen an, ist mithin ganz natürlich. Orts- und Flußname verweisen auf eine Gegend, wo jedermann mit Sand und Heide, Brahm und Buchweizen bekannt ist und ehedem reichlich zu tun hatte. Die Aue aber kündet zugleich ausgleichend das segenspendende Tal der grünen Wiesen an.

Bleibt noch zu bedenken, daß wir ja heute in »Bad« Bramstedt leben. Von unserem Sol- und Moorbad weiß man sogar über Berlin hinaus. Daß wir unsern Ort danach nennen, das hat die Reichspost veranlaßt, und zwar nicht nur im Hinblick auf die übrigen »Bramstedts«, sondern auch wegen der nicht seltenen Vertauschung mit Barmstedt. Am 12. Mai 1910 hat die Regierung dem Wunsch der Post Folge gegeben.

 

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III. DIE KIRCHE

 

Wenn man eine Chronik schreibt, so möchte man mit den Berichten aus ältester Zeit anfangen. Da halten wir wohl die reichste Ernte im Archiv der Kirche. So wird es sich empfehlen, mit der Kirche und ihrer Geschichte anzufangen. Sie ist eine uralte Gründung; freilich nicht das auch schon recht ehrwürdige Gebäude, das wir heute kennen, sondern eine hier vorhandene christliche Kirche überhaupt. Bestimmt hat Ansgar, der schon im 9. Jahrhundert hier gepredigt hat, nur eine Kapelle zur Verfügung gehabt. Der Name Capellenberg am östlichen Ausgang des Ortes, auch in dem alten Fleckensbuch vorkommend, weist darauf hin. Die geschichtlichen Berichte melden in der Zeit von Ansgar und Vicelin dauernde und heftige Kämpfe zwischen Sachsen und Wenden, unter denen natürlich auch die Entfaltung des Kirchenwesens gehindert wurde. Vicelin, der Apostel der Wenden, der 1125 die Priesterweihe erhielt und der in Neumünster 1154 starb, soll der Überlieferung nach in Bramstedt, Stellau, Kellinghusen, Nortorf, Barmstedt, Hohenwestedt und vor allen Dingen in Neumünster seines Amtes gewaltet haben. Ein Gebäude, wie wir es unter Kirche verstehen, war wohl noch nicht vorhanden.

Das feste Zugreifen Adolf I. von Schauenburg war günstig für die Entwicklung der neuen Religion hier im Norden. Nachdem er in Hamburg die Domkirche wieder hatte aufrichten lassen, sorgte er nachdrücklich für die Wiederherstellung zertrümmerter und die Errichtung neuer Gotteshäuser. Nicht gering ist die Zahl der Klöster, die derzeit in unserm Holstein ins Leben gerufen und reichlich mit Landbesitz ausgestattet wurden. Dazu gehört das uns naheliegende von Vicelin gegründete Kloster zum heutigen Neumünster (nova monasterium). Aus unserm Kirchspiel haben einem Kloster zugehört: Bimöhlen restlos; Gayen-Mönke Gayen (wohl zu Reinfeld), Mönke ist gleich Mönch zu setzen; und ganz überwiegend Armstedt (zu Itzehoe). Wie es in dieser Hinsicht um die zehn Fuhlendorfer Hufen steht, ist mir nicht bekannt. - Gewiß ist, daß Vicelin auch in Bramstedt gepredigt und überhaupt wieder wohl geregelten Gottesdienst zuwege gebracht hat. Das ist geschehen in den ersten Jahrzehnten des zwölften Jahrhunderts. Vor allem handelte es sich um die nötigen Gebäude, die, meistens aus Holz gezimmert, so einfach gestaltet wurden wie nur möglich. Feldsteine wurden hier und da mit verwendet; aber der gebrannte Mauerstein war derzeit hier noch unbekannt.

Ungefähr in der Mitte des alten Fleckens liegt der älteste Friedhof Bramstedts. Ein Kranz blühender Linden umrahmt ihn. Inmitten liegt die alte Kirche unserer Vorfahren, über 600 Jahre alt. Ihr Bau wird von Professor Haupt (»Bau- und Kunstdenkmäler«) in die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts (1316?) verlegt, ge-

 

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kennzeichnet vor allem durch die gebrannten Mauersteine großen Formats, die erst zu jener Zeit in unserem Lande bekannt geworden sind. Demnach wird vermutet, daß der Aufbau der steinernen Kirche zu Bramstedt in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts erfolgt ist. Für das hohe Alter des Gebäudes sollen noch 1876 Funde Zeugnis abgelegt haben, die bei der Erneuerung des Fußbodens, der Decke und des Gestühls gemacht wurden, alte, bauliche Funde, die man auf sechs- bis siebenhundert Jahre geschätzt hat. Eine ganz bestimmte Zeit läßt sich nicht angeben. Der Erbauer ist nicht bekannt. Ursprünglich war es eine Kreuzkirche. Kleinere bauliche Veränderungen sind im Laufe der Jahrhunderte mehrfach vorgenommen worden. Die Kirche war der heiligen Maria Magdalena geweiht.

Bedeutende Kunstschätze birgt unsere alte Kirche nicht, wohl aber stammt ein Teil der Inneneinrichtung auch schon aus sehr alter Zeit. Da ist zunächst das alte Altarblatt, das zwar nicht mehr ein Stück des heutigen Altars ist, aber wieder zu Ehren kam, nachdem es viele Jahre verborgen auf dem Kirchenboden lag. Man hat diesen Schrein an der Nordwand der Kirche wieder aufgestellt. Es ist ein dreiteiliger Flügelaltar. Die Verzierungen sind zum Teil Schnitzwerk, zum Teil Malerei. Gemalt ist die Darstellung des Heiligen Abendmahls und die des Leidensweges. Der obere Teil zeigt geschnitzte Figuren, darunter die Apostel und eine weibliche Figur, wohl Maria (14. Jahrhundert). Zu diesem Altarschrein gehört noch ein Aufsatz, gleichfalls aus Holz geschnitzt und mit Malerei versehen. Er ist an der Südwand in der Nähe des Altars angebracht worden. (Bei der Restaurierung der Kirche im Jahre 1955 haben Altarschrein und Aufsatz wieder ihren alten, ihnen zustehenden Platz eingenommen.) An ihm findet man unten den Namen des Stifters und die Jahreszahl: Casper Vaget, 1625. Der jetzige Altar ist geschmückt mit einem Ölgemälde, die Himmelfahrt Christi darstellend. (Seit 1955 ist er nicht mehr in der Kirche.) Er ist gemalt worden von dem in Bramstedt geborenen Künstler Hinrich Wrage (1880). Wer große Ehrfurcht vor dem Alten hat, mag sich freuen, daß der alte Flügelaltar wieder seine eigentliche Aufgabe erfüllt. Ein anderes Stück aus alter Zeit, dem der obengenannte Haupt künstlerischen Wert zuspricht, ist die Figur der Maria Magdalena, auch eine Holzschnitzerei. Leider ist sie am Arm beschädigt und darum wohl nicht wieder aufgestellt. Wie schön wäre es, wenn sich einmal die nötigen Mittel zur Renovierung fänden und die ehemalige Schutzheilige unserer Kirche wieder allen sichtbar würde. - Neben dem Hauptstück des alten Altars hängt an der Wand das Triumphkreuz, das früher einmal vor dem Altar von der Decke herabgehangen hat. Es hat seinen Platz nun zwischen den Statuen der Mutter Maria und dem Jünger Johannes und stammt aus dem 15. Jahrhundert. Wahrscheinlich ist diese Gruppe nun so wieder zusammengestellt, wie sie ursprünglich gedacht war.

Die Kanzel ist alt und aus Holz geschnitzt. Die Figuren stellen von links nach rechts dar: Matthäus, Lukas, Christus, Johannes und Markus. Darunter stehen die Namen der Geber: Jürgen Vaget, Maria Vagdes, Casper Vaget, Magdalene

 

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Vagetes, Klaues und Margareta Toetkes, Möllersche. Vermutlich stammt sie aus dem Anfang des 17. Jahrhunderts. Anno 1680 hat der damalige Kirchspielvogt Christian Schlaff die Kanzel renovieren lassen,

»Kernfest und auf die Dauer« steht der Taufstein vor dem Altar. Er ist 93 cm hoch, hat einen Durchmesser von 69 cm und ist aus einem Metall gegossen, das der Glockenspeise ähnlich ist. Sein Gewicht wird auf 600 bis 800 kg geschätzt. Drei Menschengestalten tragen ihn. Am Außenmantel findet man fünf erhaben gegossene, bronzierte Figuren, den lehrenden Christus in sitzender Haltung darstellend. Zwischen je zwei Christusfiguren befinden sich vier hervortretende Medaillons, in jedem Falle dieselben. Die zwei oberen enthalten die Attribute der beiden Evangelisten Matthäus und Johannes: den lesenden Engel und den fliegenden Adler; darunter die Attribute der Evangelisten Markus und Lukas: den Löwen und den Opferfarren. Außerdem sind am Mantel noch zwei nicht zu enträtselnde Figuren. Über diesen Figuren trägt der Mantel den Anfang der in katholischen Ländern üblichen Gebetsformel in lateinischer Sprache. (Ave Maria gratia, plena, Dominus tecum benedi[cta]). Auf dem Taufstein stehen zwei Becken, eins im andern. Die größere Schale hat folgende Inschrift: 1669, 9. Junius, Otto Siemen; die kleinere Schale trägt die Inschrift: Christian Slaph, Katrina Slaphs. Anno 1663.

Das Alter des Taufsteins ist nicht exakt zu bestimmen (13. Jahrhundert). Jedenfalls diente er schon katholischer Zeit. Die Tiefe läßt vermuten, daß er schon benutzt wurde, als das Taufen durch Untertauchen vollzogen wurde.

Wissenswert ist, daß das Taufen bis 1771 nur in der Kirche erfolgte. Die Haustaufe wurde erst im genannten Jahr zugestanden. Beispiel: Friedrich Leopold von Stolberg, der bekannte Dichter, wurde am 7. November 1750 geboren in Bramstedt; desgleichen getauft in der Kirche dorten. (Sein Vater war Amtmann des Bezirks und wohnte in dem nun nicht mehr vorhandenen Schloßgebäude.) 1782-1793 unter Pastor von Einem taufte man am 3. Tage. Unter Pastor Kark waren 7 bis 8 Tage üblich, und bei Pastor Kall, 1825-1830, waren es 1-3 Wochen. In den vierziger Jahren waren 4-6 Wochen gesetzlich vorgeschrieben. Heute hat man Freiheit. Die Taufe wird nicht erzwungen.

Der Altar (Kirchentisch) ist aus Mauersteinen gebaut. Eine Decke aus feinem Tuch ziert ihn. Diese rotscharlachene Altardecke mit silbernen Fransen wurde der Kirche 1732 von Hans Mohr und Wiebke Mohr aus Bramstedt geschenkt. (Heute [1957] ist die Kirche im Besitz von Altar- und Kanzelbekleidung in allen liturgischen Farben.) Die Kirche besitzt drei Altarleuchter, von denen zwei ständig benutzt werden. Der dritte wurde früher am Tage der Ernte alljährlich von der Frau Pastorin mit einem Kranze von reifen Ähren und Rispen geschmückt und auf den Altar gestellt. Woher stammen die Leuchter? Einer derselben trägt diese Inschrift: »Anno 1681 den 1. Juli ist Lorenz Jessen, Königl. Provinzial-Verwalter in Glückstadt, durch den Gebrauch des Wassers vom Quartan befreit. Verehrt diese Leuchter zum Gedächtnis.« Diese Leuchter sind 10-20 kg schwer und bestehen aus Messing mit einem Zusatz.

 

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Im Hauptgang der Kirche hängen zwei Kronleuchter. In früheren Tagen dienten sie bei Frühpredigten und bei Nachmittagsgottesdiensten wohl regelmäßig. Sie stammen aus 1700 und 1732. Beide sind der Kirche gestiftet worden. Hier die Widmung:

»Soly Deo Gloria. Gott zu Ehren und der Kirche zur Zierde hat Jürgen Fuhlendorf aus Bramstedt und seine Frau Anna gebohrene Henniges diese Krone der Kirche Bramstedts verehrt. Anno 1700.«

Die Kugel der zweiten Krone hat diese Inschrift:

»Sehl. Max Lahanns tochter aus Föhren schenkt diese Krone der Kirchen Gott zu Ehren. Worzu Hinrich Stöker und Elsabe Stökers gebeten. Sie möchten den Tempel Gottes mit der Verehrung betreten. Anno 1732, 24. Dezembris.«

Außer den Ehrentafeln für die Gefallenen ist noch ein Epitaphium in der Kirche an der Wand neben der Kanzel. Gerdt Steding, der einst Besitzer des adeligen Gutes Bramstedt war, hat es für seine kleine Tochter gestiftet.

»Anno 1586 den 29. Juni ist gestorwen
Christina, des Ehrenwert Gerdt Stedings und Elisabeth,
seiner Hussfrowen, Eheliche Dochter. Der Godt gnedich sei.
Hat gelewet 28 Wochen 3 Dage und Dorttein Stunde.«

 

 

Von den Orgeln in der Bramstedter Kirche

 

Wir lesen in den alten Kirchenbüchern, daß 1573 eine Orgel angefertigt wurde, die mit Lohn und Zehrung 147 Mark gekostet hat. Ob diese Orgel nun die erste war, muß bezweifelt werden, denn in einem Rechnungsbuch wird 1568 erwähnt, daß Hans Hinnerken für das Bälgentreten zwei Hümpen Roggen bekommen hat. Nachdem diese 1573 erbaute Orgel fertig geworden ist, ist »anstatt des gewesenen ersten Küsters, Caspar Röhlfink, ein Organist angenommen.«

Im Schwedenkrieg zogen 1659 Polen durch unsern Ort und haben in der Kirche »wüste gehauset« und die Orgel zerstört und auf dem Rückmarsch 1660 »die übriggebliebenen Pfeifen völliget verderbet.« Im Jahre 1667 wurde für Ersatz gesorgt. Man kaufte ein Positiv von sechs Stimmen aus der Glückstädter Stadtkirche für 360 Mark, welches am 1. Adventsonntag zum ersten Male »geschlagen« worden. Bis dieses Werk aber spielfertig war, ist es mit allen Unkosten auf 510 Mark zu stehen gekommen. »Hierzu ist eine Anlage gemacht und eingehoben vor jede Feuerstätte 2,80 Mark; davon sind damals 206 gewesen.«

Weshalb nun in den Jahren 1695-1701 ein drittes Werk gebaut werden mußte, ist nicht ersichtlich. Vielleicht reichte das Positiv nicht aus. Es wurde der Orgelbauer Johann Werner Klapmeyer aus Krempe beauftragt, ein Werk mit 24 Stimmen und Rückpositiv für 1750 Mark zu bauen. Nach jüngerer Lesart soll diese Orgel nur 16 Stimmen gehabt haben. Für die Aufbringung des Geldes lesen wir, »wozu Commisair Awerhoff nicht nur eine gute Summe von guten Freunden kollektieret, sondern auch selbst zur Bezahlung 40 Mark gegeben.«

 

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1844 wurde diese Orgel wegen Altersschwäche abgebrochen, und die Orgelbaufirma Wohlin, Altona, baute für 2400 Mark das heute noch stehende Werk. Bei dieser Gelegenheit wurde auch die Orgelempore vergrößert. 1845 wurde die Orgel eingeweiht. 1934 wurde sie von der Orgelbaufirma Furtwängler und Hammer in Hannover gründlich überholt. Dabei wurde sie teilweise durch Umbau nicht mehr gebrauchsfähiger Register um fünf Stimmen erweitert.

 

Maria Magdalenen

 

Solange die Bramstedter Kirchengemeinde den Satzungen der katholischen Konfession unterstellt war, hat sie den Namen »Maria-Magdalenen« geführt. Kein Wunder, daß von alters her das Maria-Magdalenen-Fest hier ganz besonders feierlich begangen worden ist. Als aber durch Luthers Reformation aller Heiligendienst und im besonderen der Marienkult keinen Platz mehr hatte in der Religionsübung, da konnten die Gemüter der Pfarrkinder, im besonderen wohl die Frauen, nicht allemal mit der erwünschten Raschheit die Umstellung zuwege bringen. 1542 ist hierzulande amtlich die lutherische Kirchenordnung eingeführt worden. Ist es nicht doch verwunderlich, daß fast zwei Jahrhunderte später sich noch ein Aufzucken gegen das Neue im hiesigen Gotteshaus bekunden sollte? Wir berichten nach einer im Kieler Archiv aufbewahrten Niederschrift aus dem Jahre 1733.

Der in genanntem Jahre hier eingeführte Seelenhirte Magnus Crusius will von einer Feier dieses Tages nichts wissen; das sei papistisch, er kenne ein solches Fest nicht, und es komme ihm vor, als habe die Sache bei den Bramstedtern einen abergläubischen Hintergrund.

In der Folge ist dennoch ein Teil der Kirchleute aus den Dörfern gekommen. Da gerade Handwerker im Gotteshaus arbeiteten, sind die Leute unschwer eingedrungen, um nun eine Art Gottesdienst abzuhalten. Eine besonders lebhafte Frau aus Armstedt hat das Amt eines Vorsängers übernommen. Nachdem die Sache ihren Reiz verloren hatte, sind sie abgewandert in die Krüge umher, um sich mit ihrem Werk zu brüsten. Der überraschte Crusius wendet sich an das Visitatorium. Dieses will in der althergebrachten Sache ungern etwas tun und zieht sich hinter den breiteren Rücken des Königs zurück. Dieser verschafft sich durch den Oberkonsistorialrath und General-Superintendenten Conradi die genaueste Information über Grund und Ablauf des Vorfalles. Dann entscheidet er:

1. Dem Pastor Crusius sei ein Verweis zu erteilen wegen der eigenmächtigen Aufhebung des Festes.

2. Die Hauptschuldigen aus der Gemeinde seien in eine gelinde Geldstrafe zu nehmen, weil sie ebenso eigenmächtig gewesen wären wie der Pastor, anstatt auf weg Rechtens ein Gesuch einzureichen.

3. Die Bramstedter seien bei der Feier dieses Festes nach uralter Gewohnheit zu belassen.

 

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Am Schluß dieses etwas brenzligen Kapitels noch im Auszug einige Ausführungen der Hauptbeteiligten. Denn dadurch gewinnen wir wertvolle Einblicke in Stimmung und Empfinden der Menschen jener Tage.

 

Also Crusius an den König:

 

»Die Gemeinde feiert das Fest, weil angeblich an diesem Tage der Bau der Bramstedter Kirche soll vollendet worden sein. - Es ist aber nicht möglich, in den hiesigen Kirchenbüchern eine Spur von Nachricht dieser Art zu finden. Es handelt sich um eine leere Tradition der lieben Alten. Auch in dem Kirchenbuche, welches von den Zeiten der Reformation selbst anfänget, ist nicht ein Buchstabe von diesem Feste aufgezeichnet. Daher ganz falsch und ungegründet, was zur Bemäntelung und Verteidigung dieses Festes möchte angewandt werden, als ob dasselbe zum Andenken der Reformation in diesem Orte gefeiert werde.

Vielmehr ist aus der Historie dieses Landes erweislich, daß die Ursache des erwähnten Festes in hiesigen Gegenden einen ganz abgöttischen und abergläubischen Grund habe. Denn so bezeuget eine alte und unverwerfliche Chronik mit klaren und ausdrücklichen Worten, daß Anno 1227, als der König von Dennemark Waldemarus II. eben in dieser Gegend am Tage Maria Magdalena vom Grafen Adolf von Schauenburg totaliter geschlagen worden, so habe die heilige Maria Magdalena in derselben Stunde, da die Schlacht bei Bornhövet sollte gehalten werden, nebst dem Kreuze Christi sich praesentiret und sichtbarlich mit erhobener Hand die Feinde des Königs Waldemar gesegnet und ihnen die victoria erhalten. Worauf denn Graf Adolph zum Andenken dieses Sieges aus Dankbarkeit sollte verordnet haben, daß nun die dasige Mörder-Grube solle in ein Haus des Gebets verwandelt und dieser Tag feierlich gehalten werden. Aus diesem Fabuleusen und fraglichen Grunde kommt es lediglich, daß das Maria-Magdalenen-Fest im holsteinischen Lande nur allein zu Bornhövet und Bramstedt noch heutiges Tages gefeiert und an solchem Tage öffentlich gedanket wird für die erhaltene victoria wider einen benachbarten Potentaten.

Er, Crusius, habe das Fest abgelehnt 1. als evangelischer Prediger und 2. als dänischer Prediger. Er bittet um Bescheid, wie er sich zu verhalten habe, wenn nun das Fest wieder herankommt. Damit er außer aller Verantwortung sein könne, weniger auch, damit das unruhige Volk, welches ohnedem bekannter maßen in dieser gemeine gern ihren Predigern verdrießliche Händel machen gewohnt ist, nicht ihrer caprice gestärket und durch ferneres Nachsehen gegen das Amt ihres Predigers und Seelsorgers aufsässig gemacht werde.«

Und nun Conradi, der General-Superintendent:

»Die Maria-Magdalenen-Feier in der Kirche zu Bramstedt sei uralt. Nie haben Fürsten oder Geistliche derselben bisher widersprochen. Wenn alle Feste, die bei uns aus dem Papischen übriggeblieben sind, beseitigt werden sollen, dann müsse eine noch recht große Reihe verschwinden. Man könne auch das Maria-Magdalenen-Fest sehr herrlich und erbaulich gestalten. In Wahrheit wisse weder der Pastor Cruse noch irgendein Bramstedter über den Ursprung dieser Feier.

 

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Aus der Kirchenverwaltung

 

Es soll hier berichtet werden über die Verwaltung des irdischen Gutes, dessen natürlich auch die Kirche nicht entbehren konnte, auch dann nicht, als Martin Luthers Lehre hier den Sieg errungen hatte. In den Jahren des Übergangs von der katholischen zur protestantischen Gotteslehre hat die Kirchenverwaltung durch Jahrzehnte etliche Wirrung und Irrung durchlaufen müssen, die selbstverständlich in den Gemeinden in unterschiedlichem Maße zutage getreten sind. Auch nach 1542, wo Johannes Bugenhagen, Luthers Freund, eine schleswigholsteinische, wesentlich aus dem Dänischen in das Plattdeutsche übersetzte Generalordnung geschaffen hat, war noch viel Unruhe und Unfertigkeit zu überwinden, bis die Neuordnung der Dinge überall auf sicherem Boden stand. Aus der Zeit der katholischen Verwaltung ist unserer Gemeinde schriftliche Urkunde nicht erhalten geblieben; die katholischen Priester haben zwar Meßbücher führen müssen, indessen bei ihrem Abtreten davon nichts zurückgelassen. Ein blinder Zufall hat es gewollt, daß mit einiger Sicherheit Nikolaus Möller als der Priester genannt werden kann, der um 1400 im Kirchspiel Bramstedt seines Amtes gewaltet hat. Zwei hiesige Bürger haben solches Anno 1448 durch Eid feierlich bestätigt, wenn auch der Schwur nicht gerade auf solche Bestätigung hinzielte. Die Evangelischen haben die Verwaltung des Kirchengutes in die Hand von vier, durch die Eingepfarrten zu wählenden Männer, die man dann als Kirchschworene oder Juraten bezeichnete, gelegt und zwar auf je drei Jahre. Sie hatten Buch zu führen und jährlich Rechenschaft abzulegen. Anno 1568 ist, soweit erkennbar, zum erstenmal diese Wahl erfolgt.

»Van wegen des kaspels (Kirchspiels) sind gekoren:

dirich Rolefinch tho bramestede

hanß schacken tho wymerstorpe

junge hinrich krusen tho barle

Jasper mertenß tho armestede.«

Gewissenhaft wird hinzugefügt: »Dith boek steith (kostet) 7 Schilling.«

In Gegenwart des Kirchspielvogts Vageth wird der Kassenbestand der Kirche aufgenommen. Man findet 60 Mark in Gold, 19 halbe Dhaler und ein Goldstück von 30 Mark (1 Portegleser-Ehrenschmuck); dazu einiges Kleingeld.

Es folgt in denkbar einfachster Form die Abrechnung über das Jahr 1568.

 

Einnahme

 

Is de roggen uthgemeten, jeglicher schepel vor ene Mark

Timke ßchulte

10 Himten        

jasper brockstede

4 Himten

hartich röpke

2 Himten        

hanß gnuth

5 Himten

marquart wischmann

2 Himten        

 

 

hanß brockstede

4 Himten

 

 

davor hefft he gearbeith up den altar

                                                   

 

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markuß kruse

5 Himten

johann schulte

8 Himten

fabian schomaker

4 Himten

dirich rolefinch

4 Himten

hanß gnuth

4 Himten

harmen horn

8 Himten

hanß ruge

6 Himten

franß horn

4 Himten

hanß henneke

(vor dat belge treden)

2 Himten

dirich slüter

2 Himten

 

 

 

lorenz gosow

4 Himten

disse   baben   schrewen

roggen   ys

albert birck

6 Himten

betahlt.

 

 

Ausgabe

 

De karksworen hebben vorthereth, alse de roggen worth utgemeten 21 Schilling de karkherr hefft entfangen vor wyn unde broth 9 Mark

noch hefft de karkherr entfangen, wat de prauwsth (Propst) verthereth, alse he nha segeberge reisede 6 Mark

Casper rolefinch hefft entfangen 7 schepel roggen, welkenen roggen he scholde up vastelawende entfangen hebben,

noch Casper rolefinch gegewen 1 Mark vor dat meßkleth (Meßgewand, eine katholische Erinnerung) waschende.

noch hebben wy karksworen dem karkherren gemethen 10 Himten roggen van der hür (Pacht) wegen von dem bostel, dar de karkherr up gespraken (aufgekündigt) hefft.

noch hebben de achtmänner vorthereth, alse se de holtinge (Holzteil) besegen, so thor karken gehört 24 Schilling,

hans hinnerk is noch schuldich 2 Himten roggen.

 

Begründung der Kornlieferung

 

Voraus nehmen wir zur Kenntnis, daß durchaus nicht jeder Grundbesitzer im Kirchspiel zu solcher Lieferung verpflichtet war, nicht einmal, wie wir sehen werden, in jedem Dorf ein Pflichtiger zu finden ist.

Das Kirchenbuch gibt aus Anno 1569 folgende Nachrichten:

Bramstedt. Henneke Dyrk tho Hiddeshusen hefft gegewen einen reep (Stück) des Asbroke, de hefft belegen gewesen tho hartich Bramstedes Katstelle, dar want nu thor tidt Jung Hans Stamer Johann up und gifft den Karksworen jahrliches grund für 3 Mark.

Noch hefft de Kark Maria Magdalenen ein Sadt (Acker), dor up Isern hinnach nu thor tiedt wanet, gifft jarlikes auf lütt Fastelawendt 1/2 Drompt roggen.

Clawes Jnuth hefft von dem Karkenherren eine Wische, genannt die Bornwische, darvor jarliche renthe 6 Mark. Wen he datt geldtt nich lenger will uthgewen, so ys die wische der karken.

 

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Hiddeshusen: De Karsworen tho Bramstede entfangen jarlich uth eren sade, dor nu thor tidt henneke Schacht up wanet, 20 Himten roggen up lütte vastelabendt. -ys nicht tho Lösen.

Carsten Volscher ys der Karken 240 Mark höwetstoell (Höftstuhl-Kapital) schuldig; die renthe ys 16 Himten roggen up lüdtke Vastelabend. - Is nicht tho lösen.

Borstel (gesprochen: Basl): Henrich Kruse wanet up der Karken Bramstede Stede; davor methet he jarliches up lüdke vastelabend 20 Himten roggen; wenn uns dat Sadt will upseggen, schall dat eyn Jhar tho vooren geschehen.

Hagen: Timme Sibberth thom Hagen gifft der Karken jahrlich lütke V. 2 Himten roggen. ys nich tho lösen.

Hartich Mußfelds nhagelatene Frau, de jetzigen dat Sadt noch bewanet, metet jarlichen 16 Himten roggen; is nicht to lösen.

Brockstede: Junge Timme Lindemann metet jarlichs der karken 3 Himten roggen; ys nicht tho lösend uth dem Erwe (Erbe); »synd noch tho allen tiden gemetet worden.«

Hasenkrog: Clawes Vischer gifft vor höwetstoell jarliches an rente 6 Himten roggen.

Hardenbeke: Timme Stöcker alle Jhar vor einer Wische 6 Schilling up 1. V. Noch metet Timme jarlich der karken 3 Himten roggen. Is nicht tho lösend.

Wiemersdorp: Hartich Ordt von der karken Saedt jarliches up 1. V. ein Drompt roggen.

Jasper Stöcker alle 4 Jahr 4 Himpten roggen; is nicht tho lösend. Jasper Stöcker noch für hövetstoell jarlichs 4 Himten roggen tho meten.

Fulendorp: Clawes Musfeld gifft von der Karken Sadt jarlichs up 1. V. 20 Himten roggen.

Olde Timme Verst gifft den Karksworen jarliches up 1. V. 2 Himten roggen; ys ewig uth dem Erwe tho gewen und by der karken tho bliwen.

Itzehoe: Christoffer Elers is der karken jarliches rente schuldig 5 Mark wegen hundert Mark hövet stoell.

Dieser Nachweis der kirchlichen Einnahmen belehrt uns, daß Anno 1568 weder die Gemeinden noch die Eingepfarrten nach einer bestimmten Skala eine Kirchensteuer zu bestimmtem Termin zu entrichten hatten. Soweit es sich um die Unterhaltung des Predigers und seiner Familie handelt, hatte man durch die Zuweisung einer Vollhufe eine gesunde Basis geschaffen; hinzu kamen die Gebühren für die mancherlei Dienste, für welche die Geistlichen in Anspruch genommen wurden, sei es im Gotteshaus, im Privathause oder auf dem Friedhofe. Immerhin fügte man freie Wohnung und Wirtschaftsgebäude und deren Instandhaltung hinzu, auch noch »eiserne Kühe«, für deren Beschaffung und Wiederverkauf zur rechten Zeit die Kirchschworen zu sorgen hatten. Man darf sich den lutherischen Geistlichen jener Tage vorstellen als einen Mann, der Kutschpferde zu zügeln wußte und mit landwirtschaftlicher Hantierung vertraut war. Ein Seelsorger wird schon derzeit mehr erreicht haben, wenn er unter seinen Pfarr-

 

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kindern lebte und wirkte, statt über seiner Gemeinde seinen Platz zu wählen. Wer pflügen, säen und ernten will, tut gut, sich an den Erdboden zu halten. Wer hat nun die Vollhufe hergegeben? Sämtliche Ortschaften des Kirchspiels? Nein, allein der Flecken. Wir sahen, wie die Kirchenverwalter einzelnen Hufnern und Kätnern in den Gemeinden Geld aushändigten und dabei das Recht der Kirche sicherten durch Verpfändung von Grund und Boden, sei es auf kürzere oder längere Zeit, auf Zeit- oder Erbpacht oder auch, und nicht selten derart, daß eine Lösung für immer ausgeschlossen wurde. Auf diesem Wege hat die Kirche 1568 und auch früher schon und später noch in den Dörfern bald geringere, bald größere Parzellen ihrem Eigentum eingefügt. Von einem Verfahren, das ein Stück Land in verhältnismäßiger Größe und Güte aus den verschiedenen Gemarkungen dem Kirchenlande rechtlich anschließen sollte, verlautet nichts.

Unsere Aufzeichnung aus Anno 1568 nennt nicht Bimöhlen, Armstedt und Förden. Das ist wohl darin begründet, daß B. bis zur Reformation Klostergut (Reinfeld) gewesen ist, A. zum größten Teil desgleichen (Itzehoe).

Verpachtungen aus der Hufe des Pastoren waren auch möglich, doch war auch dabei die Mitwirkung der Kirchgeschworen nötig, ferner die Zustimmung des Visitatoriums.

Auffallen mag es, daß die Grundpacht und die Vergütung für Anleihen in so erheblichem Umfange durch Roggenlieferung gedeckt wird. Das ist aber nur einem Zustande gemäß, der in jenem Zeitalter und noch durch ein paar Jahrhunderte weiter in Holstein allgemein im Schwange war; dem entspricht ja auch, daß man den Pastor in der Hauptsache auf die Nutzung seiner Hufe anwies; auch die Entlohnung der Tagelöhner (besonders beim Dreschen), der Knechte und Mägde wurde wesentlich durch Hergabe von Naturalien erledigt. Die Einführung der Geldscheine ist ja auch nur eine beschränkte Verbesserung; gerade das 20. Jahrhundert hat uns eindringlich belehrt, daß ein Sack Korn mehr bedeuten kann als eine Handvoll Geld.

Anders steht es um die Art und Weise, wie die Lieferung des Roggens, dat Utmeten, sich vollzog. Dafür wurde ein Termin festgesetzt, Ort war die Grotdäl in der Scheune, wohl auch im strohgedeckten Wohnhaus des Pastoren; die Kirchschworen hatten das Messen zu besorgen oder wenigstens zu überwachen, wobei auch die Qualität des Korns in Betracht kam; die nötigen Maße hatte die Kirche bereitzuhalten. Der Pastorin fiel es zu, den liefernden Bauern, die zum großen Teil einen langen Weg zu machen hatten, und zwar in der winterlichen Fastnachtszeit, gastlich mit einer erquicklichen Mahlzeit aufzuwarten. Dazu tranken auch diese Deutschen ein Glas gutes Bier, wohl auch mehr. Das Getränk ging zu Lasten der Kirche, und die Kosten, welche die Geschworenen dafür zu verbuchen hatten, standen oft in einem nicht unbedenklichen Verhältnis zum Werte des Kornes.

In diesen bedenklichen Zugaben zur an sich erfreulichen Kornlieferung lag der Keim zu späterer Änderung; zuerst wurde die pastörliche Küche von der Beköstigungspflicht befreit, und im 19. Jahrhundert haben die Kornlieferungen.

 

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überhaupt aufgehört. Im Jahre 1875 sind auch die Verpflichtungen zu »nicht zu lösender« Grundrente durch Landesgesetz aufgehoben worden; an ihre Stelle trat eine im Laufe von 56 Jahren zu bewerkstelligende Ablösung durch gleichbleibende Jahresraten. Das Wort »Kanon«, als welchen man die »unlösbare« Belastung des Grundbesitzes gern bezeichnet hatte, ist inzwischen ein seltener Gast in unserer Sprache geworden.

Noch möchte ein Wort angebracht sein zu der Feststellung, daß, soweit erkennbar, der Flecken allein die Hufe für das Pastorat hergegeben hat, ohne also die Dörfer heranzuziehen. Einmal stand es im Rechtsbereich des Landesherrn, in solchem Sinne Entscheidung zu treffen, wie Christian IV. viel später fünf Hufen aus der Bramstedter Gemarkung seiner Wiebke zugewendet hat, ohne Entschädigung dafür geleistet zu haben. Zudem wird man glauben dürfen, daß schon die Bramstedter jener fernliegenden Zeit, wo hier die Kirche gegründet und ihre Ausstattung vorzunehmen war, nicht blind gewesen sind hinsichtlich der wirtschaftlichen Vorteile, die der zu erwartende Kirchenbesuch aus zwölf Dörfern manchem Fleckensbewohner, nicht allein den Gastwirten, in Aussicht stellte. Man übersehe nicht, daß durch Jahrhunderte der Kirchenbesuch nicht Ergebnis der freien Entscheidung, sondern gesetzlichen Zwanges gewesen ist. Auf festlichem Stuhlwagen mit gepolsterten Sitzen rückte der Bauer mit seiner Familie, auf Leiterwagen mit quer aufgelegten »Sitzbrettern« und Stroheinlage zum Schutz gegen Kälte und Wind rückte das Gesinde am Sonntage heran zum Gottesdienste, und die Gelegenheit zu dieser oder jener Besorgung wurde gern benutzt. Die groß angelegte schützende »Durchfahrt« in der nahe gelegenen Gastwirtschaft war geradezu eine Notwendigkeit.

Bei dargebrachter Beschaffenheit der Einnahmequellen der Kirche hat eine vom »Stadtholder« dem Propsten aufgetragene Revision 1569 ergeben:

1. De Kark hefft an Roggen in tho kommende 8 Drompt 21 Himten

2. an Gelde von liegendem Erwe und Renthen 11 Mark 3 Schilling 6 Pfennig.

3. Noch hat sich ein Barbestand von 88 Mark ergeben; dieses Geld sollen die Geschwornen zugunsten der Kirche auf Rente don (tun, geben).

4. Bei Casten Tiedke tho wymerstorppe syn etliche Johr alle Jor 4 Himten Roggen untstendigk; dat scholen se inmanen un denn up Renthe don.

5. Wegen 1 Drompt Roggen, die Casten Fülscher jährlich geben sollte in Auswirkung einer Erbschaft, hat der Statthalter (Ranzau) mit Fülscher verhandelt und vereinbart, daß gegen Erlegung von 170 Mark genannte Verpflichtung entfällt. Darüber wurde »besegelder Brief«1) ausgefertigt und dem Pastorat aus gehändigt. - Auch dieses Geld wird den Karksworen gegeben, daß sie es auf Renten »don« und die Rente jährlich dem Pastor geben. (Hier handelt es sich offenbar um Vermächtnis zugunsten des Pastorats. Es braucht kaum gesagt zu werden, daß ähnliche Legate auch für die Kirche gestiftet worden sind; sogar ein Knecht in Wiemersdorf hat sich dessen nicht enthalten wollen.)

Es ist nicht unauffällig, daß die Kirche nicht nur aus »ewigen«, nicht zu lösenden

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1) Vertrag

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Verträgen, sondern auch zeitlich bedingten keine Zinsen, statt dessen aber Rente zieht. Wir haben es hier mit einer Auswirkung des katholischen Zinsverbotes aus dem Mittelalter zu tun; jeder Zins sei Wucher, also strafbar. Da sich dieses Verbot länger erhalten hat, als man seine Richtigkeit und Zweckmäßigkeit anerkennen konnte, so schlug man diesen Seitenweg ein, der freilich nicht dem ursprünglichen Begriff einer Rente gerecht wurde. - Die Kirche forderte damals für jede Kurantmark ausgeliehenen Kapitals 1 Schilling Rente, d. i. 61/4 vom Hundert.

Noch ein Blick in die Schatzkammer unserer Kirche. Man fand in geschlossener Kiste: eine silberne Monstranz, zwei vergoldete Kelche, eine silberne Büchse und einen silbernen Löffel, ferner zum alltäglichen Gebrauch bei den Kranken einen kleinen silbernen Kelch; endlich noch eine silberne und eine irdene Patene: zierliche kleine Schalen, worauf die Oblate dargereicht wurde.

Hiermit ist das Tor zum Arbeitsbezirk der Kirchgeschwornen geöffnet. Sie nun an Hand der jährlich abzuhaltenden »Rekenschop« zu begleiten, immer nur das Lesenswerte beachtend, soll unsere nächste Aufgabe sein. Das alte Kirchenbuch gibt aus einem vollen Jahrhundert die Gelegenheit dazu.

Anno 1573 finden wir zur Rechnungslegung versammelt: Ehrwürden Herrn Probst Johannes Vorstius, Borsfleth, Nikolaus Winterberg, Pastor Isaak, Detlev Wolders, Diener des Herrn Statthalters Hinrich Rantzau, Jürgen Karspelvagt, die »Olden und nien karksworen« und die acht deputierten Männer.

Was lag vor?

»Derwile de olden Karksworen sick beklaget, dat se an roggen bestalen und das auch etzliche schuldt bei den Leuten, als Jasper Titken nahstendigk, so haben Inen de Nien karksworen und die Acht deputirten solche 10 Mark 13 Schilling nachgegeben und die Rechenschaft als klar und beschlossen angenommen; jedoch soll man von Jasper Titken die schuldt fordern.«

»Ferner ist zu vermerken, daß künftige Zeit Jasper T. vor die 12 Mark, davor he gegeben 4 Himten, schall geben 12 Schilling. Demnach fällt die Roggenrente um 4 Himten und beträgt nun 8 Drompt 5 Himten, dagegen steigt das Rentegeld um 12 Schilling.

Die Kiste in der Garve(Schatz)kammer zeigt einen Zuwachs: »alte Krallen (Korallen) und Bernstein, foffeken mit sülwern Ringe«.

Im nächsten Jahre werden 8 Drompt und 5 Himten umgerechnet mit 147 Mark 12 Schilling. »Derwyle awerst in der methe an roggen gefelet 6 Himten, to gelde gerekent 4 Mark 8 Schilling, so is de Summe in Wahrheit 143 Mark 4 Schilling«. (Die Mark ist 16 Schilling; danach läßt sich hier berechnen, daß 1 Drompt = 24 Himten ist. - Der Verfasser.)

1577 ist auch Pastor Nicolai aus hilligenstede anwesend bei der »Rekenschop«. In welcher amtlichen Eigenschaft er hier waltete, ist schwer festzustellen. »Wyle die Karke dit Jar mit niger Decke gedecket und dortho geldes bedarwett, is de Monstrantz (ein Erbteil aus katholischer Zeit), weleke beth tho her by der Karken erholden, vorkofft; woch 55 loth, dat loth tho 14 Schilling, sünd in Summa 59 Mark 8 Schilling.«

 

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»Darvor de Karksworen im thokünftigen Jar rekenschop dhon scholen.« Anno Domini1) vyffhundert Acht und Söwentich den ersthen July fand diese Abrechnung statt. Ein anspruchsvolles Jahr war verstrichen. Die ordinäre Einnahme reichte entfernt nicht, auch der Erlös der Monstranz verschlug nicht.

Man schaffte noch herbei

Vor kalk und olden Kinderhus upgeböret

52 Mark  

8 Schilling

 

So ock eine gemeine tholag (Umlage) von dem Bleke und Kaspel tho den Klocken

306 Mark

8 Schilling

 

durch Aufkündigung von Kirchenkapital

109 Mark  

4 Schilling

 

Alles in allem brachte man zusammen

830 Mark  

7 Schilling

6 Pfennig

Demgegenüber die tatsächlichen Ausgaben:
Vor de Karken desülwe ny tho decken,
dat Kinderhus tho maken un suß (sonst) an andern uthgegewen

466 Mark

15 Schilling

 

Vor de beiden Torme, den klenen nye tho bauen und den groten uttobetern

282 Mark  

7 Schilling

 

Vor de beiden Klocken, desülwen tho geten,

thosamen

365 Mark

4 Schilling

 

So schließt diese Aufrechnung mit einem Unterschuß von 

284 Mark  

2 Schilling

6 Pfennig

 

Zur Abdeckung haben die Karkschworen hundert Gulden aufgenommen, wofür die Kirchenkasse die Rente aufzubringen hat, bet se ganz bethalet hett.

Wo ist der kleine Turm geblieben? Was hat es mit dem Kinderhause auf sich? (Das Kinderhaus war ein Anbau, in dem die Täuflinge mit ihren Angehörigen warteten, bis der Pastor sie abholte.)

1580. Ehrsamer Herr Winterberg, dessen Wohnort nicht genannt wird, und der Kirchspielvogt Vageth nehmen immer teil an der »Rekenschop«.

Aus Anno 1593 wird traurige Kunde gemeldet. Die in der Kirchenkiste schlummernden Schätze: der Geldüberschuß vom vorigen Jahr, 75 Mark 6 Schilling, der Überschuß von 1593, 57 Mark 3 Schilling, und die noch vorhandenen Abendmahlsgeräte lagen eingeschlossen. Durch Diebstahl gingen die Geräte zum Teil, das Geld aber restlos verloren.

An Stelle des Herrn Nikolaus Winterberg war diesmal Johannes Vorstius, Pastor zu Borsfleth, anwesend.

Das Jahr 1595 machte wieder eine »tholage« nötig, weil die Kirche mit weiteren zwei Glocken ausgestattet werden sollte. Es waren ja zwei Türme vorhanden, und bis dahin waren auch nur zwei Glocken eingebaut. Die Kosten stehen zu Buch mit 555 Mark 2 Schilling 9 Pfennig. Die »tholage« erzielte 343 Mark 13 Schilling, also fast 40 Mark mehr als die erste Einwerbung von 1578.

Es offenbart sich hier eine erfreuliche Bereitschaft der Eingepfarrten, die auch in harter Zeit nicht versagte. Doch fehlte es nicht völlig an gegenteiliger Haltung; sie fand sich dort, wo man sie am wenigsten vermuten möchte. Der Statthalter

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1) Das Jahrtausend wurde nicht selten ausgelassen.

 

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Rantzau war damit so wenig einverstanden, daß ihm eine Brandmarkung angebracht erschien. Das Kirchenbuch gibt darüber folgende Kunde:

»Tho gedenken, dat der Statthalter (der Herzogtümer) Hinrich Ranzau befalen, alhir thor gedechtnisse her tho setten, dat Gert Steding sich geweigert, tholage tho don tho düssen klocken.«

Die Kirchenglocken haben auch so unverdrossen ihren Dienst geleistet, und die Gemeinde hat die kleine Unterbilanz des Jahres - rund 80 Mark - bald überwunden ; im Jahre 1599 war bereits ein Guthaben von nahezu 500 Mark eingespart. Das neue Jahrhundert nahm für die Finanzen der Kirche einen guten Anlauf. Propst Matthias Clodius führte eine feste, sichere Hand. 1605 verabschiedete er sich unter Hinweis auf die überschießenden 681 Mark 10 Schilling 1 Pfennig von den Kirchgeschworen mit der Mahnung, dies Geld zu wahren und zum Besten der Gemeinde zu verwenden.

Im nächsten Jahre - 1606 - wird unter den Einnahmequellen zum erstenmal das Klockengeld genannt, allerdings mit einem Betrage = Null. Da ist wohl anzunehmen, daß das Läuten den Leuten bislang keine Kosten verursacht habe; denn daß vorher überhaupt nicht geläutet worden sei für die Hochzeiten und für die Toten, das ist wohl nicht zu denken.

1607 hat dann ein Klockengeld aufzuweisen: 7 Mark 2 Schilling. Der Herr Pastor Hamerich hat zu dieser Buchung einen vielseitig strahlenden Stern hinzugefügt, als wolle er eine schöne, neue Zeit begrüßen.

Anno 1609 bringt Matthias Clodius, der inzwischen nicht versäumt hatte, seine Mahnung an die Kirchgeschwornen alljährlich in melodischem Gleichklang zu wiederholen, eine Neuerung in die Handhabung der geldlichen Angelegenheiten, die ihn als sorglichen Verwalter kennzeichnet. Ihm gebührt, eigenen Bericht zu erstatten:

»Derwyle befindlich ut vorigen Rekenschöppen, dat de Karke etliche mahl den Karkschworen iß schuldig geblewen, also dat keine Reste bliwen mögen: Nu awerst thom Rentegelde von den Resten, na Jaren thogedan und vermehret, alse (wie) uth dissen Rekenschöppen tho sehende: So hefft man nunmehr, umb betern narichtinge willen, den hovetstoll (Grundkapital) nicht wollen mit in de Jarliche Inname setten, sondern alleine de Rente, dormit man erkennen möge, effte (ob) de Karkschworen, mit der jarlichen hewinge (Hebung, Einnahme) können thokamanen (ausreichen) und voröweren (erübrigen): Befindet sick demna, dat de Inname disses Jhares gewesen 211 Mark 11 Schilling. - Wenn nu hier affgetagen wart de uthgawe alse 157 Mark 4 Schilling 6 Pfennig, So bliwen de Karkschworen der Karken schuldig 54 Mark 5 Schilling 6 Pfennig. - Hiervon hebben de Karkschworen up Rente gedan 50 Mark; darvon dat thokamende Jhar de Rente schall folgen: ock wat se sonst utgedan von folgender hewinge: Is nu veraffschiedet (abgemacht, beschlossen), dat de Karkschworen alle Jhar den Rest in einer schöttel (Teller, Schüssel) schölen dar leggen und tellen laten.«

Mit dem Klockengeld wollte es nicht vorangehen. Statt der erstmaligen Einnahme von gut 7 Mark Anno 1607 folgen in den nächsten Jahren: 3 Mark,

 

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2 Daler; 2 Mark 1 Schilling; 8 Schilling; 2 Mark 6 Pfennig; -; -; 2 Mark; 1 Mark 13 Schilling - und erst das Jahr 1618, Beginn des Dreißigjährigen Krieges, zeigt eine Steigerung auf 5 Mark.

 

Von Spenden

 

Anno 1606 am 16. September ist dem Kirchenbuche folgendes Vermächtnis einverleibt worden, und zwar durch mehrgenannten Propsten Matthias Clodius: »Tho gedenken, dat in bywesende vorgedachten Erwürdigen, Erbaren und Ersamen Herrn Pastorn, Caspelvagt und Karkschworen, huden dato (heute) na vollendinge der Rekenschop, by nüchterem, wolbedachten freyen mode (Zumutesein, Gesundheit) und Willen Marten Mertens (derzeit Kirchgeschworner) der Karken tho Bramstede verehret 100 Mark lubsch, welkere 100 Mark itz stan alhir tho Bramstede by Hanß Fulendorp, de den Karkschworen na sinen Dode scholen vullen kamen ane Jennige (irgendeine) Inspringe (Eingreifen, Hindern) tho fernerer Rekenschop thogestellet werden.«

Anschließend ist am 11. Juni 1616 eingetragen worden:

»Tho gedenken, dat de 100 Mark von Marten Mertens Anno 1606 gegewen, nicht alleine in voller Rente gan und von hanß vulendörpe Jarlikes entrichtet wart, besonders (sondern) datt ock Hans Mertenß huden dato, up disser geholdenen Rekenschop der Karken tho Bramstede verehret und gegewen 50 Mark lubsch, welkere he uth orsaken gegewen, dat em sin Endt angegewen worden, alse he in Delinge (Aufteilung) der geerbten güder recht gehandelt: wo he denn ock der orsaken halber vor den Armen tho Segeberge 30 Mark lübsch gewen schall.« Im Jahre 1620 ist die Kirche ihrerseits Spenderin, indem sie »thor Glückstadt möten gewen 150 Mark«. Die Ausdrucksform deutet hin auf Zwang, auferlegt durch Christian IV., der damals viel Geld für die Gründung und Ausgestaltung dieser Stadt verbraucht hat. Von Überschwemmungsnot, die diesem »künstlich geschaffenen« Orte allerdings reichlich widerfahren ist, weiß Glückstadts Chronik aus genanntem Jahre nichts zu berichten.

Im nächsten Jahrzehnt sind nur drei Jahresberichte abgelegt worden: 1622, 1625 und dann wieder 1631. Es ist ein Merkmal dafür, wie schwer der unglückselige Religionskrieg in die gewohnte Lebensordnung unserer Vorfahren eingegriffen hat. Schon die Rekenschop von 1622, die letzte, die der wackere Matthias Clodius geleitet hat, ist nicht ohne Störung geblieben. Darüber soll berichtet werden. Wirkende, neben Genanntem, waren: Erwürdige und Wohlgelerde Herr G. Nikolaus Winterberg, Pastor tho hilligenstedt, Convisitator, und Herr Johannes Hamerich, Pastor hieselbst, sehr krank, und wolgeachte Erbare Casper Vaget, Caspelfagt, und sämtliche Karkschworen, alse Markus Losemann, Hanß Hardebecke, Tewes Hardebecke und an des Seligen Albrecht Stamerjohans Stelle erweldter Jochim Westphale.

Die Revision ergibt, daß die Einnahme mit Einrechnung des Bestandes vom vorigen Jahre 888 Mark 13 Schilling beträgt. Eine Sorge um die Deckung der laufenden

 

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Ausgaben lag noch nicht vor. Auch nach Verlust von 2 Mark 4 Schilling, den die Verausgabung der bislang von der Kirche gehüteten Daleren (Taler) verursacht hatte, hatte nicht gehindert, dem Sohn des Pastoren 3 Mark 6 Schilling zu verehren. Aber es fehlte die rechte Ordnung. Möge noch einmal Clodius das Wort nehmen. Wiederum ist Geld »up Rente gedan«. -

»De wile awerst de Rente dat folgende Jhar wart erst thor Rekenschop kamen, so is de hövetstol als eine Uthgawe mit gesettet, nademe de Selige Albrecht Stamer Johann em by sick beholden und solke grote Inname gesettet wegen Schwachheit seines Verstandes; Solches wedder in richtigkeit tho bringende hefft de nottorft (Notlage) erfordert, de gelder, so up Rente gedan, besondrigen tho settende, und befindet sick, dat, wenn einß vone andren affgetogen wart, dat also der Selige Albrecht Stamer Johann noch öwrich gehat 6 Rickesdaler, Iß 18 Mark und noch 4 Schilling. - Wenn nu disses 1622. Jahres Hewing (Einnahme) dor tho gedan wart, befindet sik, worvon de Karkschworen scholen kunftig Jar Rekenschop dhon.«

Die nachfolgende Aufstellung ergibt einen Betrag von 282 Mark 14 Schilling. Solches Geld wird Jochim Westphal »thogestellt«, womit auch ihm an erster Stelle die Verantwortung zufallt.

Clodius unterläßt nicht, um restlose Klarheit zu schaffen, folgenden Nachtrag niederzuschreiben:

»Noch sint by dem Herrn Pastoren 100 Mark ane Rente.
Noch sint by Hans Hardebecke 100, de künftig Jhar 5 Mark Rente bringen.
Noch sint ohne de 100 Mark, so by Albrecht Stamer Johan im Register stan, noch 100 Mark, de nicht tho Register gebracht: darvan künftig Jar wardt ein beter Register in guder richtigkeit folgen.«          

gez. Matthias Clodius

 

Es ist anders gekommen, als Clodius gedacht und geplant hatte. Erst nach drei Jahren gab es eine Rechenschaft abzulegen, woran er nicht beteiligt sein konnte. Dethlevus Meyer war an seine Stelle getreten. Es wurde im wesentlichen nur festgestellt, daß die Bramstedter Kirche nach allen Ausgaben noch 322 Mark 8 Schilling in Besitz hatte, die ihr auch zu weiterer Verfügung blieben. - Ferner wurden die 100 Mark, so bei Stamer Johan im Register standen laut letztem Bericht, gänzlich kassiert, und zwar »dewile man keinen >Hauptbrief< hatte, damit sie bescheinigt werden konnten«.

Wir lassen die Möglichkeit offen, daß in vorliegendem Falle erwähnte »Schwachheit des Verstandes« dem Inhaber keineswegs zum Schaden geworden ist. Die nächsten Abrechnungen beschäftigen sich mit rückständigen Leistungen und kommen zu befriedigendem Ergebnis - Nur die Vikarie, ein Nebengebäude gegenüber der Kirche, wo in katholischer Zeit die Vikare, Hilfsgeistliche, ihren Unterschlupf hatten, nun aber Mietsleute wohnten, machte Sorgen. »Wegen vorfallender Strittigkeit« ließ man diese Sache vorläufig ruhen. - Auffällig ist, daß fortan statt einer Unterschrift deren vier vorzufinden sind. Für 1634 unterzeichnen: Vitus Barbarossa, Propst; Henricus Wichenius, Pastor zu Wilster; Henricus Galenbecius, Pastor zu Bramstedt; Johann Vagett, Kirchspielvogt.

 

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Anno 1636 gestaltete sich die Abrechnung besonders umfangreich und schwierig. Der Amtmann von Buchwald, erbgesessen zu Pronstorf, hatte wohl deshalb seinen Amtsschreiber von Lange delegiert. Umfängliche Reparaturen in der Kirche, dazu der Wiederaufbau eines Turmes, hatten ungewöhnliche Kosten gezeitigt. Kirchenkapital wurde eingezogen, eine erhebliche »Zulage« im Kirchspiel erhoben. Einer Gesamtausgabe von 5615 Mark stand eine Einnahme von 5605 Mark gegenüber. Glücklicherweise stand derzeit kein Feind im holsteinischen Lande. So konnte die Umlage zum überwiegend größeren Teile eingezogen werden; der Betrag des restant gebliebenen Geldes belief sich auf 190 Mark 9 Schilling und verteilte sich wie folgt:

 

Armbstede

5 Schuldner mit je

6 Mark

 

 

Hiddershusen

6 Schuldner mit zusammen

42 Mark

9 Schilling

Diese Gelder

Vörde

1 Schuldner mit

6 Mark

 

einzutreiben

Brambstede

9 Schuldner mit zusammen

28 Mark

 

war Sache der

Brambsteder Pflegegeld

30 Mark

 

Geschwornen.

Von der Vikarie

54 Mark

 

 

Dieser ungewöhnlichen Rekenschop wird noch angefügt:

»Zu wissen, daß bey dieser gehaltener und dorch Jochim westfahlen und seiner mitgehülfen abgelegter Kirchenrechnung berürter Jochim westpfal altershalben resigniret und abgedanket, daraus seines aufrichtig geführten Kirchenvorsteher-Amptes halber nicht zu beschuldigen gewesen. So sein auf beliebung des Königl. Herrn Amptmannes zu den beiden vorigen Kirchgeschwornen, alß Tewes Hardtbeke und Hans Mohr, noch zwene andre, alß Johann Bartels zu Bramstede und Marx Mohr zum Borstell als jetzt neue erwehlet und eingesetzet, auch danach alle Viere in des Herrn Prowstes Gegenwart mit eyde belegt (vereidigt) worden, der Kirche Bestes zu wissen und zu befördern, dagegen aber allen schaden besten Vermögens zu verhindern.          

Bramstedt, den 15. Okt. 1636.«

 

Nach der Art, wie die Beeidigung durchgeführt wurde, ist zu vermuten, daß solche früher nicht erfolgt sei; sie hätte sonst im gegebenen Zeitpunkte nur für die Neugewählten noch einen Sinn gehabt.

1636 bringt noch eine weitere, vom Amtmann bestätigte Verordnung:

»Wenn die Kirchgeschwornen des Kirchengeldes oder der Zulage halber pfänden, so sollen sie berechtigt sein, wofern die einlösung innerhalb 6 Wochen nicht geschieht, dieses pfandt unparteilich aufs höchste als möglich zu verkaufen, umb daraus der Kirchen rest zu erlangen und das übrige dem Schuldner zurück zu geben.« Im Jahre 1637 ergibt die Einnahme rund 100 Mark mehr als die Ausgabe. Aber die Zahl der Restanten ist noch nicht ganz auf die Hälfte gesunken. Dabei ist zu beachten, daß eine neue Zulage von 600 Mark eingestellt werden konnte. Von diesem Jahre an werden von der Roggenheuer 4 Tonnen eingestellt als Ausgabe für den Coster und Belgentreder.

Anno 1640 gibt es einen Auftrieb zu verzeichnen: Für Kirchenstände gehen 5 Mark ein, auch das Klockengeld wird mit 3 Mark sichtbar. Dazu kommen 100 Mark von Christine Nyemann, anscheinend als Spende.

Das nächste Jahr hat eine hohe Zulage - 1275 Mark - nötig gemacht. Die nächste

 

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Abrechnung erfolgte vollgültig erst Anno 1646; inzwischen hatte der schwedische General Torstenson das holsteinische Land schwer heimgesucht. Aus dem Jahre schallt es herüber:

»Weill bey weylandt des wollwürdigen, andechtigen und wollgelarten Herrn Praepositi Matthiae Clodii inspektion und dessen Vorgängern die Kirchenrechnung die Einnahme und Ausgabe zu Buche geführt, daß da die Kirchschworen einnahme und außgabe eingeschrieben, In dat andere de Herr Probst aber die Kirchen-Revision der Rechnung bestätigt, unterschrieben und die Kirchschworen wegen richtiger Rechnung quitiret, Als hett Herr Probst Virus Barbarossa löblich verordnet, das hinfüro von den Kirchschworen solches alles observiret und wieder zu richtigem stand gebracht werde, Wie solches auch in diesem Jahre geschiett. Und sind die Kirchschworen gewesen:

Johann Bartels aus bramstede, Tewes Hardebeck von WymerstorfF, Hans Mohr von Hardebeck, Marx Gryp von Bostel.«

Die große Revision, umfassend die Jahre 1643-46, bringt auf der Ausgabeseite etliche Ausgaben, die noch heute nicht durchaus der Beachtung unwert sind.

Gebühr für den Herrn Probsten, berechnet für 4 Jahre

12 Mark

 

Dem Fuhrmann, der den Probsten gefahren

3 Mark

 

Zu dessen Pferde Haber

1 Mark

 

Da der Herr Probst von Ihro Königl. Majestät nach Rends-
burg gerufen, mit der Bramstedter Kirchenfohr ihn fort-
geschaffet, bis Nortorf, und von da Hans Mohr einen Wagen gewonnen bis Rendsburg

 

 

 

3 Mark

 

Auf des Königs allergnädigsten Befehl zur reparirung der

Rendsburger Kirche gegeben

 

12 Mark

 

Dem Pastor vor wein und Brot

 30 Mark

 

Wegen der vierjährigen Rekenschop für Kost und andere

Ungelegenheit

 

12 Mark

 

Vor Bier

3 Mark

 

Noch, da die Visitation gehalten, wegen Kost, Bier, Rauch
futter und andere Ungelegenheit

 

24 Mark

 

Dem Organisten wegen seiner Hebung (Lohn in Korn)

28 Mark

 

Dem Belgentreder

5 Mark

 

Johan Bartels Schreibgeld

2 Mark

 

Den Heuerleuten (Roggenpflichtigen) und was die Kirch-
schworen in der Kgl. Vogedey (wo Alkohol feil) verzehrt

für Kost, Bier und andere Ungelegenheit

 

 

36 Mark

 

Hans Wulff, Gleser, für Fenster in der Kosterey und der Kirche

7 Mark

3 Schilling

Tytke Lose, de Lede (Schwelle) in der Kosterey geleget, die
wende (Wände) wieder gestaket (Zaunpfähle eingesteckt)

und gezeunet mit Schachten

3 Mark

6 Schilling

Hans Boye für Steinbrügken in des Pastoren Hoff

2 Mark

 

Johann Bartels ausgegeben den Reep zum Seiger (Zeiger)   

3 Mark

4 Schilling

   

 

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Der Leser wird diesem kleinen Register nicht nur entnehmen, daß vor drei Jahrhunderten das Bramstedter Organisten- und Schulhaus ein Fachwerkbau mit eingeflochtenem Zaunwerk und aufgestrichener Lehmwand war, sondern ein Vorbild dafür abgibt, wie es um die Häuser des Fleckens überhaupt stand in jener Zeit. Vermutlich sind noch einige andere Daten für nachdenkliche Beachtung geeignet. Anno 1647 gewann die Hoffnung auf baldige Beendigung des grausamen, unerhört langen Krieges mehr und mehr an Kraft. Aber unserm Kirchspiel waren noch neue, harte Schicksalsfälle zugedacht. Bedrückt schreibt Henricus Galenbeck, des Kirchspiels Seelenhirte, in sein Buch:

»Ist durch Gottes Gewitter am Tage Jubilate großer Schaden an der Kirche Turm geschehen. Zu dessen Reparation ist von den Hufnern zugelegt 1 Reichstaler, von den Kätnern ½ Reichstaler und von den Insten 12 Schilling.« Er schließt eine willkommene Aufstellung an, die mühelos einen klaren Überblick über die damalige wirtschaftliche Struktur der Bevölkerung gibt. Danach sind zahlungspflichtig in

Bramstedt

13 Hufner

20 Kätner

40 Insten

mit zusammen

33 Reichstaler

Hitzhusen

11 Hufner

 

7 Insten

mit zusammen

12 3/4 Reichstaler

Förden

8 Hufner

 

1 Inste

mit zusammen

8 ¼ Reichstaler

Hagen

10 Hufner

 

3 Insten

mit zusammen

10 3/4 Reichstaler

Borstel

3 Hufner

 

3 Insten

mit zusammen

3 3/4 Reichstaler

Brockstedt

8 Hufner

2 Kätner

 

mit zusammen

9     Reichstaler

Hasenkrug

5 Hufner

 

 

mit zusammen

5     Reichstaler

Hardebeck

4 Hufner

3 Kätner

 

mit zusammen

6 ½ Reichstaler

Armstedt

13 Hufner

 

8 Insten

mit zusammen

15     Reichstaler

Wymerstorp

20 Hufner

 

 

mit zusammen

20     Reichstaler

Bomohlen

9 Hufner

 

 

mit zusammen

9      Reichstaler

Fulendorp

10 Hufner

 

 

mit zusammen

10     Reichstaler

Von den 125 insgesamt zu hebenden Reichstalern entfallen nur 33 auf den Flecken, der somit rund den vierten Teil der Gesamtlast trägt; anders gesehen: Die 73 Zahler des Fleckens zahlen zusammen 33 Taler = 99 Mark, Durchschnitt 1 1/3 Mark, die 128 Zahler der Dörfer bringen auf 92 Taler =276 Mark, Durchschnitt 2 1/6 Mark. Hält man das Verhältnis, nach welchem die Kirche ihre Umlage verteilte, für richtig, so kommt man zu dem Ergebnis, daß die Kirchdörfer, im ganzen genommen, wirtschaftlich erheblich besser standen als der Kirchort. Damit wird denn auch verständlich, daß die Ratmänner so beharrlich darauf bedacht waren, die Gründung neuer Feuerstellen, den Zuzug weiterer Insten, zu unterbinden. Was uns als hart erscheint, war wohl doch einer Notlage zuzuschreiben. Es wird angebracht sein, auch ein wenig davon zu vernehmen, was der Turmbau mit sich brachte.

Erstlich Meister Benardt, so den Turm gebauet,

Arbeitslohn

58 Reichstaler

 

Schmidtlohn Johan Bartels

42 Reichstaler

16 Schilling

Holz und Breder

8 Reichstaler

12 Schilling

39

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Marx Lindemann vor einen Baum Mäckler

5 Reichstaler

 

Vor Botenlohn und Spornnagel

4 Reichstaler

 

Noch da de Contract in Johann Wolters Hus mit
Meister Benardt gemaket in meiner (des Pastors)

abwesende (Abwesenheit) vorzehret

 

 

2 Reichstaler

 

Zum Gottes Pfennige (an Benardt)

3 Reichstaler

 

Noch Marx Gryp  (Kirchschwor) bey dem Turm

aufgewartet 7 Tage

 

7 Reichstaler

 

Noch Hans Mohr 3 Tage, thut (macht aus)

3 Reichstaler

 

Noch Tewes Hardebeck 3 Tage

3 Reichstaler

 

Noch ist in allem bei dieser Arbeit vorzehret in auf-
nehmung und ausgebung des geldes beim pastoren

 

3 Reichstaler

 

Ungelde (Unkosten) wegen kleiner Münze, dar dor

 Reichstaler  vor   eingewechselt   zur   Bezahlung   an

Herrn Amptschreiber

 

 

1 Reichstaler

 

Marx Gryp und Johan Bartels das Geld geholet von

Segeberg verunkostet

 

3 Reichstaler

 

Hans Mohr, daß Er mitt dem Herrn Probst nach

Rendsburg gewesen und 6 Tage dar gelegen, is

 

9 Reichstaler

 

 

Neues Ungemach

 

bringt das Jahr 1648. »Am Montag nach Esto mihi in der Nacht umb 11 Uhr (ist) ein groß Erdbeben entstanden von datt Sturmwindt, wodurch der Kirche Turm herunter geschlagen und dadurch die Kirche großen Schaden gelitten, daß 6 Nye Balken müssen wieder darin sampt dem Sparrenwerk gebracht werden. Und ist zu erbauungh von dem Herrn Amptmann Casper von Buchwalt beliebet worden, wyle die eingepfarrten sampt und sonders gleiche Gerechtichkeit In der Kirche (haben), als an Kirchstenden, Klocken und Begräbnis, daß Sie erste Zulage gleich (viel) geben, hernach aber nach Advenant: die Howener den gantzen, die Kotener den halben und die Insten den vierten Teil, und ist gegeben worden von jedem 2 Reichstaler.«

Die Wirklichkeit stimmt nicht völlig mit dem Bericht überein, indem tatsächlich nicht »jeder« mit dem Doppeltaler belastet worden, dessen Pflichtigkeit nach dem schönen Grundgedanken des Herrn Amtmannes unbestreitbar sein mußte. Man entdeckte neben den Hufnern, Kätnern und Insten noch zwei andere: Inste bei Inste (wohnend) und alleinstehende Frauen. Erstere sind mit 1 ½ Mark, letztere nach Befinden in die Liste eingestellt worden.

So kam folgende Liste zuwege:

Bramstedt:    

13 Hufner, 19 Kätner, 33 Insten je 6 Mark

390 Mark

 

 

9 Bey Insten je 3 Mark und 2 ½ Mark für
Frauen

 

29 ½ Mark

 

 

 

40

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Hitzhusen:

11 Hufner und 7 Kätner oder Insten, dazu 1 Inste bei Insten

109 Mark

 

Förden:

9 Hufner

54 Mark

 

Hagen:

9 Hufner und 2 Kätner, dazu 3 Insten bei Insten

72 Mark

 

Bostel:

3 Hufner und 3 Kätner

36 Mark

 

Brockstede:

8 Hufner und 2 Kätner

60 Mark

 

Hasenkroge:

5 Hufner

30 Mark

 

Hardebeck:

5 Hufner und 3 Kätner

42 Mark

 

Armstede:

11 Hufner und 8 Kätner,   dazu   1   Inst  bei Insten mit 3 Mark 14 Schilling

117 Mark

14 Schilling

Wymerstorp:

17 Hufner und 2 Kätner, dazu 2 Insten bei Insten und 2 Frauen

124 Mark

 

Bohmohlen:

10 Hufner und 1 Inst bei Insten

61 Mark

8 Schilling

Fulendorp:

10 Hufner

60 Mark

 

Die Kirchgeschworen, nun auch wohl Juraten genannt, haben nicht alles herein
bringen können. Am Tage der Rechenschaft wurden als Restanten verbucht:
in Bramstedt:    2 Hufner, 8 Insten, 3 Insten bei Insten,
in Armstedt:      3 Hufner,                       1 Inste   bei Insten,

in Hagen:           1 Hufner,                       1 Inste   bei Insten,

in Hitzhusen:                                            2 Insten bei Insten,

in Brockstede:                                          2 Insten bei Insten,

in Hasenkrog:                                          2 Insten bei Insten.

Es läßt sich nicht verkennen, daß auf dieser Liste der Flecken sich überragend den ersten Platz gesichert hat. Wer aber will sagen, daß sich darin etwa Feindschaft gegen die Kirche offenbare? Konnte nicht das vom adeligen Herrn Amtmann erdachte System der Zahlungsweise verletzend wirken auf die »kleinen Leute«? Hat ihm daran gelegen, sich bei den Besitzenden beliebt zu machen? Vielleicht auch fehlte ihm die Kenntnis des Bibelwortes, wonach es dem reichen Manne maßlos schwer sein wird, Eintritt in das Himmelreich zu erlangen? Hätte er diesem Gedanken Raum gegeben, so hätte er als mitberufener Schutzherr des Kirchendienstes nicht der Pflicht ausweichen dürfen, in dem gegebenen Falle gerade die Wohlhabenden daran zu erinnern, daß die Stunde gekommen sei, Opfer zu bringen, um Gunst zu gewinnen nicht nur bei den Mitmenschen, sondern auch bei ihrem himmlischen Vater.

Der Preis für pünktliche Pflichterfüllung wäre im gegebenen Falle den Ortschaften Bohmohlen, Förden, Fulendorp, Bostel, Hardebeck und Wymerstorp zuzuerkennen, da dort niemand restant geblieben ist. Armstedt dagegen hat sich recht zurückhaltend erwiesen. Liegt es daran, daß es auffallend viele Kätner beherbergte? Darf man den überraschend großen Ausfall auffassen als einen Hinweis auf den Namen dieses Dorfes?

Doch folgen wir noch einmal dem Wiederaufbau der Kirche, der unter der Aufsicht der Juraten bewerkstelligt wurde.

 

41

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Vor Holz aus der Segeberger Heide, mit des Holzvogtes

Zehrgeld........................................................................................     66 Mark

Jochim Steiner für einen Balken  ...............................................       6 Mark

Clawes Maes für einen Balken...................................................       6 Mark

Hans Finck wegen Verdingung laut Vertrag............................     60 Mark

Für Trinken und Essen wegen der Börung..............................       3 Mark

Noch der Finkeschen für Bier gegewen, da die Tymmer-
leute verdinget, das Sporwerk samt Balken auf die Kirche
zu bringen, ferner da mit Meister David wegen Erbauung
des Turmes, ingleichen mit den Mauerleuten in Gegenwart

der Juraten.....................................................................................     11 Mark   1 Schilling

Meister David zum Gottesgeld gegeben..................................       4 Mark

Meister David auf seinen bedungenen Arbeitslohn (Rest 33)   347 Mark

Zehrung wegen Börung des Turmes........................................        9 Mark

Meister David, das Beinhaus zu verfertigen, und daß er
wegen Mangelung der Sporn-Nagel von der Arbeit gehen

Müssen..........................................................................................       3 Mark

Noch Hans Fink, daß er die Latten abgenommen und

wieder aufgenagelt, da das Holldach gelegen.........................       5 Mark   8 Schilling

Noch daß er mit Johan Hohn am Spyker gearbeitet . . . .      _      5 Mark   8 Schilling

Noch daß er die Schechte zum Spyker des Pastoren aus
getan (geliefert)............................................................................       1 Mark

Johan Hohn, die Latten mit Hans Fink aufgeschlagen und

am Spyker gearbeitet 7 Tage  ....................................................       7 Mark

Für Bier, da M. David seine Arbeit verfertiget und Hans

Fink mit ihm Rechnung zugeleget..............................................       3 Mark

M. David, Schlapgeld  ................................................................       3 Mark

M. David, im Turm die Klocke ausgenommen u. eingebracht     7 Mark

Vor Spornagel, mit Botenlohn....................................................       3 Mark   6 Schilling

Noch Dirich Rosenow laut seines Zettels................................       2 Mark   1 Schilling

Max Boye wegen des Meklers, da der erste heruntergefallen      12 Mark

Jochim Hebell, vor des Pastoren Spyker, Bohl und Lede

darunter to leggen........................................................................       2 Mark

Clawes Lendförden, an des Pastoren gearbeitet mit Johan

Hohn...............................................................................................       1 Mark   1 Schilling

De Sagers (Säger) vor die Latten zu schneiden.......................      1 Mark   2 Schilling

Dem Boten, so unterschiedlich ausgesandt, die Zulage

einzubringen..................................................................................      1 Mark   6 Schilling

Noch selber die Juraten wegen Mangelung der Gelder im
Kirchspiel gehen müssen mit Androhung der Execution;

verzehret .......................................................................................       2 Mark 14 Schilling

Für 1000 Blaffert Nagel (breitköpfige eiserne) von de

Glückstadt......................................................................................     12 Mark   8 Schilling

 

42

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Den Sagern: Gerdt Westphal und Casten Hein........................     37 Mark   5 Schilling

Den Sagern: Junge Gloy und Hinrich Gerdes  .........................     39 Mark   6 Schilling

Den Mauermann, daß er Überschlag gemacht, wieviel

Kalk und Pannen...........................................................................                      8 Schilling

Dem Handlanger Hans, daß er die Pannen abgenommen
und gereinigt, auch zerfallene Däl (Diele) in der Kirche

gebessert........................................................................................      4 Mark

Vor Pannen, so von Peter Junge bekommen............................   180 Mark

Noch hat Hans Mohr geholet.....................................................   174 Mark    4 Schilling

Den Mauerleuten die Kirche verdinget für  .............................   110 Mark

Noch für das Beinhaus gegeben................................................       2 Mark   4 Schilling

Noch dem Mauermann, daß er die Pannen wieder auf die

Kirche gehangen, so der Meckler herunter geschlagen               8 Mark   8 Schilling

Wegen Kalkhauen und Drankgeld  ...........................................     15 Mark

Dem Kalkbrenner..........................................................................      4 Mark  14 Schilling

Vor den Hahn und Knop..............................................................     12 Mark

Bei Verdingung der Pastor und Hans Mohr in Itzehoe

verzehrt...........................................................................................       1 Mark

Noch wegen des Predigtstoeles und Arbeit in der Kirche:

Clawes Wischmann 6 und Jakob Röver 12, macht ......                 18 Mark

Für Nägel zu der Orgel..................................................................                    2 Schilling

Noch verzehrt, da die Kirchschworen den Uhrmacher von
Itzehoe bescheiden und den Seyer (Zeiger) vordreyet und
Meister David auf seinen Arbeitslohn 29 Reichstaler ge
zahlet: vor Bier...............................................................................                    9 Schilling

Noch da Ich (Pastor) nach Itzehoe gereiset, nötig mit dem
Herrn Probste von unser Kirch und Schole zu sprechen,

vorzehret.........................................................................................       1 Mark

Weil Hans Fink sich beklaget, daß er bei der Verdingung

der Arbeit verkürzet, ihm gegeben..............................................       3 Mark

Dem Knechte Drankgeld .............................................................        1 Mark   8 Schilling

Noch wegen der Kirchschworen Kostung, da sie gereiset

nach Segeberg, Itzehoe, in der heyde und weyde....................     17 Mark 11 Schilling

Noch ist bei Erbauung dieses Turmes wegen veelfeltiger
Gelegenheit bey Mir vorzehret bey Börung des Turmes,
der Kirche die Zimmerleute, Mauerleute, Gevollmächtigte

des Kirchspiel................................................................................     50 Mark

Noch ist eingehoben ein groß bleyern Kopfstück, so ein
bedreglicher Mensch gegeben. Daher zu verbuchen ein

Verlust von.....................................................................................                   10 Schilling

In den nächsten Jahren machten noch die Restanten allerlei Sorgen. Die Kirche verkaufte altes Holz und eine alte Kanne. So gelang es, den Itzehoer Uhrmacher abzufinden, restlichen Arbeitslohn, darunter 33 Mark für Meister David, auszu-

 

43  

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händigen. Recht übel wurden zwei Juraten von einem hartnäckigen Restanten behandelt. Sie hatten sich angemeldet, fanden aber keinen Eingang zum Hause, warteten vergebens und nahmen dann auf ihre Rechnung anderswo Nachtquartier.

Wir dürfen hier ein Bild geben über die Roggenlieferung und was damit zusammenhing. Das Jahrzehnt von 1648-1657 mag dafür wohl geeignet sein; es führte wieder in friedliche Tage hinein.

 

Jahr

Liefermenge

Preis für die Tonne

Gesamteinnahme

Unkosten wegen Speis und Trank für Heuerleute und Juraten

1648

40 Tonnen
  1 Himten

5 Mark
5 Schilling

213 Mark
    9 Schilling

Keine Angabe darüber vorhanden

1649

39 Tonnen
  2 Himten

238 Mark
  13 Schilling

Der Vögtin, in deren Haus die Hebung erfolgte: 36 Mark 12 Schilling

1650

39 Tonnen
  2 Himten

9 Mark
1 Schilling

362 Mark
    5 Schilling

wie 1649
25 Mark 13 Schilling

1651

39 Tonnen
  2 Himten

277 Mark
    8 Schilling

In der Vogtei bei der Hebung verunkostet 36 Mark

1652

39 Tonnen
  2 Himten

216 Mark

Zehrung bei Einnehmung  in  der Vogtei 35 Mark 4 Schilling

1653

39 Tonnen
  2 Himten

  7 Mark
15 Schilling

294 Mark
   15 Schilling

Der Frau Vogedinnen, so die Heuerleut und die Karkschworen bewirtet 37 Mark

1654

39 Tonnen
 2 Himten

4 Mark

157 Mark
10 Schilling

Heuerleute u. Juraten, als diese die Intraden der Kirche eingekommen
28 Mark 8 Sch.

1655

 39 Tonnen
   2 Himten

2 Mark
12 Schilling

108 Mark
5 Schilling

In der Vogtei in allem verzehret
29 Mark 1 Schilling

1656

39 Tonnen
2 Himten

3 Mark
14 Schilling

143 Mark
1 Schilling

Wie 1655
31 Mark 6 Schilling

1657

39 Tonnen
2 Himten

4 Mark

157 Mark
1 Schilling

Wie 1655
34 Mark 1 Schilling

 

44

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Diese Tabelle bedarf einiger Bemerkungen, um nicht zu zweifelhaften oder schiefen Resultaten zu führen: die zweite senkrechte Rubrik führt nicht allemal zu absoluter Genauigkeit, weil nicht immer alles Korn verkauft worden ist. - Die Tonne ist mit 100 kg einzusetzen, bestimmt nicht höher. - Daß die Hebung des Kornes regelmäßig in der Vogtei ihren Ablauf nahm, gibt ihr durchaus nicht den Charakter einer königlichen Angelegenheit, sondern beweist nur, daß die Vogtei geräumig gebaut war und unter ihrem schützenden Dache eine offenbar nicht unbeliebte Gastwirtschaft, mindestens aber Schankwirtschaft barg; dies ist nicht etwa eine Sage, sondern exakt zu beweisende Tatsache. - Will man die Bedeutung der Tabelle recht erfassen, so lohnt es sich, die gegebenen Ziffern untereinander zu vergleichen; aber auch ihre Beziehung auf heutige Verhältnisse ist nicht unfruchtbar. Sagen wir noch im voraus, daß die derzeitige lübsche Mark gleichwertig war mit 1,20 Reichsmark im Handel mit preisgebändigter Ware.

Schauen wir in das Jahr 1657. Für die 34 Mark, die in der Vogtei blieben, hätte man 8 ½ Tonnen Roggen haben können, d. h. der fünfte Teil des Jahr-Roggens und noch mehr ist an einem Abend verjubelt worden. In dem gewählten Jahrzehnt entlohnte man Arbeiter mit 3/4, Handwerker, die am Kirchenbau sich betätigten, mit 1 Mark, ebenso den Kirchgeschworenen, der einen Tag die Aufsicht führte. Unsere Leute haben demnach in der Vogtei den 45 fachen Tagelohn des Holzhauers verpraßt. Im erwähnten Jahrzehnt haben die Juraten dem Pastor zwei eiserne Kühe gekauft, die eine für 30, die andere für 24 Mark. Was für ein vortreffliches Vieh hätten sie wohl für die 34 Mark erwerben können! - Was aber hätte ich heute auszulegen, abgesehen davon, daß solches überhaupt nicht ausführbar wäre, wenn ich 8 ½ Tonnen = 17 Zentner Roggen kaufen wollte? Sind es nicht 17 mal 10 = 170 Reichsmark?

Mit guten Gründen darf man glauben, daß die Frau Pastorin, die ehemals die Kornlieferanten in ihrem Hause zu bewirten hatte, nicht ungern von der Erledigung des »Kornhebens« sich befreit sah.

Anno 1647 wird zum erstenmal die Entlohnung des Organisten mit 28 Mark für das Jahr genannt; seinem Helfer, dem »Belgentreder«, wurden 5 Mark zugebilligt.

1648  betrugen diese Posten 29 Mark und 5 Mark 4 Schilling.

1649  finden wir 32 Mark (Schul-, Wasch- und Maygeld)1) bzw. 6 Mark.

1650: Dem Organisten für 16 Himten Roggen.............................     30 Mark

Dem Organisten für Schul-, Wasch- und Maygeld ..          12 Mark

Dem Belgentreder für 4 Himten Roggen..........................       7 Mark 12 Schilling

Noch demselben..................................................................       1 Mark

Der Harmlose möchte denken, innerhalb dreier Jahre sei dem Organisten eine

__________

1) Für das Waschen, das dem Organisten und Küster oblag, kamen in Betracht: 1 Meßgewand, so noch aus katholischer Zeit ererbt; die Taufkleider verschiedener Qualität, die gegen abgestufte Gebühr den Täuflingen angezogen wurden; ferner die Altardecke. - Das May- oder Mayengeld erntete der Küster dafür, daß er zum Maytag die Kirche ausschmückte mit Maybusch (Birkenreisern). Der Busch wurde geholt aus dem Maienbaß, einer Hölzung, wo Weichholz reichlich wuchs. - Der Maienbeeck erinnert deutlich daran.

 

45

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Gehaltserhöhung von 28 auf 42 Mark, also 50 Prozent, dem Belgentreder von 5 auf 8 3/4 Mark, also gar 75 Prozent, zugefallen. Doch das wäre arge Täuschung. Hermanus hatte Anspruch auf jährlich 16 Himten Roggen als Organist, und an Jahrgeld 12 Mark für sonstige Dienste; seinem Helfer standen 4 Himten und 1 Mark zu.

Den Roggen machten die Juraten zu Geld oder rechneten ihn bei Abgabe um. So ist Hermanus, so hieß derzeitiger Organist, 1657 auf ein Gesamteinkommen (aus Kirchenmitteln) von 24 Mark 12 Schilling, und auf 23 Mark 8 Schilling in Anno 1666, dem abschließenden Jahr unserer Nachrichtenquelle, gekommen. Die rund 20 Jahre, die es noch zu durchwandern gilt, bringen einige besondere Ereignisse, die im Vorwege zu ihrem Rechte kommen sollen.

 

Schenkungen

 

»Donativgelder, so eingehoben wurden«: so benennt unser Buch die Sache. Anno 1653: »Sehl. Claus Toetke und seine Frau, Beide in Godt ruhende, der Kirche gegeben 100 Mark.«

»Sel. Jürgen Muchner von Kurzhagen aus Mecklenburg, so aus der Kremper Marsch gekommen, allhier Bettlägerig geworden, nach Empfahung des Abentmahls der Kirche gegeben 50 Mark.«

»Vor alte Gretke Versten ihren Sarck: die 6 Himten jährliche Heuer der Kirche verehret 4 Mark, dem Herrn Pastor 4 Mark, dem Küster 8 Schilling, den Hausleuten ihre gewöhnliche Tonne Bier, dem Totengräber 1 Mark.«

»Daß vor uns Endesbenannten und in gegenwart der Vier Kirchengeschworenen: Hans Fuhlendorffen, Hans Mohren, Marx Grippen und Jürgen Gloyen Jacob Brockstede erschienen und ausgesagt, daß Hinrich Wischmann freiwillig und ungezwungen der Kirche Bramstede Vier Himten klein Maß, so in Hartig Fersten zu Wimerstorff Erbe stehen, Vorehret, bekennen wir in des Herrn Pastors Henrici Galenbeci löblichem Beisein mit unserer Nahmen eigenhändiger Subscription.

Bramstedt, den 3. Juli 1662.«

Folgen die Unterschriften des Propsten, des Pastoren und des Kirchspielvogts.

 

Kirche und adeliges Gut

 

Die Jahresrechnung für 1666 vermerkt am Schluß folgendes: »Von den Rentegeldern, damit Steffen Kühl und Titke Rungen der Kirche Verhaftet gewesen, und die sonsten dieses Ortes spezificirt worden ist, ist unten Nachricht zu finden.«

Diese »Nachricht« folgt alsbald in nachstehender Form: »Demnach die Frau Commissarische1) sich erklärt, daß die zum Hofe (adel. Gut)

__________

1) Als Kommissar wird vielfach der Kirchspielvogt bezeichnet. Diesmal ist sicherlich an die: Frau des Gutsbesitzers gedacht, d. h. des Herrn von Ahlefeld.

 

46

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gehörigen Unterthanen Steffen Kühl und Titke Rungen hinführo der Kirche die schuldige Haur Jährlich richtig abtragen sollen, als haben mit Consens des Herrn Probsten und des Herrn Ambtschreibers die Kirchgeschwornen mit deroselben (Frau Com.) sich derogestalt Verglichen, daß Sie solte für alles zahlen 100 Mark, womit die alten Restirenden Gelder völlig bezahlet und die Kirche nichts eher als Anno 68 am Donnerstage Vor Fastnacht volente Deo (so Gott will), die gewöhnliche Jährliche Haur fordert.«

Die Stimmung zwischen Gut und Pastorat war durchweg gespannt. Es hat der Kirchenverwaltung Mühe und Zeit und Geld gekostet, bis vorstehendes Übereinkommen zustande kam. Erst das Eingreifen des Königs ist herausgefordert worden, bis das erreicht war. Davon zeugen zwei »Nachrichten« des gleichen Jahres.

a) »Hans Fulendorffen und Marx Grippen, daß die Frau Commissarische 3 Tage in Kirchengeschäften nach Klein Nordsee (bei Achterwehr) zum General Claus von Ahlefelden gewesen; dafür genannten Kirchgeschwornen 6 Mark.«

b) »Für das Königliche Monitional (Mahnung) an den Herrn Claus von A. (ehemaligen Gemahl der Frau Comm.) wegen der Schuld mit Steffen Kühl und Titke Rungen der Kirchen verhaftet, gegeben 36 Mark.« - So waren gut 2/5 der vereinbarten Abtrags-Summe bereits verduftet.

 

Zwei Verträge

 

Der erste sichert den Kirchenjuraten einen Kirchenstand (Stuhl) als Anerkennung ihrer Leistung. Der andere zeigt uns, daß das Glockenläuten grundsätzlich gegen Gebühr erfolgt.

a) »Was vor den verhäuerten Kirchenständen bisher berechnet worden, kombt nicht (in Betracht) bei den 4 Kirchgeschwornen; denen sollen Stände auf Zeit ihres Amtes verschrieben werden, die aber nach ihrem Abgang an die Kirche wieder heimfallen.« - Anno 65.

b) Johan Finkenbrink geht vorsorglich folgenden Vertrag wegen der Kirchenglocken ein: er zahlt 2 Mark ein,

»Wofür Er und seine Kinder, so lange Sie unbefreyet (unverheiratet) bei Ihm sein, die Klocken zu gebrauchen frei haben sollen.« Anno 1662.

 

Von den Kirchengebäuden, und was für sie geschehen

 

Wir berichteten bisher vom Kirchengebäude, das dem Gottesdienste geweiht ist und durch Sturm und Wetter schwerste Schädigung erlitten hat. Auch von des Pastoren Haus und seinem Spyker (Scheune) und von der Küsterei und von der Vikarie ist beiläufig gesprochen worden. Aber damit sind die Baulichkeiten des alten Pastorats nicht erschöpft; auch ein Backhaus war vorhanden, wie wir sehen

 

47

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werden. Noch ein weiteres Gebäude folgt, das sich mit folgendem einführen möchte:

»Anno 1616 hefft johan hamerich by dem woledlen und gestrengen Herrn Riddern Maquart Pentzen, Amptmann tho Segeberge utgebeden und erlanget, und by dem gantzen Caspel tho Bramstede uthgebeden und erlanget, dat Ick vor miner frowen und kinder und Erwen up dem karken Acker ein huß by dem wege na Kellinghusen belegen, gebauet, woraus se mit hebbendem howe (Kohlhof, Garten) den folgenden Pastoren schölen grunt hure gewen tein Schilling lübsch.«

Hierzu sei nur bemerkt, daß der Weg nach Kellinghusen ehemals südlich der Bramau lag und erst in Föhrden-Barl über den Fluß ging. - Ob dies neu eingeführte Gebäude von der Kirche instand zu halten sei, bleibt verschwiegen.

Der Chronist hat zu notieren:

1651.   Hartig Stöcker an der Cüsterei gedecket .......................                   10 Schilling

Martin Schult für Fensterbeschlag zu des Pastoren Kammer                       14 Schilling

Claus Wichmann Schnitker (Schnitzer) Lohn  ...........................      4 Mark

Holz für die Kirche eingekauft......................................................   15 Mark

Muschelkalk für die Kirche u. des Pastoren Schornstein...          4 Mark   8 Schilling Der Wind Pfannen von der Kirche gerissen und für des

Pastoren Schornstein gearbeitet..................................................     6 Mark 12 Schilling

Wegen des blinden Schornsteins vor dem Backofen...............     3 Mark 13 Schilling

Hans Boye im Kirchengestein gebrügget...................................     1 Mark   8 Schilling

Marx Steckemes Busch gehauen für Cüsters Haus u. Kohlhof                     6 Schilling

Jochim Hebell, so an das Cruzifix gearbeitet, Schnitkerlohn      7 Mark   8 Schilling

Dem Maler, so es wieder verfertiget............................................  60 Mark

1652.   Kleinschmit in der Schule ein Fenster beschlagen                             8 Schilling

Hinr.  Wischmann an Orgel und Thorntreppe Klocken

gearbeitet.........................................................................................     2 Mark   1 Schilling

Diedrich Maes für 2 Klockenhenge (Seile?)...............................     5 Mark

Holzvoigt für einen Baum aus der Weide  .................................     9 Mark

Den Sagern......................................................................................   32 Mark   7 Schilling

Hans  Wulf für Fensterflicken in des Pastoren und des

Küsters Haus   ................................................................................     2 Mark   4 Schilling

Marx Stekemes, des Küsters Zaun verfertiget...........................     1 Mark

1653.   Johan Wolters, des Organisten Planckwerk gemacht

um seine Hofstede, dazu die Phäle gedan (gegeben)................ 20 Mark  10 Schilling

Den Sagers vor Bretter zu schneiden  ........................................  16 Mark    4 Schilling

2 neue Pforten am Kirchhof gemacht........................................... 16 Mark

Hans Isern Hinnerk, des Pastoren Sot gebessert......................                  10 Schilling

Jasper Stüfen, eine Wand hinter dem Backofen, in des

Pastoren Hause gemauert .............................................................                    8 Schilling

Bretter zu Herrn Pastors Haustür und Schlagfenster................ 12 Mark    2 Schilling

Claus Wischmann vor den Stohl in der Kirchen, da die
Kirchspiel-Vagede sollen sitten  ..................................................  13 Mark

 

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Noch Martin Schulte für das Schloß (zu dem Stuhl).................     2 Mark

Hartich Stöcker bei des Organisten Dach gearbeitet, bei

eigener Kost ...................................................................................     1 Mark   4 Schilling

Albrecht Bartels, Schmied, an der Kirche gearbeitet  ...............     7 Mark 13 Schilling

Hans Wulf, Gläser, Fenster im Pastorenhaus ausgebessert.        2 Mark 12 Schilling

Hans Fölster, für 2 Klockenhenge.____     ...............................     5 Mark

Claus Wischmann, in des Pastoren achterstube ein stücke

zur Bettestette gemacht.................................................................     5 Mark   4 Schilling

Noch einen Tag an die Schlagfenster gearbeitet.......................                  12 Schilling

200 Pfannen zu beiden Pforten am Kirchhofe.............................     6 Mark

Den Kirchgeschwornen, so vielfältig »an die Kirche gerüh-

ret«, auch Bretter, Pfannen und andere Dinge angeschaffet        12 Mark

1654.   Claus Wischmann, vor des Pastoren Haustür:

Fensterrahmen und Gatterwerk an den Backofem.....................    10 Mark

Hans Ordt für 3 Bretter zum Plankwerk des Organisten                   1 Mark 14 Schilling

Hartig  Stöcker,  wegen Ausstopfung  des  Daches  beim

Pastoren Haus1)  ............................................................................                      8 Pfennig

Den Sagers für Arbeit bei dem Gatterwerk des Kirchhofes   .......  2 Mark    6 Schilling
Antonius Winterstein, da der Wind das Kirchendach zer
schmettert hatte, für 4 Tage Arbeit..............................................     4 Mark

Noch einen Bock zur Stellasche (Stellage) gemacht..................     1 Mark

Noch das Dach 2 Tage mit Kalk unterstrichen...........................     2 Mark

Für 2 Tonnen Segeberger Kalk.....................................................     4 Mark   8 Schilling

Für 2 Tonnen Muschelkalk   ........................................................     2 Mark   2 Schilling

Noch zur Kirche 12 Bretter gekauft..............................................     6 Mark 12 Schilling

Diederich Maß für Klocken Henge..............................................     3 Mark

Hans Folster für eine Klocken Henge   .......................................     2 Mark   8 Schilling

Martin Schulte, für Beschlag zu des Pastoren Fensterrahmen      2 Mark

Albert Bartels, Schmied, Nagel und Henge zu des Pastoren

Tür.....................................................................................................     7 Mark   8 Schilling

Hans Wulf, für Ausbessern von Fenstern im Pastoren- und

Küsterhaus   ....................................................................................     4 Mark   6 Schilling

Den   Kirchgeschwornen   zu   Aufwartung   der   Kirchen
gebäude ...........................................................................................     3 Mark

1655.   Claus   Wischmann   für  ein  Fack   stekens   Boens

(Boden) in der Kirchen über der Tauff.........................................     3 Mark

200 Pannen zum Thun des Kirchhofs..........................................     6 Mark

Marten Schulte vor das Schlot zur Kirchhofs Tür nach

Giselers Haus  .................................................................................                   6 Schilling

Antonius Stein vor die 3 Gatter des Kirchhofs die Pannen
aufzuhengen und mit Kalk einzulegen ........................................     3 Mark

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1) Also Strohdach; nur dieses konnte man ausstopfen; 1655 neu gedeckt: von Dachpfannen keine Rede.

 

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Dem Decker, des Pastoren Haus zu decken................................ .. 24 Mark

Für Holz, den Gebell (Giebel) des Pastorenhauses auszu
bessern ............................................................................................ ... 20 Mark

Den Zimmerleuten, so des Pastoren Haus gebessert und die

Leden (Schwellen) gelegt, Arbeitlohn, ohne die Schrauben         14 Mark

1656.   Hans Fink wegen der restierenden Schrauben für

die Lede............................................................................................     9 Mark

Ausbesserung der Kacheln in der Costerey ..............................     1 Mark

Arendt Wulff für Ausbesserung der Fenster in Kirche und

Costerey, so der Hagel ausgeschlagen, auch einige Ruten

in des Pastoren Haus.....................................................................    9 Mark

Casper Steffens, die Stein Rönne an des Pastoren Haus

gemacht............................................................................................                  6 Schilling

Vor einen Baum zu des Pastoren Haus, daran die Henge

gesetzet auf das Sommerhaus.......................................................     5 Mark

Noch ein Klein stück Holtzes........................................................     2 Mark

Den Sagers für Bretter zum Hausgebell, und für Sägen der

Bretter zu den Hengen...................................................................     9 Mark

Hartig Stöcker und Jasper Stüven, die alten Henge auf dem

Hause angebracht, dafür gegeben  .............................................      1 Mark 10 Schilling

Antonius Wyterstein und Jasper Stüven, daß sie neuen

Hange auf dem Sommerhaus angebracht....................................      3 Mark

Noch für ein Fuder Heidt unter die Henge..................................      1 Mark

Für Kalk und Pannen zum Kirchendach  ....................................      4 Mark   8 Schilling

Antonius, daß er die Pannen aufgelegt (Windschaden) . . . .        2 Mark   8 Schilling

Derselbe, daß er in der Costerey einen Backofen geleget  ......      4 Mark
Dydrich Folster und Johan Wolters, die große Klocke aus
gewunden, wieder befestiget und in gang gebracht.................       7 Mark

Albrecht Bartels, Schmiedelohn...................................................    19 Mark

1657.   Albrecht Bartels wegen Nagel und Henge in der

Costerey...........................................................................................       2 Mark 11 Schilling

Hartig Stöker, an der Costerey gedecket  ...................................       3 Mark

Antonius Witerstein, in der Costerey beide Kachelöfen

umbgesettet und in des Pastoren Hues de achterste stuwe
uthgewittet und den Schwipbogen des Füerherdes mit der

Muer uthgebetert...........................................................................       7 Mark

Breder vor den Pastoren sin Spyker ...........................................       3 Mark

Noch dem Kleinschmidt für 1 Schlot zur Pforte des Kirch
hofes ................................................................................................                   6 Schilling

1658-61. Die Rechnungen der Kirchgeschwornen liegen nicht vor.

1662.   Albert Bartels für Schmiedelohn.....................................     9 Mark

Casper Steffens, daß er in der Küsterei gesteinbrücket ...                       12 Schilling

 

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Hartig Stöcker, Deckerlohn............................................................      4 Mark

Hans Isern Hinrich, großes Gatter um des Küsters Soth

gemacht............................................................................................      6 Mark

Claus Wischmann, daß er im Pastorenhaus an der Bettstätte

gearbeitet..........................................................................................      2 Mark

Für ein Fenster in des Pastoren Küche........................................      1 Mark

Barthold Gieseler vor Glockenhengen.........................................      2 Mark

Arend Wulf im Pastoren- und Küsterhause...............................      6 Mark

Vor 2000 Pfannen   ......................................................................... ... 72 Mark

Berend Jnuth an Arbeitslohn, wohl das Kirchendach be
treffend ............................................................................................ ... 38 Mark

Hartig Stöcker Deckerlohn, da er den Schof (das Deckstroh)

von der Kirche genommen.............................................................      4 Mark

Für die Streichung des Kirchenbodens.......................................      2 Mark  4 Schilling

1663.   Arend Wulf für Fenster in der Kirche, Wedem

(Pastorat) und Küsterei.................................................................. ... 19 Mark

Vor ein Schloß im Wedem an die innerste Tür in der

Kammer.............................................................................................                    10 Schilling

Dem Mauer Man, daß er in Pastorei und Küsterei gearbeitet         3 Mark

Vor den Zeiger an der Kirchenuhr................................................ ... 27 Mark

Albert Bartels auf seine Rechnung (Schmiedearbeit)............... ... 39 Mark

Dem Botticher vor 2 Ammer und 1 Balje, die der Maurer

Gebraucht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. ...............                        12 Schilling

Marx Gryp, Jurat, daß er wegen Pannen und Kalk nach

Itzehoe gewesen..............................................................................      2 Mark

Für Busch zu des Küsters Zaun.............................................                         14 Schilling

Dem Mauermann, der an den Kirchentüren gearbeitet,

auch das Dach unterstrichen hat..................................................    79 Mark

Die Kirche auszuweißen.................................................................    15 Mark

Noch 46 Tonnen Muschelkalk...................................................... ... 46 Mark

Dem Kalkbrenner, daß er alten Kalk gebrannt............................    10 Mark

Noch vor Pannen............................................................................     28 Mark

Albert Bartels und Hermannus, den Seyger zu repariren              22 Mark

Noch vor Pannen und Segeberger Kalk......................................    14 Mark

Dem Potker, daß er den Ofen im Küsterhause umbgesetzt           3 Mark

1664.   Claus Wischmann, vor das Schlagfenster in der

untersten Kammer in der Pastorei................................................                    12 Schilling

Vor Holtz zum Heck vor des Pastoren Haustür..........................                    10 Schilling

Dem Schnitker vor solches Heck zu machen..............................      1 Mark

Vor pfannen und Kalk....................................................................      8 Mark

Den Sagers, die die Bretter um des Pastoren Soth gesaget .....     24 Mark
Dem Zimmermann, den Soth zu bauen und dabei zu Stein
brücken ............................................................................................      4 Mark   8 Schilling

 

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Johann Wolter für eine Tür in der Küsterei................................                   14 Schilling

Hartig Stöcker, der auf der Küsterei gedecket...........................                     8 Schilling

Dem Mauermann von Itzehoe, der die Pfannen auf die

Kirche gehengt...............................................................................       4 Mark

Arend Wulf für Fenster   ..............................................................     15 Mark

1665. Vor Kalk zur Kirchen  .........................................................       2 Mark  4 Schilling

Schmiedelohn .................................................................................       5 Mark 10 Schilling

Hans Finken, Arbeitslohn an dem Beinhause, auch in der

Pastorei............................................................................................        8 Mark

Claus Wischmann, für Arbeit am Seyerwerk..............................                    12 Schilling

Johann Wolter und Hans Röwer, daß sie auf dem Kirchen
boden gestrichen   .........................................................................       4 Mark   8 Schilling

1666.   Vor eine kleine Tür in des Pastoren Küche  .................                     8 Schilling

Hartig Stöcker, daß er auf des Pastoren Haus gedecket ...              1 Mark   8 Schilling

Vor Steen in des Pastoren Stube, Kammern und Gehöft,

auch pannen und Kalk zum Kirchendach   ................................       8 Mark

 

Am Schluß dieses Jahres wird aufgerechnet, daß die Kirche ein Kapital von 1100 Mark besitzt, das sich auf acht Schuldner, alle im Kirchspiel wohnhaft, verteilt.

Dagegen ist sie verschuldet gegen zwei ihrer Geschwornen, Hans Fuhlendorf und Hans Mohr, mit zusammen 700 Mark. Das siebenundsechzigste Jahr, das letzte des vorgesetzten Jahrhunderts, beschränkt sich auf die lakonische Meldung, daß die Kirchgeschwornen 36 Mark, 6 Schilling und 6 Pfennig mehr ausgegeben als eingenommen haben.

Uns hat die Wanderung durch die letzten 20 Jahre überzeugt, daß das Wedem, das Pastorat, einem wohlerhaltenen bäuerlichen Gehöfte gleich gestaltet ist; der hohe Giebel, das solide Strohdach, der gepflegte Kohlhof entsprechen durchaus dem Bilde des derzeitigen holsteinischen Bauernhofes. Der hohe Schornstein aber und das Sommerhaus im Garten, von denen wir hörten, weisen darauf hin, daß die Eingepfarrten ihrem Seelsorger einen kleinen Vorsprung zu behaglicher Beschaulichkeit gern gönnten, zumal wenn er an seinem Teile dazu beitrug, solche zu schaffen. Auch die mehrfach erwähnten Schlagfenster in des Pastoren Wohnräumen waren wohl damals noch keine Selbstverständlichkeit; die fest im Bleirahmen stehenden kleinen Scheiben sind dem Chronisten noch in deutlicher Erinnerung. Und Tapeten? Man »weißete die Räume aus«.

Das Organistenhaus ist ganz ohne Zweifel über seine lehmwandigen Flechtmauern um 1667 nicht hinaus gewesen, auch der Schornstein bleibt im Fragezeichen. Wohl aber erfuhren wir, daß zwei Kachelöfen und ein Backofen die Küsterei wohnlicher machten, vielleicht gar zierten. Für den Heimatforscher ist es von Interesse, daß die Instandhaltung des Organistenhauses durchaus und restlos aus der Kirchenkasse bezahlt worden ist. - So ist dies Gebäude von Hause aus Eigentum des Kirchspiels gewesen. –

Das Beinhaus und das Kinderhaus sind genannt worden; daß es sich um An-

 

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hängsel des Kirchengebäudes handelt, steht wohl fest Genaueres darüber ist bisher nicht mitgeteilt worden. (Das Kinderhaus, Anbau, in dem die Eltern mit dem Täufling warteten.) Das Abschiedshaus, so darf man wohl sagen, das Anno 1616 Pastor Hamerich den Seinigen gesichert hatte, hat den Kirchgeschwornen keinen Anlaß zu irgendeiner Äußerung gegeben; schließen wir uns diesem Schweigen an.

Anders steht es um die Vikarie. Sie ist einmal auf unserm gegenwärtigen Gange als Gegenstand der Strittigkeit beiseite geschoben worden. Das war um 1650. Wie sich dieser Streit gestaltet und zu welchem Ziele er geführt hat, das soll Gegenstand einer besonderen Darstellung sein. Doch fallt es nicht aus dem Rahmen gegenwärtiger Zielsetzung, wenn die geldliche Seite dieser Angelegenheit schon an dieser Stelle ans Licht gebracht wird. Unsere braven Juraten wurden recht sehr in Anspruch genommen und mehr noch die Kasse des Kirchspiels Bramstedt.

 

Von der Vikarie

 

Anno 1639 steht Friedrich Moyelke, der Mieter der Vikarie, mit 54 Mark als Restant im Buche. 1647 vernehmen wir, das »streitige Haus, genannt Vikarie«, sei der Kirche mit 9 Mark Grundhauer jährlich verhaftet. Nutznießer ist noch Moyelke. Nachfolger Rotker Lindemann, ein Verwandter des M., nimmt das Eigentumsrecht für sich in Anspruch und wird darin vom Hamburger Dompropst bestärkt. Unser Buch berichtet:

»Dem Kirchspielvogt, daß er nach der Glückstadt gewesen

und den großen Bescheid ausgebracht, mit Hans Mohr

verzehret, mit den Gerichtskosten                                                     76 Mark   4 Schilling

Noch Hans Mohr damahlen ausgegeben...................................     15 Mark 15 Schilling

Noch den andern bescheid ausgewürket, an den Amtmann,
das erkannte Decretum zur exequirung (Befehl zur Exe
kution) .............................................................................................     17 Mark   6 Schilling

Dem Fuhrmann, so Hermann Schlaf von Glückstadt auf

Bramstedt geführet.........................................................................      7 Mark   8 Schilling

Demselben für Zehrung unterwegs.............................................      2 Mark   2 Schilling

Dem Boten, so an den Advokaten nach Glückstadt geführet        1 Mark   9 Schilling

Noch Hans Boyen, daß er die Kirchgeschwornen aus dem

Kirchspiel geholet...........................................................................      6 Mark   6 Schilling

Frenz Hardebecken, daß er den Notarium, so die 9 Zeugen

beeydiget, geholet und nach Haus geführt................................       5 Mark

Noch haben die Kirchgeschwornen, nach beygelegter

Rechnung unter des Kirchspielvogts Hand Anno 651 und

652 wegen Gerichtsunkostung an denselben bezahlet.............     69 Mark 14 Schilling

Hinrich Isern Hinrich, den Kirchspielvogt mit Hans Mohr

nach der Glückstadt geführet und wieder zu Haus....................      6 Mark  4 Schilling

 

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Noch Marx Grip und Hans Mohr mit dem Kirchspielvogt

nach der Glückstadt gewesen laut beigelegtes Zettul...... ___     61 Mark   2 Schilling

Noch nach Flensburg auf ihro Königl. Maj. gnädigsten

bescheidt mit Hans Mohren vor Wagenfuren hin und her           12 Mark

Daselbst verzehret mit dem Gerichtlichen bescheide ...............                   12 Schilling

Noch die Kirchgeschwornen nach erlangtem bescheide sich
nach der Königl. Cantzley Angaben, mit den Gerichtl. Un
kosten ..............................................................................................     9 Mark

Kurz darnach der Kirchspielvogt mit Hans Fulendorff nach

Glückstadt gereiset.........................................................................     2 Mark  10 Schilling

Hans Pohlmann den Herrn Kirchspielvogt Paul Blancken

mit Hans Mohren, weil der Advokate Dr. Hermannus

Schlaef Sie beschieden nach Itzehoe  .........................................      4 Mark

Hans Fuhlendorff den Kirchspielvogt mit den Kirch
geschwornen nach Glückstadt ....................................................      6 Mark

Hinrich Isern Hinrich Anno 1652 kurz vor der Ernte den

Pastoren und Marx Grippen nach der Glückstadt geführt,

mit dem Advokato zu sprechen....................................................      6 Mark

Folgends den Kirchspielvogt mit einem der Kirchge
schwornen dahin geführet............................................................      6 Mark

Hans Fuhlendorff den Pastorn nach der Glückstadt ge-

führet, weil der Advocatus mit Tode abgangen, einen

andern, als (nämlich) Dr. Bünsow von Meldorf wieder zu

bestellen                                                                                                                 6 Mark

Dem Advocato Anzahlung gegeben...........................................      9 Mark

Noch in der Harbarge verzehret mit Wagen und Pferden

tags und nachts..............................................................................     3 Mark   4 Schilling

In der Canzlei pro citatione an Rötger Lindemann.....................     4 Mark 12 Schilling

Hans Lindemann, den Kirchspielvogt Christianum Schlaef
und Hans Mohr nach Meldorf gefahren mit dem Dr. Bünsow
wegen der Kirchen Sache zu reden, weil das Oberamts
gericht sollte gehalten werden, und ferner nach der Glück
stadt geführet .................................................................................     15 Mark

Herrn Dr. Bünsow mit Zehrung und aller unkost gegeben           83 Mark

Noch da die Sache ihre endschaft erreichet, der Kirchspiel-

vogt und die Kirchgeschwornen zur  Glückstadt einen

Wagen bis auf Bramstedt genommen.........................................     6 Mark

Hinrich  Ahrens  Botenlohn nach der Glückstadt,  zum

halben Teil mit dem Kirchspielvogt.............................................                  8 Schilling

Hans Isernhinrich, Botenlohn, zum Advokaten in Glück
stadt .................................................................................................     1 Mark  4 Schilling

Alles in allem ist der Kirche eine Kostenrechnung in Höhe von rund 350 Kurantmark erwachsen; was Rotger Lindemann, der Gegner, an Geld hat opfern müssen,

 

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wird man nie erfahren. Was hüben und drüben an ärgerlichem Verdruß hinzunehmen war, dafür gibt es kein geeichtes Maß. Aber eins bekundet sich in strahlender Herrlichkeit: Wie vorteilhaft es für Dritte werden kann, wenn Zweien die Vernunft abgeht, ihre Angelegenheiten in friedlichem Entgegenkommen untereinander zu schlichten. War Rotker der Starrköpfige, so hat er übel dafür büßen müssen. Körperlich schon im vorangegangenen Verfahren unter »Ding und Recht«, wirtschaftlich sehr durch den Spruch des Obergerichtes zu Glückstadt: ihm wurde die Schankgerechtigkeit für immer entzogen; die friedliche Kirche hatte sie ihm vergönnt, auch in freundlicher Nachbarschaft den Wein, dessen Herr Pastor von Amtes wegen benötigt war, von ihm bezogen. Der Bramstedter aber soll dem etwas rauhbeinigen Rotker für eins seine Anerkennung nicht versagen: ihm bleibt zu verdanken, daß durch sein Verhalten der einzige Fall geschaffen worden ist, der für die tatsächliche Handhabung von »Ding und Recht« innerhalb unseres Weichbildes unwiderlegliches Zeugnis gibt. - Frieden seiner Asche!

 

Von der Visitation

 

Bevor wir das Rechnungswesen verabschieden, wird es angebracht sein, Kenntnis zu nehmen von der Gestaltung der Visitation.

Unsere Juraten nahmen auch teil an der Kirchenvisitation, sofern sie sich zu einem festlichen Mahl gestaltete. Diese Angelegenheit bedeutete, abgesehen von Ausnahmefällen, für das Pastorat ein volles Haus und im besonderen für die Frau Pastorin einige Unruhe und Sorge. Hier nur eine Aufstellung über die gesamten Kosten, die die Kirchgeschwornen wegen einer solchen Visitation im Namen der Gemeinde zu Buch zu nehmen hatten. Anno 1657:

 Dem Herrn Probst gegeben wegen der Visitation und

Kirchenrechnung............................................................................     9 Mark

Dem Herrn Amptschreiber.............................................................     6 Mark

Des Herrn Probstes Diener  .........................................................                   6 Schilling

Dem Fohrmann................................................................................     3 Mark

Vor Heu und Haber........................................................................     3 Mark   3 Schilling

Noch des Herrn Probstes Bote.....................................................     3 Mark 12 Schilling

Vor einer Tunne Hamburger Behr................................................     9 Mark   4 Schilling

Noch wegen der Visitation und Kirchen Rechnung dem

Herrn Pastor.................................................................................... 12 Mark

(Dieser Gegenstand wird an anderer Stelle ausführlicher verhandelt werden.) Hier darf eingefügt werden, daß für Calande d. i. amtliche Zusammenkunft der Geistlichen einer Propstei jährlich 1 ½ Mark zu entrichten waren. Steigerung in besonderem Anlaß war zulässig.

 

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Verträge, das Kirchengut  betreffend

 

1. Anno 1632 am Tage Johannis Baptistae hefft die Er- und Vieltugendsame Agneta von Hatten, weiland Selig Cristian von Hatten hinderlaten Wedewe von der Karken Bramstedt up Rente genahmen in einer Summe Veerhundert Mark lübsch, dat Hundert jahrlichs mit 5 Mark 1. tho vorrentende up Johannis dage. Und is darfor Borge geworden Herr Johann Vagett, Königl. Karkspell Vagett. »Dütt bawen geschrewene Bekenne Ick Johann Vagett.«

2. »Anno 1620 hefft Hinrich Nymann, Schmidt tho Hitzhusen, van der Karken Bramstedt gelehnett und up Rente genahmen Hundert Mark lübisch. Wyll he awerst darfor gesettet einen Borgen, als Tyttke Rungen, dasülwes Buhr Vagett, und de Borg mit dode afgangen, hefft he der Karken wegen vor wißerung (Sicherheit) des Capitals mit wethen siner Frau gesettet syn Schmiedetueg (Handwerkszeug) und alle er bewegliche und unbewegliche güeder, Kisten- und Beddegewandt (?), in Summa nichts buten bescheden (ausgeschlossen), an watt Orde und Ende Se (die Eheleute) sich werden damit upholden, tho einem Sekern underpande vor höwetstoel und Rente sich darmitt betalet tho maken. Tho mehrer bestedigung, datt ditt also geschehn, hefft Hinrich Niemanns Fruwe bawen (oben) Johan Vagetten, mitt erer eigen Hande und nahmen undergeschrewen.«

Der K.-Vogt bestätigt, daß Christina selbst unterzeichnet habe.

3. »Anno 1584 up Lütteke Fastelawent is ein vordracht und kop geschehen twischen Herrn Casper pastor tho Bramstede und Clawes Teden, ock wannaft tho Bramstede, und Bywesende der achbar Jürgen vaget und de feer Karkswaren, alse hans schacke, dirik Roelefinck, Markert mertens, hinrik kruze, alse derwyle Herr Casper oder syne vorfahren (im Amt) nichtes van dem sülwigen Rep, welcher licht in dem asbroke up dem Bramstedter felde und gehört tho der weddem, können bekamen oder tho Netende (Nutzung, Genuß) krigen, so hefft der pastor mit Jürgen vaget und de feer karksworen ehren weten und willen (und sind einverstanden): Den Rep (Landstreifen) vorkofft an Clawes Teden. De schall jarliken dem pastorn gewen 26 Schilling, oder Clawes Teden oder syne Fruwe den hauptstoll uthgewen, also 26 Mark, so schall dat sülwige dem Pastorn thom Besten up Rente gedan werden. Wo awerst de Rente oder de stoell nicht von Clawes Teden oder van synen Erwen worde uth kamen, so schall de Rep wedderumb by de weddem gelecht warden.«

Unterschriften fehlen diesmal.

4. Anno 1632 entsteht noch ein Vertrag, mit dem Herrn Seelsorger gezeitiget: »Die Karkschwornen sind mit dem Pastoren eins geworden wegen Beddesteden, als eine in der stuwen (Stube) vor dem Huse, dor die Kinder in slapen, und denn in der groten Kamer bey der achtersten Doensen (Zimmer), dor man kann von der Deele einstygen benewen dessen Fotschemel, und die beyden benken in den achtersten Doensen, Ingeliken die Bokryge (Bücherbord) und andere Rygen im ganzen Hus, so der Pastor darin hefft maken laten; dor hebben Sie dem Pastoren

 

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und synen Erwen erleget und betalet Achtig mark, dat solches alles nach synem affscheydt schall by der Wedem bliewen und nicht daruth gebraken werden. Wat sonsten syne andern Beddesteden und deren thobehörigh (Zubehör) anbelanget, hefft mit düssen koop nichts tho doende. Und daß solches alles wahr und die Kerke darin nicht moege vorkortet (zu kurz kommen) werde, hebbe ich Henricus Galenbecius, Pastor tho Bramstede, ditt mitt eigener handt geschrewen.«

Noch Zuwendung und eine Ablösung.

1. »Anno 1601 up Stillefriedach hefft Tyttke Roepken tho Bymoellen der karke tho Bramstede gegewen nha synem Dode 16 Daler. Desülwigen stan up 3 stück ackers, genömet de Ruwyden stücke, welcken he gekofft hefft, do he noch knecht war, vom olde hartich kampen tho wiemerstorp; hyr By an und awer (gegenwärtig, anwesend) synt gewesen de achtbar Casper vaget und de 4 kark Swornen. - Anno 604 des sondages vor Borgerdach (?) is dyt gelt den Karkschwornen entrichtet und schal der Karke thom Besten up Rente gedan worden.«

2. »Anno 1632 up Johannis hefft Abelke Hardebeken wegen ihres Sel. Mannes bethalet 17 Daler und blifft der Karken in allem schuldigh Hundert Mark l. Diße Resterende Summe samt einer Jahres Rente hefft Hans Mohr wegen Abelke Hardebeken den Karkschworen in des Pastoren hus erleget, welche alsofort thom Karkengebäud, nämlich zum Hahn und Knope, desgleichen tho Vormahlinge (Anstreichen) der Schienen und tho Vorguldinge (Vergoldung) von des Königs Krone und Namen.«

3. »Anno 1626, den 31. Augusti, hat der Ehrenfeste und wohlgeachte Casper vogd durch seine hinterlassene wittwen Magdalen vogds mit consens und volbort (Zustimmung) seines vielgeliebten Bruders Johan vogds nunmehr ihrer Königl. Mayt. zu Dennemark wolbestalten Caspelvagdes zu Bramsted, der Kirchen zu Bramsted zu einem ewigen Memorial für seine grabstett verehret und gegeben - ein hundet Mark lübisch. Dessen Seele in gottes Hand ruhe. Welche 100 Mark l. die Kirchgeschworen in einer unzertheilten Summen Anno und die ut supra (an oben bezeichnetem Tag) entfangen hebben.

quod contestor (was bestätigt wird):

M. Dethlevus Meyer, Probst; Nicolaus Winterberg, Visitator; Henricus Galenbecius, Pastor.<

 

Memorial

 

Anmerkung. Im Jahre 1649 unterschreibt zum letztenmal Vitus Barbarossa, Propst zu Heiligenstedten (Itzehoe) den Rechenschaftsbericht; ihm folgt Johannes Hudemann, Propst zu Segeberg. Seitdem sind weltliche und geistliche Obrigkeit unseres Kirchspiels dort geblieben, bis 1876 die Parochie zur Propstei Neumünster abgezweigt wurde. Wobei zu beachten ist, daß Kirchspielvogtei und Parochie Bramstedt nicht räumlich und rechtlich sich deckende Begriffe waren, indem Quarnstedt nur in weltlichen Dingen mit Bramstedt zu tun hatte, während andrerseits Brockstedt lediglich in Angelegenheiten der Kirche (und der Schule)

 

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an Bramstedt gebunden war. Eine weitere Änderung ist nach langem, nicht allemal erbaulichem Hin und Her im Jahre 1904 eingetreten, indem die Ortschaften Borstel, Brockstedt, Armstedt, Hardebek und Hasenkrug aus der Kirchengemeinde Bramstedt abgetrennt worden sind.

 

Die Juraten auf umstrittenem Boden

 

Aus dem Jahre 1574 wird berichtet, wie folgt:

»De Karksworen tho Bramstede hebben gekofft der karken thom besten 8 himpten Roggen, welkene 8 himpten sin tho Wiemerstorp yn Jasper Tydtken (sin) Sadt (Hufe), vann Jasper kröger thor Stellow vor 63 Mark 2 Schilling, Welkenes geldt Jasper kröger thor Stellau thor noge (restlos) Endfangen hefft.«

»Und den Karksworen (ist) stol (das Geld) und winkop wedder geben alse na Landrecht. - Den stol hefft gestaweth (ausgelegt) Marquart Mertens (vermutlich aus Wiemersdorf) un ock den wyn kop.«

»Hir an und awer syn gewesen dyse frame lüde, alse (wie) folgeth: Hammerich und Stamerjohan yn dem blecke (Bramstedt), Frantz, Jürgen Wischmann, Marquardt Lindemann tho Brockstede, Marquart Volster und Eggerdt Jorrk tho Hiddeshusen.«

»Dyser kop ys geschehen yn Dirick Rolefinken hus, un dat geldt hefft Jasper kroeger dor ock Entfangen In Dirick synem Huse, Und is geschehen up S. Martini Dach (Tag).«

Dieser Bericht ist offensichtlich nicht eingetragen worden von einer direkt an den Vorgängen beteiligten Person; er stammt aus der Kirchenkanzlei. Der Sachverhalt kann einfacher dargestellt werden:

Jasper Kröger aus Stellau ist Inhaber einer Roggenhypothek mit einer Belastung von jährlich 8 Himten Roggen, wahrscheinlich kleines Maß. Schuldner ist Jasper Tydtken in Wiemersdorf. Irgendwie ist dem fernen Stellauer diese Hypothek etwas unbequem. Als sich die Gelegenheit bietet, verkauft Kröger seine Rechte an die Bramstedter Kirche, wohl vertreten durch ihren Juraten Marquart Mertens, und da der Preis für den Käufer günstig stand: jährlich 8 Himten Korn für ein Kapital (Stol) von reichlich 60 Mark, so wäre weiter nicht an der Sache gerührt worden. Nun störte aber wohl der »winkop« (Weinkauf) an sich, und besonders deshalb, weil Wiedererstattung der dadurch verursachten Kosten gefordert wurde. Ob die Höhe dieser Kosten mit zur Frage stand, steht dahin. Beim »Weinkauf«, dem bestätigenden Siegel des Kaufabschlusses, mußte nicht durchaus Wein getrunken werden; auch Bier oder Grog standen voll im Kurse, und die rechtlich bindende Kraft des Verfahrens litt nicht, wenn auch der Wein verschmäht wurde.

Entscheidung zu treffen, rief man eine Reihe »frommer« Männer aus dem Kirchspiel herbei, und damit stehen vor uns Männer, die bei »Ding und Recht« das Urteil zu finden hatten. Meistens nannte man sie »Achtmänner« oder auch »fromme Holstenmänner«. Hier wirkten sie als Friedensrichter, und das daneben bestehende »Landrecht« zeigte keinen Anlaß zum Tadel für die oder den Juraten.

 

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Kurzer Blick auf die Unterbeamten der Kirche

 

Diese Frage wurde angeschnitten am 14. Oktober 1636 bei oder nach Ablegung der »Rechenschop«.

Christian Hamerich, der Kirchendiener, der 22 Jahre lang bereits der Kirche gedient hat, besinnt sich, ein Guthaben bei der Kirchenkasse erworben zu haben, an dessen »Erstattung« oder Auskehrung ihm nun gelegen ist. Die vom Protokollführer gewählte Schreibart gestattet nicht, zu erspähen, um welchen Betrag es geht. Es wird ihm aber zugestanden, daß er in allen Jahren eine Dienstleistung ausgeführt hat, ohne dafür entlohnt zu werden, ohne auch eine solche gefordert zu haben. Der Herr Propst wählt den Mittelweg: es wird ihm Nachzahlung für n Jahre zugesprochen und fortan eine Lohnsteigerung von 2 Himten Roggen jährlich festgesetzt.

Es folgt ein Zusatz, der hier noch Platz finden möge:

»Ebenmäßig ist dem Kirchendiener zugesagt und versprochen worden, ihm jährlich einen Reichstaler zuzukehren, dafür er schuldig sein soll, das ganze Jahr durch auf allen Fest- und Sonntagen mit der »behte« (Klingelbeutel) umbzugehen und der Kirche zum Besten sich dafür unweigerlich und unwiderruflich gebürend gebrauchen zu lassen.«

Christian Hamerich hatte seitdem eine Entlohnung von 4 Himten Roggen und 1, wohl auch einmal 2 Mark Zulage.

Der Versuch, etwas zu erschauen vom Stand der Schule um 1570, also ¼ Jahrhundert später, als Bugenhagens Schulordnung herausgekommen ist, bleibt überraschend wenig belohnt. Gewiß, das Schulhaus, meistens Organistenhaus genannt, trat gleich in unser Blickfeld: wir lasen von Reparaturen dieses Gebäudes, und das Buch verschweigt nicht, daß es galt, ein »altes Haus« zu bessern, ein Zeichen dafür, daß die Schule, für welche es gebaut war, schon recht lange bestanden hatte.

Aber die Namen der Männer, die hier eines würdigen Amtes gewaltet haben, nennt niemand! Das wenige, was sich bietet, sei an den Tag gebracht: Anno 1573 zahlen die Kirchgeschwornen »dem scholmestern, de fan Segebergh quam (kam), die gleiche Summe, welche der forige gehabt hadde«, nämlich 6 Mark.

1575 wiederholt sich das gleiche; es wird wieder einer »angenommen« und gar noch ein Gottespfennig von 8 Schilling zur Festigung des neuen Bundes geopfert. Ähnliches mag sich noch recht oft ereignet haben. Doch das Kirchspiel brauchte »Schollehrer, Küster und Organist« in einer Person, die, was den Organisten betrifft, auch im Winter zur Stelle sein sollten. So trat dann das Küstergehalt sehr in den Vordergrund: Hebung von 16 Himten Roggen, dazu ein Jahrgeld für »Schol Waschen und Kirchenschmuck zu Maitag« zusammen 12 Mark; und als 1656 noch der »Seyer«, das Stellen des Turmuhrzeigers, hinzukam, blieb das Jahrgeld total unberührt. - Ein Anno 1663 eingetretener Organist erlebte die Ehre, seinen Namen ins Kirchenbuch eingeschrieben zu sehen: Hermann Einbauten

 

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beim Eintritt, danach dauernd Hermannus. Auch für ihn blieb die bewährte Entlohnungsform in Kraft: 16 Himten Roggen und 12 Mark Jahrgeld. So kam er in den ersten Jahren zu 28 ½, 17, 11 Kurantmark des Roggens wegen, ergänzt jedesmal durch 12 Mark Jahrgeld.

 

Kleine Notizen, die der Beachtung wert sind

 

1.  Anno 1651 werden einem aus Ungarn vertriebenen Manne auf Befehl des Königs 2 Mark ausgehändigt.

2.    Dem Bischof aus Zypern 1 ½ Mark.

3.    Einem Juden, der sich zum Christentum bekehrt hat, werden auf Sr. Majestät Befehl 3 Mark zuteil.

4.    Auffällig ist die Nachricht, daß Hans Fulendorf, der Vater unseres Jürgen F., in seinem Hause den Kirchenroggen »meten« läßt und dafür in Rechnung stellt: »Vor 1 Tonne Bier, 8 Pfund Speck, 9 Pfund Brot, 7 Pfund Butter, wofür zu entrichten 18 Mark.«

Es ist schon unbedenklich, anzunehmen, daß Frau Pastorin den Tumult in ihrem Hause vermeiden, aber die Wirtschaft in der Kirchspielvogtei umgehen wollte, wo man ja, wie wir gesehen haben, das Vergnügen mit 34 Mark berechnete.

5.    .Wir lesen: »Als Hans Folster Korn gemayet und eingeerntet, verzehrt 4 Mark 8 Schilling.« Hier liegt die Frage nahe, ob etwa die Eingepfarrten verpflichtet waren, solche Dienste für die Kirchenhufe zu leisten. Die Antwort ist ein klares Nein. Hier liegt ein Fall freier Vereinbarung vor; von Pflichten dieser Art weiß das Kirchenbuch nichts zu melden, wie ja auch der Mäher Hans Folster entlohnt worden ist.

6.    Hans Mohr und Jürgen Gloyen, daß sie im Umbschlage dieses Jahres (1666) vier Tage in Kirchengeschäften nach Kiel gewesen.

Hier zeigt sich, welch große Anziehungskraft der Kieler Markt schon damals hatte.

Die Wanderung durch die hundert Jahre des Kirchenbuchs ist vollendet. Aber es ist noch ein zweites Buch vorhanden, das dem hier bearbeiteten recht ähnlich ist. Es wäre Pflichtversäumnis, wollte man es nicht nutzen als willkommene Ergänzung und zur Festigung der bereits gewonnenen Kunde.

Zur Aufmunterung möge der freundliche Leser zur Kenntnis nehmen, daß das wüste Gebiet der Ziffern in den Hintergrund treten soll.

 

Observata des Pastoren Galenbecii

 

1627: In der Ernte des Röm. Kaisers Kriegsmacht über die Elbe nach Holstein und darin verblieben bis 1629 (Johanni). 1628 ist am 3. Tag zu Ostern der Flecken angesteckt worden; alles, was zwischen den drei Brücken gestanden, von dem

 

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Hohen Tore über die Hudau und Mühlenstrom, ingleichen die Mühle, des Pastoren Haus und die zwei, so dabei stehen.

1643: Am 2. Advent sind die Schweden unvermudlich in Holstein eingefallen, haben das Land hart gepresset bis 1645 um Michaelis und nach erlangtem Frieden das Land verlassen.

1644: Kirchspiel Kaltenkirchen von ihnen verbrannt in den Ostertagen.

1645: Friede geworden.

 

Dreijährige Kriegszeit 1657-1660

 

1657: König von Schweden kam zur Zeit, da der Roggen eben eingebracht, mit seinem unansehnlichen Heer aus Polen hierher und ist durch Holstein nach Jütland gezogen, und nachdem er die Festung Friedrichsoer (?) mit Sturm genommen, diese besetzt. Ist endlich um Lichtmeß in Anno 1658 über das Eis nach Fünen, Seeland, Laaland, Falster usw. gangen, bis der König von Dänemark mit ihm Frieden geschlossen. - Aber der Schwedenkönig brach sein Wort; die Dänen haben Holland, den Kaiser, den Kurfürsten zu Brandenburg und den König von Polen zu Hülfe gerufen. Ein erschrecklicher Kriegsherr hat ein ganzes Jahr Dänemark und Holstein heimgesucht, daß das Land jämmerlich verzehrt worden. -Im Zuge der Ereignisse ist der Kurfürst von Brandenburg mit der Kur-Brandenburgischen Armada durch Bramstedt gegangen und sind im Flecken und im Kirchspiel einquartiert worden. Der Kurfürst ist am 29. August 1659 hier einquartiert gewesen auf dem Hofe. Dem Kurfürsten sind die Polen auf dem Fuße gefolgt. So geschehen am 1. September 1659. - Schon im Jahre vorher um Michaelis waren sie hier einquartiert gewesen und hatten den Leuten, die sie übereilten, die Pferde geraubt. 1659 blieben sie hier bis zum 4. des Monats. Sie haben übel, übel haus gehalten; die Orgel und das Uhrwerk in der Kirche haben sie ruiniert, ja, sie haben die Toten, die in der Kirche begraben waren, nicht verschont, sondern, wohl weil sie hofften, Schätze zu finden, deren etliche ausgegraben und die Särge in Stücke zerhauen. So haben sie auch im Altar etwas vermauert gefunden. Was es gewesen sei, ist unbekannt. In wahrhaft barbarischer Weise haben sie im Gotteshaus gehaust. »Gott wolle alle frommen Christen vor solcher Tyrannei bewahren.« - Und ist zu wissen, daß dies polnische Kriegsheer von General Granetzki kommandiert und geführt worden. - Gegen Ende des Jahres 1659 ist ein polnisches Regiment, nachdem es mitgewirkt hatte an der Rückgewinnung der Insel Fünen, von dort nach Hause geschickt worden. Wieder ging der Weg über Bramstedt. Zuerst wurde am heiligen Weihnachtstage die Leiche des gefallenen Obersten Raskinsky durch den Ort geführt.

Anno 1660 am 1. Sonntag nach Epiphanias folgte das Regiment und blieb hier bis zum 13. Januar. Diese Tyrannen haben bei ihrem Ausmarsch mit den Bramstedtern den Rest geteilt. Die annoch übrigen wenigen Orgelpfeifen haben sie völlig verderbet, ja, hätten wohl gerne, wenn sie nur könnten, den Garaus gemacht. Sie sind weit und breit geritten, und hat, weil es gefroren gewesen,

 

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nichts in Büschen und Morästen, so wenig in benachbarten als an diesen Örtern können vor ihnen verborgen bleiben.

Post mortem Caroli Gustavi Regis Sueciae, Anno 1660 im Mai, ist unter den nordischen Königreichen Friede geschlossen worden. - Die acht Regimenter der Alliierten sind, als man mit der Nachmahd oder Etgrön beschäftigt gewesen, fortgangen. Kirchspiel und Flecken wieder mit dänischen Völkern belegt. (Von den Schweden zuerst in Bramstedt gelegen Oberst Stolzenberg; dann Oberst von Osten, haben die Leute hart gepreßt. Von den Brandenburgischen: Oberster Hille, dann gefolget Elias von Kanitz, Oberster der Dragoner, wie auch Oberst Greve, dessen Reuter zu Wiemersdorf und Hardebeck gelegen, welche auch dem Flecken und Kirchspiel Großes gekostet.) - Gott wolle den armen Leuten ihren Schaden mit reichlichem Segen wieder ersetzen, sodann uns All solche und denselbigen pressuren gnädiglich behüten um Christo Jesu willen.

Anno 1658 ist Obrist Alexander vor der Kirche gewesen zu Bramstedt, ist Pastor Henrikus Galenbeck in die Kirche gangen, Armenkiste erbrochen gefunden, darinnen nur noch 10 Mark.

Anno 1668, 16.4.: morgens zwischen 9 und 10 große Feuersbrunst im Flecken, 7 Wohnhäuser abgebrannt: Jasper Wulf, Hinrich Fölster, Martin Schulten samt der Schmieden, Metta Hartmann samt dem Stall, Johann Krützfeldt, Johann Hardebeck, Bartelt Gieselers, aufgegangen, da dann der Wind Südwest gewesen, und bei Jasper Welser das Feuer auskommen.

Anno 1676 in Maria-Magdal.-Nacht um 1 Uhr im Flecken Feuersbrunst entstanden, darinnen die Häuser der Bartelt Gieseler, Joh. Hardebecken und Gerdt Wulfs aufgegangen, auskommen bei G. Wolf.

1677 große Feuersbrunst, 8 Häuser: Hans Schacken, oldt Hans Wolfen, Abschiedshaus, Jasper Wulfen, Hans Steckmessen, die Küsterei, Hinrich Lindemann und 2 Ställe, als Klaus Blunck und Hinrich Lindemann aufgegangen. Der Schaden kam daher, daß aus einem Ammunitionswagen der Hessischen Auxiliarvölker Pulver auf die Straße gestreut, worauf das Wagenrad Feuer gebracht.

Anno 1692, 30.10., nachmittags um ½ 2, da die Leute eben aus der Kirche kamen, sind im Flecken abgebrannt: Klaus Vossen, Arend Wulfen.

1699 in der Nacht von Freitag und Sonnabend vor Dom. 14 p.Tr.: ein gottloser Mensch in die Kirche eingebrochen, auf einer Totenbahre ins Fenster gestiegen, und Armenkasten ausgeleert, zum wenigsten 80 Mark darin; man hat vom Armengeld, so auf Rente gestanden, aufnehmen müssen. Es ist zu merken, daß von jeher und noch lange nach 1670 nur einmal im Jahr, in der Woche vor Fastnacht, der Armenkasten ausgenommen und das Geld ausgeteilt wurde. Die Kirchschwornen haben nur einmal im Jahr gesammelt.

Zur Zeit des Amtmanns v. Buchwaldt ist beschlossen: der Organist sammelt jeden Sonntag (um 1650) gegen eine Jahresgebühr.

Zu dieser Zeit: Vitus Barbarossa Präpositus, Henricus Galenbeck Pastor, Johann Vaget Kirchspielvogt, Christian Hamerich Organist, Kirchschworen: Joh. Bartels


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im Flecken, Tewes Hardebeck in Wiemersdorf, Hans Mohr in Hardebeck, Marx Gripp in Borstel.

1592: Neuer Kelch angeschafft: in Hamburg, mit Vergoldung 25 Rthr. Und 1 Ort. Mark.

Orgel fertig 1573: Casper Röhlfinck erster Küster bis 73, nun ein Organist angenommen, 1 Rtlr. Gottespfennig; dabei Geschworner verzehrt 3 Mark 7 Schilling. -Prozeß Rötger Lindemann! 450 Mark Kosten.

1667: Orgel: An Stelle der zerstörten Orgel ein Positiv und Orgelwerk von der Glückstädter Stadtkirche gekauft, 6 Stimmen; am 1. Advent-Sonntag zum erstenmal erklungen. Von 260 Feuerstätten je 2 Mark 8 Schilling erhoben = 515 Mark.

1669: Anno 1635 aufgeführter Turm und Mauer baufällig geworden, weil das hineingemauerte Holz vergangen, dadurch Kirche und Turm in größter Gefahr. -Den Kirchgeschwornen wurden 4 Gevollmächtigte zugeordnet: Klaus Steckmest und Gerdt Wulf für den Flecken, Titje Hardebeck aus Wiemersdorf, Hinrich Titgen aus Hitzhusen. Vereinbart: 7 Mark für jede Feuerstelle = 206 mal 7 = 1442 Mark. - Weil auch die Insten und Bei-Insten die Glocken frei gehabt, haben diese beitragen müssen 3 Mark und 1 Mark 8 Schilling. - Gesamtkosten 1387 Mark 3 Schilling.

1674: Backhaus im Pastorat gebaut: 140 Mark 12 Schilling; Kirchenlade, für die Bücher, mit Schmiedearbeit und Anstreichen 5 Mark 8 Schilling.

1677: Küsterei, so bei dem großen Brande zerstört, wieder aufgebaut: 535 Mark 11Schilling.

1678 am Freitag vor Palmarum: Sturm hat den Mächler mit Hahn und Knopf heruntergeweht, auf die Kirche gefallen. 362 Mark 7 Schilling.

1683: Mit Erlaubnis der Kirchenvisitation (Amtmann und Propst) sind aus den Brunnengeldern 300 Mark für Turmbau verwandt worden.

1678/88 hatte die Kirche mehr Ausgaben als Einnahmen. - Unterschuß insgesamt 1568 Mark; gedeckt worden aus den Brunnengeldern, dazu die 300 Mark; Anno 1688 konnten noch 250 Mark zu 5 % auf Zinsen gegeben werden.

1689: Einige aus Kirchenholz gesägte Bretter, so ihrer Nässe wegen zum Boden im Pastorhaus nicht können gebraucht werden, sind gehoben 17 Mark 8 Schilling. Von Hinrich Meinert in Hagen für einiges, zur Ungebühr gehauenes Kirchenholz, so bei seinem Erbe, empfangen 9 Mark.

1691: Von Heinrich Meinert dito 10 Mark 8 Schilling. Kirchenmauer an der Westseite baufällig, Einsturz drohend, niedergebrochen, von Grund auf neu: 9 Mark für jede Feuerstätte. 2038 Mark 3 Schilling.

1686: Begräbnis für 1 Leutnant aus Cap. Koes Companie, der sich selbst erschossen, in der Kirche begraben, 12 Mark. Vor das Geläut 3 Mark. 1688: Vor Begräbnis nur Geläut bei Beerdigung des Herrn Auditors von dem Obersten Aderkehs (kass) 12 Mark.

1692: Vor Aderkahs für sein Söhnlein in der Kirche 9 Mark. 1688: Beichtstuhl neu gebaut, Tischlerlohn 12 Mark. 1693 ist vor die Eröffnung des sel.  Friedr. Müllers und dessen Erben zu-

 

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ständigem Begräbnis, als die Frau Majorin Cramersch darin beigesetzt worden, gehoben 20 Mark. - Der 1677 wegen dieses Begräbnisses wegen errichtete Contract:

»Kund und zu wissen sei hiermit männiglich, daß der Herr Major Kramer für seinen seligen Herrn Schwiegervater Herrn Hinrich Müller, gewesenen Proviant-, Ammunition- und Bauverwalter in Krempe, wie auch für sich selbst und seine Frauen und Erben ein ewiges Erbbegräbnis von der Kirche zu Bramstedt erkauft hat, an der Südseite in gedachter Kirche neben dem Altar bis an die Kirchenmauer, 11 Fuß breit und acht Fuß lang und soll der Herr Major und seine Erben freie Macht, die erkaufte Begräbnis auf vorbeschriebene Größe, mit Mauern aufzuziehen, und mit einem Leichsteine zu belegen, und ein Epitaphium an einem bequemen Orte in der Kirche setzen zu lassen, um und vor 60 Reichstaler baren Gelde und eine silberne, übergoldete Kanne, auf 40 Rtlr. geschätzet, welche er der Kirche zum ewigen Gedächtnis seines sel. Hr. Schwiegervaters verehret, und ist den sämtlichen Kirchgeschwornen erwähntes Geld und die silberne Kanne zu selbst eigenen Händen von Hrn. Majoren überreichet und bezahlet und solches in dem Kirchenbuch verzeichnet worden. Wie sich die Kirchgeschwornen für sich und ihre Successoren verpflichtet, nimmer zuzugeben, daß sel. Hrn. Müllers Erben noch sonst jemand den Leichenstein, über des sel. Hinrich Müllers Körper liegend aufzunehmen oder daselbst einen andern zu begraben Macht haben, besonders bis zu ewigen Tagen solche Begräbnis uneröffnet bleiben soll. Das übrige von dem Platze, unter dem Gestühl, mögen die Erben nutzen und zu brauchen haben, jedoch mit dem Bedinge, daß allemal bei deren Eröffnung der Kirchen dafür ihre Gebühr gegeben werde, wie zu Segeberg, Oldesloe und sonsten allerwärts gebräuchlich. - Zu Urkund der Wahrheit und festen Haltung ist dieses von dem Herrn Pastor zu Bramstedt und den Juraten eigenhändig unterschrieben, auch wegen Ihrer Königl. Majestät unsers gnädigsten König und Herrn, als einzigen Patron der Kirche dem Kgl. Regierungsrat und Amtsverwaltern zu Steinbürg und Segeberg Herrn Nicolaus Brüggemann corrobiret und bekräftiget. - So geschehen den 20. Juli 1677. -

N. Brüggemann, Dethlevus Galenbeccius, Pastor Eccl. Bramst; Jürgen Gloye, Hinrich Lindemann, Claus Wischmann, Jasper rieng.«

 

Anno 1694. Für des hochsel. Hrn. Obristen Otto Heinrich von Aderkahs in der Kirche gekaufte Erbbegräbnis sind gehoben 90 Mark, worauf dessen hinterbliebenen hochadlichen Frau Wittwen folgender Contract ausgehändiget:

»Kund und zu wissen sei hiermit männiglich, daß der Witwe, die wohlgeborene und hoch-Tugendsame Frau Hypoleyta Hedwig für Ihren hochseligen Eheherrn, sowohl als auch ihr selbst, dero Kindern und andern Erben unter dem Gehäge hiesiges Altars ein Erbbegräbnis vor 30 Rtlr. soweit als der darauf liegende Leichstein sich erstreckt, erkauft, wie auch die Zahlung dafür wirklich erfolgt. Wogegen sich die Kirchschworen für sich und ihre Successoren verpflichten, nimmer zuzugeben, solch Begräbnis zu ewigen Tagen zu eröffnen, es sei denn, daß dies für jemanden der Erben nötig sei, da solches gegen Erlegung

 

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der gewöhnlichen Gebühren frei sein soll.« - Unterschrift des Pastoren und Juraten am 13. Mai 1694.

1695: Am  1. Osterfeiertag haben Tim und Ties Langhinrich einen großen silbernen vergoldeten Kelch auf dem heiligen Altar verehrt.

1698: Hochsel. Hans von Bähren Begräbnis. 72 Mark darüber ein Contract. »Kund und zu wissen     , insonderheit denen, so daran gelegen, daß wir Endes benannt, als jetziger Zeit Administratores der Bramstedtischen Kirchengüter, nomine jetzt gedachter Kirchen, eines beständig, ewig und unwiderruflichen Erbkaufs verkauft haben, verkaufen auch hiermit nochmalen in bester, beständigster Form und Weise rechtens an die hochwohlgeborene Charlotta Olgard Hedwig geb. von Ahlefeldt anjetzo verwitwete von Bähren, eine zwischen dem Altar und Beichtstuhl nebst den Steding'schen und Vagdischen Begräbnissen gelegenen andere Begräbnis, 9 Fuß lang und 5 Fuß breit, zu Beerdigung ihres sel. Eheherrn, des weiland auch hochwohlgebornen Hr. Hans von Bähren um und vor 24 Rtlr., welche sie bar entrichtet hat und wir vor hoch bemeldete Frau Käuferin und ihre Erben zugleich hiermit quittieren, als an dergestalt, daß besagte Begräbnis deroselben und ihren Erben ewigen Tages soll erb- und eigentümlich zustehen, doch mit dem Vorbehalt, wenn selbige, ausgenommen etwa bedürfender Reparation heute oder morgen, nachdem nun die hochselige Leiche von dem Herrn Hans von Bähren beigesetzet, auf einen andern, gebe Gott noch lange außen bleibenden Sterbefall sollen wieder öffnen wollen, der Kirchen die in solchem casu gewöhnliche Gerechtigkeit geschehe. Hingegen verpflichten wir uns und unsere Succ, im Namen unsrer Hohen Kirchen-Visitatoren, als welche diesen Contract sämtlich consentiret, namentlich Sr. Excellenz des Hrn. Geheimen Rats Andrae Pauli von Liliencron als jetziger Zeit Oberamtmann zu Segeberg, desgl. Sr. Magnificenz Hrn. Justizrats Reimer von Rheder, Viceamtmann daselbst, sowohl als auch Sr. Hochwürden Hrn. Vice-Praepositus Petri Antoni Burchardi, daß die Kirche werde jetzt noch künftig einige Praetensiones ex quo capite vel causa sie auch immer herrühren möchten, auf mehr gemeldete Begräbnis zu machen befugt sein, dieselbe auch von derselben und außer Geheiß und Vorwissen der Frau Käuferin und ihrer Erben zu ewigen Zeiten uneröffnet bleiben sollen. Alles sonder List und Gefährde. - Wie wir denn auch diesen Contract zu mehrerer Sicherheit nicht nur mit eigner Hand unterschrieben, sondern ihn auch wirklich von Wort zu Wort unserm Kirchenbuch einverleibet.

So geschehen Anno 1697 zu Bramstedt den 7. Januar.

Unterschrift: Conrad Henricus Galenbeck, Ecclesiae patriae Pastor; Joh. Bartels, Jürgen Hardebeck, Marx Gripp, Hinrich Mohr.«

 

Anno 1699: Vor des Rittmeisters Weisern Begräbnis (nicht Erb-) 24 Mark.

1700: Vor des Regiments-Feldschers von Herrn Obristen Bernstorffs Kind, so in der Kirche an einem abgelegenen Ort begraben, 6 Mark.

1701: Turm neu gedeckt, 470 Mark. Orgel in der Kirche gebaut. Dafür hat Kommissär Averhoff von guten Freunden einen erheblichen Beitrag geworben; hat auch zur Bemalung 40 Rtlr. verehrt. Ferner eine silberne Kanne versprochen

 

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im Wert von 40 Rtlr. - Dafür ist ihm in der Kirche von den Visitatoren ein Platz für 2 Leichen vergönnt worden; auch ein Kirchenstand an der Wand neben dem Kinderhaus überlassen. Die Silberkanne ist 1714 von der Frau Kommissarin geschenkt worden: 200 Mark 12 Schilling. Sie sind aber beide in Segeberg beerdigt worden. Successor in officio Wulf hat des Vorgängers Häuser und Jura erworben, auch den Begräbnisplatz erhalten; er liegt unter der Orgel begraben.

1704, 05 und 06 hat der adelige Hof zu Bramstedt für vier wüste Hufen in Hitzhusen und eine Hofstelle die Anlagegelder a 7 Mark 4 Schilling und 2 Mark 8 Schilling nicht zahlen wollen: solches ist durch Exekution (Wegnehmung des Korns vom Felde) eingetrieben worden, dreschen lassen und verkauft: davon die Kirche erhalten das erste Mal 29 Mark, dann 15, dann 12 Mark.

1725: Feuersbrunst, große, im Flecken.

1726: Neuer Klingbeutel, von Harm Harbeck aus Hamburg geschenkt. Verordnung: An hohen Festtagen sollen die Becken an der Kirchtür stehn; Betrag für Reparation der Kirche bestimmt.

1731: Hans Meier den Turm angestrichen. Arbeitslohn 47 Mark; Farbe 44 Mark. Töpfe und Feuerung 2 Mark 10 Schilling.

1733: Im Sommer der ganze Kirchenboden gestrichen; Farbe haben gute Freunde geschenkt, die blaue ein unverheirateter Schmied. - Große Glocke geborsten. -Strahlborn aus Lübeck hat sie umgegossen; Gießerlohn 728 Mark, Trinkgeld für Gesellen 9 Mark, für ein neuer Glocken-Hövel 12 Mark, Eisenzeug 14 Mark, Zimmermann 4 Mark, Zehrung für Meister und Gesellen 20 Mark; Unkosten in Lübeck 23 Mark 2 Schilling, Fuhrlohn, die Glocke herzuschaffen 30 Mark.

1735: Mit Zustimmung der Visitatoren: Pastoratholz in der Ah verkauft für 200 Rtlr. Pastor loci soll die Jahreszinsen genießen.

1738: Ganze Turmmauer an der Westseite abgebrochen und neu aufgebaut; Turm aufgeschroben, mit Holz mehr befestigt und verbunden, statt der Leden große Steine unter die Pfeiler. Kosten 1407 Mark.

 

Die streitbare Kirche

 

Das Archiv der Bramstedter Kirche bietet dem Geschichtsforscher neben den im strengen Sinne des Gesetzes als amtliche Dokumente anzusprechenden Kirchenbüchern noch etliche Urkunden, teils verstreut, teils in solider Heftung dar, die in mehr als einer Hinsicht verdienen, der Chronik des Ortes und des Kirchspiels dienstbar gemacht zu werden. An erster Stelle steht in dieser Hinsicht eine Sammlung, die auf mehr als 100 Blättern in Groß-Folio recht verschiedene Gegenstände berührt, indessen in der großen Mehrzahl der Fälle sich im Kern als Verhandlung einer Streitfrage darstellt. Damit rechtfertigt sich der Titel, unter dem das Sammelwerk überliefert worden ist:

»Allerhand zur Bramstedter Kirchen und Pastorate gehörige Schrifften, sonderlich Original-Akta in Streitsachen des dasigen Pastoris Daniell Hart-

 

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naccius mit dem General-Superintendent D. Josua Schwarz, dem Kirchspiel-Voigte, Juraten und sämptlichen Gemeine.«

Die Wiedergabe erfolgt natürlich mit Auswahl und starker Kürzung. Soweit genaue Hinweise auf die Quelle gegeben werden, zeigt eine eingeklammerte Ziffer auf das entsprechende Blatt der eben bezeichneten Schriften-Sammlung hin.

 

I. Materielle Angelegenheiten

 

I . Die strittige Vikarie

 

Dieses kleine Anwesen der Kirche stammt aus jener Zeit, wo auch unsere Gemeine noch unter dem Krummstab des katholischen Bischofs stand. Es sollte den friedlichsten Zwecken dienen: Behausung sein für die Hilfsgeistlichen (Kaplane, Vikare) des mit geistlichen Dienstpflichten reichlich bedachten Priesters, daneben Raum bieten für unterrichtliche Betätigung der Vikare. Das Haus, ausgestattet mit einem Kohlhof, lag gegenüber dem westlichen Eingang der Kirche in nächster Nachbarschaft des Organistenhauses (Küsterei) und war natürlich im Besitze der Kirche. Mit der Einführung der Reformation waren die Vikare überflüssig geworden. Schon aus den Jahren 1546, 1547 und 1548 (Bl. 47) vernehmen wir übereinstimmend:

»Dem Karckherren gegewen von der vicary vor brodt und win 14 Mark.«

Diese Buchung läßt vernünftigerweise nur diese eine Deutung zu: Die Vikarie war zu einer Nährquelle geworden mit einem Jahresertrag von 14 Mark lübsch. Diesen Betrag kassierten die Kirchenjuraten ein und überwiesen ihn dem Prediger - Hermann Burtfeld - zur Deckung der Jahreskosten für Wein und Brot zur Feier des Abendmahls.

Das Jahr 1606 verkündet im Kassenbuch unter Einnahme:

»Die grundt und Vicary heur ... 10 Mark 11 Schilling.«

Alle Wahrscheinlichkeit spricht dafür, daß 1546 wie 1606 die Vikarie mit zugehörigem Wiesenland von der Kirche in Pacht vergeben war, wobei ungeklärt bleibt, ob Zeit- oder Erbpacht vorlag. Da im Jahre 1573 die Kirchenkasse für »reparirung des vicary hauses« 1 Mark 2 Schilling auslegte, ist wohl Zeitpacht, also volles Eigentumsrecht der Kirche, zu vermuten.

Trotzdem hat Seelsorger Burtfeld, der 1570 Abschied nahm nach 36jähriger Amtsverwaltung, nacheinander mindestens drei Gehilfen, nunmehr Diakone genannt, beschäftigt, von welchen der letzte zum Amtsnachfolger berufen wurde, während die beiden andern ein trauriges Ende nahmen (siehe Verzeichnis der Geistlichen). Diese Diakone der lutherischen Kirche dürfen mit den Vikaren der katholischen nicht verwechselt werden; letztere standen in einigermaßen gesicherter Stellung neben dem Priester, während jene fast nur dann gerufen wurden als Aushilfekraft, wenn Schwachheit, Krankheit oder sonstige Behinderung des Predigers das erforderlich machten. Die Gemeinden waren meistens wenig geneigt, dafür ein Opfer zu bringen, und so dürften die genannten Vertreter Burtfelds

 

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fern von dem Fetten der Erde gewandelt sein. Ob sie etwa aus milder Hand noch Nutznießer der Vikarie gewesen sind, ist nicht zu entscheiden. Es sei nur noch daran erinnert, daß Graf Stolberg, als er hier als Amtmann waltete, dem Diakon Tobias Mentzel durch ein Stipendium hier zu wirken ermöglicht hat.

Soweit ist die Geschichte unserer Vikarie einfach und klar. Aber das 17. Jahrhundert brachte mit dem Dreißigjährigen Kriege auch noch erhebliche Unruhe wegen dieses Besitztums für Flecken und Kirchspiel. Es wurden Rechtsansprüche angemeldet, von denen bislang nichts verlautete. Eine vom derzeitigen Pastor Henricus Galenbeck gefertigte Copie einer vom Dompropsten zu Hamburg am 2. Oktober 1628 unterzeichneten Urkunde belehrt uns:

»Ich Dettleff Rantzow, Ritter, Thumb-Probst zu Hamburg, holsteinischer Raht, Amptmann zu Steinburg und in Dithmarschen, zu Pankow Erbgesessen, Thu kundt und bekenne hiermit, was maßen ich die vicarie zu Bramstede, so unter der Thumbprobstey zur Hamburg gehörig, Als welche Herr Gerhardt Rantzow Sel., weiland Königlicher Majest. Stadthalter in dem Fürstenthum Schleswig-Holstein, (dem) Sel. Hans Meulken, derzeit Barbier zu Bramstede, besage (laut) seines am 14. Juni 1604 aufgerichteten brieffes (Vertrages), welchen ich in original gesehen und vorlesen, verheuerdt gehabt: nun anjetzo gedachten Hans Meulkens nachgelaßenen Erben und in specie demjenigen unter ihnen, dem die vicarie auftragen (überlassen) werden, wiederumb verheuert habe. - Thue auch solches nachmalen hiemitt und in krafft dieses derogestalt und also, daß der ernante Besitzer oberwente (oben erwähnte) vicarie seine und seiner Frawen Lebenszeit behalten und davon jährlich der Kirchen zu Bramstede oder den Kirchschworen daselbst 9 Mark und eine Mark mir, alsdem Thumbprobst zu Hamburg, geben und entrichten soll. Jehne (die heuerleute) sollen auch dieselbe (Vikarie) in beßerung und bauwung (baulichem Zustand) halten, und bei der Krug gerechtigkeitt, wie von Alters hero geschehen ist, gelaßen werden; aber der Thumbprobstey an ihrem rechte und gerechtigkeitt unverfencklich (unbeschadet).

Weilen auch in Anno 1589 das Hauß der vicarie auf 60 Mark werdierett (gewertet, taxiert) worden und bawfellig geweßen, daß Sel. Hans Meulcke es damalen (hat) bawen müßen - wie auch von ihme soll geschehen sein, daß ers in einen beßern stande gebracht - So soll künfftiglich, wan der besitzer, seine Frau oder Erben werden abziehen, es also (wie der vom Sel. Herrn Hinrich Rantzow 1589 den 20. Martii darüber außgegebene Brieff vermeldet) damit gehalten werden, wie auch noch geschriebenen Punkten halber; In fall dem Hauße durch Gottesgewitter schaden wieder führe oder sunsten von ander her kheme (käme), Sol der, dem dan der grundt zugehörich, darvor hafften. Da aber der Schade von ihme oder den seinigen herkehme, Sol er denselben stehen und beßern. Wofern auch nach seinem und nach seiner Frawen todtlichen Abgange sie Leibeserben nachließen, so daß Hauß behalten wolten, Sollen diese, wenn sie, was andere thun (zahlen) wollen, (auch bieten), vor andern dabei gelaßen werden. - Es haben auch obgedachte Sel. Hanß Meulckens erben mir eine Verehrungh gegeben, damit es auch also künftiglich solle gehalten werden.«               

(Eigenhändige Unterschrift und Siegel)

 

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Diese Beurkundung des hochangesehenen Detlef Rantzau, die offenbar für die in der Vicarie wohnhaften Erben des Sel. Barbiers Hans Meulcken bestimmt war, brachte die aufregende Neuigkeit, daß die Vikarie Eigentum der Hamburger Dompropstei sei, daß ferner weder die hiesige Kirche noch die Dompropstei frei über die Nutzung des Grundstücks bestimmen könne, weil ein bindender Vertrag mit der Familie Meulcken sehr im Wege stand. Und der Leser wird mit Interesse zur Kenntnis genommen haben, daß ausgerechnet mit der Vikarie »von altersher« eine Krug-, d. i. Schankgerechtigkeit verbunden war und fernerhin bleiben sollte.

Zunächst ist klarzulegen, aus welchem Anlaß gerade im Jahre 1628 diese Dinge zur Sprache kamen. Nun, es war die Schwedenzeit: eine Feuersbrunst hatte den Flecken schwer heimgesucht und auch das Pastorat hart mitgenommen. Man suchte nach einer vorläufigen Wohnung für den Prediger und fand die Übersiedlung in die Vikarie für das natürlich gegebene. Der Widerstand der dortigen Häuersleute veranlaßte sie dazu, sich vom Dompropsten die obige Urkunde als brauchbare Waffe zu verschaffen.

Die Kirche konnte demgegenüber nicht einfach auf ihre wohlbegründeten Rechte verzichten. Doch erst nach Ablauf von neun Monaten treten die Vertreter des Kirchspiels den durch berührte Beurkundung offenbar gewordenen Rechtsansprüchen mit einer Erklärung entgegen. Sie bewahren dabei, wohl beeinflußt durch die machtvolle Stellung derer von Rantzau, eine beachtliche Ruhe. Wir werden ihrer Darlegung Raum gönnen wollen.

»Wy Endsbenanten bekennen hymitt, dat, nadem ein strydt twischen Moelkens Erwen und der ganzen gemeine des Kerchspels Bramstedt entstanden wegen der Vikari, eines Teills, Moelckens Erwen, so vermeinen, datt Sie wegen des Doehmbs Confirmation schriuende, alß der Woll Edlen herren Thomprövste Heinrich und Gerdt Rantzowen weiland Sel., wie denn ock des Herrn Ridders Dettleff Rantzowen, so Jehrlich empfangen von Moelckens Erwen einen halben Reichstaler, die höchste Gerechticheit in der Vicari hebben vor andern herrenlüden und der Karcken Bramstedt, Andern Teills, auerst alß die Kercke und die incorporirten1) vermeinen, Datt Sie solcher vicari mechtig syn wegen Ihro Kgl. May. jurisdiction und Hoheit, im Falle der Noth als itzige Tydt, da die Wedem, des Pastoren Hues, mitt in der Füersbrunst upgegangen, oder ock, wenn Sie diesülwige thor Scholen oder tho eren Capellahn tho gebruken nödig. Wadt Sie (die Erben) den Dohmb geven, watt Marx Mertens und Moelckens Erwen dorhin gebracht, da Sie darin underrichtet worden, datt idt ein uhrolden gebruck, ist in der Karcke boek nicht tho finden, ock keine Wetenschop darumb hebben, wo datt gelde dorhen gekamen, und uth folgenden Puncten des Pastoren darin gewyset:

1. Datt idt bewießlich, datt die Cappelähne in der Vicary gewohnt: Herr Lucas, H. Wasmohr und H. Friedrich;

___________

1) Kirchdörfer.

 

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2.    Datt die liewe Jugend dorin underrichtet worden; noch sind Lüd am Lewende, die dartho in die Schole gegangen: Johann Vagett, Jochim Westphal (Kirchschwor), Hans Brockstedt und Michell Wilcken von Brockstedt;

3.    Datt 1546 und also bett up disse stunde de Karcke uth der Vicary wyn und Brodt up den Altahr hollt und dem pastorn de erstadung darfor don (gegeben). (Siehe dazu Einleitung dieses Themas.)

4.    Datt Anno 1573 die Kercke de Fensters dorin hefft maken laten;

5.    Unter den Ausgaben der Kercken is nicht tho finden, datt jährlich Geld an den Dohmb gegeven worden (daß die Heuerlinge Marx Mertens und Hans Moelcken dahin bezahlt haben, bestätigt ja die Urkunde des Wohledlen Herrn Propsten);

6.    Datt hues ist wohl mit 60 Mark gesettet, aber dat geld nicht geven worden;

7.    In der Confirmation des Dohmprobsten wird gedacht, datt wenn de Vicary dorch Gottes Wedder in Fuer upginge, de Karcken Bramstedt scholde wederrümb upbauwen. (Also wolde Sie diesülwige ock mechtig syn, und wenn die Kercke erer nottorft na nicht bedrofftich, so kann sie hues und grundt verheuern.)

8.    Uth obgenannten gründen vermeint Rechtens, datt gantz Karkspell Bramstedt die Vicary mechtich tho syn vor anderen, schon in Rücksicht auf das Herkommen, entscheidend aber deshalb, weil im Falle der Instandhaltung und der Zerstörung durch Feuersbrunst ihm, dem Kirchspiel, Recht und Pflicht der Wiederherstellung zuerkannt und auferlegt werden.

Damitt nuhn disse strydt möchte upgehawen (beseitigt) werden, hefft datt gantz Kerckspell etliche Persohnen verordnet, ohne na Lübeck tho reisen, um den Wolledlen Herrn Dettleff Rantzowen ere Noth tho erkennen tho gewen, wyll man den Pastorn kein hues hefft buwen können, und Moelckens Erwen solches laten anmelden. Diesülwigen Erwen awerst hebben thom bescheide gegewen, man scholde solches laten anstahn und keine wydeläffticheit mehr dartho maken. Sie wolden 8 Dage na Ostern dem Pastorn guttwilligh datt hues rühmen; hei mücht heuw und Korn darin leggen. Sie hedden er (ihr) eigen hues, darin wolden Sie intehen (einziehen). - Darumbwegen sich die Kirchschworn wedder vorpflichtet, Sie scholden datt hues beholden, wenn Sie (die Kirchschworn) den Pastorn eins wedder gebuwet. - Darup datt schriwendt; so Johann Vagett de Kerchschworn mittgedeelet. Also is dorch Er (ihr) güttlich anbeden und vorpflichtung dem Dinge ein anstandt (Halt) gegewen worden. - Actum den 11. März!« »Datt Solches also geschehen, syn hier gewesen thor Tüchnisse der Her Pastor Henricus Galenbeccius und Johan Vagett, die 4 Kerchschworen: Jochim westphall, Marx Lohmann, Tewes Hardebeck und Hans Mohr. Item Daniell Boye, Hans Langehinrichs, Jasper Lindemann, Eggert Jorck, Clawes Mucksfeldt, Tyes Boye und wir obgenannte Tygen erbeden uns by unsern guden geweten, da wy ock Rechtens genödiget werden, an Eydessteedt allewege solche güthliche beliebung und vergleich dartho donde und mit der warheitt tho erholende. Und tho mehrer Vorwisserungh hebbe wy gebeden denn H. Pastorn, Johan Vagett

 

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(Kirchspielvogt) und Jochim Westphalen, Kirchschworn, mitt erer handt und Siegel tho bevestigen (befestigen, sichern). Aktum Bramstede, den 22. August Anno 1629.«

      (gez.) Henricus Galenbecius                      Johann Vagett                  Jochim westval

               Past. Ecl. Bramst.                                      (Siegel)                             min handt

                       (Siegel)

 

Der Wunsch der Kirchspielvertreter auf eine baldige und friedliche Vereinbarung wegen dieser Sache hat sich nicht erfüllen wollen. Man hat gar den allerhöchsten Bescheid des Landesherrn herbeiführen müssen. Königliche Urkunde vom 18. Juli 1631 bestätigt dem Rötger Lindemann, einem Erben des Hans Moelcken, daß er gegen Zahlung einer jährlichen Heuer von 10 Mark lübsch »Zeit seines Lebens« ungestört in »Bewohnung und Brauch des Hauses« verbleiben kann.

Man erkennt, daß der springende Punkt, die Feststellung des Eigentumsrechtes, nicht geklärt wird, und hinsichtlich dieser Kernfrage droht neue Verwicklung. Offenbar ist der streitbare Inhaber der Vikarie keineswegs ungestörter Nutznießer geblieben. Ihn plagten seine scheinbar recht zahlreichen Gläubiger. Als sie mit ihren Ansprüchen Ernst machten und zur Pfändung geschritten werden sollte, tauchte die Randfrage unter den Kreditoren auf. Die Sache wird verhandelt vor »geholtem Ding und Recht zu Bramstedt.« (Bl. 3) Entscheidung: »Dem Möller (Mühlenpächter), dem die Kathe in specie hypoteciret und unter dessen Schuldverschreibung die Unterschrift des Kirchspielvogts vorhanden ist, ist im Vorrecht; doch stehen ihm andere gleich, sofern sie die »gleiche gerichtlich Pfändung« vorzeigen können. Die übrigen Verschreibungen auf des Schuldners »Haab und güter« insgemein sollen unter sich gleichberechtigt sein und pro rata befriedigt werden. Soweit die Gläubiger dieser Gruppe sich mit dem Ergebnis nicht beruhigen wollen, steht ihnen frei, »Rotgardt Lindemann ins Künftige weiter Ihrer Forderung halber zu belangen«.

Diese Entscheidung ist veröffentlicht worden unter dem 21. Juni 1633 durch den Amtmann Caspar von Buchwald.

Nach diesem Bericht nimmt es nicht wunder, wenn bald auch die Kirchenkasse darüber zu klagen hat, daß die Heuer für die Vikary nicht eingehen will. Damit steht es wohl im Zusammenhang, wenn unter dem 8. Januar 1640 Henrich Ranzow zu Schmoel noch einmal bestätigt, daß die Domprobstey seit alten Tagen Besitzerin des umstrittenen Grundstücks sei (Bl. 8).

Damit steht denn auch im Einklang, wenn 1646 der Propst Vitus Barbarossa im Namen des Consistoriums zu Segeberg genötigt ist, den Kirchschworen des Bramstedter Kirchspiels Anweisung zu geben, wie sie dem Rotker Lindemann ans Magere kommen können. Letztgenannter, von den Juraten vor Gericht gefordert, hatte es vorgezogen, einfach nicht zu erscheinen, auch nicht für nötig erachtet, sein Ausbleiben irgendwie zu begründen oder nur zu melden. Dieses Verhalten wird im Bescheid des Propsten auch mit dem Dompropsten zu Hamburg in Beziehung gebracht. Der Herr Praepositus schreibt, man »könne nicht

 

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absehen, wie der Herr Thumprobst zu Hamburg befugett sey, Ihro Königl. Majestät Unsers Gnedigsten Königs Unterthan zu gebieten, die im Nahmen und an statt hoegstgedachter Ihro Kgl. May. am selbigen (Unterthan Lindemann) abgegebene Citation vor dem Königl. Segebergischen Consistorio als wohin laut der Anno 1542 publicirten Kirchenordnung solche und dergleichen Sachen gehören, nicht zu erscheinen. Zumahlen unstreitigh von unnachdenklichen Jahren her die einhaber dieser Vicary je und allewege auf ergangene Citation in civilibus und politicis vor Bramstedtische Ding und Recht, in ecclesiasticis et matrimonialibus (Kirchen- und Eheangelegenheiten) vorm Segebergischen Consistorio haben müßen erscheinen und Ihres Rechtes abwarten«. Nach der Landgerichtsordnung habe der Angeklagte die Kosten des versäumten Termins zu erstatten und dem Kläger seine Auslagen. Ferner sei der Beklagte schuldig, innerhalb 6 Wochen seine Gründe gegen die vorgebrachte Klage vorzubringen und zu verhandeln.

(Unterschrift des Propsten)

 

Unsere Urkundensammlung bringt nunmehr (Bl. 10) eine etwas abseits gerichtete Darstellung des Ungemachs, von welchem die Vikarie umdämmert wird. Sie ist in Form eines privaten Briefes gekleidet und nach Inhalt und Tonfärbung so eigenartig, daß sie hier unverkürzt festgehalten wird.

»Ehren vester Herr Nachtbahr.

Insunders hochgeerter Herr Gefatter, demselben seien Meine willige Dienste jeder Zeit zu fohr.

Demnach ich von meinem Schwager, Rotker Lindemann, mündlichen Bericht Empfangen, daß der Herr Gefatter durch Seinen Knecht, auff Johan Bartels (Kirchenjurat) Sein Begehren, meinem Schwager auf 3 Thaler hat auspfenden lassen, welche ich der kirche solte schuldigh geblieben sein: Habe ich notwendigh, Ihn mit diesem meinem schreiben müssen besuchen. Nun stehet im Gülden ABC: Du solt nicht gelauben, auch nicht Richten fordt (schnell), Söndern hören erst des andern wordt. Johan Bartels Seinen Worten Ist also baldt gelauben beigemessen, und wider meinen Schwager Ist die Exekution, In Stadt meiner Verantwortung für (vor) die Handt genohmen worden. Gelanget derowegen an den Herrn Gefatter mein freundt fleißiges bitten, ehr wolle Johan Bartels für sich bescheiden lassen und meinetwegen Ihm noch folgens forlesen und zu gemüthe führen, daß ehr auff eine Zeit zu mir in meine behausungh komen und gesaget, Ich solte Ihm die Heuer geben, es würde keine kirchen Rechnung gehalten werden. Welches ich auch thate und bis zu meiner Lade, welche mit einer Eisen kette wahr am stender fest gemacht, gegangen, den beutel mit Gelde da aus genohmen und Ihm die 9 Mark kirchen heur, alß ehr bei meinem Großen dische in der stuben saß, und hatte den Rücken nach der Kirche gewendt, zu gezählet. Ich habe auch solches also baldt in mein Buch geschrieben, wie ich es denn alle Jahre habe angeschrieben, wan Ich die Haur habe außgegeben. Weill aber meine bücher in Hamburgh, kan Ich Itzunder den Datum nicht wissen. Es ist auch meine Gelegenheit nicht, daß Ich kan hinunter Reisen, will aber, offt godt will,

 

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diesen kumpstigen Sommer kommen, undt wenn das Nötigk ist, will ich es mit meinem buch beweisen. Undt wehre billigh, daß Johan Bartels solches auch Richtigh verrechnet hatte. Ich habe mirs auch nicht zu Ihm versehen, daß ehr es solte vergessen. Bin der Zuversicht zu dem Herrn Gefatter, ehr würde mir die hülfliche Handt leisten, daß mein Schwager sein Pfandt so gudt wiederumb zu gestellet wirdt, als es von Ihm ist genohmen worden. Imwidrigen aber soll mir Johan Bartels meinen schaden erlegen und bezahlen, der mir deswegen darauf entstehet. Und Ich verbleibe des Herrn Gefattern dienstwilliger allzeit

Ditrich Moyelke.«

Nützen, den 10. Februar 1648.

Anm.: Nachträglich habe ich feststellen können, daß vorstehender Brief an den Kirchspielvogt Johan Vaget gerichtet worden ist. Unter dem 19. Dezember 1650 bestätigt Herr Johann Adolf Kielmann, Dompropst zu Hamburg und Inhaber anderer hoher Ämter, noch einmal, daß die Dompropstei Eigentümer der Vikarie zu Bramstedt sei und zur Zeit unter unveränderten Pachtbedingungen Rotker Lindemann Inhaber des Hauses. Er zählt als bisherige Heuerleute auf: Hans Meulken, Diedrich Meulken (Moyelke) und Rotker Lindemann.

Aus dem folgenden Jahre, 1651, liegt eine sehr gründliche Klageschrift der Geschworen und Ephori der Kirche vor, gerichtet an die Königl. Majestät zu Kopenhagen. Ziel: Feststellung des Besitzrechtes.

Das Kirchspiel habe 80-100 Jahre lang neben dem Pastoren einen Vikar unterhalten. Wegen durch die Zeitläufte verursachten Schmälerung des Einkommens der Fleckensleute habe man nicht mehr einen Vikar besolden können. Man habe das Haus verheuert und die Heuer »fürnehmblich« für Brot und Wein zum Abendmahl verwendet. Die Juraten haben aus Kirchenmitteln das Haus instand gehalten, wie es auch auf Kirchengrund nächst der Küsterei situirt sei. - Der erste Pächter (Conductor), Hans Moyelke, habe von 1588-1629 darin gewohnt und sei dann beim Einfall der Kaiserlichen in Neumünster erschlagen worden; ihm sei sein Eidam Rötger Lindemann gefolgt. Da im Flecken des Pastoren Wohnhaus durch die Kriegsleute in Brand gestecket, habe man den Prediger in der Vikarie unterbringen wollen. Darob heftige Opposition des oecupanten, der das Eigentumsrecht der Kirche abstritt. Er habe sich berufen auf ein Schreiben des Dompropsten, »das den Kirchschwornen und der gemeinde gantz befremblich fürkommen«. Kein Mensch habe von Besitzrecht und Ansprüchen der Hamburger Dompropstei gehört und gewußt. Stets sei ja auch die Heuer an hiesige Kirche gezahlt worden. Nach Abzug der Kaiserlichen haben die Verantwortlichen die Sache »zur Glückstadt fürgetragen«, um solche schädliche Eingriffe in Kirchen und Gotteshäusern zu verhindern. Nach erteiltem Königl. mandato habe der Herr Amtmann den Herrn Pastoren wieder in das vicari hauß introduciret und denselben im Namen des Königs zum Besitzer erklärt. Trotzdem habe der Häuerling Lindemann nicht räumen wollen, und sei per force in dem Haus geblieben. Er habe zwar einen betrüglichen außtritt getan, sei dennoch detentor -

 

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Inhaber - der Vikarie gewesen wie zuvor. Eine Citation vor das Consistorium habe er nicht beachtet und nur schriftlich die Dompropstei als Besitzerin hingestellt, sich dabei auf zwei Königl. decreta beziehend. Durch Treubruch sei der Schwager Ditrich Moyelke Mitbesitzer geworden. Aber bald sei das Haus mit Schulden überlastet gewesen. Doch vergeblich haben sich die Gläubiger bemüht, die (oder den) Schuldner »durch Exekution des Hauses zu entsetzen«, was aber, weil es Kirchengut, vom Amtmann pure abgeschlagen. Um endlich Klarheit und Gewißheit zu schaffen, haben sich 1646 die Vertreter der Kirche an das Oberamtsgericht zu Rendsburg, wo letzmalig Königl. Majestät selbst präsidierte, gewandt, um mit Hilfe des Itzehoer Propsten Vitus Barbarossa den königlichen Schutz über die Kirchengüter zu verwirklichen. Der König habe sich gnädigst und willfährigst bezeiget und »dahmaligen Thumbprobsten zu Hamburgh, jetzo Königl. Stadthalter Herrn Christian von Rantzau, durch Herrn Secretarium Philippum Bornemann, nach Bericht des Herrn Propsten anbefohlen lassen, sich aller angriffe, turbationen und anderer attentaten gegen die Bramstedter Kirchengüter hinfüro zu enthalten, oder Gründe für gegenteiliges Verhalten einzubringen. Es sind aber bisher so wenig Gründe eingebracht, als daß wir über hochangeregte Königliche decreta solten in contradictorio gehöret worden sein.« Dabei habe es bisher sein Bewenden gehabt. Ja, gegenwärtig habe die hamburgische Propstei, vertreten durch Herrn Kielmann, das Recht der Vorgänger restlos in Anspruch genommen und den Einwohner der Vikarie sogar als seinen Lausten (dienstpflichtigen Grundpächter) hingestellt. »Unser jetziger Heurmann Lindemann ist so kühn und mutig geworden, daß er nicht allein unserer Kirche die jährliche heur von deroselben hauße fürenthält, das Kirchengeld verweigert, sondern auch sich erlauben laßen, Er erkenne im Fürstenthumb Holstein keine Obrigkeit an, sondern nur den jeweiligen Thumbprobsten zu Hamburgh.« Er habe noch im verwichenen Jahre die »rechts und dingsfolge« verweigert. »Nun laßen wir zwahr solche unartige und unbesonnene wiedersetzlichkeit der schuldigen gerichtsfolge unserer mittelbahren Obrigkeit zu ahnden, befohlen sein.« Aber als Vertreter der Kirche seien sie durch Eid und Pflicht gebunden, nicht länger zuzulassen und schweigend zuzusehen, daß Genannter fortgesetzt die Kirchengemeine schädige. Sie meinen: »Wer göttlichem Gesetze diene, der befreie die eigene Brust.« Am Schluß wird gebeten, der König wolle, gleich seinem Vater, als Protektor der Kirche deren Rechte wahren und im besonderen dem Amtmann befehlen, daß der widersetzliche Hauerling ausgesetzt und zur Zahlung seiner Schulden und der durch ihn verursachten Kosten gezwungen, daß ferner auch die gegen den hamburgischen Dompropsten ausgefertigten Dekrete nach langer Zeit des Schweigens zur Geltung gebracht werden.

»Solches gereicht der Kirchen zur aufnahmb, auch dero Amptregister und gemeinen Fleckens Besten, und wirts Gott Allmechtiger mit reichem Segen williglich belohnen.«

Bramstedt, den 22. Februar Anno 1651.

(Unterschriften)

 

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Überraschend schnell, nämlich schon unter dem 24. Februar 1651, teilt Friedrich III. aus Glückstadt den Bramstedtern mit, daß ihrem Ersuchen Folge gegeben wird. Nicht zu übersehen ist aber, daß die Hamburger Domprobstey zwar nicht etwa als Mitbesitzer anerkannt wird, indessen den Anspruch des Propsten auf 1 Mark jährlich bis auf weiteres behält.

Aber auch diese Königl. Entscheidung schafft noch keine endgültige Ruhe. Das entnehmen wir einem weiteren Reskript Friedrichs III. vom 18. März 1651, worin es heißt:

»Ob nun zwahr Beklagtem Lindemann woll gebühret, auf voriges mandatum geziemender maßen zu pariren, Alß (da) es aber von demselben hintangesetzet, So stellen wir solches zu seiner Verantwortung.« (Bl. 21) Im übrigen wird dem Amtmann nochmals anbefohlen, der Kirche beizustehen.

Eine Akte aus des Amtmanns Hand, ausgefertigt am 11. April 1651, bekundet, daß von Buchwald dem Befehl seines Königs folgt. Wir lesen (Bl. 23): »Dem Königl. Kirchspielvogt zu Bramstedt, Paul Blancken, wird hiermit befehliget, Rötger aufzulegen, daß er seinen Haus Contract in originale, wormit Ehr den Besitz des Vicary Hauß daselbst zu beweißen gedenket, innerhalb dreien Wochen Bey peen (Strafe) Sechzig Mark lübsch herauß gebe. Worvon er, Paul Blancken, alßdann Copiam nehmen und solches Original Limdemann wiederumb zustellen soll.

Neumünster                                                                         (gez.) Casper von Buchwald.«

 

Unter dem 13. April hat Paul Blancken folgendes zu berichten: »Mit diesem bescheidt habe Ich Vier Männer, nachdem er nicht alhir in der Voigtey erscheinen wollen, mit dem Vorwand, man hette ihn vor seine Obrigkeit zur Besprechung (zu laden): Der Haus Brieff were al dahin, wo er sein solle. (Bl. 24).), alß nemblich Hans Wulff und Jochim Stüven aus Bramstedt, Titche Harbeck von Wiemerstorff und Jürgen Gloyen von Fulendorff zu ihm, Lindemann, geschicket und ihm dies vorzulesen befohligen. Worauf der Bräutigamb Christian Toth als anmaßendender possessor (Besitzer) des vicaren hauses mit Vielen ehrenrürigen Worten heraus gefahren und einen Degen und Büchse ergriffen und ihnen damit zu Leibe gewollt. Welches die an ihn abgeordneten Zeugen an eydes stat vor mich ausgesaget.«

Geschehen Bramstedt.                                                        (Unterschrift der 4 Männer).

 

Am 10. Mai 1651 berichtet Paul Blank weiter:

»Diese Copey (Abschrift) habe ich Rotger Lindemann durch hanß Lindemann und Jasper Hennings zugeschicket und fragen lassen, nachdem die 3 Wochen verflossen, ob er nicht des Herrn Ambtmanns befehlig zur folge den Haur Contract einschicken wolle. Worauff seine Frauwe geantwortet, Ihr Man were nicht zu hauß; sie wüßte nicht, wen er heimbkehme, und wan er schon heim were, würde er doch keinen Brieff mitbringen. Der were schon an seinen Orth. Mit meinen Brieffen hetten sie nichts zu thun.«

(gez.) Paull Blancke.

 

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Inzwischen ist Rötger Lindemann keineswegs untätig geblieben. Nehmen wir zur Kenntnis, was er laut Urkunde vom 9. Mai 1651 unterthänigst und gehorsambst den Magnificenzen und Herligkeiten vorzutragen beliebte. »Ich armer Mann kann nicht ungeklagt laßen, wie an dem besitz meines Wohnhauses zu Brambstede und dabei hergebrachten gerechtigkeiten, zuwider königlichen decreten und dero von den Thumbfürsten zu Hamburg auf meine Vorfahren und mich ertheilten Verschreibungen vom Kirchspielvogt und von den Kirchgeschwornen zu Bramstedt fast vielseitig bedrenget und angefochten werde. Der Vogt hat sich uniengster Zeit unterstanden, einen Zaun und Secret (?), so bei meinem hauße mehr denn 30 und 40 Jahr gestanden, nieder zureißen und zu zerschlagen, dan auch in meinem Hauße mir ein Tonne Hamburger Bier auf dem Blocke zu zerhauen und das Bier auf die Erde zu verschütten. Und die Kirchschworen haben vor, mich aus dem Hauße zu vertreiben.« Ihm geschehe Gewalt; man habe ihm auch nicht das Gesuch der Kirchjuraten bekannt gegeben. Er bittet, ihn in seinen verbrieften Rechten zu schützen.

(Unterschrift.)

Der Erfolg ist eine Ankündigung der Königlichen Regierung, daß alle Beteiligten »am ersten Künftigen unserm Oberamtsgerichte, an waß (welchem) Ohrt und Zeit wir solches halten lassen werden, entweder in der Persohn oder durch einen genugsamb bevollmechtigen Anwalt gewiß und unausbleiblich zu erscheinen haben«, ... »wozu wir auch sambt und sonders citiren, heischen und laden.«

(Darunter die Spuren eines großen, leider abgerissenen Siegels.)

(Secret.)

Aber die damit in Aussicht gestellte Verhandlung hat noch Weile, wie folgendes Schreiben der Regierung uns belehrt.

»Auff Unterthänigst Supplicizen der Kirchgeschwornen zur Bramstet umb Verschiebung ihrer Kirchen Sache wieder Rötger Lindeman, bis Ihre Königl. May. glückliche Überkunft in dero hiesigen Fürstenthümber, wirt in solch gesuch gewilliget und diese Sache bis dahin verschoben. Jedoch daß es dem Impetrato in Zeiten notificiret und kund gethan werde.

Glückstat unterm Kgl. Regirungs-Secret, 17. February 1652.«

(Siegel)

Unter dem 9. Juli gleichen Jahres wird dem Hochgelarten Herrn Johann Adolf Kielmann, dem Bestalten Geheimen Raht und Hoff Canzler der Regierenden Fürsten zu Schleswig-Holstein, aufgetragen, den Herrn Thumbprobsten zu ersuchen, einen Bericht über seine Rechte und Interessen an den König zu schicken, während dieser im Fürstenthum anwesend sei.

Unter dem 12. berührten Monats übermittelt Rotger L. in seiner Sache einen Schriftsatz mit zehn Anlagen an den König (Bl. 32-41). Wesentlich Neues bringt er nicht, vor allen Dingen nicht die wichtige, oft erwähnte Vertragsurkunde von 1589. Doch werden etliche Daten und Darlegungen das Interesse der Leser finden.

So erfahren wir, daß von 1587 her das Amt des Hamburger Dompropsten laufend

 

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in der Hand derer von Ranzau gelegen hat: Kay, Gerhardt, Detlef, Heinrich und Christian, letztgenannter um 1650.

Unsere Vikarie hat nachweislich 1587 in Haur genommen Marquart Mertens, der sie bald dem Barbier Hans Meulken überlassen, dem sein Sohn Dietrich und danach dessen Schwager Rötger (Rotker) Lindemann gefolgt ist; von dem wir nun vernehmen:

1589 sei der Wert des Hauses mit 60 Mark abgeschätzt worden. Nun rühmen die Juraten, es sei gewiß 1000 Mark wert. Die Wertsteigerung sei doch aber durch seine und seiner Verwandten Mühe und Aufwand erzeugt worden und könne keineswegs der Kirche zugewendet werden.

Noch 1631 habe Christian IV. entschieden, daß die Erben nach dem alten Stande für 10 Mark Jahresheuer ungestört weiter wohnen könnten. Er sei, so klage man, nicht der Zitation des Propsten gefolgt und habe die universale Jurisdiktion des Königs damit verletzt. - Letzteres habe ihm fern gelegen. Indessen wohne er auf Grund eines Hamburger Vertrages und müsse die Freiheit und Gerechtigkeit, die er und seine Verwandten unter diesem Zustand ersessen, wahren, und stütze sich daher auf den Dompropsten und hoffe, nicht des Königs Rechte dadurch zu schmälern.

Man stelle ihn als hinterhältig hin, weil er alte Papiere nicht vorzeigen wolle. Er habe doch auch nicht die angeblichen Beweismittel der Kirche gesehen.

Die Juraten berufen sich auf die Wissenschaft und das Zeugnis des Pastoren. Der sei indessen in gegenwärtiger Sache sein offenbarer Feind und adversarius, der sich unterfangen, ihn und die seinigen an ihrer Ehre und guten »Leumuth« ganz gröblich zu schmähen, »auch seinen gegen uns gefaßten Haß und Widerwillen sich übernehmen laßen, daß er nicht gescheuet, in passierter Kaiserlicher Kriegszeit diese sache auch bei des feindes Bedienten (nicht ohne Hindansetzung der Königl. Autorität und ansehens, welche von ihm als einem Prediger vor andern billig hoch zuhalten und ästimirt werden sollen) anhängig zu machen. Was vermittelst eines von dem Kaiserlichen Commissario Hans Metzger erhobenen executions befehls sofort in originaliter belegt werden kann. (Anlage 10).« Der Pastor wolle, so viel an ihm liegt, ihn aus seinem rechtmäßigen Besitze drängen.

Die Kirchgeschwornen schämen sich nicht, ihn »vor einen öffentlichen banquerottirer auszurufen, da er doch nimmer an eines banquerottirers stelle gestanden und keiner seiner creditoren sich über ihn zu beschweren habe.« Er fährt fort:

»Zwahr ist nicht ohne, daß durch die vielfachen processe und Verfolgung, so die Juraten und der Pastor zu Brambstette, und auff derselben Antrieb woll andere Leutte mehr balt vor dem Ober-Ambtgerichte, balt vor dem Segebergischen Consistorio, balt vor Königl. May. Canzlei nunmehro viele Jahre her gegen alles recht und Jury wider mich angestellt, sothane processe auch theilß auß dem großen Beuttell des Kirchspiels getrieben.« .. .»Ich bin in solche Unkosten, schaden und nachtheill gesetzet, daß Ich umb den größesten antheill meiner wolfarth dardurch gerahten, und mit allem meinen vermögen und Krefften zu arbeiten habe, mich gegen meinen Gegner zu behaupten.«

 

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Und all dies Unheil sei, das erkennen wir, nach Rotgers Meinung darauf zurückzuführen, daß die Mitwelt seiner Überzeugung nicht zustimmen wolle, daß sein Pachtgrundstück als ein Teil des hamburgischen Dompropsteibesitztums nicht unter die Verwaltung des Amtes oder der Propstei Segeberg falle. - War denn sein »Glaube« echt?

Eine vom Amtschreiber Daniell Hussmann unter dem 27. Juli 1652 ausgefertigte, in Copie noch vorhandene Beurkundung (Bl. 43) läßt uns Einblicke in sein Verhalten tun.

Es wird zunächst bekundet, daß seine Vorweser ihren Verpflichtungen in ecclesiasticis und civilibus1) nachgekommen seien, er aber »vorsetzlich sich angemaßet, sich dem zu entziehen. Nicht allein der Herr Pastor und der Kirchspielvogt, sondern noch mehr als zehn andere des Kirspels Brambstete Untergeseßene haben solches angehöret, daß gedachter Lindemann, wie ich einen halben Reichstaler Verbittelgeldt vohn ihm gefodert, mir selben ganz und gar geweigert und vorgegeben, er gebe sein ver Bittelgeld nach Breitenberg und hette sein Vohr Weser einen ganzen Thaler vor das Vorbinden2) geben.«

Der Schreiber hätte diesen Worten nicht geglaubt und nicht leiden wollen, daß L. das Königl. Register (zu Segeberg) schmälern solle. Er habe daher »also baldt im 1650. Jahre wider ihn die Pfändung vorgenommen, worauf Lindemann nicht allein mit seinem Verbittelgeld eingekommen, sondern nachgehend bei mir nach Segeberg sich verfüget und begehrt, ihm nachzuweisen, daß er dieses Geld zu zahlen verpflichtet sei. Wie denn auß dem Ampt Register solches sattsamb geschehen ist. Er ist mit den worten von mir gangen, er hette vermeint, daß der Reichstaler bloß für das Verbinden wehre. Hat auch Anno 51 den halben Thaler willig erleget und gelobt, sich hierinnen nicht mehr zu sperren, und leugnet, daß er sich dem unter gericht (Ding und Recht 1650 zu Bramstedt) habe entziehen wollen. Bei dem im 1651sten Jahre gehaltenen Ding und Recht hat der Amptmann dem Kaspel Voigt daselbst anbefohlen, daß er - Paull Blancken - gedachten Lindemann durch seinen Knecht Vohr Ding und Recht zu erscheinen citiren laßen solte. Wie er sich nuhn dessen verweigert, hat hochgedachter (Amtmann) weiter befelich erteilet, daß der K.-Voigt ihn - Lindemann - mit zween oder mehr Knechten solte herbei schleppen lassen. Worauff er den entlich sich sistiren müssen.«

(Petschaft und eigenhändige Unterschrift)

Daniell Hußmann.

 

Endlich Entscheidung durch das höchste Gericht

 

Der eigenartigen Fassung wegen sei hier die Ladung zum Schlußtermin in gekürzter Form wiedergegeben.

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1) Kirchen- und bürgerliche Sachen.

2) Als Hinweis auf das von den Vorwesern und ihm betriebene Gewerbe des Wundarztes zu deuten.

 

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Friedrich der Dritte

 

»Lieber getreuer ... Alß Citiren, heischen und laden wir dich eins für alle und peremptorie (Rechtsverlust bei Nichterscheinen), daß Du am 9. des schierst kommenden Monats Martii morgens früe alhier for Unserm Ober Ambtgericht, entweder in der persohn oder durch einen genugsamb bevollmächtigten Anwalt, ohnauspleiblich erscheinest, deine angestelte Klage ... mündlich Vohrbringest, Vollführest und auff deroselben … rechtlichen Spruchs gewertig seyest. Du erscheinst demnach oder nicht, soll nichts desto weniger auff ferner anruffen ergehen, was recht ist. -

Wornach du dich zu achten.

Geben Glückstadt, den 16. Febr. 1653.                                      Königl. Dennemarksche

An                                                                                                     verordnete Stadthalter,

Rötger Lindemann.                                                                              Cantzler und Räthe.«

 

Das Urteil (Bl. 50)

 

»In Sachen Rötger Lindemanns, Klägern und Besitzern deß vicarey haußes zur Brambstedt, entgegen und wieder die Kirchgeschwornen daselbsten, sodan deß Jüngst verstorbenen Kirchspiel Voigts Paul Blancken hinterbliebener wittibe und Erben, Beclagte eineß andern und dritten theilß, in puncto streitigen dominii, deß deselbst belegenen vicarey haußes und geklagten turbationis in der Kruegners gerechtigkeit ... Erkennen wir Friederich der Dritte, von Gottes gnaden ... sambt bey sitzenden unsern Stathalter, Cantzler und Richter, auf hinc inde producirte original Contracte, Kirchenbücher und anderer documenta, auch dabey gehaltener außführliche mündliche recesse, für recht, daß daß Thumb Capitull zur Hamburgh und der pro tempore Ehre Thumbprobst daselbsten bey dem Dominio und possession der verhäurung besagten Bramstedtischen vicarey haußes von langer Jahren hergebrachter maßen geruhiglich zu laßen und darin von Beclagten nicht zu turbiren, noch von denselben die Jährliche hauer ohne des Ehrn Thumbprobsten Consens zu steigern, gleichwoll der jetzige und künfftige conductores (Inhaber) und Besitzer desselben den Kirchgeschwornen zu Bramstede jedes Jahres die aus der Vicarey der Kirchen daselbsten gebührende Neun Mark lübsch und Ehrn Thumbprobsten seine Jährliche 1 Mark in gewohnlicher rechter Zeit ohn weigerlich allemahl auch entrichten und in specie, was davon der Kirchen vom jetzigen Conductore Rotger Lindemann erweislich annoch restiret und bereits fällig ist, innerhalb einer halben Sächsischen frist sub poena executionis bahr abgetragen werden. Ingleichen Jetziger und künfftige der vicarey besitzer und conductores sich des Wein-, Brandtwein-, Meth- und Hamburger Bierschenkens und Aus Zapfens, womit wir unsere Kirchspielvoigte allein gnedigst privilegirt undt begnadiget, gentzlich und allerdings sub poena confiscationis des ingelegten wein, brandtwein, Meeth und hamburger Bierr, auch Vermeidung anderer arbiter Bestraffung, enthalten, auch sonsten unser Obrigkeitlichen Jurisdiction sich keinesweges frevelmütig entziehen, sondern gleich unsern andern

 

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Unterthanen Unseren Segebergischen Beambten zu gebott und gehorsamb stehen, und wiedrigenfalls mit gehörigen Zwangsmitteln dazu constringiret werden sollen. Maßen dann daß Thumb-Capitull und der pro tempore Thumb Probst unserer Stadt Hamburgh darbey nachmalen geruhig gelaßen und die Jetzige und künftige Conductores und Besitzer des vicarey haußes darzu schuldig ertheilet werden Compensatis expensis. (Ausgleich der Kosten)

Von Rechtswegen Publicatum Glückstadt, den 24. Martii 1653.«

(Siegel und Unterschrift fehlen. Es handelt sich offenbar um eine sorgfältig gefertigte Abschrift.)

 

Man erfaßt mühelos, daß weder die Kirche noch Lindemann Ursache hatten, sich eines Erfolges zu erfreuen. Letzterer verlor, was ihm wohl am besten »Nahrung« verschafft hatte: die Schankerlaubnis. Und die Kirche bezog zwar wiederum 9 Mark Grundheuer jährlich; aber womit war das erkauft? Aber wie stand es um die Prozeßkosten? Das alte Kirchenbuch weist auf Seite 240 allein für das Jahr 1652 an Kosten wegen der Vicarey rund 100 Mark auf. Wir lesen z. B.: »Marx Grip und Hanß Mohr mit dem Kirchspiel Voigt nach der Glückstat gewesen, laut beygelegtes Zettuli 61 Mark 2 Schilling.« Insgesamt sind rund 360 Mark verunkostet worden. Ja, ja, Prozesse müssen sein. Und ein linder Trost lag ja in der Tatsache, daß die Kosten sich auf viele Taschen verteilten. Gilt es nicht auch heute noch, daß es dem Leidtragenden eine Erleichterung wird, Gefährten des Leides zu haben?

Um nun berechtigter Wißbegierde zu dienen, soll noch ein Schriftstück herangezogen werden, in dem wir den von Rotger L. so oft berührten ältesten Vertrag über die Vikarie zu erblicken haben. Es fehlen zwar Siegel und Unterschrift; doch ist zu würdigen, daß allem Vermuten nach der getreuen Hand eines Seelenhirten das Vorhandensein dieser Abschrift zu verdanken ist.

»Anno (15)88 up Johanni is ein fründliker vordragt und hürbit gesehen Twischen Marckert Mertens (Kirchschwor) und hanß Moeyelken in nach folgende gestalt: Idt hatt der Ersame Markert Mertens dene fiekarie, de he von den hern stadtholder angenommen hefft, desulwige wedder vorhüret dre Jahr lank sunder upsage und schal ehm Jahrliken tho hüre geben 12 Mark und einen Daler in den kop, welken hans Moeyelken hefft strackes uth gegewen und schall in de 12 Mark nicht mit gereket werden; ock is beliebet und vordragen, daß, so dat huß up güng dörch füers Noht - dat Gott gnedigliken affwende - und idt queme (käme) von sinem egnen füre tho, dat idt binnen hußes werde erst brennen, so will Hanß Moeyelken dar so ein hus wedder up der stede vorschaffen, also dit nun ist. Wers (wäre es) wo de schade her queme von sinen Nabers behüsinge, edder (oder) füer oder ock von den Wilden füer (Blitz), edder idt möchte von bösen Minschen angesticket werden, so schal hanß de schade nicht tho gerekent werden. Vor den schaden hefft Hanß Moeyelken Markert Mertens veer Börgen gestellet, alse Tymme Westvalen, Markert schulte, Markert stekmest und Clauß Folster. Ock sind in die fiekerie 23 glaßefenster, welker hanß dar in gefunden hett, ock de sülwigen wedder levern schall.«

 

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Es ist in Erinnerung zu bringen, daß der obgenannte »stadthalter« identisch ist mit dem vielgenannten Dompropsten zu Hamburg. Von ihm hat hiernach Bramstedts Kirchschwor die Vikarie »angenommen«. Was ist das? Es mag zusammenhängen damit, daß das Kirchspiel Bramstedt schon unter seinem Gründer Anscharius ein Bestandteil des Bistums Hamburg gewesen ist. Wiederum weiß der alte Vertrag von einer Vergütung an den »Thumbprobsten« nichts zu melden.

Ebensowenig ist nachzuweisen, wann das vielumstrittene Anwesen der geistlichen Hand und Herrschaft entglitten ist. Es mag vor langer Zeit gewesen sein, was deshalb vermutet werden muß, weil tatsächlich seit langem im Flecken und in den Kirchspieldörfern das Gedächtnis an ein derartiges Gewese völlig ausgelöscht ist.

Sicher aber ist, daß an der Stätte, wo einst Rottgardt Lindemann ohne Segen sich bemüht hat, den Durst seiner Mitbürger zu stillen, heute ein Mehrfamilienhaus steht.

 

2. Kampf um das Vermächtnis eines Knechts

 

Die darüber vorliegende Urkunde möge für sich selbst reden. »In Sachen der Kirchgeschwornen zu Bramstette contra Eines zu wiemerstorff, vor dießem verstorbenem knechtes, Hans Prünß geheißen, Negste Erben, Anderntheils, 30 Mark donirte (geschenkte) gelder der Kirchen sambt deroselben Rentten, betreffende, welcher berhürter Hans Prunß auß seynen Freyesten güttern der Kirche zugeltten, vor seynem Todte angeordnet, deme aber die Erben nicht parieret und gleichwoll die Erb- und bahrschaft untter Einander getheilett; Ist zu Rechtte Erkannt: Beklagte, des Knechts Erben, sollen zur Donation der 30 Mark und deroßelben Rentten, a tempore Donationis (vom Tage der Schenkung) der Kirchen gehaltten (verpflichtet), die andere Lorentz Prunßen Erben aber nach Anteil, weßen sie von der Erbschaft genoßen, den anderen des Knechtes Erben dazu zu schießen und zu hilff zu kommen, hyn wieder schuldig sein, von Rechts wegen.

Urkundelig unter Herrn Caspar von Buchwalts, konnigligen Landt Raths und Ambtmanns uff Segeberge, zu Pronstörff Erbgesessen, eigener Handt Subscription.

Datum Bramstedte, den 21. Juny, Anno 1633.«

(Unterschrift)

 

3. Daniel Hartnaccius, der streitbare Pastor

(1702-1707)

 

Vergleichsweise kurz ist die Amtszeit dieses Bramstedter Seelsorgers gewesen. Aber es war eine Zeit der Unruhe, um nicht zu sagen: des Unfriedens. Gegenstand des Kampfes bildeten weltliche Angelegenheiten in ungewöhnlichem Ausmaße; doch auch Fragen der geistlichen Amtswaltung machten hier im Kirchspiel und

 

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darüber hinaus ein nicht geringes Aufsehen. Wenden wir uns zunächst den weltlichen Dingen zu.

Die Schriftsätze, die dem Chronisten in diesem Falle zur Verfügung stehen, sind zum Teil Entwürfe oder Abschriften und daher nicht allemal mit Datum versehen, in der Hauptsache aber Originalakten des hiesigen Pastorats. Die Echtheit auch der datenlosen Papiere kann nicht wohl angezweifelt werden.

 

a) Hartnack findet das ihm zustehende Zehrgeld nicht ausreichend.

 

Er wendet sich an das Konsistorium und sagt, daß er unumgänglich vorstellen müsse, wie er wirklich verspüre, daß der halbe Reichstaler, der ihm zu seiner Zehrung in währendem hiesigen Konsistorio zugewiesen werde, unmöglich ausreichen wolle, zumal, »da es einen Abend vorher und drei voll Tage, wegen der Menge der Sachen, währe.« Die Zeiten und Mahlzeiten seien nicht mehr so wohlfeil als die vor 40 und mehr Jahren, wo genannter ½ Taler in Bramstedt »gesetzet worden«. Vermutlich bekomme keiner seiner Amtsbrüder heute von seiner Gemeine oder Kirche eine so geringe Zehrung. »Hingegen meine Kirchgeschwornen, wenn sie eine Reise nach Segeberg machen, um ein Gewerbe zu bestellen, zur Zehrung 6 Mark, so ihnen auch gerne gegönnet und gezahlt werden.«

»So geschieht an Ew. Excellenz und Ew. Hochehrwürden, wie auch den Herrn Seniorem (ältesten Prediger) und sämtliche Mitglieder des Konsistoriums mein respektive unterthäniges, gehorsamstes und dienstliches Bitten, Höchst- und Hochgeneigt hierunter zu erkennen, wie viel Zehrungskosten, in der Hin- und Herreise, auch verweilung in den Tagen des Konsistoriums von nun an zu dem bisherigen halben Reichstaler noch hinzugelegt werden solle.«

(Unterschrift)

Anm. Dieses für die Pflichtversammlungen der Geistlichen vorgesehene Zehrgeld, im Kirchenbuch meist als Calande verzeichnet, wurde, wie Hartnack äußert, aus königlichem Fonds ersetzt.

 

b)  Der Prediger gegen die Kirchgeschwornen

 

Den Klingelbeutel angehend

 

Daniel Hartnaccius wendet sich in einem geharnischten Schreiben, von dem im Kirchenarchiv eine nicht datierte Abschrift vorliegt, an die hohen Herren des Visitatoriums, um die aus dem Geleise geratene Tätigkeit der Kirchenjuraten wieder auf die rechte Bahn zu leiten. Er hat folgendes zu melden. »Ew. Excellenz und Hoch Ehrwürden unümbgänglich vorzustellen, kan (ich) nicht umhin, welcher gestalt ich bißher mit großem Ärgerniß ansehen müßen, was von den Kirchgeschwornen zu Bramstedt mit den Arm Geldern so woll bei der einsamblung als Austheilung vorgenommen worden, dazu ich als Pastor mein Gewissen rein zu behalten, nicht stillschweigen kan.

 

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1.Wenn der organist das Geld im Klingbeutel gesamlet, und auf dem Altar vor dem Pastore deponiret wird, so schüttert es nach geendigtem Gottesdienst der Claus Steckmest im Flecken, dann und wann auch ein andrer unter ihnen, gantz ungezehlet in das tuch, welches er bei sich trägt, und geht damit in der stille nach Hause, wider die Ermahnung des Apostels, daß bey solcher samlung es nicht allein ehrlich für (vor) Gott, sondern auch für den Menschen zugehen solle, auch alle andern Kirchen, die insgemein dazu eine mit eißen fest Beschlagene Lade mit Ketten fest in der Kirchen angemacht haben, dahin also gleich geschüttert wird, wozu der Pastor und jeder Kirchgeschworne ein jeglicher seinen besonderen Schlüssel hat, und keiner ohne den andern dazu kan: daß also bitte Ew. Excellence und Hochehrwürden geruheten, die Verfügung zu thun, daß dergleichen in Bramstedt geschehen möchte.

2.Halten auch die Kirchgeschwornen bey austheilung derselben Armen Gelder ein zweitägiges convivium, dabey es splendide zugehet, indem sie zwei gantzer tage, auch woll länger beysammen bleiben und aufs Herrlichste sich von den Armen Geldern zu gute thun.

Diesem vor zu bauen und den ärgerlichen, je Länger je mehr zuwachsenden Gewohnheiten vor zu kommen, thue ich diesen ohnmaßgeblichen Vorschlag: daß man in dem Pastorath Hause zu sammen kommen, vormittags das Geld zählen, abgetheilet in den Kasten lege, mittags jeder nach Hause gehe, und nachmittags sodann austheile.

3.   Daß ich als Pastor bei der außtheilung und Zahlung, wie gewöhnlich, mit dabey sein muß, daß mir acht Tage vorher von Bewandniß und Zustand aller derer, die von denen Armgeldern bekommen, eine Designisation (Verzeichnis) von den Kirchgeschwornen eingereicht werde, einige Erkundigung der Ohrsachen vorher ein zu ziehen, daß es nicht bey der austheilung nach Affecten zu gehe, oder unwerthe oder die es nicht bedürffen, nicht bekommen oder andern vorgezogen werden mögen. Sie auch nicht befugt sein sollen nach ihrem Sinn, in die Zahl der Armen jemand zu recipiren (wieder einzureihen), sondern dem Pastori vorher die sache zu seiner Erkäntnis stellen sollen, da ich mich denn also dabey zu verhalten gedenke, daß ich es bey Gott und denen Hochpreißlichen Herren Visitatoribus zu verantworten gedenke.«

(gez.) Unterthäniger und gehorsamster                                             Daniel Hartnaccius

 

Das erste Ergebnis der pastörlichen Beschwerde ist natürlich eine Aufforderung des Visitatoriums an die derzeitigen Kirchenjuraten, zu den gegen sie erhobenen Beschwerden sich zu äußern. Sie tun das in furchtloser Weise, wobei nur zu bedauern ist, daß ihr offenbar von dritter Seite herrührendes Schriftstück überreichlich mit lateinischen Brocken belastet ist. Es möge für sich selbst sprechen.

»Alß Ew. Excell. und Hochehrwürden uns des Herrn Pastoriis Hartnaccii so rubricirte unterthänige und gehorsamste Anzeige und Bitte wegen der Armen Gelder und deren Außtheilung Höchst- und Hochgeneigt communiciret (mitgeteilt), so statten wir zuförderst deroselben dafür Unterthänig Gehorsamsten Dank ab und berichten

 

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Zu Punkt I: das wir leider an unserm Ohrte so unglücklich gewesen, daß die Armenlade hiebevor in der Kirchen zu verschiedenen mahlen bestohlen, dannenhero man genötiget worden, dieselbe außer der Kirchen zu bringen und nebst dem Armen Gelde außerhalb der Kirchen nunmehro im Hause eines Kirchenjuraten zu verwahren, allwo sie dann auch bißhero für Dieben sicherer und unbestohlen befunden worden. Gleich nun dieses aus Noht, der Armuth zum Besten geschehen, auch würklich biß dahero zum Besten gereichet, hingegen niemand einen rechtmäßigen Verdacht auf unß bringen wird, wir auch denjenigen, der sich unterstehen würde zu sagen, daß wir unserm Eyde zuwieder mit solchen Gelde nicht aufrichtig und Ehrlich ümbgehen sollten, so lange für keinen redtlichen Mann halten, biß er uns deßen überführet. So hat der Herr Pastor keine Ursache, mit Ärgerniß anzusehen, daß einer von uns, die wir auf unserm Eyd sitzen, die gesammelten Gelder ungezehlet vom Altar in der Stille, wie es sich an solchem Ort gebühret, mit nach Hause nimmt und in die Armen Lade bringet. Ob wir nun bey so Bewandten ümbständen wohl Ursache hätten, uns des H. Pastoren Vorschlag hierin zuwider zu setzen, so können wir doch gerne geschehen laßen, daß eine mit Eisen wohlverwahrte Lade in der Kirche angemachet und darin die gelder verwahret werden, wann nur jemand als Gevollmächtiger des H. Ambtmanns so wohl, als wir und der Herr Pastor einen besonderen Schlüßel dazu haben, so daß einer ohne den andern dazu nicht kommen könne, und der H. Pastor genugsahme Bürgen stellen wird, daß hinkünftig solche Lade nicht bestohlen werden solle, im widrigen Er daß gestohlene der Armuth aus seinem Eigentum ersetzen, auch da (wenn) wir dergleichen Dieb haben solten, Er die Untersuchungs- und Peinlichen Prozeß Kosten der Gemeine abhalten wolle. Maßen im widrigen, und da in entstehung dessen der Armuth und Gemeine hinkünftig Schade und ungelegenheit zuwachsen sollten, wir für männiglich ganz und gar entschuldiget sein wollen.

Zu Punkt II: soll der H. Pastor nimmer wahr machen, daß wir bey außtheilung der Armen Gelder davon ein convivium, dabey es splendide zugehet, halten und unß von den Armen Geldern aufs herrlichste zu Guthe thun, inmaßen wir jeder seine im Kirchenbuche S. 151 zugelegten 10 (16?) Schilling verzehren und selbige der Kirche zur Rechnung bringen, daß also, weil den Armen nichts von den Armen Geldern abgehet, es Hirbey keines Neuerungs-Vorschlages bedarf, zumahlen wir der Entfernung unserer Häuser halber nicht des Mittages nach Hause gehen und allesamt Nachmittages zur Außtheilung der Armen Gelder wieder kommen können. (Drei wohnten in den Dörfern.)

Zu Punkt III: Der Herr Pastor hat einmahl anführen können, daß es jemahls bey außtheilung der Armen Gelder nach Affecten zugegangen sey; jedennoch sehen wir gerne, daß eine solche Verfügung hierin ergehen möge, daß andere zugleich dahin sehen, damit die Allmosen Gelder desto gefälliger außgetheilet und uns dadurch die Verantwortung leichter gemacht werde. Zu allem aber, was der H. Pastor desfalß in Vorschlag bringt, wird auch des H. Ambtmanns Gevollmächtiger (Kirchspielvogt) mitwirken neben dem H. Pastor, und gleich bey der

 

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nächsten Kirchen-Visitation ist zu verordnen, daß der Herr Commissarius Averhoff auch einen Schlüßel zu der Armen Lade habe und der Pastor ohne dessen vorweißen und Zustimmung kein Armen Geld aushändigen solle.« Die Juraten erklären am Schlüsse, daß sie einer Neuordnung gern zustimmen werden, wenn dabei die von ihnen gemachten Vorschläge berücksichtigt werden. Anmerkung. Weiteren Bericht über den Ablauf dieser Angelegenheit zu geben, bleibt dem Chronisten versagt mangels einschlägiger Dokumente.

c) Heftiger Streit wegen eines Zaunes

Konrad Henrich Galenbeck, der dritte und letzte Pfarrer dieses Namens in der Reihe der hiesigen Seelsorger, ist zu seinen Vätern versammelt worden. Seine Witwe, mit Recht um ihre Zukunft besorgt, nimmt im Gnadenjahr für sich in Anspruch, was sie nach ihrer Meinung beanspruchen kann. So verkauft sie auch die Einfriedigung des Pastorats, die der erste Galenbeck einmal gegen Geld von der Witwe seines Vorwesers Hamerich im Jahre 1623 übernommen hatte. Pastor Hartnack verlangt nun von den Kirchgeschwornen, daß sie eine neue Einfriedigung schaffen. Diese aber lehnen das ab, weil sie dazu weder berechtigt noch verpflichtet seien. Der Prediger ruft den »Gnädigen Geheimbten Rath und Ambtmann Hanneken« an. Die Juraten werden zum Bericht in dieser Sache aufgefordert, ihre »etwa dawider habende nothurft einzubringen«. Indem sie, »desfals geziemenden und gehorsamsten Dank zuvor abstatten«, finden sie sich »gemüßiget, darauf in Unterthänigkeit anzuzeigen, daß sie mit des Herrn Pastoren seine etwa zu machen habende Knicks und Zeune gar nichts zu schaffen haben«. So erweislich, hätten die Kirchgeschwornen niemalen Hand an solche geleget, auch nicht sich darum gekümmert, ob sie gut oder schlecht gewesen. Die successive hier gewesenen Pastoren hätten »ihre Zeune« selbst instand gehalten und verfertigen lassen, »wie das auch dem gegenwärtigen H. Pastoren gar nicht unbekannt sei.«

»Allermaßen da die wittibe Pastorin solchen Zaun als Ihren eigenen verkaufen wollen, Sie demselben davon vorher Nachricht gegeben, ob er solchen Zaun vor den Preiß, so Ihr andere bieten würden, behalten wolte, so solte er der nechste dazu sein.«

»Unser Commissarius und Kirchspiel Voigt hat gedachten Herrn Pastoren durch 2 unserer Kirchgeschwornen andienen lassen: wan er verheißen würde, den Zaun künfftighin, wie seine Herren Vorweser gethan, zu unterhalten, so wolte er (Voigt) uns dahin bereden, daß wir solchen der wittibe abkauffen und ihm wieder schenken solten, welches wir auch auf dessen Begehren und Zureden gerne würden gethan haben. Hierüber haben obgedachte beyde Kirchgeschwornen sich noch anheischig gemacht, Er solte den Zaun obangeführtermaßen annehmen, Sie würden ihn bei der Schenkung in solchen stand setzen, daß er in 10 bis 20 Jahren nichts daran machen laßen solte. Welche Vorschläge derselbe aber durch aus nicht annehmen wollen.

 

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Woraus Ew. Excellenz hell undt Klar ersehen Können, daß mehr besagter Herr Pastor selber schuldig, daß der Pfarr hoff unbefriediget lieget. Und da mit Ewer Exzellenz mehr licht dieser Befriedigung halber erlangen mögen, so haben wir sämbtlich aus unsern Mitteln Vier gevollmächtigte, alß Dirck Brammer aus dem Flecken Bramstede, Hans Mertens, Königl. Unterthan auß wiemerstorff, Jasper Runge, Königl. Unterthan aus dem Kirchspiel Kellinghusen, und Marx Dammann, Clösterlicher Unterthan aus armstede einhellig erwehlet und Ihre Vollmacht durch den Herrn ambts Verwalter Snell in der Kirchspiel Voigtey aufsetzen und in Unserm Nahmen von Ihm unterschreiben und untersiegeln lassen. Welche anbefohlener maßen einige der ältesten Kirchspielleute vor dem Herrn ambts Verwalter und Commissario gebührlich abhören und deren außsage Ew. Excellenz Unterthänig einliefern laßen sollen, mit unterthäniger Bitte,

Uns die Befriedigung mehr alß oft Besagten Pfarrhauses Zaunes wegen der glaubhaften Zeugschafft nicht mehr anzumuthen, Besondern uns ... gäntzlich davon zu befreyen,

dem Herrn Pastoren aber dahin zu befehlen, daß Er uns die dießerhalben wider besseres wißen veruhrsachten Unkosten wieder erstatten müße. Wir wollen dagegen leben und sterben

Ewer Excellenz

getreueste und unterthänige, gehorsambste, sämbtüche Königl. Bramstedische, Königl.  Kellinghusische und  Clösterliche Itzehoische  (exclusive  aber adel. Bramstedische) Untertanen des Kirchspiels Bramstede. Bramstede, den 28. Martii 1703.«

 

Das Streitverfahren nimmt den üblichen Fortgang, und der Geistliche hat den Erfolg auf seiner Seite. Doch die Unterlegenen können und wollen sich dabei nicht beruhigen. Nach Ablauf eines guten Vierteljahres greifen sie aufs neue zu den Waffen, um nun allerdings den Angriff auf ein ganz anderes Gebiet hinüberzuleiten. Das geschieht in nachfolgendem, an Amtmann und Propsten gerichtetem Schreiben.

 

II. Geistige und geistliche Angelegenheiten

 

1. Vorwürfe gegen die Amtsführung

 

Besagtes Schreiben verkündet den bittern Ernst des Streites.

»Ew. Excellenz werden sich sonder Zweifel annoch gnädig erinnern, welchergestalt denen Bramstedischen Kirchen Juraten auf des Herrn Pastors Hartnaccii ersuchen und anklage befohlen worden, umb den Pastorat-Garten einen Zaun zu führen, wie solches die Copey des Befehls im anschluße erweiset. Dieselben sindt auch dem Befehl gehorsambst nachkommen. Inmittelst haben wir gleich wohl bey neulich gehaltenen Dinge und Recht einiger maßen dargethan, daß wir solches onus (Last) zu tragen, dem alten und gewöhnlichen Herkommen nach nicht verpflichtet und unschuldig sindt. Vorjetzo haben wir durch die zweite Anlage

 

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weiter erweisen wollen, daß dieses uns nicht zukomme. - Nechst diesem wir die 3 Beylagen, daß die Herren Prediger anderer benachbahrter ohrte ihre Zäune ebenfals Selbsten vor ihre Kosten müßen machen laßen: dannenhero. ergehet unsere Unterthänige und gehorsambste Bitte an Ew. Excellenz und Hochehrwürden, den Herrn Pastoren dahin anzuweisen, daß Er denen Juraten ihr vorlegtes Geld zu dem Zaune sambt Unkosten erstatten müsse. –

Hierauß können Ew. Excell. und Hochehrwürden unmaßgeblich ersehen, daß der Herr Pastor keine Bedenken träget, Neuerungen seiner Gemeine auf zudrengen. Dieses hat Er nicht allein in voriger Sache zu thun getrachtet, sondern hat sich auch gar unterstanden, in des Kirchspiels Kirchen-Buche hinter pag. 3 dasjenige, was Pastor Herr Detlevus Galenbeck mit eigener Handt geschrieben, auf die 3 finger breit, un erhörter weise, vor sich alleine und aus eigener angemaßter Macht zu radiren, davor hat Er hingegen mit eigener Handt zum praejuditz der ganzen Gemeine propria authoritate (eigenmächtig) wieder eingeflicket, was zu seinem Nutzen dienet. Ob nun dieses heiße, seine anvertraute Gemeine recht lieben und mit derselben es treulich meinen, laßen wir Ew. Excell. und Ew. Hochehrwürden selbst unbeschweret entscheiden.

Nechst diesem müßen wir auch, wiewohl ungerne wehmütigst klagen, daß er seiner Gemeine auf der Cantzel und sonst in seinen ambts Verrichtungen aller Handt Ärgernissen und Verirrungen in ihrem Christenthumb durch Lehren und unbedachtsame proceduren gebe.

Zum Exempel:

1.Da seine Seeligen Antecessores (Vorgänger) gewohnt gewesen sein, den dazu bestimmten Kelch vor die Kranken, selben zu sich zu nehmen, wenn sie zu selbigen gefordert wurden, um ihnen das heil. Abendmahl zu reichen, so pfleget der jetzige allemahl derjenigen Persohn, sie mag sein, wer sie will, solchen zu geben; dannenhero ist es auch geschehen, daß solcher verlohren worden. Denn alß Er neulich den Kranken Friedrich Vogt zu berichten, außen gewesen, hat er auf dem Knickwege, alß er baldt bey seinem Hause gewesen, diejenige Frau, so Ihn abgeholet hat, gefraget, ob sie den Kelch bey sich hätte, worauf sie mit Nein geantwortet, sintemahl Er ihr denselbigen nicht gegeben hätte; darauf hätte Er jemandt von Seinen Leuten, alß er nach Hause gekommen, in des Patienten Hauß geschicket, allwo derselbige nicht angetroffen gewesen.

2.Alß die Collecte vor der Predigt geschehen sollen, hat Er davor vor dem Altar gesungen: Laßet uns alle beten: Vater unser u.s.w. Doch hat Er sich baldt wieder recolligiret und die Collecte in halber Confusion abgesungen. Deß gleichen  hat Er auch zweimahl auf der Cantzel das Vaterunser zu beten Vergeßen, ja auch an dem großen Buß- und Bet-Tage hätte Er fast den Seegen nach der Predigt zu sprechen unterlaßen, wan nicht sein Sohn auß dem Beichtstuhl getreten und Ihm solches erinnert hätte. - Wann Er auch daß heilige Abendmahl administriret, so werden offtermahles einige Communicanten in ihrer andacht gestöret, indem er entweder den Kelch nicht recht zu halten pfleget, daß Sie begoßen werden, oder denselbigen von dem gesegneten Wein nichts darzureichen pfleget.

 

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3.        Alß Dierck Maahs dem Herrn Pastoren 12 Schilling geschicket, sein Kindt zu tauffen, so hat er diese nicht annehmen wollen, sondern hat 1 Mark lübsch gefordert, da doch diese weder nach dem Kirchen Buch, noch nach der einmahl eingeführten gewohnheit mit recht gefordert werden kan.

4.        Bey der Tauffe läßet Er daß Wort: »Heilig«, welches der Herr Lutherus in seinem Catechismo gesetzet hat, außen und saget bloß: nimm hin daß Zeichen des Creutzes. Ebenfalß da unsere vorige Herren Prediger, wie anderswo auch gewöhnlich, die Worte bei der außspendung des heiligen Nachtmahles gesprochen: Nehmet hin ... erhalte Euch in wahrem Glauben .., saget Er bloß: in Eurem Glauben zum Ewigen Leben.

5.        Alß Er Marx Steckmest sein geborenes Kind, welches ganz schwach gewesen,  daß man  sich stündlich  seines  Todes versehen,  welcher  auch   den Tag  darauf  erfolget   ist,   hat  zu   Hause taufen  sollen,  so hat Er dieses nicht thun wollen, Besondern die Bade Mutter hat die Noht Taufe verrichten müßen.

6.        Als Thombes Thombsen auf seinem Todtbette das heilige Nachtmahl verlanget, so hat Er bey großer Bestürtzung nach einem Buch gefraget und hat er daneben die Einsegnung vergessen also daß sich auch der Todt kranke Mann darüber geärgert.

7.        Als Casper Hennings Knecht in Wiemerstorf an einem gewißen Freytag mit einem Wagen bey dem Herrn Pastor ankommen, Ihn zu seines Schwagers Knecht zu holen, daß Er demselben auf dem Kranken Bette das h. Abendmahl reichen möchte, so hat Er lange Zeit mit demselben verhandelt und allererst Sonntags Mittags kommen wollen: obschon selbiger Berichtet, daß der Patient sehr schwach war und dazu den Wagen für sein Geld häuern müsse; jedoch hat Er sich endlich erbitten lassen, alß er vernommen, daß des Knechtes Vatern der Ihn abholen sollen, ein stück Land gepflüget hätte; item als er in demselbigen Dorff gefordert worden, einer betagten Frauen daß h. Abendmahl zu reichen, so hat Er übel empfunden, daß sich noch etliche alte Frauen, die altershalber nicht wohl zu Fuße sindt, nach vorigem Gebrauch so gleich bey dem h. Abendmahl in selbigem Dorffe eingefunden hatten. - Deß gleichen, alß eine stein alte Frau aus dem Flecken mit Nahmen Hartmaninnen wegen ihres großen alters und stetes Zittern der glieder daß h. Nachtmahl vor sich alleine hat empfahen wollen, so hat der Herr Pastor Sie allererst über 8 Tage dazu laßen wollen, dieweil Er nicht Zeit dazu hätte, da doch diese Frau alle Tage sich ihres Todes wegen großer Schwachheit versiehet, mit beygefügter Uhrsache, ihr Sohn hätte es mit Ihm nicht danach gemachet.

8.        Hat er über dieses auch bey unterschiedlich angehenden Ehe Leuten in der Trauung die Ringe, wie sonst gebräuchlich, nicht gewechselt. Wie Er sich aber in seinen ambtsverrichtungen ärgerlich und nachläßig aufführet, so hat Er auch unterschiedliche mahle in seinen Predigten viele in ihrem Glauben irre gemacht. Zum Exempel:

 1. Am letzten Christtage saget er im Eingange: Christus sei nicht von dem

 

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Heiligen Geiste empfangen; da wir doch dieses in unserm Catechismo und zwar im andern Artikel bekennen.

2. Am ersten Sontag nach Epiphanias, führete er unter anderm von der Beichte an: Wenn einer seinem Beicht Vater die groben Sünden, nemblich Hurerey, Ehebruch und dergleichen nicht ausdrücklich und specifice (im einzelnen) offenbahrte oder Dieb gestohlen Guht an den vorigen Besitzer nicht wieder brächte oder bezahlete, dem helfe keine absolution oder Nachtmahl, wenn auch schon 1000 Christi vor ihn gelitten und gestorben.

3. Alß am ersten Christtage in der Nachmittags Predigt, etliche Persohnen zu späte gekommen, hat Er über die maßen darüber geeifert und gesprochen: So ferne keiner die Thür zu machte, wolte Er nicht weiter Predigen, sondern von der Cantzel gehen, mit beygefügten Worten, es were eine Sünde im Heiligen Geist, die nimmer könnte vergeben werden, sintemahl sie Gottes Auge apfel antaste.

4. Endlich hat er auch von der Heiligen und Keuschen Jungfrau Maria pro Concione (soll wohl heißen: Conceptione) gesaget: Joseph sei Ihr zum Hüter der Jungfrauschaft gegeben worden.

Letztlich so hat Er auch in unterschiedlichen geistreichen und alten Psalmen und gesängen uns irre zu machen gesuchet, zum Exempel:

1. In dem uralten schönen Liede: Ein Kindelein so Lobelich etc. hat er den letzten vers zu singen untersaget.

2. In dem Weihnachtes Liede: in dulci jubilo hat er die Worte getadelt: »Da die Schellen klingen«, alldieweil wir in dem Himmel keine Schellen haben würden. Dem aber ungeachtet, hat Er selbst am Palm Sontage mit dem Verse beschlossen, an welchem Er aber dafür daß Vaterunser zu beten vergessen.«

Das vorstehende, sicher in mehr als einer Hinsicht ungewöhnliche Schriftstück wird durch vier Deputierte der sämbtlichen Königlichen, Klösterlichen und ' Gräflichen, ausgenommen des Hochadeligen Gutes Bramstede, Gemeine dem Herrn Geheimbden Rat und Ambtmann von Lenten, wie auch dem Herrn Präpositus Burchardi übergeben.

Die genannten Herren Visitatoren befinden für gut, es dem angegriffenen Seelenhirten bei Gelegenheit der nächsten Visitation am 11. Juli 1703 zur Beantwortung auszuhändigen.

Die Antwort ist erfolgt an einem im Archiv nicht angegebenen Datum. Aber eine vollständige, unantastbare Abschrift derselben liegt vor, prächtig in Schrift und Papier, gründlich und klar in der Darstellung, umfassend 30 Blatt in Großfolio, weitschichtig in der Ausführung, daß sie noch heute dem Theologen wie dem Juristen als Quelle des Wissens zu dienen vermag. Schwieriger ist die Frage, wie weit daraus auch dem Laien anziehender Lesestoff dargeboten werden könne. Andrerseits fordert Zweck und Wesen der Chronik, an diesem Gegenstand nicht einfach vorüberzugehen. So soll versucht werden, auch hier zu bringen, was der Heimat angehört und ihr für alle Zeit gebührt. Daß dabei wesentlich zu kürzen ist, versteht sich am Rande; doch vollständig präsentiere sich hier die Überschrift.

 

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Abgenöhtigte

Rechtliche Verandwortung

und Bitte

absehen

Danielis Hartnaccii

Pastoris der Christl. Gemeinde zu

Bramsted un E. E. Segebergischen

Consistorii Assessoris

contra

das von denen Deputirten der Bramstedtschen

Gemeine eingebene Memorial.

Mit Beylagen sub

A.B.C.D.E.F.G. et H.

in puncto
der von den Kirchgeschwornen gebührenden,
itzo aber von ihnen strittig gemachter Unter-
haltung des Pastorat Zaunes und sonst anderer
prätendirter verschiedener passuum.

                                                                                

Sachgemäß ist zunächst wieder die Angelegenheit des Pastoratzaunes zu verhandeln. Da nunmehr die Vertreter des ganzen Kirchspiels und nicht mehr die Kirchenjuraten als Bittende und führende Kläger hervortreten, richtet der Pastor sich geziemend an den »Hochgebietenden Herrn Amtmann«.

»Ob ich gleich der guten Meinung gewesen, es würden die 4 Deputirte, so sich im Namen der Bramstedtischen Gemeine der hiesigen Kirchschworen angenommen, endlich ihren Ungrund wegen der so frivole strittig gemachten Unterhaltung des Zaunes von selbst erkennet und also von ihrer vorhin angestellten Klage abgestanden haben: so habe ich in Wahrheit sonder allen meinem Vermuthen vernehmen müßen, daß sie nicht nur weiterhin klagen, sondern mich sogar deneben mit so vielen unnützen Beschwerden herabzusetzen allermöglichst bedacht gewesen.« Er danke für die Zustellung der Beschwerdeschrift vom 11. Juli und bitte, bei der Wichtigkeit der Sachen um »hochgeneigtes Gelieben«, wenn seine gerechte Verantwortung etwas weitläufig ausfallen müsse.

Was den ersten Teil, die strittige Zaunfrage, anbelangt, so protestiere er feierlichst und werde nicht im geringsten abgehen von der Königl. Constitution, »alß welche nicht allein die Erbauung, sondern auch reparirung der Kirchen Gebäude und was dem anhängig, ausdrücklich im Munde führe. Die Königl. Kirchenordnung von 1542 verkünde: »De Kärckeschworen in Städen und Flecken schölen verschaffen bequeme und ehrlicke Waninge vor ern Pastoren Prediger und andere Kärcken Dener, desälven beteren und bowen an allem wat da feylen mag, dat thor Hußholding und Nothdurfft des studerens dienstlich ist.« - Der Zaun sei zwar nicht genannt. Doch niemand sei so einfältig, zu verneinen, daß er diene zur Beschützung dessen, was im Garten der Haushaltung wegen gesäet ist. Die Vernunft gebiete, den Gartenschutz als einen Bestandteil der Haushaltung zu erachten.

Um aber dennoch aufgetretenen Zweifeln zu begegnen, habe Christian IV. unter dem 22. August 1642 zu Glücksburg eine Constitution erlassen, die im Art. 7

 

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den Kirchschwornen auferlegt: »Alle und jedes Jahr sollen sie miteinander die Kirchwedeme und andere Kirchen Gebäude, die Kirchhöfe und Zäune der Kirchendiener fleißig besichtigen und was schadhaft und baufällig werden will, anmelden und die versehung thun, daß es bey Zeiten repariret und gebessert werde.«

Bleibt zu erörtern, was unter einem »Wedem« zu verstehen sei. Hartnack weist hin auf Meichsner. Decis. Cameral. tom 4. Decis. 1.1.10, wo derzeit zu lesen:

»Durch die Kirchenwedeme wird allhie verstanden alle dasjenige, woraus die Kirche oder deren Diener einen usus fructum (Nutznießung) haben können.«1)

Absonderlich sei zu beachten, daß Se. Majest. die Wörter Kirchen Gebäude, Kirchhof, Zäune zusammen füget, um in gegebenem Sinne deren untrennbare Einheit zu betonen.

Ferner sei nicht zu denken, daß der König durch den Ausdruck »Kirchendiener« etwa zwischen Prediger und Küster habe eine Scheidewand aufrichten wollen; vielmehr handle es sich um eine generelle Anwendung des Wortes, die als Zusammenfassung beider zu deuten sei. Als Zeugen dafür führt er an: Everhard in loc. General. r. Z. Man könne daher nicht etwa geltend machen, der eine oder der andere habe mehr Holz und könne somit sich selber helfen.

Zu diesem Punkte sei dem Chronisten erlaubt, das alte Fleckensbuch aufzurufen. Es meldet: »Anno 1698 haben im Fastelabend samptliche Fleckens einwohner dem Herrn Pastor Conradt Hinrich Galenbeck das Buschtheill von dem Teich an biß soweit die Rohrwiese nach dem Flecken zu den Redder lang gehet, verehret, auch einhellig beliebet worden, daß besagter Buschtheill hinkünftig bey wohlgedachten Herrn Pastoris abscheid oder sogenannten kleinem Hause ungekränkt verbleiben soll.«

Dem Gedanken, daß etwa um 1642, wo Christian IV. die hier in Rede stehende Constitution herausgab, das Bramstedter Pastorat mit Hölzung gesegnet gewesen sei, wird damit der Boden entzogen.

Hartnaccius bringt in Erinnerung, daß vor drei Jahren die Kirchgeschwornen zu Kellinghusen in ähnlicher Weise hätten opponieren wollen. Der Amtmann zu Rendsburg habe sie dieserwegen durch Mandat vom 15. April strenge verwiesen; auch habe sich dasige Gemeine nicht gleich hinter sie gestellt. Im ganzen Amte Segeberg stehe genannte Constitution in Kraft, so auch in Kaltenkirchen. Viele vornehme wackere Leute seien verwundert, daß sich die Bramstedter dagegen legen.

Die hiesigen Juraten folgen ja auch sonst der Observanz der Constitution und haben noch letzhin, ihrem Eide gemäß, das Pastorat-Haus bessern lassen. Der Zaun sei dergestalt bewant, daß er nicht allein den Garten, sondern auch das ganze Pastorat samt den Ställen umbschließen und versichern soll; er sei ein Bestandteil des gesamten Wedems.

Die hiesigen Kirchgeschwornen haben vorhin schwören müssen, daß sie auf Gebäude und Wohnung und was dem anhängt, achtung geben sollten. Jetzund

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1) Die ursprüngliche Bedeutung ist gewesen: Wittum = Witwenversorgung bis zum Tode, im Gegensatz zum Leibgedinge, das sich vererbt auf die Blutsverwandten.

 

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fehle zwar in dem Eide das Wort »anhängig«. Aber damit sei nicht der Sinn und Rechtsbegriff der Königl. Verordnung aufgehoben. Hartnack weist dann auf die Tatsache hin, daß die Juraten den Zaun des Küsters instand halten und es damit rechtfertigen wollen, daß dieser ja nicht Holz und Gesträuch habe wie der Pastor. Damit sei von ihnen grundsätzlich ihre Verpflichtung auch gegen das Pastorat anerkannt. Die Constitution aber wisse davon nichts, daß Holzbesitz des Pastorats Einfluß auf diese Verpflichtung haben könne. Im übrigen sei derzeit das Gehölz des Bramstedter Pastorats ganz verwüstet und kein Busch zum Zaun vorhanden. Es komme hinzu, daß grade die Äcker und Wiesen des Pastorats nächst dem Flecken und nach der Vogelstange hin durch vielfältiges Überfahren gefährdet und zuvörderst des Schutzes bedürftig seien.

Ferner, so fährt der Geistliche fort, werde von den Gegnern auf das »alte und gewöhnliche Herkommen« hingewiesen. Es sei zwar wahr, daß in diesem Herzogtum gute ehrbare Gebräuche und rechtlich hergebrachte gute Gewohnheiten »müssen observieret und die Richter jedes Ortes sich danach zu richten angehalten werden. Landgerichts- und Kammergerichtsordnung stimmen darin überein, setzen indessen wohlerwogene Schranken.«

1.   Es muß ein alter kundbarer Landsgebrauch sein.

Die Bramstedter tragen aber einen Einzelfall vor, davon ihre Nachbarn kaum wissen; kundbarer Landsgebrauch sei, wie er nachgewiesen, im gegenwärtigen Fall die Observanz der Königl. Konstitution von 1642.

2. Ein solcher Brauch soll nicht der Vernunft und Billigkeit zuwider sein. Böse Beispiele, aus  Eigensinn  und   Widersetzlichkeit  entsprungen,   können  nicht gesetzliche Kraft erlangen.

3. Die Landgerichtsordnung sage ferner, daß ein solcher Brauch nicht der Heiligen Reichsordnung und Konstitutionen entgegen sein solle. Im gegenwärtigen Falle sei maßgebend, daß die Konstitutionen der Fürsten in ihrer Rechtswirkung über dem Landsgebrauch stehen. (Erst wenn in einer Streitsache eine Konstitution nicht vorliege,  komme »der alte kundbare Landsgebrauch, danach das  alte Sachsenrecht und schließlich die gemeinen beschriebenen Rechte«, sofern sie nicht der Heiligen Reichsordnung und einer Konstitution zuwider sind, als maßgeblich in Betracht. - So in Holstein, wo ein einheitliches Recht fehlte. Anders in Schleswig, wo das Lowbuch, ein königl. dänisches Gesetz, allgemein grundlegend war.)

Nach dieser Feststellung könne niemals der in Rede stehende Bramstedter Einzelfall gesetzliche Wirkung erlangen, sondern müsse als Irrgänger oder Mißbrauch abgewiesen werden.

Dies leitet Hartnack umständlich auch aus dem kanonischen Recht und aus den Reichsabschieden von 1548 und 1551 her. Er führt dazu noch ein Beispiel an, daß ihm durch Herrn Lincker bekannt geworden. »An seinem - Linckers - Ort haben einige vom Adel ihre Todten Abends ohne Gesang und Predigten bey zu setzen sich unterstanden und sich deswegen auf eine alte Gewohnheit berufen. Das dasige Ministerium aber habe unter Hinweis auf die Kirchenordnung

 

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dies unterbunden.« Wenn nun allein die Singularität, also der offenbare Mangel des »Kundbaren«, dem Verfahren der Bramstedter jegliche rechtschaffende Kraft versage, so ändere das von den vier Deputierten herbeigeführte Abhören einer Reihe von Zeugen, die das hohe Alter besagter Gewohnheit bestätigen sollen, daran nichts. Es seien unter ihnen zitierte und freiwillig erschienene Leute, auch solche, die in vorliegender Sache mit geraten und getatet haben. Zudem liege ein Verstoß gegen die Landgerichtsordnung p. 3. tit. 1832 vor, der das ganze Verhör hinfällig mache.

Die Deputierten weisen darauf hin, wie es die Galenbecks in Sachen des Zauns gehalten haben und meinen, deren Verhalten sei für ihn, den Amtsnachfolger, maßgebend. Nun sei einmal geschehen, daß der Pastor Galenbeck einen »stecken Zaun« habe setzen lassen. Könne das ihn zu gleichem Tun verpflichten? Und gesetzt den Fall, es wären seit der Hammerich (Witwe) 10 Zäune nacheinander gesetzet worden. Könnte das ihn irgendwie verbindlich machen? Man wisse aus den Rechten: quod Sacerdotes in rebus Ecclesiae nullum, nec dominium habeant, nec possessionem, sed tantum sint Domini usus fructus, possessionis et fructuum. (Daß die Geistlichen weder die Herrschaft noch das Besitzrecht am Eigentum des Kirchenguts haben, sondern lediglich dessen Nutznießer sind.)

Priester können demnach nicht das geringste mit Bindung ihrer Nachfolger von der Pfarre veräußern noch dieselbe irgendwie mit Auslegung einer Servitut oder sonst beschweren.

Hartnack gibt zu, daß ein Priester aus irgendwelchen Gründen auf Pflichtleistungen seiner Eingepfarrten verzichten könne; aber rechtlich führe des Priesters Abschied vom Amte ohne weiteres zur Wiederherstellung des früheren Zustandes.

Er äußert sich ferner dahin, daß gegenwärtig die Juraten nicht gebunden seien, einen Stecken-Zaun, wie ihn Galenbeck zu seiner Freude habe setzen lassen, um das Pastorat zu liefern, sondern eben einen Busch-Zaun, wie ihn die Sel. Witwe Hamerich einmal veräußert habe zu ihren Gunsten.

Doch geht unser schreibfreudiger Seelenhirte an der Frage vorbei, aus welcher Quelle sotane Witwe das Recht geschöpfet habe, überhaupt jenen, für vorschriftsmäßig erachteten Zaun zu versilbern. Zürnen wir ihm nicht, sondern folgen wir ihm weiter unverdrossen.

Er setzt folgenden Fall: Ein Priester möchte gern ein recht ansehnliches Haus haben. Die Gemeine will ihn nicht unterstützen darin. Er käme hernacher vielleicht her und ließe das Haus nicht allein mit Ziegeln decken, sondern auch gar viele Gemächer darin bauen und alles, was ihm nur zum Ansehen dienen möchte, darinnen machen. Läßt die Gemeine solches geschehen, so mag der Tag kommen, wo das Haus im Verfall ist, die Gemeine aber nicht dem Nachfolger zumuten kann, die großen Kosten für den sonst so trefflichen Bau herzugeben.

So stehe es auch um den Zaun; ein Attest bezeugt, daß er solchen habe machen müsse», also nicht freiwillig. Und wenn er den Gedanken gefaßt habe, ein Fremder müsse ihm das wieder bezahlen, so bekunde er eine große Einfalt. Auch die

 

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übrigen Atteste seien nicht geeignet, das Bestehen einer »Gewohnheit« zu erhärten. Dazu komme, daß drei Atteste von Pastoren ausgestellt seien, die unter der Herrschaft von Grafen und Edelmann stehen, wo andere Gesetze und Bräuche herrschen als im Königlichen Gebiet. Der eine bezeuget, daß er die Zäune selber beschwerlich unterhalten müsse und ihm dazu ganz und gar keine hülfliche Hand vom Kirchspiel gereichet werde. Darin sehe er - Hartnack - nur einen Beweis von der Eigensinnigkeit und Unbarmherzigkeit dasiger Gemeine gegen ihren Seelsorger. Ein zweites Attest bekundet, daß zwar die Konstitution des Königs in Geltung sei; der Prediger aber sehe aus Liebe zu seiner Gemeine davon ab, sie für den Zaun in Anspruch zu nehmen. Hartnack meint, was ein andrer aus Liebe tue, sei für ihn kein Zwang, und die Meinung dieses Zeugen schaffe nicht für Bramstedt ein Gesetz. Auch möge die dortige Gemeine wohl seine Gütigkeit auf andere Weise ersetzen.

Die Bramstedter Gemeine aber sei verführet worden. »Gleich bei meinem Antritt habe ich unter der Hand vernehmen müssen, wie man mich, weil ich von Seiner Majestät hierher berufen, ängstigen und alle accidentien mir nehmen wolle. Man läßt mich dies jetzt würklich fühlen. Niemand wird mir verdenken, daß ich mich hiebey am besten zu verwahren suche. Man rühmt sich, daß man einem andern woll 20 Thaler zu seiner Planke bald verehret habe. Es ist eine große Unbarmherzigkeit, mir, als einem alten Mann anmuthen zu seyn, den Pastorat Zaun zu machen, da ich nur noch geringen Nutzen davon haben kann.« Er bittet, die Deputierten mit ihrem ungereimten und ganz nicht begründeten Gesuch abzuweisen.

 

Hartnacks Verteidigung wegen der Rasur

 

Die vier Deputierten haben ihn mit harten und unfreundlichen Worten einer nicht erlaubten Rasur im Kirchenbuch bezichtigt und dabei angedeutet, daß er dadurch der Gemeine einen Schaden habe zufügen wollen. Wenn sie auch einen Antrag damit nicht verbinden, so liege doch klar die Absicht vor, ihn vor der Behörde und der Kirchengemeine in gefährlichem Maße herabzusetzen. So sei er genötigt, hierauf einzugehen und Klarheit zu schaffen.

»Der seel. Pastor H. Detleff Galenbeck hat in den letzten drei Blättern des einen Kirchenbuchs denen successoribus etwas zur Nachricht von des Priesters und Küsters Hebungen einschreiben wollen. Da er aber selbst von vielen nicht die rechte wißenschaft gehabt und dieser Unkenntnis noch ein Mangel an Rechtskunde gekommen, hat er vieles seinen Nachfolgern als verbindlich sowoll hingesetzt als übergangen. Sein Sohn, als mein Vorgänger, hat selbst hernach hie und da in dem Buche verschiedenes geändert, und ist ihm solches unternehmen dazumahl nicht übel ausgelegt worden. So bin ich in der Meinung gestanden, es könte mir eine solche freiheit ebenmaßen zukommen, zumahl da ich gesehen, daß dasjenige, so mein Vorgänger aufgesetzt, zu meinem großen Schaden wolte ausgelegt werden, da er nicht Macht gehabt, zugleich mit seinen über meine acci-

 

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dentien zu bestimmen. Und zum höchsten Nachteil zu setzen, daß die accidentien keinen gewißen Nahmen hätten, sondern müße sich Pastor deshalb mit der Gemeine vergleichen. Nun weiß ich nicht, was das damahls vor ein Vergleich muß gewesen sein, und worinnen der Vergleich eigentlich bestanden, ob er mit der Gemeine überhaupt wegen der accidentien sich verglichen oder nicht. Und zudem widerspreche ein solcher einseitiger Vergleich denen Königl. Hohen Rechten, sonderlich dem juri vocandi (Recht der Berufung), welches die Bramstedter noch immer zu behaupten gedenken und meinen, sie hätten so zu sagen den Knopf auf dem Beutel und könten dem Pastori an accidentien so viel zukommen laßen, als ihnen beliebe. Wie denn auch ein solcher anzumuthende Vergleich zu dieser Zeit, da Se. Königl. Maj. mir in der Vokation alle dieselben, so mein Vorgänger gehabt, allergnädigst versprochen, itzo nicht mehr in Betracht kommen könte, daß ich deßen ohngeachtet von dem gewißen auf was ungewißes mich mit ihnen vergleichen könte. Da aber nichts destoweniger die Gemeine auf die Ungewißheit der accidentien bestunden und solche mit der Schrift des Vorgängers aus dem Kirchenbuche allezeit nachweisen wolte, muß ich endlich solche worte, als die wegen der offenbahren unwahrheit keine Billigung haben könten, hinweg thun und interlineiren. Da ich nun an stat des Falschen die rechte Wahrheit gesetzt, vermeine ich ganz nicht, hierunter gesündigt zu haben, welches selbst die 4 Deputierten erkant, indem sie mich keines criminis zu beschuldigen vermocht, ich mich auch nicht deswegen zu verantworten habe, weil von mir kein dolus, sondern nur ein Studium, die rechte Wahrheit zu melden, gewesen, ferner auch von meiner Persohn kan nichts widriges vermutet werden.

Nicht einmahl zu gedenken, daß die letzten Blätter hinter dem Kirchenbuch nur ein scriptura privata und wegen der vielen interlineaturen nur als eine Kladde zu betrachten ist. Wie denn auch bekannten Rechtens ist, daß ein solch confusum Chaos, so aus vielen eigenen Notizen besteht und von keinem Visitatore jemahlen unterschrieben werden, nicht wie das Kirchenbuch als vollgültige Urkunde gegenüber Dritten gelten kann. - Nun möge Excellenz selbst urteilen, ob denn eine solche interlineatura eine so unerhörte sei, daß dadurch die Folgerey entstehen müsse, als heiße dieses, die vertraute Gemeine nicht recht lieben und es mit derselben nicht treulich meine. Wer diese ungeschickte Folgerey erdacht, hat gewiß schon dazumahl beabsichtigt, den Prediger und die Gemeine gegen einander zu verhetzen und dazu die Gelegenheit so zu sagen vom Zaun zu brächen. Wie redlich ich es jemahlen mit hiesiger Gemeine gemeint, weiß mein Gott. Habe auch, so viel mir möglich gewesen, gern nachgegeben, wie Ew. Excell. selber wißen, daß ich mir itzt geringere Accidentien wegen der Braut-Krohn und Tauf-Ornats nehme und gefallen laße, ohngeachtet ihrem eigenen geständniß, daß meine Vorgänger mehr davor bekommen. Daß ich nun aber in allem solte mit geringerem vorlieb nehmen, ist in wahrheit so woll ein ungütiges als ungerechtes und dahero nimmer verantwortliches Ansinnen. Was habe ich gesündiget, daß ich nun eben der erste sein solte, bey dem sie ihre vermeintliche unvernünftige freyheit betätigen, da sie den vorigen mehr gegeben, mir itzt weniger

 

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geben wollen, um anzuzeigen, daß es bei ihnen stünde, mehr und weniger zu geben? Auf solche Art würde ich bey meinem alter nebst den meinigen sehr (bald) crepiren müßen. Allein diese ihre Absicht haben Se. Maj. ihnen in meiner vocation benommen und ausdrücklich gesagt, daß ich die accidentien, so mein Vorfahr gehabt, eben auch genießen solle; daß also die accidentien so sie vorher aus freyem willen gegeben, mir itzo von rechts wegen gebühren. Das entspricht auch der Lüneburg. Kirchenordnung, wo es sub D. 2 heißt: So aber in einer oder mehr Städten und Örtern gebräuchlich, in itzt Berührten Fällen dem Priester mehr zu geben, daßelbige soll fortan gegeben werden und hiemit nicht geringert seyn. - Nun scheint es zwar im Anfang etwas der einbildung zu wieder zu sein, wenn ein freyer wille mit der Zeit zum Zwang soll werden. Allein wenn solches die Hohe Herrschaft begehrt, so geschieht es in Wahrheit aus gutem Grund. Denn es könte ein und ander successor der Gemeine, bewußter Ursachen wegen, nicht so Beliebt seyn wie der vorige, oder er führte sein straf Amt schärfer als der Vorige, oder er beobachtet auch dasjenige, was sich etwa nach seinem sowoll als auch des Nachfolgers Urteil mit gutem gewißen nicht thun ließe, etwas genauer als der vorige: solte er deswegen, weil er nicht mit dem vorigen gleich schmeicheln und ein vieles von seinen Rechte unverantwortlich vergeben könte, an seinen accidentien, so ein Teil seines salarii sind, eigenmächtig geschmälert werden? Zumahl da auf der Welt nichts unbeständiger ist, als der Leute Gunst. Es könte passieren, daß einer sich wider vermuthen Beleidiget befände; der würde gleich mehr an sich ziehen, um wider den Pastor ein Complot zu machen, daß sie ihm nichts geben wollten.

»Auf solche Art«, so schreibt der Gesetzgeber in der Lüneburgischen Kirchenbede, »würden viel Leute so grob und unvernünftig seyn, wo Keine Ordnung oder Satzung derhalben gemacht würde, daß sie die armen Pastores und Kirchendiener woll gar nicht bedenken und aus gutem Willen nichts mehr geben würden.«

»Und was noch mehr: So haben mir die H. Visitatores selbst durch Urtheil und Rechtspruch zuerkant, auch H. Averhoff (Kirchspielvogt) mir dazu behülflich zu seyn versprochen. Habe ich denn also unrecht gethan, daß ich in dem Kirchenbuch die erweißlichen accidentien nahmkündig gemacht, oder kan solches ihrer freywilligkeit den lauf hemmen?

Wollen sie: freygebig können sie ohnedem noch sein. Und wollen sie nicht mehr geben, so geben sie nur das, was sie meinem Vorfahren gegeben; das soll mir genug seyn. Wiewoll ich noch hie und da viele gutthäter habe, die mir gern ein mehreres bei vorfallender gelegenheit reichen möchten, wenn sie nur nicht von denjenigen, die sich einer freygebigkeit rühmen, nichts weniger aber als die freygebigkeit ausüben und mir darüber das wenige entziehen, zurückgehalten würden, wie denn würklich einige guten Hertzen, die mir mehr, als sie schuldig sind, geben, bitten, daß ich's ja nicht den andern sagen sollte, sonsten sie dieser ihrer gütigkeit wegen allerhand ungelegenheiten von den andern sich vermuthen müßen.

 

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Ew. Excellenz wolte (ich) noch weiter vorstellen, wie der seel. Detl. Galenbeck ein vieles, sowoll aus Unkenntniß des Gesetzes, als auch die Gemeine zu gewinnen, damit sie seinem succedirenden Sohn nicht entgegen seyn möchte, seinem Nachfolger zum Nachteil vermuthlich ex persuasione1) noch weiter außgesetzt und daneben sehr vieles ausgelaßen, als unter anderem die Nachricht, wie die metamorphosis wegen des Beichtstuhls passiret, daß der vorige und lichte Beichtstuhl denen Kirchgeschwornen überlaßen und hingegen dem Prediger ein engerer und ganz finsterer Sitz gemacht worden; weile es aber heißet: de mortuis nihil nisi bene2), so will (ich) alles mit stillschweigen übergehen und Ew. Excell. unterthänig bitten, dieselbe geruhe dieses der 4 Deputirten ihr Anbringen in keine consideration zu ziehen, sondern ihnen alles ernstes anzubefehlen, daß sie mir dasjenige, was Sr. Maj. mir allergnädigst zugesprochen und Ew. Excell. durch urthel und recht in letzter Visitation gnädig zuerkant, ohnweigerlich reichen solten.«

(Unterschrift)

 

Ärgernis im Dienst, Irrtum in der Lehre ?

 

1.  Der Pastor sei vor dem Altar in Confusion gewesen und habe das Vaterunser abgesungen, wo er die Collecte hätte singen sollen. Gewiß, aber wer hat die Confusion gemacht? Joachim Wulff, des Kirchspiel Vogts Diener, der da was von seinem Herrn vorzubringen hatte, das er wohl des Tags vorher oder vor der Predigt im Pastorat hätte tun können. Aber er pflege solches aufzusparen, bis er in die Kirche gehe; nun sei er auf »das altar« neben den Pastoren während des Gottesdienstes hingetreten und habe einen langen Discurs gehalten über Sachen, die ihm zu vermelden aufgegeben worden. Wiederholt sei ihm diese Unschicklichkeit zu verstehen gegeben; aber um dem Pastor noch mehr Unwillen zu machen, sei er abermals in »das andere kleine Thür nach dem Altar zu angebautes Häußlein getreten und gewartet, bis der letzte verß des Liedes: Allein Gott in der höh sey ehr... beinah in der mitten und da erst zum Pastore kommen, hat sich neben ihm beym Altar vor der gantzen Gemeine gestellet« und weitläufig seine Sache vorgebracht. Das habe freilich eine Beunruhigung gebracht, die am wenigsten dem Pastor gefallen. Er erinnere sich wohl, das Wort: »Der Herr sei mit euch«... vergeßen zu haben; es sei aber eine »vermeßentliche Unwahrheit«, daß er statt der Collecte das Vaterunser gesungen habe.

Mit Wissen des Amtsverwalters sei dem Störenfried Joachim Wulff solches Verhalten ernstlich verboten worden.

2.  Zweimal solle er auf der Kanzel das Vaterunser zu beten vergessen haben.

Er weist darauf hin, daß auch bei jedem Wochen-Gottesdienst das Vaterunser einmal vor dem Text und zum andernmal nach dem Vorbitten gebetet werde.

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1) durch Überredung.

2) den Toten nicht Übles nachreden!

 

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Er halte es für sehr unwahrscheinlich, das je versäumt zu haben, und macht darauf aufmerksam, daß auch die Anklage nicht zu nennen weiß, an welcher Stelle die Auslassung erfolgt sei.

3.  Pastor hätte am großen Buß- und Bettage beinahe vergessen, den Segen zu sprechen.

»Der Pastor erwarthete nach der Litaney noch ein Schlußlied zu singen. Da aber solches nachblieb und man es beßer aus dem Beichtstuhl, wo das Gesicht der Orgel zugewandt, als vom Altar, den Rücken zur Orgel, bemerken könte, war die Unterbrechung nicht eines halben Tacts lang, da so forth der Segen gesprochen ward.«

4.  Pastor pflege den Kelch nicht recht zu halten; daher Communicanten in ihrer Andacht gestört würden, wenn sie entweder begoßen, oder vom gesegneten Wein nichts dargereicht würde.

»Daß solches jemanden wiederfahren, hat sich noch keiner gemeldet oder beschweret. Pastor weiß auch bis dato noch nicht, trotz vielfältigen nachfragens, wer sich sollte beschweret haben. Klage ist also erst durch glaubwürdiges Zeugnis zu erweisen und bis dahin für Unwahrheit zu halten sein.« Im übrigen sei der geschickte Genuß des Weins nicht nur vom Darreichenden, sondern auch vom Empfangenden abhängig.

»Daß aber gesagt wird, daß etlichen Communicirenden vom gesegneten Wein nichts dargereicht werde, wird alß eine kühne Verleumdung erst zu beweisen sein.«

5.  Pastor habe Diedrich Maahsen verweigert, für 12 Schilling sein Kind zu taufen.

Darauf sei zu antworten, daß in dieser Sache allein die Königl. Verordnung maßgebend sei, wie schon oben berührt.

6.  Der Pastor habe Mars Steckmestens Kind, so ganz schwach zur Welt kommen und selbigen Tages gestorben, nicht zu Hause Tauffen wollen: sondern die Bade Mutter die Nothtaufe verrichten müssen.

»Die Frau, so abgeschickt, wußte weiter nichts zu sagen, alß daß das Kind zu zeitig kommen; und da sie befragt wurde, ob sie gesehen hätte oder wiße, daß es sehr schwach, keine Nachricht zu geben gewußt. Dieweil aber wenig Tage vorher ein Königl. gar ernster Befehl wider die Verrichtung der Tauffe in Häusern von der Cantzel abgelesen und das Kind am andern Pfingsttag früh morgens gebohren, ward die Frau wieder zurückgesandt, von dem Zustand des Kindes nähern Bericht zu geben. Man wolte inzwischen sich fertig halten, gleich sodann mit ihr zu gehen; wo aber nicht so große Noth vorhanden, könte die Taufe, weil es Festtag, gleich in der Kirche geschehen. Aber dem Pastori sein accidens zu entziehen und dieses mit zur beschwerde wider den Pastorn anführen zu können, hat man ihm keine weitere nachricht geben und sogleich durch die Wehe mutter Tauffen laßen. - Daß aber die Tauf gar wohl nach dem inhalt des Königl. allergnädigsten Befehls in der Kirche geschehen können, erhellet aus dem, daß es erst gegen abend um 5 Uhr verschieden, wie durch das Geläudt der Glocken eine öffentliche anzeige gegeben worden.

 

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Daß hingegen Pastor in solchen fällen gar nicht schwierig, kan eben dieser Marx Steckmest nicht in abred seyn, alß welchem er vorm Jahr am Werktage aber auch ein Kind im Haus getaufft, da er klaren bericht von Zustand des damahligen Kindes durch abgeschickte Frau erhalten und kein Königl. Befehl dawider vorlag.«

7.  Klage wegen Thoms Thomsen: Pastor habe in Bestürzung ein Buch verlanget und bey reichung des Abendmahls die Einsegnung vergessen.

»Besagter ist bey erst angehendem Sommer gestorben und hat sich über das gereichte Nachtmahl niemahls jemand beschweret. Auf nachfrag hat die witwe geandworthet, sie sey der Zeit nicht dabey gewesen, es hätte aber eine Frau ihr begläubigen wollen, ob ihr mann nicht die einsegnung bekommen. Der Nachweis ist aber nicht erbracht. - So viel kan ich mich wol erinnern, daß dieser Th. Th. einige Anfechtung des Gewißens hatte, womit er aber trotz viel Zureden nicht heraus wolte; und dieses war die Uhrsach, daß ich rieth, mit sterb- und Trostgebethen ihn zu unterhalten, selbst auch (solche) zu senden versprochen, wenn man sie nur abhohlen wolte; so aber nicht geschehen.

8.  Pastor hätte sich schwierig erwiesen, etlichen Leuten das Nachtmahl im Haus zu reichen.

a)  Er habe, als Caspar Hennings seines Schwagers Knecht in Wymerstorff, ihn mit deßen Wagen habe holen wollen, Schwierigkeiten gemacht und Aufschub verlangt.

»Der Knecht kam an einem Sonnabend, da es eben Zeit, da schon in der Kirche vorhandenen vielen Beicht Kindern ihre Beicht zu hören. Die könte er nicht auf etliche stunden warten laßen, biß er wiederkäme; nachdem aber die absolution bei allen verrichtet, kan man nicht sagen, daß Pastor gesäumet, alsforth nach W. zu fahren.«

b)  Pastor habe übel empfunden, daß, da des Küsters Mutter in Wymerstorf das Nachtmahl verlanget, noch andere aus dem Orte dazu gekommen und solches begehret.

»Daß sei richtig, und er habe dazu uhrsache gehabt: da er den Fuhrmann um die umstände der Persohn gefragt, hat er mehr nicht denn eine Persohn angegeben, die in letzten Zügen zu bette läge. Er habe aber unvermuthend drei Persohnen vor sich gefunden, er habe allerdings 2 Oblaten mit sich genommen; als er die zweite unter die beiden andern Persohnen teilte, haben selbige ein scheel Gesicht gemacht. Auf einen kleinen verweiß des Fuhrmanns, daß dieser die Zahl nicht richtig genannt, entschuldigt sich dieser, er habe nur von einer Frau gewußt. -Zudem was man itzt hinzutuet, wie die Frau, so den andern Weynacht-Feyertage (da man auf die Predigten zu meditiren hat, und des Tages so ungestüm Schnee Treiben, daß auch der Fuhrmann mit dem Wagen nicht wol fortkonte) zu sich hohlen ließ, so wenig bettlägerig ist alß die andern beiden, und saßen alle drei um den ofen herum, gaben auch für die Mühewaltung der Priester Witwe im Gnaden Jahr mehr nicht als 3 Schilling, wovon doch nichts gesagt worden, wiewol einige vermuthen wollen, daß es den Pastoren zu versuchen ein abgelegter Handel gewesen.«

 

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c) Daß man der Hartmannin im Flecken die privat Communion versaget.

»Ein falsch angeben, daß die H. es gefordert, sondern ihr Sohn, der dem Pastori das Pastorat-Haus, da er nach vollendetem Gnaden-Jahr auf schriftlichen Vergleich mit der Witwe einziehen sollen, verriegelt gehabt, hat es für seine Mutter verlanget, um nur den Pastoren zu versuchen. Denn als die alte H. in den Beichtstuhl kommen, hat sie kein privat C. verlangt, ja, als des folgenden Sonntags der Pastor durch die Leichfrau ihr solches antragen laßen, hat sie ihr verlangen bezeuget, so lange sie immer könte, mit der Gemeine zu communiciren, welches denn auch wirklich geschehen. Neulich aber - sie ist noch am Leben - hat sie gebethen, Sonntags in dem Pastorat-Hause es zu nehmen, womit ihr hertzlich gern gewilfahret worden.«

9. Pastor habe in unterschiedlichen Fällen in der Trauung nicht die Ringe gewechselt.

»Laut den Formalien in der Kirchen Agende ist das Wechseln der Ringe nicht ein werk des Pastoren, sondern der zu copulirenden Personen. Bei dem Vorgänger hat man die Ringe abgehohlt und ihm einige Schilling zur Discretion gegeben, welches man seit Antritt des neuen Pastoris nicht weiter gethan, sind sogar vorher nicht in sein Haus kommen, daß er wißen können, ob sie Ringe haben. Welche aber Ringe ansteckend gehabt, daß man sie offenbar an ihren Händen erkennen können, denen hat man die Ringe wechseln laßen.«

10. Bei der Tauffe werde in der Formel: Nim hin das Zeichen des Heiligen creutzes... von mir das Wort »Heiligen« ausgelassen.

»Dessen kann man sich nie besinnen, daß es geschehen; weil aber bei allen Tauffen die erfahrung vor der gantzen Gemeine das Gegentheil bezeuget, so wird Ankläger noch durch unpartheiische Zeugen zu erweisen haben, welches Tages und in welchem Falle solches geschehen sei. Bis dahin stehe diese Behauptung als Unwahrheit da. - Im übrigen bekünde der Schreiber nur seine Einfalt, wenn er meine, daß berührte Formel zum Wesen des Sakraments zähle.« Hierüber gibt Hartnack weitere Belehrung, die hier entbehrlich ist.

11. Bei Darreichung des Abendmahles aus der Formel: Der erhalte euch im wahren Glauben das Wort »wahren« fortgelassen.

»Bei seiner Einführung hierorts habe er diese Formel gebraucht: Der stärke und bewahre euch im rechten Glauben zum ewigen Leben. Der anwesende Herr Präpositus habe dagegen nichts erinnert, und so habe er diese Formel beibehalten. Nachdem aber bei der Visitation dem Probsten die Klagepunkte ausgehändigt worden, sei Pastor am nächsten Tage zu seinem Vorgesetzten gegangen, um Belehrung zu erlangen. Der Probst habe ihn aus einer Konstitution Friedrichs des Dritten (1650) abschreiben lassen:

Der Leib Jesu Christi, für deine Sünde gegeben,

der stärk und erhalt deinen Leib zum ewigen Leben.

Als er vernommen, daß dies noch nicht das rechte sei, habe er sich an Pastor Ratcken zu Kellinghusen gewandt und durch ihn erfahren, daß die schleswig-holsteinische Kirchenordnung von 1542 diese Formel bringe:

 

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Nim hin, das ist der Leib Christi, für deine Sünden in den Tod gegeben,

der stärk und erhalte dich im wahren Glauben zum ewigen Leben.

Hartnack weist nach, daß im deutschen Lande diese Formel teils mit, teils ohne >Glauben< in Gebrauch sei und im übrigen der >rechte< dem >wahren< Glauben gleich gewertet werde.«

12. Pastor habe in der dritten Predigt von der Geburt Christi gesagt: Christus sei nicht vom Heiligen Geist empfangen. Das widerspreche dem andern Artikel in Luthers Catechismo.

Unser Kämpfer zitert zunächst aus der Niederschrift seiner vidimierten Predigt den in Frage stehenden Teil des Textes:

»Das Werk des Heil. Geistes betreffend, hat derselbe den Teil des weiblichen Saamens, so zu der menschlichen Nathur Christi deputirt (beigetragen), von dem andern abgetheilet, dasselbige geheiliget, an den Orth der Geburth gebracht, daß also die Jungfrau, dieses empfangende, billig eine Gottesgebährerin genannt werden mag, wiewohl der Hl. Geist nicht empfangen, sondern Krafft der sogenannten überschattung allein die Maria empfangen, und was sie empfangen, gebohren hat. Ob nun aber der Hl. Geist diß alles bei der empfängnis gewirket, ist er doch nicht ein Vater Jesu nach der Menschheit zu nennen, da er die Menschheit nicht aus seiner Person, sondern aus des weibes saamen gebildet.«

»In diesen worthen,« so fährt er fort, »wird dem Hl. Geist bei der Empfängniß die 'Krafft und Wirkung zugeschrieben. - Daß aber gesagt wird: daß nicht der Hl. Geist, sondern allein die Maria empfangen habe, dabey erweiset der Ankläger seine Dum- oder Boßheit.«

»Die empfängnis Jesu beschreibt selbst der Hl. Geist Lucas 1,35: daß sie der Jungfrau Maria durch den Engel Gabriel mit diesen Worten angedeutet worden: Tu concipies in utero.«

»Wenn der Schreiber ein Mann, solt er verstehn, daß in diesem geheimniß von keiner andern empfängniß geredet wird, alß die in utero (Gebärmutter) geschehen, wie denn auch die Hl. Schrift von keiner andern weiß. Nun ist aber der Hl. Geist ein Geist und hat keinen uterum: so derselbe Christum empfangen hätte, müßte er dessen parens (Erzeuger) sein.« Stelle sich der Gegner etwa vor, daß der Heilige Geist der Empfangende und Maria die Gebärende sei, dann könne man über diesen Ehemann nur seine Verwunderung aussprechen. Oder solle man sich gar zweene Erlöser und Seligmacher einbilden?

Hartnack weist nun aus den Schriften von mehr als einem Dutzend angesehener Kirchenlehrer aus alter und neuer Zeit nach, daß von diesem Geheimnis, das hier zur Verhandlung gestellt wird, »unterschiedlich geredet« worden ist. Die protestierende evangelische Kirche habe »die redensarth des Augustinus behalten und sich dann und wan auf seine worthe bezogen«. Augustinus habe in seinem »Euchiridio« für junge einfältige Leute auch dieses Mirakulum zum Gegenstand der Belehrung gemacht und das »vom« Heiligen Geist als »aus« dem Heiligen Geist hingestellt, allerdings nicht, ohne zu betonen, daß eins dem anderen nicht gleich sei.

 

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Hartnack schließt seine Ausführungen zu diesem Punkt wie folgt:

»Nun laßen einige sich noch vermerken: Ob es nicht wäre wohl gethan, diesen glaubens articul sogar eigens dem Volk auf der Cantzel und in Predigten vorzutragen. Diesen dienet zu wißen, daß nicht zu leugnen, es sey ein articul, darauf kleine Kinder getaufft und daher auch folgends unterrichtet werden müßen, daß sie nicht allein die worth hersagen, sondern auch die Sach verstehen lernen, die aber in den worthen: durch kraft und Wirkung des heil. Geistes sey unser Heiland Jesus Christus von der Mutter Maria empfangen und gebohren, ganz nicht undeutlich fallt, und solcher Form hat man sich allein in der Predigt gebraucht. Daß nun das wörthlein >von< einen zwiefachen Verstand habe, ist ebenfalls offenbahr, nemlich vom heil. Geist als einer wirkenden Kraft und von Maria als einer Mutter; diß wird ja kein redlicher Christ streiten, daß das Volk unterrichtet werden möge von Sachen, die also einen unterschiedenen Verstand haben. Wie denn Augustinus das Beispiel gegeben. Wie auch in der Protestirenden Kirche haben treue Lehrer in Predigten diesen Punkt also mit dem wahrhaften unterschied vorgetragen.«

13. Am 4. Sonntag nach Epiphanias sei von der Beichte gelehrt worden: Wenn einer seinem Beichtvater die groben Sünden, nehmlich Hurerey, Ehebruch und dergleichen nicht ausdrücklich und specifice offenbahrte, so helfe demselben keine absolution.

»Hier zeigt sich eine bößliche Verdrehung der Worte, die im Concept der Predigt lauten: Was die Sünden betrifft, sind derselben so viel, daß man sie nimmer alle bemerken oder derselben sich erinnern könnte; daß nicht ihrer viel einem entfallen solten, zumahl wenn man in langer Zeit nicht zum Beichtstuhl kommt. Daher David spricht: Herr, wer kan merken, wie oft man fehlet, verzeihe mir auch meine verborgenen Fehler. Aber viele sünden werden auch einem beichtenden vorkommen, die sein gewißen drücken, wenn er nur daselbe durchforschen und nicht so rohen Gemüts zum Beichtstuhl gehen will. Hie wäre wohl guth, daß ein Beichtkind sich seines Seelsorgers alß eines geistlichen Artztes gebrauchte, und welche sünden insonderheit sein gewißen drückten, dieselben ihm in vertrauen offenbahrte, rath und Trost dawider bäthe, auf daß der Trost in der absolution nicht insgemein, sondern auf dieselben gewißen Fälle gerichtet werden könte.«

Pastor fügt hinzu: Hier werde nicht von »groben« Sünden, sondern von solchen geredet, »die insonderheit das Gewißen drücken«, und zwar nicht von einer absolution nöthigkeit, daß sonst die absolution nichts hülfe, sondern von einer nutzbarkeit, daß es guth wäre, damit der Trost auf solche besondern Fälle gerichtet werden könte.

Wolle denn der Ankläger den ohnehin rohen Gemüthern der Leute beibringen, daß es nicht gut sei, die Fälle berührter Art in der Beichte zu offenbaren?

Hartnack ruft nun noch 13 Zeugen auf zur Bekräftigung seiner Darlegung, beginnend mit Johannes Crysostomus und Ambrosius, abschließend mit der Schleswig-Holsteinischen Kirchenordnung von 1542. Ein paar dieser Beispiele mögen hier passieren.

 

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a) Ehe wird die Wunde nicht geheilet, ehe sie von Blut und Eiter gesäubert ist.

b) Da ich's wollte verschweigen, verschmachteten mir meine Gebeine durch mein täglich Heulen (Ps. 32,3).

c) Eine verhehlte Sünde ist ein gewißen wie ein Wurm im Apfel: nagt immer und läßt keinen Frieden; klagt und bittet man sie aber ab, wird schon der Schmerz gelindert und das Gewissen ruhig.

d) ».... daß auch etliche stück, welche, die Gewissen beschweren, erzählet werden, das ist sehr tröstlich.« (Schleswig-Holsteinische Kirchenordnung.)

14. Wenn ein Dieb gestohlen Guth an den vorigen besitzer nicht wiederbrächte oder bezahlete, dem hülffe keine absolution oder Nachtmahl, wenn schon Tausend Christi vor ihm gelitten und gestorben.

»Aus dem sofort vidimirten Text der Predigt: Andern Theils muß reu und Leyd über die Sünd recht hertzlich sein, wie wir singen: Mein sünd sind schwer und übergroß und reuen mich von hertzen, so daß wir uns für Sünden wie für einer schlang entsetzen und derselben wie dem bösen Feinde von Hertzen feind werden. Geschieht dies, so wird man sich wol beßer hüten, daß man nicht leicht wieder in die vorigen Sünden verfalle. Ist es nun mit diesem Punkt richtig, daß alle Sünden von hertzen leid, so wird es mit dem andern Punkt des Glaubens, der sich tröstet der Gnad und Barmhertzigkeit Gottes und des Verdienstes Jesu Christi zwar bald zur richtigkeit kommen. Denn diese stück sind eben die algemeinen mittel der Seeligkeit, die von Gott herstammen. Aber der Glaube kan dieselbe nicht ungezweifelt ergreifen, so lange reu und leid über die Sünde nicht hertzlich und rechtschaffen ist. Zum Exempel: Es hat einer dem andern Schaden gethan, hat's auch wieder zu ersetzen, wil aber das entwendete nicht gern wieder abstehen; oder wil auch nicht von dem Gelde hergeben, den schaden zu büßen: wie kan ein solcher Gnad von Gott hoffen, der nicht gegen seinen Nechsten der billigkeit sich bezeigen wil? Sonst was anlanget die Gnade und Barmhertzigkeit Gottes, ist selbige eine Gnade aus liebe.«

»Wer siehet nun nicht, wie das von 1000 Christen und deren leyden und sterben bößlich hinzugeflickt? Aber ein jedes christlich gemüth kan leicht erachten, wie Beschuldiger ein böß gewißen habe, entweder daß es mit haab und Güthern nicht so bewand, wie billig solte, oder er sonst der unschuldigen nechsten redlichen Namen vielmahl weit und breit verkleinet und an solchem allen wohl sein gewißen einzuschläfern meinet, daß es nicht unrecht gethan: ja was noch mehr einer gantzen christlichen Gemeine die meinung beybringen darf, daß der Pastor hieran unrecht gelehret, sie wol einem andern das seinige entwenden, die Gebühr seines Soldes ihm entziehen, heimlich belügen und verlästern dürften. Denn diß alles sey durch Beicht und Nachtmahl schon wieder so gut gemacht, daß es keiner Wiedererstattung des entwendeten, so die möglich, oder des ehrlichen Nahmens ferner bedürfte. Es ist schrecklich, daß eine ganze christliche Gemeine auf anregung eines so gottlosen Mannes diß gegen die Herrn Visitatoren durch ihre Deputirten in einer schriftlichen Klage von sich und ihrem Gewißen dermaßen ungescheut zur Beschuldigung ihres Seelsorgers ausgeben darf.«

 

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Der Beschuldigte zeigt nun, wie schon der Heide Cicero, ferner die alte christliche. Kirche, desgleichen die protestierende evangelische Theologie einhellig seine Auffassung vertreten habe. Auch haben diese Lehre ebenmäßig vornehme Prediger unter Königlicher Majestät ihren anvertrauten Gemeinden treulich vorgetragen.

Unter den verzeichneten 17 Zeugen möge noch einer zu Worte kommen, weil der Pastor auf ihn das Wort »tausendmahl« zurückführt, das allerdings nicht auf den Heiland bezogen werden könne, da es nur einen Heiland und Erlöser gebe. Johann Jacob Otto schreibe im »Tugendsteg und Lasterweg« auf Seite 1069: »Findestu einen solchen beschwerten und beschwerenden Zolgroschen, so laß dir meinen Rath gefallen und mache dich loß von solchen Sünden durch gerechtigkeit und ledige dich von deiner Missethat durch Wohlthat an die Armen. Wer wissentliche ein ungerechtes Guth in Händen hat und giebt's nicht wieder, wo es hingehöret, der hat keine Vergebung seiner Sünden zu hoffen, und wenn er Tausendmahl zur beicht gegangen wäre. Ist ein hartes Worth, aber doch ein wahres Worth.«

15. Alß am ersten Christtag in der Nachmittags Predigt etliche Persohnen, zu Späth kommen, hätte der Pastor in seinem Eifer dermaßen sich erregt, daß er solches eine Sünd wider den Heil. Geist genand.

»Was Ankläger sonst von Augapfel anstoßen, Drohung, von der Cantzel zu gehen, anfänget, sind solche Verfälschungen und Verdrehungen, wie davon im vorigen deutliche exempel zu sehen, daß sie ihm nicht ungewöhnlich.

Nicht an dem ersten Christtage, sondern schon vor dem ersten Advent gingen diese Handel an, uhrsach deßen, daß schon bekand, wie man zu dem erweiterten Gnaden Jahr und zu der Last des Zauns sich nicht bequemen wolte. Und da im ausgehenden Januario sich alles äußern mußte, so suchte man gegen angehenden Januarium dem Pastori allerhand unwesen zu machen, wie aus dem zu merken, daß alle Punkte übel aufgenommener Glaubens Lehr aus denen Christ Predigten und 4. Epiphanias genommen. Hinzu fiel den aufgehetzten Gemüthern die kürtzeste Kürtze der Winter Tage bequem und kamen nach und nach je länger in mehr größeren und großen Partheien, bis zur mitten der Predigt, mit stärkern und stärkern Tumult und Platzen des Hereintretens in die Kirch. Nun hatte man es leicht schon in der Advent Zeit merken können, daß dem Pastori es nicht allerdings annehmlich, da aber sogar des ersten Christ Tags nicht geschonet. Dennoch hat Pastor in der Vormittags Predigt, des spät angehenden Tages wegen, die Verspätungen übersehen. Aber als in der Nachmittags Predigt, da die Gemeine noch im Flecken und späten Tages halber niemand zu entschuldigen war, über all die maßen fast die gantze Predigt hindurch mit größeren und öfters eintretenden Hauffen das Übel ärger und ärger ward, so ist zwar mein concept zu selbiger Predigt, wie darzulegen, im geringsten nicht auf solch unwesen eingerichtet.

Doch ist nun wohl noch eingedenk und nicht in abrede, daß man sich der Worte Stephani (Apostelgeschichte 7,51) gebraucht: Ihr Halsstarrigen und unbeschnittenen an Hertz und Ohren wiederstrebet noch immerforth dem Heil. Geist. Darnach aus etlichen Geschichten, die beigefallen erinnert, wie merklich der

 

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Satan, dem dieß Fest der Geburth unsers Heilandes höchst zuwider, allerhand unheil in christlichen Kirchen in solchen Tagen anzurichten gesucht. Stellete vor, wie nicht ein unwißentliches, sondern vermerktes muthwilliges widerstreben der Predigt göttlichen Worts eine schwere Sünde sey, und schloß darauf mit denen Worthen des Gesanges: O wär der nie geboren, der Gottes Wort veracht. -Hieran aber solt man nicht meinen, unrecht gethan zu haben.«

Folgen noch einige Hinweise, wie anderswo derartige oder ähnliche bewußte Störung des Gottesdienstes beurteilt wird. Es liegt kein Anlaß vor, sie hier noch darzustellen.

16. Pastor habe von der heiligen und keuschen Jungfrau Maria gesagt: Joseph sei ihr zum Hüter der Jungfernschaft gegeben.

»Welche Predigt es gewesen, hat Ankläger, wie billig von ihm geschehen sollen, nicht angezeiget. So ihm die vergeßen, kan er auch leicht die Form der Worthe nicht eigent und genau beobachtet haben.

Ich erinnere mich aber, daß am ersten Christtag in dem erweiß, daß Jesus Christus der versprochene Heyland der Welt, unter andern diesen Grund beygebracht, daß er, wie vom Esaia cap. 7 angedeutet, von einer Jungfrau gebohren worden; nachdem ich solchen Grund ausgeführet, finde ich im einem sofort vidimirten concept meiner Predigt in dem beschluß diese Worthe:

Diß war nun auf seiten Gottes und dem Gewißen Mariae so weit richtig. Aber es mußte auch die Jungfrauschaft Mariae bei den Menschen ofenbahr worden; aber sie war verlobet an den Zimmermann Joseph und war diß von dem höchsten Gott also gefüget, daß damahl auch Menschen Zeugniß ihrer Jungfrauschaft haben möchten. Niemand war mehr daran gelegen als dem Joseph, welcher sie hernacher ehelichen solte. Joseph aber hatte sie keineswegs berühret, welches daraus erscheinet, daß, da er vermerket, Maria wäre schwanger, wolte er sie zwar nicht rügen, wie es beym Matth. 1 Lutheri gegeben, oder ruchtbar vor den Leuten machen; doch aber hatte er heimlich bey sich schon den Schluß gemachet, sie zu verlaßen. Indem er nun mit solchen gedanken umging, kam auch der Engel Gabriel und sprach: Joseph, du Sohn Davids, fürchte dich nicht, Mariam, dein Gemahl zu dir zu nehmen; denn das von ihr gebohren ist, das ist vom heiligen Geist. Dieses wird nun daher noch weiter bestätiget, daß unser hochverdienter Heyland in heiliger Schrift nirgend ein Sohn des Joseph, sonder allein ein sohn Mariae genannt wird, und sogar auch in der ersten Weissagung Genesis 3: des Weibes saamen sol der Schlangen den Kopf zertreten. Daß nun Jesus Christus von einer Jungfrau gebohren und also der wahre Messias sey, ist ein Glaubensartikel und ist derselbe hiemit bewießen.«

Hartnack meint dargelegt zu haben, daß der Ankläger auch hier sich als Wortverdreher erweiset; denn der Pastor habe nicht von einem »Hüter«, sondern von einem »Zeugen« der Jungfrauschaft gesprochen. Und hätte er auch dieses Wort gebraucht - so schreibt er weiter - so wäre solches nicht eben zu viel geredet. Bosheit und Unerfahrenheit im Glauben habe den Anschuldiger dazu geführt, die Lehre der Kirchen eines Irrtums zu beschuldigen.

 

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Eine lange Reihe von Kirchenlehrern wird noch angeführt, um nachzuweisen, daß der Zimmermann Joseph als Zeuge und als Hüter der Jungfrauschaft seiner Maria in die Kirchengeschichte eingegangen ist. Es erübrigt sich, diesem Mysterium hier weiter nachzuspüren.

17. Beschuldigung, daß Pastor in Weihnachten den letzten verß des Liedes: Ein Kindelein so löbelich - und das Lied: In dulci Jubilo wegen der Worthe: »Da die Schellen klingen«, so im Himmel alß Regis curia wirklich nicht vorgingen, nicht habe wollen singen laßen.

»Wie insgemein anderswo zumahl vor der Predigt allein der Vers: >Ein Kindelein so lobel.< gesungen wird, so wahr auch dem Küster in Bramstedt vorm Jahr zu halten angedeutet, es zu halten. Und zwar aus uhrsachen, daß viel Zeit der Predigt an den folgenden drei versen abginge, und ferner, weil in dem letzten verß in den gedruckten gesangbüchern bei etlichen in der Gemeine unterschiedliche lectiones (seien), woraus zu besorgen, daß beim singen eine confusion entstehe. Denn etliche hätten die alte Form, so nach den Zeiten Lutheri dazu kommen: »für falscher Lehr und bösen wahn, da wir so lang sind in gestahn, Gott woll uns das vergeben<; andere aber hatten diese worte: »für falscher Lehr und bösen wahn, der unser Seelen schaden kan; Gott woll all sünd vergeben<.«

»Das Lied in dulci jubilo aber ist darum zu singen unterlaßen worden, weil niemand in der Gemeinde das Latein darin verstehet.«

»Pastoren versprechen in einer ihnen an eydes Staat vorgelegten Formel in Kirchen gebräuchen nichts zu ändern. - Es ist aber ein unterschied zu machen zwischen Gebräuchen, die in der Kirchenordnung vorgeschrieben sind, und Gewohnheiten, die hie und da üblich geworden. - In der holsteinischen Kirchenordnung steht allein am ersten Christtag: Ein Kindelein so löbelich ..., aber doch eben nicht, daß alle versicul gesungen werden müssen.

Nach Luthers Zeit ist der letzte Vers in vielen Gesangbüchern geändert worden. Daß sei sicher geschehen, weil man nunmehr nicht geglaubt, noch in »falscher Lehr und bösem Wahn« zu stehen. »Es ist für eine einfalt zu halten, um Vergebung deßen zu bitten, weßen man sich nicht für schuldig hält.« So wie die Gebräuche soll ja nach des Apostels Mahnung auch unser Gottesdienst in seinen Liedern nicht der Vernunft widersprechen. Obwohl die 1665 zu Schleswig durch Joh. Gölwein gedruckte Agende nicht für die Königlichen verbindlich sei, so habe doch das Glückstädtische Gesangbuch daher den Vers entnommen: »Das Öchslein und das Eselein erkannten Gott den Herren sein.«

Der Vernunft wegen habe er ein lateinisches Lied, das etwa von Herrn von Grote (Gutsbesitzer) und im Predigtstuhl verstanden werde, sonst aber von niemand, in der Bramstedter Kirche nicht singen lassen. Andacht setze doch eine Sprache voraus, die man verstehe.

Das Lied sei ins Deutsche übertragen, und der Übersetzer habe recht empfunden, der, statt vom Klingeln der Schellen zu reden, diese Reime setzt: Da die Engel singen mit den Gläubgen all und die Psalmen klingen im hohen Himmels-Saal.

»Wenn denn nun alles deducirter maßen hell und klar erhellet, daß ich auf der

 

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Canzel und sonst in meiner Amtsverrichtung keine ärgernisse und Verirrung in ihrem Christentum durch Lehre und sonsten gegeben, ich also dermaßen unschuldig angegriffen, daß (ich) darüber im ganzen Lande eine unverantwortliche Blame haben muß, da mir doch nicht das geringste irrige erwiesen worden;

Als habe mir auch daher solche unerweißliche gravamina sehr schmerzlich zu gemühte gezogen, und gelangt also an Eure Excellenz mein unterthäniges Bitten und suchen, Sie geruhen denen 4 Deputirten anzubefehlen, daß sie nicht allein nebst erstattung aller so temere causirte Unkosten sothane unerwiesene gravamina wieder zurücknehmen und abfordern, sondern mir auch eine solche öffentliche abbitte und Erklärung thun möchten, daß Sie mir hierunter sehr zu nahe gethan, und ich ihnen auf der Cantzel und sonst in meiner Amtsverrichtung keine ärgerniß und Verirrung in ihrem Christentum durch Lehre und sonst gegeben, sondern sie vielmehr der Concipient, der von ihnen zu nennen sei, in ihrem Memorial zu solchen Dingen (habe) verleiten wollen, dardurch sie an ihrer Seeligkeit würden schaden gelitten haben.

Möchte ihnen alles, was sie mir aus nicht genugsamer Überlegung und aus anderer Verführung beygemessen, von Hertzen vergeben.«

Unterschrift

 

Wiederum vermag uns das Archiv nicht klar zu berichten, wie denn nun durch das Konsistorium diese weit über das Kirchspiel hinaus die Seelen beunruhigende Angelegenheit zur Entscheidung gebracht worden sei. Die durch das hiesige Kirchenbuch verbürgte Tatsache aber, daß Hartnack noch bis 1707 als Pastor seines Amtes gewaltet hat, hier am Orte, gibt den Beweis dafür, daß die aus 1703 stammende Anklageschrift nicht alsbald für ihn zum Verhängnis geworden ist. Aber der ins Rollen gebrachte Stein ist nicht mehr zur Ruhe gebracht worden, wie in folgendem bezeugt werden soll.

 

FRAGEN

 

So der General-Superintendenten Doctor Schwarten wegen dem Pastori in Bramstedt, Ehren Daniel Hartnacken fürzutragen und seine Antwort daraufzugehen sei

 

Unter dem Datum des 5. Februar 1706 hat Josua Schwartz aus Rendsburg dieses nicht gewöhnliche Schriftstück gerichtet an die Pastoren in Kellinghusen und Breitenberg, mit dem Ersuchen, die 12 Fragen dem Pastorn Hartnack in Bramstedt fürzutragen und seine Antwort des Superintendenten wegen zu begehren.

Schon am 9. Februar sind die beiden in der Lage, die Frage-Akte mit folgendem Vermerk zurückzugeben.

»Daß die in Margine befindliche Schrift des Herrn Hartnacks schrifftliche Antwort auf die Ihnen von dem Herrn General-Superintendenten fürgelegte Fragen sei, wird von unß untergeschriebenen Eigenhändig attestiret.«

(gez.) Friedrich Ratekens.   Detlef Reimers.

 

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Wenn nicht alle Anzeichen trügen, stammt von den soeben angeführten Pastoren auch folgender, der Frage-Akte angefügte

 

Extract aus Herrn Pastor Str. Schreiben de dato 11. January 1704.

 

»Wir haben damahls in dem Gerichte hieselbst oder bey der Commission seine eigene handt, die von dem Hrn. Stenger dem Herrn Mag. Rötscher, als seinem Landsmann, communiciret worden, produciret (vorgezeigt), welche Er zwar anfangs läugnen wollen, aber nicht können. Er hatte in einem Brieffe geschrieben an den Churfürstl. Hoff-Prediger zu Berlin, daß Er sich hertzlich freue, daß Er nun einmahl das Nachtmahl auff der rechten ahrt und Weiße genießen könte. Er war auch dabey, den Anfang einer Dissertation, darin Er sich bemühete, das Musaei argumenta wider der Reformierten Praedestination umbzustoßen, mit seiner eigenen handt geschrieben.«

(Ohne Unterschrift).

 

Nun zu den Fragen und ihrer Beantwortung

 

1. Ob wahr sei, was nach vorstehendem Extract ihm zur Last gelegt werde?

Antwort: Es hat zwar mein alter Bekanter Verleumder solche Lästerung vielfältig verbreiten wollen. Da ich aber über 30 Jahre in rechtlichen Lutherischen Ohrten im Amte gelebt und orthodoxe Schriften in Druck gegeben, hat man mit solchen Verleumdungen mich nicht weiter gesetzt (?) und ich nicht weiter zu beantworten gewürdiget, geschweige daß in Zeit von wenig stunden auf alles mich wieder zu antworten entsinnen könte. Meine Historia Ecclesiastica, so Kgl. Maj. Allerunterthänigst übergeben, zeiget auf vielen Blättern ein anderes und weit gründlicheres.

2. Ob er an unßeren Weihnachts- und andern Liedern, in unsrer Liturgie und Kirchenbuch enthalten, öffentlich etwas getadelt habe und annoch dafür halte, daß etwas unrichtiges darin enthalten sei?

Antwort: Welches Jahres Weihnachtsfest gemeint, wird nicht gemeldet, daß ich die Concepte nachsehen oder suchen könte. Daßelbe aber weiß ich mich zu entsinnen, daß ich die lateinischen Lieder und andere des Dreßdener münchs sehr wenig, dagegen aber gute Lutherische der Christlichen Gemeine altersher stets bräuchlich in teutscher Sprache zur erbauung dienende singen laßen. Die Worte im Liede: Ein Kindelein so löbelich: »für falscher Lehr und bösen Wahn« sind dahin erkläret, daß wir in solchen itzt, Gottlob, nicht mehr stünden, sondern bethen, daß wir darin ja nicht verfallen möchten.

3.  Ob nicht wahr sei, daß er ohne General-Superintendenten Censur besondere Catechismus-Fragen in die Schuel und Kirche zu Bramstedt eingeführt habe? Sintemahl dieselben, so Er eingeführet haben solle, an einem und andern Punct nicht approbirt werden können.

 

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Antwort: Deßen weiß ich mich nicht zu entsinnen; allen Schulmeisters unser Kirchen sind die teutschen Fragen meiner Vorgänger bekant, die sie in information und ich im jährlichen examina treibe; das Büchlein ist im Druck und jederman bekandt.

4. Ob nicht wahr, daß Er, wie berichtet, die Monaths-Predigten zu keiner gewißen Zeit halte; ferner da es Bueß-Predigt sein solle, keine Buß-, sondern andere Texte erkläre, als zum Exempel unlängst das Evangelium von der Schiffart Christi; auch nicht die Litaney, wie es sich gebühret singen laße: kein Buß- noch das ordentliche Kirchen Gebet nach der Predigt an solchem Tage verrichte?

Antwort: Monahts-Predigten werden, wenn Mittwochen und selbige Tage ein fallende Monahts-Anfange einfallen, ordentlich gehalten, und derselbe der letzt die Evangelische Tractation und in derselben die Schiffarth Christi, so dieses Jahr in den Calendern übergangen, ich aber zu der Lehre von Vergebung der Sünden, zumahl in Worten: Herr, hilf uns, wir verderben! behandelt, hat nicht völlig, noch wohl berichtet; daß aber die Litaney und ordentlich Gebeth dabey nie vergeßen, noch versäumt, wird dem Küster und auch der gantzen Gemeine bekant seyn.

5.   Ob nicht wahr, daß Er in solcher Predigt von der Schiffart Christi, da ein Schulknabe auf der Orgel an eine Bank gestoßen, gesaget: »Was gil's, es wird ein Bösewicht auf der Orgel sein, der für seine Mißethat nicht genug gebüßet hat. Ich wolte ihn baldt nennen.« - Da der Herr Commissarius (Kirchspielvogt) aus bewegenden Uhrsachen vom Ober Consistorium freyheit erhalten, einen andern Beicht Vater als Ihn zu erwehlen; Er in solcher Predigt gesaget: Wie übel solche daran wären, die aus dem Schifflein Christi treten, sich von der Christi. Gemeine absondern und in ein benachbartes Kirchspiel laufen und daselbst das Heil. Abendmahl empfangen.

Antwort: Wer dieses und voriges vielleicht dermaßen ungleich angebracht, wird der Herr General-Superintendent am besten wissen; solche Läuscher und falsche angebers kan ich von der Cantzel nicht absehen, bleibet aber in gleicher Beantwortung mit dem vorigen, und konte dabey wohl suchen zu vernehmen, ob ihm in allem, geschweige zu solchem jetzigen procedere (Vorgehen) auf verschiedene Punkte in wenig stunden außführlich und so deutlich, alß man es itzo begehret, zu antworten.

7.    Ob nicht wahr, daß er am vergangenen Mariae-Reinigungs Tage auch also anzüglich geprediget: Wen die Obrigkeit zur Kirche käme, käme sie nur zum Schand-Deckel und gebe der Gemeine nur ärgerniß und anlaß, daß sie gegen den Priester falsch Zeugniß führen müßen, und gehe anderwärts zum Heil. Abend mahl: Ist das nicht Schande? Item, daß die Obrigkeit sich von seiner Gemeine abgesondert und zu Kellinghusen anitzo consistire und dadurch der Gemeine ein ungemein ärgerniß gebe. Item, was sind daß für Priester, die solches thun?

8.    Antwort: Probetur, Erscheinet abermahl daß ungleiche concipienten, die dem Pastori abgeneigtes Gemüth führen, hierzu gebraucht werden, die nicht die Sachen, so vorgetragen werden, etwa verstehen und daher so ungleich berichten,

 

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ümb nur dem Pastori Verdrießlichkeiten zu verursachen. Sonst die Sache betreffend, dienet hirvon der alte Krakewitz, General-Sup. in Pommern, Tractat vom Beichtstuhl pag. 220, 232, 236 etc. und folgends auch im Anhange desselben Büchleins das judicium der Rostocker Theologen zu lesen.

7.  Ob nicht wahr, daß er mit Mons. Johann Hornemann, Königl. Schreiber auf dem Adel. Hofe Bramstedt einmahl im Beichtstuhl von einer Wiesen gehandelt und begehret, daß Er Ihm dieselbe zuschreibe, ob Er gleich gewußt, daß dieser weder Macht noch Recht dazu hätte?

Antwort: Daß einer nahmens Hornemann nächter Zeit zur Beichte gewesen, oder ich ihm etwas von einer Wiesen, bei der absolution zumahl, vorgeschlagen hätte, kan mich gar nicht besinnen, wol aber, daß Er auf anstiften viel Dinges bisher sich habe unterfangen, darüber bey Königl. Regierung, weil er Königl. Verordnung zuwider, Klage geführet werden mäßen. Mir ist kein Wort von Wiesen bekandt, weis auch nicht, was Er in seiner Administration habe, wohl aber kein so genandter Administrator mit bestande Rechtens nichts zu geben noch zu veräußern Macht haben kann, uns ist offenbahr, daß ich nie etwas wider recht dem Pastorat zuzuwenden jemahls begehrt habe und genug an dem habe, was entzogen worden, wieder herbey zu bringen.

8.  Ob nicht wahr, daß Er diesen Joh. Hornemann, nachdem Er denselben etliche mahl im Beichtstuhl absolviret gehabt, und da ein Mann, der sein Kind am Neu Jahrs Tage tauffen laßen wolte, Ihn alß Gevattern vorher bei Ihm angegeben gehabt, demselben, indem Er das Kind zur Tauffe gehalten, und Ihn unter dem Vorwand, daß keiner zum Gevatterstand gelaßen werden müßte, der seinen Catechismum nicht verstünde, Ihn da öffentlich zu Examiniren angefangen, und alß Er bestürtzet, nur etwas weniges geantwortet, zu seiner großen Beschimpfung, tumult und ärgerniß der Gemeine, von der Tauffe abgewiesen, daß Er das Kindt von sich abgeben müßen?

Antwort: Daß Kind, so getaufft worden, ist eines Lumpen Händlers aus Hitzhusen gewesen. Weder derselbe noch jemand im Flecken könne sagen, daß wider Königl. Verordnung eigenmächtig vors Altar 5 Gevattern, bei mir ihren Platz nahmen und Persohn nach jemahl, wie gewöhnlich, bekannt, ins Kirchen-Buch zu schreiben, vorher angebracht worden, wird kein aufrichtiges Gemüht angeben können, und, weil er sonst ein vagirender Schuh-Knecht, wann er gleich sonst zu Beichte gewesen zu sein, vorgeben wollte, so ist bekant, das Tauff und Abendmahl weit unterschieden, die Wissenschafft eines der zur Beicht, und als Zeuge zur Tauffe tritt, mehrere Stücke erfordert; jener bekennet seine Sünde und Glauben zum Verdienst Christi, dieser aber verspricht, was er künftig tun wolle etc. Daher wan ein Taufzeuge sogar nicht auf die erste Frage zu sagen weis, was das Waßer Tauffen bedeutet, zumahl wan er vorher nicht angegeben worden, Pastor nicht übel gethan, daß er den selbst abtretenden gehen laßen. Über diesem ist dieser Hornemann ein im Kirchspiel so bekandter Mensch, der zum Gevatternstande auch sonst nicht zuzulassen, als der unlängst ein armes Mensch geschwängert, noch nicht Kirchen Buße gethan, mit den Bauren sich vielfaltig

 

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herumb schlaget und sich an der geistlichkeit mit tätlichkeit zu vergreifen nicht schämbt.

9.   Ob nicht wahr, daß er denselben Johann Hormann (Hornemann) negsten Sontag darauff auf der Cantzel also hönisch und schimpflich durchgezogen, daß Er gesaget: Eine hohe Persohn, so Gevatter stehn sollte, hätte sich bei ihm vorher nicht angegeben, noch den Catechismum verstanden; derentwegen solche hohe Persohn abgewiesen worden, und den Schimpf haben mußte?

Antwort: Das Laster hat müßen berühret werden, daß aber dabey eine Persohn mit nahmen genannt oder durchgezogen worden, muß erwiesen werden.

10.  Ob nicht wahr, daß Er eine Wittib nahmens Ahlheit Hassens, so Herberge hält, aus Verdacht in ziemlicher Conversation mit Einem, der bey Ihr eine Stube gemietet, ehe und bevor Er Ihr deßwegen vorher zugesprochen, im angesicht Vieler anderen aus dem Beichtstuhl weg gewießen und vom Heil. Abendmahl abhalte?

Antwort: Daß die Wittibe Hassen und Horn unter dem bekandten Vorwandt vorhabender Ehe in einem Hause unter einem Dach beysammen gewohnet, hierob auch viel ärgernis bei der gemeine entstanden, ist unläugbar. Habe auch dem Herrn Praeposito im Schreiben noch vor dem Consistorio part gegeben, was dabey zu thun, aber keine antwort erhalten, auch im Consistorio daran erinnert, aber keine Entscheidung erhalten. Da ich die Hassensche im Beichtstuhl ferner befragen wollen, ob sie dieselbe Persohn, ist sie mit dem ersten Wort davon und fort aus dem Beichtstuhl getreten. Nechster Tage aber, da sie mit schwerer Krankheit befallen, selbst das heil. Abendmahl begehret, ich alsofort fertig gewesen und ihr nach bezeugter Buße also gleich daßelbe gereichet mit dem bedinge, daß, wenn das löbliche Consistorium weiteres von ihr erfordern möchte, sie sich darin finden wolte.

11. Ob nicht wahr, daß Er von des Magnifici Rectoris in Kiel und meinem Attest, das sie einem Neubekehrten gegeben, schimpflich gesprochen und seine Fraw den Conversen, da er die Schimpfworte übel aufgenommen, mit einer Fleischgabel blutig geschlagen, Er, Pastor, ihn auch mit einem bloßen Degen bis auf den Kirchhof verfolget habe?

Antwort: Allen Bettlern kann man hier aus dem Kirchen Kasten nicht helfen. Daher die aus Kiel oder sonst Fürstlichem kommen und mit Königl. Vorschrift nicht instruiret sind, nicht respectiret werden. Diese zumahl haben vor dieser ganzen Gemeine sich übel, auch vor andern Predigern in unserm Consistorio verhalten und sind endlich wieder ins Pabstthum gangen. Daher was Ew. Magnificenz wider mich anhero auf sollicitation (Ersuchen) des Kirchspiel-Vogtes geschrieben und etwa noch in Händen sein wird, vom Hochpreißlichen Consistorio verworffen und in Consideration (Betracht) nicht komme. Daß ich aber auf dero attestatum geschimpfet, ist erlogen, wie auch, daß ich denen selben mit einem bloßen Degen nachgelauffen. Kurtz, ich habe jederzeit respect vor dero attestata gehabt und noch heute; diese aber haben mir von dero attestatum nichts gemeldet.

 

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12. Ob Er mit Wahrheit sagen könne, wie Er und die Seinigen dem Bericht nach gesaget haben sollen, ein Pasquillant (Schreiber einer Schmähschrift) auch schreibet, daß Er mir in meiner außgegebenen Schlifft wider Dr. Mühlum geholffen oder Ich solches von ihm begehret habe, ohne daß Er mir einige von Dr. Mühlum angeführte loca (Stellen), weil ich die Bücher nicht hatte, nachschlagen und Notas über des Kratonis Schrifft machen möchte, und ob er solches gethan?

Antwort: Daß ich weder Kratonem noch andere so genannte Pasquillanten so wenig kenne, alß die meinige davon zu reden gewußt, kan ich offenbahr bezeugen, und weil ich sehe, daß durch mich auch die Meinigen verunglimpfet werden solten, so möchte gern näher Bericht haben, wer aus meinem Munde sagen wollte, daß ich mich des Herrn Doctoris Joh. Schwartze Magnif. jemahl gerühmet, noch ihm geholfen haben sollte. Habe schon ruhm genug aus dem beystande des Seel. Catory wider Mühlum aus verschiedenen Schriften, die im Druck vorhanden und mit solcher Modestie (Bescheidenheit) geführet werden, daß ich unter der Zahl keiner pasquillen je gebracht, sondern von andern scribenten noch allemahl gerühmet worden. Summa, was ich in diesen Controversien gethan, was ich in Schlesewig dabey erlitten, davon auch wohl selbst Ew. Magnificenz Schreiben vorhanden, wan sie ausgesuchet werden solten und solche inquisition (Untersuchung) bedürfften, Daß ich mir daher aber keinen Ruhm bey gemeßen, wird jederman bey der Sache selbst erkennen. Wann ich womit mir Ruhm beymeßen wolte, könte es mit den Schriften pro Catorio contra Mühlum und Zeugnis deßen handt und Werke, so dafür mir offeriret worden, deutlicher geschehn. Die gradlinige Darlegung des Fortganges, den dieses Streitverfahren genommen hat, ist nicht angängig wegen Mangels der dafür nötigen Unterlagen. Nur ein einziges Blatt aus unserer Sammlung »Allerhand Schriften« gewährt uns noch einen Einblick in die Lage des gequälten Seelenhirten. Auch dieses Blatt kann als vollwertiges Dokument nicht gelten: es fehlen die Unterschriften und deren Vidimirung; doch sprechen viele Umstände dafür, daß es in der Kirchspielvogtei seinen Urheber hatte und bestimmt war für zwei Kirchgeschworne, die bei der Verteilung milder Gaben mit dem Pastoren zu entscheiden hatten. Sachlich ist unser Bericht ein Anhängsel der unter Frage Nr. 11 verhandelten Angelegenheit.

Wir vernehmen:

»Wir Endesunterschriebene bezeugen hiermit, daß, als wir auf Befehl des Herrn General-Superintendenten mit dem Studioso Monsier Brunnemann nach unserm Herrn Pastori Hartnack in gewißer Verrichtung abgesandt worden, nachdem derselbe sein Gewerbe an die Frau Pastorin und deren Herren Söhne, weil Er, der Herr Pastor selbst, nicht gegenwärtig gewesen, angebracht, unter anderm dieses in Antwort erhalten: Der Herr Pastor Ratjens von Kellinghusen wäre der größeste Urheber von aller Verdrießlichkeit, so anjetzo wider ihren Ehe-Mann und Vater geführt wärde, und hatte Ihn schon umb seine gantze Memorie (Gedächtnis) gebracht, sodaß er sein Ambt fernerhin zu verrichten incabel (incapabel) wäre.

Actum ... Juni 1706 zu Bramstede.«

 

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Die Memorabilia des Pastoren Dethlevus Chemnitius aus Dem Jahre 1752 melden kühl und kahl, daß besagter Daniel Hartnaccius Anno 1707 aus dem Amte geschieden ist. So sei denn auch unsere Forschung nach Ausgang und Wirkung des unfruchtbaren Streites, der ihm den Lebensabend umdüstert hat, hiermit verabschiedet.

 

Aus: Memorabilia des Pastoren Dethlevus Chemnitius

 

Anno 1752 hat Dethlevus Chemnitius, derzeitiger Pastor zu Bramstede, offenbar aus freiem Entschluß damit begonnen, über ihm wichtig erscheinende Vorgänge innerhalb seines Wirkungskreises und darüber hinaus schriftlich Nachricht zu geben für die Nachwelt. Memorabilia nennt er die auf solchem Wege entstandene Chronik, deren Wert gesteigert wird durch die Tatsache, daß ihr Urheber etliche Berichte aus älteren Tagen beigefügt hat. Die letzten Eintragungen von seiner Hand tragen das Datum 1773. Sein Büchlein, ein bescheidenes Quartheft:, ist erhalten geblieben und zeugt überzeugend davon, daß die Amtsnachfolger in gleichem Sinne zu wirken nicht geneigt gewesen sind.

Wohl aber ist die noch unbeschriebene Hälfte des Heftes nunmehr in streng amtlichem Dienst verwertet worden, indem man es für die Registrierung der vorhandenen Kirchenbücher und für die laufend eingehenden mancherlei Schriften, die den Seelsorger amtlich angehen, in Anspruch nahm. Anno 1789 ist der letzte Federstrich gezogen worden. So ergibt unser Amtsregister einen Nießbrauch von ¼ Jahrhundert, gerechnet vom Abgang des Herrn Chemnitius. Groß ist die Zahl der Eingänge: Gesetze, Verordnungen, Reskripte, Befehle, Zirkulare, Erklärungen, Memoriale usw., die sich auf recht verschiedene Gebiete des irdischen Handelns und Wandeins beziehen, recht oft Dinge betreffen, mit denen heute der Geistliche nichts zu tun hat, gleiten an unserm geistigen Auge vorüber. Doch wir haben ja nur das Register über die genannten Dinge, die Sachen selbst sind zum größten Teile nicht vorhanden. Manche Bekundung, wie das Verzeichnis sie gibt, regt noch heute zu fruchtbarem Betrachten an, erweitert unser Wissen über die eigenen Vorfahren und deren Geschick. So soll eine Auswahl getroffen werden, von der erwartet werden darf, daß auch der nachdenkliche Leser sie für beachtlich halten wird.

1753    Die Kollekte zum Armenkinder-Hause ist auf Neujahr ständig zu halten.

Personen, so anticipatum concubitum gestehen, sind beim Aufgebot von der Kanzel nicht als Junggeselle und Jungfrau zu bezeichnen; wohl aber ist ihr (bei der Trauung) der Brautschmuck zu geben.

1757   Vor der Copulation eines Lutherischen mit einer Katholischen ist Dispensation einzuholen; die Kinder sind lutherisch zu erziehen. Das Geläute abends ist als eine Solemnität anzusehen.

1759   In secundo genere affinitatis ist keine Dispensation zu suchen, es komme denn respectus parentelae in Betracht d. h. der Onkel kann die Nichte, der Neffe die Tante heiraten, ohne Genehmigung einzuholen, es werde

 

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denn das Achtungsverhältnis, in dem die jüngere Person zur älteren steht, als ein Hindernis erachtet. Entscheidung liegt dem Konsistorium ob.

1762    Verlobten ist nicht gestattet, vor der Copulation beisammen zu wohnen.

            Die Verordnung über Lediggänger und Deserteurs ist jährlich von der Kanzel zu verlesen.

            In 12 Wochen nach Entbindung ist die Kirchenbuße abzuleisten.

            Die Verordnung über heimlich gebärende Weibspersonen ist am 3. Sonntag nach Trinitatis abzulesen.

            Gnadenjahrsfuhren sind den Predigern, die nicht eigene Pferde haben, von  der Gemeinde zu leisten. (Das Jahr nach dem Ableben eines Pastors nannte man das Gnadenjahr; während desselben stand das Gehalt des Verstorbenen zum Teil oder auch ganz der hinterbliebenen Witwe und den Verwaisten zu.)

1763    Die Kirche hat bei der Herstellung der Listen zur (neu eingeführten) Kopfsteuer mitzuwirken.

1764    Die Schulen haben auf Michaelis zu beginnen.

            Die Erlaubnis, den Beichtvater zu ändern, ist bei dem Visitatorium zu suchen. (Weit über 200 Jahre nach Einführung der lutherischen Lehre.)

1764   Todesfälle von Unteroffizieren und Gemeinen, die auf Pension sitzen, sind dem Kriegsdirektor zu melden.

1766    Todesfälle der in Entbindung sterbenden Frauen sind dem Amtmann zu melden.

            Die Küster sollen das Taufwasser einschenken.

            Schreiben wegen Leichenpredigt für König Friedrich und Veränderung im Kirchengebet.

            Formular wegen Huldigungseid für den neuen König. (Der König war der höchste Beamte der Kirche.)

            Auf Anordnung Bettag für den verstorbenen und Danksagung nach Vermählung des nachfolgenden Königs.

1767    Ein Verzeichnis über ermittelte heimliche Kopulationen ist nach Vorschrift zu führen und zu verlesen.

            In allen Fällen von gradibus probitis (Ehehindernissen) soll der Geistliche vor Empfang eines Dispensationsscheins nicht kopulieren.

            Probst Ahlmann erinnert an den abzustattenden Bericht über dürftige Schulmeister.

1768    Die Zollverordnung bestimmt, daß Geistliche von Zoll und Licenten befreit sind.

            Die Geistlichen werden aufgefordert, in Ansehung der Landausschußleute (Wehrpflichtigen) bei Ausfertigung von Beicht- und Taufscheinen sowie andern Attesten sich aufs genaueste nach der Verordnung (über Wehrpflicht) von 1739 zu richten;

            im besonderen ein Verzeichnis der konfirmierten Knaben einzureichen an den Amtmann. Die Prediger haben Bericht zu geben über die Einkünfte der Schulmeister.

 

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1769    Königliche allerhöchste Oberkonsistorial-Verordnung verlangt, daß die Geistlichen sich aller Kontroversien und Anzüglichkeiten wider die Herrenhuter enthalten sollen.

Während des öffentlichen Gottesdienstes sollen Leichen nicht in die Kirche gestellt werden.

Der Prediger ist verpflichtet, dem von der Obrigkeit zur Aufstellung des Kopfregisters bestellten Manne behilflich zu sein.

Desgleichen den Eingepfarrten eine gute Gesinnung vom Hebammenwesen einzuflößen.

1770       Amtmann fordert auf zur Beobachtung des Königlichen Erlasses, betreffend die Verbrechen wider das 6. Gebot.

1771       Juraten sollen dem Kirchenboten nichts aushändigen, es sei denn, daß er einen Schein vom Prediger vorzeigt.

Der Prediger wird aufgefordert, aus den Dörfern Leute zu Schulvorstehern vorzuschlagen.

Das Visitatorium berichtet, daß die bei Ehescheidungen dem schuldigen Teile auferlegte Strafe des Zölibats (Verbot der Wiederverheiratung) aufgehoben sei und von keinem Gericht mehr auferlegt werden solle. Probst Hasse übermittelt ein Schreiben des Medizinal-Kollegiums, worin den Predigern Maßnahmen zur Bekämpfung einer derzeit grassierenden Krankheit - Name leider unleserlich - bekannt gegeben und sie zur Hilfeleistung aufgerufen werden.

1772    Sammlung des Schulgeldes in adligen Gütern betreffende Anfrage des Visitatoriums.

Das lateinische Singen beim Gottesdienst ist laut Befehl des Königs abzuschaffen. (Und das 2 ¼ Jahrhunderte seit Luthers Abscheiden!)

Der Maria-Magdalenen-Tag ist fernerhin nicht zu feiern (siehe unter »Maria-Magdalena«).

Die Prediger sollen der Vormünderordnung nachleben und den Todesfall eines Vaters melden.

Die Prediger sollen sich nicht einmischen in persönliche Angelegenheiten der Schulmeister, möge es sich um Streitigkeiten oder um Stellenbewerbung handeln. - So der Probst, der sich damit diese Dinge vorbehält.

1773    Königliches Reskript: »...  daß Eine Persohn, die von einem andern geschwängert, vor der Entbindung mit ihrem breutigam copulirt werden solle.«

Die Juraten haben einen Bau, der über 100 Taler kosten wird, mindestens drei Monate vorher beim Visitatorium zu melden.

1774    Für Atteste zum Behuf der Vormundschaften, sollen die Prediger keine Gebühr erheben, wenn sich der Pupille Vermögen nicht über 200 Mark beläuft.

Den Geistlichen wird ein Regulativ über die Titulatur des Königlichen Hauses überreicht. - (Es handelt sich um ein veritables Labyrinth.)

 

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1775    Deklaration, betreffend poenam coelibatus, insonderheit die Zeit der Wiederverheiratung sowohl des unschuldigen als des schuldigen Teils.

1777    Die Regierung zu Glückstadt übermittelt durch Probst Hasse die Forderung, »daß über die Singestunden in der Schule ein sorgfältiges Aufsehn gehalten werden soll.«

Die Regierung zu Glückstadt übermittelt durch die General-Superindentur, »daß blos die Ritterschaft selbst, keineswegs aber ihre Bedienten und Pächter sich ohne speciale Concession im Hause copulieren lassen dürfen.«

1777    Dieselben an denselben: »wegen Haus-Copulation der Räthe und Professoren zu Kiel (Universitätsstadt seit 1665), ... auch daß die Conzession zur Copulation vorher produzirt werden müsse und keine Caution stattfinde.«

            Es schließt sich noch zu rechter Zeit ein Schreiben an, wodurch untersagt wird, daß die »Verfügung in Hinsicht der Hauscopulation der Schleswig-Holsteinischen Ritterschaft von der Canzel publizirt werde.« - (Eine nachdenkliche Sache!)

Die deutsche Königliche Kanzlei zu Kopenhagen verfügt, »daß, wo nachmittags Gottesdienst ist, die Gewehre von den Landausschußleuten nicht eher in die Kirche weggesetzt werden sollen, bis der Gottesdienst aus ist.« -So hat wohl in diesem Falle der Kirchenraum die fehlende Kaserne vertreten müssen.

Im Namen des Visitatoriums mahnt der Probst, darüber zu wachen, daß die Anordnung wegen des Schulgeldsammelns genau beachtet werde. Abweichungen von der Sabbaths-Verordnung sind anzuzeigen. Die Prediger haben jeden Fall, da ein unehelich oder ex concubituantic gezeugtes Kind getauft werde, nicht nur dem zuständigen Oberbeamten, sondern auch dem Hebungsbedienten am Ende des Jahres durch Attest anzuzeigen.

1778    Schreiben der Glückstädter Regierung, welche Kenntnisse ein universitätsfähiger Schüler haben solle. (Dabei ist wohl besonders an Kandidaten der Theologie gedacht, deren Vorbereitung zum Universitätsstudium auch auf dem Wege des privaten Unterrichts zulässig war.)

Regierung zu Glückstadt: »inwiefern es den Klöstern und den Gutsbesitzern erlaubt sei, mit Zustimmung des Ortsgeistlichen Neben-Schulmeister anzunehmen oder abzusetzen. (Also war in diesem Falle der Propst grundsätzlich ausgeschaltet.)

1779    selben: »daß die in Criminalacte zu Traventhal wider den Pastor Ganss zu Warder vorgebrachten boshaften Aussagen für nichtswürdige und lügenhafte Beschuldigungen erklärt werden.«

1780    Visitatorium fordert Bericht: »An wieviele Arme und Unvermögende in jeder Gemeine das (neue) Gesangbuch halb oder ganz unentgeltlich auszuteilen sein möchte? ob auch die Kosten des Transports und Einbundes am füglichsten von den Kirchenmitteln oder der Armenkasse jedes Ortes abgehalten werden könne?«

 

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1781     Schreiben der Regierung zu Glückstadt: »daß die Deprekanten-Register wieder geführt werden sollen.«

1781     einem Schreiben des Amtmannes zu Segeberg: »daß die Prediger weiter keinen Schein wegen Anpflanzung junger Bäume vor der Copulation zu fordern haben.«

1782     Die Regierung zu Glückstadt teilt mit: »daß die Adligen ihre Kinder nicht im Hause, sondern in der Kirche konfirmieren lassen, aber doch dabei an
keine Tage des öffentlichen Gottesdienstes gebunden sein sollten.«

Das Visitatorium beauftragt die Prediger der Segeberger Diöcese: »ihre Gemeinen zu vernehmen, ob sie zur Unterhaltung eines 3ten Lehrers adj. Ministerii zu Segeberg was beitragen wollen.« - Es handelt sich um einen Hilfsgeistlichen.

1783     Die Regierung zu Glückstadt wünscht: »Bessere Verwaltung der Armengelder an den Orten, wo nicht bereits darüber eine spezielle Rechnung geführt wird.«

Das Visitatorium verkündet: »daß die Verfügung wegen Entdeckung unehelicher Schwangerschaft nächstens und künftig alle 3 Jahre zu publiciren ist.«

Schreiben des General-Superintendenten betreffend: Sittenbuch für Bürger und Landmann. - (Leider nicht aufgefunden.)

1784     Einführung des neuen Katechismus in Kirche und Schule.

1787     Vom General-Superintendenten wird verfügt: »daß jährlich am 2. Pfingsttage eine Kollekte für arme Soldatenkinder der Rendsburgischen und der Glückstädtischen Garnison stattfinden soll.«

1788         Schreiben vom Visitatorium: »daß Prediger für Publikation der bei der Zollstätte konfiscierten und zu verauktionierende Ware keine Gebühren fordern sollen.«

1789        erhöchstes Reskript: »daß an Orten, wo gestempeltes Papier eingeführt ist, die Prediger auch den Untergehörigen adeliger Güter auf solchem Papier Atteste auszufertigen haben.«

 

 

PASTORENCHRONIK (PASTOR GERBER UND NACHFOLGER)

 

1. Eintragungen von Pastor Gerber

 

1848: Nachdem sich am 18. März aus eigenem Antriebe die Deputierten der Schleswig-Holsteinischen Stände zu Rendsburg versammelt hatten, um zu beraten, was unter den gegenwärtigen Umständen für das Vaterland zu tun sei, und nachdem daselbst die Absendung einer Deputation nach Kopenhagen beschlossen war, ward am 20. März nachmittags, zur Feier dieser Begebenheit von einer großen Menge Fleckens- und Kirchspielseingesessenen ein solenner Umzug durch den ganzen Flecken gehalten. An der Spitze des Zuges ward eine schwarz-rotgoldene Fahne getragen. - In diesen Tagen war denn auch die gedachte Deputa-

 

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tion mit verschiedenen, das Landesrecht betreffenden Anträgen nach Kopenhagen abgezogen. Als man erfuhr, daß sie abgewiesen und die Inkorporation der Herzogtümer beschlossen war, konstituierte sich am 24. März zu Kiel die provisorische Regierung der Herzogtümer und erließ eine Proklamation an die Schleswig-Holsteiner. Am gleichen Tage zog abermals eine große Zahl hiesiger und auswärtiger Personen mit der deutschen Fahne und mit Musik, aber in größter Ordnung durch den Flecken. Auf dem Sockel des Rolands wurde die Proklamation verlesen und von einem hiesigen Patrioten eine Ansprache gehalten. Mit großer Entschiedenheit erklärte sich die ganze Bramstedter Gemeinde für die neue Ordnung der Dinge und die Erhebung gegen den Feind des Landes. -Am 25. März zog eine kleine Schar Freiwilliger nach Rendsburg, sich zum Kriegsdienste anzubieten, »unter ihnen auch mein ältester Sohn Hermann Wilhelm Maximilian Rudolf Theodor, welcher in das aus Kieler Studenten und Turnern sich bildende Korps, dem auch schleswig-holsteinische Jäger beigefügt waren, eintrat.« Da gleich am 24. März die Festung Rendsburg besetzt war und sich mit ihrer Garnison für die Sache der Herzogtümer erklärt hatte, so ging auch aus hiesigem Ort und Kirchspiel eine überaus reiche Sendung an Proviant, wozu unaufgefordert auch alle Minderbegüterten beitrugen, nach Rendsburg ab. - Zur Sicherung von Ruhe und Ordnung bildete sich hier eine freiwillige Bürgerwehr, welche, nachdem sie aus Rendsburg 25 Gewehre erhalten hatte, nachts auf den Straßen patroullierte. -Am 9. April war die unglückliche Schlacht bei Bau, wo viele Studenten (mit ihnen mein Sohn), Turner und Jäger, im ganzen etwa tausend Mann, in Gefangenschaft gerieten und bald auf zwei Schiffen nach Kopenhagen geführt wurden. »Das Unglück geschah Dom. Judica, vormittags 10 Uhr, in den Stunden, wo ich zum erstenmal mit meinen Konfirmanden eine abgesonderte Prüfung vor ihrer Konfirmation hielt.« Am 18. April rückten hier die ersten deutschen Truppen ein; ein Bataillon braunschweiger Infanterie, dessen Major von Specht im Pastorat lag. Am 20. zog es weiter nach Rendsburg. Andere Truppen aus verschiedenen deutschen Staaten sind gefolgt. -

Nach Abschluß des Waffenstillstandes zu Malmö sind wieder viele Truppen durch den Flecken und das Kirchspiel gezogen, darunter ein Bataillon vom Kaiser Franz (preußisches Garde-Infanterie-) Regiment. Auch unsere Bramstedter, darunter mein Sohn Wilhelm, kehrten heim. - Eine wohltätige Verordnung der provisorischen Regierung sei hier erwähnt, die Aufhebung der Kopfsteuer, die 1762 eingeführt worden war.

1848: Am 9. August ein heftiger Sturm im Orte; mehrere der stärksten Bäume zerbrochen oder entwurzelt. Umgeweht wurde auch der untere Teil der Lindenallee am Bleek, nach der Kirchvogtei hin.

Bürgerverein am 15. Oktober gegründet durch oben erwähnten Sohn (Wilhelm), 70 Mitglieder aus dem Flecken. Lesezimmer mit den wichtigsten Zeitungen; wöchentliche Abendversammlung in der Hauptknabenklasse, wo Vorträge gehalten und Zeitungsartikel vorgelesen; Zusammenwirken intellektueller Kräfte soll zu politischer Bildung führen.

 

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1849: Ruhiger Winter. Im Kantonnement eine Abteilung schleswig-holsteinischer Artillerie mit mehreren Kanonen, welche in einer Scheune der im Norden des Fleckens liegenden Gutsziegelei lagen. Am 12. März fortgezogen ins Feld. Einquartierung: nach altem Brauch das Pastorat davon frei; nunmehr belastet mit dem dreifachen jeder Drittelhufe, mehr als der vermögendste Einwohner und so gut gestellte Beamte des Orts, die kein Land besitzen. Dagegen hat Pastor Gerber protestiert.

Durchmärsche deutscher Truppen nach Ablauf des Waffenstillstandes, aus allen deutschen Stämmen und Ländern.

11. März: ein Bataillon Badenser; der katholische Feldprediger war bei Pastor Gerber einquartiert: »sehr angenehme Unterhaltung.«

25. März: Verordnung der Statthalterschaft: Feier der Erhebung vor einem Jahr und Hinweisung auf den Wiederbeginn des Krieges, nach Schluß des Gottesdienstes vor dem Altar mit bezüglichem Gebet.

20. April: Jürgen Mohrs Haus, hart an der Kirchhofsmauer, wo von Süden her der Weg nach dem Pastorat geht, gänzlich abgebrannt, bei östlichem Winde sonst kein Schaden. - Beim Aufbau wird ein Raum zwischen Haus und Kirchhofsmauer gelassen als neuer Weg zum Pastorat. Vorher mit Stroh gedeckt, jetzt mit Dachziegeln.

14. Mai: Alte Wassermühle mit zwei in perpendikulärer Bewegung laufenden Rädern abgebrochen, nachdem etwas oberhalb, wo der Kanal aus der Heidmühler in die Schmalfelder Aue anfangt, eine Notmühle von Brettern zum interimistischen Gebrauch erbaut war.

Am 31. Juli die neue Mühle gerichtet mit einem im Innern befindlichen vertikal liegenden Rade (Turbine).

24. April: Ein Bataillon Waldecker Infanterie durchmarschiert. - Vor- und nachher sind viele andere Truppen durchgezogen.

19. Mai: Auf mehreren ungeheuren Frachtwagen eine Taucherglocke mit Apparaten durch nach Eckernförde, um die Kanonen von Christian VIII. aus dem Meere zu heben.

Im Juli neuer Waffenstillstand. Rückmarsch. Am 26. Juli und 2. August starke Einquartierung in Flecken und Kirchspiel: Braunschweiger und Oldenburger. Im Pastorate (2. 8.): 2 Offiziere, 6 Bediente, 8 Pferde, 10 Gemeine. Letztere wurden für 1 Mark 2 Schilling ausquartiert.

1849: Durch Bramstedt fuhr nach Eröffnung der Eisenbahn eine Zeitlang noch eine Dilligence für Personen und Pakete nach und von Altona. Wurde aber nun aufgehoben, angeblich der Kosten wegen.

Jetzt nur noch jeden Morgen eine Fußpost für Briefe nach Wrist, von wo der Bote angekommene Briefe mitbringt. Dieser kann natürlich nur kleine Geldpakete tragen, und eine Frachtpost von und nach dem hiesigen Flecken existiert zur großen Beschwerde der hiesigen Einwohner gar nicht mehr.

Auswanderung einzelner Personen und ganzer Familien nach Amerika macht sich im Flecken auch in diesem Jahr bemerkbar.

 

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In den letzten 6-7 Jahren herrschte alljährlich eine Kartoffelkrankheit, durch welche oft die ganze Ernte zerstört wurde.

1850: Zu Neujahr Postfuhren für Personen und Fracht, zweimal wöchentlich für Bramstedt-Wrist eingerichtet.

Einquartierung: Seit 10. Juli 1849: ein Teil des 2. schleswig-holst. Dragoner-Regiments bis zum 1. Oktober; dann die zwölfpfündige Batterie, die besonders Friedericia bombardiert hatte bis Mai 1850; dann vom 24. Mai ab: die 2. zwölfpfündige Batterie bis zum 13. Juli.

Am 19. April errichtete der Bramstedter 1/3 Hufner auf seiner Wiese, hart an der Pastorat-Wiese, vor dem Hause eine neue große Scheune, wodurch dem Pastorathause die Aussicht auf die Brücke ganz abgeschnitten wurde.

Im Oktober wurden in der Scheune des Pastorats zwei kleine Stuben und eine Küche eingerichtet, um die Einquartierung unterzubringen, da die Ausquartierung gar zu kostspielig wird.

20. November: Verlosung zugunsten der bei dem Bombardement von Friedrichstadt unglücklich gewordenen. 328 Arbeiten eingeliefert. 1280 Lose à 6 Schilling. Ergebnis 483 Mark.

1851: Am 11. Januar Proklamation der Statthalterschaft, Krieg sei nicht fortzusetzen. Hier zog die erste 24-pfündige Granat-Batterie ein unter Hauptmann Gleim, der mit drei Bedienten im Pastorat logierte; in den Dörfern andere Batterien. Hiesige Batterie bleibt bis 30. März. Es folgt eine Schwadron holsteinischer Dragoner. - Von meinen sechs Söhnen hatten zwei am Kriege teilgenommen; beide kehrten unversehrt zurück. Die Ortsgefallenen sind ins Totenregister eingetragen.

Nach den Dragonern war von Mitte Oktober bis Mitte Februar eine österreichische Batterie unter Hauptmann von Bonz, auch in den Dörfern österreichische Kavallerie. Vom Mühlendamm bis zum Pastorat war bisher ein sehr niedriger Sumpf, für Fußgänger oft sehr unbequem. In diesem Jahre der erhöhte Weg mit Sand hochaufgefahren.

1852................................

1853. Ein Teil des Gutsholzes zwischen hier und Hitzhusen abermals abgeschlagen. Links von der Rendsburger Landstraße fast alles rasiert.

Eine neue dauerhafte Brücke über die Au auf dem Wege nach Weddelbrook bei der Kirchspielvogtei gebaut.

Telegraph von Norden nach Hamburg bisher fertig gelegt.

Pastor Gerber erhält seine Bestätigung im Amt nebst Verweis für Unterschrift eines Aufrufs an die schleswig-holsteinischen Prediger in der Kriegszeit.

Ohne Mißwachs hohe Preise, für Brotkorn 20 Mark Curant und das bis ins nächste Jahr. Fleisch und Butter desgleichen. Wohl eine Folge des Krieges der Westmächte gegen Rußland.

1854: Wiesenfläche des Gutes westlich vom Flecken in letzten Jahren geebnet und erweitert; jetzt hinter dem Gutshof von der Au sich trennender Kanal zur Überrieselung, läuft neben der Au her und liegt höher als das Auwasser.

 

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Am 5. Oktober der Pastor und der Kirchspiel-Vogt zur Kur nach Segeberg (Nothaus), wo Friedrich VII. seine Beamten begrüßte.

Paustian baut auf dem Mühlendamm, da, wo der Garten aufhört, eine neue massive Mühle von drei Stockwerk. Soll Lohe mahlen. Ein abgeleiteter Kanal, der den Garten zur Insel macht, treibt sie, die nicht nur Lohmühle ist. Am 7. Oktober wurde das Sparrenwerk aufgerichtet.

1855: Sehr strenger Winter und anhaltend von Mitte Januar, bis zu 20 Grad Reaumur. Am 1. Januar ein heftiger Sturm, der hier und da Dächer fortriß. Noch bis Ende Mai blieben die Bäume ohne Laub. Noch am 4. Mai lag der Schnee den ganzen Tag 10 cm hoch. Dazu hohe Preise: Korn 15-18 Mark, Rindfleisch 6—7 Schilling.

Dänische Reichsmünze aufgezwungen: 1 Taler = 96 Schilling; Reichsmünze = 30 Schilling Kurant; 1 Schilling Kurant = 3 1/5 Schilling dänische Reichsmünze. Vogelschießen am Dienstag nach Pfingsten, Ball aber erst am Mittwochabend. (Später wieder am gleichen Tage.) - Bisher hat der Prediger von der Gilde nach dem Vogelschießen 3 Mark Kurant erhalten und von der Fleckenspfannengilde 8 Mark lübsch. In der Kriegszeit habe das aufgehört. Rücksprache mit dem Hauptmann der Gilde: das sei nur ein Geschenk gewesen, vielleicht aber infolge Verjährung zur Pflicht geworden. Gerber hat nicht Klage erhoben, doch tue das vielleicht ein Nachfolger. Es sei, so meint Gerber, wohl die Frucht einer gewissen Frivolität gegen das Evangelium, die sich nach dem Kriege wachsend offenbare. Das Materielle sei ja hier gering und gleichgültig, aber der Sinn nicht gut; er werde wohl bald aus der Gesellschaft austreten.

Taufkleid. Noch eins: Mehrere Einwohner wollten den Kindern eigene Taufanzüge anziehen, andre nur das billigste (12 Schilling = 38 Schilling Reichsmünze), das sie auch wohl abholten, aber eben dem Kinde nicht anzogen. Und dann betrüglicherweise durchschlüpfen wollten.

Brautkrone komme ebenfalls immer mehr ab, und Brautkränze treten an die Stelle. Einige Bräute behaupten, selber ihren Kranz hergestellt oder ihn als Geschenk erhalten zu haben. In beiden Fällen wollten mehrere dann nur die Krone zum billigsten Preise (3 Mark = 1 Reichstaler 58 Schilling) bezahlen. G. hat sich deswegen an das Visitatorium gewandt. Dieses sandte eine zu verlesende Entscheidung d. d. 10. Juni 54, wonach, wenn kein Taufzeug oder keine Brautkrone verlangt werde, das beste Taufzeug 1 Mark 8 Schilling und die beste Krone zu 6 Mark zu bezahlen, wider Renitente aber mit Kirchenpfändung durch die Juraten vorzugehen ist. Dieses Publicandum, Archiv VI Nr. 59, ist "bekanntgegeben worden. Danach haben einige freiwillig bezahlt; von andern ist es eingetrieben worden. »So wird es von mir auch ferner gehalten werden.«

Auch in diesem Verhalten bekundet sich die Abneigung mehrerer gegen die Religion, welche sich dann auf ihre Diener erstreckt (überträgt). Das gilt aber, so meint G., für etliche Fleckensbewohner, wie denn überhaupt in religiöser Hinsicht die Landgemeinde durchweg höher stehe als die Fleckensgemeinde, in welch letzterer sich mancher Sauerteig der Falschheit und der Bosheit finde.

 

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In diesem Sommer ließ ich eine neue Pforte zum Garten und Eingang in das Haus machen, wie schon früher zweimal eine Pforte zur Hofstelle. In diesem Fall hat das Pastorat die Kosten für das Holz zu tragen, weil ihm die Zinsen von 200 Talern für ehemals verkauftes Gehölz zustehen. Die weiteren damit verknüpften Kosten fallen der Gemeinde zu.

Am 21. September d. J. laße ich alle Pastorat-Ländereien durch die Kirchspielvogtei aufs neue verpachten, und zwar auf 10 Jahre; die ganze Pacht, abgesehen von der jährlichen Grundheuer, beträgt jetzt zirka 1050 Mark lübsch und ist mithin um rund 350 Mark gestiegen. Hierin ist nicht inbegriffen die kleine Wiese vor dem Hause, trägt 11 Mark jährlich, und die Koppel bei der Scheune, die ich selbst benutze.

Am 3. September abends 11 Uhr brannte im Maienbeck das Haus des Stellmachers Holm, der sich einige Tage danach ertränkte; es stand etwas zurück, Neubau in die Linie eingerückt.

1856: Chaussee nach Wrist durch Barlt gebaut und 1857 bis Hitzhusen mit einer Allee junger Kastanienbäume bepflanzt.

1857: Da Gutsholzung bis links der Rendsburger Landstraße bis Hitzhusen nun ganz abgeschlagen war, wurde das Stück rechts von der Landstraße mit Gängen und einigen Bänken versehen, und man hört die angenehme Versicherung, daß das kleine Stück werde erhalten werden.

Am 13. Mai ist das Haus, welches oben im Bleck lag, rechts hart an der Straße, die über die Brücke auf die Landstraße führt, in der Nacht abgebrannt. Es war ein Wirtshaus.

Am 19. Juni geht das Haus des Hufners Hans Reimers in Fuhlendorf nebst Kate und Scheune in Flammen auf. Es herrschte große lange Dürre. Neues zweckmäßiges Schulhaus in Barl an der Chaussee gebaut. Das Umziehen nach jedem Quadriennum hört auf. Das Los hatte entschieden. Soweit Pastor Gerber.

 

3.Eintragungen von Pastor Rolfs

 

1876: Die Kirche ist ziemlich durchgreifend restauriert worden: neues Gestühl, neuer Fußboden und mit Gipsdecke versehen: Arbeit von Pfingsten an durch den ganzen Sommer. - Gottesdienst fand in dem damals noch ungeteilten Klassenzimmer im 1. Stock des neuen Schulhauses statt. Ab 1. Advent wieder in der Kirche. 1877: Der Begräbnisplatz mußte erweitert werden. Es gelang nicht, eine Parzelle zu erwerben, von welcher der alte Platz ein Stück war. Aber eine Koppel gegenüber, auf der Südseite der Landstraße, stand zum Verkauf und wurde für 1440 Mark erworben. Hier wurde ein neuer, der dritte Friedhof angelegt. Die Einweihung fand statt bei der Einbettung der ersten Leiche, der Witwe Hahn aus Weddelbrook, am 19. Juni 1877.

1880 hat die Kirche ein neues Altarbild erhalten (Auferstehung Christi), darunter Stiftung des heil. Abendmahls, beides von Maler Wrage, z. Zt. in Gremsmühlen

 

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wohnhaft, geschaffen. Das frühere, teils Gemälde, teils Schnitzwerk, wird auf dem Kirchenboden aufbewahrt. Die Kosten, 3000 Mark, sind teils durch freiwillige Gaben aus der Gemeinde, teils durch zinslose Anleihe bei der Fleckens-Sparkasse gedeckt worden.

1886: Der bisher mit Schindeln gedeckt gewesene Turm ist mit einer Schieferdecke versehen worden. Die Spitze der Pyramide mußte renoviert werden. Dabei stellte sich heraus, daß etliche umhüllte tragende Balken gänzlich angefault waren, mußten auch diese erneuert werden. Diese sowie eine im nächstfolgenden Jahre vorgenommene Reparatur der Mauer an der östlichen Giebelseite verursachte erhebliche unvorhergesehene Kosten. - Auch mit Blitzableiter, sowie mit Heizeinrichtung, freilich nur Füllofen, ist das Gotteshaus ausgestattet worden. Letztere erwies sich als sehr verbesserungsbedürftig.

1892: Im Sommer sind auf dem alten Kirchenhof um die Kirche herum, nachdem in den nächstvorhergehenden Jahren die Einfassungsmauer größtenteils neu aufgeführt worden, neue Anpflanzungen gemacht, von denen man hofft, daß sie gedeihen und zur Verschönerung beitragen werden.

Zum 1. Oktober wird Pastor Rolfs emeritiert. Er schenkt beim Abgang der Kirche eine silberne Altar-Weinkanne im Werte von 300 Mark. (Gestorben: 4. Dezember 1893 in Meldorf.)

 

4. Eintragungen von Pastor Bruchs

 

1894: Ein neues Pastorat-Gebäude wird errichtet. Kosten 14 000 Mark inklusive rund 2000 Mark Wert des Altmaterials.

Abtrennung des Kirchspiels Brockstedt setzt ein. Bramstedt dagegen. Pastor Bruchs will alle drei Wochen dort in der Schule predigen. Die Parochie Bramstedt hatte das Gehalt für den Hilfsprediger zu leisten. Protest bis zum Ministerium. Heftiger Streit zwischen Behörde und Gemeinde. Die Kirchenältesten Zimmer, Danielsen, Barth und Schümann weigerten sich, ihr Amt weiterhin zu führen. Sie wurden ihres Wahlrechts verlustig erklärt. Das Konsistorium zahlt das Gehalt für Zechlin. Pfarrhaus wird erbaut. 1904 endgültige Abtrennung.

Von altersher wurde an den drei ersten Festtagen eine Kollekte zum Besten der Kirche gehalten. Mit Genehmigung des Kirchenvorstandes hatte Bruchs das Geld zur Schmückung der Kirche gesammelt, auch zwei gute Leuchter für die Leichenhalle und einen Altarteppich angeschafft und gehofft, demnächst ein Kruzifix für den Altar anschaffen zu können.

Das kirchliche Leben läßt viel zu wünschen übrig, soll vor etwa 30 Jahren viel besser gewesen sein und nach Aussage der Gemeinde sich in den letzten Jahren gehoben haben, obwohl ich das gerade nicht finde. Am besten sind noch die Abendmahlsgottesdienste besucht. Die sittlichen Anschauungen sind sehr besserungsbedürftig. Uneheliche und nach der Eheschließung frühzeitige Geburten, die sehr häufig sind, werden von den meisten mehr als Unglück denn als Schande

 

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betrachtet. Die vielen Wirtshäuser, noch mehr die vielen Tanzvergnügungen, verführen das Volk. Wie soll's anders sein, da Christus nicht in den Herzen wohnt! - Als Zeichen der herrschenden Anschauung führe ich an, daß es vom Kirchengehen heißt: »Ist bei uns nicht Mode«; daß ein angesehener Mann der Gemeinde, wie mir noch vor meinem Amtsantritt hinterbracht wurde, äußerte: »Wir gehen in Bramstedt nicht in die Kirche, wenn auch ein Engel vom Himmel predigte!« Freilich soll nicht verschwiegen werden, daß dennoch gerade dieser mit seiner Familie den Gottesdienst besucht.

Zur Hebung des christlichen Sinnes ist die neue Gottesdienstordnung eingeführt, wird an den ersten Festtagen und bei besonderen Gelegenheiten Chorgesang eingeschaltet und am Weihnachtsheiligenabend eine gutbesuchte liturgische Feier veranstaltet; auch müssen die Konfirmanden, was zuvor nicht der Fall, den Gottesdienst besuchen.

Am 1. August 1898 erhielt Bramstedt Bahnverbindung mit Altona. Dadurch wird das Leben viel beeinflußt werden. Am Bahnhof liegt Pastoratland neben Fleckensgebiet. Dort wollen Kirchengemeinde und Flecken eine neue Straße anlegen. Auf diese Weise dürfte die Pfarr-Einnahme, wenn der Pastor gut aufpaßt, was in diesem Jahrhundert nicht immer geschehen ist, wieder steigen. In den letzten Jahrzehnten ist diese durch die standesamtliche Gesetzgebung, Sinken der Pacht, die noch lange währenden Ausgaben für die Wiesen-Melioration und anderes mehr erheblich gesunken, von etwa 4000 auf 3400-3500 Mark, wofür noch einige Lasten zu tragen. - Die Einführung des neuen Gesangbuchs ist trotz Anlaufs nicht gelungen.

 

 

PREDIGER, ORGANISTEN UND LEHRER

 

I.                                                         Die Prediger des Kirchspiels Bramstedt

 

1.   Johannes von der Lippe.

2.   Hermannus Burtfeld, Amtszeit nach dem Leichenstein 36 Jahre.

3.   Diaconi zu Burtfelds Zeit:

a)    Friedrich N., so weggezogen und elendiglich, wie die Alten berichten, soll vor Lübeck gestorben sein.

b)    Johann Wasmohr, so in dem Fastelabend (Fleckensversammlung) bey Hinrich Ordes Haus von Eggert Bulten erschlagen, und der Thäter geköpfet zu Segebergh.

c)    Isaac von der Burg.

3.   Isaac von der Burg ist nach Hermanni Burtfeldten Todt Pastor geworden und (hat) der Kirche von Anno 1570 gedient bis 1579, wie die Kirchenrechnungen ausweisen, und darnach in der Wilster Marsch vor einem Pastoren gefordert zu Broktorff.

4.   M. Casparius Ludolphi 1580, 5 Jahr Pastor geworden und gewesen, danach nach Hamburg vociret (berufen).

 

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5. Johannes Hamerich, gewesener Diaconus zu Segeberg, 1585 Pastor geworden und gedient der Kirche zu Bramstedt bis 1622 (37 Jahr).

6. Henricus Galenbecius, Neobrandenburgensis Megapolitanus, 1623 in Die Bartholomaei von Hochehrw. Dn. Praep. (Propst) Matthio Clodio und seinen Collegen ordinirt zu Itzehoe und von Ihro Königl. May. Amtschreiber Matthia von Langen auf Befehl des Hochedlen Herrn Marquard von Pentzen, Bittern, Obersten und Amtmann auf Segeberg introduciret.

Anno 1659 Dom. Exaudi ist der Ehrwürdige und Wollgelehrte Henricus Galenbecius, nachdem er vorhero seines Amtes gewaltet, Abends um 6 Uhr sanft und selig von dieser Welt abgeschieden, als er der Christlichen Gemeine zu Bramstedt ins 36. Jahr treulich gedienet. Gott sei seiner Seele gnädig und verleihe ihm am jüngsten Tage eine fröhliche Auferstehung.

7.   Dethlevus Galenbecius, Anno 1660 an seines Vaters Stelle gekommen, am Freitag in der Osterwoche in Crempe ordinirt, und folgends Dom. Mis. Dom.
von dem Hochehrw. H. M. Hudemann, damahls Probsten und nachgehends General-Superintendent introducirt worden. Dessen Zeit steht in Gottes Händen.

8.   Conrad Henrich Galenbeck, Sohn des vorigen, welcher von Anno 84 an der Kirche zu Bramstedt gedient als Pastor Adjunkty, bey seines sel. H. Vaters
Absterben aber völliger Pastor worden Ao. 87.

9.   Mag. Daniel Hartnaccius ab Ao. 1702-Ann. 1707.

10.   Johannes Petrus von Kriegbaum, Darmstedio Hassus (Hesse), ab 1707-1725.

11.   Johannes Joachim Peper, Segebergo Holsatus, ab 1725.

Hat eingeschrieben ins Kirchenbuch:

zhl...en alhdeia eneka  offizio pulsus  

1729. Ingreata patria ne ossa quidem mea habebis Parum est judicari a die humano.

In freier Übertragung:

Um seines Suchens nach der Wahrheit willen aus dem Amte gestoßen 1729. -Undankbares Vaterland, nicht einen Knochen von mir wirst du haben (beherbergen). Es ist ein Geringes, von einem menschlichen Tage gerichtet zu werden.1)

12.  Magnus Crusius, Slesvicencis, ab Ann. 1731 usque ad 1733.

Vocatus deinde ad Pastoratum Rendsburgensem. Fausta quaevis ecclesiae Bramstedtensi cum omnigena benedictione divina adprecatus.

Fuerat ante Crusius Pastor legationis Danicae Parisis apud Weddenkoppium. Hinc Bramstedam, inde Rendesburgum vocatus, munere ecclesiastico ad aedem... dii (Garnisonkirche) functus est. Post a Rege Britanniae Gottingam accessitus, ut Theologiae in nova academia Professor esset. Denique Harburgi Superintendens Generaiis constitur. Ao. 1751 vita excessit.

Übertragen:

Magnus Kruse, ein Schleswiger. Von 1731-1733 hier. Wurde dann nach gesegneter Tätigkeit an der Bramstedter Kirche mit allseitigem Lobe nach Rendsburg berufen.

____________

1) 1. Kor. 4,3.

 

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Er ist früher Pastor der dänischen Gesandtschaft zu Paris gewesen bei dem Gesandten Weddenkop (Wedderkop). Von dort nach Bramstedt, danach nach Rendsburg als erster Pastor an der Garnisonkirche berufen worden. Später hat ihn der englische König für die neue Universität zu Göttingen verpflichtet, dort als Professor der Theologie zu wirken. Zuletzt hat er in Harburg das Amt des General-Superintendenten bekleidet und ist 1751 aus dem Leben geschieden.

13. Johann Georg Messarosch, Hungarus, ab Anno 1733 usque ad Ao. 1747. Er selbst, sich als dritte Person einführend, berichtet:

»et summa Dei misericordia excitatus abscessit ad ecclesiam Fratrum Moraviensium.. Dno. Successori et auditoribus Suis dilectis gratiam Semotoris et pacem in cruce ejus et misericordiam ex animo precatus, nec precari desistens ad mortem Pleurae gloria et memoria.«

Übertragen:

Veranlaßt durch die höchste Gnade des Herrn, ist er übergetreten zur Kirche der mährischen Brüder, nachdem er für den Herrn Nachfolger und seine lieben Hörer die Gnade des Erlösers, den Frieden unter seinem Kreuze und seine Barmherzigkeit erfleht hatte, nicht unterlassend, bis zum Tode zu beten zum Ruhm und Gedächtnis (wessen?).

In deutscher Sprache fügt er noch hinzu:

»Die Andern deucht es Schade, mir aber deucht es Gnade. Unsern Ausgang segne Gott ... (bis zum Ende des Verses). Und nachdem eine allergnädigste Königliche Ordre eingelaufen, daß ich alle meine Habseligkeiten hier im Lande lassen und nicht einmahl das Reise Geld von dem meinigen nehmen soll, so wurden meine meubles (Möbel) den 16. und 17. Oktobr. allhier öffentlich verauctionirt, und ich (habe) davon nicht einen Pfennig bekommen, sondern die meinigen Anverwandten sowohl dies Geld, als auch mein Capital zu sich genommen, und ich als den 23. Oktobr. mit Freuden davon gezogen.

Der Nahme des Herrn sei gelobt.«

 

Noch berichtet das Kirchenbuch:

Tempore Dn. Messarosch Catecheta constitus a Rege est Tobias Mentzel, Hungarus, Functus eo officio per 6 Annos usque ad 1752. Ita tamen ut non a Parochianis nec a pastore, sed a Dn. Comite de Stolberg praefecto regio solueretur ei Stipendium. Verum se praebuit probum, integrum et in officio diligentem. Hinc vocatus Wansbeckam primus adjucti vicibus functus est.

Auf deutsch:

Zur Zeit des Herrn Messarosch wurde als Katechet vom König eingesetzt Tobias Mentzel, ein Ungar, der seines Amtes sechs Jahre hindurch waltete bis zum Jahre 1752, doch so, daß ihm weder die Kirchengemeinde noch der Pastor eine Vergütung zahlte, sondern für seinen Unterhalt gesorgt wurde durch ein freiwilliges Stipendium des Königlichen Amtmannes Grafen Stolberg. Er bewährte sich als wahrhaft rechtschaffen, makellos und fleißig im Amte. Er wurde von hier nach Wandsbek berufen und wirkte dort abwechselnd mit dem ersten Helfer des Pastoren.

 

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14.   Dethlevus Chemnitius, Holsatus, Gicoviae in Wagria 1720 D. 8. Oktobr. natrus patre Mattheo, Pastore primo Gikoviensi, post Schönbergensi. Redux ex Hispania (ubi apud Comitem de Dehn, Regis Danici ad Catholicum legatum, munere ecclesiastico functus erat in annis 1746, 47, 48) Bramstedam a Rege vocatus, atque Dom. 24. p. Tri. 1748 in officium ingressus est introducentibus eum Dno. Comite de Stolberg, Praefecto Reg., Segeberg et Dn. Krück, Pastore Leetzensi, quem Praepositus Henricus Anton Burchardi sibi.

Ao. 1749 uxorem duxit Charlottam Mariam, Blukmii, Praedicatoris Antici primarii, Filiam ritu solenni ipsi collocatum et

Ao. 1750 D. 5. Oktobr. acerbo fato, uxore puerperio poi natus, postquam ex dysenteria grassante 10 dies laborasset. Übertragen:

Dethlef Chemnitz, am 8. Oktober 1720 zu Gikau im Lande Wagrien geboren; sein Vater war dort erster Pastor, später in Schönberg. In den Jahren 1746, 1747 und 1748 ist er unter dem Grafen von Dehn, dem katholischen Gesandten des Dänenkönigs, in Spanien mit dem Kirchendienst betraut gewesen. Danach hat der König ihn nach Bramstedt berufen, wo er am 24. Sonntag nach Trinitatis ins Amt eingetreten ist. Die Einführung erfolgte durch den Amtmann Grafen Stolberg und den Herrn Pastor Krück aus Leezen, den der Propst Heinr. Anton Burchard als seinen Stellvertreter beauftragt hatte.

Im Jahre 1749 heiratete er Charlotte Maria Blunk (?), die Tochter des alten ersten Predigers, nach dem alten Ritus - von dem selbst vorgenommen - und am 5. Oktober 1750 hat ein herbes Schicksal ihm die Gattin genommen, die im Kindbettfieber starb, nachdem sie zehn Tage lang die Qual einer grassierenden Ruhr erlitten hatte.

Dethlef Chemnitz amtierte hier von 1748-1773.

15.    J. J. von Einem 1773-1793.

16.    C. H. Stössiger 1794-1811.

17.    Marcus Karck, geboren in Heiligenhafen. 1812-1825 hat er hier als Pastor gewirkt und ist hier am 19. Juli 1825 gestorben. Er hatte viel Unglück in der Familie. Er ist viermal verwitwet und hat fünfmal geheiratet. Eine achtköpfige Kinderschar beanspruchte den Vater.

18.    Johann Gerhard Feddersen Kall, von 1825-1835 in Bramstedt.

19.    Otto Christian Gerber, geboren am 8. Dezember 1787 in Heiligenstedten, Sohn des dortigen Hauptpastors Joachim Hinrich Gerber. In Bramstedt vom 27. April 1836 bis zu seinem Tode, dem 9. März 1858. Er schrieb die erste ausführliche Chronik. Sein Grab ist noch erhalten.

20.  Georg Heinrich Kroymann, Doktor philosophiae, geboren am 22. Januar 1808 in Herzhorn als Sohn des dortigen Hauptpastors Georg Heinrich Kroymann. In Bramstedt von April 1859 bis zu seinem Tode, dem 24. März 1872.

21.   Detlef Friedrich Rolfs, geboren am 14. Mai 1827 in Wöhrden als Sohn des dortigen Einwohners Reimer Rolfs. In Bramstedt vom 25. März 1873 bis 1. Oktober 1892. Er starb in Meldorf am 4. Dezember 1893. Während seiner Amtszeit

 

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wurde das Innere der Kirche renoviert, der Schrankaltar auf den Boden gebracht und das jetzige Altarbild aufgestellt, die Bäume auf dem Friedhof bei der Kirche angelegt und der Friedhof links gekauft. Bei seinem Fortgange schenkte er der Kirchengemeinde eine silberne Altarweinkanne im Werte von 300 Mark. Rolfs hat als Junggeselle gelebt.

22.   Emil Heinrich Gustav Brucks, geboren am 15. Dezember 1862 in Bärwalde in der Neumark als Sohn des Lehrers Heinrich Brucks und der Auguste, geborene Kriofsky. In Bramstedt vom 23. Oktober 1892 bis 31. Juli 1898. Von hier nach Berlin an die seinerzeit neuerbaute Samariterkirche gewählt. Während seiner Amtszeit wurde das Pastorengehalt auf die Kirchenkasse übernommen, das heißt der Pastor bekam nun sein Gehalt in Geld ausgezahlt. Das war 1892. Von da an nahm der Pastor an allen Beerdigungen teil, während bis dahin der Pastor nur mitging, wo eine Rede verlangt und bezahlt wurde.

1894 ist das neue Pastorat gebaut - 14000 Mark. Im gleichen Jahr erfolgte die Abtrennung Brokstedts und der zugehörigen Dörfer und Errichtung einer selbständigen Kirchengemeinde, was einen großen Streit verursachte.

23.    Georg Heinrich Friedrich Erdmann Möhlenbrinck, geboren am 5. Februar 1868 in Göttingen als Sohn des Zugführers Möhlenbrinck. In Bramstedt vom 1. Februar 1899 bis 1. Oktober 1900. Von hier als Seminaroberlehrer nach Eckernförde, dann als Seminardirektor in Segeberg und Rendsburg und schließlich (1915) Regierungs- und Schulrat in Schleswig.

24.    Johann Ernst Ludwig Hümpel, Licentiat, Dr. phil., geboren am 29. Mai 1867 in Borstorf (Lauenburg) als Sohn des dortigen Landmannes Franz Joachim Nicolaus Hümpel und der Maria Margaretha Sophia, geborene Hardkop. In Bramstedt vom 20. Januar 1901 bis zu seinem Tode 1918. Sein Streben war, kirchliches Leben zu wecken. Er baute das Gemeindehaus und rief damit eine umfangreiche Gemeindearbeit ins Leben: Kirchliche Frauenhilfe, Gemeindeschwesternstation, Warteschule, Posaunenchor, Männer- und Jünglingsverein, Jungfrauenverein, Kindergruppen für Knaben und Mädchen. Auf seine Anregung hin wurde am 12. Januar 1908 ein Verein zur Begründung einer Höheren Privat schule gegründet.

25.    Felix Jakob Hermann Paulsen, geboren am 27. Januar 1890 in Sterley als Sohn des Pastors Adalbert Paulsen und Henny, geborene von John. In Bramstedt vom 24. Oktober 1917 bis zum 14. November 1923. Von hier als Missionar im Auftrage der Breklumer Missionsgesellschaft nach China gegangen.

26.    Friedrich Paul West, geboren am 29. Mai 1880 in Altona als Sohn des Kaufmannes Ernst Peter Christian West und der Klara, geborene Mann. In Bramstedt vom 23. März 1924 bis Juni 1937. Von hier in die dritte Pfarrstelle der Altonaer Hauptkirche berufen.

27.    Martin Christiansen, geboren am 28. Februar 1907 in Ellhöft bei Süderlügum. In Bramstedt seit dem 7. November 1937.

 

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2. Organisten, so auf einander gefolget

 

von Ao. 1640 an:

1.    Christian Hamerich.

2.    Hermannus Einhausen.

3.    Simon Tühck, erwählt 1672.

4.    Arnoldus Böhm.

5.    Christian Gottlieb Büttner.

6.    Wilhelm Struve aus Oldesloe, 12. 7. 1731-1781 (gest.).

7.    Wilhelm Christian Warnholz, 1781-1789.

8.    Daniel Rick (auf Fehmarn) 1789-1797 (gest.).

9.    Johann Christopher Hermann Carstens (Borsfleth), 1797-1829 (gest.).

10. Georg Heinrich Prüssing (Burg auf Fehmarn), 1829-1855 (gest.).

11. Christian Sibbert Feddersen Quitzau, 1855-1888.

12. August Kühl, 1888-1924.

13. Johannes Daniel, ab 1924.

 

3. Fleckenslehrer (nach Pastor Bruchs)

 

Organist und Küster Joh. Christopher Hermann Carstens, alleiniger Schullehrer, gest. 15. Januar 1829.

Georg Heinrich Prüssing, aus Fehmarn, Kieler Seminar, hielt einen Gehilfen als Elementarlehrer, nachdem im Organistengarten ein Haus für die Elementarklasse erbaut war. 1838 wird ein Seminarist als selbständiger zweiter Lehrer angestellt.

1841 werden vier Klassen mit getrennten Geschlechtern eingerichtet. Prüssing wurde Oberlehrer der Mädchenschule. Gest. 27. April 1855.

Christian Sibbert Feddersen Quitzau. 20. August 1855 - Oberknabenlehrer.

Joh. Christoph Hamburg, aus Tondern, bis 1841 Lehrer in Schönhorst, hier gewählt vom Schulkollegium 18. Januar 1841; gest. 13. Juli 1855 nach langer Krankheit.

Gottlieb Friedrich Schnack aus Schlamersdorf, hier erst Mittelklassenlehrer, am 3. Dezember 1855 an Hamburgs Stelle ernannt; Obermädchenlehrer.

Kay Friedrich Hansen aus Föhr, wurde hier alleiniger Elementarlehrer, zur Zeit der Errichtung einer Elementar-Knabenklasse.

Karl Porath aus Rendsburg, Seminarist,

Clausen, von Alsen, Seminarist,

Thomas Jensen aus Langenhorn, Seminarist, waren hier die ersten alleinigen Elementarklassenlehrer nach Errichtung einer Mittelklasse.

Heinrich Christian Ferdinand Leptin, Autodidakt, eingeführt 12. November 1855 (1855 Jensen wird nach Fuhlendorf versetzt). In diesem Jahre wurden demnach alle vier Klassen vakant und erhielten neue Lehrer.

1855    Siegfried Bock, Kieler Privat-Seminarist, wird Elementar-Mädchenlehrer.

 

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1848 Fedder Jensen aus Rosenberg bei Tondern, dortiger Seminarist: Mittelklasse mit vereinten Geschlechtern geschaffen, war der erste Lehrer, ist 1848 nach Wiemersdorf gekommen.

1848 Bernhard  Christian Marius   Schlotterbeck  aus   Schleswig,  Seminarist, Michaelis angestellt.

1854   Gottlieb Friedr. Schnack kam nach Alt-Steinrade bei Lübeck zu Ostern.

1854 6. Juli Christian Sibbert Feddersen Quizow eingeführt.

1855 Am 12. November Mumme Aug. Heinr. Petersen, Seminarist, aus Dagebüll introduziert.

1851 Emil Theodor Wolff, 5. Mai erwählt, nachdem Petersen Lehrer zu Iserbeck geworden.

 

4. Lehrer in den Dörfern

 

1. Hitzhusen

 

a)    Paul Delfs, Emeritus wegen Altersschwäche, 1839.

b)    Johann Matthias Paulsen, kam nach Schmalfeld. 24. November 1840 ein neues Schulhaus gebaut.

c)    Hermann August Fick, Seminarist, früher Substitut in Hagen, hier seit November 1842.

d)    Hans Hinrich Böge aus Wulfsmoor, introduziert 15. November 1853, nachdem Fick nach Hagen versetzt war.

 

2. Föhrden - Barl

    

a)   Dem unfähigen Harder wird ein Substitut gegeben, im Jahre 1845. Bei dieser Schule ist die größte Unzuträglichkeit, daß sie vier Jahre in Föhrden und nach Umzug vier Jahre in Barlt, in zwei schlechten Schulhäusern gehalten wird und daß die schlechte Passage über die Brahme oft den Schulbesuch stört.

b)   Hans Lindemann wird Substitut, 20. Oktober 1853. Das Substitutenwesen dauert fort von 1845-1856.

c)   Marx Diederich Reimers aus Barmstedt, Seminarist, bisher Lehrer in Henstedt, Kreis Segeberg, introducirt 13. November 1856.

 

3. Hagen

 

a)    Der unfähige Lehrer Peter Harder, Bruder des Harder in Föhrden, erhielt zuerst auf einige Jahre einen Substituten in der Person des Fick und muß danach abgehen. Es wird bestellt:

b)   Nicolaus Christiansen, Seminarist, 5. Januar 1844 introducirt. Dieser sonst nicht unfähige Mensch wurde seines Verhaltens als in vielfacher Hinsicht des Schulamtes unwürdig am 16. Januar 1853 entlassen, und ihm am 24. Januar sol-

 

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ches angekündigt in Gegenwart des Schulvorstehers. Er ging darauf nach Amerika oder Australien.

c) Hermann August Fick zu Ostern 1853 von Hitzhusen nach Hagen versetzt und 11. April eintrat.

 

4.  Hardebeck – Hasenkrug

 

a)   An die Stelle des altersschwachen und unfähigen Schullehrers Fölster ist hier Friedrich Ferdinand Busch, Seminarist, seit 1835 Substitut und als Schullehrer am 26. März 1837 eingeführt. 1841, 23. November, ward hier ein neues Schulhaus gebaut. (Die alten Schulhäuser zu Brockstedt, Hitzhusen und Hardebeck wurden verkauft und die neuen an anderen Stellen erbaut.) Der tüchtige Busch wird leider wahnsinnig und im Oktober 1853 ins Irrenhaus versetzt. Ein Substitut angenommen. Nachdem hier mehrere Substituten fungiert hatten und es mit Busch sich leider nicht besserte, wird er 1856 pensioniert und

b)   Hansen, bisher in Gladebrügge bei Segeberg, im Herbst 1856 introducirt.

 

5. Armstedt

 

a) Marius (Max) Bollin, seit 1827 ernannt an Stelle des Marx Warnholtz, gestorben 23. Oktober 1827. Hier ward vor einigen Jahren das Schulzimmer sehr erweitert und verbessert.

 

6.  Wiemersdorf

 

a)    Joachim Wittmaak, starb im Februar 1848.

b)    Fedder Jensen, vorher Lehrer in Bramstedt. Hier seit Michaelis 1848.

 

7.  Fuhlendorf

 

a)    Peter Gloy, welchen ich vorfand, legte sein Amt nieder wegen Unlust und Unfähigkeit. Ihm folgte

b)   Rickert, welcher nach Kükels Kreis Segeberg kam.

c)    Joachim Lüthge, am 19. Oktober 1847 introducirt, starb am 14. Mai 1855.

d)   Hans Thomas Jensen,  Seminarist, bisher Elementarlehrer in Bramstedt, angestellt 1855.

 

5.  Bimöhlen

 

a) Hans Gehrt, Autodidakt, fand ich hier vor, nachdem er schon viele Jahre Schullehrer in Bimöhlen gewesen. Pensioniert zufolge Schreibens des Königlichen Ministeriums für Holstein und Lauenburg. 11. Dezember 1860 zu Michaelis 1861 mit einer Pension von 110 Taler, welche zu 3/4 als Reallast und ¼ als Personallast aufzubringen ist, zu welcher letzterer Häuerlinge und Abnahmeleute, welche keine schulpflichtigen Kinder haben, nicht hinzuzuziehen sind.

 

Weitere Daten aus der Geschichte der Kirchengemeinde

 

1850 Gesuch Prüßings in Bramstedt um Gehaltserhöhung, das 30 Reichstaler beträgt, wird auf 50 Reichstaler erhöht. In dem Gesuch seine Einnahmen, darunter: Als Organist und Küster.

Hebung im Flecken................................................

17 Mark  

8 Schilling

Fastnacht aus der Kirchenkasse.........................

94 Mark

2 Schilling

Hebung im Flecken................................................

23 Mark

 

Landheuer...............................................................

36 Mark

8 Schilling

Hebung in den Dörfern.........................................

93 Mark

12 Schilling

Assedentien...........................................................

130 Mark

 

Umtragung des Klingelbeutels............................

9 Mark

                 .                  

 

404 Mark

8 Schilling

1864 Die Bramstedter Kirchen Commune ist kontraktlich verpflichtet, die Straße nach den neuen Friedhöfen von ungefähr 18 laufenden Ruthen pflastern zu lassen. Auf dem alten Friedhof sind Grabungen gemacht, weil man die Kirche restauriert und die Mauer wieder freigelegt hat. Der Kirchhof wurde seit sechs bis sieben Jahren nicht mehr benutzt. Große Aufregung, weil der Friede des Kirchhofs gestört wird. Gesuch um Einstellung der Grabungen. Kann nicht bewilligt werden. Es ist eine unangenehme Streiterei, die polemisch und persönlich wird. Schümann, Lindemann, Schamnagel und Genossen sind gegen die Kirchenjuraten, der derzeitige Pastor Kroymann ganz für sie.

1841  Pastorenland am Schlüßkamp wird verkauft.

1760  Der Orgelbauer hat dieses Jahr wegen der vielen Mäuse, die durch das auf dem Kirchenboden aufgeschüttete Magazin Habers entstanden sind,
die Orgel nicht durchstimmen können.

1761   Kirchturm muß repariert werden, es wird eine Anleihe aufgenommen. Das Geld wird später durch allgemeine Umlage zurückerstattet, fehlendes
muß Kirche zulegen. Uhrzeiger zu Westen ist ganz rettlos befunden. Er soll aus Kupfer neu gemacht und auch der Weiser zu S. soll neu angestrichen werden. Sämtliche Ziffern sollen aus echtem, durablem Golde verfertiget werden, mit welchen auch die Weiser zu belegen sind. Es sollen neue Emporstühle angelegt werden.

           Gestühl soll Fußboden bekommen, die Eigentümer der Plätze sollen zu einer gesetzten Zeit Bretter legen lassen.

Der p. t. Organist und Küster soll verpflichtet sein, dafür zu sorgen, daß in den letzten Tagen vor den Oster-, Pfingst- und Weihnachtsfesten, desgleichen kurz vor Michaelis die Kirche durch eine ausdrücklich anzuschaffende und beizubehaltende Uhle an Fenstern, Ständen, Epitaphten gründlich gesteubet, sodann das Chor samt den Haupt-Gängen der Kirche gescheuert werden, sämtliche Stühle besenrein gefeget, sodann aber mit Sand ausgestreuet werden.

 

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1761  Neue Kirchenstände gebaut.

1764   Orgel repariert von Orgelbauer Schreiber, probiert von Organist Lilienthal aus Kaltenkirchen.

1765   Kirchhof soll geebnet werden, hohe hölzerne Kreuze müssen entfernt werden, denn so, wie es ist, könne man bei Brandgefahr nicht mit Pferd und Wagen auf den Kirchhof kommen. Das an der Kirche befindliche sogenannte Kinderhaus erfordert um und um eine Reparation.

1766   Leichenpredigt für Friedrich V. 24 Ellen Flohr zu den Trauer Lichtern auf dem Altar. Wachslichter auf den Armleuchtern, Geläute, 20 Schulknaben haben gesungen.

1768   Uhr schlägt nicht richtig, soll untersucht und repariert werden. Fußboden soll für Rechnung der Kirche mit roten steinernen Floren belegt werden.
Zwei ganz neue Kirchentüren unterm Turm sind nötig. Schneider Krüger hat das rote Altartuch ausgebessert.

1769   kommen 31 000 Fliesen und 1600 Mauersteine aus Brockstedt. Es wird in der Kirche gemalt, getischlert, geschmiedet, geglasert. Uhr wird repariert.

1773   werden Reparationen im Organisten Haus gemacht. Während einer Vakanz muß Organist Struve die fremden Herren Prediger bewirten (wird erstattet).

1774   Glockenstuhl wird baufällig.

1775   Reparation des Turmes.

1780  Reparation des Pastorenhauses.

1783   Pastoratsscheune erbaut.

1784   Ein neues Chor soll gebaut und dann vermietet oder verkauft werden. Immer noch Sprechen und Schwatzen auf dem Kirchhof während der Predigt. - Neues Pastoratshaus erbaut.

1786   ist das neue Chor fertig.

1787   Turm muß repariert werden. Noch ein neues Chor soll gebaut werden, da es gut einbringt. Antrag, daß man etwas außerhalb einen neuen Gottesacker errichtet. Lawetz, adl. Gut erklärt, daß er dann auf das dem Gut zustehende gemauerte Begräbnis in der Kirche gänzlich verzichten soll.

1788   Reparation der Kirche fertig.

1789   Neues Chor soll noch nicht erbaut werden, wegen Widerspruch der darunter Sitzenden.

1790   Orgel repariert von Orgelbauer Strove, Neumünster.

1791   Viele Pfannen müßten von Brockstedt geholt werden, da der Wind auf dem Kirchendach viele zerstört hat.

1793   Einbruch im Pastorenhause, Altargerät gestohlen, müssen neu angeschafft werden.

1794   geschieht es, und Kirche wird repariert.

1797   Ausgabe für Kupfer zu Scheiben und Zeigern der Uhr und Vergoldung.

1798   Reparation der Orgel.

1800     Reparation in der Kirche.

1806     Kirche repariert, neue Uhr.

 

133

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1807     Reparation der Glocken und Orgel. Begräbnisse nun nicht mehr unter Aufsicht des Nachtwächters, sondern Juraten sollen Oberaufsicht haben. Es soll auch eine Karte angefertigt werden.

1809     Reparation der Kirche und des Pastorats. Kirchturm mit Schiefer gedeckt.

1812     Reparation des Pastorats. Zwei Altarleuchter angeschafft.

1813     Am Weihnachtsfest war kein Gottesdienst in der Kirche, weil feindliche Truppen hier waren. Vermessung des Kirchhofes.

1814     Organisten- und Schulhaus ist einer Reparation gar nicht mehr fähig; es soll ein neues gebaut werden.

1815    Reparation der Kirche.

1816     Organistenhaus und Scheune gebaut.

1819     Reparation der Orgel.

1820     Reparation des Pastorats.

1823    Reparation an der Orgel.

1826     Turm repariert.

1829     Ausgaben für Reparation des Pastorats und des Organistenhauses.

1830     Ausgaben für die gleichen Zwecke.

1832     Reparation der Kirche; des Pastorats, des Organistenhauses.

1833     wie 1832, dazu Reparation des Kirchturmes (letzteres sehr hohe Summe).

1834     Eine Ausgabe an den Orgelbauer Möller mit noch vielen Ausgaben für die Kirchturmreparatur.

1835     wird eine Erweiterung des Kirchhofes nötig.

1836     Reparation der Kirche und des Pastorats.

1838    Reparation des Pastorats.

9. April 1904 Triumphkreuz (aus dem 15. Jahrhundert) auf dem Boden soll erneuert werden. Kosten 800 Mark, 400 Mark hat Provinzialverein für Kunst und Wissenschaft und Denkmalspflege bewilligt.

3. September 1904 Kirchturmrenovierung. Inseln aus Granitstein mit Bibelsprüchen.

17. August 1907 Direktor des Flensburger Kunstgewerbemuseums, Herr Dr. Sauermann, besichtigt den Schnitzaltar. Die Gemeinde hat im Jahre 1879 den alten Altar, der ein Marienaltar ist, außer Gebrauch gesetzt und dafür eine Schöpfung des Malers Wrage, die die Auferstehung Jesu darstellt, an die Stelle gesetzt. Der alte Schnitzaltar, ein sogenanntes Triptychon, stammt aus dem 14. Jahrhundert.

21. September 1907 In der Kirche wird eine neue Dampfheizung angelegt. Als man den Boden für den Heizkeller aushebt, werden viele menschliche Gebeine ans Tageslicht befördert. Man sieht deutlich, wie früher die Leichen übereinander gelegt worden sind, die letzten haben kaum einen halben Meter Erde über sich.

26. Oktober 1907     Fest der Einweihung des Triumphkreuzes.

13. Januar 1912 Kirche bekommt Kokosläufer. Am 17. Januar soll die Gedenktafel für die 1870-1871 Gefallenen enthüllt werden.

30. März 1912   Am Kirchturm sind Reparaturen vorgenommen worden.

20. Juli 1925 Kirchturm instand gesetzt, Zifferblätter der Uhr neu hergerichtet, Ziffern und Zeiger neu vergoldet. Orgel hat neue Pfeifen erhalten: das Prinzipal, dessen schöne Zinnpfeifen dem Kriege zum Opfer fielen, ist jetzt wieder eingebaut. Seine vollen und dabei weichen Töne bedeuten eine erfreuliche Verbesserung des Orgelwerkes. Außerdem ist im Oberwerk ein nahezu unbrauchbares Register durch ein solches von außerordentlicher Weichheit des Tones ersetzt worden.

1. September 1928 werden zwei Glocken heruntergenommen, um in Lübeck umgegossen zu werden, weil sie schadhaft geworden waren.

 

Vom Rechnungswesen der Kirche

 

Auf diesem Gebiet hatten in der Hauptsache die vier Kirchschworen Mühwaltung und Verantwortung zu tragen. Sie hatten darüber jährlich Rechnung abzulegen. Vom Jahre  1573 her sind darüber die Berichte vorhanden, von denen aber auch ein restlos Wohlwollender nicht sagen kann, daß sie irgendwie kaufmännischen Geist verraten. Propst Vitus Barbarossa hat darin um 1647 Wandel geschaffen. Das im Kirchenarchiv noch vorhandene »Reglement«, ohne Datum, ist ohne Bedenken auf ihn zurückzuführen. Als Ziel stellt es die Behebung der bislang herrschenden Confusion hin, um dann zu schreiben:

1. Die Kirchenjuraten haben ihre Kirchen-Rechnung, so sie ein Jahr umbs andere wechselweise führen sollen, in Einnahme und Ausgabe unter klaren Rubriken aufzustellen, nemlich

 

Einnahme

 

1.    An Rezeß vom vorigen Jahr.

2.    Beständige Einnahme an Abgiften an die Kirche.

3.    Von verkauften, gelösten oder verheuerten Kirchen-Stühlen.

4.    Von verkauften oder eröffneten Begräbnissen.

5.    Von Glocken Geldern.

6.    Von Sammlungsgeldern in und für die Kirche.

7.    Von Umlagen über das gantze Kirchspiel.

8.    Von Verehrungen.

9.    Von aufgeliehenen Geldern.

10.  Einnahmen insgemein.

Ausgabe

 

1.    Auf ungezahlte Rezesse und Vorschüsse vom vorigen Jahr.

2.    Auf jährliche Salarien und Deputaten.

3.    Auf Reparation der Kirche, Priester- und Kirchenhäuser.

4.    Auf Bedienung des Altars und der Cantzel.

 

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5.       Auf Reisekosten, Post und Botenlohn.

6.       An Visitations-Kosten.

7.       Auf Bestellung neuer Prediger.

8.       Auf Reparatur der Orgel, Glocken und Uhren.

9.       An bezahlten Capitalien und Zinsen.

10.    Ausgabe insgemein.

 

2.    Die Kirchenjuraten haben fleißig dahin zu sehen, daß jeder in dem Jahre seiner Rechnungsführung alle fälligen Gelder fleißig und unverzüglich samle und ein treibe, damit er den etwa folgenden Überschuß auf das künfftige Jahr baar und ohne Restanden überliefern könne an seinen Collegen.

3.    Sollte aber über vermuhten, aller angewandten Mühe ungeachtet dennoch etwas in Restanden zum Ausgang des Jahres bleiben, so soll derjenige, der solche Restanden hat, selbige ordentlich und genau von der Stadt oder jedem Dorfe eingeben und Liquidation denen Herren Visitatoribus präsentiren, damit solche bei Ablauffung des Jahres vermittelst Vorforderung der restierenden möge liquidiret werden.

4.    Solche liquidirte Restanten soll dessen College und Nachfolger in der Rechnungsführung gehalten seyn, in seine Einnahme vom folgenden Jahre unter der
Rubrik »An Rezeß« unter Abteilung »an liquidirten Restanten« als Baargeld nehmen und sich befleißigen, dieselbe in seiner Jahresrechnung ferner möglichst beyzutreiben, daferne aber ihme ebenfalls alle Restanten beyzutreiben unmöglich wäre, überliefert er solche wiederum seinem Nachfolger auf obgesetzte maaß und weise.

5.    Solten die Kirchgeschwornen bey denen Kirchspiel-Leuten mit der Kirchen-Pfändung und Execution über verhoffen nicht fort kommen können, sonder wiedersetzlichkeit finden, also das schärfere Mittel zu gebrauchen nötig wäre, haben Sie jeden orts respective Königl. Fürstl. oder Adel, obrigkeit ohngesäumt deswegen anzurufen, welche dan nicht ermangeln wird, denen selben die hülffliche starke Hand mit nach druck zu leisten.

6.    Wegen der einkommen an Glocken-, Begräbniß- und anderen Geldern von dergleichen Natur sollen die Kirchgeschwornen acht haben, daß weder die Glocken gezogen, noch Begräbnisse eröffnet werden, ehe und bevor solche gelder baar Ihnen erleget und bezahlet seyn, widrigenfals sie selbst davor gehalten und Ihnen solche zu restanten passiret werden.

7.    Solten der Küster und Kuhlengräber sich gelüsten laßen, den Thurm oder einige gräber, sei in der Kirchen oder auff dem Kirchhoff, ohne gebührliche vorhergehende Anmeldung bei dem Kirchgeschwornen, so selbiges Jahr die Rechnung führet, eröffnen oder von andern eröffnen zu lassen, so sollen sie solches stets selber zu bezahlen gehalten seyn.

8.    Damit auch die Begräbniß und Glocken gelder um so richtiger einkommen und nichts davon versäumt werden möge, so wollen die Herrn Prediger verbindlich niemanden zur Leichen-Bestattung zulaßen, ehe sie einen gewissen Schein von dem Rechnung führenden Kirchgeschwornen eingebracht, daß solche Gebühren richtig und baar bezahlet.

 

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9.    Wenn auch von dem Ambte konsentiret werden solte, daß jemand ohne ordentliche Leich-Ceremonien des Abends oder sonsten in der stille seinen Todten beysetzen möchte, soll nichts desto weniger Artikel 8 gelten und sowol die glocken und Begräbnißgelder als der Herrn Prediger gebür völlig Bezahlet werden.

10. Wegen der Stuhlhauer in der Kirchen sollen die Kirchgeschwornen ebenfals nicht länger solche einzumahnen anstehen als biß ausgang des Jahres, und andersolche zu bezahlen säumig wäre, sollen sie den Stuhl mit einem stück Holtz übernageln und die Execution und Pfändung darauf thun.

11.  Wegen der samlungsgelder haben Sie zu observiren, daß solche an den hohen Festtagen oder wann sie sonst gesamlet werden, sofort nach geendigter Predigt von ihnen im Beisein der Herren Prediger gezählet, darüber von diesen ein schriftliches artest genommen und damit ihre einnahme bescheiniget werde.

12.  Sollen die Kirchgeschwornen, was die ausgaben anbelanget, dahin sehen, daß die jährl. Salarien und Deputatgelder denen Herrn Predigern und Kirchendienern auf die fälligen Termine und längstens bis zu ausgang jeden Jahres richtig bezahlet werden, inmaßen demnach dem Rechnungsführer nichts davon in seiner Jahresausgabe passieret werden soll.

13.  Gleichmäßige Verordnung soll auch wegen der von Kirchen jährlich zu bezahlenden Interesse-Geldern (Zinsen) gehalten werden.

14.  Wie denn die Kirchgeschwornen mit aller macht sich dahin zu bestreben haben, daß von den Überschüssen nicht allein die jährlich fälligen Renten, sondern auch die bereits aufgenommenen Capitalien nach und nach abgetragen und ferner ohne die allergrößeste noth, auch Consens der Herren Visitatoren keine Capitalien mehr aufgenommen werden mögen.

15.  Haben die Kirchgeschwornen auch fleißig ferner dahin zu sehen, daß bey dem Altar und der Cantzel es an Wein, oblaten, Wachslichtern und andern benöthigten Sachen nimmer zu rechter Zeit fehle, dieselben auch mit bester Menage eingekauftt werden, insonderheit aber, daß die jährlich überbleibende alte wachs Lichter zu Verfertigung der neuen wieder verwendet und nicht von Händen gebracht werden.

16.  Sollen die Kirchengeschwornen keine Reparation über 2 Reichstaler ohne Anmeldung bei den Herren Visitatoribus und deren Zustimmung thun. Inmaßen alle der gleichen, worüber mehr als 2 Reichstaler werden, zu keiner Ausgabe passieren sollen.

17.  Wenn auch würklich etwas reparirt wird, haben Sie dahin zu sehen, daß solches alles aufs genaueste bedungen werde und insonderheit acht zu haben, daß diejenigen, so bey Tagelohn daran arbeiten, nicht die Kirche mit unnützen Tage dieben in Kosten und Schaden bringen.

18.  Auch haben Sie aufs allerfleißigste sowol bey dem Kirchen-Thurm als deren Häusern jährlich ein oder zweimahl Visitation vom Dach und Fach zu thun und dahin zu sehen, daß solche zu rechter Zeit im Vorjahre und Sommers vor dem Herbst repariert werden, damit die Kirche an den Gebäuden hiedurch keinen Schaden erleiden möge.

19. Daferne auch der Küster oder auch andere in der Kirchen und dem thurm,

 

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wie auch diejenigen, die die Kirchen Häuser bewohnen, oder gesinde, einigen Schaden und ruin an den gebäuden muthwillig verursachten, haben sie auff ihr Eyd und Pflicht solches sofort bey den Herrn Visitatoren anzumelden und zu sorgen, daß solches von den Schuldigen reparirt und bezahlet und der Kirche desfals nicht zur ausgabe gebracht werde.

20.    Sollen die Kirchgeschwornen, zwar jeder in seinem gewöhnlichen antheil, ihre Hebung und Sammlungen verrichten. Es soll aber nicht ein jeder für sich selbst eine rechnung von eben selbigem Jahre fuhren, sondern es soll nur eine Kirchenrechnung von jedem Jahr gehalten werden, welche von Jahr zu Jahr von den Kirchgeschwornen wechselweise geführet werden soll, alß dann der rechnungsführende auch nur allein die Ausgabe haben und alle einnahme zu rechnung führen soll; die übrigen aber sollen dasjenige, so sie jeder von ihrem antheil heben, bei demselben einliefern und von Ihm  Quittung darüber nehmen.

21.    Die Kirchenrechnungen sollen allezeit mit endigung des Jahres geschlossen und von neu Jahr zu neu Jahr geführet werden.

22.    Die Einnahme wird (soferne es nicht außerordentliche Einnahmen seyn) ohne Datum in anschlag gesetzet; die ausgaben aber sollen allezeit mit Verzeichnis des Tages und Monats angeführet werden, wie auch mit Berührung dessen, wozu ein jedes verwendet worden.

23.    Zu Verfertigung der Kirchenrechnung mach der Rechnungsführer jährlich einen Reichstaler zur Ausgabe führen, dafür er aber alsdann dahin sehen soll, daß solche jährliche Rechnung nach oben vorgeschriebener maaße ordentlich und deutlich verfertiget werde, und daferne er selber solche nicht einzurichten vermag einen Rechnungskundigen verständigen Menschen dazu bemühen, damit bey der abnahme denen Herren Visitatoribus durch Confusion und Unrichtigkeit keine unnötige Bemühung verursacht werde.

Welches alles und jedes also fleißig zu beobachten ist, widrigenfals die Kirchgeschworene dafür angesehen und bestrafft werden sollen.

 

Die Juraten klagen Pastor Peper an wegen Waldfrevels

 

An den Herrn Etatsrath und Ambtmann.

»Ew. Excell. haben wir hierdurch unterthänigst hinterbringen sollen, was gestalten der Herr Pastor P. gestrigen Tages ohne unser Wissen 4 Bäume aus der Kirchen-Hölzung hauen laßen, unter dem Vorwandt, daß Ihm jährlich 3 Bäume gehörten und dahero vor 2 Jahre haben müsse - ob wir nun solchen Anspruch, bevor Ew. Excell. hoher Consens uns geworden, dem Herrn Pastor nicht zustehen können, so müßen wir Excell. gnädige ordre hierüber sowohl, als wie es mit dem von den 4 Bäumen abgerißenen Borgcke und 2 so noch stehen, welches letztere der Herr Pastor schon verkauffet, wir aber es von unserm H. Kirchspielvogt auf dem Felde mit arrest belegen laßen, gehalten werden solle, unterthänigst gewärtigen.

Wir ersterben
Brambstedt, den ? May 1727

Ew. Excellence unterthänige Knechte
die Kirchgeschwornen der Bramstedter Kirche

                                                                              

                     

 

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Bauverträge wegen Erneuerung des Turmes

 

I. 1634

 

»Anno 1634 den 16. November Is wegen des gantzen Caspells dhe Karckhern dorch dhenn pasthoren und Johann Vagett (Kirchspielvogt) unde dhe veer Karcksworen, wegen des gantzen Caspels Hans Bulte, Clawes Steckmest, Hinrich Rungen, Hans Hardebecke, Jasper Rungen, Jasper Lindemann mit Hans Selmers tho buwen Ihnn allen Stücken unde punkten verenigett:

Ehrstlinck dhen olden Thorn dhall tho Nhemen, de Klocken unfeilbhar ahne Jennigen (jeden) Schaden op de Ehrde tho bringen. Item dhen Klockenstoll tho hengen up dhenn Karckehoff, beth dhe Neye Thorm ferdich und whenn de Thorm ferdich Is, widderum Ihn dhen Neyen Thorn tho hengen, datt dhe Klocken keinen Schaden kriegen. Darvor schall Hans Selmers vor allen Schaden Stahn und hafften.

Thom anderen dhar dhe Thorn up Sthan Schall, datt Fundament tho Leggen und ferdich Maken. Dartha Schall dhe gemenhe Stehne und Baken (Balken?) und Ellheren hollt schaffen. Hans Selmers Schall Idt ferdig Macken bei Seiner Unkostinge.

Thom drudden Nha dhen affreis dhen Thorn bhouwen und datt Sporndack houwen. Dhe Spitz ganz ferdich decken, dhenen Spornnagell (Mehrzahl) dartho verschaffen sovell thom Thorn nhödig Is, Wath Sonsten de Stange mith dem Flügell (Wetterhahn) und andern Isern, als Nhagell und ancker Scholen dhe gemende dorch de 4 Karcksworen dartho verschaffen.

Thom veerden dhe olde Mhur des geweis (Giebel) dhall tho Nhemen, damit dhe Sthen nichtt allen tho braken warden, und dhen Kalck dorch unse Lüde uth lesen werde und dhe Sthene ahnn Einen Ortte hen gesetteth werden. Thom vofftens whenn dhe olde gevell dhall genhommen Is, Kalck und Sthene vhon Flick (Fleck, Ort) gelesenn worden Is, Sho schall Meister Hans dhenn olden Kalck up Seine unkostinge Bhrenn (brennen?) laten, dhe Caspellüde scholen datt gellt dartho verschaffen.

Thom Sosthen dhe Mhur des gantzen Thorm Twe Sthen dick vhon Neddenup beth ahn dhe Spitz up allen Sieden den Thorn tho Mhuren. Dhe gemenhe Schollen Sthen und Kalck dartho verschaffen. Hans Sellmers Schall dhen Thorn gantz verferdigen, datt unstrafflich Is. Hans Sellmers schall uth den Caspel hebben Ein hundert und twe Mhan (Mann), scholen Ihm datt holtt Bhehouwen Edder who he She (sie) tho vhonnöden hefft. Dhe Bleckes Lüde scholen Ehren hantt denst thom Thorm dhon nehmlich Ehres Brewes (vom König) datt She hebben, als She Schuldich Sein.

Thom Schouen dhe Caspellüde Scholen den Mhurmhan Stellinck holtt und Wheden und Sovell Sele (?) up als tho den Stellinck vhon Nödhen, verschaffen Jochim westvalen Vörantworden. Thom achten when dhe Thorn mith gottes help schall gerichten werden, Scholen dhe gantze gemehne dar Sein, Khemannt (niemand) buten Bescheden. Wher nichtt thor Stede des Morgens gegen Tein, scholen Stracks ghepandett werden. Thom negen vor datt Arbeidt schall Meister Hans Selmers ahn Rhedenn gelde hebben Twe dusentt und fiefhundert Marck und den olden Thorn dhre hundertt Marck upnehmen, Is dhe summe 28oo Marck und Seine frouwen Ein Rhosen Nobell1), Hans Selmers tho gottes penninck 2 Ricks gulden. Thom Teyen Hans Selmers vhon alle den Caspellüden und Bleckes Lüden, datt hoveners (Hufner) Sein, hebben Ein Mettwurst und Ein Roggen Brott.

 

Johann Vagett

(Doppelsiegel).

Jochim westvalen
Tewes hardebeck

hanß Mhor
markuß loman«

                                                                                                                    

 

Weitere Anmerkungen. Im letzten Teil von Abschnitt 6, wo die Handdienste verhandelt werden, ist es sicher so gemeint: Die Kirchspieldörfer stellen Leute zum Behauen des Holzes, sind im übrigen gegen Zahlung von 100 Mark von Diensten am Turmbau frei. Die Fleckensleute leisten unverkürzt diese Dienste gemäß bekannter königl. Verordnung.

Die Zahlung der vereinbarten Bausumme erfolgt in Raten, wie folgt:

Am 21. November 400 Mark, die Hans Fulendorp »gelenet«.

Von einer zweiten Rate wird bestätigt, daß Hans Sellmers das Geld »getellet«.

100 Mark werden durch Hergabe von Karken Roggen abgedeckt.

»Am 26. February wird Hans Sellmer vor den Thorn Richtich Betalett Ihn Beiwesende dehr 4 Karck Sworen und Johan Vagett.«

Und der Baumeister quittiert:

H. XX S

und dazu der Kirchspielvogt: »Dütt Is Selmers Sein Mark«.

 

2 . 1668

»Im Nahmen der hochgelobten Dreyeinigkeit. Amen.«

»Kund und zu wissen sey hirmit Jeder Männiglichen, bevorab denen, welchen daran gelegen, daß an Endesspezifirten dato zwischen den Vier Kirchschworen zu Bramstede, alß Hans Fulendorff, Hans Mohren, Marcus Grippen und Jürgen Gloyen wie auch den Vieren vom Flecken und Kirchspiel verordneten Bevollmächtigten, alß Clauß Steckmesten, Gerd Wulffen, Titke Hardebeck und Hinrich Titken, einentheils, und Johan Spreen, wohnhaft in Hamburg und ambts Bruder daselbsten, wie auch Johann Hegermann, ambts Bruder zu Schwerin, anderen theilß, wegen des Baufälligen Mauerwerkes an der Kirche zu Bramstede an der Westenseite dieser unwiederrufliche Contract geschlossen worden. Es haben besagte Mauerleute, auch besagte Kirchen und Thurm Mauer auff glauben zu repariren angenommen und sich verobligiret, selbe von unten biß oben in der Breite, darin sie stehet, herunter zu nehmen, ein neues Fundament zu legen und von unten biß oben eine neue Mauer, so hoch und breit die alte

___________

1) Rosennobel: Goldmünze mit eingeprägter Rose auf jeder Seite. Wert reichlich 20 Reichsmark. Oft mit Öse versehen, da Frauen ihn als Anhänger schätzten, auch als Amulett betrachteten.

 

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gewesen, wieder aufzuführen, einen Kalckschläger und Zurichter, so lange die arbeit wird währen, auf ihre eigenen Unkosten zu halten, die alten Steine, so zum gebrauch wieder dienen sollen, selbst ohne einige hülffe der Gemeine reinzumachen, und soll die zu bauende neue Mauer unten fünf, oben aber Vier Steine Dicke gemacht werden. Dafür gibt Ihnen die Kirche und Gemeine an arbeitslohn Zwei Hundert Neunzig Mark l., schaffet daneben unsträffliche Handlanger, so viel sie begehren und nötig haben; würde einiger Mangel an solchen Pflegern sich eräugen und also die arbeit nicht fortgehen können, haben die Mauerleut vor ihre Versäumniß ihr Tagelohn zu fordern. Die Kirche und Gemeine schaffet alle Materialien, so vonnöthen, zu allerzeit, damit die Arbeit nicht werde aufgehalten. Mit der arbeit soll im Vorjahr (Frühling) deß obhandenen (kommenden) 1669sten Jahres, und zwar auf Fastnacht der anfang mittelst göttlicher Hülffe gemacht werden. Die Mauerleute alimentiren und versehen mit dem Nachtlager sich Selbsten, womit die Kirche und Gemeine nicht hat zu schaffen. Sie verpflichten sich darneben, daß, wenn zu dieses Bau- und Mauerwerkes besten etwaß von Verständigen leuten erdacht und beygebracht werden könte, Sie dasselbe für genehmb und eben so woll, alß wen es mit in diesem Vergleich spezifiziret wehre, zu verfertigen gebunden sein wollen.

Uhrkundlich und ohne arge list und gefährde diesen Contract zu halten, ist er von beiden theilen unterzeichnet, und sind zwey Exemplar aufgerichtet, davon einß den Mauerleuten übergeben, daß andere aber bei den Kirchgeschwornen und Bevollmächtigten verblieben.

So geschehen zu Bramstede am Sechßzehenden Sontage nach Trinitatis Anno Eintausend sechßhundert acht und Sechßzig.«

(Folgen noch die Unterschriften der eingangs genannten zehn Männer, von denen nur Titke Hardebeck nicht formgerecht unterzeichnet hat.)

 

Die Kirchenvisitation als finanzielle Angelegenheit

 

Nachstehende wortgetreue Wiedergabe einer vom derzeitigen Kirchspielvogt ausgefertigten Rechnung samt Empfangsvermerk unterrichtet uns getreulich, was für Kosten im Jahre 1699 eine solche Visitation verursacht hat. »Waß ich zu tractirung der Herren Visitatoren, alß Ihr. Excell. Herr geheimbter Raht von liliencron, Herr Justice Raht von Reder und herr vice Prepositus Burchardus, ungleichen der Hr. ambtschreiber und deren Bedienten, die beden orgenisten, auch samplichen alten und neuen Kirchgeschworn, Welche die Visitation am 22. May hirselbst, angekaufet und verunkostet.

vor 2 lämmer  ................................................................................      4 Mark   8 Schilling

vor 2 Capaunen   .........................................................................       1 Mark 12 Schilling

vor 1 (?) haasen (einige?) ...........................................................      2 Mark

vor 7 Schnepfen à 3 Schilling   ..................................................      1 Mark   5 Schilling

vor 30 Junge spreen  ................................................................... ..................... 15 Schilling

 

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vor 6 Junge huner.........................................................................      1 Mark   8 Schilling

vor Fisch und Krebse  ................................................................       3 Mark   8 Schilling

vor Eyer   .............................................................................................................. 8 Schilling

vor weiß brodt..............................................................................      2 Mark   8 Schilling

vor ausgesicht Rocken brodt.....................................................      4 Mark

vor weitzen Mehl..........................................................................      1 Mark   8 Schilling

vor Butter......................................................................................      6 Mark

vor 30 pfund rindtfleisch à 3 Schilling......................................      5 Mark 10 Schilling

vor 1 viertel von Kalb..................................................................       2 Mark

vor 1 ochsen Zunge.......................................................................................... 12 Schilling

vor rediß und Rettich  ........................................................................................ 4 Schilling

vor fransch brantwein.................................................................       5 Mark

vor wein, darvon nach des hr. Pastoren hauß gekommen             16 Mark

vor geringen wein........................................................................       2 Mark

vor 1 Tonne bier in hamburg bezalt...........................................     11 Mark   8 Schilling

vor 6 Pfd. asperges à 9 Schilling................................................       3 Mark   6 Schilling

vor Petersilienkraut ............................................................................................. 4 Schilling

vor Morgeln (Morcheln).............................................................       1 Mark   8 Schilling

vor stikel bern   ................. .................................................................................. 8 Schilling

vor krobb Sallat.................................................................................................. 12 Schilling

vor gewurtz und Zucker..............................................................      4 Mark   8 Schilling

vor Fracht, die Sachen von Hamburg zu bringen....................       3 Mark

vor Holtz und Kohlen..................................................................      4 Mark

vor der Frauen, so in der Küche geholfen................................       2 Mark

vor 2 Tonnen haber.....................................................................     12 Mark

vor 10 pferde rauh futter  ...........................................................      2 Mark

Summa 107 Mark

(gez.) Detlef Averhoff.

vor meiner Mühe auch licht und betten rechne nichts,

brambestedt den 25. May 1699.

Mit 107 Mark zu danck bezahlt,

(gez.) Detl. Averhoff.

 

(Anmerkung. Dem nachdenklichen Leser wird die Mitteilung willkommen sein, daß in jenen Tagen der königl. Kirchspielvogt zugleich konzessionierter Inhaber einer offenbar in gutem Ansehen stehenden Gastwirtschaft gewesen ist.)

Die vorstehende Kostenrechnung hat noch einigen Staub aufgewirbelt, da sie diesem und jenem denn doch zu hoch erschien und auch anderer Mängel bezichtigt wurde. Was die Höhe des Betrages anlangt, so mag der Leser sich selber ein Urteil bilden. Das Pfund Rindfleisch ist eingesetzt mit 3 Schilling = 22 ½ Pfennig deutscher Reichsmünze. Nimmt man daher seinen Maßstab für den gesamten Aufwand, so kommt man zu einer Summe, die über 500 Reichsmark in heutiger Währung hinausgeht.

Der erste, der sich hierzu zum Worte meldet, ist Pastor Hartnaccius, der ins Feld.

 

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führt, daß derartige Gastmahle nach altem Brauche im Hause des Predigers abzuhalten seien; und ferner, daß bei seiner Einführung nicht entfernt ein ähnlicher Aufwand gemacht worden sei. Zu offenem Streit ist es demnach erst 1702, dem Einführungsjahr des Genannten, also mindestens drei Jahre nach bewußtem Mahle gekommen.

Hartnackens Gesuch und Beschwerde in dieser Sache liegt urkundlich nicht vor. Es steht aber fest, daß er die Juraten beschuldigte, und aus dem Antwortschreiben werden die springenden Punkte des Angriffe hinreichend klar.

Die Juraten bedanken sich zuvörderst bei dem Visitatorium, daß der Inhalt der Anklageschrift ihnen bekannt gegeben wurde. Sie nennen es »irrig und unerweißlich, was der Pastor vorgegeben, nämlich daß die Kirchgeschworen von Hardebeck und Föhrden die Speisung in seinem Hause für all und jeden, den er erwähnt, bestellt haben. Wie denn auch der H. Pastor sich zur ungebühr über den Herrn Kirchspielvogt einer bey voriger Visitation unternommenen Speisung wegen beschwert und sich auff die damahlige, ingleichen auff die bey seiner Introduction verwandten Kosten gahr vergeblich beruffet.« Der Kirchspielvogt habe bey gedachter Visitation auf des Sel. H. Pastoren Galenbeck Vorstellung, daß seine Frau sich nicht wohl fühle, solche Mahlzeit auszurichten, und auf vielfältiges Bitten der Frau Pastorin, wie auch der Juraten die Mühe der damaligen Speisung ungern auf sich genommen. Was derzeit in drei Tagen die Herren Visitatoren und der H. Amtsverwalter mit Dirnen, Knecht und Pferden, imgleichen die Kirchgeschwornen »verzehrt und sonsten«, sein auf etwas über 100 Mark zu stehen gekommen. Damit sei aber nicht gerechtfertigt, daß der Pastor seine einzige Mahlzeit (bei letzter Visitation) mit 75 Mark berechne. Auch die Zehrungskosten bei der Einführung, die nach Angabe der Gegenseite ebenso hoch kommen sollen, belaufen sich nur auf 53 Mark 12 Schilling.

»Hätte also der H. Pastor darnach, daß die Herren Visitatoren nur eine Mahlzeit bey Ihm, die übrigen aber in Ihrem logiment bey dem Herrn Kirchspielvogt speisen, seine Maßnahmen treffen sollen, damit Er die nachgebliebenen Speisen mit seinem Weibe und Kindern allein verzehren können und nicht nötig gehabt, uns und unsere Weiber, denen Er die Mahlzeit wieder aufrücket, dazu zu invitiren (einzuladen).« Demnach machen die Kirchenvertreter geltend:

a)   Es ist nicht anzunehmen, daß einer von ihnen gegen das alte Herkommen die Mahlzeit anders als in des Pastoren Haus bestellt habe und daß solche auf 2 Tage anzurichten sei; das Gegenteil werde nimmer zu erweisen sein.

b)  Dem Herrn Pastoren, der die Kirchenbücher durchgesehen, muß bekannt sein, wie »hoch in außrichtung solcher einzigen Mahlzeit zu gehen sei«.

c)   Wenn der Herr Pastor zu viel angeschafft und daraus einen Schaden haben sollte, so fällt das allein auf seine Verantwortung.

d)  Wir haben deswegen nur 12 Reichsthaler für die Speisung bezahlt, weil wir die Rechnung als zu hoch erachtet und demnach pflichtgemäß um Ermäßigung nachgesucht haben.

Auf weitere unerhebliche und überflüssige »Einwände« der Gegenseite sich hier einzulassen, erscheint ihnen nicht würdig; selbstverständlich aber bedeute ihr Schweigen nicht im geringsten ein Einräumen.

Ihre Bitte an die Visitatoren geht dahin, besagte Rechnung zu moderieren und alle durch gegenwärtige Verhandlung entstehenden Kosten dem Gegner aufzubürden.

Das Gesuch des Pastoren spricht noch den Wunsch aus, die Kirchenvisitation und die damit verknüpfte »Traktierung« künftig allein im Pastorat abzuhalten. Dazu nehmen die Juraten in folgender Weise Stellung:

Gegen die Unterbringung und Bewirtung der Visitatoren in des Predigers Hause haben sie grundsätzlich nichts einzuwenden. Es würde indessen gegen alle Zivilisation verstoßen, wollte man den Herren Visitatoren solches aufzwingen; es müsse auch der vorgesetzten Obrigkeit freistehen, den ihr untergeordneten Geistlichen in das Haus des Kirchspielvogts zu rufen. Man solle solche Dinge in das freie Entscheiden der Obrigkeit stellen. Weiteren Bericht gibt das Archiv nicht.

Von besagtem Pastor Hartnaccius, wie er selbst unterschreibt, liegt eine Quittung vor, was bei seiner Einführung alles zu leisten war. Wir lesen: »Daß die Christliche Gemeinde zu Bramstäd so wohl im Flecken alß auch dahin eingepfarrten Dorfschaften, mir endes benahmten die Tentamens- und Ordinations-, Reise Kosten und dafür erlegte Gebühren, die überfahrt meiner und folgends auch meiner Sachen und Bücher von Wandsbeck und Rendsburg, aus guthem freyen willen wieder vergolten, solches thue ich danckbahrlichst hirmit alß verlangter maßen bescheinigen.

Bramstäd, den 5. August 1702.                                   (gez.) Unterschrift

 

Die Unstimmigkeiten zwischen dem Pastor H. und seiner Gemeinde scheinen nicht zur Ruhe gekommen zu sein. Doch auch sein Verhältnis zu Propst und Kirchspielvogt ist nicht das beste.

Dem Blatt, dem folgende Nachrichten entnommen wurden, fehlt das Datum. Doch ist es Pastor Hartnack, der folgende Beschwerden seinem Vorgesetzten vorträgt.

Der Herr Probst lasse ihm gegenüber nicht die Königl. Kirchenordnung als Richtschnur in Sachen des Gnadenjahres gelten. Das gereiche ihm, dem P., zum Schaden. Hinsichtlich seines Einkommens sei er überhaupt ungünstig gestellt. Er sagt:

»Der Herr Pastor zu Kaltenkirchen hat seine pfarr unbezwackt (unangetastet) und im wohlstande gefunden. Meine Amtvorgänger aber haben durch Kirchspielvoigt und Kirchenvorsteher die nahesten, besten acker, die Königl. Majestät zur Kirchen verordnet, Schäuer und anderes verwüsten lassen.«

Dazu finden wir folgende Entgegnung:

»(das) ist nicht wahr, weil die vor vielen Jahren vorhanden gewesene kleine Schäuer von dem damahligen Priester aus eigenen Mitteln erbauet und nachgehends wieder verkauffet worden und die wenigen kleinen Blöck Landes sind

 

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auf der damahligen Herrn Pastore ansuchen und Begehr mit Konsens der Kirchspielvoigte und Kirchenvorsteher, weil keine andern Visitatoren gewesen, mit einigen Häusern gebaut und bey andern Häusern als Kleingärten geleget, davor die Pastoren Jährlich ein gewisses bekommen, und sind der Kirchen noch ewig einverleibet, wie Ihm (Pastor) bey der visitation vorgeleget.«

Die Hauptsache steht an anderer Stelle.

 

Das Einkommen des Bramstedter Pastoren

 

Auf Anforderung des Visitatoriums geschätzt von den

vier Juraten des Kirchspiels 1706

 

Die Kirchgeschworn hatten bestimmte Fragen zu beantworten, die hier beibehalten werden. Anlaß war die von Pastor Hartnack vorgetragene Ansicht, daß er finanziell schlechter dastehe als seine Amtsbrüder in der Propstei. Nach Sachlage ist zu vermuten, daß die Juraten nicht abgeneigt gewesen seien, Unterschätzung zu vermeiden. Die Wiedergabe erfolgt wörtlich.

»Frage 1: Wieviel ungefehr dem Pastorn gegeben werde als Beichtpfennig, gegliedert in 6 Stufen: Hausmann oder Wirth; dessen Frau; Kätner oder Inste; dessen Frau; Knecht oder Magd.

Antwort: Solches ist uns unbekannt, stehet in eines jeden freyen willen, und wir glauben, daß der Herr Pastor selbst nicht weiß, wieviel das Beichtgeld jährlich einträgt. Wir vermuten, daß es nicht viel über 200 Mark bringen wird. Falls der Herr Pastor es anschreiben, kann er die beste nachricht davon geben.

Frage 2: Wieviel ungefehr zum gewönlichen Opfer? Abstufung wie bei 1.

Antwort: Jede Persohn, so zum Tisch des Herrn geht, giebt jährlich zum Opfer 6 Pfennig, der Herr Pastor in allen Dörffern Hauß bey Hauß selber sammeln muß, und ist uns unmöglich bekannt, wieviel Persohnen davor sein. Doch vermeinen wir, daß solches Opfer nicht über 24 Mark einträget.

Frage 3: Wieviel für ein Kind zu Tauffen?

Antwort: Dieses ist kein Gesetz; einige geben 16, andere 12, 8, auch mal 6 Schilling, je nach Vermögen; nach unsrer meynung kann nicht über 36 Mark gerechnet werden.

Frage 4: Wieviel für Berichtung eines Kranken?

Antwort: Ist ebenfalls kein Gesetz; einige geben 6 oder 8 Schilling, die höchsten 12 - 16 Schilling. Dieses Kömbt aber selten und bringt wenig.

Frage 5: Wieviel für eine Leich Predigt in der Kirchen? Wieviel für einen Leich Sermon beym Grabe?

Antwort: Der itzige Pastor hat uns aufgedrungen, daß die gemeine vor eine leicht Predigt von der Cantzel 1 Reichstaler, vor einen Sermon vorm altar 2 Mark und am grabe 1 ½, auch 1 Mark geben müßen. Kan ohngefehr 90 Mark austragen.

Frage 6: Was sonst für Accidentien ein fallen.

 

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Antwort: Ist dem Pastoren am besten bekant, weil er gegen uns nichts davon erwehnet. Die Copulations können etwa 20-25 Mark bringen.

Frage 7: Wieviel Jährliche Heur für ein mittelmäßiges Hauß in Bramstede gegeben wird.

Antwort: Wan ein Klein abbescheids Hauß dann und wann zur Hauer ist, wird Jährlich davor 6, 7, 8, 10 und wohl 12 Reichstaler bezahlet; die übrigen Häuser stehen alle vor 1/3 Pflug und werden von Ihro Kgl. Maj. unterthanen bewohnet und die monatliche Contribution bezahlet und sind davon gar keine zur Haur.

Frage 8: Wieviele Jährliche Heur für eine gantze Huffe Landes des Ohrtes gegeben werde.

Antwort: Es ist in Bramstede nicht mehr als des Pastoris und Kirchspiel Voigts Beyde ganze Huffen, die andern bestehen in drittel Pflügen, und ist von Beyden Huffen noch niemals eine verheuret worden, Wan wir aber unsere meinung sagen sollen, so schätzen wir des Herrn Pastoris Huffe für alles auf 20-25 Reichstaler Jährlich.

Noch hat der Herr Pastor Jährlich 32 Tonnen Heuer Rokken, so ohngefehr 128 Mark außtragen können.

Bramstede, den 16. Dezember 1706.«1)

 

Was ist ein Kirchenstuhl wert?

 

Ein Kaufvertrag des Branntweinbrenners Hinrich Micheels möge in etwas gekürzter Form hierüber Auskunft geben

Zwischen der Ehefrau Caroline Silberbaum geb. Wulfhagen und den Vormündern der unmündigen Kinder des weiland 1/3 Hufners Marx Fölster und dem Altenteiler Kröger, als Verkäufern und dem bereits genannten Käufer ist wegen des in der Bramstedter Kirche befindlichen unter Lit. F aufgeführten Kirchenstuhls nachstehender Kaufbrief vereinbart worden.

1.    Die Ehefrau Silberbaum und oben benannte Vormünder verkaufen den der ersteren und dem weiland Peter Fölster gemeinschaftlich zu eigen gewesenen, bereits bezeichneten Stuhl, wie er heute beschaffen und von den bisherigen Besitzern genutzt worden ist oder rechtmäßig hätte benutzt werden können, mit allen daran klebenden Rechten, aber auch Lasten und Beschwerden für die auf der Versteigerung am 28. September zu höchst gebotenen Summe 340 Mark Kurant.

2.    Die Kaufsumme ist bereits berichtigt. Die Tradition des Stuhls ist schon am 4. November vorigen Jahres erfolgt. Der Adjudikationsbrief, den Anteil des weiland Peter Fölster angehend, wird dem Käufer hierneben überliefert.

____________________________

1) Anmerkung. Um den Wert dieses Einkommens auf heutige Verhältnisse abstimmen zu können, sei hinzugefügt, daß man derzeit eine gute Kuh mit 30 - 40 Mark bezahlte, wie den Kirchenrechnungen zu entnehmen ist. Dabei offenbart sich noch ein weiterer Teil vom Einkommen des Pastoren: die Gemeinde hatte ihm dauernd zwei »eiserne Kühe« zu halten auf ihre Rechnung.

 

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3.    Die Kosten des Kaufbriefes mit Einschluß des Stempelpapiers und ½ Prozent Abgabe fallen einseitig dem Käufer zu.

4.    Beide Kontrahenten verpflichten sich, unter Verpfändung ihrer Habe und Güter diesen Vertrag in allen Teilen zu erfüllen und auf jegliche Einrede und Ausflüchte zu verzichten.

Dieser Kontrakt ist auf dem Königlichen Akturiate ausgefertigt, vorgelesen und demnächst von den Kontrahenten unterzeichnet worden.

So geschehen Bramstedt, den 8. März 1853.

(Folgen die Unterschriften der Beteiligten, dazu des Kirchspielvogts Laudan zu Bramstedt.)

Noch lesen wir: Vorstehender Kaufbrief wird hierdurch obervormundschaftlich approbiert.

Segeberger Amtshaus, den 10. März 1853.

gez. Rosen

Nachtrag: Die Unkosten belaufen sich auf 18 Mark 1½ Schilling Kurant. Am 13. Juni 1882 gibt Micheels selbigen Kirchenstuhl käuflich ab an Witwe Berta Reimers für 600 Mark, wobei er sich das Mitbenutzungsrecht auf Lebenszeit vorbehält.

 

Von der Armenfürsorge

 

Mitleid mit den Armen und Hilflosen und tatbereites Eintreten für sie ist eine der wesentlichen Forderungen, die die christliche Lehre an ihre Bekenner stellt. Daher ist es selbstverständlich, daß auf diesem Gebiet, dem mit wachsender Bevölkerung die private Bereitschaft immer weniger gerecht werden konnte, die Kirche sich an erster Stelle verpflichtet fühlte und auch dafür in Anspruch genommen wurde.

Die dafür erforderlichen Mittel sind in unserm Kirchspiel seit unbekannten Tagen als freiwillige Gaben eingeworben worden, sei es in Anlaß besonderer Schicksalsschläge einmalig oder regelmäßig als Begleiterscheinung gottesdienstlicher Handlungen. In letzterer Hinsicht ist dem Klinge- oder Klingelbeutel, geweiht durch Ort und Stunde, wo er in Funktion trat und tritt, durch sein vielhundertjähriges Bemühen, die Andächtigen zur rechten Zeit an irdische Gebundenheit zu erinnern durch fromm verhaltenes Klingen eines ihm angehängten Glöckleins, endlich auch durch die tröstlich erfreulichen Früchte seiner Anregungen, ein ehrenvolles Plätzlein einzuräumen. Wann er zum erstenmal die Reihen der Kirchengäste erfreut hat, das weiß niemand. Aber noch aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges liegen bestimmte Nachrichten vor.

Die vier Vertreter der Kirchengemeinde Bramstedt, die Kirchschworen Johann Bartels, Tewes Hardebeck, Hans Mohr und Marx Gryp, der erstgenannte zuständig für den Flecken, die übrigen für die Bezirke Wiemersdorf (nebst Fuhlendorf und Bimöhlen), Hardebeck (nebst Hasenkrog und Brokstedt) und Vom Borstel (nebst Hagen, Föhrden-Barl und Hitzhusen), haben 1641 dem Gedanken

 

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ihres Geistlichen und des Propsten Vitus Barbarossa zugestimmt, daß zur Abwehr der gesteigerten Not anstatt des bisher üblichen viermaligen »Umbganges« im Jahre der »Armen-Beuttel« an jedem Sonntage künftighin die Runde machen solle. Da auch der Hochgebietende Amtmann Casper von Bockwold, erbgesessen auf Pronstorff, seinen Consens gab, so schien dem Plane nichts im Wege zu stehen. Doch fanden die Kirchschworen noch ein Haar in der Sache. Diese hatten, darin offenbar ihren Vorgängern folgend, den bisherigen viermaligen Umgang in höchsteigener Person in Ehren bewerkstelligt. Sonntäglich aber mit der »Bede« umzugehen, das lag außerhalb der Grenzen ihres Ehrgeizes. So einigte man sich denn, dieses für die Erweckung der Gemeine als nötig befundene Werk dem Organisten anzuvertrauen, nun allerdings gegen eine Vergütung, die mit 3 Mark jährlich angesetzt wurde und am Ende des 17. Jahrhunderts auf 6 Mark angestiegen war.

Wir stehen an der geschichtlich nachweisbaren Quelle der hiesigen Armenpflege. Dem Prediger und den vier Juraten lag die Pflicht ob, die eingesammelten Gelder zu verwalten und nach Bedarf und Befinden zu verteilen, soweit es die Mittel gestatteten. An einem nicht genau bestimmten Tage des Jahres wurde der »Gotteskasten ausgezählt« von den Genannten. Gelegentlich kamen noch kleine Summen hinzu, sei es in Form von Rente für kleine Kapitalien, die man angesammelt hatte, oder in der Gestalt besonderer Zuwendung. So gliedert sich zum Beispiel 1692 die Einnahme folgendermaßen:

Von Michel Ordt Rentgeld auf 13 Mark. Kapital für 2 Jahre     1 Mark 10 Schilling

Hans Hinrich Finder hat an die Armen verehrt........................       3 Mark

In den Klingebeutel gesammelt.................................................. 182 Mark 13 Schilling

Noch an hartem Geld ...................................................................     11 Mark

Summe 198 Mark   7 Schilling

Die Höhe der Einnahme schwankte erheblich und hatte wenig Neigung, über 200 Mark hinauszukommen; 1641, im ersten Buchungsjahr unserer Quelle, betrug sie 63 Mark 15 Schilling.

Die Ausgabe beschränkte sich nicht völlig auf milde Gaben. Zunächst mußte jährlich dem Organisten seine bereits bekannte Sammelgebühr ausgehändigt werden. Recht oft wurde auch dem »Belgentreter« 1 Mark jährlich dafür gegeben, daß er, wenn auf dem Kirchhof Leichenpredigt gehalten wurde, die Tür zum Kirchhof zu öffnen und wieder zu schließen hatte. Auch mußte gelegentlich für die Instandhaltung des Gotteskastens (der Armenlade) ein kleines Opfer gebracht werden.

Im übrigen erfolgte die Verteilung, in jenem Jahrhundert noch Distribution genannt, nach ziemlich festen Richtlinien. Man unterschied Hausarme (Ortsarme) und Exulanten d. i. Heimatlose, Vertriebene und Wandernde. (An ein Armenhaus wurde noch nicht gedacht.) Wie schon angedeutet, war der Begriff des Exulanten nicht starr umschrieben, sondern hierin ein gewisser Spielraum gelassen. Endlich liegen auch Fälle vor, wo auf Wunsch oder Befehl hoher Persönlichkeiten gehandelt wurde. Ein besonderes Merkmal erhalten die Buchungen aus den Jahren

 

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1641-1698 (so der Bereich unserer Urkunde) dadurch, daß in der zweiten Hälfte die Zahlungen sich ansteigend und bis zu erheblichem Umfange darstellen als Deckung des Schulgeldes für die Kinder mittelloser Eltern.

Die Fälle der Exulanten forderten naturgemäß sofortiges Handeln oder doch aisbaldiges. Daß diese Fälle fast nur im Flecken vorkamen, das war durch die Verkehrslage bedingt. Die Behandlung dieser Fälle lag in der Hauptsache in der Hand des Predigers, in geringerem Maße in der des Fleckens-Juraten. Nach welchem Grundsatze die beiden etwa die Fälle gesondert haben, das wird nicht sichtbar. Jedenfalls bezeigt das alte Kirchenbuch, daß der eine wie der andere Geld für Exulanten »vorlegen« durfte, das ihnen wieder ersetzt wird; auch werden beiden für genannten Zweck Vorschüsse ausgehändigt, mit der Pflicht späterer Abrechnung.

Was die Hausarmen anbelangt, so hat jeder sich zu wenden an den Kirchgeschworen, in dessen Bezirk er wohnt. Dem Anschein nach sind diese Fälle, von einzelnen Ausnahmen abgesehen, in gemeinsamer Beratung am Tage der Jahresversammlung erledigt worden. Wir erkennen, daß es sich hier um einmalige jährliche Zuwendung gehandelt hat. –

Wir dürfen die älteste Jahresrechnung von 1641 folgen lassen.

»Erstlich dem Organisten seine Gebühr.......................................     3 Mark

Johan Bartels, so Er vorschossen an die Exulanten..................     8 Mark   3 Schilling

des Pastoren vorleggt gellt............................................................................... 12 Schilling

Ferner zu der Exulanten Nottorft Johan Bartels entfangen 20 Mark

 

Distribution in Johan Bartels Quartier Bramstede (I)

 

Olde Marx Stekemis............................................................................. 3 Mark

Hennicke Lohmann............................................................................. 2 Mark

Geseke Gosauen.................................................................................. 1 Mark

Kattrina Ordes...................................................................................... 1 Mark   8 Schilling

Olde Marx Folster................................................................................ 1 Mark   8 Schilling

Olde Mettke Westphalen................................................................... 1 Mark

By Diedrich Folster eine arme Frau................................................... 1 Mark

 

In Hans Mohrs Quartier (II)

 

Wypeke Mertens.............................................................................     3 Mark

Olde Mohrsche................................................................................    2 Mark

Olde Wilsche....................................................................................     2 Mark

 

In Tewes Hardebeckes Quartier (III)

 

De Blinde Knecht Lindemann........................................................     3 Mark

De Olde Mohrsche, so vorlembdet (gelähmt)..............................     3 Mark

 

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In Marx Gryps Quartier (IV)

 

Henneke Tees..................................................................................     1 Mark

Hans Schmalefeldt..........................................................................     2 Mark   8 Schilling

Pöttkersche, so verlernet...............................................................     3 Mark

Grypsche..........................................................................................     1 Mark   8 Schilling

 

Nur Hausarme sind genannt; die Exulanten sind überhaupt nicht namhaft gemacht. Den sieben Bedachten des Fleckens stehen neun aus den drei Landbezirken gegenüber.

Dieses Verhältnis der Inanspruchnahme schwankt natürlich; doch im ganzen wächst der Bedarf im Flecken ungleich mehr. Das Jahr 1698 bietet folgende Ziffern (für die Hausarmen):

Quartier I:     57 Fälle, davon 28 Schulgeld betreffend.

Quartier II:   12 Fälle, davon   4 Schulgeld betreffend (Bimöhlen).

Quartier III:    8 Fälle.

Quartier IV:    6 Fälle.

Diese starke Verschiebung der Lage zuungunsten des Fleckens, soweit man nach diesen Ziffern den Wohlstand beurteilen will, ist darauf zurückzuführen, daß in Bramstedt die Zahl der Insten verhältnismäßig viel höher war als in den Dörfern. Eine ähnliche Abschätzung der Landgemeinden untereinander vorzunehmen, verbietet sich schon deshalb, weil die Armenlisten in den Quartieren II - IV nicht den Wohnort der Unterstützten nachweisen oder doch nur ausnahmsweise. Es sei erlaubt, noch ein paar Einzelfälle anzuschließen.

1646    Dem Pastor sine arme gebrechliche Magert Eva, so
von dem Böhn gefallen, datt Sie ein Stywen Arm

            gekregen                                                                                    5 Mark

Dem Schweineharder, so die Schweden geschossen,

........... daß Er darüber verlembdet.................................................. . 1 Mark   8 Schilling

Einem Armen Frauens Bilde, so die Schweden mit

Gewalt aus des Pastoren Haus genommen und ge-

........... schwengert............................................................................ . 2 Mark

........... Dem Man zu Kellinckhausen, so in dem Haupte
verwirret.................................................................................. 1 Mark

1647    Dem Armen Scholmeister in Förden...................................   1 Mark

1652    Dem Schoellmeister Zacharias in Armstede......................   3 Mark

1686   Der alten Kuhhirtin im Flecken............................................ . 1 Mark   8 Schilling

1691    Hinrich Gloyen dem Schulmeister (II. Quartier)...._____   1 Mark   8 Schilling

1695    Der Schweine Hirtin in Fulendorf.......................................   1 Mark

Dauernd wurde unterstützt die Witwe des Pastoren Hamerich; auch Predigerwitwen lebten karg. Die Getreueste aller Schützlinge war Cattrina Kloenhamers, so im Quartier II zum erstenmal 1647 verzeichnet wurde, um dann als »Kloenharmsche« bis 1682 niemals im Register zu fehlen.

 

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Nicht allemal wurde Bargeld ausgehändigt. In einzelnen Fällen verabfolgt man aus ungenanntem Grunde die Hilfe in natura.

1651    gibt Quartier II drei Mark für ein pahr Scho und Strümpfe für den Stum Mensch (stummen Menschen) aus.

1654    ein heden Hembd (Hemd aus Hede) angeschafft für

........... Michel Schack......................................................................   1 Mark   8 Schilling

........... Ein Grab graben lassen für eine arme Frau........................................... 8 Schilling

Noch mögen ein paar Exulantenfälle hier erwähnt sein.

1654   Zur Erbauung einer Kirche in Westfalen...........................   3 Mark

1666   Einem Prediger, der in der Mark Superintendent

........... gewesen.................................................................................   3 Mark

........... An zwei Bürger aus Itzehoe ...............................................   1 Mark

1692   An Catharina; so katholisch gewesen...............................   3 Mark

........... An die abgebrannte Stadt Heiler Bach (?)........................ 1 Mark   8 Schilling

........... Georg von Schelen, einen Edelmann, den die Fran
zosen vertrieben...................................................................   3 Mark

........... Zacharias Johannes, eines Predigers Sohn aus Jütland. 1 Mark
Auf Königl. Befehl zwei Oldesloischen abgebrannten
Bürgern..................................................................................   2 Mark

1695    sind fünf Personen aus Stellau bedacht worden.

            Dem Mann mit dem Hohen Fuß von Weddelbrook                           12 Schilling

........... Noch einem Handwerksburschen  ...................................................... 12 Schilling

1696    Einem armen Mann von Elmshorn......................................................... 3 Schilling

........... Cielke Kappenbergs ein paar Schuh.................................. 1 Mark 14 Schilling

........... Einem armen Prediger........................................................... 5 Mark

........... Noch vor Hinrich gloyen (Gloy) zu schu1)........................   2 Mark   8 Schilling

 

Noch sind einige Besonderheiten des alten Klingebeutelregisters zu vermelden.

So lesen wir: Anno 1658, als der Obrister Alexander von der Osten zu Bramstedt gelegen, ist der sehl. Herr Pastor Henricus Galenbeccius in die Kirche gegangen und hat den »Armenkasten« gebrochen gefunden, darinnen nicht mehr als 10 Mark (oder Taler?) gewesen, die er den Kirchgeschwornen gegeben, welche selbige, als die Kiste fertig wieder gewesen, wieder hineingelegt haben. Ferner aus Anno 1669: »Weil in der Nacht vom Freitag auf den Sonnabend vor Dn. 24 post Trinit. ein gottloser Mensch in die Kirche (eingebrochen, so der auf einer Todtenbaar ins Fenster gestiegen, und aus dem Armkasten allen Vorrath, darinnen zum wenigsten achtzig Mark lübsch gewesen: als hat das gesamblete (Geld) nicht weiter reichen können. Sind also von den auf Rente stehenden 59 Mark armgeldern 36 Mark lübsch aufgenommen, die in genanntem Jahre mit dem gesambleten verteilt worden sind.«

____________________________

1) Anmerkung. Nur im letzten Jahrzehnt werden die Exulanten ausführlich, wenn auch nicht vollständig aufgezählt. Man hat wohl schon derzeit einige Rücksicht genommen auf die sogenannten »verschämten« Armen.

 

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Wir erfahren hier also, daß der Gotteskasten ein kleines Rentenkapital hatte. Darüber gibt unser Buch noch genauere Angaben an anderer Stelle (1659).

 

»Armgelder auf Rente«

 

Hans Mohr (Kirchschwor) hat auf Rente getan an Hans Hardebeck zum

Hardebeck..............................................................................................................   30 Mark

Noch derselbe getan demselben........................................................................   10 Mark

zusammen             40 Mark

Dazu wurde 1669 gerechnet als Rente für zehn Jahre.....................................   15 Mark

Jürgen Gloye (Kirchschwor) hatte den Rest auf Rente mit.............................     4 Mark

So ergibt sich das oben angeführte Vermögen von........................................   59 Mark

 

Unser Register bringt endlich abschließend die etwas mystische Bemerkung:

»Das Projekt der damahligen Bußgelder aber ist ganz ohnvermuthlich entfernt worden, sonder wißen (Wissen) durch einen Zufall.«

Geschrieben hat dies zweifellos der derzeit (1699) amtierende Geistliche, das ist der Zeitpunkt, wo der Dänenkönig die kirchlichen Bußgelder - meistens wegen Verstößen gegen das 6. Gebot - aufgehoben hat. In vielen Gemeinden ist dieses Bußgeld fortlaufend ein Bestandteil des Einkommens des Pastoren gewesen. Die Form, in welcher berührter Geistlicher offenbar eine Enttäuschung bekundet, und der Ort, an welchem dies geschieht, legen den Gedanken nahe, daß hierorts jenes Bußgeld zugunsten der Armen verwendet worden sei. Für weitere Forschung fehlte die Gelegenheit.

 

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IV. DER FLECKEN

 

Fleckensgerechtigkeit

 

Urkundliche Nachrichten über Bramstedts Vergangenheit benennen, soweit sie aus der Zeit vor dem 15. Jahrhundert liegen, den Ort als »villa«-Dorf. Unter dieser Bezeichnung wird es noch im Jahre 1364 aufgeführt in einem Vertrag mit dem Grafen Adolf von Holstein (siehe Ursprung). Anno 1448 aber ist ein Dokument entstanden, das untadelig erhalten geblieben ist und untrüglich nachweist, daß damals, wenigstens rechtlich betrachtet, die Merkzeichen des Dorfes der Vergangenheit angehörten. Die Photokopie dieses Schriftstückes verlangt vom Leser zwar einige Aufmerksamkeit. Doch auch der weniger Geübte findet bald heraus, daß in der linken Hälfte der zweiten Reihe von oben, ebenso der dritten Reihe von unten und ganz rechts in der siebten Reihe von oben sich der Ausdruck: »des wickbildes Bramstede« vorfindet. »Wickbild« aber, Weichbild, ist die damalige Bezeichnung des Mitteldinges zwischen Dorf und Stadt, also dessen, was als »Flecken« in unserer Vorstellung lebt. Wer noch zweifelt, der beachte, wie sich die Urheber unseres Dokuments eingangs vorstellen: »Wir Bürgermeister und Ratmänner des wickbildes Bramstede.« Diese stolzen Titel ziemten nicht dem Vertreter eines Dorfes, wo in Holstein de Buervogt das Wort führte. Sie wenden sich an die gleichnamigen Vertreter von Kiel (tom kyle), das zum Unterschied als »stad« bezeichnet wird. Das angehängte Siegel, hier leider nicht lesbar, entspricht in seiner Größe und Form, auch in den durchschimmernden Buchstaben, so sehr dem im Fleckensbuche 1530 vorhandenen, daß die Übereinstimmung außer Frage steht. Die Umschrift dieses ältesten Fleckenssiegels ist lateinisch und nennt Bramstedt ein »opidum«, was wiederum eine kleine städtische Siedelung bedeutet. Das Siegel bekundet zugleich den feierlichen Ernst, mit dem sich die Bramstedter »vorständer« bekennen zu ihrem »bref, de gewen und schreven is na godesbord (Christi Geburt) verteinhundert Jar, dar na in dem achte und vertigesten Jare am dage aller godes hilligen (Allerheiligen).«

So muß das Jahr 1448 anerkannt werden als ein Zeitpunkt, für den die Fleckensgerechtigkeit bestimmt nachweisbar ist.

Ein weiter zurück gehender ist bisher nicht bekannt. Fast möchte man meinen, die in dem vorliegenden Schriftstück dreifach wiederkehrende Ausstattung des Ortsnamens mit dem Zusatz »wickbild« wäre ein Hinweis darauf, daß diese Rangstufe des Ortes noch wenig bekannt und daher der Betonung bedürftig gewesen sei. Aber Meinung ist nicht Wissen.

Um der Wißbegier des weniger kundigen Lesers entgegenzukommen, soll der Sachverhalt unserer ältesten Urkunde hier noch kurz dargestellt werden.

 

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Die Bramstedter Fleckensväter haben ihrem Schützling Hermen Möller eine Urkunde ausgefertigt, womit er sich in Kiel als Erbe dort liegender Güter ausweisen will. Dort tritt ein Mann, den die Kieler »aufgegriffen haben sollen«, benannt Hynske Teden, hervor und bestreitet Möllers Erbrecht. Dieser wendet sich an die Fleckensobrigkeit. So erlangt er die Urkunde, wonach zwei ehrenfeste Fleckensbürger, Timm Schacht und Jakob Harteken (Hatteken?) Zeugnis abgelegt haben vor dem Bürgermeister und zwar stehend, mit ausgestrecktem Arm und aufgerichteten Fingern, daß Hermen Möller und niemand anders der rechte Erbe und des Ehrliken presters Hern Claus Möller sel. Gedächtnisses und seiner Frau Sohn sei. Demnach ersucht die Bramstedter Obrigkeit die Kieler mit allem Nachdruck und unter Zusicherung jeglichen Wohlwollens und möglicher Dienste, dem Hermen Möller zu seinem Recht und Eigentum zu verhelfen. Und der Chronist hat die Schwachheit, dem sündhaften Hynscke Teden ein wenig dankbar zu sein. Wie stände es ohne ihn um die so prächtige Urkunde?

Hier der Wortlaut:

»Juwe Ersamen Vorsichtigen Borgermesteren unde Radmanen der Stad tom kyle Enbeden wy Borgemestere und Radmane des wickbildes Bramstede unsen fründliken denst unde wat wy lewes unde gudes vormöge(n), tovoren - und bidden Juwer Erbaricheid (mit) fründliken woern: dat vor uns is gewesen unse kerspelman hermen moller, heft uns underrichted, alse wy eme unsen tügebreff gewen hadden van etliker erffgüdere wegen bynen Juwer Stad tobemanede (?) dar mede an dem sulm brewe steit vor en tügh Hynscke Teden, den jy updrewen scholen hebben, also dat he nicht nogastich wesen schal to tüge. - Also Ersamen guden fründe hebben vor uns gewesen unsere Borgere unde Inwanere des vorben (annten) wickbildes Bramstede, alse (nämlich) byrramen Tyme Schacht unde Yake (Jakob) hatteken tüghen unde seggen, dat hermen moller echte unde rechte baren is van vader und moder und en rechte erwe sye des Erliken presters hern Nicolawes mollers seliger dechtnisse und anders nemand, dar se ere recht to dan hebben stanedes (stehend) als mid uthgestreckeden arme und upgereckten vingheren, welcken vor uns unde de vorgen (annten) Tyme Schacht und yake hatteken willen eme dysser tüggenisse tostan, wor und wonaken em des behoff sy, Worüme Ersamen guden Fründe bidden wy Juwe Erbaricheide ume rechtes willen, so wy fründlikest mögen, dat jy dem vorben (annten) hermen moller bewegaen (zur Seite stehen) unde förderlich wesen willen an synem rechte, sodane angevallene syne güder to bemanede (?), willen em dar to günstig förderlich unde behulpen wesen, dat eme …             van derwegen, wo he recht ane sy«.

Die Schrift wird undeutlicher. Die Bramstedter erbitten für Möller die gleiche freundliche Behandlung, wie sie - die Kieler - sie auch von Bramstedt zu erwarten hätten, wenn eine Gelegenheit sich bieten sollte. Sie schließen:

»... unde hebben des unsers wickbildes Bramstede vorstender Ingehs (Ingesiegel) anhangen laten wollen an dessen breff, de gewen und schrewen is na godsbord

 

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verteinhundert Jar, dar na in dem achte und vertigesten Jare am dage alle godeshilligen.«1)

 

Älteste bekannte Bestätigung der Fleckensgerechtsame

 

1533

 

»Wy Christyan van gotts gnaden Erstgename tho Norwegen, Hertoch tho Slewygk Holstenn, stormaren und der dythmarschenn, Grave tho Oldenborch unnd Delmenhorst ... Doenn hir myt kunth vor unns de hoichgebornne Fürsten unse Früntliche leve, unmündygenn brodere, unse sampt erven unnd Nakamplynge, ock sust vor alswemen apenbar bekennende, dat wy durch besundere Gunst unnd gnade denn Vorsychtigenn unsen lewen getrewen undersaten, den gantzen unnd gemeynen Inwaneren tho bramstede Alle unnd Isliche olde gerechticheyde, de se van oldinges her unnd by konninglicher Mayestat tho Dennemargkenn unses früntlichen lewen herrn vaders hoichbürlichen gedechtnisse tiden und Regimente gehat unnd gebruket hebben ... nu noch vortan desülven geneten unnd beholden scholen unnd moghen ... ane Jemandes hetent edder vorbedent ... Jedoch unnd by dem bescheede, dat se unns nu hir namals alle denste unnd plichte to unsen slate Segeberge doenn, gewen unnd plegenn scholenn, wo se betherto vann oldings her gedaenn hebben ... Gebeden hir up allen unnd Islichenn unsen leven getrewenn, den Amptmannen, husvageden Itz undt to Segeberge synde unnd hir namals kamende, de vorgemelten unnse leven underdanen, de van Bramstede, Inn desser unser gegewene begnadinge gar keynn hinder edder bewer to donde, sundern se vun unser wegen dor by getrewlich to hantherende unnd to vorbittende ... Darann geschiet unnse toverlatige meninge unnd erkennet mit gnaden gerne.

Dat um Segeberge na der geborth Cristi unses herrn Im vofteinhundersten unnd dree unnd drüttigsten Jare. Tho Orkunde myt unsen angehangenden Secret befestet.2«)

 
2. Konfirmation 1627

 

Anno 1627, den 24. Juny hebben de Ehrsamen und vorsichtigen vier damaligen Vorstender und Rathmenner des Bleckes Bramstede, als Hans Bulte, Claus Hardebeck, Claus Steckemest und Marx Folster dorch ere Undertheniges und velfoldiges anholdendt by Ihro Fürstl. Durchlaucht des Erwehlten Herrn Prinzen

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1) Anmerkung. In dieser Abschrift sind die Punkte für ü und ö hinzugefügt, desgleichen ist bei dem Worte »und« der Buchstabe u statt des v gesetzt worden, um dem weniger geübten Leser zu dienen.

2) Anmerkung. Die Unterschrift hat der Ritter und Amtmann Wulf Pogwisch gegeben. Links wird bestätigt, daß dies mit Zustimmung des Herzogs geschehen ist. — Das Geheimsiegel, dessen Befestigungsstellen sich deutlich abzeichnen, ist nicht nachzuweisen. — Die sich in der Abschrift wiederholenden drei Punkte bedeuten nicht eine Auslassung, sondern lediglich eine Pause.

 

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Christian den Vofften tho Segebergh als eren gnedigsten Fürsten und Herrn erlanget und bekamen

die Konfirmation und Vorerwenung erer urolden Privilegien und Gerechticheitt, so ere Vorfahren von eren allergnedigsten Königh und Herrn Christmilder gedechtnus Christiano dem Drüdden im Voffteinhundersten und dree und drüttigsten Jahre na Christi unseres heilandes Gebordt gegewen, tho mehrer nahrichtungh und erinnerungh erer Kindeskinder, dat Se, wat er obgenannten veer Rathmenner erwarwet und erholden, dorch ere Versümenis nicht mögen verlehren, sundern dat sulwige by einen jeglichen Thron Antridt (des) Regierenden Königs und Fürsten laten confirmiren und solches ock ere Nakömlinge mögen wedderümb als en Deel erer besten 2ydtlichen Wolfart erwen und verlewen (erleben, genießen).

 

Die von den Ratmännern berührte Urkunde lautet:

»Wir Christian V. ... bekennen öffentlich mit diesem Unserm Briefe, und tue kund allermänniglich, nachdem unsere lieben getreuen Untertanen, die sämtlichen Einwohner zu Brambstett Uns untertänigst einen pergamenen Brief unterm dato Segebergh des Fünfzehnhundert drei und dreissigsten Jahres, welche von der damaligen Würden zu Dänemark, Norwegen ... Christiano III., christmilder Gedächtnis, ihnen mitgeteilet worden, vorgezeiget, des Lautes, daß sie bey allen und jeden ihren alten Gerechtigkeiten und Gewohnten, welche sie von altersher gehabt und genossen, hinfüro und inskünftige dieselben auch genießen und behalten sollten, jedoch mit dem ausdrücklichen Vorbehalt, daß sie zu dem Amte und Schlosse Segeberg alle Dienste und Pflichten tun, geben und pflegen sollten, wie sie von altersher getan hätten, und derowegen Uns als ihre Landesfürstliche Obrigkeit untertänigst ersuchen und bitten lassen: Wir geruhen gnädigst, obgedachten Begnadigungsbrief in allen seinen Begreifungen, Klauseln, Punkten und Artikeln, nichts ausgenommen, gnädigst zu konfirmieret und bestätiget. - Konfirmieren und bestätigen ihn auch kraft tragender Landesfürstlicher hohen Obrigkeit, wissentlich in Kraft dieses, also und dergestalt, daß alles und jedes, so der mehrerwähnte Begnadigungsbrief im Munde hat, und sie, die Brahmbstetter, kontinuierlich und von altersher getan und genossen, hinfüro auch tuen und genießen sollen und mögen, ohne Gefahr. Gebieten und befehlen darauf allen und jeden Unserer lieben, getreuen Amtmännern, Amtsschreibern, Haus-Voigten und sonsten Befehlighabern, so jetzo zu Segeberg sein und kommen werden, daß sie diese unsere Konfirmation nicht irren, noch dawider handeln, sondern sie dabei getreulich schützen, schirmen und handhaben und hiewider nichts tun, noch jemand anders zu tun gestatten sollen. - Daran geschieht unsere ernstliche Befehlings Meinung und gereichet Uns zu Gnaden. Geben zu Segeberg den vier und zwanzigsten Juni des eintausend sechs hundert sieben und zwanzigsten Jahres.«

L. S.                                                                                                          (gez.) Christian 1)

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1) Einleitend nennt er sich Christian V. Damals regierte in Dänemark Christian IV. Der war aber 1627 durch den Dreißigjährigen Krieg behindert.

 

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Der vorstehende Text ist hier so wiedergegeben, wie ihn Friedrich III. in seiner 1652 gegebenen abermaligen Bestätigung - der drütten überhaupt - zugrunde gelegt hat. Diese


3. Konfirmation

 

ist, wie ihre Vorgänger, auf Gesuch der Bramstedter Bürger ausgefertigt worden. Sie lautet:

»Wenn nun bei uns Supplikanten alleruntertänigste Ansuchung getan, obberührte ihre Privilegien zu bestätigen, so haben wir diesem billigmäßigen Suchen in Gnaden stattgegeben. Konfirmieren und approbieren demnach dieselbe in Kraft dieses dergestalt, soweit sie berührter Privilegien ruhig genießen, dabei weiter geschützet werden sollen; haben auch dabeneben allergnädigst eingewilliget, daß in mehrbesagtem Unserm Flecken Brahmbstede zur Beförderung der Eingesessenen Nahrung ein erhöhter Roland auf einem grünen Anger am offenen Wege, welcher nach Hamburg führet, worunter die Brabandischen Kaufleute und Ochsen-Händler ihre Kontrakten schließen und rechtlicher Entscheidung gewärtig sein, an des bei vorigen Kriegszeiten verbrannten Stelle wiederum aufgerichtet werden möge.

Befehlen demnach Unsern itzigen und künftigen Amtmännern zu Segeberg und andern Amtsbedienten, daß sie die Impetranten bis an Uns dabei schützen und diesem zuwider nichts verhängen.«

Urkundlich unter Unserm Königlichen Handzeichen und angehängeten Sekret-Insiegel. Geben in unserer Veste Glückstadt, den andern Tag im Juli des eintausend sechshundert und zweiundfünfzigsten Jahres.

L. S.                                                                                                             (gez.) Friedrich

Hier wird also zum erstenmal von hoher Stelle eine Besonderheit des Fleckens, und zwar seines Erwerbslebens, berührt: der Ochsenhandel. Nichts nötigt oder leitet hin zu der Annahme, daß dieser Handel nun erst eingeführt werden sollte. Auch nötigt die Kürze des Königlichen Bescheides die Gewißheit auf, daß der neu zu erbauende Roland nicht nur räumlich, sondern auch in seiner Sinndeutung lediglich wiederholen und fortsetzen soll, was ein verunglückter Vorgänger bereits gewesen ist und bedeutet hat: Symbol der Marktgerechtigkeit und alter Gerichtsbarkeit.

 

Die Fleckensverwaltung

 

 I. Abschnitt von 1448-1749

 

Für den bezeichneten Zeitraum liegt eine geschriebene Satzung nicht vor. Doch sind die Unterlagen vorhanden für den sicheren Nachweis, wie im großen und ganzen die Lenkung unseres Gemeinwesens sich gestaltet hat. Das alte Fleckensbuch, das von 1530-1847 der Niederschrift der Fleckensbeschlüsse gedient hat,

 

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gibt, so spärlich und mager sie auch dem Leser unserer Zeit erscheinen mögen, immerhin einen Schatz des Wissens, den zu erwerben jedem Heimatliebenden am Herzen liegen muß.

Die älteste Urkunde, die unsern Ort als Flecken ausweist, spricht von Bürgermeister und Ratmännern des »Weichbildes« Bramstedt, ohne daß sie deren Zahl und Namen kundgibt; allein das »angehängte« Stadtsiegel ist ihre Legitimation. Aber um 1530 hilft das Fleckensbuch einen guten Schritt weiter mit seiner ersten Eintragung:

»Anno En dusend vyfhundert und drottich was tho Bramstede Eggert Speth Caspelfaget, Dirick Vaget Borgemeister; Clawes steckemest, hans Bulte, Laurens stüwingk und Tymmk Schulte Radtmenner.«

Wir sehen nunmehr sechs Männer als Fleckensmänner; ein »Kirchspielvogt« ist hinzugetreten. Wir dürfen den Grund wohl suchen in der Tatsache, daß bald nach 1448, dem Datum der ersten Meldung, nämlich 1460, nachdem Adolf VIII., der letzte Schauenburger, gestorben war, der Dänenkönig Christian I. das Regiment über, die Herzogtümer angetreten hatte. Er oder sein Nachfolger mögen einen königlichen Beamten als Spitze der Fleckensverwaltung eingesetzt haben. Hier darf eingefügt werden, daß in der Folge, das ist nach 1530 durch drei Jahrhunderte, kein Bürgermeister mehr genannt wird; dessen Stellung war durch das Amt des Kirchspielvogts aufgesogen.

Das Fleckenssiegel hatte allem Anschein nach im Jahre 1530 noch die gleiche Gestalt wie 1448. Es nennt die Fleckensvertreter Consules und den Ort opidum, ein Zeugnis dafür, daß auch hierzulande das Latein als unentbehrlich erachtet wurde.

Über die innere Einstellung unserer für 1530 genannten Fleckensmänner zu ihrem Amte gibt eine kleine Nachschrift auf der ersten Seite des alten Protokolls Aufschluß, wo es heißt:

»In düssen bawen schrewen Jar ys dyth bok vom ersten angefangen, und wat hyr ynne geschrewen ys, ys alle ewich duernde.«

Ohne Zweifel offenbart sich in diesen Zeilen eine Ehrfurcht vor den Amtspflichten, die den Fleckensvertretern auferlegt waren. Aber übergroß war ihre Scheu vor der Schaffung des Gutes, von dem sie erwarteten, daß es von ewiger Dauer sein werde. Im Laufe eines Jahrhunderts haben die braven Bramstedter Ortsvertreter nicht mehr als dreißig Quartseiten für ihre Niederschriften in Anspruch genommen. Erst in dem Jahr 1631 belehrt uns unser Buch darüber, auf welchem Wege die Ratmänner überhaupt zu ihrem Amt gelangen. Wir lesen:

»Anno 1631 dhen 20. February Hefft Ein Bleck Ehrkohren Tho forstender dhes gantzen Bleckes disse 4 Mhenner, als Clawes Hardebeck, Hinrich Rolevinck, Marquardt stekemest, Christoffer Hamerich.«

In den »forstendern« erkennen wir unsere Ratmänner wieder. Der »Bürgermeister« fällt aus. Über Wahlmodus und Amtszeit ist nichts festzustellen. Spätere Nachrichten (1749) leiten zu der Gewißheit, daß auch in dem hier aufgezeigten Jahrhundert unentwegt vier Ratmänner gewaltet haben.

 

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Wie eingangs gesagt, fehlte eine geschriebene Ortssatzung. Man verließ sich auf das  Herkommen und schuf nötigenfalls eine neue »Beliebung«. Was an Überlieferung vorhanden war, findet sich auf den ersten drei Blättern des Fleckensbuches ohne Datum, ist demnach anzusehn als rechtsgültig im Jahre 1530. Es bleibe der Nachwelt erhalten:

1.    Weder ein Hufner noch Kätner soll einen Insten ins Haus nehmen, ausgenommen Vater und Mutter. Wer dagegen verstößt, hat dem König 24 Schilling und dem Flecken eine Tonne Hamburger Bier ohne Gnade zu geben.

2.    Alle Insten, die in Bramstedt wohnen, haben auf Martini alle Jahr 1 Mark lübsch dem Flecken und 1 Mark lübsch dem König zu entrichten; wenn sie beides zahlen, wird weiteres von ihnen nicht verlangt werden.

3.    Wenn ein Bramstedter, er sei Hufner, Kätner oder Knecht, nach Fastnacht außerhalb des Fleckens Heu kauft, daß er auf dem Fastenmarkte wieder verkauft, ist dem Flecken verfallen mit einer Tonne »rodes Bier«; wer sich dessen weigert, hat dem König 24 Schilling und dem Flecken eine Tonne Hamburger Bier zu geben sonder Gnade.

4.    Kein Inste, Knecht oder auswärtiger Mann darf auf dem Fastenmarkte Heu verkaufen, solange Bramstedter Hufner oder Kätner noch Heu zu verkaufen haben.

5.    Wenn ein Hufner oder Kätner Heu ankaufen will, das er auf dem Markte zu verkaufen gedenkt, so soll er dies Heu vor Fastnacht tun und nicht später. Strafandrohung wie unter 3.

6.    Wenn jemand dabei betroffen wird, daß er auf eines andern Wiese oder Acker Heu (sich aneigne), der hat dem Eigentümer 10 Schilling und dem »Schütter« (Anzeigenden) 1 Schilling zu bezahlen.

7.    Wenn die Ochsen kommen in der Fastenzeit oder später, soll jeder Hufner vier und der Kätner zwei Wagen bereit haben, um damit dem Kaufmann das Heu zu liefern. Zuwiderhandlung wird bedroht mit 24 Schilling an den König und einer Tonne Hamburger Bier an den Flecken.

8.    Wenn ein Hufner oder Kätner, der selbst kein Heu zu verkaufen hat, einem andern seinen Wagen geben wollte, macht sich strafbar wie unter 7.

9.    Wenn das »Bleckeshorn« geblasen wird, dann soll ein jeder »Hausgesitter«, er sei Hufner oder Kätner, in eigener Person vor dem »Bleke« erscheinen, es sei denn, daß Krankheit ihn behindere. Ungerechtfertigtes Fernbleiben wird bestraft nach »oldinges pande recht«.

10.   »Wol dar befunden wörde, de hat how (Heu) up hebet, dat de Eigelink (Eigentümer) hebben uthstrein laten, und Forde (führe) effte (oder) droge dat tho Hus, schole (soll) sunder gnade der Herrschup mit 24 Schilling unde dem Bleke myth 1 tonne rodes bers vorfallen syn.«

Soweit die Ortsgesetze ohne Datum. Man erkennt ohne weiteres, von welch großer Bedeutung unsern Vorfahren der Heuhandel auf dem Ochsenmarkt in der Fastenzeit gewesen ist. - Ziemlich jede Gesetzesübertretung trug dem Flecken eine Tonne hiesiges oder Hamburger Bier ein. Wohin damit? Nun, am Fastnacht-

 

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montag hielten die gesamten Fleckensleute alljährlich eine Hauptversammlung zur Regelung der gemeinsamen Angelegenheiten ab, und diese Versammlung
hat sich wohl niemals auf einen Tag oder gar Abend beschränkt. Was hiermit angedeutet wird, findet seine Bekräftigung durch folgende, im Jahre 1682 am 27. Februar in der Zusammenkunft der Fleckensleute beschlossene Beliebung:

» … daß die Fastnachtszusammenkunft, weil es dem Herrn Pastor so gahr widerlich, nach diesem alle Jahr 8 Tage vorher, als auf den Montag vor Fastnacht soll geschehen und gehalten werden, wornach ins Künftige die Ratsmänner sich zu richten haben.«

Das »Widerliche«, das den Seelsorger zu seiner Anregung geführt hat, war der Umtand, daß die bisherige Übung einer würdigen Feier des Aschermittwochs gar sehr im Wege gestanden hatte. Die wackeren Bramstedter aber haben die neue Ordnung für immer behalten, solange es diese Jahresversammlung überhaupt gab. Hier sei noch erwähnt ein Beschluß der Blekeslüde, wonach derjenige, »de den vastlawent in dem hus hefft, schall vor alle Tage 1 Mark lübsch hebben«. Woraus zu entnehmen, daß eine derartige Entschädigung vorher nicht geleistet worden ist. Als Versammlungsraum haben wir uns die Hausdiele des jeweils beherbergenden Ratmannes, der stets ein Hufner war, vorzustellen; aus späterer Zeit wird wiederholt berichtet, daß der Kirchspielvogt, auch Inhaber einer Hufe, auf seiner Diele die Fleckensleute versammelt hatte.

Ehe wir die Werke der Ratsmänner zur Kenntnis nehmen, soweit das überhaupt möglich ist, scheint es zweckmäßig zu sein, noch einiges über die Institution der Fleckensverwaltung zu sagen.

Wir wissen bereits, daß im Jahre 1631 zuerst von einer Wahl der vier Ratmänner durch den ganzen Flecken Kunde gegeben wird. Die nächsten Wahlberichte gleichen Inhalts liegen vor aus den Jahren 1661, 1664, 1673, 1676, 1679, 1682, 1694 und nun weiter in zweijährigem Turnus bis 1712, wo eine Änderung sich anbahnt.

So kann festgestellt werden, daß Bramstedt dauernd vier von den Einwohnern gewählte Ratmänner hatte, die gleichzeitig ins Amt traten, um auch gleichzeitig wieder auszuscheiden; die Dauer der Amtszeit ist anscheinend bis 1682 dreijährig gewesen, seitdem bestimmt zweijährig.

Noch eine weitere Klarstellung ist nötig, veranlaßt durch die Form der Niederschriften im Fleckensbuch. Bis zum Jahre 1580 »bewilligen die Blekeslüde eindrechtig« oder so ähnlich. Anno 1580 »hebben die Blekeslüde in der Acht gewesen und hebben bewilligt«.

Hier taucht ein Thema auf, das dem Leser zunächst zumutet, von einer Anzahl von Buchungen ähnlicher Form Kenntnis zu nehmen, wobei es sich in jedem Fall um »Fleckensversammlung« handelt. Wo das Datum nicht angegeben wird, handelt es sich um die althergebrachte Fastnachtssitzung.

1.     1596. Ersame Claws Maehs mit samth den ganzen Fleckenslüden in der acht
gewesen.

2.     1625. Dirck Maehs desgleichen.

 

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3.     1633 up Allerheiligen is hans buldt mit den ganzen Blekeslüden in der Acht gewesen.

4.     1638 op Johanni Dag is Hinrich Rolevinck mit den Blekeslüden in der Acht
gewesen.

5.     1639 kefft Hans Pohlmann ... desgleichen.

6.     1642 hebben de gemenen bleklüde in der Acht gewesen.

7.     1649 den 17. März is gerdt westvalen ... wie unter 3.

8.     1650 hefft hans finck den 7. Mai ... wie unter 3.

9.     1650 hefft gerdt westvalen den 19. Mai ... wie unter 3.

10.  1650 den 16. Junius ist Jochim Stüwen ... wie vorige.

11.  1654 Jasper Hennings in der Acht gewesen.

12.  1682 hebben de Blekeslüde sik bespraken und bewilliget und sint darup thosamen in der acht gewesen wegen Stellow Piel sin Hoffstede und ist Ties langhinrich de acht befahlen.
Die Versammlung tagt weiter und faßt den bereits bekannten Beschluß, die Jahresversammlung, dem Pastor zuliebe, um eine Woche vorzuverlegen. Für diesen zweiten Teil, als Bericht für sich allein verbucht, ist von einer »Acht« nichts vermerkt. Es werden aber an dieser Stelle als Ratmänner genannt Hinrich Bult, Johan Rolfinck, Detlev Voss und Hans Hartmann.

13.  1690 ist Detlev Voss mit 16 Männern in der Acht gewesen. Vier Beschlüsse werden unter seinem Namen verbucht. Aus der gleichen Sitzung wird gemeldet, daß die 16 Männer weitere drei Punkte »bewilliget« haben. »Und Ties L. Hinrichs ist in die Acht gewesen.«
Vom gleichen Tage an folgt eine völlig selbständige Eintragung mit dem Schlußsatz: »Tim L. Hinrichs hat die Acht eingebracht.«

14.  1691: Bei gehaltener Zusammenkunft von sämtlichen Fleckensleuten bewilligt worden und sind darauf 16 Männer in die Acht gewesen; Hans Steckmest hat die Acht eingebracht.

Damit ist die Reihe der Sitzungen, die von einer »Acht« zu melden wissen, erschöpft. Uns liegt ob, darzulegen, was es mit dieser Acht auf sich hatte. Der Fall aus 1580 läßt keinen Zweifel, daß die Acht, in der die Fleckensleute gewesen sind, lediglich eine Umschreibung dessen ist, was sie stets getan haben in solcher Versammlung: beraten und Beschluß gefaßt. Man stoße sich nicht daran, daß auch hier der Bericht noch hinzufügt: »und haben bewilliget«. Diese Doppelung ist in alten Berichten durchaus die Regel. - Wir werden sehen, daß später der Flecken besondere »Achtmänner« aus der Mitte seiner Bürger erwählt hat. Der Name ist hergenommen worden aus dem alten nordischen Volksgericht, das als »Ding« und »Göding« auch in unserm Flecken und Kirchspiel im 17. Jahrhundert bestimmt noch seines Dienstes gewaltet hat. Dabei hatten 16, auch wohl 18 Hufner nach Abschluß der öffentlichen Gerichtsverhandlungen in die »Acht« zu gehen, d. h. das Urteil zu finden, die Entscheidung zu treffen. In der Ausdrucksform »meines Erachtens« ist noch eine deutliche Erinnerung an jene überlebte »Acht« lebendig geblieben.

 

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Wir stehen vor der Frage, ob in den aufgezeichneten Berichten etwa die Ratmänner unter Mitwirkung des »Ding« oder »Thing« sich betätigt haben. Ist doch hier nicht von einer »Acht«, sondern auch von Männern, die die Acht »eingebracht« haben, die Rede, ja, in einem Falle lesen wir: »und ist Ties langhinrichs die acht >befohlen<.« Bringt sich nicht unmittelbar der »Dingvogt« in Erinnerung, der die Beratung der erwähnten Achtmänner zu leiten und ihren Beschluß in Form zu bringen hatte?

Gewiß ist, daß die Ratmänner von Amts wegen mit »Ding und Recht« nichts zu tun hatten; gewiß ist auch, daß neben den hier berührten Fleckensversammlungen in der Zeit von 1580-1591 eine Reihe weiterer Sitzungen stattgefunden hat, die durchaus nach altem Brauch ihren Ablauf nahmen.

Völlig neu aber und seinem Sinne nach ungeklärt erscheint uns, was es mit dem »Einbringen in die Acht« auf sich hat und welche Stellung zu den gemeldeten Vorgängen dem jeweils genannten Manne, dem »Einbringer«, zukommt. Handelte es sich etwa um den übergeordneten königlichen Kirchspielvogt? 1596 wird der Einbringer als »Ersamer Clawes Maehs« bezeichnet, und darin könnte man sehr wohl ein Hervorheben über den Bauernstand erblicken. Dagegen spricht aber, daß Claus als solcher nicht auszuweisen ist, und ferner, daß die Fälle 3, 4 und 5 in einer Zeit liegen, wo Johann Vaget als Kirchspielvogt waltete, ohne als Einbringer genannt zu werden. Auch wiederholt sich das »Ersam« in der Reihe unserer Männer nicht. (Claus Maehs ist sehr wahrscheinlich ein Vorgänger des im Hufenverzeichnis der Kirche aufgezeichneten Besitzers der 7. Hufe, Dyderich Maehs, und er kann als Kirchspielgeschworner zu besonderer Achtung gelangt sein.)

Lassen wir die übrigen Einbringer passieren, gestützt auf die alten Kirchenregister, chronologisch geordnet:

1625 Dierck Maehs, für diesen Zeitpunkt nicht im Register vorhanden.

1633 Hans Bulte, Hufner (Nr. 9)

1638 Hinrich Rolfinck, Hufner (Nr. 5)

1639 Hans Pohlmann, Hufner (Nr. 15)

1649 Gerdt Westphalen, Kätner (Nr. 7)

1650 Hans Finck, Kätner (Nr. 2)
1650 Jochim Stüwen, Hufner (Nr. 13)
1654 Jasper Hennings, Kätner (Nr. 21)
1682 Ties Langhinrichs, Hufner (Nr. 1)
1690 Detlef Voss, Kätner (Nr. 24)

1690 Tim Langhinrichs, Inste (Nr. 36)

1691 Hans Steckmest, Hufner (Nr. 14).

Diese Aufstellung läßt keinen Zweifel übrig, daß das Einbringen der Acht jedem Fleckensmann freistand, ohne Ansehen seines Standes. Anders gesprochen: jeder hatte die Möglichkeit, ein Anliegen vor die Fleckensversammlung zur Entscheidung zu bringen. Daß dies grundsätzlich innerhalb der Schranken bleiben mußte, die durch die obrigkeitlich genehmigte Ortssatzung gegeben waren, liegt auf der

 

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Hand. Das gilt auch für den Fall, daß diese Genehmigung nicht schriftlich vorlag.

Wenn wir im Falle 12 lesen: »Und yst Ties Langhinrich de acht befahlen«, so ist es eine einmalige Angelegenheit, der schon des ungeschickten Sprachgewandes wegen schwer ein volles Verständnis abzuringen ist.

Doch verlangt dieser Fall genaue Beachtung, wie die nachstehende Abschrift erweisen wird.

»Anno 1682 hebben de blekes lüde tho samen gewesen In den fastlafentt und hebben sick bespraken und bewilligett, Als sintt se darup tho samen yn der achtt gewesen, Und yst Ties langhinrich de achtt befahlen wegen stellow piel sin hoffstede, datt dar van olders her de gerechtricheytt ys by gewesen.

Wenn de hogen Dohrbrügge gebawett wardt, datt doer des bleckes gueth und ehre fohren, de se nödich hebben, unwegerlich beneffenst fremde Reisende lud und wagen unvörhindert fahren late.

Weil solches ys yn getüget von olden lüden, dat de bleck de gerechticheyt alle tiedt gehadt heilt ofer de hoffstede.«

Der aufmerksame Leser sieht folgendes sich abspielen:

1.   Die Fleckensleute sind in hergebrachter Weise zur Fastnachtszeit versammelt.

2.   Gegenstand ihrer Beratung ist eine Streitfrage zwischen dem Flecken und dem Kätner Stellau Piel, der ein vom Flecken beanspruchtes Servitut (Dienstbarkeit) auf seiner Hofstätte nicht anerkennen will.

3.   Die Fleckensleute »besprechen sich und bewilligen«.

4.   Darauf gehn sie »allzusammen« in die Acht.

5.   Alte Leute werden als Zeugen vernommen.

6.   Das Protokoll beweist, daß der Flecken obgesiegt hat.

Wenn man annehmen will, daß in der Beratung beide Parteien sich auf das nachfolgende Verfahren geeinigt haben, so ist alles verständlich. Praktisch liegt dann allerdings der Fall vor, daß der Flecken zugleich Kläger und Richter gewesen ist. Man hätte wohl gerade hier die 16 Männer erwartet.

In der Fastnachtsversammlung vom 27. Februar 1790 werden lauter Sachen verhandelt, die bestimmt im Rahmen der Vollmacht der Ratmänner liegen; aber nun sind die 16 Männer da.

Für drei Punkte zeichnet Detlef Voss, für weitere drei Ties Langhinrichs, und am Schluß liest man:

»Obgedachte Punkte haben die 16 Männer bewilliget.«

Die letzte in Frage stehende Versammlung (16. 2. 1691) berührt wohl stark die Grenze des vorgesehenen Wirkungsbereichs, indem sie den Insten untersagt, eine Hökerei zu treiben, während den »Alten auf dem Abbescheidt« solches gestattet bleibt. - Schankstätten oder Handwerksbetriebe zu eröffnen, unterlag höherer Genehmigung. - Aber hier walteten noch einmal die 16 Männer, um sich damit gänzlich zu verabschieden.

Nach allem ist nicht zu beweisen, auch kaum anzunehmen, daß die Hilfstruppe der 16 Männer in Verbindung mit »Ding und Recht« gestanden hätte, zumal

 

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dieses Volksgericht einen viel weiteren Wirkungsbereich hatte und die Dingvögte samt den Mannen auf den Dörfern wohnten. Wenn das alte Fleckensbuch sich ausschweigt über Wahl und Herkunft besagter Männer, so soll man sich erinnern, daß es ja auch durch ein Jahrhundert nichts von Ratmännerwahl zu berichten weiß.

 

Veränderte Wahlordnung für die Fleckensvertreter

 

Das Jahr 1717 bringt eine solche Änderung, die nicht nur die Ratmänner, sondern auch die Achtmänner betrifft. Bislang sind alle zwei Jahre vier Ratmänner neu gewählt worden. Von nun an treten jedes Jahr zwei zurück, so daß alle Jahre zwei zu wählen sind. Auch sind Acht-Männer aus dem Flecken zu wählen. Diese sind als Gehilfen der Ratmänner gedacht, »mit welchen sie die Fleckensangelegenheiten unter Ordnung halten können, damit nicht das gantze Flecken alle mahl dar nach die Sachen sein dürften, zusammen komme«. Hinzu kommt die Bestimmung, daß die Ratmänner aus dem Kreis der Achtmänner zu wählen sind; somit sind auch alljährlich zwei Achtmänner zu wählen. Die Zahl der Achtmänner wird nicht genannt; auch findet man keinen Bericht über deren Wahl, dagegen regelmäßig über die Ratmännerwahl. - Das Jahr 1722 bringt noch die Neuerung, daß zur Erleichterung der Ratmänner für die Schauung der Auen »etliche Fleckensleute erkohren werden können«.

 

Über die Entlohnung der Ratmänner

 

gibt das Jahr 1708 die erste Nachricht. Darüber ist folgendes zu sagen: Der »ganze Flecken« ist versammelt. Zur Frage steht die Entlohnung der vier Ratmänner, von der bislang im alten Fleckensbuche nichts laut geworden ist. Einhellig kommt man zu folgenden Ent- oder besser Beschlüssen:

a)   Jeder Ratmann bezieht für seine Mühwaltung alle Jahr 9 Reichstaler aus der Fleckenskasse.

b)  Bei der Fastnacht abzulegenden Jahresrechnung hat er, gleich jedem andern Fleckensbürger, sein Zehrgeld aus eigner Tasche zu entrichten.

c)   Hat der Ratmann seines Amtes wegen außerhalb des Ortes sich zu betätigen, so steht ihm dafür ein Tagegeld zu, und zwar 1 Kurantenmark, wenn er seine Sache zu Fuß erledigt, und 8 Schilling mehr, wenn er dabei ein Reitpferd benutzt.

d)  Das »Schaugeld« und das »Schüttegeld« mögen die Ratmänner, denen beide Einnahmequellen einige Mühe auferlegen, nach Belieben anlegen, wie schon bisher geschehen.

e)   Das von den Insten (Mietern) um Fastnacht zu zahlende, vom Hauswirt zu verbürgende Verbittelsgeld in Höhe von 1 Mark lübsch ist für die Fleckenskasse zu verrechnen, steht also nicht den Ratmännern zu.

 

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DIE FLECKENSVERTRETER AM WERK


A .Als Gesetzgeber

 

Zur eingangs gegebenen Tafel der überlieferten Satzung fügen wir in chronologischer Ordnung die neugeschaffenen Ortsgesetze hinzu.

1.     1566. Ein Fleckensbewohner, dem der Heuhandel freisteht, er sei Hufner oder Kätner, darf nach Michaelis kein Heu außerhalb des Fleckens gewinnen oder kaufen, sondern er hat es vor Michaelis einzufahren. Wer diesen »Verdrach modtwilliglyk öwertreden deit«, der hat ohne jedliche Gnade dem Könige 60 Mark lübsch und dem Flecken eine Tonne Hamburger Bier zu geben, »Tho bekrefftinge der Wahrheit, datt düth bawen geschrewene eyndrechtichlik ihngan und bewilliget is, is dar ahn unnd öwer gewesen der Erbare Jürgen Vageth...« - Als Einbringer wird genannt der Ersame Dyrck Rolefink.

2.     1580. »Wenner de heysik (Buchwald) geheget (geschont) wardt, so schall kemandt (niemand) syne perde tüdern im heysike, sundern wenner ener de plech geforret hefft in syn stücke, so mach he dat gras dar aff hoeden, by dage, awerst nicht des nachts darup hoeden edder tüdern.« Folgt Strafandrohung: 1 Tonne Bier für die Herrschaft und desgleichen für den Flecken.

3.     1580. In der Hasseloge (Haselbuschwald) darf weder Hufner, noch Kätner oder Inste Busch hauen. Strafe: 60 Mark und 1 Tonne Bier. Zusatz: »Woll (wer) awerst solckes seege und idt vorsweege undt idt nicht apenbarde, de schall tho gelicke von dem Blecke in straffe genommen werden.«

4.     1591. Der Busch »umb her bi der Schmalowe« soll geheget werden; niemand darf dort Busch hauen. Strafe: 60 Mark und Bier.

5.     1596. Niemand soll Heu im Slump (ohne Feststellung des Gewichts) oder in großen Fuhren verkaufen, sondern wie vorhenne (früher) in kleinen Fudern. - Strafandrohung: 24 Schilling und 1 Tonne Hamburger.

6.     1607. Kein Fleckensmann soll Holz haben oder es von den Ratleuten fordern, es sei denn, daß er ein ganz neues Haus bauen wolle.

7.     Wiederholung von Nr. 1 der ersten Tafel. (1625.)

8.     1631. Niemand soll auf seiner Hofstelle eine neue Feuerstätte machen. Aus genommen ist der Fall, daß jemand für seine Eltern ein neues Abschiedshaus bauen läßt; doch ist nach dem Tode der Eltern die Feuerstätte wieder abzuschaffen. - Strafandrohung: 50 Mark lübsch und Hamburger Bier.

9.     1631. Wenn das Korn gemäht ist und auf den Kampen liegt, soll sich niemand unterstehn, dort mit Pferden, Kühen, Schafen, Schweinen oder Gänsen zu hüten, ehe und bevor der letzte Blekesmann sein Korn im Hause hat. - Strafandrohung.

10.  1631. Es wird untersagt, auf eines andern Kornfeld zu harken oder Ähren zu lesen; auch ist niemand berechtigt, einem andern das Harken zu erlauben. - Strafe etwas gelinder, nur 1 Tonne Hamburger für den Flecken.

11.  1631. Die Bleckes Lüde verbieten solchen Insten, die mit einem anderen am gleichen Herde wohnen, daß sie Schweine, Pferde oder Schafe halten. - Strafe: 1 Tonne rotes Bier.

 

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12.     1633- Beschlossen up Allerheiligen: Der Hufner darf 20, der Kätner 10, der Inste 5 Schafe halten. Überschreitung kostet: 1 Tonne Hamburger Bier dem (Landes-)Herrn,  dem Flecken 1 Tonne rodes Bier.

Anmerkung: Wie solches dem »Herrn« zu übermitteln sei, wird nirgends angedeutet.

13.     1638. Den Hufnern und Kätnern wird untersagt, ihr Buschteil an einen Insten zu verheuern oder Schächte darin hauen zu lassen; in gleichen macht sich strafbar, wer einen Teil seiner Wiese verheuert an einen Insten oder Knecht.

14.     1639. Niemand soll Plaggen hauen auf (Acker-)Stücken oder Wennigen, er habe denn zuvor bewiesen, daß er es gepflügt hatte. - 1 Tonne Bramstedter.

15.     1649, den 17. März. »Eindrechtig ist bewilliget, so ferne alse ein Inste sick unerstünde, he sy hußwerdt oder sy mit einem andern by den Buer, dat he von des bleckes gemeen holt, oder des bleckes gemeen Busch houwe, oder van ander lüde wischen effter (oder) Korn Recke edder tunbusche nehme, so veel alse he bören oder dregen kan, so schal he den blecke gewen ein Rickes Daller un dem Herrn ein halven Rickes Daller ahne Gnade.«

17.     1650. Keiner soll sich unterstehn, auf des Fleckens Auen zu fischen. - Strafandrohung wie 14.

18.     1650. Wenn einer befunden wird:

a.     datt he midt der Heidlehe Plaggen meyede,

b.    datt he Plaggentörff gröffe,

c.     datt he sin Reddertun nicht ferdich hoeldt, datt sin Naber darvon schaden kriechet, de schallen:

dem Flecken im Falle a) und b) eine Tonne Bier und im Falle c) einen halben Reichstaler, außerdem dem Herrn in den ersten beiden Fällen je ½ Reichstaler.

19.     1650. Einleitung wie bei 18.

a.     datt he dem Koeharder und Swinloper oder schütter vor by gan lehte,

b.    den Koeharder oder sin folmechtigen boden (Boten, Gehilfen) nicht mitt deyet (das Vieh oder den Lohn nicht mitgibt),

c.     dat harde und swin loen nicht richtig gifft, de schall dem Flecken gewen 1 Mark lübsch, im Falle c) ½ Reichstaler.

20.     1650. Es wird schlechthin untersagt, Schweine »up der Mäste to nehmen«. (Man darf wohl hinzufügen: für andere.) Diesmal ist wieder die Tonne Bier das
Abschreckungsmittel.

21.     1690, den 27. Februar, fallen die Gesetzesvorschriften wie Hagelwetter auf die Fleckensbewohner:

a.   Wenn die Mast geheget werden sollen, dürfen Pferde und Kühe nicht im Holze weiden.

b.   Die Pferde sollen von den Rennen und Wennen, auch aus den Mohrstücken, aus  dem Graben, wegbleiben; wenn Maitag vorbei ist, soll niemand Vieh aus dem Kirchtor treiben und auch nicht des Nachts dort Pferde oder Ziegen hüten.

c.   Die Knicke und Zäune auf den Lohstücken und Reepen, auf der gemeinen Weide überhaupt, sollen unsträflich gemacht werden. Zu bestimmter Zeit soll

 

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dreimal im Jahre Schauung stattfinden: drei Wochen vor Maitag, 14 Tage vor Maitag und auf Maitag. Wer »geschaut« wird, hat zu zahlen: zum erstenmal 2 Schilling und bei Wiederholung 4 und 8 Schilling.

d.  Nach Maitag sollen auch keine Kühe »aus dem Kirchdohr gehen«.

e.   Die Aue soll drei Wochen nach Maitag und 14 Tage vor Johanni »ausgemeyet« werden und ist auf Jakobi noch einmal zu reinigen. Jeder hat für seine Wiese aufzukommen. Nichterfüllung trägt 4, im zweiten Falle 8 Schilling Strafe ein.

f.    Der Kuhhirt soll von Martini bis Mariä Verkündigung einen Boten, und darnach bis Martini zwei Boten haben.

g.  Wer sich weigert, auf die Reihe zu hüten, »wann der Kuhhirt sie ansaget«, fallt in Strafe mit 1 Tonne Bier.

h.  »Wan der Kuhhirt ein oder Ander vorbey gehn wollte und sie nicht ansaget,« hat er zur Strafe ½ Tonne Bier dem Flecken zu geben.

i.    Niemand soll mehr als 10 Schafe halten und keins für einen andern: wer gegenwärtig mehr hält, kann sie bis Michaelis behalten und muß danach den Schäferlohn zahlen. - »Segen und Segenböck« soll niemand halten; vorhandene sind auf Mariä Verkündigung (25. März) abzuschaffen. - Nach Michaelis werden die Schafe gezählt. - Von Mariä Verkündigung bis Bartholomäi darf kein Schäfer aus dem Kirchtor hüten. Auf Korn- und Wiesenland darf der Schäfer überhaupt nicht hüten, es sei gefroren oder nicht. Wenn aber doch jemand solches eräuget und es den Ratmännern nicht sagt, so droht ihm eine Bestrafung mit 1½ Mark, und der Schäfer hat 1 Tonne Bier zu bezahlen.

j.    Wer sich untersteht, mit Gewalt den Leuten ihr Gras oder Korn abzuhüten, hat dem Flecken 1 Tonne Bier zu geben und außerdem den angerichteten Schaden zu ersetzen.

22.                 1691. Den Bey-Insten (s. unter 11) ist nicht erlaubt, Busch und Schächte zu hauen, Stubben auszuroden, ingleichen Loh zu reißen oder gar Lohhandel zu treiben. - Strafandrohung 1 Tonne Bier.

23.     1696. Die Fleckensleute haben das Bramstedter Holz unter sich aufgeteilt und beschließen nunmehr folgendes zum Schutze ihres Eigentums: Kein Bramstedter Hofbesitzer darf in eines andern Holzteile, kein Einwohner des adeligen Hofes oder des Kirchspieles darf in einem Bramstedter Holzteil einen Baum, einen »Tilgen«, Hoch- oder niederen Busch, noch das geringste hauen oder sich mit einer Axt oder Beil darin finden oder sehen lassen. »Allermaßen der, er sei auch, wer er wolle, wer darin erfunden oder ertappet wird, der soll zum ersten Ihrer Königl. Majestät 10 Reichstaler und dem Flecken 2 Tonnen Bramstedter Bier geben, zum andern das Zweifache, zum drittenmal aus Ämbtern, Gilden und andern ehrbaren Zusammenkünften verstoßen und ausgeschlossen werden.

Diesem Gesetze, dem offenbar besondere Wichtigkeit beigemessen wurde, und das im  Punkte der Rechtsfolgen über das Weichbild des Fleckens hinausgreift, gibt der Kirchspielvogt durch untersiegelte Nachschrift noch seine besondere Weihe. Wir lesen: »Wird hiermit und Bey Vermeidung angezogener Straffe denen sämbtlichen

 

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Einwohnern dieses Fleckens Königl. antheils im nahmen Ihrer Königl. Majestät anbefohlen, denjenigen, welchen Sie hierüber ertappen oder begehen werden, Er sey auch wer Er wolle, bey mir zu unters Benahmten sofort anzugeben, damit der Übertreter dieses, andern zum exempel, gebührlich davor gestrafft werden möge. Wornach sich alle diejenigen, so es angehet, zu richten und für Schaden zu hüten haben.

Bramstedt, den 18. Februar 1696.                                                     Detlef Averhoff

Kirchspielvogt hieselbst.« Nachtrag in gleicher Handschrift:

»Diese Beliebung ist den 23. Febr. als am Sonntage öffentlich von der Kanzel durch unsern Herrn Pastor gelesen worden.«

24. 1698. Es wird jedermann verboten, »in der gemeinen weyde Plaggen zu hauen, weil der weyde darnach abbruch und schaden erwachset.« Zuwiderhandlung wird mit einer »bütten Tonne Beer« bestraft.

Doch wird hierbei vergönnet, im Moor mit der Heidt Lehn Moor Bulte zu hauen (siehe Nr. 18).

25. 1717. Alle Knicks und Zäune außerhalb des Kirchtors sollen festgemacht und in Schau genommen werden, wie bislang schon beim Hohentor geschehen. 26.1723. Die Reinigung und die »Schau« der Auen wird in Erinnerung gebracht. Möglich, daß einem Leser und mehr noch einer Leserin diese Reihe von Gesetzen etwas zu lang erscheint. Wenn man aber bedenkt, daß die lieben Vorfahren zwei Jahrhunderte ihrer Ortsgeschichte dadurch illustriert haben, so ist jeder Zorn ausgeschlossen.

 

B. Als Richter

 

Soweit die Fleckensleute unter Leitung ihrer Ratmänner Ortsgesetze geschaffen haben, lag den letzteren auch das Strafen der Übertreter ob. Nur wenig Nachricht über diesen Zweig ihrer Betätigung liegt vor. Es berührt den Nachfahren sympathisch, zu erkennen, daß die würdigen Herren Milde walten ließen; denn das möchte ein Zeichen dafür sein, daß solche Übertretungen keineswegs sich gehäuft haben. Also wir lesen Seite 44:

»Johann Stekmest hefft Plaggen hauen up der Wege horst, dor de Börne stunden; darvor hefft he dem bleke gewen 1 halbe tonne Bramstedter Beer; Hans Lindemann hefft Plaggen hauen up den Botter Kamp, darvor hefft he Johan Stekmest tho helpe geben Möethen (müssen). So geschehen im Jahre 1639.

Da nach Nr. 14 unserer Gesetzestafel Johann und Claus mit je einer Tonne dem Flecken zu büßen hatten, liegt die Gnade zutage. Freilich haben Ties lang Hinrich und Johan Roelfinck in gleicher Weise den »blekesgrund« beschädigt und haben dafür Strafe geben müssen. Doch trug sich das elf Jahre später zu, so daß von nachteiliger Auswirkung erwähnter Milde nicht die Rede sein kann.

 

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Doch konnte es geschehen, daß auch hier die Strenge des Gesetzes zur Geltung kommen mußte.

1746 war den Anliegern der Befehl geworden, den Au-Kamp zu befriedigen. Jochim Carstens, Karl Grim, Hans Meyer, Witwe Bluncken, Johann Steckmest, Arend Wulff, Marx Schümann und Lorenz Köster kommen ihrer Pflicht nicht nach. Die Sache zögert sich sechs Jahre hin. Dann ergeht auf Königlichen Befehl durch den Amtmann Grafen zu Stollberg an Genannte die Aufforderung,

»bei Vermeidung willkürlicher Strafe noch heute besagte Befriedigung zu gleichen Theilen zu machen und denen Rathmännern die ihnen deshalben angeuhrsachten Kosten zu erstatten.«

Bramstedt, den 2. Juni 1752

In Vollmacht H. TM.

 

C. Als Verwalter von Grund und Boden

 

Um 1530, mit welchem Zeitpunkt das Fleckensbuch seine Niederschriften aufnimmt, bestand die Fleckensgemarkung noch unangetastet; von einem Gute innerhalb derselben war nichts bekannt. Ausgelegt war aber eine Hufe für die Kirche und desgleichen für die Kirchspielvogtei. Von Schulland und Bauervogtskoppel verlautet nichts. Heide, Weide, Wald und Ackerland waren noch Gemeingut. Seltsam berührt es, daß das Protokoll mit keinem Worte der um 1541 einsetzenden Abtrennung von Hufen an das spätere adelige Gut Erwähnung tut. Doch zur Sache.

1.     1551. Der Flecken überläßt »den Kamp baben den Weddelbrok« an Jasper Stüwen in Heur (Pacht); er hat den Kamp so einzufriedigen, daß Pferde und Kühe nicht darauf kommen. Soferne er das tut, hat ihm der Flecken 1 Tonne Bier wieder zu geben, und der Kamp bleibt liegen. (Ganz klar ist nur, daß es sich um Fleckensgut handelt.)

2.     1565 verzeichnet das Fleckensbuch einen sehr feierlichen Tauschvertrag, der unverkürzt wiedergegeben wird:

»Ihn dem Jahre nha Christi unseres Selichmakers geborth, alse mahn schreff Eyn dusendt vyff Hunderth viff und Söstich, hebben sick de Blekeslüde tho Bramstede ordragen mit Marquardt Eelers tho Bramstede also, dath M. E. den Blekeslüden gedan hefft Twe Blöcke landes dorch den dicken Böschen, darvor hebbt ehm de Blekeslüde gedhan eynen kyll acker dorch den dünnen Böschen, und dithsülwige eyn ewich vordracht syn twyschen den Bl. Lüden und M. E. sampt synen nhakamelingen, de darup wanen. - Is gescheen des Mandages nha Sankt Sebastiani Fabiani ihm Jhare alse bauen (oben) vormeldeth.

Claues hardebeck         Markus steckmest

Hinrich rolefinck         Christoffer Hamerich.«

3.     1568. Jürgen Vageth, derzeitiger Kirchspielvogt, bekennt mit eigener Hand(schrift): »dat ick van dem blecke bramstede hebbe ene stede bekamen tho enen kolhawe achter ditrich slüters huse for mich und mine erwen; ych hebbe mich

 

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widder vorpflichtet, da yck nihn (nie ein) huß wyll edder schal up de stede bawen laten. Hir pfor hebbe ych dem pleke gewen ene thunne rodes beer.« (Also Veräußerung.)

4.    1584 pachtet Markert Elers den Bollen Rep, wofür er jährlich »up S. Nicolaye« 26 Schilling zu entrichten hat. Dieses Stück Weideland lag vor dem Assbroke; am Fastlabend 1591 übernehmen es Claus Folster und Eggert Westphalen, und jeder hatte 13 Schilling Pacht zu zahlen.

5.    Ohne Datum: Als Vermächtnis des Marquart Schramm und seiner Ehefrau ist dem Flecken »de stede vor dem hogen Dore« mit der Kate zugefallen.

Die Ratmänner überlassen das Erbe an Eggert Westphal, »dat he up scholen buwen und dem Bleke dar vor alle Jar gewen 16 Schilling, und schole den rönnebaum (Schlagbaum) sunder versümnisse up und tho slüten. By sodannen beschede schole he sampt syner fruwe und kindern na em dar rowlich (ruhig) uppe bewanende bliewen.« (Erbpacht).

6.    1589. Die Fleckensleute geben den Alkweg in Erbpacht an Claus Wischmann für 3 Mark jährlich. Solange er und seine Erben diese Heur richtig zahlen, sollen sie den Alkweg ungestört nutzen.

Durch ein Jahrhundert schweigt unser Buch von derartigen Vorgängen; aber danach werden noch einige Fälle kund von Tausch und Verkauf, die sich mit Fleckenseigentum befassen.

7.    Der Caspel Voigt tritt ein Stück Landes Vor den Mohrstücken, genannt das Lange Stück, an den Flecken ab, »selbiges zu ewigen Zeiten in der Weide zu liegen bleiben, wogegen das fleck einen orth landes gethan, bei dem Widtrehmen gelegen.« - Dem Kirchspielvogt verbleibt von seinem Land, was an Knick und Busch daran vorhanden ist.

8.    1712. Claus Wulf gibt seine Achter Wiese, so zwischen Herrn Oberberghauptmann von Grothen und Jasper Stüfen,  Rademacher, belegen, an den Flecken ab, und »soll solche Wiese hinführo zu die Bollen gebraucht werden. Dagegen gibt das flecken an Claus Wulf die so genannte große Bollen wiese nebst die Kleinen Bollen Wiese, so bei Hans Götschen sein Häncken Brock belegen, beide auf die Schmalfelder Au.« Hierbei verpflichtet sich Claus Wulf, daß er »die Wiese vor Gespante Pferde und Kühe will fest machen.« Von beiden parten ist (zur Bekräftigung) Arm Geld ausgegeben.

9.    1713. Das Kuhl Blick »auf der Schmalfelder Aue«, das Tim Westphalen bei Zeit seines Lebens gebraucht und genossen hat, ist nach dessen Tod wieder an den Flecken gefallen. Nun verkaufen es die bevollmächtigten Ratmänner »erb Eygen thümlich« für 171 Mark lübsch und »eine bükte Tonne« Bier an Jürgen Runge und seine Erben.

10.  1722. Tausch und Kauf. Der Flecken überläßt »die Kleine Bolnwiese, über die Bracks Höffe belegen«, an Marx Delfs als Erbeigentum. Marx D. gibt dafür dem Flecken die sogenannte Humwehr, »zwischen die Beiden boln blicke belegen.« Darauf resolviert der Flecken, die obbenannte (?) Wiese samt dem angetauschten Ort, an den Meistbietenden zu verkaufen. »Den höchsten Both hat Marx Steffens


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gethan«, und so wird er erbeigentümlicher Besitzer für den Preis von 418 Mark und eine Bükte Tonne Bier.

»Solches wird hiemit Unsere Nachkommende zur Nachricht diesem Fleckensbuche einverleibt und zu Steuer der Wahrheit von den p. t. Rathmännern unterschrieben.«1)

11. 1723. In öffentlichem Aufgebot verkauft der Flecken den Heideknüll bei der Brackshöve an Gotthardt Lesau für 2 Reichstaler 6 Schilling lübsch. Käufer verpflichtet sich, die Bracks Höve von nun an jederzeit untadelhaft zu befriedigen, auch den Schlagbaum samt zugehörigen Recken über die Aue zu unterhalten. Er und seine Erben können »quit und frei« den genannten Knüll sich nutzbar machen. Sollte aber »etwa über kurtz oder lang die von ihm versprochene Befriedigung nicht in gutem Stande gehalten werden, sodan (hat er) den gekauften Ohrt ohne entgelt sofort wieder liegen zu lassen.«

Gleichzeitig ist die sogenannte »Strietkamps Kuhl«, - zwischen die Grabens — für 27 Mark dem Detlef Lück zugeschlagen worden; er kann damit völlig frei schalten und walten.

Auch hat der Herr Interims Administrator Johann Wilhelm Janeke vom Flecken für 4 Mark den »Anschuss von der Strietkamps-Kuhle, so im Norden und Osten jenseit des Grabens belegen«, zu völlig freiem Eigentum erworben. Endlich hat Andreas Wittorf den Anschuss im Westen genannter Kuhle, außerhalb des Grabens, für 3 Mark als völlig freies Eigentum sich zu eigen gemacht.

 

D. Als Vertreter der Fleckensrechte

 

Über Entstehung und Natur der Fleckensgerechtsame wird in einem besonderen Abschnitt berichtet. Anzuerkennen und zum Teil rührend ist der Eifer, mit welchem die Ortswalter sich für die Erhaltung dieser »Gerechtigkeiten« eingesetzt haben. Das wird besonders sichtbar in folgender, aus der Zeit der »Schwedischen Bedrängnis« stammenden Bekundung. Sie folgt hier wörtlich.

1. »Anno 1627 den 24. Juni hebben de Ehrsamen und vorsichtigen 4 dahmaligen Vorstender undt Rathmänner des Bleckes Bramstede, als Hans Bulte, Clawes Hardebeck, Clawes Stekemis und Marx Folster, dorch ere undertheniges undt veelfoldiges anholendt bey Ihre Fürstl. Durchlaucht dem Erwehlten Herrn Prinzen Christian dem Vofften tho Segeberg als ihrem gnedigsten Fürsten und Herrn erlanget und bekamen: Die Confirmation undt Vorerwenung erer Uhrolden Privilegien und Gerechticheitt, so ere Vorfahren von eren allergnedigsten König und Herrn Christmilder gedechtnuß Christiano dem Drüdden im voffteynhundersten und dre und drüttigsten Jahre na Christi unsers Heilandes Gebordt gegewen2) - tho mehrer nachrichtungh und erinnerungh erer Kindes Kinder,

____________________

1) Anmerkung. Leidet hat der Chronist zur Steuer der Wahrheit zu melden, daß sotane Unterschriften nicht vorhanden sind.

2) Hier irren sich die Ratmänner: Christian III. hat die Gerechtsame nicht gegeben, sondern nur bestätigt.

 

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Dat Se, wast er (ihnen) von obgenannten veer Rattmännern erworben und erholden, dorch ere Versümenus nicht mögen verlehren, sundern datsülwige bey einem Iglichen (jeden) Thron Antridt regierenden Konigh und Försten laten Confirmiren und solches ock erenNahkomligen mögen wedderumbalß ein Deellerer besten Zydtlichen wollfart erwen undt vorlewen (erleben, genießen) - Fl. Buch S. 35.

2.   Anno 1711 verlautet zum letztenmal von dieser Bestätigung, wenn auch in stark verkürzter Form:

»Ihre Privilegien haben sie bey dem itzigen Herrn Etats Rahte und Amtmann von Hannecken Confirmiren lassen, welches ein jeden zur Nachricht dient.«

3.   Als der Gutsbesitzer Kielmannsegge die bürgerliche Freiheit der Fleckensbewohner antastete, haben die Fleckensvertreter, an ihrer Spitze Jürgen Fuhlendorf, ihre Rechte tapfer und hartnäckig verteidigt. Darüber gibt Fuhlendorfs eigener Bericht hinreichende Kunde.

 

E. Als Verwalter der Finanzen

 

Von den Jahresrechnungen, die in der Fastnachtversammlung vorgelegt werden mußten, ist keine erhalten geblieben. So wissen wir von den Finanzen des Fleckens wenig. Das erste Blatt des Fleckensbuches verrät, daß die Blekeslüde jährlich »thom schatte« an den König in Summa 14 Mark und 6 Schilling und 6 Pfennig zu zahlen haben. So stand es im Jahre 1530.

Das alte Fleckensbuch bedient uns noch mit folgenden Nachrichten, die Ausgaben betreffend.

Anno 1579 dem Amtsschreiber (für den König) gegeben:

Schatt.................................................................................................   10 Riksdaler

Noch Jarliken Schatt........................................................................     7 Riksdaler

Rüme Geld..........................................................................................     3 Riksdaler

Anno 1623, 1624 und 1630 ebenso, dazu noch 1624: 17 Schilling 3 Pfennig und

1630: 18 Schilling (ohne Bezeichnung der Steuer).

1661   Königl. Schatt........................................................................................ 10 Riksdaler

Noch jährlicher Schatt........................................................................... 7 Riksdaler

Rüme Geld.............................................................................    2 Mark   4 Schilling

Noch gegeben....................................................................................... 18 Schilling

Bis 1664 bleibt diese Rechnung unverändert.

Über die Einnahmen liegen folgende Angaben vor:

Nr. 2 der ersten Gesetzestafel weist nach, daß um 1530 jeder Inste jährlich 1 Mark

Verbittelsgeld zu zahlen hat.

Seite 271 des Fleckensbuches gibt die einzige Übersicht über die Verpflichtungen der Fleckensleute, indessen ohne Datum. Aber Rotker Lindemann, über den an anderer Stelle genau Kunde gegeben wird, hat die Ehre, hier als Einziger der Pflichtigen genannt zu werden, und so ist es möglich, die Sache auf etwa 1650 zu datieren. Wir sehen:

 

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Der Hufner gibt alle Jahr 1 Mark lübsch, »worvon 3 Schilling tho körten hefft ahne dejenigen, so Rüm und Bollengeldt uthgewen.«

»Noch moet de Köetner gewen 10 Schilling.«

»Noch de Insten 1 Mark 8 Schilling.«

 

Danach sind die Hufner am geringsten belastet und die Insten am stärksten, letztere dem Anschein nach auch um 50% mehr als 1530. Dies letztere trifft sachlich nicht zu, weil im Laufe der Zeit die Mark dem Reichstaler gegenüber sehr im Werte gesunken war. Zum andern hatten Hufner und Kätner weitere Lasten zu tragen, der Inste dagegen nicht.

Es stehen noch zur Frage das Jagdgeld, das Kalkgeld, das Rümgeld und das Bollengeld.

Wir entnehmen unserer Quelle noch folgendes:

»Wenn de hovener de 2 Mark uth gedan dem Herrn Ambtschriewer alß Kalk und Jachtgeld, so gewen de Koetener 10 Schilling.«

Das Rümgeld ist eine Abgabe, die der Inhaber eines Verkaufsstandes auf dem Jahrmarkte an den Flecken zu entrichten hatte. Darüber liegen zwei Verzeichnisse vor, das älteste bestimmt vor 1570 niedergeschrieben, das andere mit 1637 datiert.

Wir lassen beide folgen.

 

Rümellgeldt so de Bleckeslüde                                  tho gewen

 

tieß gossow............................................................................................................ 1 Schilling

Eggert Bulte........................................................................................ 1 Schilling   4 Pfennig

Hinrich Stammerjohann........................................................................................ 18 Pfennig

marten Rower......................................................................................................... 18 Pfennig

Dirick Rolefinck............................................................. _________________ 18 Pfennig

lüdteke Marquart stekemest........................................ .................... 1 Schilling   4 Pfennig

Jochim Karbs (Krebs ?)........................................................................................ 18 Pfennig

Markes Folster.................................................................................... 1 Schilling   4 Pfennig

marquart schomaker.............................................................................................. 1 Schilling

Jürgen Bruns  .............................................................................................................. 1 Mark

»Von dissem gewen de Bleckes Lüde dem herren 24 Schilling alle Jar.«

 

Anno 1637 Rümgeld

 

Claves horn.................................................................... ........................................ 6 Schilling

Johan wischmann......................    1½ Reichstaler =.............................. 2 Mark 4 Schilling

Steffen Brun  ............................................................................................ 1 Mark 8 Schilling

hans fers................................................................................................................. 18 Pfennig

Johan Bartels  .................................................................................... 6 Schilling   6 Pfennig

hans Röwer......................................................................................... 3 Schilling   6 Pfennig

hans Rolfink........................................................................................ 2 Schilling   6 Pfennig

 

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Johan Stekmest............................................................................... 2 Schilling   6 Pfennig

Markes lindemann................................................................................................ 18 Pfennig

Dirick folster.......................................................................................................... 18 Pfennig

De Pastore gifft vor de Instensted............................................... 4 Schilling 6   Pfennig

hinrich splidt.................................................................................... 2 Schilling   6 Pfennig

hannes buldt......................................................................................................... 18 Pfennig

Claves wischmann.......................................................................... 7 Schilling

 

Diese beiden Listen legen Zeugnis davon ab, daß der Bramstedter Markt bereits vor der Konfirmation der Bramstedter Gerechtsame aus dem Jahre 1652 bestanden hat. Wer Freude am Rechnen hat, wird auch bald feststellen, daß das Rümgeld im zweiten Bericht recht erheblich gestiegen ist gegen den ersten und älteren, obgleich der zweite aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges stammt. Das Jagdgeld dürfen wir ansehen als Ablösung der ehemals den Bramstedtern obliegenden Verpflichtungen, Dienste zu leisten, wenn die hohen Herrschaften in hiesiger Gegend ihr Jagdrecht ausübten.

Das Kalkgeld sollte den Bramstedtern den Bezug von Segeberger Kalk sichern und ging daher am meisten die Hufner an.

Das Bollengeld, nach den ältesten Listen zwischen 3 Schilling bis zu 13 Schilling jährlich stehend, bedarf weiterer Erklärung nicht. Hier sei nur noch hinzugefügt, daß diejenigen, »welke den Bollen von de hoefeners hebben, alle Jar 22 Schilling kriegen.« Auch dieses Geld ging durch die Hand der Ratmänner. Von einem Nachtwächter verlautet bis 1749 nichts; hier darf eine Versäumnis vermutet werden. Der »Schütter« ist wiederholt erwähnt, und es war allgemein Übung im Kirchspiel, daß man Schütter- und Nachtwächteramt miteinander verband. Nachtwächter und Hirten waren darauf angewiesen, sich ihren Lohn oder sonstiges Guthaben persönlich von Haus zu Haus abzuholen. Schule und Armenpflege waren derzeit Sache der Kirche.

Am Schluß geben wir noch ein paar Buchungen aus undatierten Tagen, die ebenfalls die Finanzen berühren; nach unserer Kenntnis muß angenommen werden, daß die hier genannten Beträge für Nutzung von Fleckensgut gezahlt werden.

1.    Hans eggert, de dor want buten dem Hogen dore, dar vandages hinrik stökers up gewanet hefft, gyft jarlikes  dem Bleke tho hülpe thom Konnichschatte 7 Schilling.

2.    Tyes plate dagleichen vor den Alkesgro1) 6 Schilling.

3.    Jasper Stüwingh desgleichen vor de wischen vor der Brokow 4 Schilling.

4.    hinrick Jorck desgleichen 4 Schilling.

5.    Pavel Smyth desgleichen vor de wysch vor der kolhow 3 Schilling.

6.    Claves stekemest desgleichen von dem kolhowe (Garten) by dem strytkampe 2 Schilling.

7.    Claves wischmann By dem Born für den kolhoff 4 Schilling 6 Pfennig.

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1) Anmerkung. Das unter 2. genannte Gut stimmt wohl überein mit dem später als Alkrog bezeichneten; unter 4. fehlt die Bezeichnung der Sache.

 

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F. Tafel der Bramstedter Ratmänner

 

Die um 1530 amtierenden sechs Männer sind uns eingangs bekannt geworden. Hier folgen die Namen der Männer, die nach ihnen bis zum Jahre 1749 hin die Fleckensverwaltung in Händen hatten. Jedem Namen ist, soweit das möglich ist, das Jahr ihrer Wahl beigefügt worden. Nur in vier Fällen - 1565, 1627, 1671 und 1693 - wird lediglich die Tatsache des Amtierens angezeigt.

1565    Klaus Hardebeck Markus Steckmest Hinrich Rolefinck Christoffer Hamerich

1627    Hans Bulte Klaus Hardebeck Klaus Stekmest Marx Folster

1631    Klaus Hardebeck Hinrich Rolefinck Marquart Steckmest Christoffer Hamerich

1661    Hans Fulendorp Klaus Maes Frenß Hardebeck Albert Bartels

1673    Harm Götsch Hans Hardebeck Mattias Böttiger Jasper Henniges

1676    Ties Langhinrichs Jürgen Fuhlendorf Carsten Toede Jasper Wulf

1679    Hinrich Bult Johann Rölfinck Hans Hartmann Detlef Foss

1682    Jürgen Fuhlendorf Hans Hardbeck Carsten Toede, gest. Jasper Fölscher   Claus Voss (für Toede)

1690    Hartwig Fölster Johann Pohlmann

1690    Hans Hardebeck Behrnt Lechell

16901) Ties Langhinrich Claus Mass Jasper Stüven Marx Westphalen

1693     Jürgen Fuhlendorf Detlef Voss Hans Verst Hans Steckmest

1694     Thomas Thomsen Christian Hamerich Johann Wolters Hans Langhinrichs

1696    Hans Fulendorf  Hinrig Körner Arend Wulff  Hinrich Stelling

1698    Jürgen Fuhlendorf  Claus Steckmest Jasper Fölster  Claus Maehs

1700    Tim Langhinrichs  Marx Westphalen  Bartelt Ditmer  Hinrich Stöcker

1702    Claus Boy  Hans Stüven  Jochim Stüven  Marx Stekmest

1704    Peter Wischmann  Johann Langhinrichs  Johann Hartmann  Christian Albrecht Bartels

1706    Hans Mohr

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1) Soll wohl 1692 sein.

 

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1706    Jürgen Rungen,  Andreas Harders, gest.,  Andreas Wolters

1708    Casper Harm, Bostel  Jasper Stüven (Rademacher), Frenß Fulendörp,  Dirck   Mahs

1710    Hans Wulff,  Lorenz Behrens,  Hans Fuhlendorf,  Marx Finkenbrinck

1712    Marx Westphalen,  Hans Götsch,e  Dirck Brömmer,  Marx Lindemann

1714    Jochim Stüven  Christian, Albrecht Bartels,  Jasper Fock,  Claus Preuss

1716     Albrecht Wischmann,  Marx Finkenbrinck,   Marx Steckmest,  Andres Wittdorf

1717       Hans Götsche, Claus Feerse

1718     Hans Mohr,  Johann Hamerich

1719     Claus Ratgen,  Casten Stamjohan

1720     Hans Fuhlendorf,  Jochim Feerst

1721     Johan Hartmann,  Hartig Stüven

1722     Albrecht Wischmann,  Hans Fölster

1723     Johann Hartmann,  Claus Boy Hogedoor

1724     Jörgen Lindemann,  Casper Harm Borstel

1725       Hans  Götsch,  Hans Mohr

1726     Frenß Brandt,  Hans Böy

1727    Claus Böy aufen Berg,  Marx Steffen

1728     Johann Asmus Tamßen,  Jochim Götsche

1729     Jasper Delfs,  Hinrich Ohrdt

1730     Claus Stöcker,  Hartig Stüven

1731     Andreas Wittorf,  Dirck Brömmer

1732     Detlef Lück, gest.,  Hinrich Reimers

1733     Casper Fölster,  Harmen Hinr. Hartmann

1734     Christian Hamerich,  Jasper Stüven

1735     Jürgen Fulendorf,  Joh. Jochim Hartmann

1736     Henning Borgert,  Michel Stüven

1737    Johann Hartmann (Altenteiler), Hans Meyer

1738     Christian Hasche,  Claus Harders

1739     Johann Hartmann , Hans Meyer

1740     Hinrich Behrends,   Johann Langhinrichs

1741     Hans Fehrs,  Asmus Dickmann

1742     Nik. Michael Schramm,  Jochim Kröger

1743     Hans Hartmann  Marx Boy

1744     Hans Fuhlendorf, Marx Westphalen

1745     Christ. Friedr. Thomsen, Jochim Witt

1746     Hans Langhinrichs, Marx Steckmest

1747     Hans Friedr. Götsche, Albert Löck (Lück)

 

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Von Pflugzahl und vier wüsten Hufen

 

(Nach Akte B IX 3 Nr. 143 des Kieler Archivs)

 

Solange Steuer und andere Lasten nach der Pflugzahl bemessen wurden, hatten die Untertanen natürlich eine nicht geringe Neigung, diese Pflugzahl tunlichst niedrig zu halten. Man kann den Bramstedtern nachrühmen, daß sie in dieser Hinsicht wach und rührig gewesen sind. Darüber soll hier ein Beispiel aufgezeigt werden. Was die »wüsten Hufen« anlangt, die dabei eine große Rolle spielen, so ist vorweg zu bemerken, daß es sich um Bauernhöfe handelt, die von den Besitzern geräumt, also im Stich gelassen worden waren. Solches ist in unserm Kirchspiel während der Nöte des 17. und des 18. Jahrhunderts leider nicht selten geschehen. Diese Hufen fielen nach Landesrecht in das Eigentum der hohen Herrschaft zurück. Unser Bericht umfaßt die Zeit von 1686-1723.

Im Jahre 1686 hat der König vom Gut Bramstedt dem Flecken zwei Pflüge zugewiesen, »bester Hand«, aufgeteilt in vier halbe, derer drei mit Häusern, das letzte ohne Gebäude, also völlig wüste. Die Witwe Elisabeth Heseler, Tochter des weiland Kirchspielvogts, berichtet auf Anforderung von den Häusern: Nr. 1 habe Christian Schlaf bewohnt und für 1688 die Abgaben entrichtet, zusammen 25 Reichstaler.

Nr. 2 sei bis Anno 1690 als Torfhaus für das Aderkassische Regiment benutzt; darnach von Jochim Schröder übernommen, der bis 1692 zusammen 10 Taler bezahlte; darnach von Marten Lechmann bewohnt, der für 1693 3 Taler bezahlte und, als der Torf daraus genommen, das Haus »neu verleeden1), bauen und decken« ließ.

Nr. 3 wird benutzt als Wachthaus für den Obristen Aderkass Dragonerregiment. Nr. 4 »Über die verhäuerten Wiesen und Ländereien zu den wüsten 4 Hufen findet man unter den Sachen meines Mannes keine eigentliche Nachricht. Jochim Schröder hat sie 1690-93 einschl. in Pacht gehabt.« Als zweiter Berichterstatter erscheint Jasper Wulf:

»Das jetzt von Aderkass mit Einquartierung belegte Haus habe ich und nebenbei noch ½ Hufe, die der Kirche zuständig, davor jährlich dem Pastor gegeben 24 Himten Roggen und 20 Schilling lübsch bezahlt, und anbei noch ½ Hufe, davor der Königl. Maj. als ein Kötener kontribuiret, habe jederzeit auch richtig sowoll an die Kgl. Maj. als an die Kirche abgetragen, so daß kein Dreier restant geblieben.«

»Während der Zeit, zwar 1677, im Monat Juni, hat mich Gott gestraft mit Feuersbrunst, von einem Munitionswagen der hessischen hindurch führenden Auxiliar-Völker, indem einiges im Fahren daraus auf die Straße laufende Pulver etwas aus einem Stein von einem Pferde ausgetretenes Feuer aufgefangen und so der Wagen in die Luft gesprengt und leider damals 8 Häuser, darunter meines auch, in Feuer

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1) Leeden = Schwellen, auf denen Stender und Mauerwerk ruhten.

 

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aufgegangen. Meine Mittel und der Gilde Beistand reichten nicht; ich mußte Schulden machen.« Notiert 1689.

Im Jahre 1693 hat dann Frau Heseler, Kirchspielvogteiin, wegen der vier wüsten halben Hufen dem Amtmann von Rheder folgendes bekundet: Die Rückgabe der vier Hufen habe nach dem Willen des Königs für 16 Jahre gelten sollen. Hier habe man angenommen, er werde daraus eine endgültige Sache machen. Amtsverwalter Rat Reiche zu Bramstedt habe die Hufen ihrem Vater, Christian Schlaf, damals Kirchspielvogt, zur Aufsicht übergeben und zur Verhäurung. »Mein seliger Mann (Heseler) hat von 1688 her die Berechnung der 2 Pflüge unterlassen.« Sie könne nicht genauer feststellen, um welchen Betrag es sich handeln möge. Ihr Vater habe auch viel Geld auf die Instandhaltung der Häuser verwendet. Im übrigen möge sich der Herr Amtmann wenden an Jürgen Fuhlendorf, »der die beste Wissenschaft von allem hat.«

Erst nach drei Jahren scheint der Herr Amtmann wieder die Initiative in dieser Sache ergriffen zu haben, indem er sich nach Kopenhagen wandte. Die Angelegenheit bleibt, soweit erkennbar, bis 1722 im Zustand des Schwebens. Dann bringt aber Amtsverwalter Nottelmann sie unangenehm in Erinnerung, indem er den Bramstedtern mit einer »Verhöhung der Pflugzahl« droht.

Am 17. März 1722 gibt Etats-Rat und Amtmann von Hanneken, seßhaft in Lübeck, den Fleckensleuten, die eine »Erklärung« erbeten haben, zur Nachricht, daß der Beamte Nottelmann nichts zu bestimmen habe, sondern gänzlich an die bestehenden Vorschriften gebunden sei. Er mache aber darauf aufmerksam, daß das im Namen der Bramstedter gegen Nottelmann gerichtete Memorial straffällig sei, da es weder vom Schriftsteller noch von den Supplikanten unterzeichnet worden sei.

Im übrigen sei die Pflugzahl für Bramstedt 1696 von Majestät im Umschlag festgesetzt auf 26 1/16, ungerechnet den Pflug der Kirchspielvogtei. Durch die Remittierung der wüsten Hufen ergebe sich ein Zugang von 3 5/48 Pflügen, die er pflichtgemäß eingestellt und für die Jahre 1718-1721 Nachzahlung verlangt habe. - Es sei purer Unverstand, sich darin zu weigern.

(An dieser Stelle darf die Vermutung ausgesprochen werden, daß die 1696 neu eingesetzte Pflugzahl bislang überhaupt noch nicht praktisch sich ausgewirkt hatte.)

Die Fleckensverwalter säumen nicht, dem Herrn Etats-Rat zu antworten. Mit »Bestürtz- und Verwunderung« haben sie vernommen, daß eine Erhöhung der Pflugzahl beabsichtigt werde. Kgl. Maj. Quinti habe ihnen die Gnade1) erzeiget, daß sie überhaupt nur noch mit 20 Pflügen contribuable sein sollen; einer mit Namen Noack, wolle die Erhöhung durchsetzen. In die 20 Pflüge seien die wüsten

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1) Es ist nicht ohne Reiz, zu erfahren, daß die Bramstedter, als sie 1695 durch ein großes Opfer den Flecken wieder unter königliche Herrschaft gebracht hatten, erwartet haben, Majestät werde anerkennend nur 20 Pflüge ins Steuerregister einsetzen lassen. Von einer schriftlichen Verhandlung darüber verlautet nichts; die Sache sollte bei mündlicher Verhandlung in Kopenhagen unter der Hand geordnet werden. Eine schriftliche Zusage im berührten Sinne hat Kopenhagen nicht erteilt.

 

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Hufen derzeit schon mit eingerechnet. Excellenz wolle den Hecken schützen vor dem Ansinnen des Amtsverwalters Nottelmann, wonach sie künftig 3 5/48 Pflüge mehr versteuern und für 1718-1721 noch nachzahlen sollen. Unter dem sel. Amtmann von Rheder sei im Pastoratshaus zu Kaltenkirchen kundgemacht worden, daß der Flecken künftig nur für 20 Pflüge kontribuire und im besonderen für 1/3 im Herren-Register gesetzt werden solle. - Schon Kirchspielvogt Jancke habe versucht, rechtswidrig die Magazin-Restanten ab 1718 für die überzähligen Pflüge einzutreiben.

Am Schluß bitten sie noch einmal um Schutz. »Excellenz' aequanimität (?) und weltgepriesene Liebe zur Gerechtigkeit möge ein gnädiges Einsehen haben.«

Fünf Tage später, am 29. April 1722, sendet Kopenhagen folgende Anfrage an Hanneken nach Lübeck:

Man habe bei der Segeberger Amtsrechnung über 1720 nur 24 1/8 Pflüge statt der nun gemeldeten 26 1/16 gefunden; nun lege man, um die völlige Pflugzahl zu finden, noch 3 5/48 dazu, von welcher wir jedoch so wenig angesetzet finden wie das Flecken, das nur 20 anerkennt.

Der Amtmann antwortet nach vier Wochen:

»Die dubia betreffen die Schäfferey in Hasen-Mohr, item des Müllers zu Gimpen Grundheuer vor seinem Hause bei der Mühle. Dazu soviel: Die Hasen-Mohrer haben einen alten contract mit Herrn Amtmann von Bukwalt, wonach sie jedesmal bezahlt. Es sind aber noch einige Kötener dabei, die in die Amtsregister geben. Bei der Auslegung 1665 sind diese Schäffereyen dem Grafen Wilhelm von Königsmark etwas höher angegeben als der Schäfer ihr contract, wie in andern dergleichen Posten wohl mehr. Der selige Raht Reiche hat wohl danach alles zusammen gerechnet. Die Grundhäuer des Mühlenhauses hat er ohne Zweifel gehoben der Geheime Rat und Probst Blome; ob das ihm zu disputiren, weiß ich nicht.«

Es folgen Nachrichten über die Pflugzahl nach dem Amtsregister 1722: Von altersher hatte der Flecken 13 große Pflüge und noch 1 Pflug des Kirchspiel-Vogts Heseler, so befreiet worden; dazu 22 halbe Pflüge und 33 Kötener oder 1/16 Pflüge, zusammen 27 7/16 - 26 1/16 sind 1665 für 15 575 Taler an Graf v. Königsmark verpfändet, desgleichen die Schäfereien zu Falkenhagen, Fuhlenrue und Hasenmoor samt der Hölzung Scheloe für 5684 Taler. (Die gegebenen Ziffern betreffen eine Schätzung; der Kaufpreis betrug 14 000 Taler für alles zusammen.) Die Fleckensleute aber haben die Gutsherrschaft, unter welcher sie sich bald sahen, mit großer Energie im Jahre 1695 wieder abgeschüttelt, wie unter dem Kapitel »Jürgen Fuhlendorf« eingehend dargestellt wird.

Die bei dieser Gelegenheit durchgeführte nachbarliche Aufteilung des Fleckensareals veränderte das Besitzverhältnis natürlich stark. Fortan gab es 60 Drittelhufner, 2 Sechzehntel-Hufner und 4 Kätner; daneben noch 3 5/48 Pflüge oder wüsten Pflüge, die unangetastet blieben. Selbstverständlich waren die Hufe des Kirchspielvogts und die Kirchenhufe von der Teilung ausgeschlossen. So stand 1695 der Flecken mit 24 1/8 Pflügen im Segeberger Amt zu Buch.

 

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Nun zurück zu den wüsten Hufen. Im Juni 1722 wird ein erster Versuch gemacht, die vier halben Hufen in öffentlicher Licitation zu verkaufen. Das mißlingt, indem nur ganz klägliche Angebote gemacht werden. Kopenhagen ersucht den Amtmann, einen neuen Termin anzusetzen, auch zu berichten, welche Kontribution und sonstige Abgaben auf die ½ Hufen fallen werden.

Die Antwort ist wenig ermutigend. Häuser auf wüsten Hufen seien hierzulande kaum zu verkaufen. Man müsse Gott danken, wenn man sie wieder mit colonies (Ansiedlern) besetzen und der hohen Herrschaft gerecht werden kann. Auch gebe es dabei Intrigen. Der Herr Commissar hätte besser in actu Licitationes (bei der Versteigerung) als nachher einen »Schleich-Both« gemacht: so werden die Licitationen geschwächt und öffentlich decreditirt.

In einem weiteren Schreiben berichtet von Hanneken der Rentenkammer (zu Kopenhagen): »Wulf (Kirchspielvogt) wird nochmal heimliche Intrigen, wenn ich nicht irre, bei der Rentenkammer ein Schleichboth tun, mit dem Plan, das bei einer oder der andern wüsten Hufe vorhandene Holz (zu erlangen) und dadurch sich wegen seines Kaufschillings wenigstens zu erholen.« Noch fügt er hinzu, es müsse dafür gesorgt werden, daß die halben Hufen (Haus und Land) nicht zerrissen werden.

Am 30. Juni 1722 findet die zweite Versteigerung statt. Der Amtmann meldet der Kammer folgende höchste Gebote:

a)    Jochim Schröder für Hein Barkmanns Haus mit Zubehör 72 Reichstaler

b)    Jochen Hartmann für Hartig Stökers Haus mit Zubehör 5 5 Reichstaler

c)    Johann Hartmann für Heins Erbe mit Zubehör 155 Reichstaler

d)          ?             ?     für Johann Hardebecks Haus mit Zubehör 25 Reichstaler.

Der Zuschlag sei erteilt worden mit Vorbehalt hoher Approbation. Die Renten kammer gibt am 21. Juli die überraschende Antwort: Der Kommissar Wulf habe laut anliegendem Schreiben vom 2. Juli wiederum ein Schleich-Both getan und biete statt gemeldeten 307 Reichstaler nun 400. Demnach sei eine dritte Versteigerung nötig, die anzusetzen sei mit dem Vermerk, daß spätere Angebote nicht berücksichtigt werden, unter keiner Bedingung.

Amtmann von Hanneken stimmt der Auffassung der Rentenkammer mit allem Nachdruck zu und äußert sich in harter Anklage, wie folgt:

»Solche Praktiken, wie vorher erlebt, müßten ausdrücklich bestraft werden. Nicht nur die redlichen Beamten werden unnötig bemüht, auch das Ansehen der Regierung leidet darunter. - Der Herr Commissar Wulf hat vormahls durch unverantwortliche Connivence (Nachsicht, Entgegenkommen) das Bondenholz des Fleckens dergestalt von den Einwohnern verwüsten lassen, daß wenig mehr übrig ist, und wenn ein Unglück im Flecken entstehen sollte, wären die wenigsten capabel (imstande), ihre Häuser wieder aufzubauen. - Nun zielt er dahin, das wenige, bei den wüsten Hufen vorhandene Holz vollends herunter zu hauen. -Hier stehen lediglich des Landes und des Königs Interessen in Frage.«

Am 6. August 1722 gibt v. Hanneken seinen Bericht über die dritte Licitation an die Rentenkammer. Wulf hat sein Both nicht halten wollen ohne das Recht,

 

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das Holz gänzlich kappen zu dürfen. - Im übrigen ist ein Mehrangebot nur erfolgt auf Johann Hardebecks Haus, für das Hinrich Frantzen 26 Taler (statt bisher 25) geboten hat. - Über Wulf wird noch gemeldet, daß derselbe inzwischen in guter Hoffnung auf die wüsten Hufen einen Baum von 64 Fuß (2/3 Festmeter) in dem zugehörigen Bondenholz habe hauen lassen. »Ich habe es ihm vorgehalten; er sagt, der Flecken habe den Baum schon seinem Vorgänger Averhoff geschenkt. Hanneken: er sehe in keiner Weise ein Recht dafür.«

In einem Anhange bestätigen zu größerer Sicherheit die vier derzeitigen Ratmänner, daß Wulf besagten Baum habe hauen lassen. - Eine zweite Beilage bringt Anklagen in verschiedener Hinsicht gegen Wulf und gegen den interimistischen Kirchspielvogt Jancke, welch letzterer sich keineswegs das wüste Erbe anmaßen dürfe. Ankläger ist George Noack, wohl ein Mitglied der Rentenkammer.

Am 25. August approbiert man die dritte Licitation der wüsten Hufen, indessen mit folgenden, in den Kaufbrief aufzunehmenden Bedingungen: in deren Holz darf nicht gehauen werden ohne Erlaubnis des Amtmannes und Ausweisung durch die Holzbedienten; ferner dürfen die Hufen nicht zerrissen werden durch Tausch oder Kauf. Sie sollen wirklich mit colonies besetzt werden.

Weiterhin veranlaßt die Rentenkammer, daß durch zwölf Männer von mehr als 60 Jahren festgestellt wird, welche Ländereien, Wiesen, Hölzungen und Heide wirklich den vielbesagten Hufen zukomme. Ein Schriftstück mit ihren Namen bezeugt, daß sie dieser Aufgabe gewachsen waren. Rentenkammer und Amthaus übernehmen es, die Frage der Pflugzahl ins Reine zu bringen.

 

Die Fleckensverwaltung

 

II. Abschnitt 1749

 

Anno 1749 am Montag vor Fastnacht sind in der gewöhnlichen Versammlung gesamter Fleckenseinwohner zur Erhaltung guter Ordnung und Abstellung eingerissener Mißbräuche »nachgesetzte Artikeln einmühtiglich beliebet« und festgesetzt worden, um darnach der sich äußernden Unordnungen vorbeugen und abhelfen zu können als: nach

Art. 1 sollen wie von Alters her, also auch nach diesem, jederzeit vier Raths- und Acht Achts-Männer sein, von welchen Erstere jährlich Zweene abgehen und an deren Stellen aus letzteren Zweene andere erwehlet werden. Dieser Vier Rathsmänner Obliegenheit ist, daß sie bei allen Vorfällen im Nahmen des ganzen Fleckens ihrem besten Wissen und Verstande nach das Nöthige und Nützlichste besorgen, Schaden und Nachtheil aber abzuwenden suchen, und Ein- und Ausgabe verwalten, auch sollen sogleich an der Stelle der vorgedacht abgegangenen Acht-Männer zweene neue erwehlet, im gleichen zweene Armenvorsteher ernannt werden, aus welchen dann beliebig einen der p. t. (zur Zeit) der Herr Amtmann bestellet und beeidiget.

 

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2.    Sollen die Rath-Männer bey Versammlung der Fleckens-Einwohner und in der Anwesenheit des p. t. Kirchspielvoigts als Bürgermeister von gehabter Einnahme und Ausgabe richtige und accurate Rechnung übergeben, welche Rechnung durch den Kirchspielvoigt in der Versammlung öffentlich verlesen, nachdem aber von denen Achtsmännern aufs fleißigste inspiciret und nachgesehen und die gefundenen Mängel aufrichtig angezeiget werden, um von Rechnungsführern solcherwegen Antwort fordern zu können.

3.    Wo Vorfälle sich äußern sollten, die durch die Rath-Männer allein nicht besorget werden könnten und dahero das ganze Flecken berufen werden müßte, so soll ein jeder auf bestimmten Glockenschlag erscheinen, wer aber vorsetzlich außen bleibet, soll den Armen zum besten mit 2 Schilling bestrafet werden, und sodann schlechthin mit dem Beschlossenen friedlich seyn, wer aber dennoch nicht wolte und Verdruß erregte, soll der Obrigkeit zur Bestrafung angezeiget werden. Wer aber nicht zu Hause ist, und läßt sich entschuldigen, ist zwar Straf frey, muß aber auch das Bewilligte genehm halten.

4.    Wann in der Versammlung des Fleckens einmahl über Sachen ein Schluß gefaßt und Einwilligung erfolget, nachdem aber weitere Erweg- und Überlegung erforderten, sollen Rathmänner und die Achts-Männer zusammen treten und sich besprechen, und was auf diese Art geschlossen ist, wird vom ganzen Flecken für gut gehalten.

5.    Wenn in der Versammlung des Fleckens oder der Rath- und Achtmänner eine Sache vorkommet, worüber sie sich nicht vereinbaren können, soll durch die Rath-Männer die gantze Versammlung befraget eines jeden Meinung aufgezeichnet und nach den mehrsten Stimmen die Sache behandelt werden; wollte aber jemand sich freventlich aus der Versammlung begeben, in Meinung dadurch den Lauf der Sache zu hemmen, derselbe verzichtet oder begibt sich seines Spruchs und muß zufrieden seyn, was von übrigen behandelt und beliebt worden, und da ein solcher nachdem außer der Versammlung an einem andern Orte von dem Verhandelten gegen Einfältige ungebührlich plaudern und schwatzen sollte, soll derselbe, den Armen zum besten, mit 4 Schilling bestrafet werden und das Bewilligte dennoch bestehen und in Kraft bleiben.

6.    Damit die Plauderey und der Nachrede abgeholfen und gewahret werden könne, sollen hinführo in der Versammlung des Fleckens alle Beliebungen und Inhalte der memorialien kürzlich in ein Buch geschrieben und von Zeit zu Zeit aufgehoben werden, um daraus sehen zu können, was vorgegangen und beschaffet worden.

7.    Alle Häuersleute so sonsten keine Abgaben zu Steindämmen, Bänken oder dergleichen haben, geben wie von Alters her, alle Jahre um Fastnacht Einen Mahl an den Flecken. So aber der Häuersmann sich dessen zu erlegen weigerte, halten sich die Rathmänner an den Wirth, bey dem er sich zur Häuer aufhält.

8.    Soll 1/3 Hufner nicht mehr den 10 Stück Schaafe und ein aufm Abschiedswohnender nicht mehr den Vier Stück halten, auch keine Schaafe vor seinen Nachbaren in die Weide treiben. Um Michaelis werden die Schaafe gezählet und

 

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dem Schäfer sein Lohn gereichet, und wird für ein Lamm so viel als für ein Schaaf gegeben, nur die Böcke sind frey.

9.    Um Johannis und Weihnachten wird das Hirtenlohn gefordert, da denn für alles Vieh, welches in der Weide gehet, es sei Kuh, Quähn oder Kalb gleich viel erleget wird.

10. Soll Niemand mit seinen Pferden aus dem Kirchthor des Sommers 1 Stunde nach Sonnenschein vielweniger bei Nachtzeit hüten bey Strafe Ein Mark lübsch und Königl. Brüche vorbehalten, und wer solchergestalt seinem Nachbahren, an Korn und Graß Schaden zufüget, derselbe soll zufolge dieser Verordnung den Schaden gedoppelt ersetzen, auch wenn jemand zur Zeit des Torfeinfahrens des Nachts außer dem Kirchthor hütet, ist solcher oder der Eigenthümer gleichfalls in obiger Strafe verfallen.

11. Soll Niemand länger mit seinen Kühen außer dem Kirchthor hüten als zu den 1. May, bey Ein Mark lübsch Strafe und mit Vorbehalt Königlicher Brüche, auch soll 14 Tage nach Michaelis keiner sein Vieh ohne Hirten außer dem Kirch-Thor treiben und gehen lassen bey ebenmäßiger Bestrafung.

12. Soll Niemand sein Vieh auf der Koppel bringen, ehe und bevor aller Rocken und Haber aus dem Felde und soviel Raums ist, daß der Kuhhirte darauf hüten kann, wer dawider handelt, soll dem Flecken Eine Mark lübsch erlegen mit Vorbehalt Königlicher Brüche.

13. Wer inwendig der Befriedigung sein Vieh weidet, an und neben dem Korn, es wäre dann daß er selbiges auf sein eigen Land tüddern könnte, und der Schütter würde solches gewahr, der soll erstl. dem Schütter das Schüttgeld geben, sodann soll dieser es den Rathmännern melden, welchen derselbe gleichfalls 4 Schilling zu erlegen hat, geschieht es mehrmalen, soll er's gedoppelt erlegen und zum 3ten Mahl soll derselbe der Obrigkeit übergeben werden und dafür Königlicher Brüche dingen.

14. Wenn einer nach der Schauung muthwillig und vorsetzlich in den Wiesen hütet derselbe soll den Schaden gedoppelt erstatten und dem Flecken Ein Mark 8 Schilling erlegen und sogleich der Obrigkeit angezeiget werden ... ahling also soll es mit denen gehalten werden, die ohne Erlaubniß des Eigenthümers aus Anderer Leute Wiesen Graß oder Kraut schneiden.

15. Sollen die Rathmänner gehalten sein, drey Wochen vor den 1. May mit Zuziehung etlicher Männer nach ihrem Gefallen aus dem Flecken zu schauen, worunter die Schmalfelder Aue und Oster-Aue-Wischen wie auch auf der Lentfördener Aue über die Hudau gehören.

Wer strafbar befunden wird, gibt vor den Mangel, so in jeglichen Antheil angetroffen wird, das

Erstmahl...............................................................................................................   2 Schilling

andermahl............................................................................................................   3 Schilling

und dritte mahl ...................................................................................................   4 Schilling

und über dem ist er schuldig Königlicher Brüche zu dingen.

Auf eben solche Weise wird es gehalten mit Schauung der Auen und genießen

 

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die Rathmänner für ihre Mühe vorgesetzte z, 3 und 4 Schilling Schauungs-Strafe. - Auch sollen die Rathmänner auf gleiche Weise die Rocken-Kämpe 14 Tage nach Michaelis schauen.

16.    Soll niemand auf gemeine Weide Plaggen hauen, noch Plaggen Torf graben bey Strafe Ein Mark und Vorbehalt Königlicher Brüche.

17.    Soll niemand aus freier Weide etwas zu seinen Acker oder Wiesen nehmen, und was zugenommen werden könne, darüber solle eine Gleichheit gemacht werden. Wer aber nach diesem was zunimmt, das soll niedergeworfen und dafür Ein Mark am Flecken erlegt werden mit Vorbehalt Königlicher Brüche.

18.    Da jemandes Vieh unversehener Weise Schaden verursachte, soll der Schade von unpartheischen Männern autumirt und taxiret und darnach schlechthin der Schaden ersetzet werden.

19.    Soll Niemand sich unterstehen, wenn daß Graß gros ist, zu fischen auf der Aue bey Ein Mark und mit Vorbehalt Königlicher Brüche.

20.    Soll Niemand sich unterstehen, von andern Orten Gänse auf die Weide zu nehmen, wer betroffen wird, daß er hiewieder gehandelt, soll in Königlichen Brüche, die Gänse aber oder deren Werth den Armen verfallen sein.

21.    Damit der Steindamm alle Wege im guten Stande erhalten wird, sollen desfalls die Rathmänner ihn jährlich besichtigen, und wenn Mangel daran gefunden wird, solches sofort gehörigen Orten es anzeigen und besondere, daß er verbessert werde.

22.    Soll nicht erlaubt seyn, über die Äcker zu fahren, daferne man in und dahin kommen kann, wohin man nöthig hat, durch ordentliche Wege bey Strafe Einer Mark am Flecken und mit Vorbehalt Königlicher Brüche.

23.    Weil Nachricht vorhanden von 1682 daß wenn die Hohenthoresbrücke gebauet worden, der Weg während der Bauung durch Hans Meyers Kohlgarten gegangen, so bleibet solcher Weg auch künftig bey Bau- und Reparierung gedachter Brücken dadurch.

24.    Da offter mahls, wenn das Korn meist aus denen Bracken weg, einige sich unterstehen, ihr Vieh hinauf zu treiben zwischen dem Korn, so soll hinführo Niemand sein Vieh dahin treiben bis alles Korn hinweg ist bey Strafe Ein Mark und Vorbehalt Königlicher Brüche.

25.    Soll niemand weder der Eigenthümer sonst oder Häuersleute aus jemandes Holz oder Busch-Theil, Schacht oder Busch hauen, wer dawider handelt, soll dem Flecken Drey Mark erlegen und darüber Königliche Brüche verfallen seyn. Und wer eine Eiche hauet in eines andern Holztheil, es sey dieselbe alt oder jung, derselbe soll dem Eigenthümer die gedoppelte Zahlung leisten.

Daß vorstehende Artikeln von gesammten Eingesessenen dieses Fleckens Bramstedt einmühtiglich beliebet worden, und daß selbige in meiner Gegenwart declariret, solche künftig zur steten Richtschnur sich dienen zu lassen, auch wer dawider handeln möchte sich darnach in allen Fällen weisen und strafen lassen woll, Solches attestire.

Bramstedt den 13. Februar 1749                                                                       gez. Basuhn

 

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Demnach vorstehende 25 Artikeln vermöge des von dem jetzigen Herrn Kirchspielvogt und Bürgermeister beygefügten Zeugnisses von den gesammten Eingesessenen des Fleckens Bramstedt einmütig beliebet sind, und dann die Ratleute des Fleckens um Ertheilung einer Genehmigung und Bestätigung dieser Artikel Ansuchung gethan, ich auch nicht gefunden habe, daß deren Inhalt andern Königlichen allerhöchsten Verordnungen entgegen sei, vielmehr dafür halten, daß die genaue Beobachtung gedachter Artikel zum gemeinen Besten des Fleckens gereichen werde, als habe solche freywillige Beliebung und Artikel hiedurch genehmigen und bestätigen, auch deren Beobachtung allen Fleckenseingesessenen bey Vermeidung der benannten Strafe und willkürlichen Königlichen Brüche anbefolen wollen.

Bramstedt, den 22. Merz 1749

gez. Basuhn

 

Vorstehenden anno 1749 von denen gesammten Eingesessenen des Fleckens Bramstedt einmühtiglich verabredeten und von mir bey geschehener Nachsicht, weder gegen die allerhöchsten Königlichen Verordnungen noch auch sonsten gegen einigerley hergebrachte gute Gewohnheiten nur im geringsten streitenden, vielmehr zur Beobachtung guter Ordnung abzielenden 25 Artikeln habe auch ich der p. t. Amtmann zu Segeberg die von mir verlangte approbation, hiermittelß beyzufügen keine Bedenken gefunden.

Bramstedt den 24. Oktober 1757

gez. W. Christop von Reitzenstein

In gleichem Sinne approbiert den 15. Dezember 1759

der folgende Amtmann Arnold

In gleichem Sinne den 29. Juni 1772

Rathe

In gleichem Sinne den 14. May 1773

A.                                                      Schumacher

 

 

 

EIN KAPITEL BRAMSTEDTER FLECKENSVERWALTUNG

 

Auszug aus den Dokumenten und Berichten, die in den Jahren 1774 bis 1779 auf Befehl von Amtmann Andreas Schumacher dem Fleckensprotokoll einverleibt worden sind.

Einleitung

 

Ein Fleckensbuch ist seit 1530 hierorts geführt worden. Es hat ausgereicht bis zum Jahre 1847; seitdem in mehr oder minder dumpfen Archivräumlichkeiten der Dinge harrend, die nicht kommen wollten, ist es endlich im Zuge der Forschung, die auf Gewinnung einer Ortschronik abzielt, in das Licht des Tages gerückt. Die braven, frommen Männer, deren Hand dem Buche die ersten Schrift-

 

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züge mühsam eingefügt hat, bekundeten ihren Respekt vor dem so ungewöhnlichen Werk durch die Inschrift: »wat hier geschrewen is, is alles ewig duernde.« Nun, es ist noch heute da und insofern das Urteil der Altväter nicht zuschanden geworden.

Nimmt man aber das Buch unter die Lupe der Kritik hinsichtlich seines Inhaltes, so entgeht man nicht einer starken Enttäuschung. Quantum und Qualität lassen den Forscher in gleichem Maße im Stich. Wenn im Laufe von 317 Jahren das Schriftwerk zuwegegekommen ist, so entfällt auf jedes Jahr durchschnittlich eine Leistung von etwa einer Seite. Manche Blätter blieben leer, manche Seite ist nur teilweise beschrieben; auch die chronologische Folge der Eintragungen ist mangelhaft beachtet worden.

Andreas Schumacher fand an solcher »Buchführung« wenig Gefallen. Er sorgte ohne Säumen für Anschaffung eines neuen Buches, dessen erste Seite diese Inschrift zeigt: »Gegenwärtiges Protokollum des Fleckens Bramstedt, welches aus 952, schreibe neunhundert zweiundfünfzig numerirten paginis besteht, mit einer grünen Seidenschnur durchzogen und so wohl mit meinem als dem Fleckens Siegel auf der letzten versehen ist, wird hiemit auf geziemendes Ansuchen von mir Amtsobrigkeitlich autorisirt, um in vorkommenden Fällen, sowohl gerichtlich als außergerichtlich, als in Beglaubigung des (alten) Fleckensbuches producirt und gebraucht werden zu können. Actum im Königlichen Amthause zu Bramstedt, den 17. März 1774

gez. A. Schumacher

p. t. Amtmann des hiesigen Amtes«

 

Solange dieser Amtmann, der auch selbst im Flecken wohnte, das Heft in der Hand hielt, geschah, was er erstrebt hatte. In fünf Jahren seiner Amtsführung wurden 50 Seiten seines Protokolls mit guter Schrift versehen und das bei verdoppeltem Format im Vergleich mit dem Fleckensbuch von 1530. Doch er fand keine rechte Nachfolge. Kein Amtmann machte noch Eintragungen: der Kirchspielvogt führte die Feder. Die Texte wurden immer eintöniger. 1809 erfolgte die letzte Eintragung auf Seite 89. Heute sind die letzten 20 Blätter samt Seidenschnur und den beiden großen Siegeln herausgerissen. Aber reichlich 400 Blatt besten Schreibpapiers warten noch auf den Liebhaber.

 

Instruktion

 

nach welcher die auf sechs Jahre bestellten Zwei Rathmänner, Nicolaus Meyer und Jochim Lohse sich während ihres Amts schuldigst zu richten haben werden.

1. Sollen dieselben eine Oberaufsicht und Verwaltung aller Fleckens Angelegenheiten, sie mögen bestehen worin sie wollen, wann sie nur die Commune und das Beste derselben angehen, dergestalt, daß sie für die Ausrichtung der Obrigkeitlichen, dahin Zielenden Verfügungen, es mögen ihnen selbige direkte vom Amtshause oder durch den Herrn Kirchspielsvogt zugestellt werden, zu sorgen und

 

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über deren Befolgung zu wachen haben; dahingegen ihnen, ihrer Einsicht und Überlegung die specielle Einrichtung und Verteilung der besonderen Aufträge, die etwa zur Bewerkstellung der höheren Anordnungen am dienlichsten seyn möchten, gäntzlich überlassen werden.

2.    In allgemeinen: das Gantze des Fleckens betreffenden Sachen, sie mögen nun das Commerz-Wesen, die Öconomie oder die Policey angehen, sollen sie die Freyheit haben, jedoch mit Zuziehung derer beyden andern Rathmänner und dero ihnen zugewiesenen acht Assistenten, unter dem Vorsitz des Kirchspielsvogts, der in streitigen Sachen die Stimmen zu colligiren und durch Ertheilung der seinigen den Ausschlag zu geben hat, im Nahmen und Vollmacht des gantzen Fleckens Beliebungen abzufassen und Schlüsse abzugeben, welche eben die Gültigkeit haben sollen, als ob sie mit Bewilligung aller einzelnen Mitglieder der Commüne wären entworfen worden. Jedoch mit dem Vorbehalt, daß in Fällen, die von einiger Wichtigkeit sind, und wo es etwa auf die Abschaffung einer alten Usance und Einführung einer neuen Ordnung ankäme, die Approbation des Amthauses,  ehe selbige zur  Wirklichkeit gebracht wird,  vorhero  eingeholt werde.

3.    Was dahingegen die zur Bestreitung der notwendigen Ausgaben erforderlichen Anlagen anbetrifft, so haben sie sich genau nach der Königlichen desfalls emanirten Constitution und nach der Kammer-Verordnung, in specie vom 13. Decbr. 1707 § 6 und vom 16. Juni 1717 § 13 et 14 zu richten und keine Anlagen auf die Fleckens-Eingesessenen zu repartiren, ehe und bevor das Amthaus von der Notwendigkeit derselben überzeugt und durch Authorisirung der von ihnen hierüber zu tuenden Vorstellung dazu den erforderlichen Consens erteilet haben wird.

4.    Und wenn auch das Flecken in vorigen Zeiten durch Anlegung weitläuftiger und zum Teil unnötiger Prozesse nicht wenig bedrückt worden: als haben sie sich in keinen Prozeß, worzu sie Beyhilfe fremder Advocaten benötigen und der für ein auswärtiges Forum geführt werden muß, ehe solche vorher bei ihrer Amtsobrigkeit angezeiget worden, die sich äußerst wird angelegen seyn lassen, ihnen ohne viele Geld spillende Weitläufigkeit zu ihrem Recht zu verhelfen.

5.    Da der Herr Kirchspiels-Vogt durchandere ihm aufgetragene Geschäfte behindert wird, die speciale Aufsicht über das Polizei-Wesen zum Hauptgegenstand seiner Beschäftigung zu machen, und es nicht wohl möglich ist, daß er stets allenthalben zur Stelle sein kann, so haben sie auch eine beständige Aufsicht auf die Fleckens-Polizei zu halten und dahin zu sehen, daß keine grobe Vergehungen wider die allerhöchste Sabbats-Verordnung stattfinden oder in Schwang kommen; allen Unordnungen und Schlägereien, wan sie dabei zugegen sind, zu steuern; wie nicht weniger auf die Nachlebung derer wider das herum streifende herrenlose Gesindel, und wegen gäntzlicher Einstellung des Betteins allerhöchst verhängete Verordnungen ein wachsames Auge zu haben und es dem Amthause alsofort zur weiteren Untersuchung anzuzeigen, wann sich etwa verdächtige Personen hieselbst einschleichen wollten. Welches alles jedoch nicht so zu verstehen ist, als ob

 

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sie diese Sachen selbst verrichten sollen, indem hier blos von der Ober-Aufsicht die Rede ist, die Geschäfte selbst aber vor wie nach von denen ab und zu gehenden Rathsleuten, wie bisher üblich gewesen, verrichtet werden müssen.

6.   Erfordert ihre Schuldigkeit es, richtige und specificirte Rechnungen über die Fleckens Einnahme und Ausgabe, und genaue Ordnung bei Einteilung und Ansagung der Fuhren, der Hand- und Spanndienst-Leistungen, so wie solches bisher üblich gewesen, fernerhin zu halten, und um mehrerer Genauigkeit willen auch über letztere ordentliche Verzeichnisse zu halten, welche alle Jahr dem Fleckens-Archiv anzulegen und zu ihrer Justification verwahrlich aufzubehalten seyn werden: Was aber die eigentliche Fleckens-Rechnung betrifft, so soll selbige alle Fastelabend öffentlich der Commüne vorgelesen und demnächst so, wie solches vorhin gebräuchlich gewesen, nebst den dabei gemachten Monitis und Erinnerungen zur Decision und Entscheidung wie auch zur Aufbewahrung im Amthause abgeliefert werden; als zu welchem Ende von sothaner Fleckensrechnung zwei gleichlautende Exemplare auszufertigen sind. - Was das eigentliche Ansagen der Hand- und Spanndienste betrifft, wie auch das darüber zu führende Register, so bleiben selbige eine Beschäftigung der jüngeren Rathmänner, über welche sie aber so wie über alles die Ober-Aufsicht zu führen haben werden.

7.   Ist es eine nicht zu verabsäumende Pflicht, auf die dem Flecken auszubessern beykommenden Landstraßen und Wege, nicht weniger die Straßen und Pflaster des Fleckens selbst und derer Reinhaltung fleißig Acht zu geben, und wan eine Ausbesserung dabey erforderlich wäre, solche sofort durch die Beykommenden veranstalten zu lassen; große etwa vorfallende Reparationes sind aber unverzüglich in der Kirchspielsvogtei einzuberichten. Wobey zu merken ist, daß hier abermals nur von einer Oberinspektion die Rede ist.

8.   Auch sind sie gehalten, das Fleckens-Archiv und die gesammelten und noch zu sammelnden Nachrichten, in genaue Ordnung, nummeriert, nach den Materien wie möglich in Convolute gelegt und in Register zu halten, damit alle bisherige Verwirrung, die dem Flecken bereits vielen Schaden verursacht hat, gäntzlich abgeschafft wird und man dasjenige, was wichtig ist, ohne Weitläufigkeit und Durcheinanderwerfung der Papiere sogleich finden könnte, wie nicht weniger für die sorgfältige Aufbewahrung sämtlicher Papiere einzustehen.

9.   Haben sie für die richtige Eingehung der Extra Schatzung in der Kirchspiels Vogtey, desgleichen für die Einkassirung und Repartition anderer, auf das Flecken gelegter Auf- und Anlagen genaue Sorge zu tragen und selbige demjenigen aus den Rathleuten oder 8 Männern aufzutragen, der hiezu die mehrste Geschicklichkeit habe.

10.  Der mehreren Sicherheit wegen und größeren Ordnung müssen sie auch ein ordentliches Protokoll oder Fleckensbuch halten, worinnen alle verfaßten Beliebungen und Rathschlüsse, desgleichen alle Obrigkeitlichen Befehle, deutlich und faßlich, nebst andern Nachrichten, so von Wichtigkeit sein mögen, einzutragen und die Glaubwürdigkeit und Gültigkeit derselben beym Schluß jeden Jahres durch die Videmirung des Kirchspiels-Vogts außer Zweifel zu setzen ist; als zu welchem

 

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Ende besagtes Protokoll behörig paginirt und mit einer Schnur, deren Enden mit meinem und dem Fleckens-Siegel versehen sein müssen, durchgezogen werden soll. 11. Da aber die Beobachtung, aller vorgeschriebenen Punkte und die Erhaltung der Ordnung im Gantzen sie derogestalt beschäftigen wird, daß es ihnen vielleicht beschwerlich fallen könnte, sich in das Detail einer jeden Sache einzulassen, als wird ihnen erlaubt, sich aus denen sogenannten acht Männern einen oder zwey zu Gehülfen zu wählen, welche sie zur Ausrichtung des ihnen zu übertragenden Geschäftes am geschicktesten halten werden.

Und schließlich behalte ich mir vor, denen Umständen und dem Befinden nach gegenwärtige Instruktion zu verändern, zu verbessern und zu erweitern. Gegeben im Amhause zu Bramstedt, den 10. Februar 1774 Sr. Königl. Majestät zu Dennemark und Norwegen bestalter Conferentz-Rath und p. t. Amtmann zu Segeberg

L. S.                                                                                                    A. Schumacher

 

Der Herr Amtmann hält es für angemessen, gleichzeitig mit der Instruktion den Ratmännern einen mahnenden Fingerzeig zu geben, um zu verhüten, daß durch ungeschickte Handhabung der Fleckenssatzung den Bewohnern Nachteil erwachse. Er bedient sich dazu eines hier unverkürzt wiedergegebenen

 

Promemoria

 

»Da die sogenannten Achtmänner größten Theils noch junge Leute sind, welche noch zur Zeit nicht die nöthige Kenntnis von den hiesigen Verhältnissen besitzen, so kann ich es nicht anders als gerne sehen, daß, zum Aufkommen dieses nahrlosen Orts, vorzüglich diejenigen zu Achtmännern gewählt werden mögen, welche bereits hieselbst eine Rathmanns-Stelle bekleidet haben, oder deren Alter und Erfahrung vermuten läßt, daß sie durch ihre erworbenen Einsichten dem Flecken nützliche Dienste werden leisten können. Zu dem Ende trage ich hiermit den p. t. Rathsleuten auf, solches denen Fleckensleuten bey ihrer ersten Zusammenkunft in meinem Namen vorzutragen und ihnen anbey kundzugeben, wie ich, des allgemeinen Besten wegen, dessen Beförderung mir stets ein wichtiger Gegenstand sein wird, nicht umhin könne, zu wünschen, daß bei jetzt bevorstehendem Wechsel hierauf reflektiret und sowohl für diesmal als künftighin 4 alte und erfahrene und 4 junge Personen mit hurtigen Begriffen und gutem Willen zu Acht-Männern gewählt werden mögen.«

gez. A. Schumacher.

 

Noch ein Promemoria

 

Zwei Jahre später beehrt unser Amtmann die Ratmänner mit einem Schriftstück, in dem sich aufgespeicherte Gewitterstimmung in nicht übertriebener Höflichkeit Luft macht, ohne die Sorgen um den Flecken vermissen zu lassen. Wir lesen:

 

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»Wenn es gäntzlich wider Wohlstand läuft, wie nicht weniger zu vieler, nicht zu duldender Unordnung Anleitung gibt, daß, wie bisher geschehen, Jungens und andere unberechtigte Personen aus dem Grunde, weil ihre Eltern eine 1/3 Hufe besitzen, sich bei den öffentlichen Fleckens-Versammlungen einfinden und durch ihr ungestümes Poltern und Schreien, wie nicht weniger durch ihr höchst unanständiges Saufen und Kartenspielen, die Aufmerksamkeit der Anwesenden stören; ich aber diese eingerissene Unordnung für die Zukunft gäntzlich abgeschafft wissen will: als haben die p. t. Rathsleute solches sämtlich Beykommenden auf die gewöhnliche Weise bekannt zu machen, diese Anordnung vor Eröffnung ihrer Session öffentlich verlesen und nachrichtlich im Fleckens-Protokoll eintragen zu lassen, wie auch gebührend darüber zu wachen, daß sowohl jetzt als pro Futuro dergleichen ungebetenen Lärmen und Unordnung anrichtende Gäste durch den hiesigen Pflug-Vogt, falls sie sich nicht gütlich wegbegeben wollen, durch einige gute Karbatsch von einer Versammlung abgehalten werden, die ernstlichere Sachen zum Gegenstande hat, als daß ihre Anwesenheit daselbst von einigen Nutzen sein könnte.«

Unterzeichnet:

Ita Decretum im Königl. Amthause zu Bramstedt, 12. Februar 1776

A.                                                      Sch.

 

Dieser offenbar pflichtbewußte und energische Mann hat noch bis 1779 in Bramstedt gewohnt und als Amtmann gewaltet. In dieser Zeit ist dort die Aufkoppelung (Landaufteilung) durchgeführt worden, die im Flecken mit seinem vielköpfigen Bauernstand ungewöhnlich viel Mühe erforderte. Darüber wird etliches zu berichten sein. Zuvor mögen noch einige Bilder aus dem Geschäftsbereich der Ortsverwaltung aufgezeigt werden.

Man schreibt 1774. Die Hambrücke soll neu gebaut werden. Die Fleckenskasse hat Mangel an Überfluß. Der Amtmann setzt sich mit ein für Zuschuß von oben her. Man erreicht folgenden Bescheid:

»Wenn die Hochpreisliche Königl. Rentekammer bei Approbierung der am 31. passati gehaltenen Licitation wegen des zum Bau der Brücke erforderlichen Holzes zugleich auch genehmigt: daß denen Bramstedter Fleckens-Eingesessenen das für die eventuelle Aptirung des Holzes dargebotene Quantum 75 Mark lübsch bewandten Umständen nach zwar für dieses Mal erlassen sein möge; jedoch daß solches keineswegs zur Folge gezogen, noch dadurch der Unterthanen Verbindlichkeit zu Übernehmung der Aptirungskosten in künftigen gleichen Fällen auf irgend eine Weyse geschadet werde; Als wird solches denen p. t. Rathleuten des Fleckens Br. hiedurch bekant gemacht, mit dem Auftrage, vorstehende Resolution, sowie alle andern ihnen von hieraus zukommende dem Fleckens-Protokoll zu künftiger Nachricht zu inceriren.«                                                                                                                         

A.Sch.

Noch ein weiterer Schriftsatz dieses Amtmanns, der letzte von seiner Hand, gefertigt den 10. Februar 1779, folgt hier, weil darin offenbar wird, daß er bis zuletzt in treuer Pflichterfüllung und in redlichem Bemühen teilgenommen hat an den Sorgen der Fleckensverwaltung. Das Protokoll meldet:

 

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»Wenn der bisherige Rathmann Jochim Lohse, der seinen Dienst mit so vieler Treue als rühmenswürdigen Eyfer zum Nutzen des gantzen Fleckens vorgestanden, nunmehr, da er mit liegenden Gründen nicht weiter angesessen ist, nicht wohl länger verwalten kann, so erfordert es die Notdurft, daß statt seiner ein anderer gesetzter und wohldenkender Mann, der die Umstände des Fleckens kennt, ihr Bestes wünscht und an Beförderung desselben denkt, ohne Anstand wieder ernannt werde. Zu diesem Ende wird dem heute in corpore versammelten Flecken, welches besser als jemand diejenigen kennen wird, welche die zu dieser Bedienung erforderlichen Eigenschaften besitzen und ihres Zutrauens würdig sind, hinmittelst aufgegeben, ordentlich hierüber zusammen zu treten und zu diesem Behuf mir 4 Personen in Vorschlag zu bringen, um demnächst aus selbigen denjenigen, der vor der Hand mir dazu am geschicktesten zu seyn scheinen wird, bestallen und introduciren lassen zu können, wobei zugleich zur Vermeidung aller Streitigkeiten angezeigt wird, daß dem abgehenden Rathmanne auch die Ernte von dem ihm loco Salarii beygelegten und besäeten Lande für das Jahr, worinnen er abgeht, gebühret.«

 

Nachrichten über die Fleckensmärkte

 

a)  Vom Wochenmarkt

 

Schumacher läßt sich im August 1774 darüber also vernehmen: »Da ich äußerst misfallig bemerken müssen, daß an dem wöchentlichen Markttage der geheime Schleichhandel und das Aufkaufen, aller meiner Vorkehrungen und Verfügungen ungeachtet, noch unter der Hand fortdauert und insonderheit die fremden Kiepenkerls innerhalb der ordentlichen Marktzeit, wo ihnen der Handel verboten ist, die Verkäufer aufzuwiegeln suchen und durch ihre Eingebungen verursachen, daß die Waren zu einem solchen Preise gelobt werden, wofür keine Käufer ohne Schaden handeln kann; ich aber alledem, was den von mir getroffenen Anstalten irgend hinderlich sein möchte, durchaus Wandel zu schaffen gemeint bin und nicht aufhören werde, bis alle und jede dawiderlaufenden Unordnungen aus dem Grunde gehoben werden.

So finde ich für gut, daß ich solches hierdurch verordne und festsetze, nicht allein die ordentliche Marktzeit, von denen Kiepenkerls aller Kauf untersagt worden, noch auf eine Stunde zu verlängern, mithin dieselbe bis um 1 Uhr mittags hinauszusetzen, sondern auch denen Kiepenkerls hierdurch aufs ernstlichste zu verbieten, unter keinem Vorwande, er sey auch welcher er wolle, sich während solcher Marktzeit auf dem Markte zu zeigen. Im Entstehungsfalle aber und wo diesem Verbot nicht die strengste Folge geleistet werden würde, werden sie sich Selbsten zuzuschreiben haben, wenn ihnen die Frequentirung und Besuchung des Marktes in Zukunft gäntzlich untersagt werden wird.

Wornach sich männiglich zu richten.«

Schon ¼ Jahr früher hat sich der Amtmann mit dieser wenig erbaulichen Ange-

 

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legenheit durch ein Publicandum beschäftigt, ohne, wie wir sehen, einen rechten Erfolg zu erzielen. Wir gönnen auch diesem Papiere Raum. »Da nach den eingelaufenen Nachrichten und bestärkt durch den Augenschein die sogenannten Kiepenkerls oder Aufkäufer sich wiederum häufig im hiesigen Amte blicken lassen, solches aber denen zu mehren malen des halben ergangene Verfügungen gerade entgegen läuft und um so weniger geduldet werden kann, als selbiges nur zu Zoll-Defraudationen abseiten des gestohlenen Wildes und Verteurung der Lebensmittel Anlaß giebt, Als wird solches Herumstreifen und Aufkaufen dieser Leute hierdurch nochmals aufs ernstlichste verboten und bey Vermeidung nachdrücklicher Ahndung auch Confiscation der Waren untersagt; als womit diejenigen Kiepenkerls, es seien fremde oder heimische ohnfehlbar belegt werden sollen. Die an einem zum hiesigen Amt gehörigen Ort sich blicken lassen und daselbst Wildpret, Hühner, Eier, Butter, Feder-Vieh oder andere Lebensmittel aufzukaufen, um solches nach frembden Orten hinzubringen sich künftig unterstehen werden. Es werden des Endes alle Bauernvögte und übrigen Eingesessenen hiedurch befehligt, daß sie diejenigen Kiepenkerls, welche sie 14 Tage nach Bekanntmachung dieses Befehls im hiesigen Amte antreffen werden, nebst ihren Körben anhalten und zu den nächsten Beamten hinbringen sollen, die ihnen alsdann das Nähere bedeuten werden; Diejenigen Bauervögte oder Amtsunterthanen aber, so diesem Befehle wegen Anhaltung der Kiepenkerls nicht genau nachleben, wie nicht anders diejenigen, die nach diesem etwas an sie verkaufen möchten, werden um so viel weniger einer nachdrücklichen Bestrafung entgehen, als eines Teils die in der Nähe liegenden Städte und Flecken, andern Teils aber der wöchentliche hieselbst zu haltende Markt-Tag ihnen zu einer vorteilhaften Absetzung ihrer Produkte hinlängliche Anleitung geben werden.« Gegeben im Königl. Amthaus zu Bramstedt, den 4. May 1774.

Zum dritten- und damit letztenmal verhandelt Schumacher die Angelegenheit der Kiepenkerle Anno 1774.

»Obwohl ich geglaubt habe, daß die von mir für Aufnahme des nunmehr wieder aufgerichteten wöchentlichen Marktes, wie auch zur Abstellung des Aufkaufes und Umhergehens der Kiepenkerls getroffene und allerseits zur Genüge öffentlich bekannt gemachte Anstalten den Erfolg würden gehabt haben, welchen ich mit Fug hätte erwarten können, wann Beykommende ihrer Verbindlichkeit, wie es guten Unterthanen obliegt, nachgekommen wären, so vernehme ich dennoch nur ungerne, daß nicht nur das so strenge verbotene Umhergehen der Kiepenkerls annoch aller Orten ziemlich geduldet werde, sondern daß sogar die hiesigen Fleckens-Eingesessenen zum Teil sich bereit finden, selbst Aufkäufer zu werden und ihre Häuser zu Niederlagen von Waren und Produkten herzugeben, mit welchen demnächst die Kiepenkerls unter der Hand, zur Defraudation des Königl. Zolls und zum nicht geringen Schaden des hiesigen Amts und Fleckens versehen werden.

Hidurch bewogen, sehe ich mich gemüßiget, die dieserwegen bereits ergangenen Befehle nicht nur zu wiederholen und aufs neue einzuschärfen, sondern solche

 

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auch auf die nachdem sich hervorgethane Unordnung und deren Abstellung zu extendiren.

Es wird dannenhero zuvörderst das Umhergehen der Kiepenkerls und sämtlicher Aufkäufer bei nunmehro unausbleiblicher allerhöchsten Orts darauf gesetzten Zuchthausstrafe nochmals inhibiret und dem zufolge allen und jeden auf das ernstlichste verboten, an irgend einen derselben außerhalb Markts und dann erlaubten Zeit Produkte zu verkaufen und abzusetzen, zugleich aber auch männiglich, sonderlich die Bauernvögte, zur gehörigen Wachsamkeit aufgefordert und angemahnet, daß, falls sie einen dergleichen Kiepenkerl oder Aufkäufer ihres Orts betreten sollten, sie denselben alsobald anzuhalten und mit der Kiepe ohne Unterschied zur augenblicklichen Confiscation der bey ihm gefundenen Ware und weiteren Bestrafung an den nächsten Beamten zu bringen beflissen sein.

Wie nun aber diesem nach dem Übel nie aus dem Grunde würde gesteuert werden, falls nicht auch zugleich der Aufkauf unter den Einwohnern selbst und das heimliche Handeln in den Häusern gänzlich abgestellt würde, indem dadurch nicht nur im voraus bestellten Produkte ohne Aufsehen entgegen genommen, sondern auch mit gleicher Bequemlichkeit wieder an Fremde überlassen werden können; als werden hiedurch sämtliche Käufer und Verkäufer befehliget, daß sie ins künftige ihren Handel und Verkauf auf öffentlicher Straße treiben, bloß auf dem Markt ihre Produkte feil bieten und absetzen, keineswegs aber sich unterstehen sollen, unter welchem Vorwande es immer auch sey, Waren zum Verkauf in Häuser zu bringen, ehe selbige auf dem Markt gewesen sind und die zur Haltung desselben bestimmte Zeit verflossen ist. - Gleichergestalt sollen auch die Wirthe und Hausbesitzer keine dergleichen Verordnungen als heimliches, verbotenes Handeln mit Kiepenkerls oder sonstigen Verkäufern in ihren Häusern dulden, viel weniger selbst dabey interessirt seyn; ebenfalls kein Käufer die Leute mit ihren Waren im voraus in die Häuser einrücken oder den Aufkäufern große vorherbestellte Quantitäten gleich abnehmen und zur Defraudation des Zolls und zur Verteurung der Lebensmittel durch dazu bedungene Leute heimlich ausführen lassen, sondern männiglich nach Bedürfnis auf öffentlichem Marktplatze kaufen, verkaufen und Handel treiben, damit das Commercium nicht zum Nutzen weniger gewinnsüchtigen Personen, sondern vielmehr zum Vortheil des Gantzen einschlagen möge.

Übrigens werden sämtliche Beykommende wiederholt ermahnet und angewiesen, über die strikte Befolgung vorstehender Anordnungen soviel möglich zu wachen, im Entstehungsfalle die etwaigen Contravenienten ohne Nachsicht oder Unterschied alsofort zur gebührenden, ihnen nach Befinden zuzulegenden Strafe bei mir anzugeben.

Wornach sich dann männiglich zu achten und für Schaden und Ungelegenheit zu hüten hat.«

gez. Conferenzrath u. Amtmann zu Segeberg.

 

Damit entzieht sich das Treiben der infamen und listigen Kiepenkerle dem Blicke

 

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der Nachwelt. Über den Wochenmarkt ist im allgemeinen zu sagen, daß er nicht zu einem standfesten Gebilde hat werden wollen. Entstehen und Vergehen war sein Los.

b) Von Kram- und Viehmarkt

Der vor dem Dreißigjährigen Krieg so wichtige, weil nahrhafte dänische Ochsenhandel, kommt hier nicht in Betracht; dessen Blütezeit war dahin. Unser Amtmann hatte es mit den um die Mitte des 17. Jahrhunderts gegründeten Märkten zu tun.

Im März 1774 schreibt er den Ratmännern auf deren Wünsche in Marktangelegenheiten:

»Wie es keinem Zweifel und keiner Bedenklichkeit unterworfen sey, daß an den zwei festgesetzten Jahrmärkten zugleich Viehhandel getrieben werden könne, sie sich aber in Ansehung eines besonderen Viehmarktes ad Augustissimum (höchste Instanz) zu wenden und von daher desfällige Befugnis impetriren müßten, dessen Behuf auch in Hinsicht der bequemsten Zeit genau sich zu erkundigen und womöglich dahin zu sehen haben, daß dazu ein Tag in Vorschlag gebracht werden könne, an dem ohnehin das Vieh von Neumünster nach Itzehoe getrieben wird, als welches zur baldigen Aufnahme desselben nicht wenig beytragen werde; In Ansehung derer Kiepenkerls soll zu seiner Zeit das Nötige verfügt werden. -Übrigens kann ich nicht umhin, ihnen bey dieser Gelegenheit eine für das Flecken noch viel wichtigere Sache, nämlich die Instandsetzung der Schiffahrt über die Brame nach Itzehoe als ein gar würksames Mittel zu ihrer Aufkunft aufs neue und dringend zu empfehlen.«

Schon nach einem Monat dient Schumacher den Ratleuten mit einem Memorandum in gleicher Angelegenheit, wie folgt:

»Nicht nur die Bequemlichkeit aller interessenden Personen, sondern auch andere Vorteile, worunter die Aufnahme des Fleckens selbst eine der wesentlichsten ist, haben mich bewogen, den Platz, worauf der bisherige Krammarkt eine Zeitlang gehalten, zu verändern und letzteren um und bey dem Roland als dem Orte hin zu verlegen, der ihm sowohl am angemessensten als auch eigentlich bestimmt ist dazu, und in älteren Zeiten stets dazu gebraucht worden ist. Ich zeige den p. t. Rathleuten des Fleckens Bramstedt diese meine Absicht des Endes an, daß sie nicht allein bey der dessen Behuf zu treffenden Veranstaltung hilfreiche Hand leisten und ihre Pflicht verrichten, sondern auch dafür sorgen, daß das ins Künftige zu erhebende Stätegeld, welches bisher nur einzelnen Personen zugekommen, nun aber der allgemeinen Kasse des Fleckens zufließen soll, blos zum Vortheil der Kommüne berechnet und zu deren Nutzen angewandt werde.«1)

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1) Anmerkung. Aus diesem Schreiben ergibt sich, daß der Bramstedter Markt wiederholt seinen Standort geändert hat und durch unbestimmte Zeit auf dem Boden von Privatleuten abgehalten worden, denen dafür ein »Stätegeld« bezahlt worden ist.

 

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Von der Allee auf dem Bleek

 

Eine Urkunde aus Anno 1775 gibt hierüber gewisse Nachricht, die hier nicht fehlen soll.

»Ich Endesunterschriebener Ferdinand Otto Vollrath Lawätz, Erb- und Gerichtsherr auf dem im Flecken Bramstedt belegenen adeligen Gute Stedingshof, beurkund hiermit, wes maßen ich zur Verschönerung der nach der großen Fleckens Straße hinausstehenden Außenseite meines Wohnhauses und um zugleich diesen Teil der allgemeinen Straße ein besseres und zierlicheres Ansehen zu geben, Vorhabens geworden, die gantze Länge besagten meines Wohnhauses wie meinen in gerader Linie daran stoßenden Garten bis an die Umbucht meiner Planke vor dem ein Drittel Hufner Johann Langmacken Hause mit einer doppelten Reihe Lindenbäumen zu bepflanzen.

Wenn mir aber nun nicht unbekannt ist, daß dem adeligen Gute Stedingshof an alle dem, was außerhalb dem Wohnhause nach der Straße zu belegen ist, irgend ein Recht nicht competire, sondern solches privative Königliche Territorium sei; dergestalt darf ich nach dieser Seite hin etwas weiter nicht prätendiren möge als ratione meines Wohnhauses einen dem gemeinen Rechte nach jeglichem Gebäude zuständigen Weg und Tropfenfall; andrerseits aber doch auch dieses mein Vorhaben nicht nur gantz unschädlich, sondern auch zur Verschönerung des hiesigen Fleckens gereichet. Als habe ich solches dem Königlichen Amthause Bramstedt vorzustellen nicht ermangelt und darauf zur Antwort erhalten, daß mir solches gegen Ausstellung einer Versicherungsakte de non präjudicando erlaubt seyn und es mir nicht gewehret werden sollte, meine Intention vorbemerktermaßen auszuführen, und danach die erste Reihe Bäume in einer Entfernung von etwa 18 Fuß von der Außenseite meines Wohnhauses und die andere etwa 16 Fuß weiter beinahe parallel mit besagter Außenseite und meiner Garten-Planke zu setzen.

Demzufolge reversire mich hidurch und Kraft dieses aufs bündigste für mich, meine Erben und Nachfolger und declarire, daß ich aus sothaner Vergünstigung nie zum Präjudice oder zu irgend einer Art von Beeinträchtigung der allerhöchsten Territorial Hoheit einigen Vortheil zu ziehen gesonnen seyn werde und daß die fragliche Linden-Allee vielmehr ein öffentlicher und freyer Spazier-Gang zum allgemeinen Gebrauch der hiesigen Einwohner seyn und bleiben solle, dessen ich mich auf keine Weise jemalen alleine anzumaßen, noch zu umzäumen willens, sondern wovon mir etwas weiter nicht zustehen mag, als der Mitgebrauch, insoferne es ein öffentlicher Platz ist, und zwar dergestalt und also, daß ich mich auch allemal anheischig mache und verbinde, die ganze Arbeit, falls solches, wie doch nicht zu vermuten ist, nötig gefunden werden möchte, sogleich zu demoliren und alles in pristinum statum wieder zu versetzen.

Dessen zur Urkund und Sicherheit habe ich vorstehende reversales eigenhändig unterzeichnet und mit meinem Pettschaft besiegelt.«

gez. F. O. V. Lawätz

Dazu die Bestätigung des Amtmanns:

»Daß voranstehende Copey sich mit dem im hiesigen Archiv befindlichen Original von Wort zu Wort gleichlautend befinde, ein solches wird hidurch durch eigenhändige Namensunterschrift und Beydrücken meines angebohrnen Pettschaftes bezeuget. Actum im Königlichen Amthause zu Bramstedt, den 19. August 1775.«

gez. A. Sch.

 

Der Flecken als Wohltäter

 

Es sei vorausgeschickt, daß die dänischen Könige und die russischen Großfürsten derzeit dem oldenburgischen Fürstenhause entstammten. Man schrieb das Jahr 1774. Schumacher verleibt dem Protokoll folgendes ein.

»Wenn Ihro Königl. Maj. mir mittelst allerhöchsten Reskripts aus deroselben Regierung zu Glückstadt zu erkennen gegeben, daß dieselben denen Brandbeschädigten Einwohnern der vormals Großfürstlichen Stadt Oldenburg, woselbst außer der Kirche und Schulgebäude nebst vielen stark angefüllten Scheunen und sonstigen Vorratshäusern 146 Bürgerhäuser abgebrannt und mehr als 600 Menschen in die größte Armut geraten, außer der denselben unterm 12. Febr. bereits allergnädigst bewilligten allgemeinen Kirchenkollekte in den Herzogtümern annoch auf wiederholte Vorstellung eine Haussammlung in den Städten und Flecken in Holstein durch zweene, von der beykommenden Obrigkeit dafür zu ernennende Männer allermildest gestattet, und wird dessen Behuf das Nötige in Absicht des hiesigen Amts zu verfügen, allerhöchst aufgetragen haben: Als werden zu sothaner Haussammlung im Flecken Bramstedt die p. t. Ratmänner Nicolaus Meyer und Jochim Lohse hiedurch mit dem Auftrage von mir comitirt, daß, so wie nicht zu zweifeln stehet, es werde der angezogene bedauernswürdige Zustand der verunglückten Stadt auch die hiesigen Einwohner zum billigen Mitleiden und Beystande auffordern, sie solche nicht allein des fördersamsten bewerkstelligen, sondern auch demnächst zu seiner Zeit von dem Ertrage der eingehobenen Collekten Gelder an mich Bericht erstatten; Wornach sie sich zu achten.«

Soweit das Protokoll. Schmerzlich für den Leser, zu erfahren, daß der Amtmann berührtes Ergebnis nicht dem Papier anvertraute. Es wird wohl nicht aus Vergeßlichkeit geschehen sein.

 

Von der Auswirkung der Landesaufteilmg

 

Am 6. April 1774 berichtet das Amthaus den Fleckensverwaltern: »Wann nach einer Resolution der Hochpreislichen Rentenkammer (in Rendsburg), welche ich den p. t. Ratsleuten bereits communicirt habe, die Käthner an der hiesigen Gemeinheit ausgeschlossen und selbige gäntzlich den 1/3 Hufnern über-

 

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lassen wird, die von mir im vorigen Herbst eingenommenen 4 Tonnen Landes nunmehro ein Pertinenz der Allgemeinheit ausmachen, und ich solche vorbesagter Resolution zufolge ohne Bewilligung des Fleckens länger zu behalten kein Recht habe, als wird den p. t. Ratsleuten aufgegeben, noch in diesen Tagen sämtliche 1/3 Hufner zusammen zu berufen, um deren positive und ungezwungene Erklärung darüber zu verlangen, ob sie benanntes Stück wieder ins Freie wollen gelegt haben, oder ob dem Amthause gegen Erlegung der davon abzuhaltenden Recognitio fernerhin und auf beständig zu überlassen gesonnen sind. Sowohl zu dem einen als zu dem andern bin ich gleich erbötig, und die Commune kann hierinnen ganz frei nach Gutdünken und so wie ihr Interesse es mit sich bringt, verfahren; nur muß ich auf eine baldige und schriftliche Antwort dringen, damit ich nicht vergeblich mehrere Kosten an ein Pertinenz verwende, von dem ich noch ungewiß bin, ob ich auch jemals einigen Zins davon ziehen werde.«

Der Amtmann hat die Befriedigung, schon am nächsten Tage verbuchen zu können:

»Bei Versammlung des gantzen Fleckens in Jochim Lohse seinem Hause ist einstimmig beliebet worden, daß die im vorigen Herbst von dem Herrn Conferenz-Rath eingenommenen 4 Tonnen Land fernerhin und beständig dem Amthause gegen Erlegung der davon abzuhaltenden Recognition überlassen werden soll.« Noch im gleichen Monat öffnet sich die Bahn zur Durchführung der vom König befohlenen Verkoppelung. Der Amtmann teilt ihnen mit, »daß sie nunmehro allerseits Erlaubnis hätten, da sie im Begriffe wären, ihre Gründe der Obrigkeitl. Order gemäß aufmessen zu lassen, zur geschwinderen Beförderung der Einkoppelung jeder 2 Koppeln à 2 Tonnen unter sich einzuteilen und einzuhegen, und ich den bewandten Umständen nach mich solchem nicht habe entlegen wollen; als wird denen selben solches hiedurch obrigkeitlich zugestanden und jeder 1/3 Hufner des Fleckens Bramstedt hiedurch berechtigt, zwey Koppeln besagter Größe zu friedigen, sofern sie unter sich darüber einig sein werden und desfalls von niemandem gegründeter Widerspruch geschehen wird.«

Eine Woche später schon nimmt das Amthaus Anlaß, den Beteiligten mit neuer Weisung zu dienen.

»Nachdem ich vernommen, daß nunmehro Behuf der Vertheilung derjenigen Koppeln, deren Einfriedigung aus der Gemeinheit von mir jüngst bewilliget worden ist, ein Umlegung vorgenommen werden soll, so finde ich für gut, daß die Koppeln 55, 56 u. 57, als welche zu einem gewissen öffentlichen Gebrauche bestimmt sind und desfalls weiter liegen bleiben sollen, von solcher Umlosung gäntzlich ausgenommen werden. Den Rathmännern des Fleckens wird solche meine Willens Meinung daher des Endes hiedurch bekannt gemacht, daß sie für deren Ausrichtung und Bewerkstelligung pflichtmäßige Sorge tragen und angewandt seyn mögen.«

Nach vollzogener Auslosung der abgegrenzten Koppeln zeigte sich bei den Landbesitzern mancherlei Enttäuschung im Hinblick auf die örtliche Lage des ihnen zugefallenen Landstückes. Die Neigung zum Austauschen offenbarte sich in un-

 

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erwartet hohem Maße, so daß das Amthaus sich zum Eingreifen veranlaßt sah. Dies geschah durch nachstehenden Erlaß:

»Wenn bey der im hiesigen Flecken vorseyenden Einkoppelung öfters und viel Umtauschungen zerstreut liegender Ländereien und Wiesen vorgenommen werden, diese an sich nützliche Operation aber aus Mangel an Einsicht und weil partes sich sowohl der Quantität, als Bonität wegen mehrenteils durch Geld auseinander setzen, mehrenteils den widrigen Erfolg hat, daß einer oder der andre der Permutanten über kurz oder lang an seiner im Besitz habenden Stelle (Hufe) Schaden leiden und dergestalt geschwächt werden kann, daß es ihm in Zukunft schwer fallen möchte, sich darauf zu conserviren und die auf selbiger haftende Contribuenda und übrige Lasten davon ab zu tragen: Als wird zur Abstellung dieses Unfugs und zur Aufrechterhaltung der hiesigen mit Land versehenen Fleckenseinwohner nachfolgendes zur unabweichlichen Richtschnur bey künftigen Vertauschungen amtsobrigkeitlich angeordnet und festgesetzet:

1.    Sollen zwey landverständige Männer dazu ernannt und beeydigt werden, welche im hiesigen Flecken ansässig sind, die Bonitirung deren zu vertauschenden Stücke zu verrichten und darüber ihr gewissenhaftes und eydliches Bedenken dahin zu ertheilen, ob und wieferne der eine oder der andere dadurch merklich belastet werden möchte.

2.    Solches ihr Gutdünken soll mir demnächst schriftlich zugestellt werden, um dem Befinden und den Umständen nach die vorzunehmende Vertauschung entweder rein abzuschlagen oder auch zu bestätigen.

3.    Die eventualiter dergestalt approbirten Vertauschungen sollen demnächst zur künftigen Sicherheit der Hufenbesitzer dem hiesigen Fleckensprotokoll nachrichtlich einverleibt werden.

4.    Alle und jede seit einem Jahre geschehene Vertauschungen sollen hiemit für null und nichtig erklärt und als solche, die zur Schwächung der Hufen gereichen, angesehen seyn, falls nicht der bevorstehende modus procedendi annoch dabei observirt und der Permutation ein legales und gesetzmäßiges Ansehen würde gegeben werden, wie es sich denn auch von selbst versteht, daß pro Futuro ein jeder ohne diese Formalitäten geschlossene Tausch von keiner-Gültigkeit seyn, sondern stets und zu allen Zeiten werden angefochten und über den Haufen geworfen werden können.«

Ita Decretum im Königlichen Amthause zu Bramstedt, 16. April 1775

gez. A. Sch.

 

Aus eigenem Entschluß bestimmen die Rat- und Achtmänner,

»daß bey der vorseienden Einkoppelung alle ellernen (Erle) Busch-Theile, wie auch die Holz-Theile, welche verhauen und nur mit einigen sprang (vereinzelten) Bäumen besetzet sind, als gemeine Weide gerechnet werden sollen, auch alles mit eingekoppelt werden soll. Diejenigen, welche ihre Holztheile behalten, müssen sich die Gründe nach der Bonität in der gemeinen Weide abkürzen lassen.«

Nachdem nun auch die vom Amtmann geforderten Landverständigen gewählt worden waren, konnten die Tauschgeschäfte ihren Gang nehmen. Johann Stekmest

 

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und Hinrich Mohr waren die Auserwählten, und an Arbeit hat es ihnen nicht gefehlt.

Darüber mehr, nachdem wir zuvor einer anderen Schwierigkeit, die sich bei der Aufteilung ergeben hatte, unsere Aufmerksamkeit zugewendet haben werden. Unter dem 5. März 1774 verkündet Schumacher:

»Wenn die Kgl. Rentenkammer auf das Gesuch der Fleckensvorsteher, die Ausschließung der nicht zur Pflugzahl stehenden Käthner bei Auftheilung der gemeinen Weide betreffend, zu resolviren für gut befunden hat: daß in diesem Falle den Umständen nach nothwendig von der Vorschrift des § 25 der Einkoppelungs-Verordnung eine Ausnahme gemacht, mithin die ohnehin nur eingeschränkte gemeine Weide unter den 1/3 Hufnern allein vertheilet werden müsse, dahingegen aber die Freikäthner billiger Weise auf eine andere Art möglichst abgefunden werden sollen; als wird solche Resolution den Supplicanten nomine camerae regiae hierdurch nachrichtlich angezeiget.«

Damit war den Ratleuten die Aufgabe gestellt, sich um die Einigung der Parteien zu mühen. Die Hufner stützten sich auf das alleinige, nicht zu bestreitende Besitzrecht an dem Allmend; die Freikätner, das sind die Kätner, die eben nur Hofbesitzer waren, beriefen sich darauf, daß sie gegen Entgelt immer auch hätten Vieh auf die Gemeindeweide bringen dürfen. Es vergingen - kein echter Bramstedter wird sich darüber wundern - fast genau 2½ Jahre, bis man, des langen Haderns müde, die Streitaxt beiseite legte.

Unter dem 28. August 1776 meldet unser Protokoll:

»Wenn die bishero zwischen den Hufnern und Frei-Käthnern wegen verordnungsmäßiger Abfindung der letzteren obgewaltete Streitigkeit, welche der hiesigen Feldauftheilung hinderlich gewesen, durch nachstehenden gütlichen Vergleich geendiget und beigelegt worden, der von Wort zu Wort folgendermaßen lautet: Kund und zu wissen sei himit, daß die Irrungen, welche zwischen den sogenannten 1/3 Hufnern und Freykäthnern in dem Flecken Bramstedt wegen Abfindung der letzteren in der gemeinen Weide bey der vorwaltenden Einkoppelung der gesamten Felder entstanden waren, durch Canzlei-Rath Ottes Vermittlung als zu dem Ende von der Schleswig-Holsteinischen Commission Abgeordneten folgendergestalt beygeleget und verglichen worden sind:

Es stehen die Drittelbesitzer des Fleckens zu, daß für jede Käthner-Gerechtigkeit zwey Tonnen Landschlag an sie abgemessen werden in dem Lande, welches »Durch den Bohm« genannt wird, seinen Anfang nimmt bey der Koppel 38 im Risse (Karte), und so weit hinauf gehet, als sich die Maße erstrecket; dieses Land wird den Kätnern abgegraben und kann nachhero unter ihnen zu gleichen Theilen vertheilt werden; Rund um dieses Land bleibt, damit sowohl die Kuhtrift als auch die Einfahrt nach den Wiesen an der Bram Aue an der einen, und nach den Koppeln und der Wiese Schulters Rehm an der andern Seite unbehindert bleibt; weiter als dieses obbeschriebene Land haben die Käthner nicht zu prätendiren und verzichten hiedurch auf alle künftige Abfindung und Gerechtigkeiten an den Schafsweiden, Heidemähen und übrigen gemeinen Weide; indessen ist verabredet, daß,

 

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wenn einige derer Käthner etliche Schafe auf der Schaf weide zu haben wünschen, solche gegen Erlegung der bis itzo gewöhnlichen 8 Schilling lübsch Weidegeld und der Hirten Kosten von dem Flecken angenommen werden sollen; jedoch soll die Zahl der Schafe für jeden Käthner sich nicht über 4 bis 5 Stück erstrecken, dieses auch nicht länger dauern, als der Flecken die Schäferei behält; für obbeschriebenes Land bezahlen die Kätner für jede Person acht Lübschilling an den Flecken jährlich; diese Zahlung aber nimmt allererst ihren Anfang, wenn die dem Flecken allergnädigst verstatteten Frey-Jahre expirirt sind und der Flecken an der Kgl. Casse an zu bezahlen fängt; bis dahin genießen die Unterthanen das Land umsonst, und haben die Drittelbesitzer von den Käthnern dieses Landes wegen niemals etwas anderes als obbenannte acht Lübschilling à Tonne jährlich zu fordern.

Da nun diese Vereinbarung mit beyderseitiger Bewilligung verabredet und geschlossen worden ist, so haben wir von beyden Seiten dazu Bevollmächtigten zu desto mehrerer Festhaltung dieses eigenhändig unterschrieben.«

So geschehen zu Bramstedt, den 6. August 1776

Nicolaus Meyer       Jochim Lohse p. t. Rathmänner

Gerd Westphalen   Johann Friedrich Dresler, Gevollmächtigte der Freykäthner.


»Als wird voranstehender Vergleich auf Verlangen der Contrahenten in allen seinen Clausein und Punkten von mir genehmigt und Amtsobrigkeitlich bestätiget und zwar dergestalt und also, daß er beiden Theilen pro Futuro zur unabweichlichen Norm und Regel dienen soll und demzufolge nunmehro dem Segeberger Amtsprotokoll zur künftigen Nachricht inserirt werden kann«.

So geschehen im Königl. Amthause zu Bramstedt, den 28. August 1776.

L. S.                                                                                                        A. Schumacher

 

Eine noch höhere Stelle nimmt an der Vollendung des wohlgelungenen Werkes teil.

Die Königliche Schleswig-Holsteinische Landkommission auf Schloß Gottorf bekundet unter dem 16.10.1776 ihr Urteil, wie folgt:

»Nachdem die seit verschiedenen Jahren zwischen den Drittelhufnern und den nicht zur Pflugzahl stehenden Käthnern des Fleckens Bramstedt obgewaltete Streitigkeit, die Teilnahme der letzteren an der dortigen Fleckens Gemeinheit betreffend, allendlich durch die Bemühungen des Canzleirates und Ober-Bau-Inspektoris Otte dergestalt, wie die in beglaubigter Abschrift angeschlossene Akte vom 6. Aug. a. c. mit mehreren ergibet, an Ort und Stelle gütlich hingeleget worden.

So wird nunmehro von genannter Commission nach eingegangenem Bericht gedachten Herrn Canzleirates höheren Orts gethane Anfrage und daher erfolgten Resolution in Conformität eines Cammerschreibens vom 21. v. Mts. beregte Vereinbarung nicht nur hidurch in allen Stücken genehmigt, sondern es werden auch zugleich beide Theile angewiesen, sich solche in Zukunft zur unabweislichen Richtschnur dienen zu lassen.«

Vier Unterschriften.

 

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Damit war zweifellos ein guter Schritt vorwärts getan. Aber noch konnte keineswegs von holdem Frieden und süßer Eintracht in der großen Sache der Landaufteilung die Rede sein. Die Schäferei und was damit zusammenhängt, die vielen Wünsche nach Umtausch, auch die Kostenfrage verursachten noch etliche Jahre Sorge und Unruhe, wie unser Protokoll ausweisen soll.

 

Von der Schäferei

 

Bescheid für die Drittelhufner und die nicht mit zur Pflugzahl stehenden Kätner des Fleckens Bramstedt.

»Auf die abseiten der Rath- und Achtmänner jüngsthin wider den hiesigen Herrn Kirchspielvogt Butenschön zur Approbation bey mir übergebene Vorstellung und Bitte, betreffend die künftige Nutzung des Schafdüngers von den Schafen des Schäfers u.s.w. wird nach darüber eingezogener Erklärung des Kirchspielvogts hieselbst und Gegenvorstellung der Supplikanten und nach reiflicher Erwägung der Sache erklärt, daß der seitherige Nutznießer in ungestörtem Besitze zu lassen und dabei zu schützen sey, solange sothaner Schafdünger stattfindet, daß aber auch Supplicantibus (den Ansuchenden) dagegen frey stehe, auf die Erfüllung der Verbindlichkeit, einen tüchtigen Eber zu halten, zu dringen, wenn sie solches für gut finden, und daß endlich nach Herrn Supplicati etwaigem Abgange in Ansehung seines Nachfolgers es von den Supplicantibus abhängen werde, welcher gestalt über solchen Schafmist zu disponiren sey. - Allermaßen solchergestalt hiedurch zur Resolution ertheilt wird.«

A. Sch.

 

Die Hirtenkate

 

ist durch die Einkoppelung »unbrauchbar« und mit allem Zubehör nach Genehmigung des Amtmannes zur öffentlichen Versteigerung, die acht Tage vorher von der Kanzel angezeigt werden soll, zu verkaufen. Es handelt sich neben der Hofstelle um sieben Parzellen, deren eine im Wiedrehm liegt, die letzte Grisselsbeck genannt wird. Die Obrigkeit stellt dazu folgende Bedingungen:

a)  Da diesem so nahrlosen Flecken auf keine andere Weise zu helfen ist, soll das durch den Verkauf gelöste Geld wirklich zur Zahlung der durch die Einkoppelung entstandenen Kosten verwendet werden;

b)  des Königs Revenüen sind in keiner Weise zu kürzen;

c)  die Hirtenkate ist zugunsten des Königs in eine Freikate umzuwandeln.  

Wenn wir nun noch zur Kenntnis nehmen, daß der Flecken die Kosten der Wege herstellung, die infolge der Einfriedigung von Pastoren- und Organistenland nötig wurden, hochherzig mit 2/3 übernahm, so stehen wir dem Punkte ganz nahe, wo Amtmann Schumacher endlich den letzten Federzug geleistet hat, im

 

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Jahre 1779. Der Schriftverkehr zwischen Fleckensvertretern und Amthaus, wie er ihn gepflegt und unserm Protokoll anvertraut hatte, war damit praktisch erloschen.

Die noch folgenden 20 Textseiten umfassen einen Zeitraum von 30 Jahren; niemals unterzeichnet noch ein Amtmann; fast immer finden wir die Unterschrift des Kirchspielvogts Wohldt und daneben diejenige der beiden beeidigten Bonitierungsmänner,  ohne  deren  Genehmigung  ein Landtausch nicht vollzogen werden konnte.

Die Anzahl der verbuchten Tauschverträge deckt sich ziemlich genau mit der Zahl der seit 1695 in der Fleckensgemarkung vorhandenen Drittelhufen. Rund 125 Grundstücke, die ihren Bestand erst durch die Einkoppelung erlangt hatten, haben durch Tausch ihren Besitzer gewechselt. So hat sich auch hier bestätigt, daß das Los ein eigenwillig Ding ist und vielfach den Wünschen seines Besitzers abhold. Daneben bringen beregte 30 Jahre noch Nachricht über ein paar Verkäufe, die einen Bramstedter wohl interessieren könnten.

»Anno 1787 den 28. April sind einige von denen im Bramstedter so genannten Unbrauchbaren Plätzen an Liebhaber vor jährliche Grundhauer überlassen worden.

1.   Die Anhöhe der kleinen A nach Westen, welche an der Norderseite das sogenannte Crutz und an der Oster Seite nach Nr. 36 im Erdbuch an die Koppel litera B zu grentzen hat; die Grenze gegen Süden ist der Feldweg, der durch den Husdahl hinauf nach der kleinen A gehet; gegen Westen gehet die Scheide vor den Holztheil des Vierkantigen Busches und die daran grentzenden Koppeln vorüber bis wieder an das Crutz, und daß ein Feldweg, der vor dem Vierkantigen Busch und den daran grenzenden Koppeln vorüber ins Crutz geht, bleiben muß.

2.   Ein kleiner Platz am Landweg, der zu Osten die Capellenhöfe, gegen Süden nach dem Erdbuch die Koppel Nr. 16 lit. C und gegen Norden die Landstraße von Bramstedt nach Neumünster zur Grenze hat.

3.   Ein kleiner Platz über die Hudau unweit der Brücke, der zur Norderseite die Pastoren-Wiese, nach Westen des Herrn Kirchspielvogts Wohldt Fischteich zu grenzen hat.«

Es folgen die Conditiones bei der Verheurung der vorbeschriebenen, in der Gemeinheit liegenden Fleckens-Plätze:

»Sie sollen an Liebhaber vor jährliche Grundheuer, welche alle Jahr auf Fastnacht zu bezahlen ist, auf beständig als ein Eigentum überlassen werden, daß er damit schalten und walten kann, als er will, nur daß der Besitzer der Plätze die über kurz oder lang darauf fallenden Allerhöchsten Kgl. Revenuen davon abtragen muß, und daß der Heuerer bei dem Platz Nr. 1 einen Feldweg von Huesdahl an vor den Vierkantigen Busch über bis nach dem Crutz muß liegen lassen.« Liebhaber haben sich bald gefunden. Platz Nr. 1 erzielte eine Grundheuer von 5 Mark 8 Schilling, Nr. 2 von 1 Mark; Nr. 3 wurde für 10 Schilling lübsch dem Kirchspielvogt überlassen.

Anno 1793 veräußert der Flecken durch »unwiderruflichen Verkauf« die infolge der Landaufteilung überzählig gewordene Bullenwiese an der Osteraue. In öffent-

 

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licher Versteigerung geht sie über in den »erb- und eigentümlichen Besitz« des Kätners Marx Boy; die jährliche Grundrente beträgt 18 Mark holsteinisches Courant. Säumigkeit in Entrichtung der jährlichen Recognition hebt aber alle Rechte des Käufers oder späteren Besitzers auf mit Einschluß des etwa durch Verbesserung hinzugefügten Wertes. - Und wie denn Käufer sich für sich und seine Erben bey Verpfändung seiner Güter verbindlich macht, die ihm als Meistbietenden zugeschlagene Wiese sofort anzutreten und die 18 Mark jedes Jahr um Fastnacht prompt an den Flecken zu entrichten; So setzen Verkäufer Marx Boy und seine Erben in den wahren, ruhigen Besitz der genannten Bullen-Wiese.

Für den Flecken unterzeichnen:

Hans C. Bolling, Johann Stekmest, Hinrich Lindemann, Hans Silau. Noch eine letzte Kaufangelegenheit, die die den Bramstedtern so vertraute Vogelstange betrifft, soll nicht übersehen werden. Der Flecken ist diesmal der Käufer. »Auf diesen Wechsel zahlt der Flecken Bramstedt an die Erben des verstorbenen ½ Hufners Asmus Jessen zu Bramstedt die Summe 1150 Mark, sage Elfhundert und Fünfzig Mark Schleswig-Holsteinisches Courant, wofür der Flecken, durch die ihn heute überlassene und Martini dieses Jahres abgetreten werdende ganze an der Vogelstange hieselbst belegene Koppel, so wie diese im Erdbuch aufgeführet, jetzt eingefriediget und begrenzet ist, die valutam erhalten: welche Summe (1150 Mark) jedoch dergestalt ausgezahlt wird, daß davon auf Martini dieses Jahr Sechshundert fünf und zwanzig Mark ohne Zinsen abgetragen und dann Pfingsten 1794 fünfhundert fünf und zwanzig Mark mit ½ Jahres Zinsen zu 4% p. a. berechnet, entrichtet werden. Zu welchem Ende dann p. t. Rath- und Achtmänner diesen Fleckenswechsel unter Direktion der Morgensprache als des Königs Offizialen und Kirchspielvogt Wohldt aufgestellt und mittelst eigenhändiger Unterschrift und beigedrucktem Fleckens-Siegel unter Versprechung prompter und richtiger Zahlung zur Verfallzeit arrestirt haben.

So geschehen zu Bramstedt, den 6. May 1793.«

Es unterschreiben die 12 Rath- und Achtmänner:

Hinrich Lindemann, Marius Nicolaus Lück, Hans Harbeck, Tim Todt, Hans Schröder, Carl Rumohr, Johann Stekmest, Jürgen Michel Goldbeck, Jasper Fischer, Jochim Köster, Hans Hinrich Ziegenbein, Johann Meyer jun.

(L. S.)                                                                                              Wohldt in fidem.

 

Auch der Inhalt des Reverses, welcher genannter Koppel wegen auszufertigen war, soll wortgetreu vor Augen gestellt werden.

»Demnach wir Endesunterschriebene Rath- und Achtmänner des Fleckens Bramstedt für uns und sämtliche Drittelhufner hieselbst von den Erben des verstorbenen Halbhufners Asmus Jessen hieselbst die bei der hiesigen Vogelstange belegene Koppel, welche in allem 4 Tonnen, 6 Schip und 12 Sechzehntel mißt, um und für eine namhafte Summe, wesfalls von uns ein Wechsel ausgestellt worden, käuflich hinwieder an uns gebracht haben, derogestalt, daß durch diesen Handel nunmehr zugleich alle kostbaren Prozesse und gerichtlichen Weiterungen, welche sowohl gegen die gedachten Erben des verstorbenen Asmus Jessen

 

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als auch gegen die Erben des weiland Conferenzrathes und vormaligen Amtmanns Herrn Andreas Schumacher, in Betreff derjenigen von letzterem während seiner Dienstzeit aus der Fleckensgemeinheit zu seinem privaten Gebrauch.aufgenommenen und kultivireten, in besagter Koppel mit enthaltenen 4 Tonnen Landes in Betreff des Eigentums, gehabter Nutzung und desfalliger Entschädigung oder sonstigen Ansprache abseiten des Fleckens intentiniert (beabsichtigt) werden möchten, für nun und immer gänzlich abgethan und entfernt sein sollen: Als reversiren wir uns in Eingangs erwähnter Qualität für uns und unsere Erben hiemittelst in bester Form Rechtens unter Begebung aller Ausflüchte, insbesonders der Rechtsregel, daß ein gemeiner Verzicht nicht gelte, wenn kein besonderer vorher gegangen, so wol gegen die Erben des weiland Herrn Conferenz-Raths und Amtmanns Andreas Schumacher, als auch gegen die Erben des Halbhufners Asmus Jessen, dahin, daß in Betreff der gedachten Koppel und besonders wegen der darin erhaltenen 4 Tonnen, welche von Schumacher zu privater Nutzung aus der Fleckens Gemeinheit aufgenommen wurden, so wenig in Hinsicht des Eigenthums, als bisheriger Nutzung gehabter Kosten, Eviktionsleistung (Gewährleistung) oder wie die Ansprache (Anforderung) sonst genannt werden möge, abseiten des Fleckens Bramstedt und dessen Einwohner nun und nimmer einige Ansprache, weder an die Erben des wohlgedachten vormaligen Amtmanns Herrn Schumacher, noch an die Erben des weiland Asmus Jessen, gemacht werden soll; wie wir denn in Hinsicht des bereits gegen die Erben des ersteren anhängig gemachten Prozesses, wesfalls wir per decretum clementissimum sub dato Glückstadt, den 21.10.1790 ad viam juris ordinatiam verwiesen worden sind liti et causa ausdrücklich und wohlbedächtlich renunziren und darauf in bündigster Form Rechtens Verzicht thun.«

Dessen zu mehrer Urkunde ist dieser Revers am 6. May 1793 von den 12 Rat- und Achtmännern unterschrieben und durch den Kirchspielvogt beglaubigt worden.

Unterschriften wie bei vorigem.

 

Dem aufmerksamen Leser wird aufgefallen sein, daß nach den letzten Niederschriften der Amtmann innerhalb der Fleckensgemeinheit ein privates Grundstück zu eigen gehabt hat. Er war doch königlicher Beamter. Seite 14 und 15 des hier berührten Protokolls geben durch ein Promemoria, wie oben schon mitgeteilt, Klarheit.

Diese der gesetzlichen Formalität ermangelnde Nachricht über die Hergabe des Grundstücks, wobei dazu an Stelle eines Kaufes von einem Einnehmen die Rede ist, wird wohl die Ursache gewesen sein, daß später die Drittelhufner die Anrechte der Erben angefochten haben.

 

Vom Amtshaus zum Rathaus

 

Das unter einem Dache stehende große Doppelhaus am Bleek, das bis Anfang 1930 zur Linken als Amtsgericht, zur Rechten dem Bürgermeisteramt diente, hat eine bewegte Vergangenheit. Im Mittelalter standen dort drei Freikaten. Diese

 

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kaufte der Dänenkönig Friedrich IV. und baut 1706 dort das Amtshaus für das Segeberger Amt.1) - In den achtziger Jahren des 18. Jahrhunderts (die hiesige Kirchenchronik meldet das Jahr 178?) ist der Sitz des Amtmannes endgültig wieder nach Segeberg verlegt worden. - Das erwähnte Wohnhaus ist bis zum Jahre 1841 erhalten geblieben. In ihm ist eine Gastwirtschaft betrieben worden, die unter dem Namen »Stadt Hamburg« sich ein gutes Ansehen erworben hat. Um 1820 war der wohlgelittene Bürger Axt der Inhaber. Ein gewisser Cohen ist Nachfolger geworden. Ihm folgte der ehemalige Verwalter des hiesigen Gutes mit Namen Reimers. Er legte das baufällig gewordene Gebäude nieder und erbaute in Gemeinschaft mit dem derzeitigen Zollverwalter Herzog das erwähnte Doppelhaus. Herzog war Eigentümer der linken Hälfte, also des Gebäudeteiles, worin bis zum Jahre 1929 das Amtsgericht untergebracht war. Reimers, der Gebieter über die andere Hälfte, ist nicht lange mehr am Orte geblieben; er hat seine Hälfte verkauft an den Chausseeinspektor Kapitän Bruhn. Später ging erst die rechte, danach auch die linke Hälfte käuflich in den Besitz des Apothekers Lindemann über. In letztgenannter Hälfte hat lange Jahre gewohnt die Gräfin Holmer, deren Tochter sich verehelichte mit dem Grafen von Luckner zu Bimöhlen. - Links hat u. a. der Zollverwalter Falkenburg gewohnt. Nach der Einverleibung in Preußen wurde hier wieder ein Amtsgericht eingeführt, es wurde untergebracht in dem Frau Dr. Stedtfeld eigenen Hause, um später überzusiedeln in die oberen Zimmer der Lindemann gehörenden linken Hälfte unseres Gebäudes. Die rechte Gebäudehälfte wurde regelmäßig von dem (einzigen) Richter bewohnt, während das Erdgeschoß unter den Gerichtsräumlichkeiten dem Postamt eingeräumt war, welch letzteres aber in den achtziger Jahren auf die andere Seite des Bleeks verlegt worden ist, in das Haus, wo drei Geschwister Hesebeck erfolgreich gewaltet haben.

Dem Amtsgericht wurden die Diensträume bald zu klein. Die Stadt kaufte nun die linke Hälfte von Herrn Lindemann, und durch Umbau wurden die erforderlichen Räume für das Amtsgericht hergestellt. Später kaufte die Stadt auch noch die rechte Hälfte hinzu, in die unter Bürgermeister Rohde das Bürgermeisteramt verlegt wurde. Nachdem das Amtsgericht ein eigenes Haus im Maienbeeck bekam, steht das Doppelhaus, das seit seinem Bestehen mancherlei Zwecken gedient hat, der Stadtverwaltung einschließlich Bürgermeisterwohnung und dem Arbeitsamt zur Verfügung.

So ist aus dem Amtshaus früherer Jahrhunderte ein einfaches aber doch stattliches Rathaus geworden.

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1) Es könnte so verstanden werden, als hätte das Amt damit überhaupt zum erstenmal ein besonderes Gebäude für seine Verwaltung errichtet, das wäre irrig. Es ist dokumentarisch nachzuweisen, daß zu Anfang des 16. Jahrhunderts (1517) der Pächter der Bramstedter Mühle Naturalien (Korn und Malz) an das Amtshaus nach Segeberg zu liefern hatte. Dort gab es einen Amtsschreiber und einen Hausvogt für ökonomische Angelegenheiten. Es hat niemals ein »Amt Bramstedt« gegeben, sondern dauernd ein »Amt Segeberg«, dessen Vorsteher im 18. Jahrhundert in Bramstedt residieren konnten, nachdem der Landesherr jeweilig seine bedingte Einwilligung dazu gegeben hatte. Zwei von ihnen, Hans Rantzau und Graf Stolberg, wohnten hier im eigenen Hause. (Der Chronist)

 

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Soziale Gliederung des Fleckens und Historisches aus dem Handwerk

 

Die Einwohnerzahl beläuft sich Anno 1803 auf 791, die Zahl der Personen-Haushaltsvorstände, deren Nährquelle sichtbar wird, auf 191. Als wichtigste Erwerbsquelle erkennen wir die Landwirtschaft, die von insgesamt 104 Personen auf eigenem Besitz betrieben wird. Die 27 Insten, für die ein Gewerbe nicht angegeben ist, darf man als Landarbeiter ansprechen, so daß tatsächlich dem landwirtschaftlichen Erwerbszweige eine weit überwiegende Zahl zukommt.

Da Bramstedt fast nur Drittelhufner und Kätner mit Landnutzung hatte, insgesamt auch nur 23 Pflüge (Hufen) umfaßte, so kann es nicht auffallen, daß die meisten Landwirte noch einen zweiten Beruf im Neben-, ja auch im Haupterwerb, ausübten. Folgende Übersicht mag hierüber Klarheit geben.

Von den 104 in der Landwirtschaft Selbständigen waren beschäftigt

a)    nur als Landwirte 43,

b)    daneben als Gastwirte 9,

c)    daneben als Handwerker 42, nämlich als Weißgerber 2, Schuster 10, Seiler 1, Bäcker 2, Hutmacher 3, Drechsler 2, Tischler 2, Böttcher 1, Schmied 4, Schönfärber 1, Schneider 2, Maurer 2, Kleinschmied 1, Glaser 1, Brauer 2, Zimmermeister 1, Rademacher 1, Schlachter 1, Sattler 1, Essigbrauer 1, Weber 1.

d)    in andern Berufen, nämlich als Händler oder Krämer 4, Postillon 4, Postmeister 1, Schäfer 1, zusammen 10.

e)    noch in einem dritten Gewerbe, nämlich 4 Inhaber einer Land- und Gastwirtschaft, von denen 2 noch als Grobschmied, 1 als Tischler und 1 als Krämer sich betätigten.

Man wird den Müller vermissen; der Mangel liegt wohl darin begründet, daß die Mühle immer noch nicht dem Flecken politisch einverleibt, sondern immer noch der deutschen Kanzlei zu Kopenhagen direkt unterstellt war. Arzt, Apotheker und Schornsteinfeger waren derzeit hierorts noch nicht ansässig.

Beachtlich erscheint, daß in den bisher aufgeführten, nebenberuflich geführten Betrieben 10 Gesellen und 12 Lehrlinge nachgewiesen werden, und zwar unter folgender Verteilung der letzteren: je 2 im Tischler- und Webergewerbe, die restlichen 8 mit je 1 auf das Handwerk der Weißgerber, Schuster, Hutmacher, Bäcker, Grobschmiede, Tischler und Rademacher.

Hält man sich vor Augen, daß die erwähnten 23 Hufen Landes unter 104 Besitzer aufgeteilt waren, so leuchtet ein, daß in vorstehender Übersicht eine erhebliche Zahl von Kleinbesitzern zu vermuten ist, deren Haupterwerb tatsächlich im Handwerk lag, und die als wirkliche Handwerksmeister anzusprechen waren, berechtigt, Lehrlinge auszubilden. Eigenartig mutet es an, zu vernehmen, daß die erwähnten 12 Lehrlinge dem Lebensalter nach so zu gruppieren sind: 1 = 25,. 2 = 23, 2 = 22, 2 = 20, 3 = 17, 1 = 16, 1 = 15 Jahre alt.

Selbständige Handwerker ohne Nebenerwerb werden im Register nur 17 aufgeführt. Es sind: 1 Grobschmied, 2 Knochendrechsler, 3 Schuster, 1 Ledertauer, 1 Böttcher, 3 Schneider, 4 Leineweber und 2 Maurer. Zählt man die 45 Betriebe

 

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hinzu, die wir als Nebengewerbler kennen lernten, so ergeben sich 6z. - Umfang und Bedeutung dieser Betriebe werden klar durch die weitere Tatsache, daß insgesamt nur 15 Gesellen genannt werden. Von diesen hatten wir bereits 10 den »gemischten« Gewerben zuzuordnen. Die 17 rein handwerklichen Werkstätten hatten somit zusammen nicht mehr als 5 Gesellen, und von hier beschäftigten Lehrlingen weiß das Register überhaupt nichts zu melden.

Der Umstand, daß keine Werkstatt mehr als einen Gesellen eingestellt hat, zeigt uns, daß von Großbetrieben überhaupt keine Rede sein kann. Das Schustergewerbe mit seinen 13 Meistern sei als das jedes andere weit überragende noch besonders hervorgehoben. Auf den »Schusterkrug«, das trauliche Heim dieses Handwerks, kommen wir an anderer Stelle zurück.

Von der Mühle soll noch nachgetragen werden, daß dort regelmäßig ein Geselle beschäftigt worden ist. Von den Leitern der restlichen Haushaltungen seien noch genannt: der Pastor, der Kirchspielvogt, der Organist und Lehrer, 1 Postillon, 1 Musiker, 1 Hebamme, 1 Abdecker und 9 Almosenempfänger.

Es erscheint zweckmäßig, hier eine dem Kieler Staatsarchiv entnommene Aufstellung über die im hiesigen Kirchspiel vertretenen Erwerbsstände anzuschließen. Diese Tabelle bezieht sich auf das Jahr 1850. Sie zeigt zwar nicht, wo und ob Landwirtschaft und bürgerliches Gewerbe miteinander verbunden sind; aber sie gibt sonst Aufschlüsse über den Stand des Handwerks im besonderen, die festgehalten zu werden verdienen.

Demnach zählte man derzeit im Flecken: 5 Schmiede, 10 Schneider, 10 Tischler, 5 Schlosser, 10 Zimmerer, 3 Weber, 2 Rademacher, 4 Färber, 2 Böttcher und 1 Maler und je 1 Kupferschmied, Buchbinder, Scherenschleifer, Goldschmied, Wattefabrikanten, Jäger, Lederbereiter, Gärtner, Töpfer, Klempner, Uhrmacher, Nadelmacher, Weißgerber, zusammen 122 Handwerker gegen 62 Anno 1803. -»Musici« sind nicht eingereiht worden; auch fehlt eine Angabe über Gesellen und Lehrlinge.

Als Handwerker in den Dörfern werden aufgezählt:

In Armstedt 1 Tischler, 3 Weber, 1 Rademacher;

In Bimöhlen 1 Schmied, 1 Zimmerer, 1 Weber;

In Borstel keiner;

In Föhrden-Barl  2 Weber, 2 Schäfer;

In Fuhlendorf  3 Weber;

In Hagen 1 Schneider, 2 Weber;

In Hasenkrog keiner;

In Wiemersdorf 1 Schmied, 3 Weber, 1 Rademacher;

In Quarnstedt 1 Schmied, 1 Weber.

Hitzhusen und Weddelbrook fehlen, da sie unter dem adeligen Gut stehen. Brockstedt fehlt, weil es nicht zum Amt Segeberg gehört.

Die 15 Weber im Kirchspiel (ohne den Flecken) legen ein beredtes Zeugnis dafürab, mit welchem Eifer der Anbau von Flachs (weniger Hanf) derzeit hier noch betrieben worden ist. Freilich darf nicht übersehen werden, daß diese Weber nur

 

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über kleine Betriebe verfügten und meistens nur im Winter ihr Handwerk ausübten. Andrerseits haben sie nicht bloß Leinewand, sondern auch »Beierwand«, Fiefkamm und Dreetritt, auch sogar Buckskin gewebt. Das deutet darauf hin, daß derzeit die Schafzucht weit lebhafter betrieben wurde als heute. Das Spinnrad und der Haspel sorgten für Beschäftigung an den Winterabenden für die Hausfrau und die Magd. »Selbstgemachte« Kleidung stand in guten Ehren. Und wenn wir in den aufgezählten Dörfern nur einem Schneider begegnen, so spricht das für sich selber. War Hilfe nötig, wofür die meist kleine, aber lebendige Kinderschar hinreichend sorgte, so zog der Schneidermeister aus Bramstedt in das Bauernhaus ein und nähte und bügelte dort, bis alle Wunden geheilt waren. Ebenso etablierte sich der Sattlermeister im Bedarfsfalle, nur daß er auf der großen Diele werkelte, während der Schneider einen Platz in der guten Stube beanspruchte, wo ihm der Tisch zum nötigen Hockesitz zugestanden wurde.

Über die wirtschaftliche Lage der Bramstedter Handwerker zu jener Zeit gibt ein Kieler Dokument einen gewiß nicht uninteressanten Einblick. Anno 1830 fragt die Stadt Plön beim Amthause zu Segeberg an, wie es dort mit den Löhnen der Maurer und Zimmergesellen stehe. In Plön verlangen nämlich diese höhere Löhne wegen der teuren Zeiten. - Das Amthaus will durch den Kirchspielvogt bedient sein. Dieser wiederum wendet sich an die Älterleute der Innungen und erlangt folgende Auskunft: Es ist hier anders als in Plön; es gibt auf dem Lande keine Gesellen, und die Verhältnisse der Stadtgesellen in Plön passen nicht mit der Lage der Arbeitsleute auf dem Lande zusammen. Jene müssen sich von dem baren Schilling, der ihnen als Tagelohn zufließt, ganz und gar ernähren, wohingegen die Insten in dieser Kirchspielvogtei meistens etwas Land, 1 Kuh, 1 Ziege, 1 Schwein besitzen und außerdem zum großen Teil als Drescher u. s. w. für Viktualien arbeiten und dabei sich sehr gut stehen. Diese kleinen Leute haben demnach bisher wegen der teuren Preise der Lebensmittel keine Zulage irgendeiner Art beansprucht.

 

Vom Zunftwesen

 

Das deutsche Handwerk hat im früheren Mittelalter, gestützt auf die von den Landesfürsten oder sonstiger Obrigkeit ihm eingeräumten Zunftgerechtsame, einen Entwicklungsgang zu hoher Berufstüchtigkeit, großem Ansehen und oft recht bedeutsamer Machtstellung innerhalb der Stadtgemeinschaften aufzuweisen. Die Blüte der großen Städte im südlichen und westlichen Teil des alten Kaiserreiches ist zu nicht geringem Teile zurückzuführen auf die kunstgerechte Leistung und von gesundem Ehrgeiz bestimmte bürgerliche Haltung des Handwerkerstandes. Weitgehende Befugnisse der Zünfte sicherten die Heranbildung eines tüchtigen Nachwuchses, andrerseits dem tüchtigen Meister Arbeit, Verdienst und Achtung. Das Handwerk hatte im Mittelalter in mehr als einer Hinsicht einen goldenen Boden. Aber gerade der Anreiz des goldenen Bodens, in seiner handgreiflichsten Ausdeutung verstanden, wurde in der Folge die Ursache

 

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zu innerem und äußerem Verfall, noch ehe die Erfindung der Maschinen und das dadurch bestimmte Aufblühen des Großbetriebes, der Industrie, den äußeren Abstieg unerbittlich beschleunigte. Natürlich hat der unglückselige Religionskrieg, dessen verwüstende Schlachten auf Deutschlands Fluren ausgefochten wurden, seinen vollgemessenen Anteil dazu beigetragen. So ist es gekommen, daß schließlich unhaltbare Zustände vorlagen und die Regierungen sich veranlaßt sahen, von sich aus einzugreifen. Das hat sich auch im Amt Segeberg und speziell im Flecken Bramstedt widergespiegelt, wie nun hier gezeigt werden soll. Christian IV. ist es gewesen, der unter dem 27. Mai 1618 auf seinem Schlosse zu Kopenhagen in folgender Weise dem Handwerk die erste Weisung gab:

»... Thun Kundt hiermit: Nachdem was die zembtlichen Handwerkers der Stadt in Unseren Fürstentümben Schleßwigh-Holstein Unterthenigst Supplicando (durch Gesuch oder Bitte) angehalten, Wir geruhten geneigtest den sub Dato Friedrichsbergh am 23. July dieses itz laufenden 1618. Jahres außgegebenen bescheidt, belangend die erklerung wegen der Zunftordnungen Jedtweder Stadt absonderlich gnedigst mitzutheilen, Und dieselbe zu extendiren (erweitern), daß die ein Kommende (Antragsteller), so sich etwa in einer Stadt niederzulassen gemeint, sich in derselben zuförderst ein Jhar Verhalten (aufhalten) und bei den Meistern arbeiten sollen, und Wir Ihrem Unterthenigsten Flehen gnedigst statt gegeben: Als setzen und ordnen wir hirmit Und krafft dieses, daß wir aus wichtigen Ursachen es bei der am 17. Juny abgelaufenen Jahres 1615 eröfneten gnedigsten Verordnung - kraft welcher alle Gilde- und Zunftordnung cassirt (aufgehoben) und mir vorgelegt - Verbleiben und bewenden laßen, Jedoch mit dieser gnedigsten Weisung und Zusatz die neuen Meisteren auf geleisteten Eytt an statt Ihres Meisterstücks1) nach gelegenheit ein stück Zeuges (Handwerkserzeugnis) itziger und derselben Art und Manir Unstrafbahr Und bewehrt (untadelig) außmachen und verfertigen, nicht weniger auch Ihrer ehrlichen geburt Und Lehre einen guten Schein (Lehrbrief) Und beweiß fürzuzeigen Und einzuführen verpflichtet sein sollen. Ehe aber und bevohr solche angenommen werden, sollen sie gehalten sein, ein Jhar in der Stadt sich aufzuhalten und bei den Meistern daselbst zu arbeiten, damit man Ihres lebens und Wandels desto beßere Kundschaft wißen und haben möge. - Amtmann und Rath haben an dieser gnedigsten Verordnung steiff und fest sich zu halten und die sembtlichen Meister bei dieser begnadung >biß an uns< zu schützen, handhaben und mainteniren (zur Hand gehen).«

Diese königliche Verordnung hält gewisse, für das Gedeihen des Handwerks wichtige alte Zunftgedanken fest: Nur in den Städten (und privilegierten Flecken) darf »bürgerliche Nahrung« betrieben werden, und niemand darf ohne den Nachweis bestimmter Qualitäten sich als »Meister« betätigen. - Die Bevorrechtigten sehen sich bald von anderer Stelle her bedroht. Eine Bittschrift der Schneider, Schuster,

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1) Die Zünfte, unbequemem Zuwachs abhold, hatten die Anforderungen an das Meisterstück vielfach überspannt. Kostspielige und unverkäufliche Dinge wurden gefordert. Dem sollte des Königs Gebot entgegenwirken.

 

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Bäcker und Gewerbetreibenden aus Segeberg, datiert vom Jahre 1636, klagt dem König, »daß zu dem auf Bartholomäi angesetzten Vieh- und Pferdemarkt durch häufige Zufuhr von allerhand andern Wahren ein genzlich öffentlicher Jahrmarkt daraus gemacht und dadurch ihnen ein großer abbruch an ihrer >hantir- und nahrung< geschieht und gleichsamb das tägliche Brodt vor dem Munde hinwegk genommen werde.« - Christian hat ein Einsehen und untersagt nach Wunsch. Anno 1670 kommen die Segeberger Schneider und Schuster dem Könige mit den gleichen Klagen und weisen auf einen anderen Mißstand hin, »der ihr Privilegium aus dem Jahre 1600 verletze, wonach kein Loß Knecht aus Lübeck, Hamburg oder andern Städten sich unterstehen dürften, weder in unserer Stadt noch im ganzen Kirchspiel sich häuslich niederzulaßen und ohne deren Erlaubnis einige (irgendeine) Arbeit zu verfertigen. Dem entgegen hätten sich hin und wieder auf den Dörfern allerlei Loß und lediges gesindtleien und Bönhasen eingeschlichen.«

Der dänische König folgt dem Ansuchen, indem er den Amtmann ermahnt, die Handwerker in ihren Rechten zu schützen.

Nach diesem Ausblick auf Segeberger Angelegenheiten, der als Bereicherung des  Inhaltes unserer Kunde vom Handwerk gedacht ist, kehren wir zurück zum Heimatsorte.

Unter den Gerechtsamen, die von höchster Stelle dem Flecken zugebilligt sind, war der Anspruch auf »bürgerliche Nahrung« von entscheidender Bedeutung. Damit war eine klare Unterscheidung zwischen Kirchort und Dörfern gegeben. Fortan durften Handwerker wohl im Flecken, nicht aber in den Dörfern innerhalb der »Bannmeile« siedeln. Auch die Siedlung im Flecken war unter einige Bedingungen gestellt. Dafür zwei Beispiele.

a)  Anno 1645 wendet sich Amtmann Caspar von Buchwaldt an von Reventlow, derzeitigen Statthalter, mit der Bitte des alten Kirchspielvogts zu Brambstede, Johan Vagets Tochtersohn, Christian Möller, der 2 Jahre als Feldscherer im Kriege gewesen ist und sich nun in Brambstede niederlassen möchte, diese Er laubnis zu geben und ihm behilflich zu sein, daß er ein königliches Privilegium auf solche Stelle erlangt. - Der bisherige Balbirer sei wegen einiger Vergehungen flüchtig geworden und (somit) die Stelle vacant. - Die prima Fürsprache wird wohl Erfolg gehabt haben.

b)  Anno 1720 berichtet Amtmann von Hanneken an den König in folgender Sache.

Die Bramstedter Handwerker haben ihre Berufsgenossen aus dem Kirchspiel Kaltenkirchen »gejagt« und ihnen ihr Handwerkszeug, in einem Fall sogar das Schurzfell genommen, weil sie auf den Dörfern innerhalb der Bannmeile wohnen und arbeiten. Letzteres verstoße freilich gegen den Erlaß Friedrichs IV. von 1711, der solches verbietet, um die Handwerker in Städten und Flecken zu schützen. Indessen sei diese Ordnung bis jetzt nirgends ganz durchzuführen gewesen. Es sei auch zu beschwerlich, wenn die Dorfbewohner bei eiligen Sachen nicht einen Handwerker im Orte finden könnten, der Zeit hat und hilft, z. B. hätten viele

 

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Leute nur ein Kleid, und ist dieses zerrissen, so würde es zu lange dauern, wenn sie es erst in die oft recht entfernte Stadt bringen sollten. Wenn aber auf dem Dorf nur ein Bauernschneider erlaubt sei, so könnte der nicht alles machen. Ebenso sei es, wenn ihnen ein Rad am Wagen entzwei sei, so ist es nicht immer möglich, daß sie erst ein anderes Fahrzeug mieten, um das entzweie nach der Stadt zu bringen. Er, Hanneken, wünscht, der König möge diese Bestimmung wieder aufheben und es bei der von seinem Vater 1686 gegebenen lassen; die sei überall durchzuführen.1)

In unserm Flecken scheinen die Schuhmacher und die Schneider am frühesten unter Zunft-Verfassung gestellt worden zu sein. - Akte A XXIII Nr. 451 des Staatsarchivs beschäftigt sich mit diesem Gegenstand. Eine Confirmation Christians V. von 1693 gibt Aufschluß in dieser Hinsicht. Deren Inhalt sei im wesentlichen hier wiedergegeben.

Die sämtlichen Meister des Schusteramtes im Flecken haben »allerunterthänigst vortragen lassen, wasgestallt sie ihre Amts-Privilegien, welche ihnen von des Königs Vorfahren ehrwürdigsten Andenkens Anno 1523 erteilet, und die ihnen von Zeit zu Zeit konfirmiret worden, in einer vor wenig Jahren daselbst entstandenen unvermutlichen Feuersbrunst unter anderen mit verloren haben. Da ihr Amt eine Zeithero fast öde gewesen, sie aber solches in den vorigen Stand zu setzen gedächten, bitten sie, ihnen ihre alten Amtsgerechtigkeiten zu renoviren.«

Gemeint ist natürlich ein neuer Ausweis über altes Recht. Majestät geben solchem Wunsch nach durch folgende Bestimmungen:

1.   daß keiner sich unterstehen möge, weder vor noch außerhalb des Fleckens oder in des Kirchspiels Gebiet einig (irgend welches) Rauch-Leder oder Kalbfelle zu kaufen noch zu verkaufen und zu gerben, außer so er mit im Amte sei.

2.   daß ein junger Gesell, so keines dasigen Meisters Sohn, inmittelst aber das Schuster-Handwerk in Bramstedt gelernt, wenn er begehret, in das Amt auf genommen zu werden, vorher ein Jahr »aufs Amt« dienen oder auch ins Amt freien solle.

3.   daß auch ein angehender Meister, so nicht eines Meisters Wittibe oder Tochter heiratet, zuvor ein Jahr daselbst bei einem Meister aufs Amt dienen solle.

4.   daß ein Fremder, der allda im Amt der Schuster nicht gelernt, wenn er sich ins Amt verheiratet, 2 Jahr aufs Amt dienen oder sich mit dem Amtmann zu Segeberg und dem Amt der Schuster zu Bramstede deswegen mit einer billigen (angemessenen) Einkaufssumme abfinden sollte.

5.   daß ein Schuster-Gesell, welcher daselbst Meister gedenkt zu werden, vorher 2 Jahre außerhalb Landes müsse gewandert haben.

6.   dann endlich, wenn jemand das Amt heischen (Meister werden) wollte, derselbe seinen ehrlichen (ehelichen) Geburts- und Lehr-Brief produciren müsse, andern falls er nicht angenommen werden solle.

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1) 1686 waren die für das Dorf nötigsten Handwerker zugelassen worden, indes mit dem Zusatz, daß sie nur innerhalb ihres Wohnortes werken dürften.

 

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Soweit die von Christian V. erneuerten Vorschriften, denen man in den wesentlichen Zügen wohl allgemeinere Geltung beilegen darf. Schon unter dem Nachfolger Friedrich IV. wird im Jahre 1716 eine abermalige Bestätigung der alten Rechte erwirkt. Diesmal wird, dem Wunsche des Schuster-Amts gemäß, eine bereits 1711 herausgegebene Constitution für die in den Dörfern zugelassenen Handwerker verkündet. Danach gilt,

1.   daß hinführo jeder Bauer-Schuster, welchem sich in einem Bramstedter Kirchspielsdorfe zu setzen erlaubet ist, schuldig und gehalten sein soll, zu desto besserer Beobachtung der Innungs-Articul und Beförderung guter tüchtiger Arbeit für die eingesessenen Unterthanen des Kirchspiels sich in das Schuster-Amt zu Bramstedt mit zu begeben und sich denen darinnen enthaltenen und von Ihro Kgl. May. allergnedigsten confirmirten Articulen gemäß zu bezeigen.

2.   daß keinen fremden Umläufen erlaubt sein möge, außer den Jährlichen öffentlichen Jahrmärkten Schuhe im Flecken und Kirchspiel Bramstedt zu verkaufen. Aus den Jahren 1817 und 1844 liegen erneute Confirmationen vor, ein Beweis dafür, daß die Fürsten jeweils nicht endgültige, sondern mit gewissen Vorbehalten belastete Privilegien erteilt haben.

Beachtenswert und leicht zu Irrtümern verleitend ist die Nachricht, daß 1844 das Schusteramt in Bramstedt 24 Schustermeister zählte. Unser Bericht über die soziale Gliederung aus dem Jahre 1803 weist nur 10 Meister nach. Es ist zu beachten, daß dieser Bericht sich auf den Flecken beschränkt, während das 1844 genannte Schusteramt Bramstedt auch die Kirchdörfer mit umfaßte, wohl auch die Gesellen einschloß. Endlich ist nicht zu übersehen, daß vor hundert Jahren das Gewerbe der Schuhmacher seiner Natur nach ein wesentlich anderes Gesicht hatte. Es gab nur nach Maß gefertigtes Fußzeug; Schuhfabriken gab es nicht, Schuhhandel in knappem Maße.            

Die übrigen für Bramstedt aus den Kieler Dokumenten nachweisbaren Zünfte (Ämter) sind, geordnet nach der Zeitfolge:

die Schmiede und Schlosser Zunft 1634; letzte Bestätigung 1845;

die Schneider 1739, letzte Bestätigung 1844; anscheinend 12;

die Böttcher 1738, letzte Bestätigung 1776;

die Bäcker (Weiß- und Festbäcker-Amt) 1750; letzte Bestätigung 1844 (12 Meister)

die Tischler und Zimmerer 1773; letzte Bestätigung 1839;

die Schlachter 1844 (8 Meister).

Die fast in jeder Zunft sich wiederholenden Confirmationen brachten meistens auch Änderungen des Rechtsinhaltes, sei es wegen hervorgetretener örtlicher Übelstände, oder sei es, um den besonders durch die französische Revolution von 1789 genährten Gedanken der Gewerbefreiheit entgegenzukommen. Preußen hat diese Freiheit 1810 eingeführt; hier haben sich die alten Bindungen länger behauptet. Mit der Einführung der deutschen Gewerbeordnung von 1869 hörten die Sonderrechte einzelner Landesteile völlig auf.

Die Bramstedter Innungen hatten ehemals eine Sonderstellung insofern, als der Kirchspielvogt ihr Gerichtsherr (Morgensprach-Herr) war, dem die Überwa-

 

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chung ihres gesetzlichen Verhaltens und die Schlichtung von Streitigkeiten innerhalb des Zunftrechtes oblag.

Einige Tatsachen, die eine oder die andere Zunft betreffend, sind hier noch zu vermelden, da sie die Zustände in unserm Orte kennzeichnen.

Vom Schneider-Amt wurde 1761 an den Segeberger Amtmann das Gesuch gerichtet, daß ihm die Erlaubnis erteilt werde, die nicht ins Amt eingetretenen Schneider des Bezirks »jagen« zu dürfen. Dieses »Jagen« der Pfuscher oder Bönhasen, also von Leuten, die, ohne Inhaber des Meisterrechts zu sein, selbständige Arbeiten übernahmen, hatte den Zweck, besagten Personen ihr ungesetzliches Arbeiten zu verleiden. Die dabei üblichen Methoden erschöpften sich in geeigneter körperlicher Behandlung des Übeltäters. So wird es verständlich, daß der Herr Amtmann abwinkte.

Die Zunft der Schmiede bekundet 1817 gelegentlich eines Gesuches um Bestätigung der alten Amtsrechte, daß die Urschrift ihres Privilegs von 1634 durch Feuersbrunst abhanden gekommen sei. - Von Interesse wird auch die Nachschrift über die Meisterstücke sein, die 1722 für diese Zunft vorgeschrieben werden. Der Hufschmied soll eine Axt und zwei Hufeisen herstellen. Vom Schlosser wird gefordert: Ein Stubenschloß mit zwei Riegeln, ein Türdrücker nebst Klinke, auch behöriger Schlößel mit zweenen Sternen, Ingleichen ein Paar Spohren.

Über die Böttcher vernehmen wir, daß 1776 die ganze Zunft aus einem Meister und einer Meisters Witwe besteht. Sie möchten alle Rechte bestätigt haben, stoßen indessen auf Schwierigkeiten. Ihr Vorschlag, dem Zimmer- und Tischleramt einverleibt zu werden, wird abgelehnt. Nun bitten sie: erstens, daß sie einen Bramstedter Böttcher, der allerdings keine zunftgemäße Ausbildung nachweisen kann, mit aufnehmen dürfen, und zweitens, daß ihnen die Hälfte der Confirmations-Gebühren erlassen werde. Auch diesmal wurde das ehrbare Paar abgewiesen. Unter den Papieren, die berührtem Ansuchen beigelegt waren, befindet sich eine Conzession von 1752. Diese weist nach, daß 1738 die Amtsgerechtigkeit zuerkannt worden, aber beim Regierungswechsel nicht zur Confirmation vorgelegt worden ist und dadurch ihre rechtliche Gültigkeit verloren hat. Trotzdem wird im selben Jahre die Conzession erneuert, und so erfahren wir, daß schon derzeit nur drei Böttchermeister im Flecken vorhanden waren: Johann und Christian Hamerich, sowie Claus Fock.

Die Schlachter haben erst 1844 die Zunftgerechtigkeit erworben; es waren ihrer acht, und ihr Bereich beschränkte sich auf den königlichen Anteil des Fleckens. Schon seit 1831 hatten sie mit den Behörden die Sache verhandelt; doch ist es ihnen nicht gelungen, Prohibitionsrechte, das heißt in diesem Falle, für sich allein das Recht des Schlachtens zu erzielen. Die Fleckensvorsteher wirkten ihnen entgegen und betonten, daß es für viele Eingesessene unvorteilig sei, wenn die Schlachter das unbeschränkte Zunftrecht hätten. Wenn beispielsweise einem Einwohner ein Stück Vieh ein Bein bräche oder sonst verunglückte, schlachte er es und verkaufe das Fleisch durch Hausieren, um möglichst viel herauszuschlagen. Die armen Leute, die nur ein Schwein schlachten, müßten oft noch ¼ oder mehr

 

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davon verkaufen, um alle Abgaben bezahlen zu können. Mancher arme Tagelöhner endlich ernähre sich im Winter dadurch, daß er für andre das Vieh einschlachtet.

 

Fleckensvorsteher gegen Zunft

 

Anno 1831 haben die Schlachter zu Bramstedt den Antrag auf Errichtung einer Zunft gestellt. Das Amthaus verlangt ein Gutachten der Ortsverwaltung. Nach Rücksprache mit der hiesigen Kommüne geht folgendes Schriftstück an den Amtmann:

»Bisher hat jeder hiesige Einwohner Fleisch und Speck zum Verkaufe herumtragen lassen dürfen, was ihm vorzüglich zustatten kam, wenn ein Stück Vieh durch Beinbruch oder sonst tödlich verletzt ward. Der Eigentümer ließ das Tier schlachten und das Fleisch gedachter Weise verkaufen und deckte einigermaßen den Schaden. Das Errichten einer Schlachterzunft würde wohl dem Schlachter allein solches Hausieren vorbehalten, und dann hätte in besagtem Falle der Eigentümer nur die Möglichkeit, das verletzte Vieh an einen Schlächter zu veräußern, wobei er natürlich einen erheblich geringeren Preis erzielen würde. - Etliche Eingesessenen, die jährlich nur ein Schwein mästen können, haben bislang den vierten Teil oder gar die Hälfte pfundweise verkaufen müssen, und das Geld für die königlichen Abgaben anzuschaffen, das würde wohl auch aufhören. - Auch ernähren sich hier mehrere arme Tagelöhner in den Wintertagen, wo sie sonst nichts verdienen können, durch Schlachten, wohl auch durch Verkauf von Kleinvieh, was vermutlich wegfallen würde. - Endlich dürfte die Errichtung eines Schlachteramtes unsers unvorgreiflichen Fürhaltens dem Flecken deshalb zum Nachteile sein, weil die Amtsmeister beim Schlachten unsers Viehs sich als dann das Doppelte bezahlen lassen könnten wie jetzt, wo wir nicht an sie gebunden sind.«

Es sei noch hinzugefügt, daß derzeit fünf Schlachtereien am Orte waren.

 

Verschiedenes

 

1739. Christian VI. ordnet an, daß die Militär-Handwerker arbeiten dürfen für alle Militärs, auch wenn diese nicht zu ihrem Regiment gehören, aber nicht für andre Leute.

1739. Derselbe, daß gegen die Mißbräuche vorgegangen werden soll, die sich bei 'Einschreibung eingeschlichen haben. Es finden dabei Gelage statt; es kommt zu Gottlosigkeiten und Roheiten. Das soll mit der Zeit ganz verschwinden; gegen das Schlimmste soll sofort eingeschritten werden. Der Kirchspielvogt soll bei der Einschreibung anwesend sein.

1742. Der Markgraf schreibt an den Grafen zu Rantzau: Den Handwerkszünften soll erlaubt sein, die in unverbotenen Distrikten wohnenden Handwerker in den

 

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Dörfern in ihre Ämter zu nehmen, keineswegs aber sollen ohne Königliche Dispens sich Handwerker in verbotenen Dörfern niederlassen oder die Zunftgerechtigkeit erlangen.

1744.  Verordnung des Statthalters Markgrafen Friedrich Ernst von Brandenburg, betreffend die Meistergebühren.

Wenn ein Handwerksmeister in ein Amt (Zunft) eintritt, so soll die receptions-(Aufnahme)Gebühr 6 Reichstaler nicht überschreiten. Erfolgt die Etablierung außerhalb des Amtes (in Dörfern), dann sollen an die Ortsobrigkeit 4 Taler, daneben an den Morgensprachsherren 1 Taler entrichtet werden. Bei denjenigen, die sich in das Amt begeben, gehen die 6 Taler nach Abzug der Gebühr für den Morgensprachsherren (in Bramstedt) an das Zunft-Amt, um damit an erster Stelle die Besichtigung des Meisterstücks zu decken. Eine Überschreitung dieser Gebühr ist nicht statthaft. - (Solche Verordnung wurde an die Kirchenthüren und an die Thüren der Gastwirtschaften geheftet.)

1745.  Der Markgraf an Amtmann Grafen Stolberg:

Die an sich heilsame Verfügung, nach welcher für die Aufnahme in eine Handwerkszunft nicht mehr als 6 Taler Kosten entrichtet werden sollen, hat nach Meinung des Königs insofern üble Folgen gezeitigt, als die Beobachtung der Wanderungsjahre schlechthin unterbleibe. Jeder eben aus der Lehre kommende Gesell, sobald er mit seiner etwanigen Braut gedachte kleine Summe zusammenbringen könne, mache sein Meisterstück und etabliere sich. So müßten mit der Zeit die Zünfte und Ämter mit untüchtigen Meistern und das Publikum mit unvermögenden Familien überhäuft werden. Daher habe Majestät für gut befunden, daß die Vorschriften über die Wanderjahre aufs genaueste beobachtet werden, einerlei, ob eine Zunft entsprechende Vorschriften hat oder nicht. Die aus der Lehre tretenden Gesellen haben mindestens drei Jahre, davon mindestens eins in der Fremde, ihre Profession bei tüchtigen Meistern auszuüben. Allen und jeden Handwerks-Ämtern wird bei schwerer Ahndung untersagt, sich auf eine Abkaufung der Wanderjahre einzulassen, wie bisher manchesmal zu Ungebühr geschehen. Königliche Majestät sind an Ihrem Teile nicht geneiget, als aus »höchst bewegenden Ursachen« davon zu dispensieren.

Dem Herrn Grafen wird aufgetragen, diese Königliche Willensmeinung den Handwerks-Zünften in Bramstedt bekannt zu geben und nachdrücklich auf deren Befolgung zu achten.

1752. Derselbe an den Grafen Stolberg: Die Verordnung von 1738, wonach vom Handwerksmeister verlangt wird, daß er sich »häuslich« niederzulassen habe, wird dahin gemildert, daß auch eine »heuerliche« Niederlassung genügen soll, bis sie sich »ein eigenes Heim« erschaffen können.

1734, 2. September: Jasper Fuhlendorf und Claus Stöcker, Älterleute des Schuster-Amts in Bramstedt, bitten Amtmann Hanneken, dem Hans Steenbock in Kaltenkirchen zu untersagen, daß er daselbst das Schuster-Handwerk betreibe. Durch Mandat vom 22. Dezember wird so verfügt, und zwar zugleich gegen Hans Mohr.

 

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1736, 16. Januar: Paul Junge, Färber in Kellinghusen, ersucht um ein Färber-Privilegium auf das Kirchspiel Bramstedt. - Erfolg bleibt unbekannt. 1736. Schmied Hartig Lüders in Armstedt ersucht um Aufnahme in die Bramstedter Zunft. - Er erhält vom Statthalter den Bescheid, er solle ungehindert seine Profession in Armstedt fortsetzen.

 

Hans Moelke

 

erster nachweisbarer Barbier und Wundarzt zu Bramstedt. »Wir Christian der Vierdte, Von Gottes Gnaden Koning ... Thun kund hirmit, das uns unser Unterthan und Balbier unsers Fleckens Bramstedt, Hans Moelke, unterthänigster Bitte ersuchen laßen, nachdem weylandt der Ehrenfeste unser Stadthalter in den Fürstenthümbern, Rath und Amptmann auff Segebergh, Heinrich Rantzauw Sel. zum Breydenburghe ihme, dem Supplikanten, so woll wegen seiner zubesagten Balbier Ampt angewanter allerhandt nottürftigen Unkosten, als auch zu fernerer Versicherung obgemelten Fleckens eines gewißen zuvorloßigen und wundartzen halber, auf unsere gnedigste beliebung und Confirmation, dergestalt privilegiret, das daselbsten ihme benebenst niemandt solches ampt treiben, üben und ihn also an seiner Nahrung beeinträchtigen oder abbruch zufügen möchte. Jedoch mit sothanen Conditionen, daß er einiger nachleßigkeit unzubeschuldigen, sein Ampt und ersuchte aufwartung niemandt zu versagen, allen schaden, von welchen der Obrigkeit brüch gebührete, unserm Vogte anzuzeigen und den Jährlich einen Taler in unser Ambts Register einzubringen hette, Wie solches in obgenanten unsers Stadthalters Privilegio breiter (?) begriffen, das wir solches Privilegium nicht allein an seiner Persohn confirmiren, sondern auch ferneres auf seiner Söhne einen, welcher dazu ins künfftige tauglich zu gebrauchen, gnedigst extendiren und erstrecken wollen. Wan wir dan solche bitte Hans Moyelken unterthenigste Bitte gnädigste Stadt eingeräumet, Als confirmen und bestetigen wir hirmitt und Crafft dieses nicht allein selbiges von mehrgedachtem unsern Stadthaltern ihme erteiltes Privilegium allerseits in lautenden seinen allen und jeden Puncten, Clausuln und worten, als wan dieselbe hirin wiederholet und austrucklich eingeführet worden, Sondern wollen es zugleich auf einen seinen Sohn, der obberürtes Ampt und handtwerks getrewlich ausgelehrnet und auch dazu seiner erfahrenheitt, auch geschicklichkeit halber nützlich und dienlich zu gebrauchen sey, auch oben angezeigten conditionibus nachkommen wird, extendirt, und aus gethanen haben und wißen ahn jeniges oder Jedermennigliches beschwerungh oder beeinträchtigungh. Daran beschieht unser gnedigster wille und meinung. Datum in unser Stadt Itzehoe am 4. Decembris 1613.

Siegel                                                                                                                       Christian.«

Anno 1636 wird dem Sohne Dietrich genau die gleiche Konzession erteilt.1)

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1) Anmerkung. Hans Moelke, nach obigem im Doppelberuf, hat noch den Handel mit Wein und Spirituosen hinzugefügt; z.B. bediente er auch die Kirche mit dem nötigen Wein.

 

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Die Handwerker auf dem Lande

 

(B IX 3 Nr. 147)

 

Anno 1686 gibt Christian V. folgende grundlegende Verordnung heraus. »... Thun kund hiemit, demnach Uns die sämtlichen Städte Unsers Herzogthumbs Holstein allerunterthänigst vortragen lassen, welchergestalt dieselben vornehmlich daher in Abgang ihrer Nahrung gerathen, weilen auf dem Lande allerhand Kaufleute, Brauer und Handwerker sich in denen herumbliegenden Dörffern befinden, welche ihre Handthierung ohne Tragung einiger Beschwerde (Abgabe) treiben und solchergestalt den Bürgern und Einwohnern der Städte alle Arbeit und Verdienst entziehen, daß Wir zur Abstellung dessen und Beförderung gemeiner Handthier- und Nahrung, als wovon des gemeinen (gesamten) Landes Aufnahme und Bestes mit dependirt (abhängt), allergnädigst zu constituiren und zu verordnen für gut befunden: daß hinführo in allen Ämptern auf der Geest in 2 Meilen, und in der Marsch auf eine Meile umb jede Stadt, nach Beschaffenheit derer Situation keine Kaufleute, Brauer, Bäckern, auch keine andern Handwerker, als Grobschmiede, Rademacher, Böttcher, Bauern-Schuster und -Schneider mehr geduldet werden, sondern da die übrigen ihre Handel- und Handthierung fortzusetzen gemeint sind, sich in den Städten niederlassen und bürgerliche onera (Lasten) mittragen sollen, alles bei confiscation ihrer Bereitschaft (Werkzeuge), auch einer arbitraren (gerichtlichen) nahmhaften Geld- und nach Befinden anderer schärfferen Straffen, so hierwider gehandelt wird; jedoch bleibt einem jeden Haußmann unverbohten, so viel er zu seinem und der Seinigen Unterhalt bedarf, zu brauen und zu backen, auch was er entweder selbst oder durch seine Dienstleute von allerhand Handthierung und Gewerbe zu seinem Dienst verrichten kann zu verfertigen oder verfertigen zu lassen.

Befehlen darauf männiglich den Unserigen, absonderlich unsern Amtleuten und übrigen Bedienten jedes Ortes, über dieser Unserer allergnädigsten Verordnung festiglich zu halten und die Contravenienten (Übertreter) alsofort ohne einigen neben Respekt mit obangesetzter Strafe zu belegen; gestalt dan die Jenigen, somit den Contravenienten hierunter zu geheelen (als Hehler, Helfer) befunden werden möchten, durch Unsere Ober-Sachwalter als Übertreter Unsrer Verordnung ernstlich angesehen, auch nach Befindung ab officio removiret (entfernt) werden sollen.

Wornach sich männiglich allerunterthänigst zu richten

Urkundlich …                                                                                        Christian.«

 

Beigegeben ist der Befehl an Amtmann von Liliencron, dieses »sowohl von den Cantzeln als sonsten gehörigen Orts bei den Gerichten publiciren zu lassen«. Ermutigende und ergänzte Regelung der gleichen Angelegenheit gibt 25 Jahre später Friedrich IV. aus Glückstadt.

» ... Thun hiermit kundt, daß, obwohl an sich notorium, die Städte in unsern beyden Herzogthümern bloß in Ansehung ihrer Nahrung und (ihres) Gewerbes, so sie treiben, auf eine gewisse Pfluganzahl bei Errichtung der Landes-Matrikel

 

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gesetzet und danach von ihnen die Allgemeine Landes onera (Steuern) abgetragen werden sollen, danach die Tägliche erfahrung bezeuget, wie durch die auf dem Lande wohnenden Handwerker ihnen solche ihre Nahrung und Gewerbe auf alle Arth und Weise seit vielen Jahren dergestalt entzogen werden, daß nicht allein fast keine Stadt auf dem Fuß, wie dieselben mit der Pflugzahl in der Landes-Matrikel angesetzet, uns die allgemeine Landes-Contributiones abzutragen mehr im Stande, sondern auch bey dessen Continuirung (Fortsetzung, Ausdauer), ohngeachtet der einer jeden (Stadt) in ihrer Pflugzahl beschenen considerablen Remission (Kürzung) gleichwohl derselben weiteren gentzlichen Ruin und Desolation (Verödung) Wir annoch ohnzweifentlich befahren (erleben) müssen. Und wan nun dagegen die auf dem Lande Wohnenden bloß nach ihren Hufen und Maße der Landereyen die Landesonera entrissen und dabei wegen der Nahrung oder des Handels und Wandels nicht in den geringsten Anschlag mit einer angesetzten Pflug-Zahl gekommen, auch nach wie vor solchen höchst unbillig befinden, wenn (sie) gleich das Commodium (den Vorteil) an sich ziehen, den Städten die onera dafür abzutragen nachgesehen werden sollte, auch Wir dahero aus Hoher obliegender Landesväterlicher Vorsorge bewogen, mit des Hertzogen zu Gottorf Liebden Uns dahin Vereinbahren, daß nicht allein wegen derselben Abschaffung, soweit es Prälaten- und Ritterschaft-Güter betrifft, eine gemeinschaftliche konstitution abgefaßet und publiciret worden, sondern auch, um solches durchgehends zur Observantz (Geltung) zu bringen, ein gleichmäßiges in denen nur beyderseits privative zugehörigen Ämptern veranstaltet, auch, daß nach Michaelis des laufenden Jahres keine verbotene Handwerker und bürgerliche Nahrung treibende Persohnen weiter geduldet werden sollen:

Als constituiren und verordnen Wir hiemit und kraft dieses, daß fernerhin auff dem Lande und in den Dörfern innerhalb dem Bezirk von dreyen Meilen auf der Geest und von zweyen in der Marsch, von jeder in den beyden Herzogthümern belegenen Stadt anzurechnen, kein Hand Wandel solle getrieben, noch einige Handwerker, außer 1 Radmacher, Schmidt, Bauernschneider und -Schuster zu eines jeden Kirchspiels selbsteigner Arbeit und Nothdurft, ihr Handwerk zu treiben, sonsten aber innerhalb des Landes auf Jahrmärkte nicht zu ziehen, noch außerhalb des Kirchspiels einige (irgendeine) Arbeit zu verfertigen oder in die Städte zum Verkauf zu bringen, sollen geduldet werden. Sondern befehlen vielmehr kraft dieses aus Hoher Landesfürstlicher Obrigkeitlicher Macht und Gewalt, daß die jetzo auf dem Lande und in den Dörfern in solchem vorbenahmten Bezirk sich aufhaltende Handwerker oder sonsten Handel und Wandel treibende Persohnen, in was Gewerbe oder Profession solches bestehen möge, sich von dannen weg und entweder in eine Unserer Städte oder nach Benannten Flecken, als Bredstedt, Bramstedt und Meldorf, oder in den Fürstlichen Antheil nach Neumünster, Heyde und Lunden begeben, oder gewärtigen sollen, daß in deßen nicht gelebung (Nichterfüllung) nach Verfließung der Frist, gegen den Übertreter ohne weiteres nachsehen mit wirklicher confiscation und Wegschaffung verfahren werde. - Gestalt dem jeder Orts Beamte und Obrigkeit über diese Unsere aller-

 

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gnädigste Verordnung ernstlich und nachdrücklich zu halten und selbige zu gebührender Execution zu bringen, auch sonsten jeder männiglich, dem daran gelegen, sich danach zu achten und für schaden zu hüten hat.« Hierher gehört auch eine Verordnung von Christian VI. aus dem Jahre 1733. Sie bestimmt,

»daß diejenigen Leute (von seinen Soldaten), so dimittiret und abgedanket werden, mit ihrer eigenen Hände Arbeit und, soferne sie keine Bürgerliche Nahrung in den Städten treiben, von Bürgerlichen Auflagen, Schatzungen und Beschwerden und auf dem Lande von der Erlegung des sogenannten Verbittelsgeldes eximiret (ausgeschlossen) und befreyet sein sollen.« Noch zwei lesenswerte Berichte:

Anno 1732 sieht sich Christian VI. veranlaßt, dem Amtmann zu Segeberg mitzuteilen,

daß in Übertretung der noch gültigen Vorschriften von 1687 annoch auf dem Lande noch viel gesündigt werde. Sogar die Zunftämter lassen sich herbei, gegen eine jährliche »Collecte« solche Gesetzesverletzung zu dulden. - Dagegen soll mit »schwerer Leibes-Straffe« vorgegangen werden, dazu natürlich auch mit Confiscation. - Aber schon nach drei Jahren sieht er sich genötigt, diejenigen von Bestrafung auszunehmen, die schon länger in den fraglichen Orten wohnen und dort Abgaben bezahlt haben; es würde sonst zu viele Brotlose geben. Indessen soll Neuzulassung strenge den Gesetzesvorschriften unterworfen bleiben. Anno 1738 erfolgt eine weitere Milderung der Anforderungen an diejenigen Handwerker, die sich in den Städten oder mit Stadtgerechtigkeit begnadeten Flecken ansiedeln wollen. Vorzulegen ist der Geburtsschein in beglaubigter Form, ebenso der Lehrbrief. Ferner soll eine »wirkliche« häusliche Niederlassung erfolgen und das Bürgerrecht erworben werden. Das Meisterstück soll ein »moderner« Gegenstand sein, nicht zu kostbar und absetzbar. Die Gebühr beträgt 4 Taler an die Obrigkeit und 2 Taler an die Prüfungsmeister. - Diese Regelung betrifft »einen jeden Handwerker«.1)

 

Bramstedter und Segeberger Zimmerleute

 

Die Segeberger glaubten, im alleinigen Besitze des Rechtes zu sein, innerhalb des Amtes Segeberg alle Arbeiten ihres Gewerbes für sich allein beanspruchen zu können und zu müssen. Die Bramstedter, von denen wir wissen, daß ihre Zunft erst 1773 gegründet worden ist, sehen sie nicht für voll an. Trafen nun jene in Bramstedt beheimatete Zimmerer, dann gab es meistens Zank und Kampf, bei dem nicht nur die Faust, sondern oft auch Knüppel und Werkzeuge die Entscheidung herbeiführten. Es ging nicht ohne blutige Verletzungen ab. Die Bram-

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1) Ausgenommen werden ausdrücklich die »Balbiere«, die als gleichzeitige Bader, Chirurgen und Wundpfleger der Medizinalordnung unterstanden. Hiesige Weber wurden nicht voll als Handwerkermeister anerkannt.

 

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stedter sahen keine Ursache,  den Anspruch der Gegner anzuerkennen.  Sie wandten sich an die Obrigkeit und erreichten eine ihnen günstige Entscheidung. Fridericus V. erläßt unter dem 2. Oktober 1750 in dieser Sache folgenden Bescheid:

Den Segeberger Zimmerern gebe ihr Zunft-Privileg das Recht, im ganzen Amte die Pfuscher (nicht ordnungsgemäß geprüfte Eindringlinge) zu jagen. Daraus folge aber durchaus nicht, daß sie zunftgemäß ausgebildete Zimmerleute, wie es die Bramstedter sind, stören und behindern dürfen. Auch solle es den Einwohnern des Amtes unbenommen bleiben, aus andern Städten und im besonderen aus dem im Amte belegenen Flecken Bramstedt zünftige Zimmerleute für die Ausführung ihrer Arbeiten zu nehmen. Es wird demnach den Zimmerern beider Ortschaften untersagt, sich nach bisheriger Art gegenseitig die Arbeit strittig zu machen. Soweit ersichtlich, hat dieses Eingreifen der königlichen Hand die beabsichtigte und erwünschte Wirkung herbeigeführt, den Zustand gegenseitiger Duldung. Sehen wir, daß in unserer Gegend ein ganzes Amt der Bereich für das handwerkliche Arbeitsrecht gewesen ist, so ist es in andern deutschen Landesteilen sehr wohl vorgekommen, daß einzelne Städte sich dem Zuzug fremder Handwerker vollständig verschlossen haben. Auch dieser Umstand hat mit dazu beigetragen, daß das Zunftwesen sein Ansehen mehr und mehr verlor und einer freieren Gestaltung dieses Rechtes hat weichen müssen.

 

Vom Bramstedter Schusteramt

 

Was man schlechthin als Innung oder Zunft bezeichnet, begegnet uns hier unter dem Namen Amt. Man wird glauben dürfen, daß hierzulande diese Benennung allgemein üblich gewesen ist. Aber in unserm Orte hat anscheinend allein das Schusteramt eine Urkunde mit eingehenden Nachrichten über sein Wirken auf unsere Tage überliefert. Es handelt sich um das Protokoll des Amtes, beginnend mit dem Jahre 1798, abschließend 1868. Der Ursprung der Innung liegt freilich viel weiter zurück. Lesen wir doch am Schluß unseres Buches: »Amtssiegel lautet auf 1221«. Gegen die Verläßlichkeit dieser Ziffer spricht der Umstand, daß zu genannter Zeit Bramstedt noch nicht im Besitze der Fleckensgerechtigkeit gewesen ist. Solange nicht ein bündiger Nachweis für die 1221 vorliegt, muß sie als ungewiß erachtet werden.

Das soll aber nicht unsern Eifer mindern, den geistigen Schatz des Innungsbuches zu heben und zu hüten.

 

1. Von den Lehrlingen

 

In siebzig Jahren der Niederschrift sind rund 150 Lehrlinge »eingeschrieben« worden. Davon stammt nur ein Dutzend aus den Dörfern des hiesigen Kirchspiels; das große Dorf Wiemersdorf hat nicht einen einzigen Rekruten für das

 

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Schustergewerbe bereitgestellt. Der Bezirk Kaltenkirchen stellte 30 Lehrlinge, rund 40 kamen aus größerer Ferne; so bleiben Flecken und Gut Bramstedt mit rund 2/3 des Gesamtbedarfes die überragende Versorgungsquelle. Nicht selten stellte der Meister den eigenen Sohn ein, und in etlichen Schuhmacherfamilien ist das Handwerk geradezu zum traditionellen Gewerbe geworden. So kündet das Buch:

»1804 ist Hans Grewe Meister geworden.« »1811 ist Jakob Greff sein Jung ausgeschrieben den 13. Januar.« »1864 den 1. Mai ist Hinrich Ferdinand Greve bei seinem Vater Jakob Greve hieselbst in die Lehre getreten.«

Zwischen 1811 und 1864 sind aber noch weitere drei Lehrlinge vom Stamm Jakob Greve ein- und ausgeschrieben worden, allemal unter der Firma des Vaters. Besondere Anforderungen, die den Eintritt in die Lehre bedingt hätten, werden nicht erwähnt.. Ja, in der Liste wird auch ein Taubstummer genannt. Über das Lebensalter erfahren wir nichts. Der Tag des Antritts weist keine Regel auf. So finden wir 1811 diese Daten: 19. Mai, 2. Juni, 27. Oktober, 14. November und 24. Dezember, und 1867 werden der 28. April, 1. Mai und 24. Juni verzeichnet. Der Anschluß an die Konfirmationszeit wird spätern Datums sein. Für die Dauer der Lehrzeit erscheinen drei Jahre als die Norm; doch sind Abweichungen nicht selten: 2, 2½, 3½ und 4 Jahre, letztere sogar für einen Meistersohn. Ungewöhnlich ist folgende Kunde:

»Anno 1842 den 30. Januar ist dieser Lehrbursch Ahrend Mohr aus Struvenhütten, Kirchspiel Kaltenkirchen, bey unserm Meister Jochim Lück auf 4 Jahre 19 Wochen in die Lehre getreten, hat also ausgelernt den 12. Juni 1846.« Ungewöhnlicher indes sind zwei weitere Eintragungen:

a)   »1828 den 2. Mertz Ist dieser Lehr Borsche Jörgen Möller aus Kaltenkirchen bey den Meister Hans J. Buck als Bundwerker auf 6 Wochen in die Lehre getreten und hat ausgelernt 1828 den 13. Aprill.«

b)   »Johann Christian Petrich, gebürtig aus Bramstedt, hat gleich nach seiner Confirmation seine Lehrzeit begonnen und ist am 6. Dezember nach einer siebenjährigen Lehrzeit mit Bewilligung des ganzen Amtes als Schusterlehrling ein- und ausgeschrieben worden.«

Das Außerordentliche des Falles b), betont durch die einzig dastehende »Bewilligung  des ganzen Amtes«, mag darin begründet sein, daß besagter Petrich sich nicht ständig auf dem Schusterbock betätigt hatte; sonsten wäre doch die Sache für ihn, einen Meistersohn, betrüblich blamabel.

Nach vollbrachter Lehrzeit erfolgte die Ausschreibung durch das Amt. Die Niederschrift ist von den Älterleuten regelmäßig, aber auch recht oft vom Kirchspielvogt geleistet worden.

Satzungsgemäß war der »Ausgelernte« mit einem Lehrbrief auszustatten, dessen Ausführung ebenfalls den Älterleuten oblag. Es scheint, daß man ihnen diese Befugnis hat strittig machen wollen. Davon zeugt nachstehende Niederschrift aus 1811:

 

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»Ich, Johann Willing, und Christoffer Danneberg, als Älterleute in dem Königlichen Flecken Bramstedt, Bestätigen hir mit, daß das hochlöbliche Schusteramt hat es ausgemacht, daß das Lehr Brief Schreibend an die älter Leute Bleiben Sol und vor daß amt Siegel 24 Schilling.«

Der Gebührenpunkt wird wohl die Ursache für die Notwendigkeit dieser kraftvollen Willensbekundung gewesen sein.

Stumm bleibt dagegen unser Amtsbuch auf die Frage, ob die abgehenden Lehrlinge eine besondere Prüfung abzulegen hatten.

 

2. Von den Gesellen

 

Sie bildeten eine Brüderschaft unter sich und hatten auch ihr besonderes Schild und ihre Lade. So begründet es sich, daß das Zunftbuch der Meister über diese Gruppe des Handwerks nur ausschnittweise Bericht gibt, und zwar über Dinge, die Meister und Gesellen zugleich angingen. Soweit dies geschieht, wird der folgende Abschnitt uns unterrichten. Schriften oder sonstige Hinterlassenschaften genannter Brüderschaft sind leider nicht vorhanden.

 

3. Von den Meistern

 

Der Meistertitel fiel dem Gesellen nicht schon dadurch zu, daß er sich selbständig machte. Bis 1830 ist das durch Königl. Verordnung erzielt worden, die ein entsprechendes Ansuchen mit den nötigen Nachweisen voraussetzte und mit einer Gebühr von 18 Mark Kurant erkauft werden mußte. Die Beschreibung der Formalitäten wird hier nicht berührt.

Seitdem nahm das Amt unter Mitwirkung des jeweiligen Kirchspielvogts eine Prüfung vor und erteilte dann unmittelbar das Meisterrecht. Der Bericht über den ersten dieser Fälle sei hier wiedergegeben.

Actum Bramstedt in dem versammelten Schusteramt, den 21. Dezember 1830. »Es erscheint der Schustergeselle Casper Bracker und bittet unter Produzieren einer allerhöchsten Dispensation vom Wandern und eines Blatterattestes um Ertheilung des Meisterrechtes. Sodan wird sein ebenfalls von ihm vorgezeigtes Meisterstück, nachdem er abgetreten, untersucht und von dem versammelten Amt dergestalt für untadelhaft erklärt, daß der erbetenen Aufnahme als Meister nichts im Wege steht. Dem besagten Casper Bracker wird darauf eröffnet, daß er als Meister der Bramstedter Schusterzunft auf- und angenommen sei, worauf er die Gebühr (18 Mark) sofort entrichtet hat.«

In fidem

H. Hartz (Kirchspielvogt)

 

Bis zum Jahre 1863 sind insgesamt 45 derartige Prüfungen abgehalten worden, von denen nur eine fruchtlos geblieben ist. Sämtliche Meister der Zunft hatten

 

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sich einzufinden. Ort der Handlung wird das Haus des führenden Ältermannes gewesen sein, nicht der Schusterkrug. Der jeweilige Kirchspielvogt leitete und überwachte die Vorgänge, wie er auch stets den Bericht ausfertigte. Hatte einmal der Prüfling zum angesetzten Termin nicht erscheinen können, so wurde baldmöglich in der Kirchspielvogtei unter Mitwirkung der beiden Älterleute die Sache zum Abschluß geführt.

Trotz erheblicher Eintönigkeit der Berichte geben sie doch ein recht sicheres Bild von den Bedingungen, dem Ablauf und dem Sinn der Meisterprüfungen. Der Antragsteller mußte mindestens vier oder fünf Jahre lang dem Gesellenstand angehört und dabei mindestens 1 Jahr im Ausland gewandert haben. Lehrbrief und Wanderbuch waren die Ausweise darüber. Im Notfall konnten sie durch eidliche Aussage eines hiesigen Meisters ersetzt werden. - Das in unserm Beispiel erwähnte »Blatternattest« war eine zufällige, sich nicht wiederholende Angelegenheit. - Unerläßlich war das Meisterstück, von dem wir nicht erfahren, ob seine Anfertigung unterAufsicht erfolgt ist. Es handelt sich fast unabänderlich um ein Paar Manns-Stiefel, desgleichen ein oder zwei Paar Schuhe für Mann oder Frau; etlichemal wird erwähnt, daß es Maßarbeit sein solle. Erfreulich, daß in diesem Punkte der fachlichen Leistung niemand stolperte. Das Meisterrecht wurde ferner nur dann erteilt, wenn man sich gesichert hatte, daß der »Impetrant« sich im Flecken niederlassen werde und zwar alsbald. Unabdingbar war endlich die Zahlung der Gebühr, immer noch 6 Taler Kurant = 21,60 RM, und nach Einführung der dänischen Zwangswährung (1854) 9 Taler 58 Schilling Reichsmünze. Es ist dabei zu beachten, daß nur zugleich mit dem Meisterrecht das Niederlassungsrecht erkauft wurde.

Noch ein Wort über den erwähnten einzigen Gestrauchelten, den Gesellen C. T. aus Hardebeck. Seine fachliche Leistung hat befriedigt. Mit den Papieren hat es nicht klappen wollen: der Lehrbrief wurde nicht vorschriftsmäßig befunden, und im Wanderbuch glaubte man, ein gefälschtes Datum (zwecks Erzielung einer ausreichenden Wanderzeit) festgestellt zu haben. Daher der Spruch: »Aufnahme als Meister ist zu beanstanden, bis den erwähnten Mängeln von dem Gesellen T. abgeholfen worden ist.«

So geschehen Anno 1853, und ein weiteres ist in dieser Sache nicht offenbart worden.

Es ergibt sich, daß das Bramstedter Schusteramt jedem Gesellen ohne Rücksicht auf seine Herkunft die Prüfung abnehmen konnte, indessen nur dann, wenn er in dieses Schusteramt eintreten, d. h. im Flecken sich niederlassen wollte, wozu im Falle der Militärpflichtigkeit noch eine besondere Erlaubnis einzuholen war. Das war freilich für den betreffenden Jungmeister nicht so gemeint, daß er nur hier hätte Anerkennung finden können und überhaupt an diesen Ort gefesselt worden wäre. Auch Kellinghusen und Neumünster werden im Buche als Wohnsitze eines Schusteramtes mit gleichem Rechte genannt; in Kaltenkirchen wird es seit 1814 ebenso gewesen sein, wie die Tatsache vermuten läßt, daß seit diesem Jahre nicht mehr Lehrlinge von Lehrmeistern aus K., Henstedt, Götzberg,

 

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Wakendorf, Örsdorf, Ulzburg und Struvenhütten ins Bramstedter Zunftbuch eingeschrieben worden sind. 1852 ist der Amtsmeister Klaus Humfeldt zu Kellinghusen nach Bramstedt übergesiedelt, nachdem er dort seine Mitgliedschaft aufgekündigt und hier eine Aufnahmegebühr von 18 Mark entrichtet hatte. So wird überall dieser Weg offengestanden haben, sofern es sich um einen ehrbaren Meister handelte.

Wir erfahren, daß die Zahl der hiesigen Meister im Jahre 1834 sich auf 37, drei Jahre später gar auf 40 belaufen hat. Sie waren in der Zunft zwangsweise vereinigt, die natürlich satzungsgemäß zu walten hatte. Bis 1840 treten als verantwortliche Vertreter des Amts hervor: ein wortführender und ein rechnungsführender Ältermann. Unser Buch nennt - offenbar aus früherer Niederschrift übertragen - eine Reihe dieser Männer aus alten Zeiten; sei ihrer auch hier gedacht:

1748    Jochim Meyer                                            1786    Christoffer Danneberg

1768    Hans Jochim Meyer                                 1790    Eler Ellers

1778     Casper Backhus                                       1790    Constantin Westfalen

1779     Hans Süllau                                              1791    Christoffer Vielieb Stiller

1780     Hans Böge                                                1793    Casper Bracker

1781     Ephraim Westphall                                  1795    Hinrich Mohr

1782     Hans Mohr                                               1796    Claus Brockmann

1783     Hans Schmidt                                           1796    Hinrich Berens

1784     Johann Willing                                         1803   Constantin Westfalen

Nun läßt uns das Innungsbuch im Stich. Erst vom Jahre 1830 an liegen fortlaufende, stets vom Kirchspielvogt geschriebene Berichte über die Sitzungen des Schusteramts vor. Gegenstand der Verhandlung sind ganz überwiegend die Meisterprüfungen, fast immer nur auf einen Fall sich erstreckend. Die Anwesenheit der beiden Älterleute Casper Bracker und Jakob Greve wird öfters erwähnt,' sie haben treu und bieder 30 Jahre lang ihres Amtes gewaltet. Von Wahlen verlautet bis 1830 nichts. Aber am 3. März dieses Jahres donnert nach erledigter Gesellenprüfung der Kirchspielvogt auf seine 37 Schuster die Forderung herab, auf Grund des § 7 der Königl. Verordnung vom 15. März 1756, betreffend Abstellung der Mißbräuche bei den Handwerkerzünften, noch in gegenwärtiger Versammlung acht Beisitzer aus ihrer Mitte zu wählen und durch die Älterleute innerhalb drei Tagen der Morgensprache (K.-Vogt) anzuzeigen! Die »Morgensprache« aber muß wohl zeitig von dannen gewichen sein. Von Wählen vernimmt man jedenfalls nichts. Nach sechs Jahren erst kommt der Gewaltige auf die Sache zurück: das Amt habe nun innerhalb acht Tagen die gesetzmäßigen Beisitzer zu melden; Unterlassung werde zu desfallsigem Zwangsbefehle führen. - Geschehen am 13. Januar 1840. Und am 4. Dezember genannten Jahres werden in Gegenwart des Vogtes endlich neun Beisitzer gewählt nach dem Grundsatz der »meisten Stimmen«. Amtsdauer drei Jahre, und zwar so, daß jedes Jahr drei gewählt werden. Die »Morgensprache« genehmigt die Wahl. Auch die Wahl der Älterleute unterliegt solcher Zustimmung, und hoher Vogt versäumt nicht, gelegentlich

 

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eine Wahl als lobenswert zu erklären. Eine Ablehnung wird überhaupt nicht gemeldet. Bei der Wahl eines Ältermannes, die von 1844 an auf sechs Jahre erfolgt, versäumt die »Morgensprache« nicht, den Gewählten durch Handschlag feierlich zu verpflichten.

Neben den Älterleuten hat von altersher ein vom Amt zu wählender Meister als Gesellenvorsteher zu wirken gehabt; seine Amtsdauer betrug ein Jahr, nach 1844 drei.

Es handelt sich grundsätzlich um Ehrenämter. Doch waren für die Älterleute Gebühren vorgesehen für gewisse Handlungen. Wir erwähnten bereits die 24 Schilling für Ausfertigung des Lehrbriefes, die um 1840 schon mit 6 Mark 7 Schilling berechnet werden. In diesem Jahr wird beschlossen, daß künftighin, wenn der Sohn eines Bramstedter Amtsmeisters Geselle wird, eine weitere Gebühr als die eben genannte von ihm nicht zu erheben ist. Die beiden Altmeister geben hierzu im besonderen ihre Zustimmung, weil sie bislang die Nutznießer gewesen waren. Wir sehen, daß auch das Ein- und Ausschreiben grundsätzlich gebührenpflichtig war. Es ist zu vermuten, daß die Älterleute auch Anteil an der Gebühr für die Meisterprüfung hatten. - Die zur Amtssitzung ohne hinreichenden Grund nicht erschienenen Mitglieder des Amtes hatten eine Brüche von 75 Pfennig zu zahlen, die der Amtskasse zuflossen.

 

Meister und Geselle

 

In gewissen Dingen hatten Amt und Brüderschaft gemeinsam sich zu betätigen. Das tritt bei unsern Schustern zutage in Hinsicht auf das Wander- und das Herbergswesen.

Nach Verordnung von 1830 hatten sich die Gesellen zu beteiligen an der Aufbringung des ihren wandernden Kollegen zu reichenden »Zehrpfennigs«. Vom 28.11.1831 liegt der Beschluß des Amtes vor, daß der von den hier in Arbeit befindlichen Gesellen zu erlegende wöchentliche Betrag vom 1. d. Mts. an auf ½ Schilling Kurant oder 1 5/8 Bankschilling Reichsmünze zu bestimmen sei, und zwar bis weiter, indem das Amt sich vorbehält, den Betrag, falls die Umstände es erfordern sollten, dem Gesetze gemäß höher bestimmen zu lassen. Bestätigt durch die Morgensprache: Hartz.

Es bleibt unklar, ob die Gesellenschaft in diesem Falle gar nicht mitzureden hatte; als gewiß dürfen wir feststellen, daß die Meister an erster Stelle zahlpflichtig waren.

Der Hauch des Unfriedens umspielt den Ablauf eines zehn Jahre später aufspringenden Zankes wegen der Herberge. Die Meister beklagen sich, daß die Gesellen ihre seitherige Herberge von dem Schuster Tiedje Backhaus weggenommen und nach dem Gastwirt Johann Schmidt verlegt haben. Das Amt verlangt, daß die Gesellen schuldig erkannt werden, die neue Herberge nach dem Hause eines Schusters zu verlegen. Sie begründen es damit, daß vor etwa 50 Jahren

 

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infolge von »Mißhelligkeiten wegen einer außer dem Amte stehenden Herberge ausgemacht worden sei, die Herberge bei einem Amtsmeister zu etablieren«. Freilich liege nichts Schriftliches darüber vor. Ferner betonen sie, daß die Amtsmeister manche Beziehung zu der Herberge haben, daß die Gesellen mehrfach von den Amtsmeistern abhängig seien, und namentlich, daß die Meister zu den Kosten für die Versorgung der alten Gesellen beisteuern müßten, da doch die Mittel der Brüderschaft nicht reichen.

Die »Morgensprache« nimmt die Klage entgegen und läßt antreten: den Gesellenvorsteher Westphalen und den Altgesellen nebst vier besonders dazu deputierten Gesellen.

Letztere lehnen das Ansinnen des Amtes schlechthin ab. Sie könnten frei wählen und handeln; ein Anspruch des Amtes sei gesetzlich nicht begründet; die Meister hätten in der Herberge wenig oder nichts zu suchen, und der Fall, daß die Gesellen-Brüderschaft den Zutritt der Meister wegen Aufbringung der Kosten für kranke Gesellen bedürfe, sei jetziger Zeit kaum denkbar.

Der Vorsitzende billigt allerdings den Meistern eine »gleiche Stimme« zu wie den Gesellen. Jede Partei möge neun Männer wählen und den Streit zu schlichten suchen, und bei Stimmengleichheit solle man den Ältermann entscheiden lassen. Aber dieser Versuch scheiterte, und auch weitere fruchteten nicht. Der Kirchspielvogt kam zu folgendem Spruch:

»Daß es in Ermangelung einer gesetzlichen Bestimmung bei der von den Gesellen getroffenen Wahl sein Bewenden haben müsse und demzufolge die Gesellen autorisiert seien, das Herbergsschild nunmehr von Tietje Backhaus nach Johann Schmidts Hause zu verlegen.«

»Gegen dieses Erkennis«, so erklärt nach dem Verlesen der Vertreter des Amtes, werde beim Kgl. Amthaus zu Segeberg Einspruch erhoben werden. Bis zu ausgemachter Sache müsse das Schild an seitherigem Platze bleiben. - Dem stimmt die Morgensprache zu unter der Bedingung, das der Rekurs innerhalb zehn Tagen erfolge.

Die beiden Beisitzer, Jasper Rickert und Jakob Stiller werden beauftragt, die Sache durchzuführen.

Nach 16 Tagen kommt folgender, von den ehrwürdigen Älterleuten Casper Bracker und Jakob Greve, einerseits, und den Vertretern der Brüderschaft, Georg Drews und Franz Hass, andrerseits, unterzeichnete Vertrag zuwege. »Die Gesellenschaft fügt sich in den Wunsch der Altmeister, die von Tietje Backhaus

wegziehende Herberge............ für diesmal und ohne Folgen für die Zukunft nach

dem Hause eines Amtsmeisters zu verlegen und zwar nach des Meisters Hans Lorenzen in der Westerhinterstraße.«

Das Amt nimmt den Anspruch zurück, zahlt die halben Reisekosten (8 Mark) und die sonst entstehenden Kosten ganz. Bleiben 4 Mark zu Lasten der Gesellen. Nun aber meldet der seitherige Herbergsvater eine Forderung von 55  Taler 34 Schilling, hauptsächlich wegen Verpflegung eines kranken Gesellen. Wieder Friedenssitzung, zu welcher der Fordernde wegen angeblicher Unpäßlichkeit

 

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nicht erscheint. Die Amtsmeister stützen einmütig den Standpunkt der Gesellen, daß diese Forderung unberechtigt sei. Die Beisitzer Hans Lorenzen und Hans Gripp erbieten sich, für den Betrag, den die Gesellen zu zahlen verpflichtet werden möchten von Rechtswegen, mit ihrem Hab und Gut einzustehen. Dann werde doch kein Rechtsgrund mehr vorliegen, daß Backhaus die Lade und das Schild zurückhalte.

Der Morgensprachherr erklärt sich einverstanden. Doch vergeblich bemühen sich die Älterleute zu dem Unpäßlichen; der läßt sich auf nichts ein.

Ein paar Wochen später produzieren die Gesellen einen mit Backhaus vor dem Amtshaus zu Segeberg geschlossenen Vertrag, wonach dieser binnen zweimal 24 Stunden alles herausgeben wird, sobald die Brüderschaft eine sichere Bürgschaft für seine Kostenrechnung stellt.

Der Antrag der Gesellen, das Amt möge hier einspringen und solchergestalt sein Interesse für ein friedliches Zusammenleben bekunden, wird mit knapper Mehrheit abgelehnt.

Womit sich der Vorhang senkt.

Nachschrift. Das Protokoll, das als Unterlage für diesen Bericht gedient hat, verdanken wir der Sorgfalt und dem Heimatsinn der Familie des Schuhmachers Claus Martin Göttsche in Bramstedt, dem es am 20. Februar 1868 eingehändigt worden ist. Als ein Heiligtum ist es aufbewahrt worden, so daß des Genannten Enkelin Fräulein Göttsche es dem Chronisten unversehrt zur Verfügung stellen konnte. Weitere Erinnerungsstücke, wie Laden, Schilder, Pokale oder sonstige Symbole ehrwürdiger Vergangenheit sind trotz redlichen Mühens nicht greifbar geworden, leider nichts. Um so mehr gebührt der Familie Göttsche unser Dank.

Dem Leser mag es unwahrscheinlich vorkommen, daß eine so große Zahl von Schuhmachern im Flecken hat Brot finden können. Eine eingehende Unterhaltung mit einem ergrauten Meister berechtigt den Verfasser zu der Erklärung, daß immer nur kleinere Betriebe vorhanden gewesen sind, daß in den umliegenden Dörfern keine Schuhmacher waren, und ferner, daß Bramstedt einen guten Ruf hatte wegen der dort gefertigten Schuhe, die in erheblichem Ausmaß nach auswärts geliefert wurden. Auch ist nicht zu übersehen, daß Schuhfabriken nicht existierten. Endlich darf berichtet werden, daß nicht wenige Handwerker des Fleckens neben ihrem Gewerbe sich als Kätner der landwirtschaftlichen Tätigkeit befleißigten.

Alte Papiere deuten an, daß der Schusterkrug hierorts sich lebhaften Zuspruchs erfreute, daß gar die Kirche ihre Sorge wegen der Heiligung des Sonntags aussprechen mußte. Endlich gebührt den Schuhmachern die Anerkennung, als erste und beharrlich dafür sich eingesetzt zu haben, daß auch den Kätnern (dem Gewerbe) ein Anteil am Fleckensregiment eingeräumt werde.

Anhang. Nicht jedes Handwerk war im Flecken in hinreichender Anzahl vertreten, um die Bildung eines eigenen Amtes zu rechtfertigen. Das traf beispielsweise für die Riemer oder Sattler zu, die der Schusterzunft zugesellt wurden, wie auch im Baugewerbe solcher Zusammenschluß vorgesehen war. Solches Ver-

 

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fahren konnte natürlich zu Reibereien führen, wie denn auch unter den Lederkünstlern von solchen zu berichten ist. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts wirkte hier am Orte der Sattlermeister Wolf. Seine Tüchtigkeit im Beruf und als Charakter im bürgerlichen Dasein führte ihn zu Ansehen und Erfolg.

Sein Kundenkreis wuchs; denn er lieferte erstklassige Arbeit bei mäßigen Preisen. Niemand konnte mit so haltbaren Sachen dienen wie er. Er hatte nämlich in seiner Jugend auch die Gerberei erlernt und war geschickt darin, rohes Leder verhältnismäßig billig einzukaufen und kunstgerecht zu bearbeiten.

Man versteht, daß die Berufsgenossen weniger freundlich sich zu ihm stellten. Sie setzten es durch, daß ihm das Schusteramt das Gerben untersagte, um ihm die Beschaffung des Leders durch genanntes Amt aufzuzwingen.

Sattler Wolf gerbte unverzagt weiter.

Das Amt wendet sich an den Statthalter. Dieser hält sich nicht für zuständig und gibt die Sache an die Regierung weiter. Ergebnis: Dem Grafen zu Stolberg, derzeit Amtmann, wird zu erkennen gegeben, »daß dem Sattler Wolf unverwehret sein müsse, das Leder, das er selbst verarbeitet, roh anzukaufen und selbst zu gerben.«

Wolfs Name hatte an Gewicht gewonnen. Sein Ansehen wuchs in dem Maße, daß er später einstimmig zum Ältermann des Schusteramtes gewählt wurde. Er aber hat noch vielen selbstlos das Geheimnis der Gerbekunst beigebracht und erreicht, daß das Bramstedter Leder in den Herzogtümern eine gewisse Berühmtheit genoß.

Meister Wolf hat fast das 90. Lebensjahr vollendet, und sein Name ist im Schusteramt nicht so bald vergessen worden.

 

Die Gilde der Rollfuhrleute gegen die Ratmänner

 

Anno 1763 senden die Vertreter der Gilde dem Herrn Amtmann zu Segeberg eine Verteidigungsschrift gegen Vorwürfe, welche die Fleckensverwalter beim Amte gegen sie erhoben haben. Die Anklageschrift hat das Amt dem Gildevorsteher zugestellt. Die Gilde nimmt Stellung dazu, wie folgt:

1.   Daß die Fuhren, so von uns des Fleckens wegen sind verrichtet, ordentlich durch den Wagen Meister sind angesagt worden, und der an welchem die Tour gewesen, solche wegschaffen müssen, und daß die Wagenpässe allemal auf das Flecken, keineswegs aber auf die Zunft gelautet, wie denn jederzeit solche Fuhren uns sind bezahlt worden, da wir nicht nur dieses, sondern schon etliche Jahre her dergleichen viele gehabt; daß wir aber vor diesmal von dem verdienten Gelde (184 Mark) freiwillig 39 fallen zu lassen uns erboten haben, ist aus bloßer Nach barlichkeit, mitbürgerlicher Freundschaft, nicht aber aus Zwang und Schuldigkeit geschehen und schafft keine künftige Pflicht.

2.   Wenn nun behauptet wird, daß wir gar keine »kleine Fleckensfuhre« geleistet haben, so ist das ein Irrtum. Wir haben, so wie die Reihe uns getroffen, Fuhren

 

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nach Kellinghusen, nach dem Lager bei Fuhlenrüe und sonst allerdings mit verrichtet, wie solches den Ratleuten wohl bekannt ist, ob sie gleich das Gegenteil angeben. Haben aber die »kleinen Fuhrleute« einige Fuhren und Ritte geleistet, die wir nicht gleich taten, so ist es uns natürlich recht, daß solche ihnen gut getan werden.

3.   Sagen die Fleckensleute, sie seien so willig gegen uns, daß sie nicht einmal ihr Hornvieh auf die gemeine Weide jagen, damit unseren Pferden allein sie nutzen, so ist zu erwidern, daß ein solcher Platz uns nicht bekannt ist. Und wäre es so, unsere Pferde würden wenig Vorteil davon haben; viele von uns schicken ihre Pferde überhaupt nicht auf die Weide, sondern halten sie ständig im Stall.

4.   Ob die angeführten Orte Bürgerfuhren leisten, wissen wir nicht; daß aber in Itzehoe, wo Rollfuhren sind, die auf Wagenpaß geleisteten Bürger Fuhren aus der Stadtkasse vergütet werden, darüber haben wir schriftlichen Beweis.

5.   Klagt man uns des Neides an, so wird das Bestreiten sich lohnen. Wohl keiner im Flecken ist von viel Unruhe frei geblieben. Die starken Einquartierungen haben Sorge geschaffen in vielen Häusern. Doch waren wohl diejenigen besser daran, die Zuhause bleiben, Frau und Kinder beschützen und zum Rechten sehen konnten, als viele von uns, die oft Tage und Nächte fern vom Hause bleiben und die Ihrigen allein lassen mußten. In vorigen Kriegszeiten, so sagt man, habe die Fuhr-Rolle gänzlich gelegen; wer irgend Pferde bei der Hand gehabt, habe mit laufen, reiten oder fahren müssen. Man kann doch nur Gott danken, daß es diesmal zu solcher äußersten Not noch nicht gekommen ist. Warum wollen denn unsere Mitbürger unsere Zunft so abstrafen, daß sie den Befehl erbitten, unsere gerechte Forderung nicht zu erfüllen. So hätten wir doppelten Schaden zu leiden. Die Gilde sehe sich in Gefahr, gelegentlich ganz aus dem Sattel gehoben zu werden. »Wir verharren in Zuversicht, Schutz zu finden, in tiefschuldigstem Respekt Euer Hoch und Wohlgeboren untertänigste Knechte

Hermann Peter Bollen

Herrn. Hinr. Hartmann.«

 

Jetzt gebührt den Ratmännern das Wort, die natürlich auch genau unterrichtet worden sind über die Gegenschrift der Fuhrleute.

Zu Punkt 1 bekennen sie, daß es wahr ist, was dort vorgebracht wird. Aber was von dem Fahren und Reiten mit den »kleinen Pferden« gesagt werde, sei nicht richtig; die hätten oft im ganzen Jahre nur zwei oder drei Fuhren verrichtet. Von der bürgerlichen Freundschaft aber habe man bei der Abrechnung um Fastnacht nichts verspürt. »Wir Ratmänner haben, da alles gott lob wieder still war, uns erboten, wenn Jeder wollte eine Fuhre von 8 Mark fallen lassen, wir ihnen das übrige auszahlen würden. Wo denn hierin der Kirchspielvogt ihr Vorgänger war, indem er anbot, eine Fuhre von 8 Mark umsonst zu übernehmen, und bey Versammlung des Fleckens, da beide Herren Kirchspielvögte sich viel Mühe mit uns geben, um die Sache solcher gestalt zu vergleichen, daß jeder 2 Reichstaler sollte fallen lassen, als dann wollten wir den Rest auszahlen; aber sie dahin zu bringen vermochten wir nicht.«

 

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Zu Punkt 2: »Daß die Rollfuhrleute sich berufen, daß sie auch mit denen, welche die Kleinen Pferde halten, zugleich Fuhren verrichtet, ist etwan in den Fleckensfuhren geschehen, welche die andern auch verrichtet und ebensowenig in ihre Rechnung eingestellt wie die Rollfuhrleute.«

3.     Sie bemerken spöttisch, nicht zu wissen, an welchem Platze sie im Sommer ihre Pferde weiden. »Es sind alle Gebüsche und Kleine öhrter außer dem Kirch
tor, wo der Kuhhirt mit seinem Vieh wegen der Menge nicht hinkommen kann. Es ist ja bekannt, daß vom 2. März bis nach der Ernte niemand sein Horn Vieh
allein weiden darf; folgt also von Selbsten, daß es den Pferden allein bleibt aus gemeldetem Kirchtohr.«

4.     Es ist wahr, daß unsere schwach bewohnten  Nachbarorte  keine Fuhren mit bürgerlichen Pässen verrichten. Dennoch ist gewiß, daß vor Anfang des vorigen Krieges, also 1709-1714, bis die Rollfuhr wieder aufgerichtet wurde, Keiner Fuhren tuhn durfte. - Daß in Itzehoe die Fuhren von der Stadtkasse bezahlt werden, mag wohl sein. »Dahin gegen auch die Stück- und Wagenknechte von der Stadt angeworben und ebenfalls bezahlt werden; wir aber, wegen unseres Unvermögens mußten von unsern Kindern hergeben, welche das Los dazu berufen tähte; dieses war ein viel größerer Schade, als daß einer von seiner Forderung 2 Reichstaler möchte fallen lassen. Da etliche von denen, die kleine Pferde halten, dieses betroffen und dennoch ihnen weder in den Fuhren, noch andern Beschwerden konnte nachgegeben (erlassen) werden; und mancher Handwerker, der seinen Sohn hergeben mußte, hat erfahren, was es kostet.«

5.  »Sie haben es kaum der Mühe wert erachtet, hier zu antworten. Dennoch bleibt wahr, daß, wenn einer in seinem Hause Leute hätte, die sich des Brunnens gebrauchen (Kurgäste), er selbst nicht wegfahren dürfte, nun Sie aber in der Zeit zur Landes-Verteidigung, was übrig tuhn solten, wolten Sie gern andern überlassen. Sie danken zwar godt, daß es nicht zur äußersten Not gekommen, bedenken aber nicht, daß von unsern Kindern, die lange nicht so viel (Geld) bekommen, als wenn sie von andern angenommen oder ihre mit Bürger die, welche die Kleinen Pferde haben, eben so woll von Hause sein mußten wie Sie, und dennoch nichts dafür begehrten. Dahingegen wir Ratsmänner ihnen Zahlung angeboten, wenn sie auf 2 Reichstaler verzichteten. Nein, da wollen Sie lieber die Schuld uns aufbürden, daß wir Schuld daran seien, daß Sie klagbar geworden sind. Ihrer Exellenz werden aus diesem sehen, daß nicht wir, sondern Sie lust zum Streiten haben, da allemal uns als Ratmänner der größte Teil der Mühe trifft und wir albereits zu Zweien mahlen bei Königl. Maj. supplicando eingekommen sind, daß wir hinführo mit den bürger Pässen nicht so hart beschwert werden möchten ...«

Die Ratmänner getrösten sich gnädiger Erhörung, wenn sie bitten, sowohl die Rollführer als die mit kleinen Pferden, abweisen zu wollen.

 

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Sorgen um den Nachtwächter

 

Im Flecken wurde der Nachtwächter von den Ratmännern jeweils auf bestimmte Zeit gegen eine vereinbarte Entlohnung in Dienst genommen. Sofern nicht ausdrücklich weitere Pflichten übertragen wurden, sei es als Feldhüter oder Armenvogt, wurde der Wert seines Wirkens als für alle Hausbesitzer oder, genauer gesagt, Inhaber einer Feuerstelle, gleich wichtig erachtet. Es war Sache des Nachtwächters, an bestimmten Terminen, und zwar dreimal im Jahre, durch einen Rundgang bei der Kundschaft die ihm zustehende Beitragsrate höflich anzufordern. So ist es geblieben bis zum Jahre 1841, wo die Fleckensverwaltung in Verbindung mit dem Kirchspielvogt eine zeitgemäß veränderte Ordnung der Sache beschließt. Letzterer teilt unter dem 11. Dezember Hochehrwürdigem Herrn Pastor Gerber das Folgende mit. Die Feuer- oder Herdstelle soll auch künftig zugrunde gelegt werden bei der fraglichen Beitragsleistung, doch abgestuft nach folgender Norm: das einfache Drittelhufenhaus zählt eine volle, das Katenhaus wie auch ein bewohntes Nebengebäude als eine halbe Feuerstelle, und der Häuerling soll herangezogen werden mit der Hälfte des Kätnerbeitrages. Für größere, nicht zur Klasse der Drittelhufe gehörige Gewese sei die Wertung der Feuerstelle noch vorbehalten. Der Vierteljahresbeitrag sei festgelegt worden mit 8 Schilling Kurant (60 Reichspfennig), solle aber unter außerordentlichen Umständen erhöht werden. - Nun sei auch in »Anrege« gekommen, welcher Beitragssatz in diesem Falle für Hochehrwürden und die beiden Herren Oberlehrer angebracht sein möge. Man sei zu dem Ergebnis gekommen, daß man dem Herrn Pastor die Einschätzung selber anheimstellen wolle, und der Kirchspielvogt bitte nun, ihm »in diesen Tagen« gefälligst diesbezügliche Nachricht zukommen zu lassen, auch die gedachten Herren Lehrer zu veranlassen, daß sie desgleichen tun. Wie Pastor Gerber seine Entscheidung getroffen haben mag, darüber verlautet nichts. Wohl aber wird bekundet, daß die beiden Oberlehrer Hamburg und Prüssing, und besonders scharf der letztere, den Standpunkt vertreten haben, daß besagte Abgabe dem Eigentümer des Hauses, also in diesem Falle dem Flecken oder der Kirche zufalle; auch dadurch, daß sie dem Nachtwächter freiwillig eine Gabe gereicht hätten, würden sie zu nichts verpflichtet. - Doch erwies sich die Persönlichkeit des Seelsorgers stark genug, die Unwilligen zu überzeugen, daß sie in diesem Falle klüger handelten durch stilles Entgegenkommen als durch lauten Widerspruch. Niemand zürne, wenn es dunkel bleibt, mit welchem Bruchteil der Feuerstätten-Einheit sie sich eingereiht haben. - Freuen wir uns mit dem Nachtwächter, daß er fortan bei der Fleckenskasse seinen Obulus abheben konnte.

 

Aufregung wegen der Straßenreinigung

 

Am 28. Februar 1840 schreibt Kirchspielvogt Hartz in amtlichem Zorn:

»Den Fleckensvorstehern wird hierdurch angedeutet, daß die Unreinlichkeit auf der Straße im hiesigen Flecken nun nicht länger zu dulden, ebenso die in dem

 

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Straßenreglement § 17 und 18 desfalls vorgeschriebene Ordnung strenge und unausgesetzt zu befolgen ist. Insofern das eine oder andere Straßenstück dem Pflichtigen Anwohner noch nicht angewiesen ist oder über die Pflichtigkeit ein Zweifel obwaltet, haben die Vorsteher das desfalls Nötige nunmehr förderlichst zu veranstalten oder den Umständen nach hieselbst zu weiterer Veranlassung in Anrege zu bringen.

Hinsichtlich der neuen Pflasterstrecke ist zwar darauf hinzusehen, daß dem neuen Pflaster nicht durch zu scharfes Fegen Schaden zugefügt werde; wo indessen der auf das neue Pflaster gebrachte Sand sich bereits in Koth umgewandelt hat, wie teilweise in Maienbek und Segeberger Straße, ist auf die ordnungsmäßige Säuberung der Straße zu halten. Hinzu gehört die gründliche Ausfüllung und Reinigung der neuen und der alten Rinnsteine, wie auch die Wegräumung aller Grünlichkeiten auf gepflasterten Straßen und Plätzen. Der zusammengefegte Koth und Kehricht darf unter keinem Vorwand von einem Tage zum andern liegen bleiben, so wenig wie irgend ein Düngerhaufen, wie namentlich jetzt bei Claus Siems Hause, an der Straße geduldet werden darf. - Übrigens wird es ratsam sein, daß die Fleckensvorsteher jeden Einwohner davon in Kenntnis setzen, daß, wenn er von nun an in der von dem Fleckensvorsteher ein für alle mal zu bestimmenden Nachschauungsstunde an jedem Sonnabend, die ihm beikommende Strecke nicht ordnungsmäßig gereinigt hat, er sofort in die § 17 des Reglements bestimmte Brüche von 3 Schilling Kurant verfallen und solche auf der Stelle zu zahlen schuldig ist. Die Fleckensvorsteher haben im Laufe dieser Woche hieselbst anzuzeigen, daß und wie sie diesem Auftrage nachgekommen sind, und in Zukunft haben sie jeden Montag vormittags ein Verzeichnis der am Sonnabend vorher notierten und erhobenen Brüche unter Anführung sonst zu beachtender Umstände einzuliefern, damit sodann die etwa rückständige Brüche sofort beigetrieben oder sonstige Maßregeln getroffen werden können.

 

Bramstedts Siegel und Wappen

 

Mit der Fleckensgerechtigkeit zugleich, d. i. zwischen den Jahren 1364 und 1448, wird unser Gemeinwesen sein erstes Siegel erhalten haben. Seine Spuren sind noch vorhanden. Der zugehörige Bronzestempel ist ein geschätzter Gegenstand im Inventarium des Staatsarchivs zu Kiel. Der ältesten Urkunde, die unsern Ort als bürgerliche Gemeinde ausweist, ist dieses »Ingesiegel angehänget« worden. Die der Chronik einverleibte erste Photokopie weist dies deutlich nach in Wort und Bild, wenn auch das Siegel bedauerlicherweise von unbekannter Hand entfernt worden ist. Dem Zeitalter angemessen, hat dieses Siegel, dessen Lackbild im Archiv der Stadt aufbewahrt wird, eine erhebliche Größe.

Es ist rund; der Durchmesser beträgt 45 mm. In der Mitte zeigt es einen Schild mit Nesselblatt, dem Wappenzeichen der Schauenburger Grafen, unter deren Herrschaft Bramstedt zum Flecken geworden ist.

 

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Die Mitte des Nesselblattes wird durch einen kleineren Schild überdeckt, als sollte er dem Blatt einen Halt geben. Zwei biegsame, der Art nach nicht sicher zu bestimmende Zweiglein zieren die Fläche zwischen Schild und Umschrift. Diese aber lautet: SIGILLUM CONSULUM OPIDI BRAMESTEDE Also veritables Latein, ein Zeichen für das Gewicht, das die derzeitigen katholischen Priester auch für das bürgerliche Leben bedeuteten. Auf deutsch: Siegel der Vertreter der Kleinstadt Bramstedt.

Diesen Stempelabdruck, der offenbar für Bürgermeister und Ratleute gemeinschaftlich gedacht war, bringt auf seinem ersten Blatt das alte, vom Jahre 1530 datierte Fleckensbuch. Das zweite Blatt trägt Spuren eines »entwendeten« Abdrucks in braunrotem Siegellack. Das oben erwähnte, gleichfalls »entfernte« Insiegel zeigt in seinen Resten einen Wachsdruck, paßt aber in Gestalt und Größe völlig mit dem beschriebenen überein.

Wir dürfen getrost annehmen, es mit dem »Ursiegel« des Fleckens zu tun zu haben, das somit für die Jahre 1448 und 1530 als beurkundet zu gelten hat. Wann es einem andern hat Platz machen müssen, das ist nicht nachweisbar, wenn man nicht annehmen will, es habe sich bis zum Jahre 1811 behauptet. Denn erst aus diesem Jahre stellt sich ein neues Siegel vor. Es unterscheidet sich von dem beschriebenen durch bescheidenere Maße - 2/3 des Durchmessers - und die Umschrift, während der Schild, diesmal deutlich von Lorbeerzweigen umrahmt, wiederum das Nesselblatt trägt und ebenso die Kreisform gewahrt bleibt. Die Inschrift aber lautet: BRAMSTEDTER FLECKENS SIEGEL. Noch einmal sei betont, daß dieses Siegel für 1811 nachweisbar ist, seine Einführung indessen in einem früheren Zeitpunkt erfolgt sein mag. Es wird gedient haben bis 1869. Die alsdann erfolgte Einführung der »kleinen« preußischen Städteordnung machte ein neues Siegel notwendig.

 

Die Größe wuchs, die Form blieb unverändert. Die Umschrift »Bürgermeisteramt Bramstedt« läßt es unentschieden, ob Bramstedt nun Flecken oder Stadt sei. Der alte Schild mit dem Nesselblatt hat sich behauptet; aber an die Stelle des ursprünglichen

kleinen Herzschildes ist nun der schwerttragende Roland getreten,  allerdings  in bescheidener Größe und durchaus nicht als beherrschende Gestalt im Vordergrund stehend. Die Lorbeerzweige zwischen Schild und Nesselblatt sind verschwunden und ersetzt worden durch einen Ring aus  gotisch geformten Bogenzacken mit symmetrischer Punktierung, welch letztere auch den freibleibenden Raum des Wappenschildes in Anspruch nimmt.

Das Jahr 1910 brachte für Bramstedt den beamteten, wenn auch weiterhin von den Bürgern zu wählen den Bürgermeister, und hinzu kam die Benennung des Ortes als »Bad Bramstedt«.               1. Stadtsiegel von 1869-1910

 

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2. Stadtsiegel

von 1910-1938

Ein neues Siegel war fällig. Der Durchmesser schrumpft von 30 auf 25 mm zusammen. Nun siegelt der »Bürgermeister der Stadt Bad Bramstedt«. Schild, Nesselblatt und Roland sind geblieben; der obere Rand des Schildes hat die bisherige »Gradheit« vertauscht mit Doppelschwung und abgeschrägten Ecken, und mit leichter Einbuchtung nach innen schließen sich die Seitenränder an. Das Ornament aus Bogenlinie und Punkt ist verschwunden ; deutsches Eichenlaub hat den Schmück übernommen. Das Siegelbild hat an Klarheit gewonnen.

Dem vierten geschichtlich bekannten Bramstedter Siegel ist eine Dauer von 28 Jahren vergönnt gewesen. Das 1938 eingeführte Stadtsiegel zeichnet sich vor allen seinen Vorgängern durch seine große Klarheit aus.

Das ist erreicht worden durch vergrößerten Durchmesser - von 25 auf 35 mm - und durch Fortlassung allen Beiwerkes. Geblieben sind aber der Roland und das Nesselblatt, also die alten Wahrzeichen, die tatsächlich auf die Verleihung der Fleckensrechte zurückweisen.

Bleibt noch zu berichten über das Bramstedter Wappen, und in diesem Falle handelt es sich um eine erstaunlich jugendliche Angelegenheit. 1878 wünschte die Regierung zu Schleswig sowohl für die Front des neuen Regierungsgebäudes als auch für die Aula der Kieler Universität die Wappen der Städte Schleswig-Holsteins als Ornament zu verwenden. Das führte hierorts zu der Erkenntnis, daß ein solches ganz und gar nicht aufzufinden war. So ist es gekommen, daß der von der Regierung beauftragte Baron Dr. von Weißenbach für Bramstedt den Entwurf eines Wappens angefertigt hat, der am 29. April genannten Jahres von der Fleckensverwaltung gebilligt worden ist.

 

Pietätvoll ist das Urexemplar in großer Umrahmung aufbewahrt worden und noch heute ein Schmuckstück im Aufgang zum Sitzungssaale. In größter Höhe und Breite etwa 25 cm messend, zeigt der Hauptschild am oberen Rande eine kräftig ausschwingende Wellenlinie; auch die Seitenränder meiden die gerade Linie. Der Grund leuchtet in kräftigem Ziegelrot. Roland und Nesselblatt sind in mattem Silber dargestellt. Die Blattzacken halten sich, im Gegensatz zu dem Bilde der beschriebenen Siegel, etwas fern vom Außenrand der Figur. Die Körperhaltung zeigt im Vergleich mit der in den Siegeln vorhandenen eine belebende Auflockerung; auch das Gewand hat der Künstler seinen Wünschen angepaßt.

Ein paar Variationen vom Wappen und Siegel Bramstedts, die in besonderen Anlässen hergestellt worden sind, mögen hier noch angefügt werden. Die Notgeldscheine weisen hin auf die Inflationszeit nach dem Weltkriege.                                                                  3. Stadtsiegel ab

 

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Als erfreuliche Tatsache sei abschließend noch einmal betont, daß deutlich sichtbar geworden ist, wie der Roland immer mehr die Herzen der Bramstedter zu gewinnen vermocht hat. Und wer könnte leugnen, daß er ein unübertroffenes Vorbild an Standhaftigkeit und ausharrender Treue ist?

 

4. Bad Bramstedter Notgeld

 

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VOM GERICHTSWESEN

 

I. Was Johannes Kähler in seinem Buche vom »Stör-Bramautal« über Gerichtsbarkeit in Bramstedt sagt, ist, wie er selbst vermutet, nicht Sache unseres Ortes, sondern bezieht sich auf das gräfliche Gut im Kreis Wesermünde, das, wie später auch das hiesige gleichnamige adelige Gut, seine eigene Jurisdiktion hatte, also in diesem Punkte dem Magistrate der Städte gleichgestellt war. Schriftliche Erkundigung bei der Verwaltungsstelle im hannoverschen Bramstedt hat in dieser Hinsicht jeden Zweifel ausgelöscht.

Das heutige Bad Bramstedt hat niemals das Recht eigener Jurisdiktion gehabt, so wenig wie andere Flecken.

Wohl bestimmt die Königliche Konfirmation der Fleckensgerechtigkeiten von 1652, daß unter dem Roland Recht gesprochen werden sollte, soweit es Schlichtung von Differenzen anlangt, die sich beim Ochsenhandel, im besonderen unter Beteiligung der Brabantischen (soll wohl bedeuten: ausländischen) Käufer ergeben möchten. Hier war schnelle Entscheidung nötig, und diese zu geben, war allein Sache des königlichen Kirchspielvogts. Es handelte sich hier um ein Sondergericht, wie es dem gleichen Beamten in Sachen der Zünfte übertragen war unter dem sonderlichen Namen: Morgensprache (siehe Schusteramt). Weder in dem einen noch im andern Falle hatte ein Fleckensbeamter ein Wort mitzureden. Eingangs genanntes Buch berichtet sodann: Hier tagte einst das wichtige Volksgericht, das »Bramstedter Göding« unter freiem Himmel. Das hat durchaus seine Richtigkeit. Erfreulicherweise kann heute darüber ergänzende und genauere Nachricht gegeben werden. Vor und neben und nach dem Göding hat hier am Orte das »Ding«, auch »Lotding«, auch einmal »Ding und Recht« genannt, seine Tagungen gehalten; die Zeit seines Ursprungs und desgleichen seines Verschwindens läßt sich nicht präzise angeben. Doch weist eine Urkunde aus dem Kirchenarchiv, die in Abschrift angefügt wird, mit Sicherheit nach, daß um 1650 ein hiesiger Bürger noch in voller Schärfe den Zugriff dieses »Untergerichts« erfahren mußte.

Es ist auch möglich, das Vorhandensein von »Ding und Recht« in recht früher Zeit nach alten Urkunden nachzuweisen. In Band 5 5 der von der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte herausgegebenen Zeitschrift lesen wir: Der Bezirk für das Lotding ist schon im 12. Jahrhundert das Kirchspiel. In der Grafschaft Holstein lassen sich vier Urkirchspiele für jene Zeit feststellen. Anno 1149 erscheinen unter den Zeugen der von Heinrich dem Löwen für das Kloster Neumünster ausgestellten Urkunde vier stormarnische Boden (legati provinice) als indices terre, die, wie der Oberbode zum Göding, zum Lotding gehört haben werden. Der hiermit gegebene Nachweis von vier stormarnischen Kirchspielen wird gestützt durch eine Nachricht der Visio Godescalci. Als Heinrich der Löwe im Jahr 1190 nach seiner Rückkehr das Schloß Segeberg im ersten Ansturm nicht nehmen konnte, ließ er es durch die tota gens Holsatorum einschließen. Das ganze Aufgebot war in acht Haufen geteilt; jede Abteilung umfaßte ein Kirchspiel.

 

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Die acht Kirchspiel-Aufgebote versahen abwechselnd den Wachdienst (cum ordo dispositionis parochianas nostras ad obsidionem castra evocaret). Die acht Kirchspiele bildeten die Gaue Holstein und Stormarn. Schwer ist die Grenze genannter Gaue festzustellen. Adam von Bremen berichtet nur, daß die Stör durch das Land der Holsten fließt und deren Kirche in Schenefeld liegt. Der Presbyter Bremensis nennt (um die Mitte des 15. Jahrhunderts) die Bewohner der Kirchspiele Schenefeld, Hademarschen, Hohenwestedt, Bornhöved, Bramstedt und Kaltenkirchen die veri Holsati (die wahren Holsteiner). Der Forscher Falck weist in seinem Handbuch des Schleswig-Holsteinischen Privatrechts das Kirchspiel Bramstedt dem Gau Stormarn zu. Das trifft nach obiger Feststellung nicht zu. Das Bramstedter Göding ist viel später geschaffen worden als das bereits um 1149 nachgewiesene »Lotding« daselbst.

Erst als im Jahre 1470 in den Elbmarschen, wo viele Holländer angesiedelt waren, deren »hollisches Recht«, soweit es sich um Angelegenheiten der zweiten Instanz handelt, aufgehoben ward, ist Bramstedt nach Beschluß der Landesherrschaft zur Gerichtsstätte für besagte Siedler in berührter Angelegenheit bestimmt worden. Dieses Göding stand unter dem Amtmann zu Steinburg, in dessen Vogtei die Eibmarschen lagen. Dem Landesherrn war daran gelegen, daß Geestmänner Recht sprechen sollten über die Marschbewohner, die eben erst niedergeworfen waren und noch nicht zu starken Einfluß im Lande haben sollten. Für das Kirchspiel Bramstedt wurde dadurch nichts geändert. Es behielt sein »Lotding« im Kirchort und sein »Göding« in Segeberg. .- Für die Marschleute hat besagter Zustand rund 90 Jahre gedauert. Um 1560 haben sie gebeten, man möge ihnen die Sache wieder in die Hand geben, da die Geestleute mit den Verhältnissen in der Marsch nicht voll vertraut seien. Der Wunsch ist erfüllt worden, und seitdem hat in Bramstedt niemals mehr ein Göding ein Urteil gesprochen. Über das Wesen und Wirken dieses Gödings, in dem Hufner als Richter sich betätigen konnten, während der Amtmann und sein Schreiber die nötigen Formalitäten zu erledigen hatten, soll nun berichtet werden. Falcks »Staatsmagazin« übermittelt in Band IV Seite 250 ein

 

Schreiben des Diedrich Blome, Amtmann zu Steinburg,

 

gerichtet an Christian III., datiert Kiel, zur Zeit des Umschlages daselbst im Jahre 1553, das als zuverlässiger Führer dienen mag.

Diederich meldet im Anschluß an die Übermittlung seiner fälligen Amts-Jahresrechnung, daß der Eingang an Bröcke (Strafgeldern) gering gewesen sei. Das wäre anders ausgefallen,

»wann Juw. (Euer) Königl. May. Guedinge (Göding) tho Bramstede tho holden gegönnet (beliebet hätte), so mi Juw. Königl. May. im vergangenen jare up min ansökent ingerümet (genehmigt), awer darna wedder affschriewen laten. Und velechte (vielleicht) (is) Juw. Kön. May. van etlichen, de sich vorhapen (erhoffen),

 

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up öhre (ihre) ahnkumpft öhren eigen Nott (Nutzen) daruth tho sökende, vorgedragen, dat Guedinge hedde vele Moye (Mühe), gewe grote Unkost. - Doch dat is alles erdichtet; denn ein Guedinge kostet gar und all nicht mehr alse de andern >Dinge<, de doch ein Ambtmann tho Segeberge umb alle sös (6) edder achte weken tho Bramstede holden muth (muß). En Loth- und Guedinge hefft nicht mehr underscheit als den Namen, gifft ock keenen penning mehr unkost. Woll (wer) Juw. Kön. May. anders vorgedragen, de berichtet tho milde (sagt mehr, als wahr ist). - Ick hebbe ock nicht erdenken können, ut wat orsake süllichem (selbigem) Guedinge bey Juw. Kön. May. möge gestutzt (abgelehnt) syn. Nu awerst nüliges (neulich) hebbe ick de grund erfaren, also dat einer meiner landluede sick vorhapet, Ambtmann tho Steinburg tho werden, und weet, dat in Wüster und Kremper Marsch woll veer edder sös geschulden ordele (angefochtene Urteile) vorhanden, dor Juw. Kön. May. van einem jeden Ordel öwer veer edder viefhunnert Mark nicht entstan kann (an Unkosten). Dat sick denn in de dredusent Mark ungefeer belopen wolde. Denn eine von de beiden Marschen moth verlehren (verlieren), und welche Marsch dat Ordel verlüst (verliert), (dor) moth ein jeder in dersülwen, de eine Burstede hefft, Juw. Kön. May. 8 Schilling und 4 Penn gewen. Wowoll (welche wohl) bett anher in Juw. Kön. May. Register nicht gekamen (sind), besonderen (sondern) de Ambtluede (hefft) it in ähren Büdel gesteken, so (wie) my berichtet. Nu können sülwige Ordele nicht gewonnen edder verloren werden, sundern (nur) vor dem Guedinge tho Bramstede. Ut sollicher orsake hefft desülwige, de sick vorhapet, dat Hus Steinborch tho krigen, dorch sin Anwalt dat Guedinge by Juw. Kön. May. gestutzet (gehemmt) und gedenket, up sine ahnkumpst (im Amtshause zu Steinburg) de dredusent Mark wegen der geschulden ordele an sick tho bringen, wo (wie) velichte vorken (schon) geschehen. Wyle nu Juw. Kön. May. my und andern Königl. Ambtlüden einen jeden ein jarlike besoldung gifft, lut der Ambtvorschriwinge, wolden sick jo solliche Hinderlist nicht gehören; is ock ahne dat den Marschlüden wegen ehrer eigen sake, so se under einander tho donde (tun, ordnen), dat Guedinge1) tho holden, grot nödlich (nötig).«

Der Brief schließt ab mit einer Auseinandersetzung wegen eines Totschlages, für den eine Geldsumme (Bröcke) als Sühne angeboten worden ist. Es mag dem Leser wissenswert sein, daß nach Gunnar Gunnarsson auch das isländische Ting die Ahndung des Totschlages mit Geldstrafe kennt.

II. Erneute und anschauliche Kunde über des Kirchspiels Bramstedt »eigen Ding und Recht« und Kriminalgericht gibt uns die Kieler Akte A. 12 Nr. 1850. Wir erfahren, daß am 25. Mai 1723 die Bramstedter sich beim König bitter beklagt haben, daß sie Wache halten und Kosten zahlen sollen wegen dreier Delinquenten, Dieben, die im Kirchspiel Segeberg arretiert worden sind. Sie hätten von altersher ihr eigenes, in der Land-Gerichtsordnung fundiertes Ding und Recht und Kriminalgericht gehabt und jederzeit die Kosten für ihre Delinquenten ohne Zutun der übrigen Kirchspiele getragen. Nun aber habe Amtmann von Hanneken einen

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1) Lies Güdinge, wie auch Luede zu lesen ist (Lüde = Leute).

 

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Kostenbeitrag von Bramstedt verlangt und nach geschehener Weigerung den Flecken gepfändet.

Der in der Folge von ihnen verlangte Beweis für die Richtigkeit ihrer Behauptung wird erbracht. Vier Zeugen, ausgesucht alte Leute, haben bekräftiget, daß nach ihrem Wissen eigen »Ding und Recht«, im Flecken gehalten, daß z. B. auch einer dort gehängt worden sei. Noch jetzt - 1723 - »stehe ein Gericht und Galgen außer (außerhalb) dem Flecken, hinter dem sogenannten Teiche oder Schleusgang, wo man nach Grossen Aspe zu reist«. Noch wissen die Zeugen, daß, wenn sich Übeltäter gefunden, ordentliches Ding und Recht über dieselben gehalten worden, und zwar von dem Segebergischen Herrn Amtmann, dem Amtswalter (Sekretär), dem Kirchspielvogt und den Dingvögten des Kirchspiels - also nicht des Fleckens -Bramstedt, zweien Beisitzern und denen 16 sogenannten »Männern«. Zwei Zeugen behaupten, selbst einen am Galgen hängen gesehen zu haben. Vorstehende Aussagen werden der Kammer zu Rendsburg zur Begutachtung überwiesen. Von dort wird dem Könige berichtet, daß es wohl so stimme, wie die Kirchspielleute sagen. Hanneken könne ihnen diese Rechte nicht nehmen und ihnen auch keine Kosten wegen der fraglichen Diebe aufbürden. - Noch im nächsten Monat ordnet der König an, daß der Amtmann sie von ihrem Dienst zu befreien und die Exekution aufzuheben habe.

So haben wir denn handfeste Beweise, daß Bramstedt eine uralte Tingstätte gewesen ist, also ein Ort, wo freie, nicht beamtete Männer das Recht zu sprechen hatten, im »Ding und Recht«, auch genannt »Lotding«, über Streitigkeiten und Gesetzesübertretung, auch in Kriminalfällen. Eine Berufung gegen das Urteil, die nur in schwierigen Fällen zulässig war, mußte an das Göding in Segeberg gerichtet werden.

Festzuhalten aber bleibt, daß nicht der Flecken, sondern das Kirchspiel Bramstedt Träger der dargelegten Gerichtsbarkeit ist. Der Flecken erscheint als Stätte des Gerichts, und diese »Stätte« war nach den Berichten aus dem Jahre 1723 nicht der Marktplatz, sondern lag dort, wo der Weg nach Großenaspe abzweigte. Dort »stand« das Gericht; das soll wohl sagen, daß der Gerichtsplatz durch einen Pfahl kenntlich gemacht wurde, wie denn auch in der Literatur das Ding und Recht einfach als »Balken« bezeichnet wird. Der »Gerichtspfahl« wird nach den gegebenen Andeutungen sehr wahrscheinlich auf dem Kapellenberg gestanden haben. Der eben genannte Berg ist keineswegs ein Phantom; das alte Fleckensbuch bekundet aus dem Jahre 1716, daß »das Wasser, so aus den Düstern Hoop kömpt, quer über den Landweg bey den Capellenberg und folglichen Hinter den Teich durch Dieterich Maahs Wiese geloffen...« Das ist dieselbe Gegend, wo die vorgelagerten Wiesen den Namen »Kapellenhof« geführt haben. Dort auf der Anhöhe mag auch die Kapelle gestanden haben, die dem armen Sünder auf seinem letzten Gange das Geläute gab. Galgenberg und Kapellenberg waren jedenfalls benachbarte, wenn nicht identische Anhöhen.

Das uns vor Augen stehende Gericht liebte die Geldstrafe, die vom Amte Segeberg eingezogen und registriert wurde. Ein paar Beispiele aus dem 16. und Anfang

 

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des 17. Jahrhunderts mögen das beleuchten. Carsten Hardebeck hafte seinem Nachbarn Tiedje Stender die Nase zerschlagen; er mußte es büßen mit 3 Mark 6 Schilling 6 Pfennig lübsch. - Auch Stender mußte zahlen: 6 Mark 3 Schilling, weil er Carsten mit dem Messer gestochen hatte. Ties Hardebeck aber hatte 30 Mark 15 Schilling zu entrichten, weil er Merten Mertens mehrfach mit Worten beleidigt hatte. Letzterer Betrag reichte derzeit mindestens für den Ankauf einer guten Kuh und liegt möglicherweise höher als im Regelfalle; denn der Beleidigte trug die Würde eines Dingvogts. Alle vier waren Hufner zu Hardebeck in unserm Kirchspiel. - Im übrigen ist uns bereits bekannt, daß sogar ein Totschläger durch Bröcke seine Schuld abgelten konnte. Damit waren allerdings Galgen und Schwert nicht ausgeschaltet. Nicht allgemein ist bekannt, daß unsere Ahnen mit großer Strenge den Schuldner bestraften, der seiner Zahlungspflicht nicht nachkam: Verstümmelung an Hand und Fuß, Nase, Ohren und Augen galten als verdiente Strafe. Man zürne nicht, wenn Verfasser noch einmal auf die Grundfrage zurückkommt, ob denn Bramstedt wirklich kein Göding gehabt habe. Es liegen Ereignisse vor, die Zweifel erregen möchten. Darum das Bemühen gründlicher Darstellung.

a)    Diedrich von Blome, der als Amtmann waltete, spricht klar aus, daß das Göding ein Appellationsgericht sei und sich nur dadurch vom »Lotding« unterscheide. Eine rein sachliche Einteilung oder Aufteilung der Rechtsfalle findet nicht statt.

b)   Totschläger gehörten doch wohl vor das Göding? - Antwort: Nein, grundsätzlich nicht. Erst mußte die Appellation begründet werden.

c)    Das isländische Thing gibt noch heute ein Beispiel dieser Art.

d)   Dem Chronisten ist bei seiner Durchforschung der Bramstedter Geschichte niemals ein Bericht über Betätigung des Gödings zu Gesicht gekommen.

Nun sind zwei Justizfälle, die zu einer Hinrichtung führten, im Flecken vorgefallen, über deren Vollziehung Nachricht vorliegt.

a) Die Kirchen-Chronik meldet, am Fastelabend habe Eggert Bulte bei Hinrich Ordes Haus den Diakonus Johann Wasmus totgeschlagen. Der Täter sei in Segeberg geköpfet worden. Jahr und Tag der Untat bleiben unbekannt. Doch sein Chef, Pastor Hermann Burtfeld, hat von 1534 - 1570 hier amtiert. Innerhalb dieser Amtszeit, vermutlich im letzten Teil, wo Burtfelds Schwäche einen Gehilfen erforderte, also wohl im letzten Jahrzehnt, hat Wasmus hier assistiert. Zu sicherer Beurteilung der Sachlage führt die vom Pastor Chemnitz Anno 1752 niedergeschriebene Nachricht nicht. Es kommt hinzu, daß ein loses Blatt des Kirchen-Archivs zu berichten weiß von einer Zeugen-Aussage zweier Bramstedter, die nebenher zur Kenntnis gibt, daß Eggert Bulte in Bramstedt gehenket worden sei. Diese Aussage entstammt dem Jahre 1629, ist also immerhin 123 Jahre näher dem Ereignis als des Pastoren Niederschrift. Nehmen wir 1560 als Jahr der Tat an, so war Chemnitz 192, genanntes Zeugnis aber nur 69 Jahre davon entfernt. Muß man nicht glauben, daß dem Zeugnis mit dem viel geringeren Zeitabstand die größere Zuverlässigkeit zuerkannt werden soll? - Und die zwei erwähnten alten Männer, die Anno 1723 bezeugten, daß sie am Wege nach Großenaspe

 

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einen Erhängten am Galgen gesehen haben, reden, wie ihre beiden Kollegen vom »Ding und Recht« aber nicht vom »Göding«.

So muß es dabei bleiben, daß unser Göding, ein Organ des Amtes Segeberg, auch dort abgehalten worden ist; im Falle der Marschleute aber, deren Obrigkeit der Amtmann von Steinburg war, ein besonderer Befehl des Landesherrn vorlag: die Geestleute sollten richten über sie, mindestens in der zweiten Instanz. Um dabei übermäßig lange Wege zu vermeiden, wurde nicht Segeberg, sondern Bramstedt als Gerichtsstätte gewählt; als Vorgesetzter waltete der Steinburger Amtmann. Dieses Göding wird 1470 nirgends erwähnt und ist nach 1559 nicht mehr vorhanden.

Handgreiflicher sind die Spuren vom Wirken und Ausgang des Lotdinges oder Untergerichtes, von dem wir wissen, daß es bereits im 12. Jahrhundert sich betätigt hat als eine Funktion des Kirchspiels, an welcher stets nur Hufner beteiligt waren. Wir geben alten Urkunden das Wort.

Im Jahre 1599 offenbart sich zwischen »den Weddelbrökern und den Vördern mißverstendtnis und Zwietracht« wegen der Weidegerechtigkeit im Grenzgebiet. Man wendet sich an den Kirchspielvogt zu Bramstedt. Er beruft acht wackere Männer aus dem Kirchspiel. Diese bringen einen Vergleich zuwege, der freilich von der Festlegung scharfer Grenzen absieht. - Soweit das Verfahren eines freiwilligen Schiedsgerichtes, dessen Spruch für ½ Jahrhundert ausgereicht hat. Aber am 11. Dezember 1649 hat der Segeberger Amtmann Casper von Buchwaldt in gleicher Sache zu berichten: »Demnach nun bei itzt gehegtem Ding und Recht zu Bramstedt von den sembtlichen Interessenten abgesetzten Vergleich in allen Punkten und Clausein zu fester und sicherer künftiger gelebung (Geltung und Beachtung) zustande gekommen.«

b)   Die schon erwähnte Urkunde aus dem Kirchen-Archiv vom 27. Juli 1652 weist sehr überzeugend nach, daß zu dieser Zeit das Bramstedter »Ding und Recht«, das Untergericht, noch in voller Kraftentfaltung sich betätigte.

c)  Bis zum Ende des 17. Jahrhunderts findet man in dem alten Fleckensprotokoll Berichte über Sitzungen der Ratmänner, wo diese zunächst eine Sache unter sich verhandeln mit dem Ergebnis, die Entscheidung den 16 Männern, auch einer geringeren Anzahl, zu übergeben. Es handelt sich dabei um strittige Sachen, die man nicht vor das Amtsgericht bringen wollte, sondern einem frei vereinbarten Ersatz, einem privaten Schiedsgericht, unterbreiten wollte. Weder Amtmann noch Kirchspielvogt waren dabei nötig.

Man geht bestimmt nicht fehl in der Überzeugung, daß nach dem Jahr 1700 in Bramstedt kein »Ding und Recht« mehr gewaltet hat, während dies ebenso sicher noch im Jahre 1652 der Fall gewesen ist. Als seltsam und zugleich wegweisend dürfen wir noch einmal hervorheben, daß schon Anno 1723 kein Kirchspielvogt, kein Amtmann und nicht eine Hohe Kammer zu Rendsburg in der Lage waren, über diese Angelegenheit etwas Bestimmtes aus ihren Akten zu bekunden. Man konnte dem Landesherrn nur mitteilen, daß es wohl so seine Richtigkeit habe, wie es die Akten bezeugt haben. Noch sei hier bemerkt, daß 1636 die Landgerichtsordnung für Holstein heraus-

 

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gekommen ist, der bald danach das Segeberger Justiz-Reglement folgte. Seitdem ist das Lotding und wohl mehr noch das Göding eine noch »geduldete« Angelegenheit gewesen. Die Bauern lösten sich ungern von der vererbten Form der Rechtsprechung, die doch die »ihrige« war, und die Landesherrschaft war vielfach zu schwach, um gleichgültig gegen die Stimmung der Untertanen zu sein. III. Im Gau Faldera, im benachbarten Bezirk Neumünster, hat noch 1839 und 1843 je eine Sitzung des Dinggerichtes nachweislich stattgefunden. Bei dem lebhaften Anteil, den gerade unser Kirchspiel diesem Gegenstand entgegenbringen wird, mag es gerechtfertigt sein, an dieser Stelle genauer darzustellen, wie es bei einer solchen Veranstaltung zugegangen ist.

Gerichtsstätte war ein großer Saal in einem öffentlichen Gasthause. Ehemals ist, wie man der volksmäßigen Benennung »Tilianrecht, Tiliangericht« entnehmen darf, das Ting dort unter einem Lindenbaum (Tilia =Linde) gehalten worden. Die am Schluß in die »Acht« gehenden 16 »Holsten oder Holstenmanner« haben noch 1843 ihren Auftrag vollzogen. - Als beteiligte Personen werden genannt: Der Amtmann als Einberufer, aber ohne Stimmrecht und nicht aktiv in der Sitzung; der Aktuar des Amtmanns als Gerichtsschreiber; ferner ein Dingvogt als Leiter, ein weiterer als Vorsprecher und ein Dritter als Abfinder, und endlich die 16 frommen Holsten. Der erste Dingvogt ist mit dem Kreuzschwert umgürtet; die beiden andern Vögte führen Hellebarde oder Speer. Allen dreien liegt es ob, das Gericht zu »hegen«, d. i. für die ordnungsmäßige Durchführung zu sorgen und alles Ungehörige fernzuhalten. Ihre Haltung war mehr durch überlieferten Brauch als durch geschriebenes Gesetz bestimmt. Der Gerichtstermin wird gern in den Herbst, in die Zeit nach der Ernte verlegt und öffentlich angezeigt, auch durch Verlesen von der Kanzel. Parteien, die ihre Sachen zur Entscheidung bringen wollen, haben sich zu melden; sie bekommen danach ihre besondere Einladung. Die bloße Versammlung der Gerichtspersonen zum Termin kostet 5 Reichstaler 36 Schilling; dafür sollen die Dingvögte und die 16 Holsten bespeiset werden nach vollbrachtem Werk. Handelt es sich um die reguläre Jahressitzung, so wird genannter Betrag aus der herrschaftlichen Kasse bezahlt; haben dagegen die Parteien die Tagung beantragt, so fallen die Kosten zu ihren Lasten. Tagegelder stehen nur den Königlichen Beamten zu.

Am Gerichtstage versammeln die eben Genannten sich früh. Die Eigentümlichkeit des Schauspiels aus alten Tagen, das Interesse an der Sache, der Ruf des einen oder andern Advokaten ruft Neu- und Wißbegierige in großer Zahl herbei. In schicklicher Ruhe wartet man auf die Ankunft des Amtmannes. Auf breitem Katheder sitzen im Hintergrunde des Saales die Rechtsanwälte und ihre Schützlinge. Unmittelbar vor ihnen, den Rücken gegen das Katheder gewendet, sitzt der leitende Dingvogt auf einem Stuhl, ihm gegenüber »Vorsprach« und »Abfinder«. Um die Vögte schließen, auf Stühlen und Bänken sitzend, die 16 »frommen Holsten« einen Halbkreis. Dabei wenden sie dem mitten im Saal an einem Tische sitzenden Amtmann und seinem Schreiber, desgleichen dem sitzenden und stehenden Publikum den Rücken zu.

 

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Die Sitzung wird damit eröffnet, daß der Amtsschreiber nach einer Liste die 16 Holsten aufruft. Sind sie alle da, so nehmen die Gerichtspersonen in eben beschriebener Ordnung Platz. Der erste Dingvogt nimmt das Wort: »De Lüde sünd verbannt tom Ordel.« Darauf der Vorsprach, sich erhebend: »Herr Vagt, will ju dat Ordel unde Landrecht hegen?« Nunmehr erklärt der Dingvogt dreimal das Lotding für gehegt. Dabei spricht er: »Dat Schwerdt, dat vör my ligt, dat thom Krütz getekent is unde thom Schemel myner Föten is, off ick mag nich schuldig africhten hoch effter siede (hoch oder niedrig) de Klage, as eth sick eröffnet in der Herren Register.« - Nach dieser Zusicherung eines unparteiischen Verhaltens steckt er das Schwert in die Scheide und setzt sich auf seinen Stuhl. Nun fordert er dreimal die Parteien auf, ihre Streitsache vor das Lotding zu bringen. Ihm antwortet der Vorsprach: »Herr Vagt, hier wern woll en Mann, de hadde wat tho melden; vergönnet ju den wol?« Und so geht die Zwiesprach weiter, bis bald auch der Abfinder in das feierlich-formelhafte Gespräch hineingezogen und als Vertreter der Hülsten an seine Pflicht erinnert wird. Er gelobt: »Wi willen Godt unde Obrigkeit tho hülpe nehmen unde den Gerechten bystahn mit Göttlicher Hülpe.« - In streng würdiger Haltung spielt sich diese einleitende Zeremonie ab. Geläufig und ungezwungen wird das Gespräch unter den Dingvögten frei nach dem Gedächtnis durchgeführt. Keine Abweichung von dem traditionellen, schriftlich festgelegten Text erfolgt. Darauf das Plädoyer der Advokaten. Natürlich werden auch Zeugen vernommen.

Nach Abschluß der Verhandlung gibt der Dingvogt dem Abfinder die Weisung, mit den Holsten zusammen eine unparteiische »Acht« zu finden. Die Holsten, jeweils nach Lage der Dinge in einem besonderen Zimmer oder, wie diesmal, unter einem Baum im Freien versammelt, haben nach beschriebener Sitzung länger als eine Stunde beraten. Sie haben sich auch den Zeugenbericht bringen lassen, bevor sie das Urteil fällen.

Der Abfinder, Führer der Holsten, bringt das gefundene Urteil zu Papier. An der Spitze des Zuges marschierend, kehrt er mit seinen Leuten zurück in den Saal. Nach kurzem Gespräch mit dem Dingvogt übergibt er den Urteilsspruch dem Aktuar. Dieser nimmt es zu Protokoll und verliest es dann mit lauter Stimme. Endlich richtet der Dingvogt an die Parteien die Frage, ob sie sich mit dem Entscheid zufrieden geben wollen.

In der hier geschilderten Sitzung, wo es um einen Streit unter zwei sehr angesehenen Personen ging, sind mindestens 200 Bauern anwesend gewesen. Niemand, außer den Holsten, hat während der Sitzung den Saal verlassen, und bis zum Schluß hat eine feierliche Ruhe geherrscht.

Dieser Bericht ist einem Aufsatze von Dr. A. W. S. Franke entnommen, veröffentlicht im Archiv von Dr. N. Falck, Kiel 1845.

IV. Wenn wir Diederich Blomes, des Amtmannes, eingangs angeführten Brief gelten lassen, so ist mit Frankes Bericht das Verfahren für beide Stufen des alten Volksgerichtes dargestellt worden, auch eine Unterschiedlichkeit hinsichtlich der Gerichtspersonen und ihres Waltens nicht anzunehmen. Ausdrücklich wird aber

 

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in vorstehendem Bericht von einem Lotding gesprochen, und dies bestätigt überzeugend, daß dieses Ting nicht von diesem oder jenem Dorfe getragen worden ist, sondern vom Kirchspiel. Freilich darf man bestimmt glauben, daß die altsächsischen Gerichte früher bestanden haben als die Kirchspiele; doch spricht nichts gegen die Annahme, daß die Kirchengründer sich tunlich gegebenen politischen Verhältnissen angepaßt haben. Die heute wieder zu Ehren gekommene Landeseinteilung nach Gauen wird dabei eine wichtige Rolle gespielt haben.

In Neumünster hat es sich 1843 um ein Lotding, also um das alte Niedergericht gehandelt. Das vermutlich früher auch vorhanden gewesene Göding war, wie im alten Bezirk Segeberg-Bramstedt, lange schon dem Amtsgericht gewichen. Dem Chronisten ist die Lesart begegnet, daß es sich um ein »Göttergericht« handle. Diese Deutung ist sachlich nicht zu stützen, auch sprachlich nicht zu halten. Ting, Thing oder Ding, so lautet das Grundwort. Durch die Voranstellung der Silbe Go oder Gö oder Gue ist durchaus kein Hinweis auf eine Gottheit oder auf eine Vielheit derselben gegeben. Und wenn es geschichtlich feststeht, daß unsere Vorfahren vom Norden her in die kimbrische Halbinsel eingerückt sind, dann darf in dieser Sache der isländische Dichter Gunnar Gunnarsson zitiert werden. In seinem Roman »Der graue Mann« stellt er uns recht deutlich das Rechtsleben seiner Landsleute vor Augen und führt die Richter des Ting als »Goden« ein. Vom Goden zum Goding ist ein kurzer Weg, der wohl gangbar ist, ohne daß der Begriff des Gaugerichts fallen müßte. Dagegen liegt uns das Beispiel Hagens, der an Siegfrieds Sarg die Blutprobe zu bestehen, also einem »Gottesurteil« sich zu unterziehen hat, weit ferner. Burgunden und Sachsen sind nicht identisch.

Um nichts zu versäumen, sei noch bemerkt, daß die alten Bauerngerichte nicht durchaus mit ihrem Urteilsspruch das letzte Wort in strittiger Sache hatten. Grundsätzlich stand den Parteien noch der Weg zum Königlichen Obergericht frei. Und wie Königliche Beamte den Gang der Verhandlung überwachten, so fiel ihnen auch die Durchführung des Richtspruches zu. Wir hatten Gelegenheit, zu erkennen, daß auch die hohe Finanzverwaltung nicht unbeteiligt blieb. V. Von den Dingvögten, deren würdige Rolle im altangestammten Rechtsverfahren unseres Kirchspiels uns dargestellt wurde, ist noch einiges zu sagen. Nur freie Männer konnten dies Amt bekleiden, wie auch die 16 Achtmänner dem freien Bauernstande zu entnehmen waren. Aber es fand nicht eine Wahl seitens der Bauernschaft statt, sondern der königliche Amtmann hat diese Männer berufen, die Vögte, offensichtlich unter Zustimmung des Landesherrn, wie für sie auch eine besondere Amtsbestallung vorgesehen war, verbunden mit eidlicher Verpflichtung. Ursprünglich scheint eine zeitlich begrenzte Verpflichtung, wohl auf vier Jahre, die Norm gewesen zu sein. Doch hat sich dies bald und sehr verwischt. Die »frommen Holsten« hatten eine besondere Bestallung nicht, wurden aber vom Amtmann coram protocollo in Eid und Pflicht genommen. Eigenartig ist, daß die »Dingvögte« noch recht lange in den Dokumenten des

 

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Kirchspiels auftreten, nachdem die alten Volksgerichte bereits der Vergangenheit angehörten. Lassen wir die alten Urkunden reden.

Anno 1758 richten die Dingvögte des Kirchspiels, vier Männer aus Hardebeck, Quarnstedt, Wiemersdorf und Fuhlendorf, ein Gesuch an den Dänenkönig. Sie möchten auf Grund alter Privilegien von gewissen Lasten befreit sein.

Sie stützen ihr Anliegen auf eine »Begnadigung«, die ungefähr 100 Jahre früher der Dänenkönig den Dingvögten des Kirchspiels zugesichert hat und die hier auszugsweise aufgezeigt wird. Danach soll ein jeder von ihnen »jährlich 30 Reichsthaler eins vor alles von Ihren bewohnenden Hufen« entrichten. »Thun auch solches hiermit derogestalt Kund, daß, wenn ein jeder von ihnen sotahne Reichsthaler jährlich auf Martini Unserem Amt-Schreiber zu Segeberg, auch daneben die auffen Landtag bewilligte Contribution von ein Pflug jedesmahl Richtig abführen wird, Sie alsdann bis zu weiter unser Allergnädigster Verordnung mit Keiner ferneren Ausgifft oder Diensten beschwert werden sollen. Jedoch daferne sie etwan vernehmen würden, daß etwas zu unserer prejudiz und schmälerung Unser Hoheit vorfallen sollte, so sollen sie solches unserem amts-Schreiber zu segeberg alsofort andeuten und demselben in denen, was zu Beförderung unser Dienste gereichet, nach möglichkeit zu Handt gehen.«

Geben auf unser Königl. Residentz zu Copenhagen den 30. Mai 1665.

(gez.) Friedrich.

 

Noch deutlicher wird die Sachlage durch folgendes, die gleiche Sache bestätigende und erläuternde Schriftstück.

»Nach obigem Königl. allergnädigsten Befehl und dem zu aller Unterthänigster Folge sind die 4 Dingvögte niemahlen in keiner andern Abgift als der darinnen benannten 30 Reichsthaler Herren-Gelder und die Contribution-Gelder gezogen, (noch) weniger ihnen einige Einquartierungen, Ausschuß, magazin-Kornfuhren, Nachtlagern oder dergleichen und wie es sonst Nahmen haben mag, angemuthet worden. Solches zu Uhrkunde habe dieses eigenhändig unterschrieben.

Itzehoe, d. 16. January 1682.                                                                   

Von Brüggemann.«

 

Eine weitere Bekräftigung und Beleuchtung entstammt dem nächstfolgenden Jahre und soll hier nicht ausgelassen werden.

»Dem allergnädigsten Königl. Befehl allerunterthänigst zufolge Sind die 4 Ding Vögte zu Fuhlendorf, Wiemersdorf, Hardebeck und Quarnstedte, als welche noch ein Special allergnädigstes Privilegium haben: daß, so lange einer von Ihren Kindern capable (fähig) erfunden wird, sie hierbey zu lassen, zu keiner andern Abgift als 30 Reichstaler Herren-Gelder und der Contribution, bis anderweitige allergnädigste Königl. Verordnung zu ziehen, weniger ihnen einige Einquartierung, Ausschuß, magazin Korn-Fuhren, Nachtlager und dergleichen, wie es nahmen haben mag, anzumuten.« Solches zu Uhrkund habe dieses eigenhändig unterschrieben.

Itzehoe, den 10. Febr. Anno 1683.                                                             

gez. Joachim Reich.

 

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Wir übersehen nicht, daß die Dingvögte des Kirchspiels nicht weniger darauf bedacht sind, ihre persönlichen Privilegien zu sichern und womöglich zu ergänzen, als die Fleckensvertreter um die Erhaltung der Ortsgerechtigkeiten sich bemüht haben.

Wir sehen, wie in Hardebeck der Eifer noch sich steigert.

Friedrich V., der teure Landesvater, möge selbst das Wort nehmen:

»Wir, Friedrich V.... thun kundt hiemit, daß Jürgen Bolling zu Hardebeck, Kirchspiels Bramstedt, Amts Segeberg, allerunterthänigst vorstellig gemacht, wasgestalt die Besitzer seiner von Hans Tewes erkauften Hufe Landes von undenklichen Jahren her mit der Ding Vogtey begnadiget gewesen und auch besagter sein Verkäuffer annoch die damit verknüpften consecraria1) genossen, mit angehängter allergehorsamster Bitte, Wir geruheten selbige Dingvoigthey auf ihn, Supplicanten, zu extendieren (weiterzugeben) und mithin bey solcher seiner Hufe fernerhin zu lassen. Wenn wir denn solchem petitio in Königl. Gnaden Statt zu geben Uns Allerhöchst bewogen gefunden, Als conferieren wir dem Jürgen Bolling besagte Ding-Vogthey hiemit dergestalt und also, daß er dasjenige, was ihm in ansehung der ihm hierdurch beygefügten Qualität eines Ding-Voigtes zu Thun anbefohlen oder aufgetragen werden möchte, getreulich beobachten und ausrichten, dagegen Aber außer der monathlichen Contribution, Magazin-Korn, Lieferung und Concurrence (Leistung) zum Land-Ausschuß von allen ordinären Fuhren, Einquartierung, Hand-Diensten, Heu- und Strohlieferung gegen eine jährliche Recognition von 30 Reichsthaler ins Segebergische Amtsregister völlig befreyet und bis zu Unserer weiteren allerhöchsten Verordnung allgar (überhaupt) mit keinen ferneren abgifften oder Diensten beschwert werden soll.

Wornach sich männiglich allerunterthänigst zu richten. Gegeben auf Unserem Schloß Friederichsberg am 2. Sept. 1754.«

gez. Friederich.

 

Wir kommen zurück zu dem Gesuch der Vier von 1758.

Sie betonen, daß sie nun gleich ihren Nachbarn zu allen möglichen Lasten, von denen sie laut »Begnadigung« befreit bleiben müßten, herangezogen werden, auch das erwähnte Herrengeld noch extra aufzubringen hätten. Sie erstreben Änderung.

Die derzeitigen Dingvögte sind:

Jürgen Bolling zu Hardebeck, Peter Heins in Fuhlendorf, Hans Reimers in Quarnstedt und Claus Stäcker in Wiemersdorf.

Aus Bramstedt gibt Amtmann von Wedell darüber Bericht an den Markgrafen Friedrich Ernst. Man habe sich durch die gegenwärtigen außergewöhnlichen Umstände genötigt gesehen, sie mit Einquartierung und Fuhren zu belasten; man habe sonst nicht genügend Pferde und Wagen beschaffen können. Die Einquartierung im Kirchspiel sei so stark, daß es einfach nicht angehe, vier der größten und besten Hufen davon auszunehmen.

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1) Geheiligte Rechte.

 

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Der Statthalter macht sich diese Gründe zu eigen. Die Privilegien seien von Anfang her zu deuten auf die ordinären, nicht auf die außerordentlichen Fälle. Was zur Zeit für die Sicherheit des Landes zu tun nötig sei, daran hätten alle zu tragen.

So ist denn für den »Dingvogt« kaum noch ein materieller Vorteil in Aussicht. Der besondere Fall des Bolling hat auch den derzeit in Bramstedt amtierenden Grafen zu Stollberg zu einer schriftlichen Äußerung über die Dingvogteischaft im Amte Segeberg veranlaßt. Er sagt, daß es sich um einen bloßen Titel handelt. Die damit Begnadeten hätten überhaupt keine besondere Verrichtung mehr zu leisten. Weil aber mit dem Titel gewisse Freiheiten verbunden seien, würden die Dingvogteischaften immer noch begehrt. Für den König ergebe sich ja noch immer ein Vorteil dabei. Denn er zieht das vorgesehene besondere »Herrengeld« von den Dingvögten ein, und was diesen im übrigen an Lasten abgenommen wird, haben doch dann die anderen mitzuleisten. Die Dingvögte als solche haben kein Amt mehr, seitdem das Amtsgericht an die Stelle von »Ding und Recht« getreten ist.

Zum Attribut der Hufe und zu einem Geschäft unter Wissenden ist die Dingvogteischaft im Laufe der Jahrhunderte geworden. Stollbergs Meinung sei noch durch zwei Beispiele beleuchtet.

a) In Wiemersdorf erfreut sich der Bauer Stegelmann 1715 des alten guten Titels. Er muß die Hufe abgeben und bald seine Schwiegertochter als Witwe im Besitze der Hufe sehen. Sie wird wieder heiraten wollen. Was tun? Es wird offenbar, daß zwischen der Witwe und ihrem Schwiegervater eine ernste Kluft befestigt ist. Der Amtmann hat keine Sympathie für die Witwe. Streit. Beschluß: Der »Ding vogt« geht nicht mit der Hufe der Witwe, sondern bleibt beim Schwiegervater Stegelmann, um zu gegebener Zeit Erbteil des zweiten Sohnes zu werden.

b)   Claus Mohr ist Dingvogt zu Hardebeck. Seine Tochter heiratet Valentin Schultz. Dieser übernimmt mit der Hufe und der Tochter die »Dingvogtei«, und Valentin hat später die Freude, die Vogtschaft auf seinen Sohn vererben zu können.

Doch hat sich dieser Zustand erst nach und nach herausgestellt. Um den ursprünglich so würdereichen Titel nicht allen Glanzes zu entkleiden, gehen wir einhundert Jahre zurück auf das Jahr 1662.

Friedrich III. hat damals kund getan...

»daß uns Unsere zur Zeit des Krieges gewesene General-Krieges-Commissarien, auch unser Amtmann zu Segeberg, Herr Casper von Buchwaldt... zu verstehen gegeben haben, welchergestalt die 3 Dingvögte unseres Kirchspiels Bramstedt, als Hans Mohr zu Hardebeck, Tiedje Hardebeck zu Wiemersdorf und Jürgen Gloy zu Fuhlendorf im verwichenen Schwedischen Kriege verschiedentlich und anderen darin gebrauchet, daß sie von des Feindes Vornehmen ihne alle mögliche Kundschaft bringen und in allem an die Hand haben gehen müssen, und weil solches ohne äußerste Gefahr ihres Lebens nicht geschehen können, von denen selben ihnen versprochen, bey Uns allerunterthänigst zu rühmen und einige

 

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Gnaden Bezeugung denselben zuwege zu bringen; weilen nun bey Uns berührte 3 Ding-Vögte allerunterthänigst Ansuchung gethan, nach ihrem Tode solche Dingvogteyen in Betracht ihrer treu geleisteten Dienste ihren Söhnen zu conferieren, Als haben wir zur Recognition und erkenntnis ihrer verspürten Treue, ausgestandener Gefahr und erwiesenen guten Dienste allergnädigst eingewilliget, daß nach ihrem Tödtlichen Eintritt die jenigen von ihren Kindern, die dazu Capabel gefunden werden, für (vor) andern ihnen succedieren (folgen) und mit den Dingvogteyen begnadiget werden sollen,«

Nur wer den Mut hat, die Königlichen Kriegskommissare nicht als absolut wahrhaftig erachten zu wollen, wird bestreiten, daß in diesen Fällen doch eine Tat vorliegt, die des Preises wert sein mochte. Heller sicher als jemals hat der Gnadenstrahl Königlich Dänischen Ursprungs hineingeleuchtet in die bescheidenen Strohhütten unseres Kirchspiels. Mit rührendem Eifer haben die Väter das kostbare Gut eingeheimst, daß es noch leuchte den Kindern und Kindeskindern. Und es hat geleuchtet. Die Dingvögte, obwohl nicht mehr Inhaber eines Amtes, haben noch bis Ende des 18. Jahrhunderts erhebliches Vertrauen bei ihren Dorfgenossen gehabt. Sie wurden gerufen als Treuhänder, wenn ein Bauernhof durch Todesfall oder sonst vacant wurde. Sie wurden als Sachkundige gerufen bei den sehr zahlreichen Grenzstreitigkeiten unter den Dörfern. Aber sachte ist doch der Glanz erloschen, im Amte Neumünster nicht vor Mitte des 19. Jahrhunderts, wie bereits aufgezeigt worden ist.

Am Schlusse sei noch einmal betont: die Möglichkeit, als Dingvogt zu wirken, stand nur den Bauern offen; ebenso stand es um den Achtmann, der gern als »frommer Holstenmann« bezeichnet wurde.

 

VI. Vom Amtsgericht

 

Es ist nur das Ergebnis eines natürlichen Entwicklungsganges, wenn dort, wo ein gesunder Bauernstand sich angesiedelt und dauernd ansässig bleibt, im Laufe der Zeit eine wachsende Mehrung der Volkszahl eintritt. So auch in unserm Holstenlande. Neue Berufe und Erwerbsquellen wurden nötig, und so mußte es dahin kommen, daß es nicht mehr gerechtfertigt erschien, die Rechtsprechung einem Berufsstande zu überlassen.

Für unsern Bezirk ist die nötige Änderung festgelegt worden unter dem Amtmann Hans Rantzau, der im Jahre 1742 das Segeberger ]ustiz-Reglement verkündet hat. An die Stelle des Godings trat das Amtsgericht zu Segeberg. Ebenso wurde dort domiziliert das Gericht für kirchliche Angelegenheiten, genannt Konsistorialgericht. Über das Walten beider Institutionen liegen alte Dokumente vor. Ehe wir diese reden lassen, sei noch die Zusammensetzung der neuen Gerichte aufgezeigt. Im weltlichen Gericht sind es folgende Beamte des Königs: Vorsitzender der Amtmann, Protokollführer der Amtsverwalter (Aktuar), und drei Kirchspielvögte als Beisitzer, Assessoren. Im kirchlichen Gericht: Der Propst als Vorsitzender, fünf Geistliche im Amtsbezirk als Beisitzer. Für beide war die übergeordnete Instanz bei der Regierung zu Glückstadt, wobei natürlich im geistlichen Falle der General-Superintendent einzuschalten war.

 

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Erstes Dokument. Am 7. Juni 1746 richtet Amtmann Graf zu Stolberg ein Gesuch an den König, das in Segeberg jährlich zweimal tagende Amtsgericht nach Bramstedt zu verlegen. Er wohne mit königlicher Konzession dort. Bramstedt liege für die Bewohner des Amts günstiger, ja fast in der Mitte; hier seien ohnehin vielfach die Akten; die Anwälte, so von Glückstadt kommen, sparen Zeit, die Klienten Honorar, selbst wegen der Brüchedingung müßten die Eingesessenen oft den weiten Weg nach Segeberg machen.

In Anlagen bestätigen die Mitglieder des Allerhöchst verordneten Amtsgerichts, daß sie während der Amtszeit des Grafen Stolberg nach Bramstedt kommen wollen.                                                           (gez.) Stemann, Amtsverwalter.

„     J. H. Basuhn, H. Bornholdt, P. Bruhn:

Kirchspielvögte.

 

Der König verlangt ein Verzeichnis der Ortschaften mit genauer Angabe des Ortsabstandes von Segeberg und von Bramstedt. Dem wird ohne Verzug entsprochen.

Sr. Majestät Ratgeber meinen, unter besagten Umständen den Antrag befürworten zu dürfen; deshalb auch für die künftigen Amtmänner etwas zu bestimmen, sei nicht zu empfehlen. Wenn sie in Bramstedt zu wohnen wünschen sollten, hätten sie königliche Erlaubnis einzuholen, und das könne gegebenen Falles auf das Amtsgericht extendieret werden.

Am 1. Juli obgenannten Jahres geht des Königs Bescheid ein, er habe besagtem Ansuchen nicht zustimmen wollen    

(gez.) von Schulenburg

 

Zweites Dokument: Auszug aus einem Schreiben des Grafen Stolberg an den König Anno 1754.

Das Konsistorialgericht besteht danach aus 7 Personen: Amtmann, Propst und den 5 ältesten Pastoren des Bezirks. - Zur Propstei gehören die Kirchspiele Leezen, Bornhöved, Warder und Pronstorf (nächstliegend); ferner Oldesloe, Lütjenburg, Heiligenhafen, Bramstedt, Kaltenkirchen, Großenbrode und Wandsbek.

In der Hauptsache werden Ehesachen verhandelt, möge es sich um Vollziehung oder Trennung handeln. Es wird daher empfohlen, statt einer jährlichen Sitzung deren drei anzusetzen. »Die Zehrungskosten (für eine Sitzung) pflegt der Propst vorher einzuziehen: 5 Mark von jedem Kirchspiel.« Daher schlägt Stolberg vor: der Segeberger und die Pastoren der nächstliegenden Ortschaften seien künftig die assessores des Konsistoriums; jedem Mitglied, das außerhalb Segebergs wohnt, wird 1 Taler für Zehrungskosten bewilliget; so werden künftig 3 Sitzungen nicht mehr kosten als bisher eine. - (Zehrgeld war anfangs höher angesetzt.) (Über den Erfolg wird bald zu urteilen sein.)

Beispiel eines Strafurteils

Hans Boye aus Weddelbrook hat sich außerhalb seines Kirchspiels kopulieren lassen. Er sieht sich bald vor dem Konsistorialgericht. Ihm wird eine Brüche von

 

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50 Talern auferlegt, zu zahlen in 5 gleichen Jahresraten an die Armenkasse zu Kaltenkirchen.

So geschehen am 22. Mai 1755.

 

Christiansborg, 1. Febr. 1762. Amtsgericht nach Bramstedt verlegt

 

Der König genehmigt den Antrag seines Amtmannes v. Arnold, das Segeberger Amts- und Consistorial-Gericht nach Bramstedt zu verlegen. Aus den Gründen: 1743 ist die Einrichtung besagter Gerichte eingeführt und dabei festgesetzet worden, daß der Amtmann ordentlicher Weise in S. wohnen solle. Die ihm erteilte Vergünstigung, ein anderes Domizil zu haben, sollte nur bis auf weiteres gelten. Jetzo ist aber zu Br. ein eigenes Amthaus, das ein jeder Amtmann von den Erben seines Vorwesers lösen muß; so findet der König bei diesen veränderten Umständen gegen den Antrag von Arnold nichts einzuwenden. Die Genehmigung gilt indessen nur für die Amts-, bzw. Wohnzeit des Supplikanten in Bramstedt. Außerdem sind Kriminalsachen auszunehmen und peinliche Sachen nach wie vor in S. zu verhandeln, weil dort das Kriminal-Gefängnis ist. So fällt die Miete für das Amthaus in Segeberg fort. Kriminalsachen sind in des Amtsverwalters Haus zu erledigen. Das Amt hat auch ferner die Fuhren für den Amtsverwalter, den Hausvogt und den Kirchspielvogt von Kaltenkirchen zu leisten (bezahlen).

Auch das Consistorium soll für die gleiche Zeit in Br. seine Sitzungen halten und nicht mehr, wie in § 31 des Justiz-Reglements vorgesehen für Amt Segeberg, in S. Dabei soll es gemäß Reskript vom 11. März 1754 sein Bewenden haben, indessen dergestalt:

a)    daß statt der nächstwohnenden Prediger (auf S. bezogen) und des Kompastoren zu Segeberg nunmehr ordentliche assessores sein sollen: der Pastor zu Br., zu Leezen und zu Bornhöved, wie auch die beiden Pastoren zu Kaltenkirchen (und zwar anjetzt statt des alten Pastoris Tilli dessen Adjunktus Moyen [?]), wobei die erwähnten (Kirchspiele) das Zehrgeld (1 Reichstaler) zu zahlen und die Fuhren in natura zu leisten haben, während die übrigen Gemeinden dem Praepositus (Vorsitzenden, Propsten) gerecht werden sollen.

b)   daß die bisherigen assessores auf ihre Rechnung der Sitzung beiwohnen können;

c) daß dem Propsten nicht nur Fuhren in natura zu leisten, sondern auch doppeltes Zehrgeld (also 2 Reichstaler) von den exemten (sonst nicht beteiligten) Gemeinden zu zahlen ist. Wenn von dem Propsten Zeugen abzuhören sind, so haben diese sich in Segeberg einzufinden1).

Wichtige Nachricht. Anno 1782 den 2. Mai schreibt General-Superintendent Struensee aus Rendsburg an das Oberkonsistorium zu Glückstadt: das Amthaus ist nach Segeberg verlegt. Nun geht natürlich auch das Konsistorialgericht nach

1) Anmerkung. Man sieht nachträglich, daß obenerwähnter Antrag des Grafen Stolberg nicht fruchtlos geblieben ist.

 

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dort zurück; nach Königl. Reskript vom 11.3.1754 sind wieder die nächstwohnenden Pastoren die Beisitzer, nur daß an Stelle des Pronstorfer Pastoren (alt) der Pastor zu Oldesloe tritt.

Nachtrag. Auch des untersten Dieners des kirchlichen Gerichts sei hier gedacht. Am 6. Dezember 1796 wendet sich der Konsistorialbote Marx Kruse mit der Bitte um Erhöhung seines Einkommens an die Kgl. Majestät zu Kopenhagen. Das Konsistorium zu Segeberg und das Oberkonsistorium zu Glückstadt setzen sich mit geringer Abdingung für seine Wünsche ein. Die Majestät bewilligt am 27. Februar annähernd eine Verdoppelung des 1743 bewilligten Einkommens, das nunmehr sich folgendermaßen darstellt: Feste Einnahmen von jeder beteiligten Kirche 1 Reichstaler, alle 2 Jahre ein neues Kleid, das 8 Reichstaler kosten soll, Botenlohn für jede volle oder angefangene Meile 8 Schilling (60 Pfennig), freie Wohnung,

Befreiung von Kopfsteuer und Verbittelsgeld.

Etwa 50 Jahre später (1844) gibt die Schl.-Holsteinische und Lauenburger Regierung die Nachricht, daß der Konsistorialbote zum Pedell des Schullehrer-Seminars zu Segeberg befördert worden ist, an die Höchstpreisliche Kanzlei (Kopenhagen) und bittet um Wiederbesetzung. Seine Majestät geruhen, den zur Pension entlassenen Sergeanten des 2. Artillerieregiments, Johann Diederich, mit diesem Amte zu betreuen.

 

Von Ding und Recht

 

(Loses Blatt aus einem Konvolut der Kirche, Nr. 43.)

 

Demnach die Kirchgeschworenen zu Brambstete mir klagend zu verstehen geben, daß einer der Insten des Fleckens, Namens Rötger Lindemann in einer an die zu Dennemark, Norwegen Königl. Majestät übergebenen Schrift gesetzet, daß sie, die Kirchgeschworenen, wan sie in einer auch an höchst gedachte Königl. Majestät über gegebene Supplikation gedacht, daß er, Rötger Lindemann, nicht allein vorsätzlich sich angemaßet, diesem Foro wider alles Herkommen seiner in der Vikarie allda wohnhaftig gewesenen Vorweser ecclesiasticis et civilibus zu entziehen, im besonderen auch Ihrer Königl. Maj. Register und die darinnen pflichtige Gebühr zu leugnen, nur darumb geschehen, daß sie ihn bei Ihrer Königl. Maj. zu erniedrigen und gehässig (verhaßt) zu machen gemeint, zumalen ihnen niemals dasselbe in den Sinn gekommen, und sie, die Kirchengeschwornen, Lügen zu strafen gedacht, deswegen dieselben mich Endesbenannten, was darinnen vorgegangen, in gezeugnus mitzuteilen. Wan ich nun gedachten Kirchgeschwornen hierin die Wahrheit nicht vor (enthalten wollen, zumalen nicht allein der Herr Pastor und der Kirchspielvogt, sondern noch mehr als zehn andere des Kirchspiels Brambstete Untergesessene solches angehöret, daß gedachter Lindemann, wie ich einen halben Rigsdaler Verbittelsgeld von ihm gefordert, mir selben ganz und gar geweigert, des Vorgebens, er gebe sein Verbittelsgeld nach

 

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Breitenburg, und hätte sein Vorweser einen ganzen Rdlr. vor das Verbinden gegeben; wie ich nun seinen worten billig nicht glaubt, auch von Selben nicht gelitten, daß er Königl. Amtsregister verschmälern sollte, zumalen in selbem befindlich, daß ein halber Rigsdaler vor das Verbinden, ein halber Rgsdl. aber jedem Brambstetischen Insten gleich gegeben wurde, gleich wie aus den Registern der Jahre 1632, 33, 49, auch außer Zweifel vielen älteren, wan die aufgeschlagen (werden), zu ersehen. Als habe ich im 1650. Jahre nach gehaltenem Ding und Recht, da ich die jährliche Haur (Pacht) angenommen, alsbald die Pfändung vorgenommen, worauf er damaln nicht allein mit seinem Verbittelsgeld eingekommen, sondern auch nachgehends bei mir in Segeberg sich verfüget und begehrt, ich möchte ihm beweisen, daß er den halben Rgsdlr. Verbittelsgeld zu geben verpflichtet wäre; wie ich ihm aus dem Amtsregister solches sattsam dargetan, ist er mit diesen Worten von mir gegangen; er hätte vermeint, daß der Rigsdaler bloß für das Verbinden gewesen wäre, auch gelobet, sich hierinnen nicht mehr zu sperren. Und leugnet, daß er sich diesem Untergericht (habe) entziehen wollen, ist's an deme, daß Herr Amptmann zu Segeberge, Herr Caspar von Buchwaldt bei dem im vergangenen Ding und Recht dem Kirchspielvoigt daselbst, Paul Blancken, anbefohlen, daß er gedachten Lindemann durch seinen Knecht vor Ding und Recht zu erscheinen citieren lassen sollte. Wie er sich nun dessen verweigerte, hat hochgedachter, hochedler, gestrenger Herr weiteren Befehl erteilt, daß der Kirchspielvoigt, Lindemann, quaevis modo mit zween oder mehr Knechten sollte herbeischleppen lassen. Worauf er denn endlich sich sistieren müssen.

Zu Urkund und Zeugnis alles obigen habe ich dieses mit eigener Hand untergeschrieben und meinen Pittschaft befestigt.

L. S.                                                            Geschehen zu Bramstedt, den 27. Juli 1652.

Daniell Hussmann Amptschreiber."

 

VII. Vom Schiedsmann

 

Der Schiedsmann ist das unterste Organ für die Rechtsprechung im Staate. Er kann freilich nicht als »Richter« angesprochen werden. Denn seine Betätigung beschränkt sich in jedem Falle darauf, durch parteilose Verhandlung und Beratung in strittiger Angelegenheit einen Ausgleich nach Möglichkeit herbeizuführen. Er handelt nicht von Amtswegen, sondern nur auf Antrag mindestens einer Partei; sobald dieser Antrag vorliegt, ob schriftlich oder mündlich, hat er allerdings einen Termin für die Verhandlung anzusetzen. Ablehnung steht ihm nur dann zu, wenn ihm die umstrittene Sache als »zu weitläufig oder zu schwierig« erscheint. Zuständig ist er nur, wenn der Beklagte innerhalb seines Bezirkes wohnt, doch andernfalls auch dann, wenn Angeklagter und Ankläger stillschweigend oder ausdrücklich es so vereinbaren und der Schiedsmann einwilligt.

 

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Vom Schiedsmann wird nicht ein Nachweis von Rechtskenntnis verlangt; man setzt bei ihm Lebenserfahrung, gesunden Menschenverstand und strenge Redlichkeit voraus, überhaupt diejenigen Eigenschaften, die ihm das Vertrauen der Mitbürger sichern. Er bekleidet ein Ehrenamt, in das er infolge seiner Wahl durch die Gemeindevertretung berufen werden kann; dem Präsidenten des für die Gemeinde zuständigen Landgerichts ist die Bestätigung vorbehalten. Der Schiedsrichter wird von dem Amtsrichter, dem sein Bezirk unterstellt ist, vereidigt auf seine Amtspflicht und steht in seiner Betätigung unter Aufsicht des genannten Beamten. Personen - auch Frauen können zum Schiedsamt zugelassen werden — unter 30 Jahren sind nicht wählbar. Aus gesetzlich bestimmten Gründen kann die Wahl abgelehnt werden. Unbegründete Weigerung, das Amt zu übernehmen, kann auf Antrag der Gemeindevertretung Rechtsnachteile zur Folge haben: Verlust des Rechtes auf Teilnahme an der Vertretung und Verwaltung der Gemeinde für einen Zeitraum von 3-6 Jahren, verbunden mit der Verpflichtung, 1/8 - 1/4 der ohnehin zu tragenden Gemeindelasten mehr zu leisten. Die Entscheidung steht der der Gemeinde vorgesetzten Behörde zu.

Der Pflichtbereich des auf 3 Jahre gewählten Schiedsmanns erstreckt sich sachlich auf rein bürgerliche und auf Strafsachen einfacher Natur. Der bürgerliche Rechtsstreit kommt nur in Frage, wenn es sich um »vermögensrechtliche Ansprüche« handelt. Ausgeschlossen sind die den Sondergerichten der sozialen Gesetzgebung vorbehaltenen Angelegenheiten. »Vermögensrechtlich« ist ein Anspruch dann, wenn er sich auf Geld richtet oder doch wertmäßig als Geldeswert abschätzbar ist. Der Streit muß überdies wurzeln in einem Vorgang des wirtschaftlichen Lebens; öffentlich-rechtliche Angelegenheiten gehören in keinem Fall vor den Schiedsmann.

Indessen steht den Beteiligten völlig frei, ob sie den Schiedsmann in Anspruch nehmen wollen oder nicht. Ist aber eine Sache einmal dort anhängig gemacht, auch nur von einer Partei, so handelt der Schiedsmann als Beamter. Er kann Ordnungsstrafen verhängen wegen unentschuldigten Nichtkommens im Termin (von 1 bis zu 30 Mark); ferner steht ihm eine Gebühr von 4 Mark für die Sühneverhandlung zu, die aber nur einmal berechnet werden darf, auch bei mehreren Terminen; endlich unterliegen die unter seiner Mitwirkung entstandenen und ausgefertigten Vergleiche der gesetzlichen Zwangsvollstreckung. Zur Frage der Gebühren ist noch zu sagen, daß, wenn ein Vergleich zuwege kommt, der Satz von 4 RM sich auf 8 erhöht. Es steht in des Schiedsmanns Recht, die Gebühren nach seinem Befinden zu mindern und zu erlassen. Das gilt auch für die Bestätigung des erfolgten Versuches, auszugleichen, die mit 2 RM zu vergüten ist und dann zur Notwendigkeit wird, wenn die Sache straflicher Natur ist und der Kläger sie vor das Strafgericht bringen will.

In strafrechtlichen Dingen ist überhaupt die Stellung des Schiedsmannes wesentlich anders als bei den bürgerlichen. § 380 der Strafprozeßordnung lautet: »Wegen Hausfriedensbruchs, Beleidigung, leichter vorsätzlicher oder fahrlässiger Körperverletzung, Bedrohung, Sachbeschädigung und Verletzung fremder Ge-

 

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heimnisse (§ 299) ist die Erhebung der Klage erst zulässig, nachdem von einer durch die Landesjustizverwaltung zu bezeichnenden Vergleichsbehörde ein Vergleich erfolglos versucht worden ist. Der Kläger hat die Bescheinigung darüber mit der Klage einzureichen.«

Nach bestehendem Gesetz ist der Schiedsmann, von wenigen Ausnahmen abgesehen, im deutschen Reiche die für den vorgeschriebenen Vergleichsversuch zuständige Amtsstelle. Mit andern Worten: In den bezeichneten Strafrechtsfallen gliedert sich sein Wirken organisch ein in das Gesamtgefüge der Rechtsverwaltung als notwendiger, unvermeidlicher Bestandteil. Sein Wirkungsbereich deckt sich sachlich einigermaßen mit dem Gebiet derjenigen Straffalle, die nicht von Amtswegen verfolgt, sondern erst durch privaten Antrag zum Gegenstand richterlichen Urteils werden. Freilich übt er niemals eine voll richterliche Tätigkeit aus, indem ihm deren wesentliche Seite fehlt: das Suchen und Formen eines Rechtsurteils. Er hat immer nur sein Bemühen darauf zu richten, durch Beratung und Belehrung eine Aussöhnung herbeizuführen. Wenn man ihn als Friedensrichter bezeichnete, so würde das dem Laien wohl eindringlicher die Wesenheit seines Amtes widerspiegeln als die vom Gesetzgeber gewählte Benennung »Schiedsmann«. Die deutsche Rechtsprechung kennt den Schiedsmann erst seit gut einem Jahrhundert. Ostpreußen hat damit den Anfang gemacht, wenn man absieht von der Rheinprovinz, die schon unter der Franzosenherrschaft ihre Friedensrichter hatte. Einzeln haben andere Provinzen sich angeschlossen. Erst 1879 ist das Amt für das Königreich Preußen geschaffen worden, nur, daß im Rheinland der überlieferte »Friedensrichter« mit etwas abweichender Amtsbefugnis unangetastet blieb. 1925 ist die Preußische Schiedsmannsordnung mit zeitgemäßer Änderung in Wirksamkeit getreten.

Es ist wohl nicht schwer zu erkennen, welche Absichten den Gesetzgeber in diesem Falle geleitet haben. Verminderung der Prozesse und Entlastung der Amtsgerichte überhaupt, Schaffung einer Gelegenheit, durch ein sehr vereinfachtes und billiges Verfahren vor einem Vertrauensmann Zwistigkeiten ins reine zu bringen. Wahrlich, der zu friedlichem Ausgleich bereite Bürger dient nicht nur dem eigenen Wohle, sondern auch dem Gesamtwohle ist sein Beispiel zum Segen. Denn über jedem Prozeß liegt für den Laien mindestens ein Ungewisses, und selbst der Obsiegende macht nicht selten die Erfahrung, daß der erreichte Vorteil den Aufwand an Zeitverlust, Unkosten und Verdruß, der noch lange und bitter nachklingen kann, keineswegs aufzuwägen vermag. Die aufgezeigte fortschreitende Verbreitung des Schiedsamtes beweist ja auch, daß diese Zielsetzung von den Bürgern gewürdigt und beachtet worden ist.

Der Bezirk des Schiedsmanns darf natürlich nicht zu groß sein; man sollte meinen, daß eine Einwohnerzahl von 2000 ohne Not nicht zu überschreiten sei. Denn die Bereitschaft der Streitenden und der Erfolg der Verhandlung vor dem Friedensanwalt müssen doch wohl an Wahrscheinlichkeit gewinnen, wenn die Rechtsuchenden vor einer ihnen als untadelig bekannten Persönlichkeit ihre Sache verhandeln. Man müßte es wohl beglückwünschen, wenn eine gewissenhafte Statistik

 

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den Nachweis erbringen würde, daß die ideal gerichteten Ziele der Schiedsmannordnung in dem Bezirke der kleinen Gemeinden die verhältnismäßig höchsten Erfolgsziffern aufzuweisen haben. Sollte nicht auf diesem Gebiete ein Wettlauf sich lohnen? Gilt nicht auch im Sprichwort, also im Urteil unserer Ahnen, derjenige als der Klügste, der nachzugeben versteht? Mag der Schiedsrichter in dem der Rechtsuchung dienenden Beamtenapparat die unterste Stufe bilden: die hohe, der gegenwärtigen Staatsauffassung am meisten entsprechende Idee des Schlichtens, des Ausgleichens und der Zusammenführung finden doch in seiner Funktion ihre schönste Bekundung.

Am Schluß seien die Männer genannt, die in Bramstedt das ehrende Amt des Schiedsmannes bekleidet haben.

1.    N. F. Paustian, 1879 zum erstenmal gewählt,

2.    Gustav Bassmann, 1896 zum erstenmal gewählt,

3.    Gustav Reimers, 1919 zum erstenmal gewählt,

4.    Rentner Friedrich Kröger, 1927 zum erstenmal gewählt,

5.    Markus Röstermund, 1931 zum erstenmal gewählt.

 

VON DEN BRAMSTEDTER TOREN

 

Wohl jedem, dem unsere Stadt zur Heimat geworden ist, sind die Namen Hogedor, Hudedor und Beecker Dor geläufig. Auch verbindet man damit die Vorstellung, daß diese Tore dienen sollten zur Abwehr feindlich gesinnter Menschen, also gegen räuberische und kriegerische Überfälle. In Verfolg dieses letzten Gedankens schloß man auf mehr oder weniger feste Bauwerke, die an den Furten, später Brücken, im Südosten, Westen und Norden die Zuwege zum Orte zu schirmen geeignet waren. Dem »Hogedor« wird dabei eine Vorrangstellung eingeräumt. Schon der Name deutet auf ein besonders hohes Schutzwerk von entsprechender Festigkeit hin; auch habe die Furt durch den hierbei in Betracht kommenden »Kaffeegraben«, den schwächsten Teil der uralten Wasserfeste, den Anlaß zur Herstellung eines stärkeren Torbaues gegeben. Eine handfeste Begründung dieses Gedankenganges liegt nicht vor. Wie stellt sie sich dem Chronisten auf Grund der bisher möglich gewesenen Forschung vor?

Den ersten Hinweis gibt das alte Fleckensbuch aus dem Jahre 1573. Danach »hefft de herr stadtholder hinrich Rantzow simon steckmesth buten dem hogendore ene stede gewiseth, dar schall he ene Schüne up bawen...«.

Ferner lesen wir eine undatiert, der Seitenzahl nach (13) vor 1573 erfolgte Eintragung, die sich auf eine »stede vor dem hoge Dore« bezieht: »Düsse sülwe stede hebben de Blekeslüde gedon (überlassen) Eggerth westfal, dat he dor up schole buwen unde dem Bleke alle Jar darvor gewen 24 Schilling und schole den rönnebom sunder versümnisse up unde tho sluten und by sodannen beschede schole he sampt syner fruwen und kyndern dar rowlich up bewanende bliewen.«

 

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Hier ist nun mit Händen zu greifen, wie es im 16. Jahrhundert um das »Hohe Tor« bestellt war. Nicht ein Tor in eingangs berührtem Sinne befand sich dort; nicht Torflügel waren zu befohlener Stunde zu schließen oder zu öffnen, sondern lediglich ein Schlagbaum; denn nichts anderes bedeutet das Wort »Rönnebaum«. Von diesem dürfen wir getrost annehmen, daß er grundsätzlich zur Nachtzeit den Verkehr für Fuhrwerke und Viehtriften abzusperren hatte. Dabei ist zu bedenken, daß Bramstedt früher eine Zollstätte war, auch den Anspruch hatte, daß die in Massen nach dem Süden geführten Trupps jütischer Ochsen hier im Flecken Rast zu machen hatten. Die geopolitischen Verhältnisse, wie wir heute so schön sagen, brachten es mit sich, daß der Verkehr über Bramstedt sehr überwiegend in der Nord-Süd-Richtung seinen Weg nahm und noch heute nimmt. Anno 1711 sind laut Meldung des Fl.-Buches im Anschluß eines Neubaues der »Hogendohrer Brücke« auch »Neue Schlag-Bäume« gebaut worden. 1723 übernimmt Gotthard Lesau die Verpflichtung gegen den Flecken, »von nun an die Bracks Höve jederzeit untadelhaft zu befriedigen, auch den Schlagbaum sampt die Behörigen Recken über die Auen zu unterhalten.« Nichterfüllung zieht den Verlust des »ohrts Bracks-Höve« nach sich. -

Diese Nachrichten des Fl.-Buches geben ihrer Form nach dem Gedanken Raum, daß mehrere Schlagbäume vorhanden gewesen sind. Die Lage der »Bracks Höve« sicher auszumachen, hat dem Verfasser nicht gelingen wollen; doch ist ihm wahrscheinlich gemacht worden, daß genannter »ohrt« auf die Hambrücke hinweise. Der Annahme, daß Bramstedt in alten Zeiten gleichzeitig zwei Schlagbäume bedienen ließ, steht nach diesem nichts im Wege.

Dabei bleibt die Tatsache bestehen, daß das Fleckensbuch weder die Beecker- noch die Hudebrücke jemals in Verbindung mit einem Schlagbaum nennt und solches auch sonst in keiner Urkunde bisher gefunden worden ist. Sehr beachtlich ist auch, daß die Fleckenssatzung von 1749 etlichemal vom »Kirchtor« spricht, während bisherige Auszüge aus Bramstedts Geschichte davon nichts verkünden. Man wird nicht geneigt sein, die nachgewiesenen Schlagbäume als Stadttore im üblichen Sinne des Wortes anzusprechen. Hochgebaute Tore, wenn auch nur aus festem Eichenholz, bestimmt und geeignet, dem Feinde den Zutritt zu wehren, hat das liebe Bramstedt wohl nie errichtet und erlebt. Schon mit Rücksicht auf die erheblichen Kosten für Bau und Instandhaltung ist es recht bedenklich, das Gegenteil anzunehmen. Nicht ohne Grund weisen in ihren Klagen beim Könige die Ratmänner darauf hin, daß die drei Brücken über die Auen eine unerträgliche Last für sie bedeuten. Immer wieder werden die Kostenanschläge und Rechnungen ihm vorgelegt. Aber niemals verlautet etwas über Kosten für Torbauten. Tore als Schutzwehr hätten auch, wenigstens für die Nacht, Wachmannschaft nötig gemacht, und nicht wenig. Die Fleckensverwalter wählten und bezahlten nachweislich nur einen Nachtwächter, von dem kriegerische Fertigkeit nicht beansprucht wurde.

In deutschen Städten waren die Tore durchweg in starke Mauern eingefügt. Sollten die Auen wirklich ähnlichen Schutz gewahrt haben? Oder der oft genannte

 

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Kaffeegraben mit seinen doch mindestens bescheidenen Ausmaßen? Mir ist ein Schriftstück in Erinnerung, in dem die Fleckensleute sich beklagen, daß der Müller ein Notwehr beseitigt habe, daß bei hohem Wasserstand der Osterau geöffnet werden sollte, um einen Ausgleich mit den andern Auen zu ermöglichen, die nicht in gleichem Sinne dem Stauzwang unterstanden wie die östliche Schwester. Sollte nicht für solchen Fall der Graben besser tauglich sein als zur Abwehr einer Kriegsmacht?

Nach allem kann es nicht schwerfallen, die Bramstedter Tore als Verteidigungsmittel auszuschalten und sich mit der Erinnerung an den Schlagbaum beim »hogen Dore« und seinem möglichen Artgenossen zu begnügen.

Abschließend noch ein Hinweis, daß man auch sonst im hiesigen Kirchspiel in durchaus ähnlicher Weise die Ausdrücke Tor und Schlagbaum verwendet. In Wiemersdorf steht am Ausgange des Ortes nach der Ostseite ein prachtvoller alter Eichbaum, der heute, wie schon in meiner Kindheit, schlechthin »Osterdorbom« genannt wird. Auch das Heckdor an den Ackerfeldern und Viehweiden sei in Erinnerung gebracht.

Noch ein Wort zum »hogen« Dor. Nehmen wir gleich »Hogen Stegen« hinzu. Welcher Ortskundige wird dabei an eine nach Metern zu bestimmende Höhe denken? Es handelt sich um eine bildlich zu nehmende Ausdrucksform, die dem Hochdeutschen wie dem Plattdeutschen durchaus geläufig ist. Geographisch genommen, wird damit etwas bezeichnet, das weit ab, ferner als anderes, an der Grenze liegt. Der Plattdeutsche setzt an Stelle von »hoch« gern das für ihn echtere »baben«. Dafür noch ein Beispiel aus Wiemersdorf. An der Aue und an der Armstedter »Schee« liegt ein Moorland, das alte Urkunden benennen als »de böwerste Loh«, eben weil es an der Grenze liegt. Freilich hat reine Bequemlichkeit die Einwohner gewöhnt, daraus eine »Bewerloh« zu machen.

 

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V. DAS GUT BRAMSTEDT

 

Dargestellt nach alten Fleckensurkunden und besonders nach den Dokumenten des Kieler Staatsarchivs.

Das Gut Bramstedt hat durch Jahrhunderte in so enger Beziehung zum Flecken gestanden, daß dessen Geschichte und das Geschick seiner Bewohner in ungewöhnlich hohem Maße dadurch beeinflußt worden ist. Damit ist, abgesehen von dem rein historischen Gesichtspunkt, die Pflicht gegeben, dem Gute an sich und wegen seiner Auswirkung auf den Entwicklungsgang der Fleckengeschichte eine eingehende und umfassende Darstellung einzuräumen. Darum wird hier der Versuch gemacht, nach Möglichkeit in jeder Richtung klarzustellen, was das Gut gewesen ist und bedeutet hat.

 

I. Entstehung des Gutes

 

Sind wir völlig außerstande, das Geburtsjahr des Fleckens zu nennen, so liegt es in dieser Hinsicht merklich anders beim Gut Bramstedt. Im Jahre 1541 verschreibt der Dänenkönig Christian III. dem Caspar Fuchs wegen der Verdienste, die er sich als Sekretarius um das Königliche Haus erworben, auch weil er sonst dem Herrn Vater schon »gehorsamlich gedienet« hatte, diejenigen Güter und Lansten (Landsassen, Dauerpächter), die unter der Regierung des Königlichen Vorgängers Dirick Vageth zu Bramstedt »von unserm Herrn Vatter innegehabt«. –

Dieser Dirick Vageth wird uns vom alten Fleckensbuch um 1530 als »Borgimeister« des Fleckens vorgestellt. Er scheint zu seinem Landesherrn in besonders guter Beziehung gestanden zu haben. Denn es muß als ausgeschlossen gelten, daß ihm etwa sein Fleckensamt die Nutzung der nun aufzuzählenden Besitztümer eingetragen hatte. Besser stellt man sich ihn als Pächter Königlichen Eigentums vor. Die Verschreibung an Fuchs aber zählt auf: »im Dorff Hedershausen (Hitzhusen) die vier Erbes mit Namen Henning Cruse, Carsten Stoltmer, Hansen Ostermoor (?), Hartwig Dietter; im Dorffe Zum Hagen: Timotes Fulendorff, im Dorffe Borstel: Andreas Grip; im Dorffe Wimersdorff: Marquart Hinrichsen, Hansen Eggers; im Dorffe Weddelbrook: Meiner Folster und Marquart Otte. Dazu alle andern gemeldten Dirick Vogts zu Bramstedt Güter und Kathensteden, Häuser, Weiden, Wiesen mit allem Zubehör, Herrlichkeiten1) und Freiheiten an Holzung, Jagden, Fischereien und Mattenfreiheit2) nichts ausgenommen«. Alles zu vollem vererblichen Besitz. - Auch »Gerichtsbarkeit an Halß und Handt, alle Freiheiten,

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1) Herrschaftlichen Rechten.

2) Kostenfreies Mahlen in des Königs Mühle.

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so alß andere vom Adel ihre Güter in unsern Fürstentümbern Schleswig und Holstein inne haben«.

Dies alles, also 10 Hufen in den genannten Dörfern und etliches, nicht genau bezeichnete, anher von Vageth genutzte Grundrecht im Flecken (1 Hufe?) soll nunmehr, als Gesamtbesitz ausgestattet mit dem holsteinischen Adelsrecht, in das Eigentum von Caspar Fuchs übergehen. Hinzugefügt wird noch, daß einige Häuser in Weddelbrook und die Mühle zu Campen ihm unvererblich gehören sollen.

Es drängt sich die Frage auf, ob das beschriebene, dem Caspar Fuchs zugeeignete adelige Gut eine Neugründung ist, oder ob dies Besitztum schon vorher mit allen Rechten eines Adelsgutes ausgestattet war. Die Beantwortung dieser Frage kann gefördert werden, durch eine genauere Betrachtung der Person des vorangegangenen Inhabers. Hatte er die Rechte des »Edelmannes«? Das Fleckensbuch zeigte ihn bereits als »Bürgermeister« des Ortes auf; also war er Träger der höchsten Würde, die die Fleckensbürger zu vergeben hatten. Er war ihr an erster Stelle verantwortlicher Repräsentant. Konnte er in solcher Stellung gleichzeitig Inhaber adeliger Gutsrechte sein, die gänzlich außerhalb der Fleckensrechte lagen? Müßte nicht solche Amtsverknüpfung im gegebenen Falle zu unleidlichen Kollisionen führen? -

Die gleiche Quelle berichtet, daß um 1530 der Bramstedter Hufner Eggert Speth Kirchspielsvogt des Fleckens, also ein dem Dirick Vageth übergeordneter königlicher Beamter gewesen ist. 1537 wird Eggert Speth im Hufnerverzeichnis des Fleckens wiederum genannt, und zwar als erster. Vagets Name fehlt dort überhaupt. Dieser letztere Umstand könnte die Meinung wecken oder stärken, damit wäre Vageth als Gutsbesitzer legitimiert, der eben nicht unter dem Amte Segeberg gestanden habe. -

Wäre aber ein Edelmann bereit gewesen, als Bürgermeister sich einem bäuerlichen Kirchspielsvogt unterzuordnen? Wohl kaum. Man darf hier einfügen, daß gerade zu jener Zeit, wo Luthers Lehre gegen die katholische Kirche sich durchzuringen suchte, auch die Gegensätze unter Edelmann und Bauer besonders stark hervorgetreten sind. -

Wir überlegen: Dirick Vaget hat das Land und die sonstigen »Güter« vom Könige »innegehabt«. Dieser Ausdruck braucht nicht notwendig auf ein Besitzrecht hinzuweisen; es kann sich lediglich um das zeitlich begrenzte Recht der Nutzung gehandelt haben. Dafür spricht stark der Umstand, daß bei der Übereignung an Caspar Fuchs mit keiner Silbe von einem Kauf die Rede ist, völlig im Gegensatz zu der etwa 100 Jahre später erfolgenden Übergabe der Gutsländereien an Wiebeke Kruse, wie weiterhin darzulegen sein wird. Auch die bei der Verleihung der Adelsrechte gewählte Formulierung: »als andere vom Adel ihre Güter in unseren Fürstentümbern innehaben« läßt vermuten, daß Fuchsens Gut bisher ohne solche Rechte gewesen ist. Man hätte sonst doch natürlicher sich darauf beschränkt, die Ländereien mit allen anhaftenden Rechten zu übereignen. Wir kommen zu folgenden Schlüssen:

 

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a)     Das von Dirick Vaget »innegehabte« Land mit Zubehör hatte mit Gutsrechten nichts zu tun, ganz einerlei, ob es sich dabei um den gesamten aufgezählten Besitz oder etwa nur um die in der Fleckensgemarkung gelegenen »Güter« gehandelt haben mag.

b)    Das ganze »Gut«, im Flecken und in den Dörfern liegend, ist als landesherrliche Domäne zu erachten, die unter unbekanntem Rechtsmodus dem Vageth zu zeitlicher Nutzung überlassen worden war.

c)     Im Jahre 1541 sind genannte »Güter« zu einem mit adeligen Rechten ausgestatteten Gut vereinigt, als solches vom Landesherrn an Caspar Fuchs zu unbeschränkter Verfügung übergeben worden, dazu die Campener Mühle und zwei Häuser in Weddelbrook zu Nutzung nur auf Lebenszeit des Beschenkten.

Am Schluß dieses Kapitels wird der vorliegende Gegenstand noch einmal berührt werden. Hier sei nur noch bemerkt, daß zur gegebenen Zeit es für die Fürsten nicht schwer war, ein Gut zu verschenken. Denn damals wurden in unserm Lande die katholischen Klöster, abgesehen von ein paar adeligen Frauenklöstern, aufgehoben zugunsten der weltlichen Herrschaft d. i. der Landesherren.

 

II. Gutsgeschichte bis zur Überweisung an Wiebeke Kruse 1633

 

Der genauere Nachweis über Umfang und Beschaffenheit des Gutes, insonderheit des in der Bramstedter Gemarkung gelegenen Teiles, ist zunächst, weil die Quellen versagen, nicht zu führen. Doch liegen andrerseits keinerlei Nachrichten über Änderung des Besitzstandes bis zu dem Augenblick vor, wo das Gut abermals in den Besitz des Königs übergeht, und in dem so berührten Zeitpunkt ist auch die Möglichkeit gegeben, unser Gut überhaupt besser zu durchleuchten. Aus Caspar Fuchsens Zeit und Wirken ist hier nichts mehr zu berichten. Erst 1591 vernehmen wir, daß das Gut in Gerdt Stedingks Besitz sich befindet. Er ist Angehöriger einer hochangesehenen dänischen Adelsfamilie, und als Minister für Holstein im Dienst des Königs 1606 gestorben.

Nicht durch Kauf scheint er Besitzer geworden zu sein. Die Nachricht, daß er sich mit Elisabeth Fuchs verehelicht habe, läßt auf eine andere Form des Übergangs schließen.

Ob die gnädige Frau eine Tochter oder eine Enkelin unseres Caspar Fuchs gewesen sei, muß dahingestellt bleiben, könnte ja auch den Wert der Chronik nicht merklich beeinflussen. Die Heirat hat den Anlaß gegeben, daß das Gut seitdem recht oft als Stedings Hüser und bald und dauernder als Stedingshof bezeichnet wird.

40 Jahre lang hat diese neue Firma Bestand gehabt. Dann tritt Christian IV., nachdem er die Bauerntochter Wiebecke Kruse aus dem Nachbardorfe Förden-Bari liebgewonnen, als Käufer auf den Plan. Er läßt durch einige Beamten recht eingehende Bestandsaufnahmen machen, die zum guten Teil noch vorliegen und nun sichtbar werden sollen.

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Anno 1631 durch die Königl. Mayest. gnedigest erkauft: Stedingkshyser (Häuser) zu Bramstedt.

Jerrliche Abgaben, so Stedinkgs Leute zu Bramstede geben: in Bramstede die Kätener, in den Dörfern Weddelbroke, Hiddershusen u. Hagen die Hufner u. Kätener, in Borstell und Wimerstorf die Hufner (alle, soweit sie zum Gute gehören) Haur, Ochsenfütterung, Schweine und Rook-Huhn:

1.  Die Summe aller stehenden (laufenden) Gelthaur = 171 Mark 11 Schilling.
Lieferschweine 11, Roockhuener 23.1)

Von obestehender Gelthaur geht ab

für Ochsenfütterung......................    36 Mark

bei Johann Horns, Hiddeshusen  .       1 Mark 12 Schilling

bei Carsten Hardbeck, Wimerstorff    4 Mark   9 Schilling   42 Mark   5 Schilling

bleiben an Gelt............................................................................ 129 Mark   6 Schilling

Es kommen in Abzug2)

von den Schweinen 2, bleiben   9

von den Huenern    3, bleiben 20

2.  Geld vor die verkauften Schwei-
ne, so die Leute gegeben ............    60 Mark 12 Schilling

Geld vor die verkauften Huener,

so die Leute gegeben   .................    14 Mark............................ 74 Mark 12 Schilling

3.  Geld vor vorhaurte Wischen:
Von Faken Eitken (Titken?) vor
ein Wisch, so Arent Steding ihm
verhaurt, ehr Ihr. Mayst. den Hof

gekauft............................................................................................. 30 Mark

4.  Geldeinnahme vor verkauften Rogken:
Vermöge des hernach befindtli-
chen Korn Registers ist an Rog
ken verkauft worden, so Johann
Vaget eingesandt: vor 9 Tonnen

Roggen zu 7 Mark ist....................    63 Mark

vor verkauften Buchweitzen ...       50 Mark

vor verkauften Habern..................      4 Mark............................ 117 Mark

Summa, was bei dieser Ersten
Rechnung an gelde Dorch Jo
hann Vaget den Carspelvagt war
eingegangen .............................................................................. 351 Mark   2 Schilling

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1) 1 Huhn für jede Rauch- d. i. Feuerstelle (Feuerherd).

2) Grund nicht angegeben; wohl Naturallohn für den Verwalter.

 

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Ausgabe an Gelde von voriger Einnamb

 

Dem Vogt Arendt Ham seine Jährliche Besol-

dung ist von Herr Casper Buchwalt, Kam-

[mer] Rath und Ambtmann auf Segeberg mit

ihm darüber accordiret..........................................       40 Mark

Vor Arbeitslohn, Material- und Baukosten

wegen Herrichtung eines Neuen vorwergks

und gebeuw zu Bramstede ..................................  1 808 Mark   9 Schilling 9 Pfennig

Vor eingekauftes Kohrn zur Saadt ...................        37 Mark   8 Schilling

Allerhandt gemeine Ausgaben, entstanden

durch Heranholen und Füttern dänischer

Ochsen..................................................................      135 Mark

In allem..................................................................   2 021 Mark   1 Schilling 9 Pfennig

Dieser Ausgabe steht gegenüber eine Ein-
nahme von............................................................      351 Mark   2 Schilling

Es verbleibt ein Manko von..............................   1 669 Mark 15 Schilling 9 Pfennig1)

Daher ist ein Posten in dieser Höhe von der Segebergischen Amtshebung abgetragen worden, »daher solcher auch im Ambtregister zur Ausgabe mit eingefuert.« Das bereits angezeigte Korn-Register für das Jahr 1631, dem ersten, wo Christian IV. als Gutsherr zeichnete, möge den Einblick in die dem Gute innewohnende Kraft erweitern.

Die Leute aus den Dörfern haben ihm zu liefern         25 Tonnen 1 Himpten Roggen

davon nicht eingegangen...........................................        5 Tonnen

Also empfangen...........................................................     20 Tonnen 1 Himpten

Rogken, so Anno 1631 gedroschet (auf dem Hof) von dem Einfall, so arent Steding vorgangenen Herbst daselbst geseyet worden, ist

gewesen......................................................................................... 13 Tonnen 2 Himpten

Ist wieder gedröschet worden wie folgt:

Am   1. Oktober ............................   3 Tonnen

Am   6. Oktober ............................  5 Tonnen

Am 12. Oktober ............................  4 Tonnen 2    Himpten

Am 24. Oktober ............................  2 Tonnen 1     Himpten

Am 12. Januar (1632)....................   3 Tonnen 4 ½ Himpten

Am 23. Januar................................ 2 Tonnen

Am 30. Januar................................ 8 Tonnen

Am 14. April................................... 3 Tonnen........................... 31 Tonnen 2 ½ Himpten

dazu obiger von den Bauern gel.                                               20 Tonnen 1 Himpten

Summarium an Roggen.............................................................. 51 Tonnen 3 ½ Himpten

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l) Als gewissenhafter Chronist bekenne ich, einen in der Rechnung gefundenen kleinen Fehler ausgemerzt zu haben; ferner, daß für den Bau des Vorwerks noch 479 Mark als weitere Aufwendung für das Jahr 1652 vorgesehen sind.

 

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Buchweitzen: gedröschet und an Steding zurückgegeben, weil er ihn geseyet

(gesäet)........................................................................................     4 Tonnen 1 Himpten

Außerdem gedröschet Buchweizen......................................... 44 Tonnen 1 Himpten

Hafer ebenso ...............................................................................   12 Tonnen

Es wird nun die Herausgabe von Korn gemeldet, wonach im Bramstedter Vorwerk ein Vorrat geblieben von 2 Tonnen 1 Himpten Roggen, 44 Tonnen 1 Himpten Buchweizen und 12 Tonnen Hafer.

Auch wenn uns der Tag der Abrechnung verschwiegen bleibt, erkennen wir, dem Landbau nicht so fern stehend, daß der Stedinghof, so wie er sich uns darstellt, dem wiederum Besitzer gewordenen König nicht als eine würdige Morgengabe für seine Wiebeke, die künftige Mutter von Königskindern, gelten konnte. Wir haben den Roggenpreis von 7 Mark für die Tonne uns gemerkt und wissen, daß er, zu Kriegszeiten gezahlt, so stand. Wir wissen, daß der mengenmäßig stark hervortretende Anbau von Buchweizen kein gutes Anzeichen für die Bodengüte ist, und wittern bereits Heidschnucken, die ihre knappe Nahrung suchen. Der Leser erwartet, daß der König seine Pflicht erfüllen wird, wie ja durch den Neubau der Gebäude im Vorwerk es sich bereits andeutet. Ein wenig Geduld. Zunächst noch etwas über den

 

Kaufpreis

 

Amtmann von Buchwaldt und Herr von der Meden betreuen diese Angelegenheit und was damit zusammenhängt. Wir erfahren, daß der König zu zahlen hat

19 000 Mark Davon erhält Arendt Steding den vierten Teil = ...        4 750 Mark

Dazu eines Jahres Zinsen (5 Prozent)...............................      237 Mark     4 987 Mark

Hiervon der Mutter Elisabeth Stedings zuerkannt als

Alimentengelder...................................................................      800 Mark

Noch das Capital auf 109 Mark jährlich zu entrichtende

Alimentengelder, macht......................................................  1 800 Mark

Noch  davon abgezogen  der  Frauen  eingebrachter

Brautschatz, ist.....................................................................  1 500 Mark     4 100 Mark

Restet zu teilen unter den handschriftlich genannten

0Creditoren pro rata.............................................................................................. 887 Mark

Nämlich Bartels von 300 Mark...........................................      200 Mark

Westphall1) von 600 Mark.................................................      450 Mark

Weitere mit kleineren Forderungen..................................      237 Mark        887 Mark

Man stellt mühelos fest, daß die Stedings auf ihrem Gute keine Seide gesponnen haben. Den notleidenden Gläubigern wird aber testiret, daß sie beim Tode der Mutter aus dem für diese festgelegten Kapital »zufürders« befriedigt werden

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1) Beide im derzeitigen Kirchenregister des Fleckens verzeichnet.

 

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sollen, wie auch dem Steding zur Pflicht gemacht wird, ad meliorem fortunam (bei besserem Vermögensstand) diese Befriedigung schon früher zu leisten. Und nun laßt uns sehen, wie sich Christian IV. verhält, im besonderen gegen die von ihm ins Herz geschlossene Bauerntochter aus unserem Kirchspiel. Uns wird zunächst verkündet, daß das mehrfach erwähnte Wohnhaus planmäßig fertiggestellt wurde, bis, aus bestem Holz aus dem Königlichen Segebergischen Walde, auch das abschließende Plankwerk an seinem Orte stand.

 

III. Die Übereignung des Gutes an Wiebecke

 

schließt sich an, bestätigt durch Schenkungsurkunde vom 16. November 1633. Sie lautet:

»Wir Christian der Vierdte ... thun kund hiermit, daß Wir der ehrsamen unser lieben besondern Wiebken Krusen aus besonderer Königl. Gnade Unser zu Bramstedt Erblich erkauftes Guht, sambt allen Pertinentien und Zubehörung, selbiges für sich und ihre Erben künftiger Zeit zu Nutzen, zu gebrauchen und zu besitzen, auch damit ihrer Gelegenheit nach zu schalten und zu walten genädigst gönnen und zukommen lassen wollen. Thun auch solches hiermit und in Kraft dieses nachfolgender Gestalt und also. Nachdem Wir auf eingenommenen Augenschein Unser verordneten Commissarien (Beauftragten) eingekommenen Relation (Bericht) und die darin enthaltenen unvorgreiflichen Vorschläge allerdings absonderlich confirmiret (bestätiget) und fürgenehm gehalten, daß dem ihr zugedachten Gute hinfüro überall (in allen Teilen) durch die Bank der fünfte Teil der Fleckensfeldmark an Acker, Wiesen, Weyden und Holtzung und als für erst an Acker Sechs Hufen Landes, als wovon ungefähr von ein jedweder Hufe auf Zwölf Tonnen Winter- und Sommer-Saat gerechnet und gesäet, zwey und Siebenzig Tonnen Saat Körner können ausgesäet werden; ingleichen nach advenant (entsprechend) Heuwinnung, Fuder gegen Fuder gerechnet1) der fünfte Theil an Wischen gehören und zustehen soll und zwar diese allerseits, wie sie in einem continuirlichen (zusammenhängend) District nach einander hinter oder sonsten in der Nähe beim Hoffe, durch dazu Deputirte Unpartheyliche, Hausleute ausgenommen, und situirt seyn. Wegen der Holtzung aber muß alsofort und bey Zeiten der fünfte Theil dem Guth am negsten abgetheilet und zugelegt und dabey gelassen; die nohtdürftige Feurung und das Brennholtz soll aus der Heyde und Weyde unsern Beambten [aus-]gefolget werden. -

Alldieweil die Diensten (Dienstpflichtigen), so zu dem Hoffe ordinaire gehörig und dieselben theils weit ab und doch unter gedachtes unsers Ambts Botmäßigkeit belegen sein, haben wir die fünff Hufen, so unß in dem Dorfe Hiddershusen zukommen, sodan annoch 2 Hufen zu Weddelbrock, als dem Gute näher und bequehmer gelegen, mit aller Abgift, Hoch- und Gerechtigkeit erblich dazu ver-

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1) Die Wiesen sollen also nicht nach Flächengröße, sondern nach Ertragfähigkeit zugemessen werden.

 

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ordnen und den vorigen, so ohne das (ohnehin) mit dem Gute daselbst erkauft, beythun wollen. Es sollen aber die Dienste von den Unterthanen überall gleich seyn, wie von anderen (den bisherigen) Adelichen Unterthanen des Guts geschieht, (so auch von den hinzukommenden) abgehalten und geleistet werden. -

Ingleichen, als die Haushaltung viel erfordert, und wegen der Matten und ander Uhrsachen halber schwer fallen wollte auszurichten, soll gedachter Impetrantin (hier: Wiebecke) und ihren Erben Unsere Mühle zu Bramstede, wovon Uns sonsten Unser Ambt Register Jährlich Siebenhundert und Fünfzig Mark entrichtet, zustehen und gegönnet werden, daß Sie und ihre Leibes Erben ihrer Nothdurft nach deren Einkommen zu ewigen Zeiten zu nutzen und zu genießen haben. Wir auch nichts deroweniger den Ohrt Landes, die Mönke Gayen genannt, so jährlich 25 Reichsthaler Haur gegeben, samt allem Zubehör an Wiesen und Weyde [gleicher-]maßen drey Zum Borstel und Hagen sonsten in der Ambt-Wechslung abgehende Hufen wiederumb dazu geleget. Daß also in alles achtzehn Vollhufen und neunundzwanzig Kätener hinfüro zu dem Gute Bramstedt (gehören), sambt dem, was sonsten zuvor dazu gehörig gewesen und von (gemäß) dem Kauf-Brief und anderen Dokumenten bekommen, soll gerechnet und genutzet werden.

Bey diesem allen wollen nicht allein Wir, sondern auch unsere Nachkommen je und allewege gedachte Wybke Crusen und ihre Erben allerseits geruhig und unbetrübt verbleiben lassen, [im] besondern auch gebührlich für Uns allerseits stützen und handhaben, auch Unsern Beambten ein Gleiches zu schuldigem Gehorsam zu verrichten mittels diesem eingeben und Empfohlen haben.

Uhrkundlich unter Uhreigenem Königl. Handzeichen und Secret (Geheimsiegel) gegeben auf unserm Schloß Schandersburg im Sechzehnhundert drey und dreißigsten Jahre den 16. Tag November.«       Christian.


Zu diesem Vertrage ist einiges zu sagen, der nötigen Klarheit wegen.

a)  Sein Text ist einer der im Kieler Archiv in mehreren Exemplaren vorhandenen Abschriften des Originals entnommen. Das Original ist möglicherweise in Kopenhagen vorhanden. Im übrigen wird von der Baronin von Grote, einer späteren Inhaberin des Gutes, wiederholt betont, daß die alten Urkunden durch Raub und Feuer vernichtet worden seien. Es liegt indessen kein begründetet Anlaß vor, die Richtigkeit des überlieferten Textes anzuzweifeln.

Die Tatsache aber, daß wiederholt in den Akten betont wird, der König habe sein Fünftel mit 6 Hufen zu reichlich berechnet, da doch der Flecken nur gut 28 Pflüge zählte, beweist in einem Hauptpunkte die Zuverlässigkeit.

b)   Es ist beachtlich, daß die Königliche Donation rechtlich ein Zweifaches darstellt: die 18 Hufen und die 29 Kätnerstellen werden als Besitztum mit unbeschränkter Verfügungsfreiheit übergeben, während die Mühle und Mönke Gayen zur Nutzung für Wiebeke und ihre Leibeserben bestimmt werden, somit nicht verkäuflich sind und an den Landesherrn zurückfallen beim Ableben des letzten Leibeserben.

c)   Bei Aufzählung der mit dem fünften Teil vom Flecken abzugebenden Flurstücke wird das Moor nicht mitgenannt. So ist es wohl verständlich, daß in der

 

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Folge Prozesse entstehen zwischen Flecken und Gut. Hinsichtlich des Ackerlandes und der Weiden fehlt die Bestimmung, daß auch sie als in sich geschlossene Gebiete ausgemessen werden sollen. Ein zweiter Grund zu Streitigkeiten.

d)    Wiebeke Kruses erbliches Gut überschritt dem Umfange nach das ehemals Stedingsche ganz bedeutend. Während Arent Steding nach der Roggenrolle von 1631 nur 13 Tonnen 2 Himten Roggen als seine Aussaat erstattet wurden, rechnet der vorliegende Vertrag mit 72 Tonnen für die sechs Bramstedter Hufen; danach wäre der ursprüngliche Bramstedter Bestandteil nur mit einer Hufe zu berechnen. Zum Nachdenken regt es an, daß der König in Hitzhusen jetzt über fünf »ihm zukommende Hufen« verfügt, während es 1541 nur vier waren. Ferner, daß Wiemersdorf diesmal überhaupt nicht genannt wird.

e)     Ein kritischer Punkt ist die Tatsache, daß Christian IV. von der gesamten Bramstedter Gemarkung nun den fünften Teil als sein Eigentum in Anspruch nimmt, nachdem er Mühle und Gayen zuvor für sich reserviert hatte. Man könnte denken, es handele sich um eine Gewalttat, die in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges nicht weiter auffällig gewesen sei. Doch sprechen sehr ernste Gründe dagegen. Zunächst stand unser Land 1631 ganz außerhalb des Krieges; denn Christian IV., eine Zeitlang Führer der Lutheraner, hatte 1629 zu Lübeck mit den Kaiserlichen seinen Frieden gemacht. Zudem ist gerade er wegen seiner Gerechtigkeitsliebe der volkstümlichste unter den dänischen Herrschern gewesen. Es steht geschichtlich fest, daß er bereits 1634 die Leibeigenschaft der Bauern in seinem Lande aufheben wollte und daran nur durch den hartnäckigen Widerstand der politisch mächtigen Adelspartei gehindert worden ist. Man hat keinerlei Recht, ihm solche Handlungsweise nachzusagen, am wenigsten im Falle Bramstedt, wo er seiner geliebten Bauerntochter ein dauerndes, friedliches Heimschaffen wollte. - Vielleicht ist ein Lichtblick in der Tatsache, daß von dem obengenannten Kaufpreis - 19000 RM - nur der vierte Teil dem Arendt Steding zustand. Es könnte daraus die Folgerung gezogen werden, daß die übrigen drei Viertel den Preis für die fünf Bramstedter Hufen darstellten. Hätte davon aber das alte Fleckensbuch nicht Kenntnis nehmen sollen, das doch seit 1530 geführt wurde und Nachrichten anderer Natur aus 1631 und 1633 bringt? Und nun gar die redseligere Kirchenchronik? - abgesehen davon, daß auch zwei Weddelbrooker und eine Hitzhusener Hufe neu auf dem Platze erscheinen und bei Abschätzung des Kaufpreises möglicherweise in Rücksicht zu nehmen wären, liegt ja durchaus nicht die Annahme fern, daß bei der nachgewiesenen Verschuldung Arent Stedings die in Frage stehenden drei Viertel haben an Pfandgläubiger ausgehändigt werden müssen.

Geht man davon aus, daß der fünfte Teil der Gesamtgemarkung bisher königliches Eigentum in des Fleckens Nutzung gewesen sei, so müßte eine Folge sein, daß die Fleckensverwaltung dafür eine bestimmte Entschädigung hätte zahlen müssen. Das Fleckensbuch kann hier einen Fingerzeig geben. Es berichtet getreulich:

 

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1530    Was de Bleckeslüde den Kgl. Mayest. Jarlikes thom schatte schuldich tho

gewende (geben), ys yn alle[m] 14 Mark 11 Schilling 6 Pfennig lübsch.

1630    Dem schriewer gegewen vor den Kgl. schadt 10 Rikes Daller.

1661    Herrn Amtsschreiber gegeben Kgl. schadt 10 Rikes Daller.

Da 1 lübische Mark = 16 Schilling, 1 Reichsthaler = 24 Schilling wertete, ergibt sich schnell, daß die Abgabe in den drei Jahresangaben kaum unterschiedlich, in 1630 und 1661 aber völlig unverändert ist.

Es kann nach allem mit gutem Grund behauptet werden, daß das Besitzrecht des Königs mindestens seit 1530 bestanden hat, wie es für die Mühle an anderer Stelle unwiderleglich erwiesen wird1). Was aber Mönke Gayen anlangt, so muß sein Gebiet einmal einem Kloster zugehört haben, um dann infolge der Säkularisation2) nach der Reformation an Königs Hand zurückzufallen. Das in Frage kommende Kloster wird Reinfeld gewesen sein. Die Frage, wie denn der König Eigentümer von Bramstedter Pflügen geworden sein möge, wird wohl nicht mehr in voller Klarheit zu beantworten sein. Als mögliche Rechtsquellen seien genannt:

a)   Das ursprüngliche Recht des Fürsten, über neu erobertes Gebiet nach seinem Ermessen zu verfügen;

b)  Säkularisation von Klöstergütern, wie sie im Jahrhundert der Reformation auch hierzulande vollzogen worden ist;

c)   Inanspruchnahme solcher Ländereien, die von einer Siedlungsgenossenschaft innerhalb des zugewiesenen Gebiets nicht genutzt wurden. (Ödland; an der Grenze fern der eigentlichen Siedlung gelegene Heiden und Moore: Königsmoore; Gebiet des Bramstedter Stadtwaldes.)

d)  Ein im vorliegenden Falle etwa vorhandenes Reservat, möglicherweise von dem vor 1460 hier regierenden Schauenburgischen Grafen überkommen8).

Konnte aber Christian IV. 1633 fünf Hufen Land aus der Gemarkung Bramstedt ohne sichtbare Gegenleistung verschenken, so steht nichts im Wege, auch die eine, die vorher schon für des Königs Freunde Vaget und Fuchs freigestellt worden ist, ebenfalls als ein fürstliches Geschenk anzusehen. Festgestellt sei aufs bestimmteste, daß das Gut Bramstedt nicht eine ursprünglich mit dem Flecken (besser Dorf) entstandene Größe ist, sondern aus dem Bramstedter Siedlungsgebiet erst dann stückweise herausgenommen worden ist, als der Ort längst schon die Fleckensrechte gewonnen hatte.

 

IV. Das Gut unter Wiebekes und ihrer Erben Verwaltung

 

Zuvörderst soll es unsere Aufgabe sein, die vorgesehene Aussonderung der Wiesen und Holzung zu beschreiben, die ja im Vorwege aus dem Allgemeinbesitz ge-

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1) Siehe unter »Alte Bramstedter Mühle«.

2) Umwandlung geistlichen Besitzes in weltlichen.

3) Nicht unwesentlich ist in dieser Sache eine Äußerung des Kirchspielvogts Wulf, der 1744 in einem Bericht an den Amtmann Hans Ranzau sagt: »Mühle und Zubehör haben immer nur unter Glückstadt (königl. Regierung) gestanden; mit den 5 Hufen (aus der Fleckensgemarkung) sei es eigentlich ebenso.«

 

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trennt werden sollen. Unsere Urkunde (Bericht des Amtmanns von Buchwaldt an Christian IV.) stammt aus 1637 und besagt: Er habe auf Königs Befehl mit Klefeldt, Dorn und Thomas zusammen die Sache verhandelt. Henricus Kruse, Wiebekes Vertreter, habe unparteiliche Männer aus dem Kirchspiel Hohfelde genannt; ferner hinzu gezogene Männer aus dem Kirchspiel Kaltenkirche, zwei aus Fuhlendorff, ein von Wiemersdorf, ein von Borstel. Sie haben folgenden Eid abgelegt:

»Ich schwöre einen eydt zu Gott, daß Ich Fraue Wiebeke Krusen zum Hofe Bramstedt gehörige, in einem den gesambten ächts Leutten übergebenen Verzeichnis aufgesetzte wischen, an einem Theille, - und der Bramstedter N. in dem übergebenen Verzeichnisse enthaltenen Wischen anderntheills, in fleißigen Augenschein nehmen, und meinem besten Verstande nach aufsagen und ächten (schätzen) wolle, Wie vielle Bramstettische große Fuder Hew (Heu) ein jedwede bey fruchtbaren nassen jahren, wie Viell Fuhder bey unfruchtbaren truckenen Jahren ohngefehr tragen könne, item, welches Theils Wische des andern Teil wische an Guetigkeit übertreffen und worin solche übertreffende guete besteht, Und solches nicht umb gunst, gabe, forcht, haß, neid, Freundschaft, Feindschaft noch sonst einiger Ursachen halber underlaßen wolle. So war mir Gott helfen solle.« Am 17. Juni 1637 haben die beeidigten estimatores (Schätzer) die Bramstetter Wischen nachfolgendermaßen »geechtet«:

1.    Jasper Sturm und Hans Bolte haben eine Wische zusammen, die sie ein Jar
umb das ander gebrauchen, Hauswische genannt: gutes Jahr 12 Fuder, zwei
mal mähen, doppelt so gut wie die Hofwischen.

2.    Dieselben haben die »grote« Wische: 4 Fuder, zweimal mähen, doppelt so gut
wie Hofwischen.

3.    Hans Westphal, ein theil auf der großen Wische: 2 Fuder, sonst wie Nr. 2.

4.    Claus Hardtbeck, ein theil die Darlkampswische: 4 Fuder, sonst wie Nr. 2.

5.    Johan Steckmest, ein theil auf der Lobey (?) wischn: 30 Fuder, sonst wie Nr. 2.

6.    Hinrich Ordt, drei theil auf der Lobey wischn: 26 Fuder, sonst wie Nr. 2.

7.    Hans Polmann, Wische auf der Lobey, 4 Fuder, sonst wie Nr. 2.

Zwei Tage später in gleicher Weise die dem Hofe Bramstett gehörigen Wischen abgeschätzt mit folgendem Ergebnis:

1.    Die Ihlbeckswische: 3 Fuder, einmal mähen, mohrgrundt.

2.    Die Wehrwische bei der Osterowe:   1½ Fuder, zweimal mähen, ziemlich
guter grundt.

3.    Die lütte Rohrwische: 2 Fuder, zweimal mähen.

4.    Die lütge Woldtwische: ½ Fuder, zweimal mähen.

5.    Die große Woldtwische: 1½ Fuder, einmal mähen, mohrgraß.

6.    Die kleine Wiekhoft (?) wische: bei trocken Jahr 2 Fuder, bei naßen Jahr
Fuder, zweimal mähen in guten Jahren; Heu muß davon getragen werden.

7.    Die Jagerswische: bei trocken Jahr 14 Fuder, bei nassen weniger, in gutem
Jahr zweimal mähen, mehrenteils mußgraß1), Heu muß davon getragen werden.

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1) Mäusegras.

 

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8.       Die große Wiekhoftwische: 8 Fuder, zweimal mähen, zumteil muß (Mäuse)
graß, in nassen Jahren Heu davon tragen.

9.       Die Wische bey dem Hohenstege: 1 Fuder, zweimal mähen, fast mohrgrundt.

 

10.    Die Hogen övers Wische: 3-4 Fuder, zweimal mähen, zimlich guter grundt.

11.    Die Nettelkrögers Wische: 2 Fuder, einmal mähen, schlimmes Mohrgraß.

12.    Die Koehs (Goos?) Wische: 2 Fuder, zweimal mähen, aber nur die Hälfte;
halb Mohr, halb Sandt.

13.    Die Hamwers (?) Wische: 3 Fuder, zweimal mähen in guten Jahren, Heu
muß davongetragen werden.

14.    Die Striedtkampwische: 3 Fuder, zweimal mähen in guten Jahren, Heu muß
getragen werden.

Man erkennt mühelos, daß bis dahin von einer Gutsgemarkung neben dem Fleckensareal durchaus nicht die Rede sein konnte. Die vierzehn hier aufgeführten Wiesenstücke beweisen das aufs beste. Erst durch diesen Austausch wurde eine zusammenhängende Wiesenfläche aus dem westlichen Teil der Bramstedter Gemeindeflur zugunsten des Gutes ausgesondert. Auch das war erst ein Anfang, der, obgleich im vierten Jahre nach der Donation endlich bestimmungsgemäß in Angriff genommen, noch nicht das Ziel erreicht hat. Denn die Bramstedter waren mit dem Austausch auf vorstehender Basis nicht einverstanden: sollten sie doch für 82 Fuder Heu nur 49 wieder einheimsen. Doch ist eine Einigung über die Wiesenfrage anscheinend noch 1637 zuwege gekommen. Das Gut hatte fortan die Bramauwiesen in seinem Besitze, wie es auch bei der späteren Verhandlung über eine Schiffahrt auf dieser Aue zutage tritt. Nebenher wird bei dem Aushandeln erwähnt, daß im Dahlkamp noch »Busch« vorhanden sei, worunter wohl Wald zu verstehen ist. - Die Ausweisung der einheitlichen »Holzung«, wie sie die Donation an Wiebeke vorsieht, ist im einzelnen nicht nachzuweisen. Doch bestätigt 1649 der König, daß er mit der Auftheilung des Holzes einverstanden sei; wobei mit Nachdruck betont wird, daß die Bramstedter bestimmtes Holz zur Feuerung jährlich zu liefern haben, »so lange von Frau Wibeke Krusen Leibes-Erben noch Einer das Guth besitzen und bewohnen wird.« Die Bramstedter Bauern haben unter sich die Holzaufteilung 1696 vorgenommen; von einer Beteiligung des Gutes ist dabei keine Rede. Die Aufteilung von Acker, Weide und Moor fällt in spätere Tage.

Es wird angebracht sein, nun Kenntnis zu nehmen von dem Zustande, in welchem sich das an Wiebeke übereignete Gut befand, und zwar besonders in dem Stammteile, der in den alten Papieren so oft als das Bramstedter »Vorwerk« bezeichnet wird. Amtsverwalter Stemann gibt im Jahre 1740 »Ungefehrliche nachrichtung und Umbstende Arendt Stedings zur Brambstede Hofes Ländereyen und pauren (Bauern) jetziger Beschaffenheit, was man davon in Erfahrung bringen können, annotirt 15. Febr. 1631.« Wir entnehmen daraus:

»Erstlich ist der Hof, so zuvor mit einem Wonhaus und scheune bebauet gewesen, durch den Brandt ganz gebloßet, also daß wenigh Befriedigung fast mehr vorhanden.

 

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Es liegen aber bei dem Hofe 4 kleine Heller und Fischteiche, davon keiner besetzet, der Beste auch nicht gestauwet. - Sonst sein darzu Belegenen, fünf Hufen Landes, daß also, wenn die Gimpe oder Brackschlagenen1), deren 4 sein, und järlich einer zugewonnen wird, Fünfmahll so viel Winter rogken als ein anderer Hofener im Bleck Bramstedte kann geseyet werden; wäre, wenn erst die nötige Mistreichung2) vorhanden, 5 Drompt Rogken, das eine Jahr mehr als das andere, sintemahlen alles darzu gehöriges Land nicht aneinander, sondern das eine stück umb das andere, zwischen der pauren stück undt Landt, als gemeengutt, darauf das ganze Werk beruhet, belegenen. Wollte (man) also das dritte Korn (als Ernte) anrechnen, würde ohne die saadt bringen 15 Drompt Rogken, jeder

schepel 2 Mark.................................................................................................... 360 Mark

Dazu nach ähnlicher Schätzung = Buchweitzen............................................ 144 Mark

Habern..................................................................................................................    81 Mark

Gersten.................................................................................................................    54 Mark«

Vorsichtig wird hinzugefügt:

»Es muß gut Mist gestreuet werden, sonst würde die Vermehrung an Wachßthumb wenig geben.«

Außerdem werden genannt drei Koppeln, die nach allem angesehen werden müssen als das einst von Dirick Vageth innerhalb der Fleckensgemarkung »innegehabte« Grundeigentum.

Über diese drei Koppeln wird gesagt:

Die größeste ist zu bemessen mit 3 Tonnen Roggen Ertrag............................ 54 Mark

Die zweite ist eine Moorkoppel, Roggen Ertrag................................................ 27 Mark

Die dritte heißt die Rummelß, wird nicht anders als zum grase gebraucht; auch ist das Heu, so darin »wechst, nicht gar gutt«. An Heu können 115 Vouder im ganzen gewonnen werden.

Es können 100 Haupt-Viehes gehalten werden, Schafe 400. Butter soll nicht verkauft, sondern vom Hofe verbraucht worden sein. In der Hölzung werden 25 Schweine gemästet. »Sonnsten (im übrigen) hat der Hof gerechtigkeit, an einem Bestimmten Orth, darinen Haßeln Busch hauen magh, zu den Zeunen (Einfriedigung) zu gebrauchen.«

»Hiebey ist zum wißen, daß Stedings Unterthanen in allen Dörfern zwischen, neben und unter den Königl. Unterthanen, wi auch ebenmäßig seine Ländereyen das eine stück umb das andre, zwischen den Königl. Untersaßen Acker alß mank guter (durcheinander) Belegene.«

Der Gesamtertrag wird berechnet: An Geld 1519 Mark 6 Schilling, dazu Roggen Haur 23 Tonnen, item 11 Schweine, 23 Huener.

Am Schluß werden die zum Hofe hörigen Hufner und Kätnerstellen genannt, wie wir sie bereits kennen; neu ist, daß »1 Mann in Fuhlendorff« genannt und von den Kätnern zu Bramstedt gemeldet wird, eine Katenstede sei wüst und sieben abgebrannt, und nur die bloße »Stete« vorhanden.

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1) Brachliegender Ackerschlag. 2) Düngung.

 

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Wir wissen bereits, daß Christian IV. bald nach dem Kaufe die Instandsetzung des Wohngebäudes in die Wege leitet. Schon 1632 wurden dafür dreißig Eichbäume aus dem Segeberger Forst und 120 Tonnen Kalk aus Segeberg angewiesen. Auffällig erscheint es, daß bereits nach 15 Jahren der König seinen Segeberger Amtmann von Buchwald beauftragt, sich nach Bramstedt zu verfügen, »das Haus daselbst mit Fleiß zu besichtigen, die Mängel festzustellen und Vorschläge zu machen, wie solche am besten zu remedieren«. Der Befund nötigt zu umfangreichen Arbeiten. »Der [An-]Schlag, wie viel Holtzwerk zu dem Port Hause, welches zu Bramstede für Frau Wibken daselbst stehenden Hause soll gebauet und ferfertiget werden, nach dem Abriß von unten bis oben muß verschaftet werden und wieviel in allem für die Zimmerarbeit daraus verdient wird.« So betitelt sich ein Abschnitt aus dem vom Amtmanne entworfenen Bauplan. Er betont, daß auch die Brücke, so bei dem Hause über die Aue gehet, neu gemacht werden müsse. - Es folgen die Vereinbarungen mit den einzelnen Handwerkern, die zum Teil von Wiebekes Bruder Henneke (Hinrich) getroffen worden sind, in dessen Hand anscheinend die Gutsverwaltung gelegen hat. Die vorliegenden Rechnungen geben ein ungefähres Bild von dem Umfang der Bauarbeiten. Danach beträgt die Zahlung:

an die Zimmerleute.................................................................................... 1 970 Riksdaler

an die Tischler............................................................................................      491 Riksdaler

an die Mauerleute...................................................................................... 1 689 Riksdaler

an die Grobschmiede.................................................................................      461 Riksdaler

für Mauer- und Dachsteine.....................................................................   1 125 Riksdaler

für Muschel-Kalk......................................................................................      403 Riksdaler

Der Schlosser leitet seine Rechnung ein mit den Worten:

»Anno 1647 an dat olde huuß tho bramstede gearbeitet, wo folget.« Wir sehen, daß es sich um das heute noch stehende Tor-(Port-) Gebäude handelte, nicht aber um einen Neubau.

Der Umbau erfolgte in einem Zeitpunkt, wo Wiebekes Abschied vom Gut bereits nahegerückt war, wo Land und Amt und Kirchspiel eben erst die schwere »zweite Schwedenzeit« erlitten hatten. Wer trug die Kosten des Baus? Frau Wiebeke aus ihren Ersparnissen? »Diese Arbeit soll aus dem Amtsgefälle bezahlt werden.« So vernehmen wir's vom besorgten Amtmann von Buchwaldt, der dem königlichen Herrn berichtet: Das Holz ist angefahren, Plankwerk und ein gut Teil der Brücke ist fertig, und der Zimmermeister arbeitet an dem Holz zum »Pfordthause«. - Aber die Arbeitsleute wollen sich nicht gedulden, bis man Geld vom Amt erhebet. Stündlich fordern sie ihren Lohn. Weil nun wegen geschehener Devastirung (Verwüstung) das Amt in diesem Jahr außer dem, was der (Kieler) Umschlag1) gebracht, wenig eingegangen, auch wegen der »fürgangenen, grausamen« Feuersbrunst die Leute verstreuet, die Dörfer verwüstet darniederliegen, Armut und Elend allenthalben zu sehen ist: so kann wenig Geld von den armen

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1) Durch Jahrhunderte Hauptzahltermin in Holstein für Zins, Pacht und andere Lasten, sonderlich für die adeligen Güter.

 

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Leuten erhoben werden. Gleichwohl vermöge er ohne Geldmittel »dieses Bauwesen« nicht zu fördern.

So ist es mühselig vorangegangen, indessen geschafft worden. 1652 hat Claus von Ahlefeldt, hoher dänischer Offizier, von seinem königlichen Herrn Friedrich III. die Bestätigung aller Privilegien erhalten, die ihm als Besitzer des Bramstedter Gutes gebührten. Erlangt hatte der den Besitz durch seine Heirat mit Elisabeth Sophie Güldenlöw, einer Tochter von Wiebeke Kruse. Der Tag der Übereignung liegt wohl um 1648, Wiebekes Todesjahr. Drei Jahre später kündigt sich grollend das Gewitter an, das später über Guts- und Fleckensbewohner sich entladen sollte. Im Jahre 1651 wenden sich die ehemals königlichen Bauern und Kätner, die durch Christian IV. dem Gutshofe zugeteilt worden sind, beschwerdeführend nach Kopenhagen. Der Herr Generalmajor verlange alle möglichen Dienste von ihnen, die sie bisher nicht geleistet haben. Sie zahlten jährliches Dienstgeld, und zwar der Baumann (Bauer) 36 Mark und der Kätner 12 Mark. Jetzt kommen hinzu Pferde-, Fuhr- und Wagendienste, auch Leib-, Hand- und Frohndienste. Ahlefeldt wird vom König aufgefordert, zu berichten. Da gerät er in hitzigen Zorn gegen die Supplikanten, fordert sie zu sich und sperrt sie einzeln ein. Mit harten Worten fährt er sie als treulose Rebellen an und bedroht sie für den Fall, daß sie ihm nicht Folge leisten oder wieder Klage gegen ihn führen sollten. Er hat ein vorbereitetes Formular mitgebracht, das er ihnen vorliest, und dann fordert er eine feierliche Erklärung, daß sie künftig nach dem Gehörten sich richten würden. Etliche haben sich einschüchtern lassen und gehorcht; etliche sind standhaft geblieben, ohne freilich etwas zu erreichen. Der Gutsherr verlangte ihre Dienste wie bisher. - »Als sie nicht wollen, läßt er ihnen von seinen Dienern das Feuer auf dem Herd ausgießen.« -

Ihre erneute Bitte an den Landesfürsten gipfelt darin, daß sie, die ehemals freien Leute und Besitzer von Haus, Hof und Ländereien, befreiet werden von allen Lasten, mit denen sie beim acte translatione gravirt (bei der Übergabe beschwert) worden. - Die Antwort hierauf liegt nicht vor. Doch ist sie praktisch ja gegeben in der oben gemeldeten Bestätigung der dem Gute anhaftenden Adelsrechte. Der König mochte sich wohl gebunden fühlen durch seinen Vorgänger Christian IV., von dem urkundlich1) berichtet wird, daß er Anno 1633 aus dem Amte Segeberg »7 Hufen zu diesem Gut gelegt mit der Condition, daß dieselben eben die Dienste gleich wie von andern adelichen Unterthanen des Ohrts geschehen, leisten sollten.« Daneben scheint allerdings der Gutsbesitzer beim König in guter Gunst gestanden zu haben. Ein Schreiben Friedrich III. bekundet das. Er beauftragt seinen Amtmann: »Demnach die Unsern General über unsere Milice Norwegen, Claus von Ahlefeld, zustehende Mühle zu Bramstedt ganz baufellig und unümbgänglich wiederumb repariret werden muß, so soll er Holz dazu aus den Königl. Holzungen zu Segeberg und Rendsburg bekommen.« Bald verweigern die Bramstedter Untertanen des Generals, ihm das »Mattenkorn«

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1) Kieler Staats-Archiv Akte B IX 3 Nr. 142 Bl. II.

 

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zu fahren. Es folgt ein Vertrag, der Fleckens- und Gutsangehörige in gleicher Weise mit Spann- und Handdiensten zur Mühle verpflichtet1). Unter Friedrich III. ereignete sich nun das, was in der Folge zu den schweren Kämpfen zwischen dem Flecken und dem Gutsherrn führen sollte, die für das Schicksal der Bramstedter von einschneidendem und dauerndem Einfluß geworden sind:

 

Bramstedt wird auf unbestimmte Zeit verpfändet

 

Der darüber ausgefertigte Kaufbrief vom 30. April 1665 soll seiner großen Bedeutung wegen hier vollständig bekanntgegeben werden.

König Friederich des Dritten und Graf Königsmark über einige Pertinentien des Amtes Segeberg.

Beständiger und unwiderruflicher Erbkauf.

Es handelt sich um »Güter« im Kirchspiel Segeberg und im Kirchspiel Bramstedt.

a)  im Kirchspiel Segeberg die beiden Schäfereien Zum Falkenhagen und Fuhlenrühen; davon gibt die erste jährlich 76 Riksdaler, die andere jährlich 52 Riksdaler.

Dann wohnt dabei Marx Voss, ein Zubauer, welcher jährlich gibt: Grund-Häur 1 Riksdaler, Wisch-Häur 1 Riksdaler 8 Schilling, 2 Rauchhühner vor 16 Schilling, ein halb Herrn-Schwein vor 24 Schilling, Dienst-Geld 4 Riksdaler, zufällige Anlage 3 Riksdaler.

Auf Hasen Mohr wohnt Hans Mohr, ein Zubauer, welcher jährlich gibt: Grund Häur 7 Riksdaler 3 Schilling, 2 Hühner 16 Schilling, ½ Schwein 24 Schilling, Dienstgeld 4 Riksdaler, zufällige Anlage 3 Riksdaler.

Auch Hermann Hohn, Zubauer: 1 Riksdaler 26 Schilling, 16 Schilling, 24 Schilling, 4 Riksdaler, 3 Riksdaler. -

Die dabei liegende Hölzung, genannt Schirlohe, Adebahrlohe, Große Stücklohe, Oldesloer Lohe, Westerwege, Beide Wasserlohe, Schmalenbende in Pannen, Mehrlohe, Schaup(Schap?)lohe, Westerlohe, zusammen vor 2000 Riksdaler.

b)  Im Kirchspiel und Flecken Bramstedt 13 Hufener, 22 halb Hufener und 33 Kahtener, nemlich:

Die Hufner Hans Fuhlendorp, Harmen Götsche, Eggert Bolte, Johann Röhlfinck, Claus Steckmest, Claus Maaß, Max Dammann, Hinrich Bolte, Frenss Harbeck, Jochim Stut, Johann Steckmest, Hinrich Westphalen, Ties Langhinrichs geben jeder jährlich vor Kalk-Fuhren 7 Riksdaler 24 Schilling, Grund-Hauer 13 Schilling, 1 Herrn Schwein 1 Riksdaler, 1 Rauchhuhn 8 Schilling, Dienstgeld 10 Riksdaler, zufällige Anlage 6 Riksdaler,

Die 22 Halbhufner Hans Schack, Hans Wulf, Berend Jnuth, Johann Hartbeke, Hans Fink, Jasper Hennings, Jacob Sebelin, Hans Fölster, Marx Lindemann, Hans Völster, Abraham Langenauer, Claus Hohn, Claus Wichmann, Hinrich

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 Siehe Artikel »Mühle«.

 

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Körner, Albrecht Bartels, Simon Maaß, Jürgen Pohlmann, Carsten Trede, Claus Wichmann der ältere, Röttger Lindemann, Tim Westphalen, Casten Hein zahlen jährlich jeder: Grund Hauer 8 Schilling, ½ Herrn Schwein 24 Schilling, 1 Rauchhuhn 8 Schilling, Dienst Geld 5 Riksdaler, Anlage 3 Riksdaler.

Die 33 Kätner Hans Brockstede, Jasper Wulff, Hinrich Fölster, Hans Steckmest, Tim Langhinrichs, Carsten Fölster, Hans Hammer, Ahrend Wulff, Casper Harbeck, Margreta Wolters, Gerdt Wulff, Matten Harmen, Jaspar Stüven, Hans Brokstede, Hinrich Beyer, Bartold Giseler, Claus Bluncke, Hartig Stäcker, Timm Fehrs, Hinrich Lindemann, Hans Westphal, Claus Brockstede, Marx Röwer, Johann Hamerich, Metje Hartmann, Wibeke Steckmest, Gerd Wulf, Detlef Holm, Jochim Wulf, Dirik Maaß, Hans Rawe, Röttger Lindemann, Hans Röwer zahlen jährlich: Verbittels1) Geld 1 Riksdaler, Dienst Geld 2 Riksdaler, 1 Rauchhuhn 8 Schilling. Und das alles wird übergeben, wie solche Güter

in ihren Enden und Endscheiden an Wiesen, Äckern, Heiden und Weiden beschaffen, begriffen und belegen, auch mit allen Pachten, Diensten, Brüchen, Hölzungen, Fischereien und allen übrigen Einkünften, wie sie Namen haben mögen; ingleichen mit aller Hoch-, Frei- und Gerechtigkeiten, Hoch- und niedrich Jagten und niedrig Gericht an Halß und Hand und gleich wie Wir sie bisher zum freiesten genutzet und gebrauchet:

umb und vor Ein und Zwantzig tausend, Zwei Hundert Neun und fünfzig Reichsdaler 31 Schilling, sage 21 259 Reichsdaler 31 Schilling Kauf-Geldes verkaufen und überlassen, auch hiemit nochmahlen Vor Uns und Unsere Königliche Erb Successores, dem Käufer und seinen Erben solch obberührte Güter samt denen dazu gehörigen Pertinentien dergestalt und also, daß er dieselben alsofort übernehmen zu seinem und seiner Erben Nutzen, Besten und Frommen und

 

gleich andern Adelichen Dörfern und Unterthanen

 

genießen und gebrauchen, auch die Verbesserung deren an Leutten, Nahrung oder wie das Nahmen haben mag, aufs beste suchen und solche Güter mit allem Zugehörigen hinwiederum vereußern, veralieniren2), versetzen, verpfänden und verkaufen mögen, maßen (wie) wir dann denselben und seine Mitbeschriebenen in die würkliche und geruhige Possession, Besitz und Gebrauch obgedachter Güter und deren Pertinentien Kraft dieses nicht allein einführen und setzen, besonderen wir und unsere Königliche Erb-Successoren wollen auch gehalten (verpflichtet) sein, dafern Er, der Käuffer und seine Erben wegen Besitz, Nutz- und Gebrauchung dieser Güter Künftig von jemand angefochten und gekränket würde, Ihm und seine Mitbeschriebenen dieselben gebührlich zu evinciren (als rechtmäßig erworbenes Gut ausweisen) und zu gewähren, auch in - oder außerhalb Gerichts ohne einige seine und der seinen Kosten, Schaden wider den - oder dieselbe, so sich dessen unternehmen würde, zu vertreten, zu entfreien und schadlos zu halten.

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1) Schutzgeld.

2) veräußern.

 

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Der König behält sich sein höchstes Gericht, Contribution und Ausschreibung des Ausschusses1) vor. Jedoch solcher Ausschuß nicht eher, als wenn der Roßdienst in den Fürstentümern aufgeboten oder derselbe sonsten etwan Gegen den Feind zu gebrauchen nötig sein wird, zu Unseren Diensten allein aufgefordert2), inmittelst (indessen) aber in Friedenszeiten von dem Festungsbau eximirt (verschont) werden.

Will der König oder Successores zurückkaufen, so ist der Vertrag ein Jahr vorher aufzukündigen. Die Unterthanen sollen nicht »bemächtiget« sein, ohne Vorwissen des Käufers von ihren Gütern auszutreten, damit dadurch keine wüsten Hufen gemacht werden. Die Unterthanen sollen schuldig sein, nach der Mühle, dahin sie gehören, hinfüro weiter zu fahren, auch der Kirche den Pastorn und Küstern ihre Gebühr und Pflicht nach als vor zu geben.

Der Kauf Schilling 21 259 Riksdaler 31 Schilling ist entrichtet.

Der vorstehende Vertrag ist, indem er die Aufkündigung vorsieht, als Verpfändungsdokument zu bezeichnen. Übereignet werden die Abgaben und Dienste, wie sie bislang dem König zu leisten waren, nicht das Eigentumsrecht an Grund und Boden. Nicht ist von Leibeigenschaft die Rede. Doch wird der aufmerksame Leser zwei Punkte des Vertrages als bedenklich, weil verschiedener Deutung fähig, nicht übersehen haben.

a)    Der Käufer soll die verpfändeten Güter nutzen dürfen gleich andern adeligen Dörfern und Untertanen.

b)   Ohne sein »Vorwissen« soll niemand seinen Besitz veräußern dürfen, »damit nicht wüste Hufen entstehen«.

Man muß zugeben, daß dieses »Vorwissen« nicht nur dann den gewünschten Zweck erzielen konnte, wenn es als eine »Genehmigung« aufgefaßt und somit zu einer wesentlichen Freiheitsbeschränkung wurde.

Jede Unklarheit in Fragen des Rechts trägt in sich die Gefahr künftigen Unheils. Leider sollte sich das auch diesmal bitter bestätigen, wenn auch in vollem Ausmaße erst nach zwanzig Jahren, wo Graf von Kielmannsegge Inhaber der Pfandrechte wurde. Freilich berichtet Jürgen Fuhlendorf, über den wir bald mehr erfahren werden, daß schon unter Graf von Königsmark die Lage der Fleckensbewohner sich erheblich verschlechtert habe. Denn dieser »ließ sie erst durch Cornelius Hartog und dann durch Matias Böttger - sicherlich seine Rechtsvertreter - hart pressen und machte sie ganz unvermögend«. Doch verlangt die Wahrheit, zu berichten, daß gleichzeitig Christian V. durch seine Maßnahmen durchaus in gleichem Sinne die Lage der Bramstedter beeinflußt hat. Entgegen der Pfändungsakte hat er die »versetzten Einwohner« mit starker Einquartierung belastet und daneben die jährliche Contribution so hoch gesetzt, »daß es fast den Unterthanen unmöglich gewesen, dieselbe zu bezahlen«. Das Amt und seine Bewohner, »vorhin die berühmtesten, sind unter den Königlichen Unterthanen in Holstein fast die

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1) Aufwendungen infolge von Beschlüssen der schleswig-holsteinischen Landstände, besonders

das Kriegswesen betreffend.

2) Der Ausschuß hat erst dann zu beschließen, wenn der König das verlangt hat.

 

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aller Elendesten und unvermögendsten geworden.« So wird es verständlich, daß die Pfandrechte bald zum Handelsgegenstand wurden. Graf von Königsmark vertauschte sie gegen ein Gut in Schweden, und nachdem ist das Eigentumsrecht über Copenhagener Spekulantenhände an den Grafen von Kielmannsegge übergegangen, und zwar im Jahre 1685, wie Jürgen Fuhlendorf bezeuget.

Dieser Graf hatte 1684 die Enkelin Wiebeke Kruses, Christine Sophie, nachdem diese ihre Ehe mit dem Obersten Claus von Oertzen gelöst hatte, geheiratet. Auf diese Weise war er in den Besitz des Gutes Bramstedt gekommen. So unterstanden nun Gut und Flecken in wichtigen Angelegenheiten dem gleichen Herrn. War dieser Herr auch nicht in der Lage, die Rechtsform der hergebrachten Fleckensverwaltung zu beseitigen oder zu ändern und dem »vereinigten Bramstedt« in dieser Hinsicht ein einheitliches Gepräge zu geben, so hat er doch nichts versäumt, was dazu dienen konnte, den Flecken »gleich andern adeligen Dörfern« zu nutzen und zu bedrücken. Man muß bedauern, daß das alte Fleckensbuch aus dieser kritischen Zeit nichts zu melden hat. Über die Jahre 1683-1689 bleibt es überhaupt stumm. Dann folgen wieder die üblichen Berichte, doch nichts, was auf den Kampf mit dem Gutsherrn hindeutet. Doch soll man daraus nicht eilfertig Schlüsse ziehen; denn unsere Vorfahren jener Tage führten lieber den Pflug als die Feder, so haben sie beispielsweise auch in den Jahren von 1654-1673 nichts einzutragen beliebt, abgesehen von einer kurzen Nachricht über ihre Steuerbelastung.

Um so erfreulicher, daß Jürgen Fuhlendorf, der Führer der Bramstedter Bauern in jener dunklen Zeit, einen eindringlichen, treuherzigen und wahrhaften Bericht hinterlassen hat. Angesichts der Tatsache, daß darin nichts enthalten ist, was mit irgendeiner Urkunde in Widerspruch stände, wird es zur Pflicht, das geistige Vermächtnis dieser markigen Heldengestalt der Chronik einzuverleiben. Das ist geschehen im Abschnitt »Jürgen Fuhlendorf«.

Zehn Jahre lang hat sich der Kampf der Fleckensleute gegen Kielmannsegge hingezogen, also bis 1695. Die Ablösung vom Gutsherrn ist teuer erkauft worden; aber die Bramstedter hatten Ursache, sich des Sieges zu freuen: sie waren wieder freie Bauern und Bürger.

Kielmannsegge aber hat bald das Feld geräumt, und schon 1698 ist das Gut verkauft worden an den Oberstleutnant Baron von Grothe. Der Donationsurkunde von 1633 gemäß konnten die Wassermühle und der »Ort Gayen« nicht mit veräußert werden, da sie ausdrücklich den Leibeserben Wiebekes vorbehalten waren. So hat denn die Enkelin Christine Sophie, nachdem auch ihre Ehe mit Kielmannsegge geschieden war und sie sich zum drittenmal verheiratet hatte, als Frau Baronin von Dieden in dem Wohnhaus der Mühle ein bescheidenes Dasein geführt. Darüber wird berichtet unter dem Titel »Die alte Bramstedter Mühle.« Frau von Dieden hatte aus ihrer ersten Ehe eine Tochter, Charlotte Friederike von Oertzen, Söhne überhaupt nicht. Da diese Tochter den in Ungarn seßhaften Grafen Thomas Theodor von Schmidegg heiratete, war am Orte nach dem Ableben der Frau von Dieden kein Nachkomme Wiebke Kruses mehr vorhanden.

 

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Die von Schmidegg haben bis um die Mitte des vorigen Jahrhunderts als Nutznießer der Mühle samt Gayen ihre Rechte in Anspruch genommen.

 

V. Die späteren Besitzer des Gutes

 

Hier beschränken wir uns auf eine tabellarische Aufstellung, um danach besondere Ereignisse und Zustände, die für die Chronik noch in Betracht kommen, in zusammenhängender Darstellung zu bringen.

1.   Oberstleutnant Baron von Grote 1698-1751.

2.   Baron von Printz, der das Gut nach dem Tode seiner Tante Baronesse von Grote als Erbteil angetreten. 1751.

3.   Graf Christian Günther zu Stollberg, Amtmann des Amtes Segeberg, 1751 bis 1756. Danach als Hofmarschall der Königin-Witwe nach Kopenhagen um gesiedelt.

4.   Regierungsadvokat Markus Nicolaus Holst, 1756-1774.

5.   Ferdinand Lawätz, Justizrat. 1774-1796. Ihm verdanken wir allerlei Nachrichten über das Gut. Ebenso die schönen Alleebäume an der Westseite des Marktplatzes, die er im Einvernehmen mit dem Flecken gepflanzt hat. Er hatte für 25 000 Taler gekauft.

6.   Professor Meyer, ein Hamburger, 1796-1840. Dessen Erben haben das Gut zunächst Verwaltern überlassen, es aber nach zwei Jahren für 48 000 Taler verkauft an

7.   Landdrosten von Lütken. (Der Professor hatte es für 40 000 Taler erworben.)

8.   Graf L. von Kielmannsegge, wohnhaft zu Wunstorf in Hannover, ist der nächste Käufer gewesen, und in seinem Auftrage hat der Mühlenbesitzer N. F. Paustian durch eine Reihe von Jahren das Amt eines Gutsinspektors ausgeübt.

9.   Im Jahre 1857 hat Paustian das »Schloß« mit den in der Bramstedter Feldmark noch gutseigenen Parzellen käuflich erworben; auch das Wiesengelände an der eigentlichen Bramau gehörte dazu; ebenfalls der Hof Bissenmoor ist in seinen Besitz übergegangen, doch recht bald gegen zwei »Erben« in Altona vertauscht worden.

Damit ist keineswegs das alte adelige Gut, wie es einmal Wiebeke Kruse geschenkt worden ist, sachlich und rechtlich wiederhergestellt worden. Denn seit Wiebekes Tagen, und vereinzelt schon zu ihrer Zeit, war inzwischen manche Parzelle durch Kauf abgetrennt und zu freiem Besitztum geworden. Noch kurz vor Paustians Eintreten hatte Joh. Langhinrichs eine Achtelhufe aus dem Stammbesitz des Gutes gekauft. Da aber Paustian auch Eigentümer der alten Wassermühle und des »Land Gayen« war, vereinigte er nunmehr in seiner Hand ein Besitztum an Grund und Boden, das in der Fleckensgemarkung entfernt nicht seinesgleichen fand. Da das »Schloß« am Marktplatz in seiner äußeren Gestaltung und auch in seiner inneren Einrichtung den Schimmer alter Romantik in unsere Zeit hinübergerettet hat, so blieb diesem Besitztum der Glanz, etwas Besonderes zu sein, noch lange

 

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erhalten, zumal N. F. Paustian es wohl verstand, durch seine Persönlichkeit an sich, wie auch durch seine Leistung als Landmann, sich den Respekt der Mitbürger zu sichern. Als Fünfundneunzigjähriger ist er im Jahre 1920 heimgegangen. Heute besteht Paustians Gut nicht mehr. In viele Hände sind seine Ländereien übergegangen. Dem Wanderer ist das alte »Schloß« der letzte Zeuge vergangener Zustände. Und den Forscher überzeugt die Flurkarte mit ihrer Abteilung »Hoffeld«, daß das Gut Bramstedt mehr als ein Traum gewesen ist. Aber wie das »Schloß« bereits seit Jahren gemeinnützigen Zwecken dienstbar ist, so liegt auch die Gemarkung Bramstedt wieder einheitlich, wie es höchst wahrscheinlich auch ursprünglich der Fall gewesen sein wird, in der Hand fleißiger Ackerbauern, die als selbständige und selbstbewußte Männer, fern allem Frondienst, in gesteigerter Kraft ihren redlichen Anteil zum Blühen des Gemeinwesens beitragen.

 

VI. Wie stand es um die Leibeigenschaft auf dem Gute Bramstedt?

 

Im holsteinischen Lande ist die Leibeigenschaft nicht eine Überlieferung uralter Tage. Erst nach der Reformation ist sie hier eingeführt worden, und zwar zuerst und hauptsächlich an der gesegneten Ostküste, wo nach Niederwerfung der Wenden (Wagrier) adelige Güter in großer Zahl entstanden waren. Hier ist die Knechtung der Gutsuntertanen in einem Umfange und mit einer Strenge ausgeübt worden, die zwar den Leibeigenen nicht völlig zum rechtlosen Sklaven machte, aber ihn auch wenig über der Stufe des »lebenden Inventars« erscheinen ließ. Die wichtigsten Merkmale seiner Rechtslage seien hier erwähnt: Er war an den Boden seines Gutsherrn gefesselt; er stand wesentlich unter der Gerichtsbarkeit seines Herrn; er mußte Prügelstrafe hinnehmen; er brauchte zur Heirat die Genehmigung des Herrn; er ging bei einer Besitzänderung ohne weiteres in das Besitztum des Rechtsnachfolgers über; auch stand es ihm nicht frei, etwa seine Kinder andernorts oder in anderem Berufe sich betätigen zu lassen. Andererseits konnte er Eigentum erwerben, konnte beim Königlichen Obergericht Schutz suchen, und endlich hatte er den Anspruch auf Gnadenbrot.

Es verdient betont zu werden, daß nicht schon mit der Gründung deutscher Güter auf dem eroberten Besitz der Wenden die Leibeigenschaft ins Leben getreten war. Pastor Bruhns Chronik der Kirchengemeinde Schlamersdorf, in der Hauptsache die Entstehung solcher Güter nachweisend, stellt fest, daß vor dem Jahre 1524 dort eine Leibeigenschaft nicht bestanden hat. Erst die durch die Einführung der Reformation herbeigeführte Umwandlung des klösterlichen Besitztumes in weltliches Gut hat der Sache den rechten Boden verschafft.

In welchem Zeitpunkt diese unheilige Rechtsordnung auf dem hiesigen Gute sich eingenistet hat, ist nicht genau anzugeben; auch ist es nicht möglich, im einzelnen nachzuweisen, in welchem Ausmaß die Gutsherrschaft hierorts ihre Macht ausgenutzt hat.

 

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Nachstehende Bitt- und Klageschrift wird wohl den Leser in der Vermutung bestärken, daß schon zur Zeit des Stedinghofes die Leibeigenschaft, wenigstens in gedämpfter Form, hier Wurzel geschlagen hatte.

 

Aus Gerhardt Stedings Zeit

 

Einer der Hitzhusener Untertanen des Stedinghofes wendet sich 1586 in demütigster Weise an seinen König mit der Bitte, ihm beizustehn gegen die Übergriffe seines adeligen Herrn. Nennen wir ihn mit seinem Rufnamen Henneke; der Familienname ist unleserlich. Als »Armer Alter Mhan« führt er sich ein und beteuert, er würde die Majestät nicht belästigen, »Wo ihn nicht die gar unvorbeigehende nodt Unde große beschwernuße so von dem Erbaren und Vesten Gerhardt Stedinge ihm wider Recht und billichheidt aufgedrungen, dahin genötiget«. Viel mehr als von dessen Vorfahr (Fuchs) werde er mit schweren unleidlichen Pflichten beschwert. Alle Jahre müsse er ihm, ob mastunge (Futterkorn) vorhanden sei oder nicht, ein Schwein geben.

»Und da Ich kein Schwein so groß habe, alß ehrs begheret, muß Ich eines kauffen, Und Ihmen geben.« Zudem müsse er den Winter über einen Ochsen »ausfüttern«, welches alles bei Zeiten seines Vorfahren nicht geschehen. Er aber beschwere ihn mit neuen Lasten und lasse sich nicht »ersweigen«. 1) Sondern »alß Ich im Jarr 84 von einer frawen, Greitke Gryps geheißen, auch unter Ihnen wohnende, Zehende (10) Halbstücke Ackers mit einem zugehörigen Wisch Deill gekauft, Und ich daßelbe Landt zum theill verscheenen (letzten) Jahres mit Bookweitzen beseyet gehabt, hatt ehr mir solchen boockweitzen auf 40 r. (Rigsdaler) gesetzet, durch seine andere Leute in Ihre behausungen führen (lassen). Und nun den Acker, so Ich von gedachter Greitken Gryps gekauft, wiederumb beseyhen laßen, denselben mir Also gewaldtsamer Weyse vorentheldt. Und ob wol ich Ihmen durch 4 Leuten bitten und anreden laßenn, er möchte mir den Boockweitzenn betzalenn Und auch die 150 Daler, so Ich der frawen vor den Ackerland« habenden Zeitten gegebenn, wiederumb entrichten, Alsdann Ich Ihmen denselbe gerne gönnen mügte und willige abtreten wollte.

Ich habe aber bis auf diesen heutigen Tag doch nichts bekommen können. Derowegen Euer Könn. Mayst. als meine Hohe Obrigkeidten solliches Underthenigst zu clagende Ich geursachet und hardt gezwungen, Euer Könn. Mayst. hiermidt in unterthenigster dienstlichster demuth und lauter (rein) umb Gottes willen anruffen und bittende, dieselbe wollen gnedigstes einsehenn thuen, das Ich meinen Bockweizen von Gerdt Stedinge bezahldt erlangen, bei meinem gekauften Acker gerüglich (ungestört) gelaßen, Oder aber so ferne ehr den Acker wolle behaltenn, mir meinen aufgelegten Kauf Pfenning, nemblich 150 Daler, hinwiederumb erstatten. Und auch der gemeldten beschwerunge verschonett bleiben möge. Das wirdt der Allmächtige umb E. K. May. reichlich vergelten. Ich bins

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1) Soll wohl heißen: nichts abbitten.

 

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mitt meinem vleiß on gebett gegen Godt zu verdienen underthenigst schuldig. Und Euer K. M. zusambt deroselben vielgeliebtenn Frau Gemhall und Königinn auch deroselben junge Herschaftenn, dem Allerhögsten in langer zeitlicher und Ewiger Wolfartt leibes und der Seelen zu fristen und erhalten, underthenigst empfelen.«

Wilster, den 26. Juni 1586.

 

Leider fehlt die Antwort des Landesherrn, ebenso eine Stellungnahme von Stedings Seite. Doch ist Hennekes Schriftstück an sich so charakteristisch nach Inhalt und Form, daß es der Leser wohl gern zur Kenntnis nimmt. - Auch stellen wir fest, daß Gerdt Steding 1585 im Besitze des Gutes gewesen sein muß. –

Durch die Donationsurkunde vom 15. Oktober 1633 ist Wiebke Kruse Besitzerin des Gutes geworden, nachdem der König dieses um sieben Hufen aus dem Amte Segeberg vergrößert hatte. Es wird ihr ausdrücklich zugesichert, daß die Dienste von den Untertanen überall, gleich wie solches von den andern (bisherigen) adeligen Untertanen des Landes geschieht, abgehalten und geleistet werden sollen.

Es ist die Deutung naheliegend, daß das Pflichtverhältnis der am Orte Ansässigen nicht übereinstimmte mit demjenigen der in den Kirchspielsdörfern angesiedelten Gutsangehörigen. Wie diese Unterschiedlichkeit geartet war, das entzieht sich aktenmäßigem Beweis. Auf jeden Fall wird die beglaubigte Abschrift eines von Wiebeke mit einem ihrer Untergebenen abgeschlossenen Kaufvertrages ein wenig Licht geben.

»Demnach ich untergeschrieben habe Johan Hartmann in Hitzhusen vergönnet, in Meinbeck ein Neu Haus zu bauen. Also soll er mir geben Jährlich grund Hauer vor den Belegenen Teich Bey seinem Hause, sampt rötger1) seinen Kohl Hoff, und dann grundt Hauer vor den Hoff, da sein Hauss stehet, so weit er's itzo aussgerotten (gerodet) hat, und dan ein Klein Blick wischlandt, Belegen Bey des Vogts Teich, Jehrliches 6 Mark; vorbittelgeld 12 Schilling und ein Rauch Hun, und dan 4 Reichstaler Dienstgeld damit soll (er) jährliges quitiret (frei) sein wegen aller Hoffdienste. Sein Haus zu vor Kauffen, versetzen oder verpfänden, wann er Jährliges nur meine Abgifft davon Entrichtet, und weilen es an Itzo noch nicht bewonet, also habe ich ihm dass Dienstgeld zwey Jahr nachgegeben. Urkundlich mit meiner Eigenen Handt untergeschrieben.« Datum Glücksburg, den 14. September Anno 1643.

Wibeke Krusen

(Lawaetz bestätigt die Richtigkeit)

pro vera copia: F. O. V. Lawaetz

 

Abgesehen davon, daß es uns nicht möglich ist, den tatsächlichen Wert des von Wibke verkauften Grundstücks und daneben das Gewicht der dem Käufer aufgepackten Belastung zu erkennen, sehen wir doch, daß Hartmann bisher Hofdienste hat leisten müssen. Tritt nun an deren Stelle das Dienstgeld, so ist er wohl damit hinsichtlich der Belastungsform in die Reihe der dörflichen Gutsuntertanen eingerückt.

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1) Rötger (auch Rötker), Bewohner der Vikarie, eines früher der Kirche eigenen Hauses.

 

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Durch Kaufbrief vom 12. Februar 1698 überlassen Wiebekes Erben das Gut mit allen leibeigenen Untertanen, Hufnern und Kätnern, sie befinden sich daselbst (in Bramstedt) oder nicht; die Vindikation (Inanspruchnahme derselben) wird dem Käufer - Baron von Grothe - ungehindert gelassen.

Drei Monate später wenden die Eingesessenen der Dörfschaften Weddelbrook, Hagen und Hitzhusen sich an die Landesregierung zu Glückstadt mit einer Beschwerde gegen den Baron und Oberstleutnant von Grothe. Er behandelt sie als Leibeigene, da sie doch freie Leute wären, auch als solche ihre Kontribution zahlten und statt der Hofdienste ein gewisses Dienstgeld entrichteten. Sie bitten zugleich, dem von Grothe zu untersagen, daß er wider die hergebrachte Freiheit sie so beschwere, sie und ihre Nachkommen als Leibeigene traktiere und als Sklaven ohne Entgelt zu seinen Diensten gebrauche oder zu dem Dienstgeld auch noch Herrendienste fordere. Der Prozeß in dieser Angelegenheit hat sich durch Jahre hingezogen; entstehende Kriegsunruhen haben ihn einschlafen lassen. Nach Abschluß des nordischen Krieges haben die Weddelbrooker die Sache wieder aufgenommen. Eine Entscheidung scheint ausgeblieben zu sein. Unter der Herrschaft des Oberstleutnants und danach seiner Witwe von Grothe war dem Gute keine Blütezeit beschieden. Nach dem Bericht des bereits erwähnten späteren Gutsbesitzers Ferd. Lawaetz, dem etliche alte Gutsakten zur Verfügung gestanden haben, sind derzeit viele Hufen »wüst« geworden. Die Ursache will Lawaetz nicht dem Kriege allein zuschieben. Die Folge dieser Gutsflucht war, daß viel freie Leute ins Gut hineinzogen. Die Baronesse, dauernd in wirtschaftlichen Sorgen stehend, hat die ledig stehenden Hufen und Katen erb- und eigentümlich verkauft und die Käufer von jeder Form der Leibeigenschaft freigesprochen.

Hierzu ein Dokument in seiner ursprünglichen Form:

»Im Nahmen der Heiligen und Hochgelobten Dreyeinigkeit. Kund und zu wissen sei hiermit jedermänniglich, insonderheit denen, so daran gelegen, daß heute unter gesetzten dato zwischen der Hochwohlgeborenen Frauen, Frau Baronesse von Grothen gebohrenen von Bülauen, Erbfrauen auf dem Hochadelichen Gute Bramstedt, an einem, sodann dem Ehrbaren Marcus Horns in Hitzhusen am andern Theil, nachgesetzter, zu recht beständiger und unwiderruflicher Erb-Kauf-Contract getroffen und geschlossen worden, nemlich:

Es verkauft hochgedachte Frau Baronesse von Grothen für sich und ihre Erben und Künftigen Successoren dieses Hochadlichen Gutes die derselben eigenthümlich zugehörige, in Hitzhusen, nahe bei Hans Krützfeld belegenen Kathe cum pertinentiis1) an Marcus Horns umb und vor 50 Rtlr. - schreibe fünfzig Reichsthaler - veraccordirten Kaufgeldes, dergestalt und also, daß sothaner Kauf und Verkauf von Niemand, er sey auch wer er wolle, widersprochen, noch geändert, auch sothane Kathe mit keinen Auflagen, Hoftagen und sonsten Verhäurungen beschwert werden soll. - Sondern es mag Käufer und dessen Erben »solche Kathe« Garten, Weiden, Holtztheil und dabei gehöriges Kornland nach belieben bewoh-

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1) Mit Zubehör.

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nen, nutzen und gebrauchen, auch an einen andern wieder verhäuern oder verkauffen, ehrliche Hantierung auf alle Art und Weise, es mag Nahmen haben wie es will, darin fortsetzen und in summa sein Bestes allwege damit suchen, wie er immer kann und will und vermag. -

Dagegen verspricht der Käufer Marcus Horns, abgedachtes Geld zu entrichten: 100 Mark dieses Jahr 1740, auf Michaeli, und die übrigen 50 Mark - Geb Gott -1741 in Pfingsten; und wann solche richtig abgetragen und bezahlet sind, so verspricht Hochgedachte Frau Baronesse von Grothen für sich, dero Erben und Successoren hiermit, den Käufer gänzlich wegen des empfangenen Kauf pretio (Preis) los und frei. - Was aber die darauf haftenden jährlichen Ausgaben sind, so muß der Käufer alle Jahr auf Wainachten 8 Reichstaler - Cronen - an Hochgedachte Frau Baronin v. Grothen oder deren Successoren ohnfehlbar entrichten und abführen.

Schließlich geben Frau B. v. Gr. für sich und deren Successoren dieses Adeligen Gutes dem Käufer und seinen Erben hiermit die schriftliche Versicherung, daß er oder sie im geringsten mit keiner Leibeigenschaft beleget, sonder mehr gemeldeter Max Horns und seine Erben, weil sie würklich freye Leute seyn, von solcher Leibeigenschaft gänzlich ausgeschlossen sein sollen. Alles ohne Arglist und Gefährde. Urkundlich und zu mehrer Festhaltung obiges alles haben Ihre Hochwohlgeboren von Grothen für Sich und dero Successoren diesen Kauf-Brief selbsthändig untergeschrieben und mit dero Angebornen Hochadels Pettschafft besiegelt; auch ist selbiger von dem Käufer für sich und seine Erben und Nachkommen (Nachfolger im Besitz) zu desto gewisser Gelebung des Vorgeschriebenen eigenhändig subscribiret worden.«

So geschehen 1. Mai 1740.

(gez.) A. v. Grothen

pro vera copia F. O. V. Lawaetz

 

Man wird nicht zögern wollen, Markus Horns als einen außerhalb der »adeligen Leibeigenschaft« Stehenden anzuerkennen.

Schon die Tatsache aber, daß er sich durch Kauf davon frei machen mußte, beweist, daß grundsätzlich und praktisch diese Leibeigenschaft auf dem Gute noch bestand und weiterhin bestanden hat. Einen Anhalt dafür, in welchem Zahlenverhältnis die Unfreien zu den Befreiten derzeit gestanden haben, gibt es nicht. Wenn aber Lawaetz, ein durchaus ernst zu nehmender Mann, sagt, daß viele Stellen wüst geworden sind, so darf man schon glauben, daß nicht wenige durch Freikauf wieder besetzt worden sind. Hochgeborne Frau von Grothen bedurfte im allgemeinen recht sehr des fürstlich gestempelten Metalles. Freiherr Friedrich Wilhelm von Prinzen wird im Jahre 1751 der Rechtsnachfolger gedachter Frau von Grothen. Der Kaufbrief überläßt mit dem Gute dessen sämtliche dazu gehörigen Untertanen dem Käufer, ohne zu erwähnen, ob sie freie Leute oder Leibeigene sind. Nach dem bei der Übergabe des Gutes aufgenommenen Notarial-Instrumente haben sämtliche Gutsangehörige die angefügte und ihnen vorgelegte Eidesformel durch Handschlag bekräftigt.

 

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Hier die Eidesformel

 

»Ich lobe und schwöre zu Gott dem Allmächtigen, daß ich den Herrn Freiherrn von Printzen, Königl. Preußischen Geheimbten Rath und Ritter des heiligen Hubert-Orden hinführo als wahren und eigenthümlichen Herrn von dem Adeligen Gute Bramstedt, sonst Stedinghoff genannt, erkenne, dessen Bestes in allen Stücken befördern und allen Schaden, so viel Menschmöglich und als es redlichen und rechtschaffenen Unterthanen eignet und gebühret, verhühten, die Contributiones, Hoff- und Spanndienste und was mir sonst als Unterthan zu thun oblieget, getreulich und zu rechter Zeit bezahlen, entrichten und leisten will. So wahr mir Gott helfe und sein heiliges Wort.«

pr. v. cop. Lawaetz

 

Diese Eidesformel spricht von Untertanen, nicht von Leibeigenen. Die darin aufgeführten Verpflichtungen sind das typische Merkmal der damaligen Adelsherrschaft gegenüber den Untergebenen schlechthin; denn auch die freigesprochenen Bauern und Kätner standen durchweg in einem besonders festgelegten Pflichtverhältnis zur Gutsherrschaft, und allemal blieben sie unter deren Gerichtsbarkeit. Wir dürfen auf keinen Fall die Fassung der Formel so verstehen, als wäre unter dem Regiment derer von Groten mit der Leibeigenschaft bereits aufgeräumt worden, weil doch darin von Leibeigenen nicht mehr die Rede sei. Wir werden gleich genauer sehen. Gutsbesitzer Baron von Printz hat nicht lange Bramstedts gute Luft geatmet. Ohne Verzug hat er weiterverkauft an den Grafen Christian Günther zu Stolberg, den derzeitigen Amtmann des Amtes Segeberg. Bei der Übergabe wird der gleiche, oben verhandelte Eid geschworen. Etliche werden vorstellig, sie hätten noch nicht die von der Baronesse ihnen versprochenen Kaufbriefe über ihre Höfe und Häuser erhalten. Hatten sie diese zu beanspruchen, so wird bestätigt, daß es sich um losgekaufte Männer handelte.

Der erste Freikauf ist, wie gezeigt, schon unter der Gutsherrin Wiebeke Kruse erfolgt. Die Aera von Grote hat darin erhebliche Erfolge gezeitigt, und unter Stolbergs Regiment ist die Aufhebung der Leibeigenschaft dann annähernd zum Abschluß geführt worden. Es darf vorweggenommen werden, was Lawätz, der 1774 das Gut von Stolbergs Erben käuflich übernommen hat, in dieser Hinsicht zu überliefern weiß.

Er hat noch drei Leibeigene am Leben vorgefunden, die, wie sie gesagt haben, nebst einigen andern wegen Unvermögenheit nicht imstande gewesen wären, das von Stolberg für ihre Lösung verlangte Kaufgeld aufzubringen, und also Leibeigene bleiben mußten.

Lawätz hat diesen dreien ihre Freiheit geschenkt.

Genannter hat, als er 1774 das Gut übernahm, unter den Papieren zehn von Stolberg ausgefertigte Freibriefe vorgefunden. Es wird recht sein, auch von diesen ein Beispiel hier festzulegen.

 

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Freibrief

 

»Ich Christian Günther Graf zu Stolberg wie auch des Adlichen Gutes Bramstedt Erbherr ... füge hiermit zu wissen: welchergestalt meines leibeigen Unterthanen, des Hans Witten vier Kinder von Hitzhusen, hiesiger Bramstedter Adeliger Jurisdiktion, untertänig anzeiget und gebeten, wie sie aus der angeborenen Leibeigenschaft gerne entlassen und von mir als rechtschaffene freye Leute, die da ziehen, wohnen, das Ihrige veräußern, ungleichen sich verändern und verehelichen könnten, wie, wann und wo sie wollen, für sich und ihre Nachkommen erkläret und erkannt seyn mögten, und zwar dieses gegen Zahlung der Summe von zwey Hundert und fünfzig Reichstaler für alle sothane vier Leibeigene, Nahmentlich Hans von 21 Jahren, des älteren noch lebenden Hans und der verstorbenen Becke Witten Sohn, und Maria von 13, Jochim von 2 und Becke von 8 Jahren, alle drey des vorgedachten älteren Hans und seiner itzigen Frau Marta Eheleibliche Kinder.

Wann nun aus verschiedenen bewegenden Ursachen und sonderlich wegen der Eltern jederzeitigen guten Aufführung und Betragens dem Gesuche dieser Nahmentlichen vorbenannten Vier Leibeigenen gegen Empfang der besagten zwei Hundert und fünfzig Reichstaler von mit deferiert (nachgegeben) worden, als habe ich solches durch diesen ihnen ertheilten Frey-Brief hiermit für mich und meine Successoren declariren wollen; also und dergestalt, daß selbige von mir und meinen Successoribus als freye und mit keiner Leibeigenschaft beschwerte Leute geachtet und gehalten werden und solchem nach (demnach) freye Macht und Gewalt haben sollen, aus dieser adel. Bramstedtischen Jurisdiction zu verziehen, wie auch mit ihren darin erworbenen oder ihnen sonst zugefallenen Gütern und Vermögen so zu schalten und zu walten, als es andern freyen und nicht leibeigenen Untergehörigen dieses Gutes bisher erlaubet gewesen. Welches vornehmlich auch von dem Hofe will verstanden und mittelst diesem zugegeben haben, den der älteste dieser vier freygelassenen, Hans Witt genannt, mit meinem Consens und nach einem ihm darüber von mir danach besonders zu ertheilenden Haus- und Kaufbrief von seinen in der Leibeigenschaft verbleibenden Eltern übernehmen wird; maßen er nebst seiner künftigen Frau, der itzo mit ihm versprochenen und freygeborenen Christiana Schümanns, wie auch die etwa von ihnen erzeugten Kinder oder ihre sonstige freye Erben, solchen Hof gegen Abhaltung und Leistung der im Haus-Briefe beschriebenen praestandorum (Lasten) eigenthümlich bewohnen oder, denselben nach ihrer besten Gelegenheit an andere veräußern mögen.

Urkundlich sind von diesem Freybriefe unter meiner eigenhändigen Namens-Unterschrift und vorgedrucktem Petschaft 4 gleichlautende exemplare ausgefertiget und selbige unter die 4 freygelassenen erteilet worden.«

So geschehen Bramstedter Hof, den 24. März 1753.

 

Will man glauben, daß die erwähnten zehn Freibriefe das Maß der vom Grafen Stolberg überhaupt gewährten Befreiungen darstellt, so müßte gefolgert werden,

 

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daß schon seine Vorgänger weithin mit der Leibeigenschaft aufgeräumt hätten. Doch diesem Glauben fehlt die sichere Fundierung. Andrerseits sieht man aus den vorgelegten Dokumenten, daß die Lossprechung schon unter Wiebeke vorgekommen ist und unter ihren unmittelbaren Nachfolgern durch Einkauf freier Kätner und Hufner sich die Zahl der Gutshörigen merklich gemindert hat. Freilich ist das unter Umständen geschehen, die mehr oder minder zwangsweise dazu geführt haben. Christian Günther zu Stolberg hat bei dem Loskauf anscheinend aus freiem Antrieb gehandelt. Hier ist aber die Tatsache zu vermerken, daß die Zeitströmung nicht ohne Wirkung sein konnte. 1740 hatte der Dänenkönig die Hörigkeit durch Gesetz beseitigen wollen, ohne den Widerstand der Adeligen überwinden zu können. Aber die innere Ablehnung dieses unwürdigen Zustandes wuchs. Immerhin ist Gut Bramstedt unter diejenigen holsteinischen Adelssitze einzureihen, die aufgeräumt hatten, ehe der gesetzliche Zwang dafür vorlag. Der Name Stolberg hat in der deutschen Geschichte einen guten Klang. Indessen liegt für den Gedanken, daß Christian Günther wegen seiner Haltung in der Sache der Leibeigenschaft eine besondere Würdigung zu beanspruchen habe, ein positiver Anlaß nicht vor. Die Befreiung der vier Wittschen Kinder wurde mit 250 Reichstaler erkauft.

Das ist, auf jene Zeit bezogen, etwa der Wert von zehn Kühen. Auf jeden der Befreiten kamen zwei bis drei Kühe. Dabei sind drei Tatsachen zu beachten: a) das dem 21jährigen Sohn zu übergebende Haus stand, wie wir lasen, noch unter besonderem Kaufbrief; b) der Wortlaut des Freibriefes stellt diesen hin als wesentlich beeinflußt durch das gute Betragen des Ehepaares Witt; c) diese wohlgelittenen Eltern blieben, was sie gewesen: Leibeigene! Man darf annehmen, daß es ihnen in langjähriger Mühe und eisernem Fleiße, verbunden mit karger Lebenshaltung, erst möglich geworden ist, ihren Kindern ein unverdientes Joch zu ersparen.

Man hat es dem Grafen Stolberg verübeln wollen, daß er die Befreiung nicht ohne Entschädigung ausgesprochen habe. Vielleicht bedürfte es genauerer Kenntnis des Einzelfalles, um gerecht zu urteilen. Dethlevus Chemnitius, derzeit Pastor zu Bramstedt, also in der Lage, des Grafen Werk zu überschauen, äußert sich anders: sein Andenken müsse den Unterthanen billig unvergeßlich sein; er habe die Leibeigenen für ein Mäßiges freigegeben und schöne neue Häuser, teils auf seine Kosten, bauen lassen.

Am Schluß ein Wort besonders über diejenigen Gutsuntertanen, die innerhalb des Fleckens von Gründung des Gutes her gewohnt haben, und diejenigen, die 1633 aus dem Amte Segeberg dem Gute zugeführt worden sind. Lawätz meint, daß sie rechtlich niemals Leibeigene gewesen seien. Auch die Königliche Deutsche Kanzlei zu Kopenhagen äußert sich anläßlich des oben berührten Prozesses von 1698 zur Sache: »daß die von dem Amt Segeberg zu dem Gute gelegten Unterthanen freie Leute gewesen, >liberi domini< (freie Herren) des ihrigen waren und frei wegziehen konnten.« Sie sind wohl im Laufe der Zeit unterjocht worden und hatten das Unglück, daß von ihnen angestrengte Prozesse nicht zu Ende geführt

 

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worden sind. So dürfen wir unsere Gewißheit, daß Jürgen Fuhlendorf, als er sich mannhaft gegen die von seinen Fleckensleuten verlangten Frondienste auflehnte, im Recht war, auch durch amtliche hohe Stelle bestärkt und bestätigt sehen.

 

VII. Vom Schloß

 

Diese den Bramstedtern so geläufige Bezeichnung des an der Westseite des Bleecks liegenden, durch Bauform und Größe auffallenden Hauses ist, bei Licht betrachtet, verfehlt. Aktenmäßig weist es sich aus als das »Porthaus«, also das Torgebäude eines nicht mehr vorhandenen Gutsgehöftes, dessen Front und vornehmster Eingang sich der heutigen Glückstädter Straße zuwandten. Dort hat einmal das herrschaftliche Wohngebäude gestanden, das auf den Namen eines Schlosses Anspruch hatte, wie denn auch die Memorabilia der Kirche berichten, daß 1751/52 der Eigentümer Christian Günther zu Stolberg das »alte auf dem Hofe Bramstedt gestandene Schloß« habe abbrechen lassen. Der Geistliche fügt dieser Nachricht den Ausdruck des Bedauerns hinzu, und der Chronist schließt sich dem an, da ein wertvolles Merkmal der Geschichte Bramstedts dadurch zerstört worden ist. Die Fama weiß nur noch von der Festigkeit der Grundmauern zu berichten; man habe »die gewaltsamsten Mittel zur Demolierung derselben anwenden müssen.« Noch zu Paustians, des letzten Gutsbesitzers, Zeit will man bei Gartenarbeiten auf solche Mauerreste gestoßen sein. - G. H. Mahnke, der dankbare Kurgast Bramstedts, der vor 120 Jahren seine Erinnerungen an diesen Ort niederschrieb, bemerkt hinsichtlich des Gutes: »Die Grafen zu Rantzau haben in früheren Jahren auch einmal diese Besitzung gehabt.« Um einen Nachweis aber bemüht er sich nicht. Nun ist aber Johann Rantzau (+ 1565) Statthalter und Amtmann zu Segeberg gewesen, desgleichen sein Sohn Henricus (+ 1598); auch hat Hans Rantzau aus Begalendorf, der Amtsvorgänger des Grafen Stolberg, sich hier am Orte ein Haus gebaut (1638): aber keiner von ihnen konnte Besitzer des Gutes Bramstedt sein, das, wie bereits nachgewiesen, seit seiner Gründung (1541) in anderer Hand gewesen ist. Mein Bemühen, trotzdem auf diesem Wege zu weiterer Kunde über das alte Schloß zu gelangen, ist ohne positives Ergebnis geblieben: Hans Rantzau zu Breitenburg hat mir mitgeteilt, daß seine Familie keine Beziehung zur Bramstedter Gutsbesitzerin gehabt habe. Ist denn nicht die Erbauung des alten Schlosses in den Zeitpunkt der Gutsgründung (1541) zu verlegen?

Es steht fest, daß Dirick Vageth, im Fleckensbuch 1530 als Bürgermeister verzeichnet, Nutznießer der Stammhufe des neuen Gutes gewesen ist. In der Hufner-Rolle des Amtes Segeberg von 1537 wird Vageth nicht genannt, ein Zeichen, daß die Hufe nicht königliche Steuern entrichtet hat, ihre Nutzung wohl als Dotation des Bürgermeisters anzusehen ist. Im ältesten Hufnerverzeichnis der Kirche um 1620 finden wir die Familie Vageth, deren Hufe aber 1654 durch Heirat in den Besitz von Tyes Langhinrichs übergeht, demnach als Privatbesitztum zu erachten ist. Das läßt dem Gedanken Raum, daß der Bürgermeister Dirick

 

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Vageth einmal zwei Hufen in Nutzung gehabt habe, eine privatrechtlich vererbliche und eine zweite (königliche) seines Amtes wegen. Letztere war dann 1541 an den ortsfremden Sekretarius Caspar Fuchs, den ersten Gutsbesitzer, abzugeben. (Da nach Dirick Vageth durch 340 Jahre von einem Bürgermeister Bramstedts nicht wieder die Rede ist, mag es erlaubt sein, in der Abgabe der Hufe zugleich das Erlöschen des Bürgermeisteramtes zu erkennen.)

Wir vernehmen, daß Caspar Fuchs alsbald die Einrichtung von Baulichkeiten ins Auge gefaßt hat. Eine Kieler Akte vom 9. Dezember 1541 verkündet: »Vertrag zwischen den Fleckensleuten zu Bramstede und dem Erbaren Capar Fuxsen, der zum Zwecke eines Baues in seiner Coppel außerhalb des Hohen Thores vor Bramstedt zwei der Gemeine gehörende Wiesen auf der Osterau, genannt die Rorwische und die Alkesforth erwirbt und dafür dem Flecken abtritt die Wesselwysche und twee bleeke gegen der karck eren Brackswysche und einen helen (ganzen) rep in den marsbroke und 2 bleke bawen (jenseits) de yegerwische

Ein versiegeltes Exemplar ist jedem Partner ausgehändigt worden. Dazu ein Dokument vom 11. Januar 1546:

»Otto Seestede, Amtmann zu Segeberch, bekennt, daß die Fleckensleute einen Platz hinter seinem Hause mit darauf stehenden Eichbäumen erblich überlassen haben, wogegen er sich verpflichtet, keine Schafe auf die heisek (Weide), belegen zwischen Boiemohler Feltschede und der heddenshuser (Schede), ock by de osterawe, zu treiben, es sei denn, daß das >gemene quick< (fleckensvieh) darup gedrewen ward.«

Wohl kein logisches oder reales Hindernis steht im Wege, die beiden Verträge miteinander in Beziehung zu bringen, und zwar in dem Sinne, daß der erste auf das geplante, der zweite aber auf das fertige Wohnhaus oder Gehöft des Erbaren Fuchs hinweise. Hätte der erste lediglich auf Stall oder Scheune hindeuten wollen, so wäre das sehr wahrscheinlich auch klar bezeichnet worden; der gewünschte Eichenhain sollte für Haus und Garten eine zusätzliche Zier werden.

»Rorwische« und »Alkesforth« lautet die Bezeichnung der Parzellen, die Fuchs seines Baues wegen erworben hat. Ein »Rorwisch« hat viel später Wiebeke Kruses Enkelin beim Verkauf des Gutes separiert und mit der Mühle für sich behalten. Hat diese Parzelle etwa einen Bestandteil des alten Gutsgehöftes gebildet? Ist gar das von Caspar Fuchs neu erbaute Haus das erste Wohngebäude auf dem Hofplatz der Stammhufe des Gutes gewesen? Hätte Fuchs ein neues Wohnhaus alsbald errichtet, wenn er ein altes - das Schloß - vorgefunden hätte? Sein Vorgänger, der Bürgermeister Dirick Vageth, sehr wahrscheinlich zugleich Besitzer einer eigenen Hufe, hätte sehr wohl die Stammhufe des Gutes bewirtschaften können, ohne ein zweites Wohnhaus in Anspruch zu nehmen; desgleichen seine Vorgänger im Amte, die es nachweislich mindestens seit 1488 gegeben hat. Indessen tut sich hier nur eine Möglichkeit auf; die Gewißheit, daß Caspar Fuchs, zweifellos der erste Besitzer des Gutes Bramstedt, auch der Erbauer und Nutznießer des alten Schlosses gewesen sei, kann bei gegenwärtiger Kenntnis der Dinge nicht ausgesprochen werden.

 

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Zu diesem Gegenstande sei auch der Fama das Wort vergönnt. G. H. Mahnke erwähnt in dem Aufsatze »Bramstedt als Kurort«, mit in seinem vor 120 Jahren gegebenen Bericht: »Vielleicht hauste im 13. Jahrhundert Henrich von Huda auf dem nun abgebrochenen Schlosse, welches nahe an dieser Brücke lag (Hudau-Brücke).« Er bezieht sich dabei auf die hamburgische Chronik von Dr. Reinhold, der auf Seite 151 sagt: »Besonders kühn und mächtig war eine solche Rotte (von Wegelagerern und Raubrittern ums Jahr 1283) zwischen der Elbe und der Weser und namentlich im Lauenburgischen. Henrich von Huda hieß der Anführer, der bald auf diesem, bald auf jenem seiner festen Schlösser hauste, um von verschiedenen Punkten her die wandernden Handelsleute, denen Erich V. Anno 1273 auf Fürbitte Johanns von Schauenburg gestattet hatte, Jahrmärkte in Schwerin zu besuchen, überfallen zu können.« - Zu gemeldeter Zeit hat es bestimmt einen Grafen Johann von Schauenburg gegeben, der allerdings in Kiel residierte; die Praefektur Segeberg stand derzeit unter Adolf V. Es ist schwer, eine Beziehung des wilden Grafen von Huda, dessen Taten in das Gebiet zwischen Elbe und Weser verwiesen werden, zu unserm Heimatsort herzustellen. Es scheint auch der Name Huda der Ausgangspunkt zu sein, der zu solchem Versuch geführt hat: es gibt ja hier eine Hudau. Es wird natürlicher sein, berührten Grafen, sofern er wirklich in Bramstedt gehaust haben mag, mit dem in der Lüneburger Heide gelegenen Orte dieses Namens zu verbinden. Unsere Hudau aber, die übrigens Mahnke noch als Westerau einführt, kann sehr wohl ihren Namen aus dem Grunde erhalten haben, weil sie als Anlege- und Ladestelle für Schüfe gedient hat. Nach Otto Mensing ist Hude die ursprüngliche Bezeichnung für einen »Bergungsplatz an Gewässern«. Bei den Verhandlungen über Bramstedter Schiffahrt hat das Gut großes Gewicht auf eine eigene Ladestelle gelegt, und jener Ausdruck dafür mag derzeit noch lebendig oder doch noch in Erinnerung gewesen sein.1)

Der gleiche Berichter behauptet, Bramstedt müsse in alter Zeit eine größere Bedeutung gehabt haben. Das sehe man schon daraus, daß Anno 1310 die Herren von Bramstedt sich haben mit dem Grafen Adolf V. in offene Fehde einlassen können. Herr Heinrich von Bramstede, dem wohl auch das Bramstedt im Hannoverschen gehört haben möge, habe eben keine Seide bei dieser Fehde spinnen können.

Dem Chronisten ist es nicht gelungen, unter den Schauenburger Grafen, um die es sich doch handelt, einen Heinrich von Bramstede zu ermitteln. Es wird wohl so sein, daß Genannter nicht »wohl auch«, sondern »nur« Besitzer des hannöverschen Ortes Bramstedt gewesen ist.

Wir kommen zu dem Ergebnis, daß eine sichere Nachricht über die Bauzeit und den Bauherrn des alten, von Stolberg niedergelegten Schlosses heute nicht gegeben werden kann: dafür reicht das, was hier über den ersten Gutsbesitzer Caspar Fuchs mitgeteilt worden ist, so wenig aus wie die berührten Hinweise auf etwaige frühere Gründer oder Nutznießer.

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 1) Das Fleckensbuch nennt schon 1568 die »hudow« = Hudau.

 

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Schreiten wir nun vom versunkenen zum vermeintlichen Schlosse. Als 1631 Christian IV. das Stedingsche Gut angekauft hat, wird ihm auf Verlangen durch seine Beamten mitgeteilt, daß eine Aufwendung von 1808 Mark nötig sei wegen Arbeitslohn, Material und sonstiger Baukosten für die Herstellung eines neuen »Vorwergks« und »gebeuw« zu Bramstede. Unter »Vorwerk« versteht man heute allgemein eine vom Hauptwirtschaftsbetrieb abgezweigte Sonder- oder Nebenstelle, oft eine Molkerei. Von dergleichen ist, soweit das Gut Bramstedt in Frage kommt, niemals die Rede gewesen. Zwar hat unsere Zeit ein »Gut Gayen«, »Gut Bissenmoor«, »Gut Holm« und »Gut Tannenhof« im Munde geführt. Aber doch war das jenseits der Strafparagraphen geduldete Falschmünzerei, weil in keinem Falle der Rechtsbegriff eines »Gutes« vorgelegen hat. - Kein Zweifel besteht, daß die genannte Summe für Baukosten gedacht war. Wir haben unter dem »Vorwergk« in diesem Falle bestimmt an ein Bauwerk, und zwar an ein neu zu errichtendes, zu denken. Das hinzugefügte »gebeuw« wird man als Hinweis auf Instandsetzungskosten an einem Gebäude, wohl am alten Schlosse, nehmen dürfen. Jedenfalls kann mit dem Vorwerk nicht dieses Schloß gemeint sein. In Frage kommt nur das späterhin als Porthaus oder Torgebäude bezeichnete, heute noch vorhandene Bauwerk.

Ist nicht aber Anstoß zu nehmen an der gemeldeten Bausumme von 1800 Kurantenmark? Ist nicht dieses Kapital gar zu gering?

An Hand des Kirchenrechnungsbuches läßt sich ein geeigneter Maßstab finden. Im Jahre 1647 erhält die Kirche an Miete von Diedrich Moyelke neun Mark; dafür nutzt er die Vikarie, ein ursprünglich für einen Hilfsprediger bestimmtes Wohngebäude mit Garten und einem Stück Wiesenland. Heute wäre eine solche Wohnung wohl kaum unter 450 RM = 360 Kurantenmark zu mieten. Das wäre das Vierzigfache. Nun wird man einigermaßen das Richtige treffen, wenn man die Steigerung der Baukosten etwa nach dem gleichen Maßstab bestimmt.

Wir hätten dann 40mal 1800 = 72 000 Kurantenmark = 90 000 RM heutiger Prägung. Freilich ist von den 1800 Kurantenmark noch irgendein Betrag zu kürzen für Instandsetzung. Doch braucht auch das nicht ernstlich zu stören: Der König hatte den Baugrund frei; das erforderliche Bauholz stand in der Segeberger Heide gratis zur Verfügung, und schließlich hatte er als Inhaber eines adeligen Gutes Spann- und Handdienste so billig wie nur einer.

Die Kostenfrage ist demnach nicht zu erachten als ein Hindernis für die Annahme, daß der König der Bauherr des alten Porthauses gewesen sei. Auch die Frage nach dem Grunde, der Christian IV. zur Errichtung dieses Gebäudes veranlaßt hat, wirft keine Schwierigkeiten auf. Die Aufrechnung mit dem Verkäufer des Gutes zeigt einen Posten auf, wonach bis 1631 tatsächlich nur eine Vollhufe der Bramstedter Gemarkung gutseigen gewesen ist. Zugunsten seiner Wiebeke hat der König weitere fünf Hufen hinzugelegt. Es liegt auf der Hand, daß damit der Bedarf nach wesentlich erweitertem Wirtschaftsraum dringlich wurde. N. F. Paustian schreibt in seinen Erinnerungen, daß, als er das Haus übernahm, zwei größere Räume im Oberstock als Kornböden gedient haben. Auch

 

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der Gedanke an Verstärkung der Dienerschaft mag mitgewirkt haben. Nicht das Verlangen nach einem »Porthause« ist die treibende Kraft gewesen, sondern einem stark vergrößerten Gutswesen entsprechend erweiterte Räumlichkeiten zu verschaffen. Der hart an der östlichen Grenze des Gutshofes liegende Bauplatz machte aber notwendig, dem Gebäude einen den Anforderungen des wirtschaftlichen Betriebes genügenden Torbogen einzufügen. Andernfalls würde das langgestreckte Bauwerk (40 m) den bisher völlig freien Weg vom Gutsgehöfte zur Hauptverkehrsstraße, dem Bleek, einfach abgesperrt haben. Hier sei die Bemerkung eingeflochten, daß nicht einmal die schöne Allee, die der spätere Gutsinhaber Ferdinand Lawätz mit Genehmigung der Ratsmänner angelegt hat, jemals Eigentum der Gutsbesitzer gewesen ist. Das Recht der freien Ausfahrt quer über den Marktplatz zum Steindamm hin ist durch ein Streitverfahren allerdings festgelegt worden.

Von auffälliger Stärke sind die Umfassungsmauern des »Schlosses«. Zusammengefügt aus den handgestrichenen großen »Klostersteinen«, wie sie auch in alten Mauerteilen unserer Kirche noch vorhanden sind, weisen sie eine Dicke von fast 60 cm auf. Wozu diese Stärke? Rücksicht auf die Sicherheit des Eigentums oder auf die persönliche Sicherheit der Bewohner mag dabei den Bauherrn geleitet haben. Die Tatsache, daß der letzte Besitzer des Gutes ein Gefängnis1) in diesem Gebäude vorgefunden hat, kann ein Fingerzeig sein. Auch denkbar, daß Christian habe dokumentieren wollen, daß es sehr zweierlei ist, ob der König oder der Kärrner ein Bauwerk errichten läßt.

Wer dieser Darlegung mit Zweifeln gegenübersteht, der lege sich die Frage vor, was für ein anderes Bauwerk der Dänenkönig habe errichten lassen.

Und wer dem »Schloß« eine frühere Entstehung zuerkennen will, der mache sich zunächst klar, daß die Besitzer des Urgutes, die »Einhufer« Fuchs und Steding, wirklich keinen Bedarf für ein derartiges Gebäude gehabt haben.

Nun ist freilich durch Kuss, den ehemaligen Hilfsgeistlichen zu Kellinghusen, die Meinung vertreten worden, das »Schloß« sei ehemals ein Marstall gewesen, ein Winterquartier für eine große Anzahl von Stuten und Wallachen, deren Weidengründe in der Segeberger Heide gelegen haben sollen. Es ist hier nicht der Ort, zu diesem Gegenstande überhaupt Stellung zu nehmen. Eins aber ist gewiß: ein Pferdestall hätte eines so fest gefügten Gebäudes nicht bedurft.

 

VIII. Ein Versuch, das Gut zum Flecken zurückzuführen

 

Man steht nahe der Mitte des 18. Jahrhunderts. Das adelige Gut ist im Besitze der Witwe des Barons von Groten. Die wirtschaftliche Lage des Gutes ist dauernd schwierig. Nicht einmal die beteiligten Kirchengemeinden, Bramstedt und Kaltenkirchen, kommen zu ihrem Recht. Unter den Fleckensbürgern herrscht keine freundliche Stimmung gegen die Baronesse. Denn diese läßt es durchaus fehlen

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l) Ein zweites im Pferdestall.

 

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an Entgegenkommen den Fleckenswünschen gegenüber. Die Gutsbesitzerin entschließt sich unter dem Druck der Widerwärtigkeiten, ihren Besitz zu verkaufen. Drei Eingesessene, ein Gastwirt, ein Holzhändler und ein Grobschmied, fassen den Plan, diese Gelegenheit zu nutzen, das Gut zunächst in ihren gemeinsamen Besitz zu bringen. Sie bieten 28 000 Mark Kurant bei sofortiger Zahlung. Die Inhaberin ist nicht abgeneigt. Es stellt sich aber heraus, daß zunächst die Einwilligung des1 dänischen Königs einzuholen ist, da ihm das Vorkaufsrecht zusteht.

Die Kauflustigen tragen nun dem Amtmann Hans Rantzau, genauer seinem Vertreter von Stemann, ihr Anliegen vor. Dieser meint in seinem Bericht, die drei hätten gar keine rechte Vorstellung von dem Gut und was damit zusammenhängt. Er rät ihnen, sich zuvörderst den Kaufbrief der Baronesse zu verschaffen. Als diese antwortet, sie habe einen solchen nicht in Händen, gibt Stemann den Rat, sich nach Glückstadt an das Obergericht zu wenden; hier erlangen sie die gewünschten Dokumente. Inzwischen haben sich auch Kaufliebhaber aus Hannover und aus Kellinghusen gemeldet. Frau von Grote muntert die Bramstedter auf; ihnen gönne sie das Gut am liebsten, und sie wisse wohl, was das für den Flecken bedeute. - So kommt Stemann zu dem Vorschlag und Anerbieten, ein Gesuch an den König zu begünstigen. Notwendig sei aber, daß der ganze Handel tatsächlich zum Besten des Fleckens gewendet werde und daß das Ersuchen an den Landesherrn in aller Aufrichtigkeit diesen Gedanken betone. So sei zu hoffen, daß, wenn die Bittsteller Eigentümer des Gutes werden sollten, auch die für den Flecken erstrebte und diesem hochdienliche Schiffahrt auf Itzehoe zuwege kommen werde, allermaßen doch die Frau Baronesse von Groten dieses Werk bisher hintertrieben haben soll. Stemann verspricht ihnen sogar, ihnen beizustehen, daß sie, selbst ohne Barmittel, das ganze Kaufgeld möglichst nur mit vier Prozent zu verzinsen haben werden.

So hat dem Gesuche nichts mehr im Wege gestanden, und Kgl. Majestät haben vor allergnädigster Entscheidung genauere Auskunft verlangt. - Stemann hat hinsichtlich der Frage, ob der König sein Vorkaufsrecht in Anspruch nehmen solle, sich des Urteils enthalten wollen, da ihm die Verhältnisse zu wenig bekannt seien. Was aber die Frage der Jurisdiktion, der dem adeligen Gute nahestehenden Privilegien anlange, so sehe er keine besonderen Schwierigkeiten Diese Rechte seien denen anderer Adelsgüter völlig gleich, und die Gemeinschaft der Gutsbesitze werde diese Privilegien nicht ändern.

Im übrigen halte er die Käufer für ganz vernünftige Hauswirte, die so etwas nicht blindlings ins Auge gefaßt hätten: »sie meinen, auf ihre Art die einzelnen Teile besser ausnutzen zu können.« Die offensichtliche Lücke dieses Berichtes füllt nun der besser unterrichtete Kirchspielvogt Wulff aus. Er sieht nicht ein, daß durch den Plan der drei Fleckensmänner irgendwie Nachteile und Schwierigkeiten für den König erwachsen sollten. Die Käufer seien bereit, sich für die zu erlegende ordinäre und extraordinäre Contribution und was sonsten für onera (Lasten) sein möchten, in solidum zu verpflichten. Zum Kauf könne er dem König nicht raten.

 

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Denn einmal müsse er dann auch ferner die Contributionen zur Hälfte an Ihro hochfürstliche Durchlaucht abtragen, da das Gut unter gemeinschaftlicher Regierung (der königlichen und der großfürstlichen Linie des Fürstenhauses) stehe. - Dann seien die Gebäude des Hofes in größtem Verfall. Ferner sei es nicht hinreichend mit Pferden, Kühen und Schafen besetzt. Viele Hufen seien wüst, die Äcker nicht in gutem Zustande. Mindestens 10 000 Reichstaler seien nötig, um eine gute Ordnung wieder zu schaffen. »Die Gebietsteile liegen mit denen des Fleckens so durcheinander, daß immer wieder Reibereien und Prozesse entstehen.« Endlich müsse der König einen Verwalter einsetzen, was einen erheblichen Teil der Einnahmen verschlucken würde. Über die Einkünfte könne er nur sagen, daß sein Vorgänger im Amte, Averhoff, der drei Jahre das Gut unter Administration gehabt, den Ertrag auf 2000 Reichstaler geschätzt habe. Von Sonderrechten sei auch ihm nichts bekannt geworden. - Die Käufer, so schließt der Bericht, planen, die Ländereien des alten Stedinghofes wieder in das Eigentum der Fleckensleute zurückzuführen.

Das sind die Grundlagen für Hans Ranzaus Bericht. Noch einmal hat er sich vergewissert, wie sich die Kaufwilligen den Ablauf der Dinge vorstellen. Nach Gunst der Lage sollen die einzelnen Ländereien abgegeben werden, und die Nutznießer hätten auch fernerhin die Herrengelder zu zahlen. - Das Bestehen einer gemeinschaftlichen Jurisdiktion bestreitet er durchaus; davon wisse der Schenkungsbrief für Wiebke Kruse nichts. Es handle sich um eine private Landeshoheit der königlichen Linie; Mühle und Zubehör hätten immer nur unter Glückstadt gestanden, und wahrscheinlich sei es mit den fünf Hufen (derzeit aus der Bramstedter Gemarkung für Wiebeke dem Gute zugelegt) eigentlich ebenso1). Nach etlichem Hin und Her kommt von der Rentenkammer zu Kopenhagen noch eine neue Einwendung: Die mit dem Gutsbesitze verbundenen adeligen Freiheiten und Gerechtigkeiten können nicht geteilt, sondern nur auf eine Person übertragen werden.

Also eine neue Sorge für unsere drei wackeren Männer, die dann auch nicht sich haben einigen können, welcher unter ihnen der Auserwählte sein sollte; sie haben Gleichberechtigte sein und bleiben wollen. Im Stande dieser Unfertigkeit trifft die grundsätzliche Genehmigung ihres Vorhabens von Christian VI. ein. Aber das »Angedeyen« dieser Zustimmung ist im allgemeinen an die Bedingung geknüpft, daß nichts geschehe, was Majestät zum Schaden gereichen könne. Im besonderen werden folgende Klauseln eingefügt:

1. Sobald der Kauf zustande gekommen sein wird, haben sie ein genaues Verzeichnis aller dazugehörigen Teile anfertigen zu lassen und im Amtshause zu deponieren.

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1) Hier kommt auch der Vergleich vom 18. August 1700, geschlossen von den gleichnamigen, aber feindlichen Vertretern beider Linien mit in Betracht. Dieser Traventhaler Vergleich sagt unter anderem »als hingegen hat in den übrigen schon geteilten Landen, Ämbtern und Städten als dem Seinigen jeder Theil die souveräne und hohe landesfürstliche Gewalt und daraus herfließende Jura ganz allein und privative zu exerciren und soll von dem andern Theil unter dem Pretext einiger Communion oder was sonst Vorwand sein möge, zu keiner Zeit daran einige Behinderung noch Eintrag (Beeinträchtigung) geschehen«.

 

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2. Sie haften alle drei, einer für alle, alle für einen, für alle realonera und praestanda, sollen auch zusammen nicht mehr Recht haben, als einer hätte, der das Gut kaufen würde.

3. Der König und seine Rechtsnachfolger behalten das Vorkaufsrecht.

 

Auf dieser Grundlage kommt der Kaufvertrag wirklich zustande; doch die praktische Abwicklung und die Übergabe des Gutes stoßen dauernd auf Hemmungen. Die Baronin stirbt, ihre Besitzrechte werden auf den Königlich preußischen Geheimen Kriegsrat Freiherrn von Printz zediert. Dieser verweilt vom 4. Mai bis 12. Juni in Bramstedt, um die endgültige Veräußerung des von seiner Tante ererbten Gutes zu bewerkstelligen. Eigentümer wird nun Hochgräfliche Excellenz Christian Günther zu Stolberg. Zuvor war mit den drei müde gewordenen Fleckensmännern eine Abfindungssumme von 3000 Reichstalern vereinbart worden, die dann der Graf an Hans Friedrich Gotsch und Marx Schümann ausgehändigt hat. Von dem Grobschmied Albert Bartels, dem dritten im Bunde, lesen wir, daß er seine Freunde beim Amtsgericht verklagt hat, weil sie ihm seinen Anteil an der Abstandssumme verweigert hätten. Der Ausgang des Prozesses bleibt unbekannt.

Der Leser aber vernimmt den Klang des Trauerglöckleins, klagend, daß ein guter Plan und vermutlich mit ihm alte Freundschaft in das Nichts zerrinnen mußten.

 

IX. Kirche und Gut

 

Die rechtliche Stellung des Gutes zur Kirche ist von erheblicher Bedeutung für die historische Entwicklung und Gestaltung des Gemeinwesens Bramstedt. Wenn das ehemalige Gut ein ursprünglicher Bestand der Gesamtsiedlung gewesen wäre, oder wenn es gar früher als die bäuerliche Siedlung gleichen Namens bestanden hätte, so müßten die Spuren dieses Tatbestandes sich in der Rechtslage und besonders in der Verwaltung der Kirchenangelegenheiten deutlich widerspiegeln. Das überragende Ansehen des Gutsbesitzers, mehr noch in der Machtfülle als in seiner Persönlichkeit an sich wurzelnd und verbürgt, würde zur Gründung einer Patronatskirche mit allen Vorrechten des Patrons geführt, ihm den vornehmsten Platz im Gotteshause und die führende Hand in der Kirchenverwaltung gesichert haben, vor allen Dingen auch das Recht, den Pastoren nach seinem Befinden ins Amt zu rufen. Von alledem ist in den geschichtlichen Dokumenten des Ortes, auch sonst in der Literatur nichts zu entdecken. Wohl aber sind die Nachweise für den gegenteiligen Sachverhalt vorhanden. Die immerhin in das 16. Jahrhundert zurückweisenden Niederschriften der Kirche wissen nur von einer Berufung des Geistlichen durch den König, von der Amtseinführung unter Mitwirkung des königlichen Amtmannes und unter Leitung des königlichen Propsten zu künden. Weder in dem übergeordneten Visitatorium noch in der örtlichen Kirchenverwaltung ist vom Mitwirken eines Gutsvertreters die Rede. Die Gutsherrschaft

 

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mit ihren Untersassen, ob sie auf dem eigentlichen Gute oder in einem der Kirchdörfer wohnten, waren hinsichtlich ihrer Seelsorge untereinander und mit den gesamten sonstigen Eingepfarrten gleichgestellt. Natürlich konnte sich der Gutsbesitzer wie jeder andre ein besonderes Gestühl verschaffen, und ebenso standen ihm Bevorzugungen zu, die überhaupt dem Adel des Landes eingeräumt waren. Dahin zählt zum Beispiel das Recht, eine Trauung oder eine Taufe, auch Konfirmation im Hause statt in der Kirche vornehmen zu lassen.

Merkwürdigerweise wird in den vorhandenen Kirchenbüchern nicht klar vor Augen gestellt, wie die Gutsherrschaft hinsichtlich ihrer Verpflichtung zu den Kirchenlasten dastand.

Nachstehende alte Texte mögen einige Lichtstrahlen geben.

a) Einnamb der Restanten (1666).

»Demnach die Frau Commissarische (Gutsbesitzerin) sich erkläret, daß die zum Hofe gehörigen unterthanen Steffen Kühl und Titke Rungen hinführo der Kirchen die schuldige Hauer Jährlich richtig abtragen solten, als (so) haben mit Consens des Herrn Probsten und des Herrn Amtsschreibers die Kirchschworen mit derselben sich derogestalt verglichen, daß Sie für alles zahlen 100 Mark, womit die alten Restierenden Gelder völlig bezahlt (sein sollen), (die Kirche aber) nicht ehr als Anno 68 am Donnerstage vor Fastnacht, volente Deo, die gewöhnliche Rente fordert.«

Die Pflichtigkeit der Untersassen kann damit als unstrittig gelten. Das Eintreten der Herrn für sie ist damit als Zwang nicht nachgewiesen; aber für den, der über die Haltung der Commissarischen weiter unterrichtet ist, muß der Zwang als höchst wahrscheinlich gelten.

b) Umlage, die Turmglocken betreffend.

Anno 1577 ist im Kirchspiel Bramstedt eine »gemene Umlage« erhoben worden, um die recht erheblichen Kosten für zwei neu zu gießende Glocken zu decken. Gut 300 Mark werden dabei erzielt. Aber mit Bezug auf den Gutsbesitzer wird keine günstige Nachricht gegeben. Wir nehmen nachdenklich zur Kenntnis:

»Tho gedenken, dat de Stathalter hinrich Ranzow befalen, alhir (im Buch) thor gedechtnisse her tho setten, dat Gert Steding sich geweigert, tholage tho don tho düssen klokken.«

Es ist leider nicht mit Bestimmtheit zu entscheiden, ob es sich bei dieser »tholage« um eine freiwillige oder um eine Zwangsleistung gehandelt hat; doch muß das erstere vermutet werden. - Das Kirchenbuch gibt bei späteren Umlagen genau bekannt, welcher Betrag auf die Hufe, die Kate und den Insten entfällt; bei dieser ersten »tholage« fehlt ein solcher Hinweis, so daß es immerhin möglich ist, daß bei den »klocken« eine Spende der Eingepfarrten vorgelegen habe. War es aber anders, so muß Gert Steding angesehen werden als ein Pflichtiger, gegen den mit gesetzlicher Strenge vorzugehen dem hohen Statthalter nicht angebracht schien. Denn auch solche Justizfälle haben alle Zeiten und alle Zonen aufzuweisen.

c) In den Eingangslisten (Heberegistern) vermißt man das Gut.

d) Graf Christian Günther zu Stolberg hat nach Ausweis der Memorabilia der

 

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Kirche einen Vikar jahrelang durch ein Stipendium unterhalten, was natürlich eine freiwillige Leistung gewesen ist.

Aus der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts liegt folgende, nicht datierte Abschrift einer an den König gerichteten Beschwerde vor, deren Richtigkeit anzuzweifeln keinerlei Ursache vorliegt. Der Ausgang der Sache bleibt freilich ungemeldet, ist indessen unschwer zu vermuten.1)

»Ew. Königlichen Majestät geben wir hiermit allerunterthänigst zu vernehmen, wasgestalt die p. t. Kirchgeschworen zu Bramstete je und allerwege mit dem Rechte ausgestattet waren, im Namen der Kirche Pfändung zu veranlassen, und dasselbe wider diejenigen, welche in abstatung der Kirchenfuhren nachlässig und säumig gewesen, jederzeit durchgeführt haben. Wann wir nun Kurtz vor pfingsten einige Kirchen Fuhren nach Kellinghusen, ümb von dannen einige Fließen, so in der Kirche zu Bramstete geleget werden solten, abzuholen, benötigt gewesen und damahlß die Reihe der Eingeseßenen Huffner zu Hitzhusen, welche unter des Herrn Obristleutnant von Groten Jurisdiktion gehören, mit betroffen, haben dieselben solche ihnen mit zukommende Fuhren auß vorwandt, daß Ihnen solches von Hochwohlbemelten Herrn Obristleutnant bei gewisser Strafe verboten war, nicht abstatten wollen. Daher wir dem Herkommen gemäß uns (haben) entschließen müssen, die Kirchenpfändung vorzunehmen, zu welchem Ende wir dann einen Huffner in H. 2 Kessel abgepfändet und in Steffen Kühls Haus gebracht haben. Weil aber der Herr Obristleutnant auch dieses nicht zugeben, sondern vielmehr belieben wollen, die pfänder durch seinen Bau-Knecht Eggert wieder abholen zu laßen, sind wir genötigt worden, zur Verteidigung des Kirchenrechts dieses Ew. Königl. Maj. zu vernehmen zu geben ... Maj. möge geruhen, uns bei unserm Rechte zu schützen und zu dem Ende Herrn Obristl. Ernst von Groten auf Bramstete allen Ernstes und unter Verhängen einer Strafe von 300 Reichstaler zu befehlen, daß solche Störung in Ausübung kirchlicher Rechte unterbleiben und im besonderen die Kirche wegen der jüngst verweigerten Fuhren voll zu ihrem Recht komme.«2)

 

X. Vom Herrenholz

 

Unter den losen Papieren des Pastorats findet sich in der Urschrift ein für Bramstedt in seinen Folgen wichtig gewordenes Bittgesuch, als dessen Verfasser sich Pastor Gerber ausweist, der im Dezember 1849 diesen Entwurf zuwege brachte. Ob es aus eigenem Antrieb geschehen, ist nicht ersichtlich. Dankbar aber wird die Nachwelt von dem so entstandenen, hier verkürzt wiederzugebenden Dokument Kenntnis nehmen. Sr. Hochgebornen dem Herrn Grafen von Kielmannsegge in Ratzeburg. Die

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1) Geringe Textänderung ist vorgenommen, um lateinische Ausdrücke auszuschalten.

2) Alle Wahrscheinlichkeit spricht dafür, daß vorliegender Fall auf die erstmalige Belegung mit Fliesen hinweist.

 

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Eigentümer des Gutes Bramstedt haben von alters her unter ihren hiesigen Besitzungen eine, welche den hiesigen Fleckenseinwohnern ein besonderes Vergnügen gewährte, mit der freundlichen Gesinnung auch den Bramstedtern zum Mitgenuß offen gelassen: das kleine Gehölz ganz nahe dem Flecken. Dieses gewährte nicht nur Schutz gegen rauhe Nordwestwinde, sondern war zugleich eine Naturschönheit, wie die nähere Umgebung nur spärlich wieder bietet. Durch die Anlage offener Spazierwege war die Gelegenheit zu höherem Naturgenuß gegeben. Durch Jahrhunderte haben die Einwohner besonders an Sonn- und Festtagen mit Freuden genossen, was sonst kaum erreichbar für sie gewesen wäre. In Dankbarkeit haben Ärmere und Nichtbesitzende genossen, was ein hochgesinnter benachbarter Mitbürger freigebig ihnen vergönnte.

Mit um so schmerzlicheren Gefühlen vernehmen wir, daß Ew. Hochgeboren beabsichtigen, außer dem bereits abgeschlagenen, entfernteren Teile des gedachten Gehölzes auch den übrigen, dem Flecken näher liegenden Rest fällen zu lassen. Dieses Gerücht stellt ein für uns trauriges Ereignis in Aussicht und muß uns schmerzlich berühren. Freilich steht es uns nicht zu und liegt es uns fern, Ew. Hochgeboren in der Dispositionsfreiheit über Ihr Besitztum stören zu wollen. Doch glauben wir, die Überzeugung haben zu dürfen, daß Sie, wenn auch nicht auf hiesigem Besitz und nicht in unserer Mitte wohnend, dennoch nicht die Interessen des Fleckens als Ihnen ferne liegend betrachten werden. Ja, wir hoffen, ohne Ihre Interessen zu verkennen, daß Sie unsere ganz ergebene Bitte nicht unberücksichtigt werden lassen:

»Sie wollen gewogentlichst geneigen, das Gutsgehölz am hiesigen Flecken nicht weiter oder wenigstens nicht ganz fallen zu lassen.«

 

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VI. DIE ALTE BRAMSTEDTER MÜHLE

 

Ohne Murren hat seit nachweislich mehr als vier Jahrhunderten die Osterau unsere alte Kornmühle am Schlüskamp mit der nötigen Antriebskraft versorgt, vermutlich schon recht viel länger. Nicht ganz so lange, praktisch bis 1856, hat dieser Mühle das Zwangs- und Bannrecht für das Kirchspiel Bramstedt mit Einschluß des eingesprengten Guts- und Klosterbesitzes zugestanden, d. h. die Kornerzeuger des genannten Bezirks durften nur hier mahlen lassen, und niemand hatte das Recht, eine weitere Mühle zu bauen oder zu betreiben. Dieses Monopol stand unter dem Schutze der Landeshoheit. Nicht selten waren die Fürsten oder sonstige Grundherren Eigentümer solcher Mühlen, so in unserm Falle der dänische König, bis Christian IV. sie als Leibgedinge seiner Wiebecke Kruse übergab. Selbstverständlich waren zum Schutze der Verpflichteten Vorschriften über die Mahlkosten und die sachlich einwandfreie Handhabung des Monopols nötig, wie andrerseits die »Mahlgäste« noch mit Hand- und Spanndiensten gegen die Mühle verpflichtet waren. Wir werden sehen, daß die rechtlichen und sachlichen Belange des Mühlenbesitzers oder seines Vertreters einerseits, und der Zwangskundschaft andrerseits nicht allemal sich friedlich haben ausgleichen wollen.

Völlig im Einklang mit dem erwähnten königlichen Besitzrecht steht es, wenn die ältesten Abrechnungen des Segeberger Amtes von Korn- und Molte-(Malz)-Lieferungen der Bramstedter Mühle regelmäßig berichten.

Zum Beispiel für 1537: Korn von der Mollenn tho Bramstede 3 Last, Molth uth der Mollenn tho Bramstede 2 Last 1 Drompt

oder für 1541: Molt ut der Molen to Bramstede entfangen 6 Drompt 6 schepel. Dazu die Anmerkung: De Moller tho Bramstede hefft by der mölen Schaden hadde an Kammrad und Welle. Daför vergütet 1 Drompt und 9 schepel; dazu för sin egen Arbeit und Zugaben (Nägel usw.) noch 6 schepel gemindert.

Der Inhaber der Mühle, vermutlich Pächter derselben, ließ also seinen Betrieb auf Rechnung des Herrn instandhalten. An andrer Stelle erfahren wir, daß der Amtskasse ein »Jahresaustrag« von 750 Mark lübsch regelmäßig zufloß.

War der Landesherr Gründer und Besitzer der Mühle, so wird es auch verständlich, wenn hinsichtlich dieses Unternehmens den lieben Untertanen zu dem Mahlzwang noch einige Pflichten aufgebürdet wurden, an die man zunächst nicht denkt.

Bei der sich wiederholenden Bestätigung der »alten Fleckensgerechtigkeiten« durch die Landesherrschaft wird von dieser nachdrücklich die Voraussetzung betont, daß nun auch die Bramstedter ihrerseits ihren Pflichten gegen die Obrigkeit nachkommen wie von alters her geschehen. Die Grenze dieser Verpflichtung liegt nicht allemal ganz klar.

 

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Im Jahre 1585 z. B. lehnen die Bramstedter es ab, Mühlenfuhren zu tun, während sie anerkennen, daß sie, wenn an der Mühle gebaut wird, »wohl zupflegen, zeunen und leimen (Leim = Lehm), auch, wenn die Mühle Eises oder Wassers halber in Not komme, zur Errettung derselben Tag und Nacht hülfliche Hand zu leisten verpflichtet sind.« - Die am 18. Juni 1586 getroffene Entscheidung des Statthalters Heinrich Rantzau, am 3. August vom König bestätigt, ist nicht so klar, daß sie künftige »Irrung« hätte hindern können.

Die Bramstedter Kirchenchronik meldet, daß 1628 die Mühle abgebrannt sei. In einem Schreiben Christians IV. vom 25. Mai 1633 befiehlt dieser seinem Amtmann von Buchwald, zur Vermeidung des »fast diesen Sommer vermuthlichen Ruins«, dafür zu sorgen, daß die Mühle nach »bester müglichkeit zu ihrem standt und wesen gebracht werde.« So muß angenommen werden, daß sie 1628 nicht völlig zerstört worden oder aber recht mangelhaft wieder aufgerichtet worden sei. Wie hätte sie sonst in dem beschriebenen kläglichen Zustande sich befinden sollen!

Wie bereits erwähnt, ist 1633 nicht die völlige Ablösung der Königlichen Hand von der Mühle erfolgt. Wiebeke hat sie als »Leibgedinge« erhalten; danach fiel beim Ableben ihres letzten Leibeserben das Besitzrecht in vollem Umfange an die dänische Krone zurück.

Als 1661 der »General der Milice im Reiche Norwegen«, Claus von Ahlefeld, Schwiegersohn genannter Wiebeke, dem Könige Friedrich III. meldete, die Mühle sei »ganß baufällig und müsse unumgänglich wiederumb repariret werden«, da läßt ihm der König ohne Umstände das nötige Holz aus den Segeberger und Rendsburger Waldungen zukommen, weil »ihm die Mühle zustehe«.

Unter Ahlefelds Regiment wachen - wohl nicht zum erstenmal - Streitigkeiten wegen des Rechtsverhältnisses der Mahlgäste zur Mühle auf. Die Bauern weigern sich, das »Mattenkorn« (Entgelt für das Mahlen) zu fahren. Der Amtmann bringt einen Vergleich zuwege, wonach »hinführo des Kirchspiels Brahmstedt Königliche und adelige Unterthanen, Hufners, halbe Hufners und Kätners sollen schuldig sein, insgesamt zu dem Mühlen Gebäu nach advenant (Befinden) mit Fuhren und Handdiensten zu helfen. Fürs andere, daß das matten Korn, so gemelte Mühle jährlich aufbringt, Königliche und Adeliche zugleich auf drey meile weges wegfahren über sich nehmen, ausgenommen das vom Müller gekaufte Korn, womit er Königliche und adeliche Unterthanen nicht bebürden« (soll). Der Kirchspielvogt soll die nötigen Listen führen, damit die genannten Pflichten ordnungsgemäß erfüllt werden. Den pro tempore Kirchspielvögten soll für ihre Mühe mattenfrei soviel Korn gemahlen werden, als sie für ihre Haushaltung brauchen. Doch sollen sie keine Gerechtigkeit an der Mühle sich anmaßen, sondern dies als ein Salarium für obgedachte Mühe betrachten. - So geschehen 1653.

Im gleichen Sinne, also zur Sicherung der Mühlengerechtigkeit, erläßt Friedrich III. 1667 einen Befehl, der noch den Zusatz bringt, daß den Mahlpflichtigen die Benutzung von Quiren (Handmühlen) im eigenen Hause untersagt wird. Als Urheber dieses Erlasses gilt der vielvermögende Claus von Ahlefeld.

 

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Im Jahre 1696 erfolgte formell und praktisch die Ablösung der Mühle mit ihrem gesamten Zubehör, also auch Gayen und Roddenmoor, von dem adeligen Gut. Eine Enkelin Wiebckes, Ahlefelds Tochter Christine Sophie Amalie, verkaufte zu genannter Zeit das Gut, nachdem 1684 ihre erste Ehe mit dem Obersten Claus von Oertzen geschieden und 1686 ihre zweite Ehe mit Johann Gottfried von Kielmannsegg für nichtig erklärt worden war. Der König genehmigt den Verkauf mit der ausdrücklichen Bedingung, daß Mühle und Gayen unveräußerlich im Besitze der bekannten Erben verbleiben,1) ebenso, daß, falls die Erben aussterben, die Mühle in das Eigentum des Königs zurückfalle.

Kielmannsegge versucht nun, die Benefizien der Mühle seiner früheren Gemahlin zu entwinden; unter dem Vorwande, sie schulde ihm 6000 Gulden, verlangt er, daß die Mühlenpacht - 416 Taler jährlich - zum Abtrag seiner Forderung ihm ausgekehrt werde. Er hat nichts erreicht, aber erst nach seinem Tode (1724) kam die Sache zur Ruhe.

Frau von Kielmannsegg erscheint nach einem Bericht unter den Kieler Akten im Jahre 1712 als Baronesse von Dieden und als Tochter von Frau Sophie Güldenlöw. Somit steht fest, daß Wiebckes Enkelin zum drittenmal geheiratet hat. Sie sucht eine Anleihe auf die Mühle zu machen in Höhe von 1000 Spezies (Doppel-Taler); denn der restierende Kauf-Schilling (Käufer: von Grote) gehe nicht ein. Man könne auch »Mönkegeyen und das Rohte Moor gern verkaufen«, da sie doch keinen Nutzen davon ziehen könne, weil keiner es »heuern« wolle. Es stand mithin nicht gut um die wirtschaftliche Lage der Wiebke'schen Erben. Ein Bericht des Amtmanns von Hanneken stellt 1732 fest, daß die Baronin von Dieden mit ihrem Manne mehrere Jahre in der Mühle gewohnt habe. Weil sie Schulden hatten, haben sie die »Rohrwiese« verkauft. Das sei möglich gewesen, weil diese Wiese zwar direkt am Mühlenteich liege, aber doch bis 1696 zum Gut gehört habe und erst beim damaligen Verkauf durch Frau von Kielmannsegg vom Gut separiert worden sei.

Anno 1729 ist die Vielgenannte im 80. Lebensjahre heimgegangen. Ihre Tochter aus erster Ehe, Charlotte Friederike von Oertzen, verheiratet mit dem Grafen Thomas Theodor von Schmidegg aus Ungarn, hat das mütterliche Erbe übernommen. Im Besitze dieser Familie haben sich die Mühlengerechtsame vererbt bis zum Jahre 1855, wo der derzeitige Erbpächter N. F. Paustian nach gesetzlicher Aufhebung der dänischen Rechte den Vollbesitz von Mühle und Mönke-Gayen nebst allem Zubehör antreten konnte. Noch heute ist die Mühle Eigentum seiner Erben.

Haben wir somit Klarheit über die Wandlung des Besitzrechtes, so ist hinsichtlich der Mühlenverwaltung und deren Auswirkung auf die Beteiligten noch einiges zu sagen.

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1) In der Schenkungsurkunde Christians IV. heißt es wörtlich: »... unsere Mühle zu Bramstedt, wovon uns sonsten in Unser Ambt-Register Jährlich Siebenhundert und Fünfzig Mark entrichtet worden, zustehn und gegönnet werden, daß Sie (Wiebke) und ihre Leibes Erben ihrer Notdurft nach an dem Einkommen zu ewigen Zeiten zu genießen haben.«

 

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Man geht nicht fehl in der Annahme, daß die adeligen Besitzer der Mühle diese nicht selbst verwaltet, sondern von Anfang her in Pacht gegeben haben. Sprechen die alten Amtsregister nur von dem »Moller«, so nennt eine Urkunde von 1719 uns den Pächter Peter Wichmann, von dem Baronesse von Dieden verlangt, daß er räumen solle. Peter, den wir uns nun als Zeitpächter vorzustellen haben, wider setzt sich dem Begehren der Gnädigen. Er hat ihr Geld geliehen, damit sie Prozeß führen könnte gegen den Gutskäufer von Grote. Er brauche nicht eher zu räumen, als bis sie diese Schuld beglichen habe. Er erreicht, daß sie ein in diesem Sinne verpflichtendes Schriftstück unterzeichnet. Die Sache zieht sich hin. Endlich wendet sich die Dame an den König. »Wie ungehrn Eure Königl. Majest. Mit gegendtwärtigem allerunterthänigsten Memorial behellige, so werde (ich) doch fast Wieder meinen Willen dazu angespohrnet, solches zu Ewer königl. Majest. Füßen zu legen. Wie das den Müller zu bramstedt, Peter Wigmann, gegen mich verfahren tuhet, alß Vergangenen Jahr sein haur Zeit umb gewesen, die Mühle nicht räumen wollen, bevor ihm seine Rechnung, die in 500 Reichsthaler bestehet, bezahlt (wird), da Ich doch eine gegen Rechnung auf tausend Rthlr. habe, wan Ehr die Mühle, die Ihm von Meytag an bis nun nicht Wieder verhäuret, seiner Schuldigkeit nach redlich berechnet. So daß Er mir und Ich nicht Ihm schuldig bleibe. Er hat alle Müller durch Unwahrheiten und Verachtung der Mühle abspenstig gemacht, mich dadurch zu zwingen, die Mühle Ihm vor den geringen Preis, da Ehr sie bevor gehabt, zu laßen. Anno 1714 sind aber die holsteinischen Mühlen sehr gesteigert worden. Auch hat er sich unterstanden, gegen Ihre Majest. Friedrich III. glorwürdigsten gedenkens allergnädigstes Mandat, in diesem Flecken und den Dörfern ohne mein wißen queren und Roß Mühlen (Göpel-Betrieb?) zu betreiben erlaubet, um den künftigen Pachteren abbrach zu tun. - Die Behörden halten mich hin mit decreten. Wan ich nach der Regierung mußte (der Regierung folgte), so muß ich mit meinen domestiquen (Dienstboten) noth Wendig Crepiren.« -

Am Schluß betont sie, daß der Müller nichts rechtens gegen sie in der Hand habe; »denn ihre Hand (schrift) habe er ihr Malitiösement abfilutirt«.

Geschrieben 15. Dezember 1719.                                         Christina Sophia Amalia

Baronesse de Dieden geb. Ahlefeldt.

 

Der König fordert zunächst die Regierung in Glückstadt zum Bericht auf. So erfährt er, daß die Baronesse allerdings habe zugeben müssen, eine Schuldverpflichtung gegen den Müller zu haben, und sie habe außer der Mühle keinerlei Nährquelle. Das Gericht habe eine bis zum nächsten Maitag laufende Zwischenordnung getroffen. Dann müsse man sehen, was geschehen könne. Ohne gerichtliche Entscheidung sei eine Lösung des Streites nicht zu erwarten. Da aber die Baronesse mit der Behörde gar nicht zufrieden sei, würde diese sich freuen, wenn Majestät für diesen Fall andere Commissarios ernennen wolle.

Der König gibt sehr bald, noch 1719, seinen Entscheid mit folgenden wesentlichen Punkten: Der Müller sei berechtigt, für die bisher gezahlte Pachtsumme auf der Mühle zu bleiben. Von dem nach Zahlung fälliger Kriegssteuer und rück-

 

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ständiger Baukosten übrigen Ertrag habe er die Hälfte der Klägerin auszukehren, während der Rest auf seine Forderung zu verrechnen ist. Sie habe nicht nötig, die Wohnung in der Mühle zu räumen, wie andrerseits der Müller bis zum vollen Schuldabtrag ungestört den Betrieb der Mühle fortsetzen könne.

Mühsam schleppt sich die Sache weiter. Die Gnädige will Geld anleihen gegen Verpfändung der Mühle; das erweist sich als untunlich, weil ja im Ernstfall die Verkaufsmöglichkeit fehlen würde. Im nächsten Jahr wird ihr das Recht zugesprochen, einen andern Müller einzusetzen. Dieser aber soll zuvor Sicherheit geben, daß et Wichmann die Summe zahlt, die die Regierung bestimmen wird. Ehe das erreicht wird, stirbt Wichmann 1721. Die Baronin treibt die Witwe aus dem Hause, da doch mit des Pächters Tode alles erledigt sei. - Ihre Empörung ist groß, als sie gezwungen wird, die Witwe wieder einziehen zu lassen, bis die Schuldfrage geregelt sei. (Zur Erleichterung der Leser sei hier eingeschaltet, daß aktengemäß die beiden Frauen getrennten Haushalt führten.)

Hier muß eine Lücke in den Kauf genommen werden. Wir erinnern uns, daß 1729 Baronin von Schmidegg durch Erbgang Inhaberin der Mühlenrechte geworden ist. Sie drängt darauf, daß die Mattenfuhren prompt geleistet und auch, wie es von alters her gewesen sei, der  »Sechsling Mahlgeld« gezahlt werde1). Der Kirchspielvogt Janke teilt dem Amtmann mit, daß die Witwe Wichmann von ihrem Mann und dessen Vater geführte Verzeichnisse vorgelegt habe. Darin sei das Geld geringer. Es sei hierüber Bestimmtes nicht zu sagen.

Anno 1744 wird Peter Haack als Mühlenpächter genannt. Dieser verpachtet weiter an Christian Kühl, dem aber die Sache bald leid wird. Er erfährt nachträglich, daß Haack nicht Eigentümer der Mühle und somit nicht berechtigt sei, eine rechtsgültige Verpachtung vorzunehmen. Er fühlt sich angeführt, kann aber noch im letzten Augenblick sein Geld in der Tasche behalten. Er wird auf Verlangen des Gegners in Arrest genommen, aus dem nur die Zahlung einer Kaution ihn befreien wird. - Auch in diesem Falle bleibt uns der Ausgang unbekannt.

In Sachen der Mattenfuhren ergeht nach zwei Jahren (1731) durch Christian VI. der Bescheid, daß es damit zu halten sei, wie die Schmideggs es verlangt haben. Inzwischen hat der Müller, um den Betrieb nicht zu unterbrechen, die von den Mahlgästen verweigerten Fuhren gegen Entgelt vornehmen lassen. Darüber liegt eine Abrechnung vor, aus welcher folgende Beispiele entnommen sind.

1.   »Vor die niedergelegte Hufe in Wiemersdorf, vor welche den 5ten, 10ten, 13ten und 19ten April die tour getroffen, sind 4 Tage à Tag 1 Mann, ist 4 Mann.«

2.   »Vor die niedergelegten Hufen in Hitzhusen, deren tour den 6ten, 10ten, 13ten und 23ten April getroffen, sind 4 Tage à Tag 6 Mann = 24 Mann.«

3.   »Und Vor der Wüsten Hufe in Weddelbrook, so die tour den 6ten, 10ten, 14ten und (?) April getroffen; sind 4 Tage à Tag 1 Mann = 4 Mann.«

»Zusammen 32 Mann (Arbeitstage). Davon sind am 30. April und 1. Mai Tagelöhner gemietet und bezahlt worden à Mann 8 Schilling.«

Diese kleine Aufstellung nötigt zu der Erkenntnis, daß nicht die Hufner schlecht-

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1) Dem Verfasser ist von solchem »Sechsling« = ½ Schilling nichts bekannt geworden.

 

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hin eine althergebrachte Pflicht abgelehnt, sondern sich nur geweigert haben, ohne weiteres auch für den Ausfall der »wüsten« (verlassenen) Hufen einzutreten. - Durch königlichen Spruch sind sie allerdings dazu genötigt worden.

Fast gleichzeitig und in schärferer Prägung tritt ein anderer Zwist zutage, ebenfalls die Mattenfuhren anlangend. Die Bramstedter und etliche andere lehnen nach wie vor die Mattenfuhren ab. Das sei Sache der Kirchspieldörfer. Letztere reichen durch »Gevollmächtigte« Klage ein. 1735 kommt das Urteil heraus:

»Sententia definitiva in Sachen des Kirchspiels Bramstedt, Kläger contra die Eingesessenen des Fleckens Bramstedt, wie auch die 4 Dingvögte, item die Eingesessenen des Dorfes Bimöhlen und die klösterlichen Hufen in Armstedt.«

Die Klage wird abgewiesen. Die Beklagten sind von Mattenfuhren frei: die Fleckensleute wegen ihrer alten Privilegien, die 4 Dingvögte auf Grund der von Friedrich III. am 30. Mai 1665 erteilten Freiheit; die Bimöhler endlich sind davon seit undenklichen Zeiten frei gewesen und haben freiwillig anderes auf sich genommen, z. B. Anfahren der Mühlsteine und Bäume, Abdämmung des Wassers, Lieferung von Heide, Busch und Pfählen. Gegen die Armstedter muß erst Beweis ihrer Verpflichtung erbracht werden; bis dahin sind sie frei.

So das endgültige Urteil. Hinsichtlich Armstedt und Bimöhlen ist in Betracht zu ziehen, daß ersteres mit der Mehrzahl seiner Hufen und Bimöhlen vollständig durch fast vier Jahrhunderte unter Klosterhoheit gestanden haben, Bimöhlen außerdem sehr wahrscheinlich selbst eine Mühle gehabt hat.

Schon meldet neuer Zwist sich an. Den für das Mühlendach nötigen Schoof (gestauchtes Glattstroh) samt Weden (junge Weidenschößlinge zum Festbinden des Strohs an die Dachlatten) sollen die Bramstedter liefern. So verlangt es im Jahre 1739 der Mühlenpächter Haack dringlich. Die Fleckensleute bekunden wenig Verständnis für diese Zumutung. Amtmann Hans von Rantzau stützt sie in ihrer Weigerung. Aber Konning Christian VI. zwingt ihnen die Lieferung auf und fügt hinzu, sie möchten sich wegen vermeintlicher Geldansprüche an den Grafen von Schmidegg halten.

Ein ähnlicher Fall ereignet sich nach zwei weiteren Jahren. Haack beansprucht Holz und Fuhren für Mühlen- und Schleusenbau. Wieder fehlt das Entgegenkommen der Bramstedter. Diesmal steht ihnen der Kirchspielvogt zur Seite. Er weigert sich, den nötigen Auftrag zu geben. Die Rentenkammer zu Copenhagen hat das letzte Wort; sie befiehlt, das Verlangte ohne Verzug zu liefern, da Gefahr im Verzuge sei.

Diese Vorgänge erzeugen in Flecken und Dörfern eine wachsende Verstimmung gegen die landfremden Schmideggs. Die Mahlgäste fordern nachdrücklich Minderung der Lasten und die Freiheit, für ihren Haushalt Handmühlen zu benutzen. Doch der dänische König gibt nicht nach. Die Untertanen haben zu gehorchen. Die Widerstrebenden, an erster Stelle die Fleckensleute, sollen durch militärische execution gezwungen werden. Doch die Ratmänner erweisen sich als standhaft. Der König läßt sich umstimmen und läßt wenigstens die execution fallen; aber

 

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man wird die verweigerten Arbeiten auf Kosten des Fleckens machen lassen. Wiederum sollen »ungewöhnliche« Dienste an der Mühle ausgeschlossen sein. Die Benutzung von quarren, auch zur Herstellung von Grütze, wird 1740 noch einmal absolut untersagt, und 1755 wird dieses Verbot strenge in Erinnerung gebracht.

 

Die Mühle wird in Erbpacht vergehen 1746

 

Die in Ungarn lebenden Leibeserben scheinen sachte des Haders, den ihnen die Mühle in mancherlei Hinsicht bereitet hat, müde geworden zu sein. Sie lassen durch ihren Rechtsvertreter Dr. Niemann einen Erbvertrag abschließen mit Siegfried Hans Christopher Wichmann (Nachkomme von Peter W.?). Die wesentlichen Punkte dieses nicht ganz einfachen Vertrages seien hier wiedergegeben. Voraus die Bemerkung, daß im gegebenen Augenblick das Roddenmoor (in den ältesten Akten: rothes Moor) und Mönkegayen noch anderweitig »in Haur« standen.

Gegenstand des Vertrages sind: Mühle, Gerätschaften, Gebäude, Garten, Gründe, Roddenmoor und Mönkegeien mit den diesen Stücken »anklebenden« Gerechtigkeiten, als die hergebrachten Matten, Grützgang anzulegen oder eine Roßmühle zum Grützmachen zu halten; von den Königlichen und Adeligen Untertanen oder Mühlengästen die hergebrachte Arbeit bei Reparaturen der Mühle, Lieferung des nötigen Schoofs und der Weden, Leistung der Mühlen- und Mattenfuhren und andre hergebrachte praestande (Lasten) zu begehren; der Lachsfang und freie Fischfang in der Mühlenkuhle, der hauswirtschaftliche Gebrauch und Abnutzung des Mönken-Geien und des dazu gehörigen Rottenmoors samt der Jagd darauf. Auch werden ihm vom Grafen (Schmidegg) seine gesamten Jura und Gerechtsame übertragen, daß er sich derselben in Zukunft zu seinem Nutzen und Gebrauch bestens bedienen möge. - Augenblicklich ist Haack noch Zeitpächter. Solange das noch dauert, soll Wichmann, wenn er sich mit H. nicht einigen kann, schon die Rechte der Herrschaft haben. Das gilt auch für Geien und Zubehör.

Wegen Lasten und Gefahren wird folgendes bestimmt:

»Wenn Kriegs-Steuer und extraordinäre Schatzung auf die Mühle gelegt werden, hält solche die Herrschaft ab; wenn in Kriegszeiten der Feind oder sonst die Mühle abbrennen sollte, so daß dem Wichmann keine Geldgerechtigkeiten zustehen, soll die Herrschaft zahlen. Beides kann er von der Pacht in Abzug bringen. Weitere Zahlungen übernimmt die Herrschaft nicht.«

Die Pacht beträgt jährlich 450 Reichstaler dänischer Cronen, wovon je die Hälfte auf Maytag und Martini zu entrichten sind.

An besonderen Pflichten wird ihm auferlegt, dem Pastori jährlich zu Weihnachten acht kleine Himten Roggen zu reichen; ferner, wenn die Herrschaft nach Bramstedt kommen sollte, in der Mühle oder in seinem Hause ein Zimmer unentgeltlich herzugeben und auf 6 Meilen die Herrschaft zu holen und wieder wegzu-

 

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fahren. An Caution muß er stellen 600 Reichstaler bar und sein bei der Mühle und beim Kirchhof liegendes Haus, taxiert mit 1316 Reichstaler.

Zum Schluß die entscheidend wichtige Bestimmung, daß der Vertrag dauern soll, bis einer oder der andere oder beide keine Leibeserben mehr haben.

Das Geschlecht der Wichmanns hat sich durch genau ein Jahrhundert auf der Mühle behauptet im männlichen Stamm. Anno 1846 aber heiratete Metta Elisabeth Wichmann den von der Kampener Mühle herstammenden Müller Nikolaus Friedrich Paustian, der damit in alle Rechte des Erbvertrages eingetreten ist, natürlich auch der Pflichten.

Wir haben zunächst noch einiges aus der Ära Wichmann zu sagen. Man schrieb 1797, als sich Siegfried Christopher W., Erbpächter und Schwiegersohn des p. t. Kirchspielvogts Butenschön, entschloß, ein Privilegium zu erbitten, daß niemand, er habe denn eine besondere Königl. Concession, auf fremden Mühlen gemahlenes Mehl, Schrot oder Malz in den hiesigen Zwangsdistrikt einführen dürfe, bei Strafe der Confiscation.

Der Erbmühlenpächter Hudemann in Neumünster hatte zehn Sack Malz an einen Mühlengast hiesigen Kirchspiels geliefert. Wichmann, darüber unterrichtet, hat ohne Verzug die Ware mit Beschlag belegt, die aber, nachdem H. eine Kaution hinterlegt hatte, wieder frei gegeben wird. Es folgt ein Prozeß, für den W. eine noch vorhandene Druckschrift mit einer langen Reihe vermeintlicher Gründe für seine Rechtsauffassung ins Feld führt. Er wird aber vom Gericht abgewiesen. Das wird der Anlaß zu dem erwähnten Gesuch an den König. Was ihm auf dem Rechtswege unerreichbar blieb, soll durch ein Privilegium erzielt werden. Der Landesherr zieht Erkundigung ein, die für W. nicht günstig ausfällt. Die Mühlengäste sind überzeugt, daß W. sie nur noch mehr drücken würde. Er sei auf die bisherige Art schon ein reicher Mann geworden, während es ihnen kümmerlich gehe. Er möge nur gute Ware zu angemessenem Preise liefern, so würden sie schon von selbst zu keinem entfernteren Müller gehen. - Ergebnis: Privileg wird nicht bewilligt.

Nicht lange, nachdem die Mahlgäste die Freiheit des Mehlkaufs gesichert sahen, haben die Fleckensleute die alte Streitfrage der Grützbereitung mittels Quaren (oder Queren) wieder angeschnitten. Hans Schröder und Nikolaus Pape klagen für sich und zugleich im Namen des Fleckens gegen den Müller, der auch hierin das Monopol beansprucht. Sie stützen sich darauf, daß durch Königl. Verordnung den Fleckensleuten schlechthin das Recht zugestanden sei, »bürgerliche Nahrung« zu betreiben, daß ferner in andern Bezirken des Landes der Betrieb von Grützmühlen durchaus freistehe und daß endlich die Entscheidung der höchstpreislichen Landesregierung vom 21. November 1742 wohl die Kirchspielsbewohner, nicht aber die Fleckensbürger treffe; endlich wird betont, daß die Mühle selbst tatsächlich gar keinen Grützgang habe. Dem gegenüber der Mühlenpächter:

a) Bramstedter Bürger (Jochim Kröger und Rasmus Juel) haben nicht lange vor 1740 bei dem Könige um eine Konzession für Mühlenbetrieb angehalten, sind

 

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aber abgewiesen worden wie später auch andere. Wozu aber bittet man um Konzession eines Rechts, das man ohnehin zu besitzen glaubt?

b)   1740 am 30.11. gibt Amtmann Hans Rantzau den Gevollmächtigten der mühlpflichtigen Dörfer und den Fleckensvertretern (Marx Schümann, Johann Kröger, Hinrich Behrens, Johann Lang Hinrichs und Erasmus Juel) unter Strafandrohung bekannt, daß der Betrieb von Grützmühlen untersagt sei.

c)   Sowohl der letzte Zeitpächter Haack (ausgekauft 1746) und sein Rechtsnachfolger, der Erbpächter W., haben gegen Entgelt Bramstedter Bürgern gestattet, Grützmühlen für sich und andere zu betreiben; eine Veröffentlichung des Amtmannes von Schumacher vom 31.8.1782 erkennt diesen Rechtsverhalt als gesetzlich an und verbietet bei Strafe von Konfiskation und Brüche, daß ein anderer als vom Mühlenpächter zugelassener Mühlengast Grütz-Queren für sich oder andere halte.

d)   Noch im Jahre 1792 im Juli sei dem 1/3 Hufner Lahann, der nach Ablauf seiner Grützmühlenpacht noch 3 Himten Grütze hergestellt hatte, eben diese Grütze von dem Kirchspielvogt Wohldt konfisziert worden. Der Flecken hat ohne Erfolg protestiert. 1801 wurde die Witwe Lahann bei dem gleichen Vorhaben ertappt mit dem gleichen Ergebnis.

Es gab natürlich nicht eher Ruhe, als bis das Obergericht (Augustissimus) zu Glückstadt sich mit der Sache befaßt hatte. Das Urteil geht dahin, daß das Vergehen der Witwe Lahann, das den letzten Anstoß zum Streitverfahren gegeben hatte, nicht in die Rechte des Mühlenpächters eingreife.

Es sei hier die Bemerkung erlaubt, daß nach einfachem Menschenverstande das Obergericht den Nagel auf den Kopf getroffen hat. Denn letzte und entscheidende Rechtsquelle muß in diesem Falle doch wohl die Schenkungsurkunde Christians IV. sein, die aber schlechthin von einer Kornmühle spricht. Wenn der Rechtsnachfolger Wiebeckes, die Familie von Schmidegg, ihrem Pächter noch im besonderen das Recht des Grützmahlens erteilt, so liegt darin ohne weiteres das Bekenntnis, daß solches Recht in dem überlieferten Begriff der Kornmühle mindestens nicht sicher ausgesprochen liegt. Man kann sagen, saß sie etwas weitergeben wollten, das nicht in ihrem Besitze lag. Freilich käme noch die Frage des durch ungestörte Nutzung zu erwerbenden Gewohnheitsrechtes in Betracht; aber diesmal gaben die in solchem Falle wichtigen Aussagen der »alten Leute« (Abschiedsmann Hans Kröger und Claus Fehrs) kein klares Bild.

Über die Rechtsbefugnisse des Mühleninhabers hat es, soweit ersichtlich, seit 1808 keine Zwistigkeiten mehr gegeben. Kornmahlen, Mehl- und Kornhandel standen ihm offen. Eine nach außen wenig bemerkte Sonderlage war für ihn dadurch gegeben, daß der Verpächter kein volles Eigentums-, im besonderen kein Verkaufsrecht hatte, womit dem Pächter die Aussicht auf volles Besitzrecht abgeschnitten war. Die Mühle mit allem Zubehör war und blieb letzten Endes Domäne der dänischen Königsfamilie. Infolgedessen war die Mühle »kanzleisässig« d. h. verwaltungsrechtlich direkt der Deutschen Kanzlei zu Kopenhagen unterstellt, in diesem Sinne also der Fleckensgemeine fremd. Noch 1842 meldet

 

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das Segeberger Amt der Regierung, daß die Erbpachtsmühle bisher weder zu den Gemeinde-, noch zu den Polizeianlagen (Steuern) beigetragen habe. Das Jahr 1854 bringt die entscheidende Änderung: das Mühlenzwangsrecht wurde durch Gesetz aufgehoben, und die Beseitigung des Dominialrechtes der dänischen Könige muß wohl schritthaltend erfolgt sein. Denn wie hätte sonst im folgenden Jahre N. F. Paustian die Mühle als sein Eigentum erwerben können? Gewisse Sonderrechte sind bei aller Wandlung geblieben; das Staurecht bis zu einer bestimmten, am Wehr bezeichneten Höhe (Staupunkt), das Fischereirecht im alten Umfange und natürlich das Vorrecht auf die Antriebskraft der Osterau wie vorher.

Unter der Leitung von N. F. P. hat der Mühlenbetrieb eine günstige Entwicklung genommen. An Stelle der alten strohbedeckten Mühle ließ er das noch heute vorhandene Backsteingebäude errichten, das an der Stirnseite durch das eiserne Zeichen F. P. 1849 an seinen Bauherrn erinnert. Um verbesserte Mahlgänge für feinstes Weizenmehl zu gewinnen, ist 1852/53 auf dem Mühlengelände ein zweites Gebäude hergestellt worden. Ein gesteigerter Umsatz, der sich bis nach England erstreckte, hat das Unternehmen gelohnt.

Änderungen rechtlicher oder praktischer Natur, die der Mühle ein besonderes Kennzeichen gegeben oder für den Flecken oder das Kirchspiel ein besonderes Interesse gehabt hätten, sind seither nicht mehr erfolgt.

Als dauernde Tatsache in der Flucht der Erscheinungen haben wir festzustellen, daß unsere Vorfahren immer wieder ihren Unwillen gegen die ehemalige Zwangslage bekundet haben. Das kann begründet sein in dem gewiß begreiflichen Mißtrauen gegen das vorgeschriebene Verfahren des »Mattens«. Mag aber auch sein, daß auch dieser Teil des niedersächsischen Stammes überhaupt sich in seiner Behaglichkeit um so mehr gestört fühlte, als er sich in seiner persönlichen Freiheit beschränkt sah.

Natürlich war es nicht der Willkür des Müllers anheimgestellt, welches Quantum Korn er für seine Dienste nehmen wollte. Dafür soll nachstehendes Schriftstück aus der alten Fleckenslade, datiert vom 27. Februar 1770, beglaubigt durch Amtmann von Arnold, Zeugnis ablegen.

»Kirchspielvogt Butenschön, Mühlenpächter Hans Christoph Wichmann, Ratleute Jürgen Timm und Hinrich Mohr, Bauernvögte Hinrich Bünz aus Borstel, Jürgen Kruse aus Barl, Hans Boye aus Weddelbrook, sämtlich Deputierte der Mahlgäste, haben vereinbart: Matte beträgt 9 Pfund lübsch Gewicht (für die Tonne), für die Vierteltonne 2¼ Pfund für Mehlkorn und Schrot. Hingegen für Malz 1/5 weniger. Zu welchem Ende durch ein Zeichen (in und an dem Maß) abgeteilet. Die Matte hat 3 Stempel: ein Gepräge inwendig mitten auf dem Boden, das zweite inwendig am Rande, das dritte ebenso auswendig. Beim Malz muß das Abteilungszeichen genau auf dem Malze ruhn; beim Korn und Schrot nicht häufen, sondern mit hölzernem Streichinstrument abstreichen. Nur geeichtes Maß zulässig. Übertretung mit schwerer Ahndung bedroht.«

Diese Festlegung bedeutet wohl nur eine Auffrischung verwischter alter Zustände. Daß etwa das »Maß« mit den Kornpreisen sich geändert hätte, dafür ist

 

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kein Anhaltspunkt gegeben. Die Versuchung zum »Vermessen« war damit freilich nicht gebannt. Dazu hätte immer noch gehört, daß der Bauer oder sein Vertreter selbst beim Inangriffnehmen jedes Sackes zugegen gewesen wäre. Man zählt leicht die Gründe ab, weshalb das als unwahrscheinlich gelten muß. Nur ein paar seien hier genannt: der Geschäftsgang in der Mühle war sehr ungleich wie die Zufuhren selbst; wer nach Bramstedt fuhr, hatte zugleich noch sonst allerlei zu besorgen; aus den entfernteren Dörfern leisteten die Bauern vielfach der Reihe nach die Kornfuhren für andere mit; nicht immer hatten die Bauern geeignete Waagen im Hause, um zu kontrollieren.

Mit der Ablösung des Mühlenzwanges war das »Matten« nicht aufgehoben. Mir selbst klingt es noch in den Ohren, wie der Müllergeselle dem Ankömmling zurief: »Matten oder betalen?«

Am Schluß soll das alte Fleckensbuch das Wort haben und zeigen, daß die Bramstedter in der Stunde der Not auch gegen die Mühle ihre Pflicht zu erfüllen bereit waren.

»Am 1. März 1827 veranlaßte ein schnell eintretendes Tauwetter einen so hohen Wasserstand, daß das sich häufende Treibeis... vorzüglich dem Mühlengrundstück gefährlich wurde. Nachmittags türmte sich das Eis so schnell und stark, und das bis gegen 3 Uhr morgens hin, daß nur kräftigste Hülfe noch retten konnte. Auf Beschluß des Kirchspielvogts, der Fleckensvorsteher Peter Fölster und Friedrich Schmidt, sowie der Ratmänner Marx Ramm und Jochim Mohr wurde abends 11 Uhr der Mühlendamm bis auf den äußersten Kamm in einer Breite von etwa 6 Fuß abgegraben, um denselben bei höchster Gefahr ohne Zeitverlust ganz durchbrechen zu können und dadurch den Andrang des Wassers und des Eises gegen das Mühlenwerk zu teilen.

Soviel Menschen, als dem Platze nach nur irgend ankommen konnten, arbeiteten unaufhörlich und mit der größten Anstrengung und dem bravsten Eifer; es waren 24 Mann vom Flecken beordert. - Um Mitternacht ward beschlossen, den Kamm des Dammes ganz durchzubrechen. Aber das Wasser hatte eine solche Höhe erreicht, daß kein Arbeiter mehr zukommen konnte; es hatte schon selbst mit großer Kraft den Damm durchwühlt und sich auch über den Fahrweg Bahn gebrochen. Die ältesten Leute erinnern sich eines so hohen Standes des Oberwassers nicht; das Unterwasser hätte schon in älteren Zeiten gleiche Höhe gehabt.

Mit Tagesanbruch hörte die Gefahr für die Mühle auf; aber mit Schaudern und zugleich mit innigstem Dank gegen die Vorsehung sah man, daß die Fußbrücke, worauf 16 und mehr Männer die ganze Nacht hindurch gearbeitet hatten, so zerstört und unsicher war, daß ein Einzelner sich scheute, auch nur hinüberzugehen.«

Mit Genugtuung nimmt der Nachfahr zur Kenntnis, daß die alten Bramstedter nicht nur zu fordern und zu nehmen verstanden, sondern auch zu geben und zu leisten bereit waren, wo Pflicht und Not es forderten. Und grade in Verbindung mit der Mühle haben sie den Beweis erbracht, daß sie auch ohne fremden Druck

 

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sich auszugleichen wußten. Es war ihnen, die so oft durch schwere Einquartierung hart betroffen wurden, ein Dorn im Auge, daß der wohlvermögende Mühlenpächter davon gänzlich verschont blieb. Am 17. Februar erreichten sie durch Vertrag, was sie begehrten. Siegfried Hans Christopher Wichmann verpflichtet sich, sowohl bei Stand- als auch Marschquartier acht Mann aufzunehmen, allerdings mit der Bedingung, daß er »mit keiner Verpflegung, so die Pferde betrifft, bebürdet werde«. Dafür versprechen ihm die Fleckensleute so viel Torfmoor, wie einem Drittelpflug zukommt, freilich mit dem Zusatz, daß »er auch neben ihnen (wie sie) Pferde Arbeit tuhn soll«. - So das Fleckensbuch.

 

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VII. GUT GAYEN

 

Gayen ist der Name eines Höhenzuges, östlich von der Kieler Chaussee in der Gemarkung Fuhlendorf gelegen, bis vor wenigen Jahren in seinem 46,7 m über dem Meeresspiegel liegenden Gipfelpunkt gekennzeichnet durch ein hochragendes trigonometrisches Gerüst. Wir haben es mit dem höchsten Ort im Kirchspiel Bramstedt zu tun; denn auch der mehr in die Augen fallende Hailohberg (Bimöhlen) bleibt um 20 cm zurück. Das alte Fleckensbuch spricht vom Weg »na de Gay«, und in seiner Schenkungsurkunde von 1633, die Morgengabe für Wiebke Kruse anlangend, nennt Christian IV. diesen Erdenwinkel das »Land Mönke Gayen«. Damit ist nicht der besondere Sinn des Wortes »Gay« oder »Gayen« aufgedeckt, was überhaupt bislang nicht gelungen ist. Wohl aber ist gewiß, daß Gayen im genannten Jahre Eigentum des Dänenkönigs gewesen ist, der es gleichzeitig mit der alten Bramstedter Wassermühle seiner lieben Wiebke übergeben hat, wobei noch das heute dazugehörende Roddenmoor als besonderer Bestandteil erwähnt wird. Ferner wird durch das Beiwort »Mönke«, genau wie bei »Mönkloh«, außer Zweifel gestellt, daß dieser Flecken Landes einmal im klösterlichen Besitz gewesen ist, mindestens unter Verwaltung von Mönchen gestanden hat. Es liegt nahe genug, dabei an das im Jahre 1127 gegründete Nova Monasterium (Neumünster) zu denken. Nun steht andrerseits fest, daß Bimöhlen 1270 dem Cistercienser Kloster zu Reinfeld zugeteilt worden ist. Fürsten und Grafen haben, und wohl nicht lediglich ihres Seelenheils wegen, auch hierzulande in recht erheblichem Umfange Klostergründungen begünstigt und gestützt, und in jenen Tagen bestand ein Mangel an Land und Raum nicht. Die auf der holsteinischen Geest ursprünglich den irgendwie rechtsbegründeten Siedlungsgemeinschaften zugewiesenen Bezirke sind in ungezählten Fällen nicht voll ausgenutzt worden. Ödländereien oder fernab am Rande der Gemarkung liegende Teile blieben oft unbeachtet liegen; sie waren natürlich steuerfrei und standen grundsätzlich zur Verfügung des Landesherrn oder später des Fiskus. Ein solches Beispiel liegt sicher bei unserm Gayen vor. Dies Gebiet ist noch heute mit allerlei unkultiviertem Boden ausgestattet, und seine Lage zu den vier es umringenden Ortschaften Bramstedt, Fuhlendorf, Wiemersdorf und Bimöhlen ist so, daß es ziemlich gleichen Abstand - 2 bis 3 km - von jedem hat. Das Verlangen, es in Besitz und Kultur zu nehmen, hat daher lange geschlummert1).

So spricht alles dafür, daß das Land Gayen bis zur Überlassung an eins der genannten Klöster (die Nonnenklöster zu Ütersen, Itzehoe, Preetz kommen doch

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1) Das Gebiet des Bramstedter Stadtwaldes ist aus ähnlichen Gründen fiskalisch und unberührt geblieben bis 1884. Dann kaufte auf Anregung des Kirchspielvogts die Stadt das »an sich wertlose Land«.

 

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nicht in Frage) dem Landesherrn zu eigen gewesen ist. Ebenso natürlich ist es zugegangen, daß nach Einführung der Reformation (etwa 1540), als die »männlichen« Klöster aufgehoben wurden, das frei gewordene Land an den König zurückgefallen ist. So konnte Christian IV. es verschenken. So wurden Gayen, Roddenmoor, Mühle und Gut Bramstedt dem Anschein nach zu einem einheitlichen Besitztum. In Wirklichkeit war es nicht ganz so. Wiebke hatte nur das Gut mit allem Zubehör, so wie es ihr Christian für sie erworben hatte, zu ihrer und ihrer leiblichen Erben schrankenlosen Verfügung; Mühle, Roddenmoor und Gayen waren nur zur Nutznießung (als Leibgedinge) ihr zugewiesen worden, anders gesagt: unverkäufliches erbliches Besitztum, das mit dem Ableben des letzten Leibeserben zurückfiel an den Geber oder dessen Nachfolger.

Praktisch ist die Mühle durchweg in Erbpacht verwaltet worden. Verläßliche Anzeichen sprechen dafür, daß auch Gayen verpachtet worden ist, wenn auch auf Zeit, denn schon 1700 klagt die Erbin, daß dies Land so schlecht in Pacht zu geben ist: keiner will es haben. In primitiver Weise, wohl als Schafweide und Torfmoor genutzt, ist Mönke Gayen im Besitz der Familie von Schmidegg, Wiebkes Erben, wohnhaft in Ungarn, geblieben bis um die Mitte des vorigen Jahrhunderts. Dann ist es unter veränderter Gesetzgebung dem letzten Erbpächter, dem wohlangesehenen Müller N. F. Paustian möglich gewesen, nicht nur das Gut Bramstedt, sondern auch das Leibgedinge käuflich zu seinem Eigentum zu machen. Nun ist eins mit dem andern einheitlich bewirtschaftet worden, und man wird nicht fehlgehen, wenn man die Entstehung des Namens »Gut Gayen« auf diese Zeit zurückführt. Gehörte es doch einem Gutsherrn. Als Bezeichnung der Bahnhaltestelle, die seit 1916 hier vorhanden ist, hat sich dieser Name erhalten. Die neue Zeit hat daraus einen Erbhof gestaltet, und so wollen wir fortan das den »Hof Gayen« nennen, was niemals mit den Rechtsbefugnissen eines Gutes im früheren Sinne ausgestattet gewesen ist.

Zurück zum Einheitsgut Paustians. Mühle, Gut Bramstedt und Gayen standen zunächst sozusagen unter Personalunion. Gemeindepolitisch waren sie durchaus ein Vielfaches, das erst in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts zusammengefaßt wird, indem alles unter die Gemeindehoheit Bramstedts gestellt wird: Gut Bramstedt nebst Gut Bissenmoor und Mühle bedingungslos; die 12 Bissenmoorer Katenstellen mit dem Zusatze, daß für die nächsten 5 Jahre die Gemeindeabgaben um 15 % zu ermäßigen seien. So wollte es der Landrat, und so ist im Mai 1873 beschlossen und auf dieser Basis am 1. Juli 1874 die »Einverleibung« vollzogen worden. Gayen blieb noch draußen, wie es ja auch mit keinem Teile der Bramstedter Gemarkung angehörte, sondern teils in der Fuhlendorfer, teils in der Bimöhler Feldmark lag (und liegt).

Gegenüber dem Bestreben der Bramstedter, auch Gayen an sich zu ziehen, muß sich ein gegenteiliger Wunsch geäußert haben. Denn das Fleckensprotokoll meldet alsbald, daß Gayen nur ein Teil von Paustians Hauptgut sei und von dort bewirtschaftet werde, und der Wunsch, es an Fuhlendorf oder Bimöhlen abzugeben, nicht erfüllt werden könne, da ja auch nach solchem Verfahren der Flecken

 

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des Weges wegen nicht unbedeutende Lasten zu tragen haben würde. Es gehöre seit undenklicher Zeit zur Erbpachtmühle und werde mit ihr zusammen für einen Pflug besteuert. Schul-, Nachtwächter- und Löschkosten trage es mit dem Flecken; allerdings nehme es an dessen allgemeinen Verwaltungskosten bisher nicht teil.

Die Verhandlungen ziehen sich noch durch drei Jahre hin. Am 8. Mai 1877 aber stimmt die Regierung dem Verlangen des Fleckens zu, allerdings mit einem beachtlichen Vorbehalt, nämlich dem, daß die städtischen Abgaben für die ersten 5 Jahre um 15 %, danach um 10% für Gayen zu ermäßigen sind. Damit erklärt sich das Fleckens-Kollegium einstimmig einverstanden. Wenn diese Bedingung heute in Vergessenheit geraten ist, so mag das darin seinen Grund haben, daß der Hof, wie wir sehen werden, in der Folge recht oft seinen (wohl allemal ortsfremden) Besitzer gewechselt hat.

0Das Fleckensprotokoll gibt uns einen wertvollen Fingerzeig für die Entwicklung des »Landes Mönke Gayen« an sich. Zur Zeit seiner Einverleibung in das städtische Gemeinwesen befanden sich danach auf dem Gelände nur ein (Schaf-)Stall und eine unbewohnte Arbeiterkate.1) - Anders gesprochen: unser Hof war über den Rang eines bescheidenen Vorwerks nicht hinausgekommen, das, wenn nicht der Schäfer mit seinen Schützlingen unter dem gleichen Dache gehauset hat, keinen einzigen Bewohner aufzuweisen hatte.

Erst 1891 wurde eine wirkliche Siedlung daraus. N. F. Paustian hatte bei der Übergabe seines Geweses an den ältesten Sohn Otto das Vorwerk abgetrennt. Nun wurde hier ein neues Wohnhaus errichtet, dazu die nötigen Wirtschaftsräume, womit denn ein selbständiger Wirtschaftsbetrieb in die Wege geleitet war. Zwölf Jahre lang hat Carl Paustian, ein Bruder des genannten Haupterben, diesen Hof geleitet, unterstützt von seiner ältesten Schwester Berta. 1903 siedelte Familie Paustian nach Kellinghusen über, nachdem das aufblühende Gayen an den Bergwerksbesitzer Dr. Schrader in Recklinghausen günstig verkauft worden war. Seitdem hat das Anwesen in rascher Folge seinen Besitzer gewechselt, wobei es überwiegend mehr Gegenstand der Spekulation als der kulturellen Aufschließung gewesen ist.

1928 verkauft Paul Adler den Besitz endgültig an R. Kuhrt aus Westpreußen. Damit ist der Hof unter des selbstverwaltenden und schaffenden Fachmannes Hand gekommen. Heute ist Gayen in die Liste der Erbhöfe eingetragen und damit endgültig der Hand der Spekulanten entzogen.

Es ist nötig, darauf hinzuweisen, daß Gayen, zunächst rein räumlich betrachtet, heute etwas anderes bedeutet als 1633, wo es der König verschenkte. Damals umfaßte es nach amtlichem Bericht 50 Tonnen Sadt, d. i. rund 35 ha. 1904 wird die Größe mit 50 ha, danach bei den ferneren Käufen mit 45 ha angegeben, bis es bei dem letzten Besitzwechsel 247 ha waren, die sich verteilten auf die Gemarkungen Fuhlendorf, Wiemersdorf, Bimöhlen, Lentföhrden und Bramstedt. Wie-

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1) Eine Zeitlang hat nach diesem ein entlassener Strafgefangener die Kate bewohnen dürfen, und 1883 ist sie überhaupt nicht mehr vorhanden gewesen.

 

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der abgetrennt ist der Lentföhrdener Anteil, zum Teil durch Verkauf, zum Teil durch Austausch, und zwar letzteres durch Übernahme eines 6½ ha fassenden Weidegrundstücks beim Grünplan, also Wiemersdorfer Feldmark. Abgesehen von diesem, bilden die gesamten Ländereien ein geschlossenes, das Gehöft umringendes Besitztum.

 

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VIII. JÜRGEN FUHLENDORF, DER BEFREIER

 

Kein Name aus Bramstedts Geschichte hat einen besseren Klang als der des Bauern Jürgen Fuhlendorf, und keinem ist höhere Ehre zuteil geworden, als ihm. Schon im Jahre 1695, als er seine höchste Leistung vollbracht hatte, haben die dankbaren Mitbürger seinen Namen in einen Stein der Ringmauer des Rolands einbauen lassen. Die jüngste Zeit hat seinem Wirken erhöhte Aufmerksamkeit gewidmet und durch neue Dokumente ihm ein dauerndes, ehrenvolles Gedenken gesichert. Seit 1937 trägt die Bramstedter Oberschule nach ihm ihren Namen, nachdem ein Jahr früher die Reichsarbeitsdienst-Abteilung 8/173 zu Kaltenkirchen in gleicher Form sein Andenken geehrt hatte. Ferner ist hier das der Heimat geweihte Buernspill »Edelmann un Buern« von A. Kühl zu nennen, dessen Hauptgestalt unsern Helden Fuhlendorf widerspiegelt.

Dem Chronisten ist es eine willkommene Aufgabe, diesem Manne, dessen markiges Heldentum und hervorragende charakterliche Haltung zwingend wirken, auch an seinem Teile ein dauerndes Gedenken zu sichern. Wenn sich dabei ergibt, daß die traditionell gewordenen Berichte über unsern Heros nicht in jedem Punkte der Wirklichkeit gemäß sind, so ist das nichts Ungewöhnliches. In unserm Falle aber liegt es damit so, daß es sich um Dinge handelt, die am Rande liegen. Unangetastet bleiben Wert und Leistung des gefeierten Mannes. Zunächst ein kurzer Bericht über sein bürgerliches Dasein. Quelle dafür ist das im Kirchenarchiv vorhandene, etwa das Jahrhundert von 1620-1720 umfassende Verzeichnis der im Kirchspiel vorhandenen Hufner und Kätner. Es berührt uns sympathisch, daß seine Großeltern Hartigk Fuhlendorf und Ehefrau Margareta unter den Hufnern des Fleckens an erster Stelle genannt werden. Man nimmt es gern als ein gutes Omen für den Enkel in Anspruch. Der Vater und Hoferbe Hans Fuhlendorf heiratet 1633 Cathrine Hardebeck und nach deren Heimgang, um 1640, Abel Kruse aus Weddelbrook. Aus der zweiten Ehe stammt unser Jürgen, der 1644 am 3. Ostertage als zweiter Sohn getauft worden ist. 1669 stirbt der Vater. Der Geistliche hat es für recht gehalten, der Eintragung des Sterbefalles hinzuzufügen: »Sanft und sehlich in Gott dem Herrn entschlafen, war ein ehrlicher und aufrichtiger Mann und (ist) 19 Jahre Kirchschwor gewesen.«

Die Witwe hat nicht wieder geheiratet. 1672 übergibt sie die Hufe ihrem Sohne Jürgen und lebt dann noch 16 Jahre als Altenteilerin. Dem Leser drängt sich das Urteil auf, daß Jürgen das Glück hatte, einer in jeder Hinsicht gesunden Familie anzugehören. - Bei Übernahme des Hofes ehelicht er am 17. Oktober Anna Henniges, Tochter eines ortsangesehenen Bauern, den wir später als Ratmann verzeichnet finden. Der Ehe entsprießen fünf Kinder. Der 1679 geborene Sohn Hans tritt im Jahre 1709 das Erbe an. Jürgen, den Vater, finden wir nicht

 

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mehr genannt, woraus wohl zu entnehmen ist, daß er beim Abschluß des Registers noch am Leben gewesen sei. Zu beachten ist, daß nach Ausweis des Fleckensbuches der Bauer Jürgen Fuhlendorf als Ratmann gewirkt hat: von 1676-1679, 1682-1685, 1698-1700, insgesamt acht Jahre lang. Noch sei gesagt, daß mit der Abgabe der Hufe auch seine Wahlfähigkeit aufgehört hat. Aus seiner Nachkommenschaft haben noch etliche als Fleckensvorsteher in Ehren ihres Amtes gewaltet, und ein günstiger Stern hat auch insofern der Familie geleuchtet, als sie noch heute in Bramstedt waltet und wirkt. Jürgen Fuhlendorf hat der Nachwelt den Dienst geleistet, einen Bericht zu geben, der eindringlich seine eigenen Erlebnisse als Vertreter des Fleckens und darüber hinaus einen Teil der Ortsgeschichte aus harten Tagen uns vor Augen stellt. Dieses Schriftstück ist im Kieler Staatsarchiv unter dem Zeichen B IX 3 Nr. 142 vorhanden. Die Pietät gegen den Verfasser mahnt zu wortgetreuer Wiedergabe jenes ehrwürdigen Dokuments. Und doch mußte nach reiflicher Überlegung davon hier und da abgewichen werden aus Rücksicht gegen den Leser. Denn es ist nicht jedermanns Sache, den verschlungenen und umständlichen Satzungeheuern jener Tage ohne weiteres zu folgen. So ist durchweg, ohne daß natürlich dem Inhalt Abbruch geschieht, eine der Gegenwart gemäße Ausdrucksform gewählt worden. Nur in den letzten Absätzen, wo das streng Sachliche abklingt, hat der Chronist sich nicht versagen wollen, denen entgegenzukommen, die dem eigenartigen Reize der altertümlichen Schreibweise gern ein kleines Opfer bringen. Auch sind zwei Abschnitte des Berichtes ausgelassen worden, weil sie mit Fuhlendorfs Person und Werk keinen Zusammenhang haben und daher andern Ortes zu verwerten sind. Doch nun habe er das Wort.

»Extrakt oder gründlicher Bericht etzlicher denkwürdiger Sachen, so sich mit dem Flecken Bramstedt in dem seculo Anno 1600 bis Anno1700 und von 1665-1695 an Veränderungen zugetragen und begeben haben.«

Wir Menschen sind alle sterblich und vergeßlich. Was in alten Tagen passieret und sich zugetragen, erzählen wohl die Alten, die es mit erlebten, mündlich den Kindern und Enkeln. Aber mit der Zeit verdunkeln sich die Tatsachen, und bald weiß keiner mehr den rechten Grund und die volle Wahrheit. »Darum ist auf Ansuchen etzlicher die Freiheit liebende (Bürger) von einem guten Freunde, mit Grund der Wahrheit, weil er damals als Einwohner im Flecken und um folgendes alles wissend (war), folgenden Casus aufgezeichnet, (um es) den künftigen Einwohnern im Flecken Bramstedt schriftlich zu hinterlassen, was sich durch (ein) sonderbar Verhängnis im Jahre 1665 mit dem Flecken zugetragen und begeben.« 1665 hat Friedrich III. das ganze Ambt, mit Ausnahme der Stadt Segeberg und Oldesloe an unterschiedliche Creditoren versetzt und verpfändet. Der ganze Flecken Bramstedt, abgesehen von der Hufe des Kirchspielvogts und der des Pastorats, ist mit seinen 33 Hufen samt den beiden Schäfereyen und den andern drei Häusern auf dem Hasenmoor und den verschiedenen Holzungen in der Segeberger Heide verpfändet worden. Den Commissarien (mit der Erledigung Beauftragten) sind aber nur 32 Hufen angegeben worden.

 

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Graf Königsmark1) ließ die Fleckensangehörigen erst durch Cornelius Hartog, dann durch Matthias Böttger hart pressen und machte sie ganz unvermögend. Als er merkt, daß ihm das Gut nichts mehr einbringt, vertauscht er es gegen ein Gut in Schonen (Schweden) an den Etats-Rat Holgerstorff. Der verkauft sehr bald wieder an Assessor Elers in Kopenhagen. Dieser an zwei Kaufleute daselbst: Weinmann und Wiegandt. Elers war zum Kauf veranlaßt worden durch den damaligen Ober-Rentmeister Brandt, ebenfalls in Kopenhagen. Nämlich zu gegebener Zeit weilt der Eigentümer des Bramstedter Hofes, Baron von Kielmannsegg, in der dänischen Residenz, um einen Käufer für sein Gut zu finden. Der erwähnte Brandt hatte im Sinn, das Gut an sich zu bringen. Vorher aber, so hatte er es eingefädelt, sollte der Flecken mit dem Hasenmoor und den genannten Hölzungen, also der Flecken mit dem ganzen Zubehör, durch Weinmann und Wiegandt an den Grafen von Kielmannsegg verkauft werden. So ist dem Schreiber dieses Berichtes durch Evert Weinmann versichert worden. Denn Brandt, als Ober-Rentmeister einer der höchsten Minister am Königshofe, dürfte ein derartiges Geschäft selbst nicht machen. So sollte der geschilderte Weg über die Kaufleute den Minister decken, damit dieser hernach wie Pilatus die Hände waschen und sagen könnte: Ich bin unschuldig an dem Blute dieser armen Sünder. Nach diesem Plan ist dann auch gehandelt worden.

Das vorhin beschriebene Los (Pfandobjekt) ist verkauft worden an den Baron von Kielmannsegg mit allen drauf noch lastenden Restforderungen der vorigen Herrschaften. So geschehen zu Kopenhagen im Jahre 1685. Kaufpreis Vierzehntausend Rigsdaler.

Der nun zum Inhaber des Königl. Pfandbriefes gewordene Besitzer des adeligen Gutes Bramstedt reiste, ohne sein Gut veräußert zu haben, alsbald nach Bramstedt zurück. Schon am ersten Sonntag nach seiner Rückkehr ließ er von der Kanzel einen Brief publizieren, so lautend, daß er den Flecken mit all dem dazu Gehörigen gekauft habe. Wir hätten hinfort an ihn als unsere Obrigkeit nicht allein unsere Kontribution (die verpfändete Steuer) und alle schuldigen Dienst- und Herrengelder zu bezahlen, sondern auch alle von ihm geforderten Dienste zu leisten. Noch am selben Sonntag-Nachmittag ließ er den Ratmännern durch seinen Vogt ansagen, sie hätten am Montag, also morgen aus jedem Haus zwei Personen zum Hofe zu schicken, damit sie Jagddienste leisten. Die Ratmänner antworteten, daß sie solches in so großer Furye (Eile) nicht könnten. Darauf hat der Baron seinen Bruder, welchen er damals bei sich hatte, am selben Nachmittag mit dem Königl. Kaufbrief zu den Ratleuten gesandt. Er hat ihnen vorgelesen, was der Brief im Munde hatte. Danach habe die Herrschaft von den Untertanen nicht allein Geld zu fordern, sondern auch die Macht, ihren Vorteil zu suchen, worin sie ihn findet. Somit hätten die Fleckensleute kein Recht, die Hofdienste zu verweigern. Nun haben die Fleckensvertreter gebeten, ihnen bis zum nächsten Tag Zeit zu geben, daß sie mit der Fleckensgemeine darüber beratschlagen könnten. Das wurde denn endlich zugestanden.

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l) Der Inhaber des Pfandrechtes.

 

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»Zu mir als Schreiber dieses, schickte er selben Sonntag-Nachmittag seinen Vogt, mir befehlend, ich sollte morgen, also Montag früh, mit 4 Pferden und einem Wagen auf dem Hof sein und dann nach Hamburg fahren. Worauf ich antwortete, ich wisse von keinem Baron als meiner Obrigkeit. Er tue Unrecht, meine Obrigkeit sei der König. - Ehe eine Stunde vergangen war, kam der Vogt zum andern mal, und nach meiner abermaligen Weigerung zum drittenmal. Der Baron wolle mich sofort holen und ins Gefängnis werfen lassen, wo weder Sonne noch Mond mir leuchten würden. Meine Antwort war, er solle mir auf diese Art nicht wieder ins Haus kommen. Ich würde mich wehren bis zum Tod, wenn einer mich holen wollte. Lebendig würde er mich nicht auf den Hof bringen. Als der Baron den Ernst erkannte, ließ er es für diesmal sein Bewenden haben. Montag morgens war das ganze Flecken mit Mann, Weib und Kindern versammelt. Nichts als Heulen und Weinen wurde gehört. Ja, wie die Kinder Israel in Egypten und am Roten Meer, also schrie ein jeder zu Gott, daß er sie aus dieser drohenden Not erretten wolle. Endlich wurden die Männer sich schlüssig. Alle Männer des Fleckens einigten sich, daß sie nicht allein Geld und Gut, sondern auch Leib und Blut für ihre Freiheit einsetzen wollten. Dabei wollten sie beharren und nimmer sich unter den Bramstedter Hof geben. Wenn sie auch all das ihrige müßten in Stich lassen, so wollten sie doch lieber arm mit Weib und Kind von dannen ziehen.«

Am selben Tag wurden einige von den Fleckensleuten Gewählte zum Baron geschickt, um ihm den Kauf aufzusagen. Weil aber der Bruder des Barons wegen der am Sonntagabend mit den Ratmännern genommenen Abrede noch Montags auf die Antwort wartete, so hatte er zum Schreck der Unsrigen alle seine Bauern versammelt. Auch die allhier im Flecken in seinen Häusern wohnenden Männer, soweit sie sich dazu brauchen lassen wollten, ebenso seine gesamten Diener. Das ganze Wohnhaus war voll besetzt. Auf der Diele stand ein großer Tisch, voll belegt mit bloßen Degen und anderm tödlichen Gewehr (Waffen). Unsere Abgeschickten wollten, da sie solches sahen, aus Furcht nicht sprechen, was ihnen zu sagen aufgetragen war und was sie fast in selbiger Stunde unterschrieben hatten. Sie richteten sich so ein, daß sie ungeschlagen davon kamen. Weil aber doch endlich, um so zu reden, der Fuchs aus dem Loche wollte, wurden zum andernmal 6 Männer zu ihm geschickt, welche dann klar aussprachen, daß sie nicht seine Untertanen sein wollten. Er möge zusehen, daß er den Kauf rückgängig mache. Er aber antwortete mit großem Zorn, sie hätten zu gehorchen. Die ihm wegziehen sollten, denen werde er die Köpfe abschlagen lassen, sobald er sie wieder kriegen werde. Worauf einer der Unsrigen antwortete: »Sachte, sachte! Es läßt sich nicht so leicht Köpfe herunterschlagen. Wir wollen solche Grausamkeit unserm allergnädigsten König klagen und auch den Kauf zu hintertreiben suchen.« - Worauf der Baron sprach: »Der König weiß und fragt den Teufel nach dir; ich bin dir König genug.« Noch während er das spricht, nimmt er seinen Gegner bei dem Kopf und stößt ihn mit beiden Händen gegen die Mauer. Er ruft den Dienern zu, ihm Degen und Pistolen herzugeben, die ihm sofort »gelanget« wurden. Drei oder vier seiner Diener und dazu bestellte Handlanger

 

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greifen auf Befehl ihres Herrn den Deputierten, werfen ihn auf die Erde und halten ihn fest. Der Baron selbst verrichtete die Exekution an ihm und schlug ihn grausam. Auch hieb und stach er ihm mit dem Degen unterschiedliche Wunden und befahl dann, ihn ins Gefängnis zu werfen. Die andern fünfe wurden auch, jedoch mit trockenen Schlägen und Haarausraufen recht wohl »beschänket«. Doch rissen sie sich endlich los, liefen hinaus und meldeten vor dem Hofe (Hofgebäude) mit Schreien an, was allda geschehen. Worauf denn ein jeder ein Gewehr (Abwehrmittel), wie er es in der Eile haben konnte, ergriff und in den Hof eilete, um den einen, den sie noch gefangen hielten, zu befreien. Da der Baron sah, was nun aus der Sache werden wollte, ließ er den fast halb totgeschlagenen Gefangenen auf dem Platz vor dem Gefängnis und retirierte mit den Seinen aufs Haus zwischen die verschlossenen Türen. Unsere Leute nahmen ihren Gefangenen auf und marschierten ab. Für diesmal waren sie wohl zufrieden. Der Baron aber ritt sofort nach Glückstadt und klagte die Fleckensleute bei der Regierung als Rebellen an und begehrte zwei Kompanien Soldaten, die das Flecken zum Gehorsam zwingen sollten. Doch die Fleckensleute schickten auch zwei Männer nach dort, die alsda berichteten alles, was sich in Bramstedt zugetragen hatte. Ihr Begehren ging dahin, den Kaufbrief nichtig zu machen. Bis aber solches erreicht sei, möge die Regierung ihnen einen Schutzbrief des Königs vermitteln. Der Schutzbrief ist ausgefertiget worden. Dem Baron wurden zwar die Soldaten nicht gewährt; aber er erreichte, daß der Rädelsführer - so nannte er Jürgen Fuhlendorf - mit seinen Konsorten wegen ihrer groben, der Obrigkeit gegenüber nicht geziemenden Worte mit Gefängnis sollten abgestraft werden. So erging an den damaligen Rat und Amtsverwalter zu Segeberg der Befehl, die Erwähnten gebührend zu strafen. Der Rat begab sich nach Bramstedt, um selber zu hören und zu sehen, was sich zugetragen hatte. Das Ergebnis war, daß die sechs Abgeschickten sich ohne Verzug nach Segeberg zu begeben hatten. Und das wurde verlangt, obgleich einer an seinen Wunden noch gefährlich erkrankt lag. Jedoch wurden sie zur Ableistung ihres Arrestes in Michel Lütgens, eines ehrlichen Mannes Haus verwiesen. (Vermutlich ein Gasthaus, wie es derzeitigen Verfahren gegen säumige Schuldner entsprechen würde. Der Chronist.)

Weil aber unsere Obrigkeit wohl einsah, daß mit dem Sitzen in S. nicht viel auszurichten war, sondern andere Maßregeln nötig erschienen, so wurden fünf von ihnen nach etlichen Tagen wieder freigelassen. Nur Fuhlendorf ließ man nicht los. Bald danach schickten die Fleckensleute ein paar Deputierte nach Itzehoe. Sie sollten bei dem dortigen Etats-Rat von Brüggemann, Rat und Amtsverwalter, vorsprechen und ihn bitten, daß er ihnen in der so schweren Sache mit Rat und Tat zu Hülfe komme. Er erklärte sich dazu bereit. Im Namen des ganzen Fleckens richtete er an Ihro Königl. Majestät die untertänigste Bitte, den versetzten Flecken wieder einzulösen. Majestät möge auf keinen Fall zugeben, daß Bramstedt unter des Gutsherrn Herrschaft komme oder gar bleibe. Denn daraus würde nichts anderes folgen als der gänzliche Ruin und Untergang der Untertanen. Aber der vorerwähnte Oberrentmeister stellte sich der Sache in den Weg. Sein Verlangen

 

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zielte nicht allein auf das Gut Bramstedt, sondern auf Gut und Flecken zugleich. Doch seine Stellung am Hofe machte es ihm nicht möglich, die Erfüllung der Bramstedter Wünsche zu hintertreiben. Die Supplikationen wurden vielfach und immer dringlicher wiederholt. Endlich kam man einen Schritt vorwärts.

»Wenn wir selbst die vierzehntausend Taler an Weinmann bezahlen wollten, dann sollten wir der nächste Käufer sein.« Der Verkauf an den Baron sollte dann für nichtig erklärt werden und somit der Flecken von ihm ganz unabhängig sein. Die »Gevollmächtigten« des Fleckens nahmen diesen Bescheid in Itzehoe entgegen. Da kein anderer Ausweg zu finden war, fügten sie sich in das Unvermeidliche und erklärten sich bereit, die 14 000 Taler aufzubringen. Drauf haben nun alle Fleckens-Einwohner, die etwas »in Vermögen« hatten, Briefe und obligationes (Schuldscheine), soviel als für den genannten Betrag nötig waren, bei Rat Brüggemann vorzeigen lassen. Nachdem dieser die Schuldverschreibungen eingesehen hatte, hat er sie den Bramstedtern zurückgegeben. Drauf ist Weinmann von Kopenhagen nach Itzehoe gekommen, und der Baron hat den Kaufbrief an ihn zurückgeben müssen.

Aber die Sorgen der Fleckensleute fingen nun erst recht an. Man konnte sich über die Bezahlung nicht einigen. Bramstedt war in drei Klassen geteilt: 13 volle Pflüge; 4 wüste Pflüge, infolge des dreißigjährigen Krieges verödet, die erst 1665 als zwei Pflüge ins Amtsregister gesetzt waren, vorher aber nicht in Pflugzahl gewesen; (ferner die Kätner und Insten). Wie eben gemeldet, waren von jedem Teile (Vollhufner und Teilhufner) drei Männer als Gevollmächtigte beauftragt gewesen. Was sie täten, das wollten sich die andern alle gefallen lassen. Nun aber konnte man gar nicht einig werden. Endlich kam folgendes zuwege: Alle Einwohner (offenbar die Pflugzähligen) zahlen gleich viel; hingegen sind alle Äcker, Wiesen und Holzungen unter sie gleich zu verteilen. Was die Insten an Land und Wiesen haben, das sollen sie behalten, soll also nicht verteilt werden. Auch sollen keine Kohlhöfe (Gartenland) aufgeteilt werden; auch was jemand, er sei, wer er wolle, auf fremder Feldmark an Boden besitzt, bleibt von der Aufteilung befreit. Dabei wird festgelegt, daß sie künftighin alle Kontribution, Einquartierung und was ihnen sonst von der Obrigkeit möchte auferlegt werden, zu gleichem Anteil tragen wollen.

Nun wurden drei Obligationen ausgefertigt, eine über 8000, die andre über 4000 und die dritte über 2000 Taler. Zwölf dazu gewählte Männer unterschrieben sie. Dem Rat Brüggemann gegenüber verpflichteten sich die Beauftragten, im Laufe von zehn Jahren die ganze Summe zu entrichten, und zwar im ersten Termin im Dezember 4000 Taler und danach in jedem Jahre weitere 1000 Taler, so daß 1675 der Rest fällig würde. Der Rat nahm den Königl. Kaufbrief (und sicher auch die genannten Obligationen) in seine Verwahrung.

Der Herr Rat »wollte auch gern einen guten Braten von uns vor seine vermeindte gehabte Mühe« erwischen. Die Bevollmächtigten forderte er auf, ihm nunmehr »unser Hasen Mohr und Höltzungen in der Segeberger Heide zu verkaufen. Weil wir darauf Bedenkzeit begehrten, bot er unaufgefordert 3000 Taler.« Auf ihre

 

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Forderung von 4000 Talern ließ er sich nicht ein, sondern versuchte zurückzuhandeln. Aus dem Kaufversuch wurde nichts. - Er aber ließ die Hasenmoorer vor sich kommen und stellte sich ihnen als ihr nunmehriger Herr vor.

»Ende Dezember bezahlen unsere Gevollmächtigten die ersten verschriebenen 4000 Taler an Raht Brüggemann, weil er auch Weinmanns Gevollmächtigter war.« Hochwohlgeboren hat aber nur 3600 Taler angenommen und dann aus seiner Tasche 400 Taler dazu gelegt als Anzahlung auf Hasenmoor und Hölzungen.

Auch die den Fleckensbevollmächtigten gegebene Zusicherung (hier zum erstenmal erwähnt), daß ihnen nach Zahlung der ersten 4000 Taler der Königliche Kaufbrief durch Rat Brüggemann ausgehändigt werden sollte, wurde nicht erfüllt. Ehe indessen die nächste Rate fällig geworden, starb der verehrliche Herr Rat. Weinmann machte an seiner Statt den Amtsschreiber Markus Dau in Rendsburg zu seinem Vertrauensmann. Mit ihm hatten die Fleckensmänner fortan zu tun. Alsbald wurde ihnen wider ihren Willen Hasenmoor nebst zugehörigen Hölzungen weggenommen. Der Kaufbrief, der wohl die beste Gegenwaffe gewesen wäre, war ja nicht in ihrer Hand. Sie wählten ein anderes Mittel, indem sie die Zahlung verweigerten. Nun kam der Amtsschreiber Dau mit Notar und Zeugen zu Bramstedt und mahnte die Gevollmächtigten, »zu Rendsburg im Weißen Roß laut Verschreibung ihr Einlager (Schuldhaft) zu halten«. Die Bedrohten entschuldigten sich nun, sie hätten wegen ihrer Haushaltung und nötiger Arbeit, die Königl. Kontribution und ihr Brot zu verdienen, keine Zeit gehabt, nach Rendsburg zu reisen. Markus Dau läßt sie vor die Königl. Regierung zu Glückstadt zitieren. Hart klagte er sie hier an und verlangte, die Regierung möge die Säumigen durch Militär-Exekution nach Rendsburg ins Einlager führen lassen. Etliche der Gevollmächtigten waren zur Verhandlung erschienen und führten gegen Dauens Angaben und Verlangen mancherlei Hindernisse und sonstige Ursache ins Feld, so daß der Amtsschreiber auch diesmal nicht seinen Willen durchsetzen konnte.

Dau berichtete natürlich an Weinmann nach Kopenhagen, wie übel es hier um das Bezahlen bestellt sei. Weinmann suchte täglich den uns bekannten Oberrentmeister auf und klagte diesem, wie unschuldig er um Brandts willen zu dem Kauf gekommen sei. »Der Brandt wollte gern, durfte es aber nicht so öffentlich tun, da er fürchten mußte, es möchte ein Daniel1) am Hofe sein.« Unterdessen waren die Gevollmächtigten mit ihren Gütern und ihrer Habe nirgends sicher. Auch der damalige Kirchspielvogt Wolf Eberhardt Haseler betätigte sich gegen sie. Er machte ein Verzeichnis der Güter der Bevollmächtigten, schrieb alles auf, was in den Häusern vorhanden war und schickte seine Listen nach Kopenhagen. - Doch unsicherer noch stand es um die Sicherheit ihrer Person. Immer wieder wurde ihnen mit dem Einlager gedroht; man würde sie, so lautete die Drohung, unversehens mit Gewalt aus den Häusern wegnehmen. Die Fleckensleute, sehend,

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1) Hinweis auf den Propheten Daniel, der am Hofe des Königs Nebukadnezar lebte, als »Wahrsager« diesen stark beeinflußte.

 

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daß der Königl. Hof ihnen feind war, schickten Deputierte zu ihrem Landesherrn, als dieser in Schleswig-Gottorp sich aufhielt. Fußfällig haben sie persönlich ihre Bittschrift übergeben. »Darin war unsere Not und (unser) Anliegen genug entdecket; daß wir nicht, wie unsere Widerwärtigen angeben, aus Hoffart, sondern um uns aus der Sklaverei zu erretten, aus Not das Kapital zu bezahlen uns verpflichtet hätten.« Auch mündlich baten sie den König, ihr Flehen zu erhören. Der König hat an demselben Tage die Bittschrift an seinen Minister Brandt gegeben, daß er helfe. »Weil er aber nicht der war, der uns helfen wollte, weisete er uns an den Assessor Pieper, dem er die Supplik übergab, mit den Worten: ,Pieper hilft die Bramstedter!' - Dieser aber war anders auf garniert und bei ihm keine Hülfe«.

Nach diesem Fehlschlag zitierte der Amtsverwalter Reich vier Männer aus Bramstedt, nämlich Jürgen Fuhlendorf und Tim Langhinrichs, die von sich aus zwei weitere dazu bestimmen sollten. Dann sollten die vier Cito, Cito (in aller Eile) nach Segeberg kommen. Von dort wollte von Reich nach Kopenhagen fahren, aber vorher, wie er ankündigte, noch etwas Nötiges mit den Bramstedtern ordnen. »Wir, als bei unserer Obrigkeit nichts Böses vermutend, nahmen zu uns Jasper Stüven, Rademacher, und Hans Steckmest, Schuster, und reyseten hin.« Da verlangte von Reich 2000 Taler von uns, die wir laut von uns verschriebener Obligation zu bezahlen schuldig seien. Und das müsse geschehen, bevor wir Segeberg wieder verlassen dürften. - »Da aber war Holland in Not, und obwohl wir viele Ausflüchte suchten, vermochte doch solches alles nicht zu helfen. In des Amtsverwalters Haus kam auf seinen Befehl eine große Schar Soldaten. Diesen wurden wir übergeben. Sie schleppten uns als ihre Gefangenen in das Soldaten-Wachthaus. Hier sind wir mit 16 Musquetieren zehn Wochen lang ohne auskommen (Hinauskommen) Tag und Nacht bewachet worden.«

Der Amtsverwalter, »sofort als wir man reingesetzet waren«, reisete er nach Kopenhagen, zu unsern Widersachern, er als ihr lieber Getreuer. Er brachte die fröhliche Botschaft, daß nun bewerkstelligt war, was sie alle längst schon gern gesehen. Die Debitores (Schuldner) würden nun wohl sorgen, daß bald die schuldige Zahlung erfolge. - Diese Kopenhagener feierten in großer Freude üppige Feste. Ihre hinterlassenen Gefangenen aber erlitten große Drangsal in ihrem Gefängnis und beteten und schrien Tag und Nacht zu ihrem Gott, er möge doch Hülfe und Errettung senden.

»Aber Gott fügte es wunderlich. In Kopenhagen wiederholte sich, was von den Philistern im Alten Testament1) berichtet wird. Als sie in Dagons Kapelle ein Jubelfest feierten und sich dazu von ihrem wehrlos gemachten Feinde Simson aufspielen ließen, riß dieser die Säulen des Gebäudes um, daß es einstürzte, alle unter sich begrub und dann in Feuersbrunst aufging. So ähnlich erging es vielen Großen in der dänischen Residenz, die beim Brande ihres Festhauses umkamen. Auch der Amtsverwalter Joachim von Reich und unterschiedliche Kinder unserer Widerwärtigen mußten bei dieser unglücklichen Freude elendiglich enden.«

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1) Siehe Buch der Richter, Kap. 16 (Kapelle = Götzentempel).

 

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»Da schickte nun Gott, so zu reden, seinen Engel, Herrn Reimer Peter von Rheder, welcher an Reichens Stelle als Amtsverwalter, auch zugleich Vize-Amtmann des Amts Segeberg berufen ward.« Bei seiner Ankunft in Segeberg fand er die Gefangenen vor. Die »unsrigen« kamen mit vielfältigem Klagen und Bitten bei ihm ein. Den Gefangenen war nicht einmal vergönnt, sich selbst zu verantworten. Doch nach 20 Wochen gab er die Gefangenen los. Die beiden andern Gevollmächtigten wurden in einem (bürgerlichen) Haus in Arrest gegeben und mußten noch eine Zeitlang sitzen. Jedoch blieb das Geld aus. »Der Vizeamtmann Rheder tat sein Bestes allezeit für uns, so auch mit Schreiben zu Hofe (König) und sonsten. Die Sache wird ihm aber zu schwer gemacht, daß er sie allein nicht konnte heben. Endlich schickte Gott, so zu reden, seinen Erzengel, uns zu erlösen.« Reinhold Meyer, Etats-Rat, wurde von Ihro Königl. Majestät als Kommissarius nach Holstein gesandt. Er sollte untersuchen, wie es den Untertanen im Lande ergehe, auch ihre etwaigen Klagen entgegennehmen. Vize-Amtmann von Rheder führte ihn nach Bramstedt, wo er die Fleckens-Gevollmächtigten zu sich fordern ließ. »Die meisten aber, aus Furcht, daß sie wieder in Arrest möchten gezogen werden, wollten nicht erscheinen. Etzliche aber gingen zu Sie, da dann vielfältig von der Sache geredet wurde, wie sie möchte zu Ende gebracht werden, daß ein jeder Untertan bei den Seinigen wieder sicher sein könnte.« Der Etats-Rat gelobte, sein Bestes zu tun und die Sache, sobald er nach Kopenhagen zurückgekehrt sei, mit göttlicher Hülfe zu Ende zu führen. Er hatte noch an andern Orten Kommissionen zu erledigen, versprach aber, auf der Rückreise hier wieder vorzusprechen. Dann sollte festgestellt werden, was weiter in der Sache zu tun sei. »Inzwischen sollten wir mit den andern Fleckensleuten überlegen und beschließen nach Befinden.«

»Weil er aber aus dem Pinnebergischen nach Itzehoe und dann über Rendsburg zurückreiste und nicht wieder nach Bramstedt kam, schrieb er aus Rendsburg, Jürgen Fuhlendorf solle mit etlichen der andern Gevollmächtigten zu ihm nach R. kommen. Da es aber gefährlich schien, an solchen Ort zu kommen, wo Weinmanns großmächtiger Markus Dau wohnte, derselbe, der, als die Bramstedter mit ihm verhandelten, versucht hatte, wenn auch einfältig und vergeblich, sie ins Einlager zu bringen.« Nur Jürgen Fuhlendorf wagte es doch. Von dem Flecken mit neuer Vollmacht ausgerüstet, folgte er dem Herrn Meyer, um mit ihm zu verhandeln, »wans möglich war«.

Fuhlendorf hat erreicht, was er wollte: Er hat dem Etats-Rat vorgehalten: das Hasenmoor, jährlich mit 150 Talern angesetzt, trage die Zinsen von 3000 Talern. Die Hölzungen in der Segeberger Heide haben den gleichen Wert, also 3000 Taler. Beides gehört aber in unser Los zum Flecken, das verpfändet worden für 14 000 Taler. Nun hat uns der jetzt Seel(ige) Brüggemann beides weggenommen und die Hölzungen in der Weise gebraucht (ausgenutzt), daß ihm die 400 Taler doppelt ersetzt sind. Königliche Majestät brauche das Geld nur wieder an sich zu ziehen. Gehen dann auch Hasenmoor und die Hölzungen in des Königs Besitz, so habe der Flecken noch 4000 Taler zu zahlen. Etats-Rat Meyer hat seine

 

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Zustimmung gegeben. Vereinbart ist noch, daß die Zahlung der restlichen 4000 Taler Anno 1695 erledigt sein müsse. Ferner wurde ausbedungen, daß alle drei Obligationen »da heraus aus Kopenhagen von Evert Weinmann an den Vize-Amtmann sollten gesandt und uns gezeigt werden. Wann wir aber die 4000 Taler bezahlet, sollte uns der Amtmann Rehder die Obligationen der 14000 Taler liefern«.

»Welches dann auch also geschehen, und liegen selbe in der Kirchen, in der Fleckenslade den Nachkömmlingen zum Andenken bewahret.« »Hieraus ist nun zu sehen, daß sich das Flecken Bramstedt selbsten wieder völlig gelöset, so wie König Friedrich der Dritte (es) an Graf Königsmark Anno 1665 versetzet hatte, als nehmlich daß Sie 8000 Taler baar bezahlt. Hasen Mohr samt denen Hölzungen hat Ihro Königliche Majestät vor 6000 Taler wieder zu sich genommen, und also (sind) die 14 000 Taler bezahlet und haben die Bramstedter ihre dahmals hochangesetzten Herrengelder abgekauft.«

»Weil nun die Einwohner des Fleckens hierdurch sehr unvermögendt und an Ihren Mitteln sehr entkräftet worden, als ist an Ihre Königl. Mayst. unterschiedlich mahl suppliciret, uns eine Gnade zu tun, wodurch die Einwohner des Fleckens wiederumb zur Aufnahme (Aufstieg) kommen könnten, welches auch in soweit erhöret, daß wir von dem Herrn Amptmann von Rheder nach Kalten Kirchen in des Priesters Haus gefordert wurden, welcher dann sagte, der König hätte uns erhört, wir sollten aber fordern, was es sein sollte. Worauf wir den gebehten, jeden Einwohner zu 1/3 Pflug ins Register zu setzen, und daß die 2 Insten-Pflüge, die bei der Versetzung 1665 erst zu Pflügen gesetzet wurden, uns wieder abzunehmen. Welcher unser Bitten dann wieder nach Kopenhagen am Könige geschickt, auch in soweit erhöret, daß wir nachdem nicht mehr vor die übrigen Pflüge bezahlt haben. - Wobei auch noch erinnern will, weil wir äcker und Wiesen und Höltzungen unter uns getheilet und alle gleich gemacht, das Kapital auch von allen sollte gleich (in gleichem Anteil) bezahlt worden sein. Welches aber lange zu der Zeit nicht geschehen kunte. Weil viele Unvermögens darunter wahren, musten die, so was hatten, den Vorschuß thun, die andern es ihnen so lange Verzinsen sollten, bis Sie das Capital wiederbezahlen könnten, Ihnen auch von der Obrigkeit verschrieben werde, vor anderen Creditoren ihr Geld das erste zu sein.« -

»Da nun in Versammlung vor der gantzen Gemeine es in richtige Zeit gebracht werden sollte, was der eine noch zu bezahlen schuldig, der andere hingegen wieder haben sollte, hat Gott die Hertzen derer, so von andern haben sollten, also regieret, daß sie alles schenketen, Gott Lobeten und danketen, daß er sie aus ihrem Unglück errettet und geholfen hatte, wobey denn alles, was sie vorhin ein gegen den andern und zusammen miteinander verschrieben, zerrissen und verbrandt wurde. Auch ließen die Fleckensleute vor öffentlicher Gemeine auf der Cantzel Gott danken, daß er ihnen so gnädig gewesen und geholfen hatte. Hierauf ward gesungen der Heilige Lobgesang: Herr Gott, Dich Loben wir, Herr Gott, wir danken dir.«

 

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»Dieses ist das fürnehmste, welches aus gutem Wohlmeinen für nöthig erachtet habe, aufzuschreiben und denen nachlebenden zu hinterlassen, schließe hiermit und sage: Allein Gott in der Höh sei Ehr, und Dank für diese und alle andre Gnade. Er gebe, das hinfort nicht mehr denen Einwohnern im Flecken widerfahre groß Leidt und Schade nemenn.«

(Jahr und Tag sind nicht angegeben.)                                    (gez.) Jürgen Fuhlendorf

 

Wenn je ein Mann, der in schicksalhafter Stunde sich zum Führer einer bedrohten Gemeine berufen fühlte und als Führer mit ganzer Hingabe und in zäh ausharrender Kraft für seine Schutzbefohlenen sich einsetzt, kämpfend und leidend, in wohltuender Bescheidenheit Bericht gegeben hat über das, was unter seiner Leitung erlitten und vollbracht worden ist, so ist es dieser einfache Bauersmann, der so rühmlich seinen Namen der Nachwelt überliefern konnte. Achtung für alle Zeiten vor dem, was er an körperlicher und charakterlicher Leistung in vorbildlichem Heroismus zuwege gebracht hat. Ruhm und Verehrung dem Führer, der es verstanden hat, seine Gefolgschaft zu einer wundervollen Opferbereitschaft und zur Betätigung des Gemeinsinns hinaufzureißen, der weithin im Lande nichts Gleichwertiges zur Seite zu stellen ist.

Eine Quelle seiner Kraft ist offenbar seine urholsteinische Abneigung gegen persönliche Unterdrückung, zum anderen eine tiefe Heimatliebe, und endlich bekundet seine ganze Haltung einen fest verwurzelten religiösen Sinn, den er und seine Ehefrau fünf Jahre nach der Ablösung des Fleckens noch dadurch besonders bekundet haben, daß sie der Bramstedter Kirche einen großen Kronleuchter verehrten. Niemals wird sein Vorbild aus den Herzen der Bramstedter schwinden.

 

In diesem tapfern Manne offenbaret

Sich der Heimat Herzschlag wunderbar.

Wie er in Not die Treue ihr gewahret,

Sei er auch unser Vorbild immerdar.

 

Der Stein des Anstoßes

 

Es ist nur natürlich, daß die Ereignisse, die im Anschluß an die Verpfändung Bramstedts durch den Dänenkönig Friedrich III. sich abgespielt haben, den Fleckensbewohnern dauernd in Erinnerung geblieben sind und darüber hinaus, räumlich und zeitlich, Beachtung gefunden haben. Besonders gilt das für denjenigen Teil, dessen betrüblicher und doch auch erhebender Ablauf unter der Beteiligung und Führerschaft Jürgen Fuhlendorfs gestanden hat. Die Fleckensgilde hat an erster Stelle die Ehrung dieses Mannes auf ihr Panier geschrieben. Jährlich am 3. Pfingsttage feiert sie ihren Gildetag und schließt ihn traditionsgemäß nach Sonnenuntergang durch einen fröhlichen Umzug ab. Unter den Klängen heiterer Musik umschreiten Mann und Weib und Kind den Roland, voran die Musikanten. Es kommt wohl auch zu munterem Tanze. Zurückgeführt

 

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wird der lustige Brauch mit Vorliebe auf den Tag der endlichen Erlösung aus der durch oben berührte Versetzung herbeigeführten Unfreiheit der Fleckensleute. Aber auch der Gründungstag der Fleckensgilde wird dafür in Anspruch genommen. Doch in jedem Falle ist Jürgen Fuhlendorf die Hauptperson, das eine Mal als der überragende Befreier, das andere Mal als Gründer. Auf jeden Fall sei unter seiner Leitung das Gelübde abgelegt worden, in brüderlicher Treue zusammenzuhalten und den Freudenreigen um das Rolandsbild zu wiederholen, »so lang de Wind noch weiht un de Hahn noch kreiht«.

Einen Höhepunkt erlebte diese schöne Überlieferung im Jahre 1924, als die Gilde das Fest ihres 250jährigen Bestehens veranstaltete. Organist August Kühl, der rege Wardein hiesiger Heimatpflege, hat zu diesem Tage den Heimatgenossen ein prächtiges Geschenk auf den Tisch gelegt: Sein »Buernspill«, betitelt »Edelmann un Buern«, führte den Festteilnehmern eindringlich vor Augen, was die Vorfahren erlitten, was Held Fuhlendorf geleistet hat.

Dem hier waltenden Geschichtsforscher liegt nichts daran, die Freude zu kürzen, die so schöne Erlebnisse bereiten können; noch viel weniger daran, die Freiheit des Poeten anzutasten. Ehre jedem, der so redlich der Heimat dient, wie hier geschehen. Aber wer erlöst den Chronisten von der ehernen Pflicht der Wahrhaftigkeit? Drum laßt auch ihn ungestört sagen, was ist.

Ein 250jähriges Jubiläum, das man im Jahre 1924 begeht, führt unbedingt zu dem Rückschluß, daß der Anlaß dafür auf eine im Jahre 1674 erfolgte Gründung zu verlegen ist. Außerdem fordern im gegebenen Falle die Begleitumstände dazu auf, ein entscheidendes oder wenigstens doch wichtiges Hervortreten Fuhlendorfs vorauszusetzen. Hat er 1674 die Pfandauslösung des Fleckens bewerkstelligt? Antwort: Nein! Denn Fuhlendorfs eigener Bericht nennt dafür das Jahr 1695; auch ist sein Hauptgegner Baron von Kielmannsegg erst 1685 in den Besitz des Königl. Pfandbriefes gekommen; endlich war Fuhlendorf 1674 noch gar nicht in der Lage, als Führer des Fleckens aufzutreten, da er nach dem alten Fleckensbuch erst 1676 zum erstenmal zum Ratmann erwählt worden ist. Er kann nicht etwa früher schon der Stadtverwaltung angehört haben. 1672 ist er durch die Übernahme der väterlichen Hufe erst wahlfähig geworden. Der nächste Wahltermin war ein Jahr später. Aber die 1673 Gewählten sind: Harm Götzk, Hans Hardebeck, Matthias Böttiger und Jasper Henniges. Amtszeit drei Jahre; 1676 rückten Jürgen Fuhlendorf und sein Freund Ties Langhinrichs ein. - Kann für seine Tätigkeit als Gründer das Jahr 1674 in Frage kommen? Wiederum: Nein! Das Gildebuch steht im Wege. Es bringt Berichte seit dem Jahre 1756, weist aber einleitend auf ältere, nicht mehr vorhandene Vorgänger zurück unter Hinweis auf 1688 als das Gründungsjahr. Von 1674 berichtet es nichts, auch nichts über den Gründer oder seinen Namen. Mir ist aus keiner Quelle, und ich bin ihnen mit einiger Beharrlichkeit nachgegangen, etwas vor Augen gekommen, wodurch gerade das Jahr 1674 in Jürgen Fuhlendorfs oder des Fleckens Geschichte eine ungewöhnliche Bedeutung hätte erlangen sollen.

So ist dem Forscher nicht vergönnt, jenes Jubiläum als geschichtlich wohl-

 

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fundiert erachten zu können. Indessen gibt es einen Anhalt für den Ursprung des bestimmt vorliegenden Irrtums. In der Mauer der als »Rolandseck« bekannten Gaststätte befindet sich an der Hauptstraße ein größerer behauener Feldstein mit der Inschrift: J. F. D. darunter 1674. Was Wunder, daß dieser Stein in besonderem Maße die Aufmerksamkeit der wachen Geister auf sich gelenkt hat! Der Umdeutung der Buchstaben in Jürgen Fuhlendorf steht nichts im Wege. Denn diese Art der Namensandeutung war hierzulande durch Jahrhunderte allgemein üblich bei den Steinen an den Landwegen, zum Nachweis der den einzelnen Hufnern auferlegten Instandhaltungspflicht, ebenso bei Eigentums- und Grenzausweisen. Die »Bramstedter Nachrichten« vom 14.12.1937 bringen dafür folgendes Beispiel aus der Gemarkung Nahe. Ein größerer Grenzstein zeigt auf einer Seite die Buchstaben P. M. und auf der andern Seite St. B., darunter A(nno) 1801. Der Ortskundige hat es nicht schwer, sich bald zu vergewissern, daß es sich um die Eigentumsnachbarn Pohlmann und Steenbock handelt. - Hierher gehört auch unser Stein. Diese Annahme erhält eine kräftige Stütze durch die am Orte schlechthin geltende Meinung, daß Jürgen Fuhlendorfs Bauerngehöft eben dort gelegen habe, wo heute »Rolandseck« zur Einkehr ladet. Dokumentarischen Beweis in diesem Punkte habe ich nicht gesehen. Immerhin mag es ein Fingerzeig sein, wenn wir im ältesten Hufnerverzeichnis der Kirche (1620) die Fuhlendorfsche Hofstatt als erste genannt finden. Der Gedanke, an der Ecke der Hauptstraße mit der Aufzählung zu beginnen, lag für den Pastoren nahe genug. Rücken wir näher heran: Seite 131 des alten Fleckensbuches redet von der Aufteilung des Steindamms (im Bleeck) im Jahre 1755 und nennt den bemarkten Stein + H.H.r., und man erfährt, daß Hinrich Hartmann gemeint ist. - Ferner aus der gleichen Quelle S. 69: »Weil der Weg zwischen der jetzt so genannten Hudowbruck und Flecken immer mehr und mehr geschmälert und von Jahr zu Jahr so weit gebracht, daß der Hirte ohne große gefahr oder schaden mit dem Viehe nicht mehr dar durch treiben kann, als (darum) ist er im Jahre 1686, da alle Äcker und Wiesen des ganzen gemein (waren, also:) vor der Teilung, damals erweitert. Und von dem Wasser (her) nach negst dran stehenden Hause zu sind fünf scheide steine gesetzt, zur Ewigen schede (Grenze), daß nun die Nach Kömlinge dar zusehen (darauf achten), daß selbiger Weg seine Jetz habende Breite bis an gesetzete Steine behalten Möge. Wir haben ihnen dieses Beweis und Nachricht In diesem Fleckensbuche ver Zeichnen wollen.«

An besagtem Wege, heute Glückstädter Straße, und zwar dort, wo er die Hauptstraße schneidet, liegt oder lag unseres Jürgen F. Haus. Es kann nun wirklich nicht auffällig sein, wenn er, an der Haupt-Wegekreuzung des Ortes wohnend und vermutlich ein sorgsamer Verwalter des ererbten Gutes, seinem meistgefährdeten Besitztum schon zwölf Jahre früher (1674) eine solide Grenzmarke und solide Schutzwehr setzte und sie in üblicher Weise markierte. Ist dieser Stein etwas größer ausgefallen als üblich, so hatte er ja auch Dienste zu leisten an dem Punkte des Fleckens, wo tatsächlich der stärkste Wagenverkehr sich abwickelte: am Marktplatze, nahe der Kirche, nahe der Mühle.

 

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Nehmen wir noch folgendes hinzu:

a)   daß fraglicher Stein erst im Jahre 1906 in die Mauer eingelassen worden ist (beim Umbau des Gebäudes), bis dabin aber seinen Platz in einigem Abstand vor dem Hause gehabt hat;

b)   daß in dem der Straße zugewandten Teil der Umfassungsmauer des Rolands ein zweiter, auf Fuhlendorf hinweisender Stein vorhanden ist;

c)   daß Johann Kähler, der bekannte Stellauer Pastor, in seiner 1905 herausgegebenen Schrift über das Stör-Bramautal (Seite 122) sagte: »An der Ecke des Blek steht noch ein Prellstein und darauf: J. F. D. 1674«; so müssen wir auf gesicherter Grundlage zu der Feststellung uns bekennen, daß vielbesagter Stein mit Fuhlendorfs Verdiensten um den Flecken nichts zu tun hat, am allerwenigsten als ein von den Mitbürgern ihm gewidmetes Denkmal gelten kann. Zum andern ist zu vermerken, daß die hervorgetretene gegenteilige Meinung nicht traditionell begründet, sondern erst in jüngster Zeit hie und da genährt worden ist.

Also mit einem von J. F. gesetzten Prellstein haben wir es zu tun. Das Zeugnis von Pastor Kähler, der seine Angaben über Bramstedt ganz in der Hauptsache dem derzeitigen wohlunterrichteten, ehrwürdigen Mühlenbesitzer N. F. Paustian verdankt, gibt aller Überlegung den unantastbar festen Halt. Der erwähnte Zwillingsbruder im Sockel des Rolands mutet uns wohl noch als ein Störenfried an. Was ist's mit dem? Was kann er meinen? Eine restlos befriedigende Antwort ist vielleicht nicht zu geben. Doch fehlt es nicht an wegweisenden Tatsachen und Merkmalen. Wir beachten: dieser Stein ist Bestandteil des wichtigsten Denkmals, das unsern Ort ziert. Er ist eingefügt unmittelbar neben dem Quaderstein, der die Namen des Kirchspielvogts und der beiden Fleckensvorsteher aufweist, die 1827, also im Jahre der Wiederaufrichtung des Rolands, ihres Amtes gewaltet haben. Er trägt in drei Reihen die Inschrift: J. F. D. - ANNO - 1695. Die Beschriftung der beiden benachbarten Steine zeigt eine sehr unterschiedliche Form. In dieser Hinsicht stimmen die beiden J. F. D. Steine überein, die ja auch, zeitlich betrachtet, von der gleichen Hand behauen sein mögen. Der J. F. D. - Stein der Ringmauer hat starke Stöße hinnehmen müssen, die letzten beiden Ziffern der Jahreszahl sind hart mitgenommen, indes an hellen Herbsttagen, wenn funkelnder und glitzernder Sonnenstrahl nicht stört, in ihren Restspuren recht wohl zu erkennen. Die Beschädigung des Steins kann durchaus an dem Orte zuwege gekommen sein, wo er heute noch steht: hart an der Hauptverkehrsstraße, die von unzähligen, auch schweren und schwersten Lastwagen passiert worden ist. - Das Jahr 1695 ist auch der Zeitpunkt, wo Jürgen Fuhlendorf sein großes Werk für den Flecken vollenden und krönen konnte. Zwei Jahre früher war die Ringmauer um den Roland hergestellt worden. Das Fleckensbuch hat davon Kenntnis genommen und nennt zugleich »Jürgen Fuhlendörff« als derzeitigen ersten Ratmann. Was steht dem Gedanken entgegen, daß die Fleckensleute, nachdem er sie aus großer Not herausgeführt hatte, dankbar seinen Namen und das Jahr, in dem dies geschehen, der Nachwelt erhalten wollten? Mußte nicht die Stelle, wo wir beides verewigt finden, dafür besonders

 

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gut geeignet erscheinen? Jedenfalls hat man 1827, als das Rolandsbild neu aufgerichtet wurde, den gleichen Ort gewählt, um die Namen der damals an der Spitze der Fleckensverwaltung stehenden drei Männer in den Nachbarstein einhauen zu lassen.

Wen diese Ausführungen nicht befriedigen, der möge weiter forschen. Wir kommen zum Schluß. Die Tatsache bleibt bestehen, daß eine schöne Jubiläumsfeier, historisch betrachtet, nicht richtig basiert gewesen und ein Prellstein irrtümlich für ein Denkmal gehalten worden ist. Was ist da zu beklagen? Es ist fruchtbarer, sich vor Augen zu halten, daß diese Dinge den Sinn und Kern der die Feier tragenden Gedanken in keiner Weise treffen oder trüben. Unangetastet stehen Tat und Charakter Fuhlendorfs da. Wenn man glauben darf, daß der Flecken diesem Manne schon zu Lebzeiten in gemeldeter Weise seinen Dank bekundet hat, so wird das nur freudig zu begrüßen sein. Die schöne Jubiläumsfeier von 1924 aber steht als Zeugnis lebendiger Heimatsliebe den Bewohnern noch heute wirksam in Erinnerung, und vor allen Dingen hat sie dazu beigetragen, Fuhlendorfs Bedeutung ins rechte Licht zu setzen. Auch der 16. Juli 1938, an dem die »Jürgen-Fuhlendorf-Schule« anläßlich ihres dreißigjährigen Bestehens u. a. eine Aufführung des Bauernspiels »Edelmann un Buern« brachte, erntete seine schönen Erfolge wohl zum guten Teil aus der Saat, die 1924 ausgestreut worden ist.

Und was endlich den Umzug um den Roland anlangt, so wird dessen Reiz nicht dadurch verblassen, daß sein Ursprung nicht auf 1674 zurückgeführt werden kann. Die Chronik darf wohl noch ergänzen: 1674 ist aller Wahrscheinlichkeit nach an Stelle des Rolands nur ein Trümmerhaufen vorhanden gewesen; denn schon 1666 wird der im Jahre 1654 erbaute hölzerne Roland als »alt und schwach« beschrieben. Andrerseits wird beurkundet, daß sowohl 1654 als auch 1827 bei der jeweiligen Fertigstellung des Standbildes eine Feier, das letztemal ein »Volksfest« stattgefunden hat. - Fuhlendorf spricht am Schluß seines eingehenden Berichtes von einem Gottesdienst, nicht von Umzug und Tanz.

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Anmerkung: Eine Version, wonach Fuhlendorf den Stein hätte setzen lassen, um das Andenken an die Geburt des ersten Sohnes zu sichern, ist wohl nicht ernst zu nehmen. Erstens wäre das an sich sehr ungewöhnlich, und zweitens hätte wohl der Name des Sohnes eingemeißelt werden sollen. Dieser Sohn aber hieß Hans, und das Kirchenbuch meldet als sein Geburtsjahr 1679.

 

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IX. DER ROLAND

 

Die Geschichte des Rolands zu schreiben und seine Bedeutung darzulegen, das ist für einen Bramstedter von ganz besonderem Reize; handelt es sich doch um einen Gegenstand, der sich in Nordalbingien nur noch einmal wiederholt, in Wedel, einer Stadt, die mit unserm Heimatorte das gemein hat, daß im Mittelalter hier wie dort der jütische Ochsenhandel nach dem Süden und Südwesten hin den Bürgern eine wertvolle Nährquelle bot, wie auch gleichzeitig beiden vom Dänenkönig Christian V. die Erlaubnis erteilt wurde, das in den Stürmen des Dreißigjährigen Krieges hinweggefegte Standbild wieder aufzurichten. Aber der Reiz des Besonderen wird dadurch ein wenig gedämpft, daß auch der Berichterstatter des so ausgezeichneten Ortes nicht die naheliegende Aufgabe erfüllen kann, über diesen seit langem und weithin beachteten Gegenstand abschließende und endgültige Nachrichten zu geben. Die Vorgeschichte dieser für Nord- und Niederdeutschland bis in das 14. Jahrhundert nachgewiesenen, heute noch in wenigen Städten (z. B. Bremen, Brandenburg, Halle, Nordhausen und Stendal) vorhandenen Gestalten ist so sehr ins Mystische gehüllt, daß an letzte Eindeutigkeit wohl überhaupt nicht zu denken ist. Dem Verfasser fehlen dafür bestimmt Zeit und Gelegenheit; auch hat er nicht im geringsten Neigung, die in unsern so viel heimatkundliche Entdeckung spendenden Tagen leider nicht fremde Bedienung der Leser mit leichtfertiger, ja ungesund phantastischer Berichterstattung zu mehren. Nur das Nötigste, ins Allgemeine gerichtete sei gesagt, ehe wir unserm lieben Stadt-Repräsentanten auf dem Marktplatz sein geschichtliches Bild gestalten, so wie die Wirklichkeit es fordert.

Der Name »Roland« wird in Dichtung und Sage einem Manne beigelegt, der, als Neffe Kaiser Karls des Großen hingestellt, dessen überragender und vornehmster Kriegsheld gewesen sei. Die Wissenschaft hält nicht für bündig erwiesen, daß dieser Held wirklich gelebt habe. Man kann sich immerhin vorstellen, daß die im frühen Mittelalter, aus dem Frankenreiche stammenden, auch im deutschen Volke stark umlaufenden Sagen, deren erdichteter Held jener war, die Wirkung zeitigten, in »Roland« symbolisch einen Helden schlechthin zu sehen, ohne dabei einer Ehrung Karls des Großen und seiner Paladine sich bewußt zu sein. Es muß andrerseits angenommen werden, daß gerade dem Sachsenvolke es nicht naheliegen konnte, diesem Kaiser Lobgesänge zu weihen: allzu schroff sind die Mittel gewesen, durch die er sie in die ihnen so fremde Gedankenwelt des Christentums gezwungen hat, und despotisch grausam waren die Gesetze, mit denen die »Bekehrten« an der Strippe gehalten wurden.

Man führt auch die Namen Ruland und Rutland an; wir können das auf sich beruhen lassen, weil das uns hier angehende Bramstedter Standbild unentwegt

 

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sich als »Roland« präsentiert hat. Eher geht das vielleicht für den berühmten Standesgenossen an, der immer noch »standhaft steht vor dem Rathaus zu Bremen, standhaft und fest«.

Casparius Dankwerth, dem Schleswig-Holstein eine überaus wertvolle Landesbeschreibung aus dem Jahre 1652 zu verdanken hat, stellt die Vermutung auf, daß die Städte großen Herren, die ihnen ihre Privilegien verschafft oder sonst sie gefördert hatten, derartige Standbilder aufgerichtet haben mögen. Seine eigenen Worte: »Ad speciem (auf den vorliegenden Fall) zu gehen, ist glaublich, daß der Roland zu Bramstedt Graf Gerhard dem Grossen zu Ehren aufgestellt worden, indem er unter andern tapfern Taten den hier an diesem Orte Bramstedte Graf Adolf zu Schaumburg I... indem er Graf Johann III. zu Holstein, Kielischen Linie, Völker zuführte - angegriffen, geschlagen und ihn Selbsten unter der Brücken, daselbst er sich verborgen, heraus geholet und gefangen genommen. Zu welcher und anderer seiner Siege Gedächtnis die Brahmstedter ihren Roland als ein Heldenbild mögen aufgerichtet haben.«

Dankwerth, der vor drei Jahrhunderten den Dingen sehr viel näher stand als wir Heutigen, weist also hin auf die im Jahre 1317 vorgefallene Schlacht auf dem Bramstedter Strietkamp. Der zwingende Ernst seiner Gesamtarbeit fordert die volle Würdigung seiner Gedankengänge. Doch das logische Ergebnis bleibt, daß man auch vor drei Jahrhunderten so wenig wie heute präzise unterrichtet war über den Zeitpunkt und den Beweggrund der Errichtung des ersten Rolands. Denn daß der heutige nicht eine Urschöpfung ist, das ist allerdings beweisbar. Man wird auch wohl einsehen müssen, daß der Sinn etwas der Dunkelheit entrückt wird, wenn wir nun dem Gang des geschichtlich Erweisbaren folgen.

Friedrich III. bestätigt 1652 aus Glückstadt unter dem 2. Juli die alten Gerechtsame der Fleckensleute. Dieser Confirmation wird folgender Zusatz beigegeben. »Haben auch dabeneben allergnädigst eingewilliget, daß in mehrbesagtem Unserm Flecken Brambstette zur Beförderung der Eingesessenen Nahrung ein erhöhter Roland auf einem grünen Anger am offenen Wege, welcher nach Hamburg führet, wo die Brabandische(n) Kaufleute und Ochsen-Händler ihre Contracten schliessen und rechtliche(r) Entscheidung gewärtig seyn, an des vorigen Kriegszeiten verbrandten Stelle wieder aufgerichtet werden möge.« Es. liegt zutage:

a)   daß schon vor dem Dreißigjährigen Kriege ein Roland auf dem Bleeck gestanden hat, über den allerdings eine urkundliche Zweckbestimmung nicht vorliegt; die gequälten Bewohner haben wohl ihre Sorge auf nötigere Dinge richten müssen;

b)   daß die ursprüngliche, jetzt wieder zu ersetzende Statue aus Holz geformt war; denn andernfalls hätten die Kaiserlichen, wie das Kirchenbuch uns verkündet, sie Anno 1628 wohl nicht »verbranndt«.

c)   es bleibt offen, ob der »verbrandte« Roland der erste seines Standes gewesen ist.

 

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Die Einwilligung des Fürsten erfolgt gleichzeitig mit der Bestätigung der »Fleckensgerechtsame«. Letztere sind eine Zusammenfassung aller Privilegien, die der Flecken dem Dorfe gegenüber voraus hatte.

Die Verleihung der Fleckensrechte brachte den Eingesessenen die Erlaubnis, bürgerliche Berufe auszuüben, was man landläufig »bürgerliche Nahrung« nannte. Friedrich spricht aus, daß die Errichtung des neuen Rolands dienen soll »zur Beförderung der Eingesessenen Nahrung«. Damit wäre eine Zweckbestimmung gegeben. Unsere Vorväter haben also im Juli 1652 die gnädig gewährte Bauerlaubnis in Händen, und ohne Übereilung gehen sie ans Werk. Anno 1654, den 7. Aprilis, so meldet das Kirchenbuch, steht auf grünem Anger am Wege, der nach Hamburg führt, wohl weiter nördlich als der gegenwärtige Successor, auf einem irgendwie erhöhten Platze ein junger Beherrscher des Marktplatzes, nimmt vor festlich gestimmter Volksversammlung, voran regierender Ratsmann, wohlbetuchter Herr Claus Fock, seine Instruktion über Amt und Dienst entgegen. Ein Treuschwur war nicht nötig; denn vom Scheitel bis zur Sohle aus Holz gemeißelt, war er jeder Sinnesänderung entrückt. Man durfte ihm trauen, abgesehen von der seiner Beschaffenheit nach und wegen des dauernden Aufenthaltes im Freien drohenden Gefahr des rettungslosen, wenn auch gemächlichen Verfalles. Keine Ausnahme hat das eherne Geschick machen wollen. Was man ahnen konnte, hat sich erfüllt zu seiner Zeit, und zwar so vollständig, daß der Notleidende früher, als man gedacht, einfach in sich zusammengefallen ist. Jahr und Tag dieses Unglücks findet man nirgends angegeben. Aber schon im Jahre 1666 hat ein dänischer Durchreisender, der Sympathie für den Flecken hatte, mit Bedauern vermerkt, daß der Roland bereits stark im Verfall sich befinde. Im Jahre 1693 konnten die Ratsleute Jürgen Fuhlendorf, Detlef Voss, Hans Verst und Hans Steckmest ins Fleckenbuch schreiben:

»Anno 1693 ist im flecken brambstett das Rolandsbild aufs Neue Von steinen, welche(s) bilde vor diesem nur auß Holz gehauen gewesen und also bald vergangen, wieder gesetzt. Der Platz, worauf es steht, auch mit einer steinern Ringmauer diesesmahl umgeben, Verbessert, kombt dem Flecken allein zu der Roland steinerne Piele, Rinkmauer und was sonst mehr dazu gehört, hat in allem gekostet 456 Mark. - Welches hier mit denen Nachkommen Zur nachricht hier mit er Öffnet. Radtmänner sind Gewesen Zu der Zeit: es folgen obige Namen.« Der so gewappnete Roland erweist sich als standfest und behauptet sich durch 120 Jahre. Aber dann ist auch seine Stunde gekommen. Durch den Kirchspielvogt Cirsovius erfahren wir, daß am 6. Dezember 1813 die Kosaken eingerückt sind und deren Führer Graf Tettenborn am nächsten Morgen seine Truppen mit 4500 Mann angemeldet hat... »Am 13. Januar 1814 fiel der Roland, weil das darum angelegte Stroh-Magazin unvorsichtig und von einer Seite abgepackt wurde und das Stroh mit einer schweren Schneelast ihn zerbrach.« Es ist nicht alsobald zur Instandsetzung gekommen. Dem genannten Kirchspielvogt verdanken wir genauere Nachricht über die gestürzte Säule. »Sie ist von Sandstein, zum Teil mit Farbe beschmutzt, aber wenig verwittert. Die Verletzun-

 

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gen bestehen in einem zerbrochenen Schenkel und einem zerbrochenen Arm. Die abgebrochenen Teile sind jedoch noch vorhanden (aufbewahrt in der Kirchspielvogtei) und möchten am zweckmäßigsten durch Einbo(h)ren und Verbinden mit eisernen Stangen wiederum angesetzt werden können; sowie die Farbe möglichst abzuputzen und in ihrem grauen Gewand, wenn solches thunlich, wiederum, herzustellen.«

Der Herr Amtmann nimmt Anteil in der Sache, und Cirsovius berichtet ihm drei Jahre nach dem Unfall, wie folgt:

»Betreffend den verstümmelten Roland, verfehle ich nicht, unterthänigst zu erwidern, daß den hiesigen Eingesessenen die Wiederherstellung desselben bis jetzt so gleichgültig ist, daß die Kosten desfalls durch freiwillige Beiträge bei weitem nicht gedeckt werden dürften.« - »Die Fleckensvorsteher haben den Wunsch geäußert, die Wiederherstellung bis auf bessere Zeiten zu verschieben.« So ruht die Angelegenheit, bis Anno 1826 von außen her ein kräftiger Anstoß gegeben wird, wie nachstehendes, den Kieler Akten1) entnommenes, an das Amthaus gerichtete Pro Memoria ausweist. Es lautet:

»Die bey einer im abgewichenen Frühjahr stattgehabte Durchreise durch den Flecken Bramstedt sich aufgedrungene Wahrnahme, daß die dortige Rolandssäule noch umgestürzt darnieder liegt, hat Anlaß gegeben zur Zusammenschießung einer Summe, welche Namens jener Geber darzubringen zur Mitbestreitung derjenigen Kosten, die etwa erfordert werden zur Wiederaufrichtung jenes Denkmals alter Zeit, an dessen fernerer Existenz jedem Holsteiner gelegen sein muß, der sich's vergegenwärtigt: die jetzige Zeit und was selbige Ersprießliches gewährt, sei ja begründet in der alten und hervorgegangen aus der früheren Zeit, und daß eben uns, deren Teilhaber, werth gewesene Denkmal, mehrere Jahrhunderte während, selbst ja noch von unseren Vorfahren bis auf unsere Zeit der steten Erhaltung wert geachtet.

Daher denn wollen Ew. Hoch- und Wohlgeboren gewogentlich entgegen nehmen die hierneben erfolgenden 17 Reichsthaler 35 Schilling Silber und deren Verwendung für den namhaften Zweck, dessen baldige Erreichung mit vielseitiger Theilnahme entgegen gesehen wird, zu seiner Zeit gütigst zu verfügen. In Rücksicht des mittelst dieser Zeilen in Rede gestellten öffentlichen Gegenstandes halber werden Ew. Hoch- und Wohlgeboren die durch deren Empfang denenselben veranlaßten Behelligung gütigst zu verzeihen geneigen; daher enthalte ich mich einer jeden weiteren Entschuldigung und gebe mir die Ehre, schließlich mich zu nennen dero ganz gehorsamster Diener

Schillsdorf, den 6. Juli 1826.                                                      Hansen (Gutsinspektor)«

Dieses ungewöhnliche Schreiben hat denn doch seine Wirkung nicht verfehlt, zumal hinter dem Schreiber die »Schleswig-Holsteinische Patriotische Gesellschaft« stand, was nicht nur den Ehrgeiz der Bramstedter kräftig anspornen mußte, sondern auch in dem kritischen Punkte der Kostendeckung eine wesentliche Erleichterung erhoffen ließ.

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1) Abt. 110 B IX 3 Nr. 276.

 

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Die Sache kam wirklich in Fluß. Mit 800 Kurantmark wurden die zu erwartenden Ausgaben abgeschätzt. Schon ein Jahr später konnte Cirsovius seinem vorgesetzten Amtmann »ganz gehorsamst anzeigen, daß die Arbeiten zur Wiederaufrichtung der hiesigen Rolandsäule gestern Abend aufgehört haben, und erlaube ich mir hinzuzufügen, daß Dankbarkeit für die Beförderer dieser Wiederaufrichtung ein kleines Volksfest veranstaltet hat, welches am letzten Sonntag statthatte«.

Eigenartig muß es berühren, daß diesmal die Stadtväter es versäumt haben, in ihrem Protokoll die Auferstehung des doch recht lange vernachlässigten Invaliden der Nachwelt bekanntzugeben. Da ein Grund dafür nicht erkennbar ist, haben wir zu schweigen.

Nicht zu billigen wäre es, wenn der Chronist verschweigen wollte, was von dem ehrbaren Meister zu berichten ist, dessen Hand die Instandsetzung geschickt zuwege gebracht hat, und der noch etwas mehr geleistet hat.

Klimasch ist der Name dieses Mannes. Er war Steinmetzmeister in Altona und erfreute sich als solcher eines so guten Rufes, daß die Patriotische Gesellschaft ihn aufforderte, einen Kostenanschlag zu machen. Nachdem dies geschehen, wurde ihm auch die Ausführung übertragen. Klimasch, geboren zu Bramstedt, hat nach dem Zeugnis der Zeitgenossen seine Arbeit mit so viel Hingabe und Uneigennützigkeit durchgeführt, daß sein Name hier festzuhalten ist. - Und die Fleckensleute? Nach Dr. Falcke (Staatliches Magazin, Band 7, Seite 526) haben sie ihren Eifer für die Sache bewiesen durch unentgeltliche Leistung der nötigen Fuhren.

Auch den erwähnten Stadtvätern ist eine Ehrung zuteil geworden. Ein Stein in dem der Hauptstraße zugewandten Teil der Ringmauer trägt eingemeißelt den Namen des mehrfach erwähnten Kirchspielvogts. Daselbst, indes erheblich tiefer, unter dem Niveau des Steindammes, findet man auch die Namen der damaligen Fleckensvorsteher: Peter Fölster und Friedrich Schmidt, dazu die Jahreszahl 18271).

Das seitdem verflossene Jahrhundert nebst Anhang hat unserm Roland schwere Unfälle erspart. Einen Schaden, der ihm durch einen Bramstedter Schlingel an Hand und Schwert zugefügt war, hat der Sünder, als er zwanzig Jahre später bei einem Besuch seiner Vaterstadt an seine Torheit erinnert, bald und bestmöglich aus freiem Entschluß ausbessern lassen.

Somit liegt die Geschichte unseres Schwertträgers uns vor Augen. Wir stellen rückblickend fest, daß sein Ansehen die »bürgerliche Nahrung« der Fleckensleute verbessern sollte. Bezogen wird dies auf den dänischen Ochsenhandel, der nach Ausweis des Fleckensbuches um das Jahr 1500 und fernerhin in hoher Blüte stand, aber durch den unseligen Dreißigjährigen Krieg schwerste Einbuße erlitten hatte. Nun sollte das wiederhergestellte Standbild daran erinnern, daß Bramstedt noch am Leben und alte Verbindung wieder anzuknüpfen bereit sei. Wenn die Kontrakte schließenden Brabanter Kaufleute - es sollten natürlich andere nicht ausgeschlossen werden - an bestimmtem Platz ihre Kontrakte schließen konnten, so

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1) Auf dem Schild, den der Roland links trägt und auf den er sich stützt, sieht man das Signum C5, sicher ein Hinweis auf König Christian V., der zur Zeit der Wiederherstellung des hölzernen Gebildes, 1654, in Dänemark regierte.

 

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war dies fraglos eine zeitsparende Einrichtung, Es bedeutete zugleich, daß bei solchem Handel entstehende Mißhelligkeiten unter Verkäufer und Käufer ohne Zeitverlust an Ort und Stelle endgültig entschieden werden konnten. - Schiedsrichter war der jeweilige Kirchspielvogt, der ja auch innerhalb der Handwerkerzünfte das Amt des Schiedsrichters auszuüben hatte. Das war die »Morgensprache«. Mit Ding und Recht, mit dem Göding hatte der Kirchspielvogt nichts zu schaffen.

Nichts von dem geht den heutigen Roland an; er bekleidet einen Ehrenposten in Reinkultur und steht mit großer Wahrscheinlichkeit hierin neben seinem urersten Vorgänger. - Nach der Schlacht auf dem Strietkamp (1317) war Gerhard der Sieger. Bald hat er das Gebiet Segeberg, also auch Bramstedt, sich zugeeignet. Er brachte ganz Schleswig-Holstein und Dänemark in seinen Besitz. Die Bramstedter hatten den Verweser Gerhards wenig geschätzt. Gerhard hatte Interesse daran, erbeutete Untertanen für sich zu gewinnen. Diplomatisch angehauchte Stadtväter konnten die Situation nutzen und sich und den Mitbürgern das ersehnte Fleckensrecht erwerben. Und als dies gelungen war, konnte man sein Ansehen bestimmt nicht schwächen, wenn man dankbar dem starken Herrscher ein Denkmal setzte.

So kommt man auf die Theorie Casper Dankwerths zurück, deren gesunde Auffassung nicht widerlegt werden kann.

Die Bramstedter Verwaltung aber hat treulich gesorgt, daß der Bleeck mit seinen Rasenplätzen und an erster Stelle der ehrwürdige Roland auf seinem Postament in würdigem Zustande sich jederzeit darbieten. Anmutige, wohlgepflegte Blumenbeete legen davon Zeugnis ab. Die Verbundenheit der Bramstedter mit dem Wahrzeichen war sicher niemals stärker als heute. Weder das älteste Fleckenssiegel (1448), noch seine Nachfolger bis Ende des vorigen Jahrhunderts haben dem Getreuen die Ehre angetan, im Stadtsiegel sich bekunden zu dürfen. Heute dagegen beherrscht auf dem berührten Gebiet die Gestalt des steinernen Kriegers durchaus das Feld1).

Des Dichters durchdringender Blick hat in der Haltung unseres Rolands auch ein geistiges und seelisches Mitfühlen und Miterleben erschaut, das der steinerne Zeuge des Weltlaufs bekundet habe, wie folgt:

»Uns Roland steiht un kiekt un nückt,

He seggt, de Welt, de is verrückt!

Ick mag hier nich mehr länger stahn,

Ick will man leever rünner gähn.

Ick gah nach Bielenberg2) nu aff;

Dar legg ick mi ganz still in't Graff

Un slap dar, bet in Kopp un Hart

De Minschheit we'r vernünftig ward!«

                                                (A. Kühl)

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1) Nach dem Zeugnis Arnkiels, der sowohl das hölzerne als auch das steinerne Standbild gesehen hat, ist hinsichtlich der Form kaum ein Unterschied festzustellen gewesen.

2) Totengräber.

 

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Bei Verabschiedung dieses Themas lockt es mich, die Frage nach dem Ursprung und Sinn des Rolands noch einmal anzuschneiden.

Dankwerths uns bekannter Gedankengang verdient volle Beachtung. Die ersten vier Jahrzehnte des 14. Jahrhunderts wurden in Albingien politisch beherrscht durch den raschen Aufstieg des berühmtesten aller Schaumburger Grafen: Gerhard den Großen. Bramstedt wurde sehr stark dadurch berührt. Der Bezirk Segeberg stand unter der Herrschaft Adolfs VI., der sich durch starke Bedrückung bei den Untertanen sehr verhaßt gemacht hatte. Anno 1315 wurde er ermordet. Gerhard, bei Lebzeiten mit ihm verfeindet, vereinigte den Anteil Segeberg, der ihm für seine Pläne sehr wichtig erschien, mit seiner Grafschaft. Das reizte die Verwandten und Freunde des Ermordeten zum Widerstande. Zu Bramstedt auf dem Strietkamp wies, wie oben gemeldet, Gerhard sie siegreich ab, und zwar 1317. Weitere Eroberungspläne lagen vor ihm. Er hatte es nicht schwer, und es mußte ihm zweckdienlich erscheinen, die Segeberger als Freunde zu gewinnen. Die Bramstedter, dies durchblickend, konnten hoffen, unter sotanen Umständen den Rang eines Fleckens für sich zu gewinnen. Doch der bündige Nachweis dafür ist nicht erbracht.

Und war es denn hierzulande üblich, genannte Rangerhöhung zu markieren durch Errichtung einer Rolandsgestalt? -

Der im Jahre 1654 erneuerte Roland wird genehmigt, damit er dem jütischen Ochsenhandel dienstbar werde. Wozu dieser Hinweis des Königs ? Muß er nicht dabei gedacht haben an den Sinn des früheren Rolands? Diesen Ochsenhandel im großen gab es früher in Holstein nur in Bramstedt und Wedel. Und wie hoch dieser Handel gewertet worden ist, davon zeugen die ersten Blätter des alten Bramstedter Fleckensbuches überzeugend. Die um 1530 von den Ratsmännern auf Grund mündlicher Überlieferung eingetragenen Beschlüsse und Beliebungen beschäftigen sich ganz überwiegend mit der strengen Regelung des Ochsenmarktes, begründet in den jütischen Ochsentriften. Auch dieser Markt beruhte auf landesfürstlicher Genehmigung, war also ein Privilegium, das Bramstedt erlangen konnte, ohne vorher mit den allgemeinen Bürgerrechten bedacht worden zu sein. Es lag nicht fern, wegen dieses, nur in Wedel sich wiederholenden Vorrechts sich bevorzugt zu glauben und dankbar zu sein. Es war auch zweckmäßig, diesen Marktplatz deutlich zu markieren, da doch ein gut Teil Fremder ihn besuchte. Um 1654 war es an der Zeit, dies Zeichen wieder zu Ehren zu bringen: der Dreißigjährige Krieg hatte besagte Nährquelle fast völlig verschüttet. Daß gerade Wedel zu selbiger Zeit das gleiche tut, kann nur die Meinung bestärken, daß unser Roland schon das Licht der Welt gesehen habe, als Bramstedt noch ein Kirchdorf war.

 

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X. VOM SCHULWESEN DES KIRCHSPIELS  BRAMSTEDT

 

Vom Schulwesen des Kirchspiels Bramstedt, im besonderen des Fleckens

 

Es ist bekannt, daß man allgemein die Kirche als die Mutter der Schule anspricht und dabei dem Geistesriesen Martin Luther die Vaterschaft zuerkennt. Soweit es sich um evangelisches Land und Volk handelt, ist das im großen und ganzen richtig. Als Holsteiner haben wir dankbar anzuerkennen, daß unter der Herrschaft der dänischen Fürsten die Schulen und vorzugsweise die Landschulen früher und nachdrücklicher gefördert worden sind, als das in der großen Mehrzahl der übrigen deutschen Staaten geschehen ist. Sogar das stolze Hamburg hat erst 1872 sich dazu aufgerafft, seine Armenschulen aufzulösen und durch die staatlichen Volksschulen zu ersetzen, was hierzulande bereits durch die »Allgemeine Schulordnung vom 24. August 1814« bewerkstelligt worden ist. Dem ist hinzuzufügen, daß eigentliche Armenschulen hier überhaupt nicht bestanden haben. Wohl aber hat es vor genanntem Zeitpunkte hier Schulen gegeben, deren wesentliches Merkmal darin lag, daß der Besuchszwang fehlte und Ordnung und Leistung völlig Sache der Geistlichen war. Wobei noch in Erinnerung zu bringen ist, daß der dänische König summus episcopus d. i. der oberste Bischof des Landes war.

Diese historischen Tatsachen empfehlen die Gliederung unserer Darstellung in zwei Hauptabschnitte, deren Grenze das Jahr 1814 bildet.

 

I. Vor der Einführung des Schulzwanges

 

Aus der Zeit vor der Reformation sind überhaupt keine Urkunden vorhanden, die auf das Vorhandensein einer Schule hierorts hinweisen könnten. Martin Luther hat durch sein Sendschreiben an die Bürgermeister und Ratsherren im Jahre 1524 an die Türe geklopft, um in dieser Hinsicht der Jugend und den Bürgern zu ihrem Rechte zu verhelfen. Er nennt es Sünde und Schande, daß »wir nicht aus eigenem Antrieb bereit sind, unsere Kinder und junges Volk zu ziehen und ihr Bestes zu denken.« An anderer Stelle: »Soll man denn zulassen, daß eitel Rülzen und Knebel regieren? Ist ja ein unvernünftig Fürnehmen! So laß man aber so mehr Säu und Wölfe zu Herrn machen und setzen über die, so nicht denken wollen, wie sie von Menschen regiert werden.«

Indem er die Bibel zum wichtigsten, wenn nicht einzigen Quell machte, aus dem die Heilslehre zu schöpfen sei, war für seine Anhänger grundsätzlich die Verpflichtung zum Lesen gegeben. Auch der von ihm so sehr hochgeschätzte Kirchen-

 

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gesang drängte zu entsprechender Schulung. »Ein Schulmeister muß singen können; sonst sehe ich ihn nicht an!« Also sprach Luther.

Nicht zu verwundern, daß im Kirchorte die erste Schule gegründet wurde. Also war auch die Kirche die gegebene Trägerin dieser Schule, und jeder Kirchspielsangehöriger hatte das Recht, seine Kinder dort unterrichten zu lassen. Das kennzeichnende Wort »Kirchspielsschule« ist allerdings nicht landläufig geworden, sondern durch die bequemere Form: Küster- oder Organistenschule ersetzt worden.

Schon die älteste nachweisbare Kirchenrechnung der Bramstedter Gemeinde weist auf einen Küster hin mit diesem Text:

»Noch casper roleffinck gegewen ene march vor dath myßkleth (Meßgewand, Amtskleid des Geistlichen) tho waschende.« Die eine Mark ist als Jahreslohn anzusehen. Damit ist das Amt des Küsters gekennzeichnet. 1568 ist das Jahr, in dem solcher Dienst an der Kirche geschehen.

1573 erscheint der Getreue als »koster Caspar Rolefinck«, dem diesmal eine Mark für das Waschen des Tuches, »so up dem altar licket«, ausgehändigt wird. - Er war nicht in fester Stellung. »Up heten des kerspelles« (Geheiß des Kirchspiels) nehmen ihn die Juraten (Kirchspielvertreter) jährlich an, wobei ihm ein »Gottespfennig« zur Bekräftigung in die Hand gedrückt wurde.

Mit der Schule hatte Rolefinck wohl nichts zu tun. Denn 1573 lesen wir weiter: »Noch dem scholmester, de fan Segeberg quam (kam) gegewen 6 Schilling, alse de forigen gehat hadde.« Also steht fest:

1573 entlohnte die Bramstedter Kirche einen Schulmeister, und zwar mit dem gleichen Betrag, den seine Vorgänger geerntet hatten.

1575 finden wir verzeichnet: 12 Schilling Zehrgeld, als der Schulmeister wieder angenommen wurde, und 8 Schilling »gottespenning« für ihn. Somit entbehrte auch dieser einer festen Anstellung. Jahrgeld 6 Mark.

Der Name des 1573 »angenommenen« scholmesters wird nicht genannt. 1575 besteht schon die »kosterye«-Küsterhaus, und Rolefinck wird als dessen Bewohner bekannt.

Und der Organist? 1572 sind laut Kirchenrechnung 147 Mark 1 Schilling 4 Pfennig für Beschaffung einer »Orgell und Zering« ausgegeben worden. Es ist nicht nachweisbar, daß dies unbedingt die erste ihrer Art im Flecken gewesen sei. Unbedenklich aber wird man für den gleichen Zeitpunkt einen Organisten als vorhanden erachten und diesen im Küsterhaus vermuten dürfen.

So steht Casper Rolefink als der erste Organist und Küster vor uns, wobei es dahingestellt bleiben muß, ob er auch als Lehrer gewirkt habe.

Ans Licht aber taucht noch Isern Hinerk als Belgentreder, ein ebenso unentbehrlicher Diener der so ausgerüsteten Kirche.

Erst nach 3/4 Jahrhundert gibt die Kirchenrechnung uns neue Kunde, weil während dieser ganzen Zeit die Ausgabeposten nur summarisch mitgeteilt werden, etlichemal eine Abrechnung überhaupt nicht erfolgt. Die »Rekenschop« von 1646 weist folgende Posten aus:

 

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1.   Dem Organisten wegen seiner Hebung 28 (16 Himpten Roggen)

2.   Dem Belgentreder 5 (3 Himten Roggen)

Von weiteren Kirchendienern ist nicht die Rede. So dürfen wir als sicher annehmen, daß im »Organisten« nunmehr auch der Lehrer und Küster mit erfasst werden. Der Name des Vielbeschäftigten bleibt im Dunkel.

Diesen ersten dürftigen Nachrichten kann aus einem bei der Kirche noch vorhandenen Verzeichnisse über Ertrag und Verwendung der Klingelbeutelgelder eine kurze, nicht wertlose Ergänzung gegeben werden. Danach ist zu melden aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts:

1647: De arme Scholmester in Förden bekommt..........................        ............     1 Mark

De arme Scholmester in Hardebeck bekommt...................................................     3 Mark

(Er nannte sich Zacharias)

Wiederholt wird unterstützt der »wahnsinnige« Lehrer Gloye aus Bimöhlen mit Geld, Fußzeug und Kleidung. Auch die »Schulmeistersche zu Hitzhusen« nimmt an dem Segen des Klingelbeutels teil.

Es ist festzustellen, daß es zur genannten Zeit Lehrer, demnach auch Schulen gegeben hat in den Kirchspielsdörfern Bimöhlen, Föhrden, Hardebeck und Hitzhusen. Föhrden wird mit Barl, Hardebeck mit Hasenkrug gemeinsam den Lehrer gehabt haben. Damit ist nicht bewiesen, daß die hier nicht genannten Kirchspielsdörfer in berührter Hinsicht rückständig gewesen seien. Denn es ist doch nicht als selbstverständlich zu erachten, daß sämtliche Schulmeister den Klingelbeutel in Anspruch nehmen mußten. Bostel (Borstel) wird außerdem noch genannt unter den Ortschaften, die das Schulgeld für arme Kinder aus genanntem Säckel geschöpft haben. Diese Beihilfe ist übrigens im Laufe der Jahre immer häufiger bewilligt worden, auch für den Flecken, und man geht wohl nicht fehl, darin einen Gradmesser für den wachsenden Schulbesuch zu erblicken. Für die Küsterschule aber ist noch anzumerken, daß der Küster nunmehr auch den ehrenvollen Auftrag hatte, während der Predigt das Herumtragen des klingelnden Säckleins zu besorgen. Dafür wurden ihm aus den gesammelten Mitteln am Jahresschluß anfänglich 3 Mark, um 1700 aber 6 Mark ausgehändigt. - Auch wird der Organist hier einmal (1681) von seinem vorgesetzten Geistlichen als Herr Präzeptor verbucht, woraus wir erkennen, daß Küster -, Organisten - und Lehramt auch derzeit in einer Person vereinigt waren. Um 1668 wird dieser Amtsträger gar mit seinem Namen genannt: Hermann, fernerhin auch Hermanny und sogar Hermann Einhausen. Erfreulicherweise ist mindestens seit 1650 sein Gehalt um eine nette Zulage (Schul-, Wasch- und Mayengeld) von 12 Mark jährlich verbessert. Nicht zu übersehen, daß in jener Zeit in Flecken und Dörfern nur im Winterhalbjahr unterrichtet wurde. Nun zum Kirchspiel.

Christian IV. wendet sich an seinen Amtmann von Buchwald mit folgendem Schreiben:

»Uns ist unterthenigst vorgebracht, daß in Unserem Dir Vertraueten Ampt Segeberg zu Beförderung des Gottesdienstes die notdurft erfordern, daß an Unter-

 

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schiedlichen ohrten schulen zu Unterweisung der Jugend erbawet werden. Wenn Wir denn Christlicher Schuldigkeit nach, auch hohes Obrigkeitlichen Ampteshalber von Uns selbst begierig sein, alles nach möglichkeit zu befördern, was zur Ehre und zum Dienst Unseres Gottes gereichen kann, Als befehlen wir Dir hiermit gnedigst, daß Du zu solchem Bau an Holtz die notdurft denen leuten, die es begehren werden, Folge lassest.«

Glücksburg, den 18. Oktober 1638.

Sein Nachfolger Friedrich III. gibt Anno 1650 unter dem 20. August eine weitergehende Verordnung, die hier im Auszug wiedergegeben wird.

»Aller Ohrten Bey jedem Kirchspiel soll ein gewisser (fester) Kirchspiel-Schulmeister Bestellet, die Winkel und Neben Schulen in denen in der Nähe gelegenen Dorfschaften abgeschafft werden, und wo keine fließenden Auen und gefährlichen Wege darinnen verhindern, Alle Dorfschaften, die nicht über ¼ Meile weg entlegen, zum Kirchspiel Schulmeister ihre Kinder abschicken. Hingegen so ½ oder oft wohl 1 Meile Von der Kirchen, dazu sie eingepfarrt, entlegen, vergönnt sein soll, einen eigenen Schulmeister zu halten.«

Wieweit diese Verordnung Erfolg hat und in welchem Tempo, das ist nicht nachgewiesen. Es liegt nur noch, ehe entscheidende Maßregeln getroffen werden, eine kurze Nachricht vor:

»Schulmeister sollen vom Verbittelsgeld frei sein.« Es handelt sich um den Beitrag, den in Bramstedt die Insten, die Besitzlosen, als Schutzgeld in die Fleckenskasse zu entrichten hatten, als Entgelt für den Schutz, den die Gemeinde ihnen gewährte. So geschehen 1731.

1735. Messarosch, der Ortsgeistliche, wendet sich an den König mit der dringenden Bitte, daß dem im Kirchspiel gänzlich verfallenen Schulwesen aufgeholfen werden möge. Die Bauern seiner Dörfer hätten wohl gute Vieh-Hirten Katen, aber keine ordentlichen Schulhäuser. Daher wären auch keine ordentlichen Lehrer zu halten. Man habe sich meist mit abgedankten Soldaten, Vagabunden und Müßiggängern behelfen müssen. - Der König wolle den Befehl geben, daß überall in den Dörfern gute Schulkaten gebaut und den Lehrern allerlei Bewilligung an Vieh und Freiheiten gegeben werden.

Der Amtmann Hanneken und Propst Ottens unterstützen das Gesuch aufs nachdrücklichste.

1742. Derselbe an Geheimrat Exzellenz Monseigneur de Schulin, Conseiller privé de Sa Majesté Danoise, Chevalier à Copenhague.

Es hat sich so entwickelt, daß in allen 10 Dorfschaften des Kirchspiels Bramstedt bis diese Stunde die Schulen verschlossen gestanden und annoch so viel 100 Kinder ohne Information, wie die Lämmer in der Irre herum schwärmen. Daran ist Rantzau schuld, der den Hagenern bestimmte Hoffnung gemacht hat, sie könnten sich selbst einen Schulmeister wählen. Nun warten all die andern darauf, wie es mit Caspar Behnken abläuft, um dann ev. ihre ihnen ernannten Schulmeister abzusetzen und selbst welche zu bestimmen. 1740 gibt Christian VI. ein Reglement heraus zur Verbesserung des Schulwesens

 

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in Holstein, speziell im Amt Segeberg. Es soll so schnell wie möglich alles zustande gebracht werden. Er sehe aus allen Berichten, daß es ohne seinen Beistand nicht geht. So will er mit Geld zum Bau und wo es sonst nötig wird, beispringen. Der Schulen-Bau soll in künftigem Frühjahr, sobald es die Witterung erlaubt, überall in Angriff genommen und bis zum Herbst fertig werden. Inzwischen soll auch alles übrige geregelt werden, »damit alsdann die neue Schul-Haltung nach Maaße der zu emanierenden Schul-Verordnung ihren Anfang nehmen könne.« Alle Beamten sollen helfen, daß alles hurtig von statten gehe. Mit den Handwerkern sollen sie akkordieren; in jedem Orte haben sie eine oder mehrere Personen zu bestellen, die neben den Predigern und Unterbeamten bei dem Bau die Aufsicht führen. Auch die Spann- und Handdienste sollen auf die Eingesessenen verteilt und ihre Ausführung überwacht werden. Zunächst sind die Plätze auszumachen, wo die Schulhäuser stehn sollen. Dann soll festgelegt werden, was ein jeder zu leisten und zu liefern hat. Ein Riß, nach dem die Schulhäuser gebaut werden sollen, wird mit auf den Weg gegeben. »Folglich nebst der Schulstube eine Wohn-Stube, Diehle und Kammer, auch Kuh- und Schaf-Ställe, nicht minder Bodenraum zum Korn und Futter und Platz zur Feuerung; 32 Fuß in der Breite und 28 Fuß in der Tiefe, nach der Landarth die Wände von Leimen (Lehm) und Bindwerk (Buschgeflecht), mit Stroh gedecket und mit einem Schornstein, so außerhalb des Hauses zu führen.« Die Schul-Interessenten sollen die Gebäude in die General-Brand-Assekuranz einzeichnen und auf eigene Kosten instand halten. Das Schulhaus soll an Holz und Geld ungefähr auf 300 Mark zu stehen kommen.

Der Amtmann soll veranlassen, daß allerorten die Begüterten möglichst zum Beitrag herangezogen werden, nach Möglichkeit auch die Kirchen. Die Schuldistrikte sollen genau festgelegt, alle Dorfschaften und einzeln liegenden Häuser erfaßt werden. Wo es not tut, sollen für 6-7, nach Entlegenheit der ohrten auch für 8-9Jährige Kinder Klippschulen erlaubt sein.

Christian denkt auch an die Versorgung der Lehrer. Alles soll genau geprüft, dann ihm Bericht gegeben werden, damit in allem, nötigenfalls mit seiner Hilfe, sein Plan zur Wirklichkeit komme.

Von dem »Riß« des Königs sei noch gesagt, daß er bei 74 qm Grundfläche dem Schulzimmer 17, der Hausdiele (nach Art des Bauernhauses) 16 qm zuweist und somit für weitere Räumlichkeiten rund 40 qm übrig läßt, wovon 12 auf die Wohnstube des Pädagogen entfallen. Der Eingang zur Schulstube geht über die an der Südseite liegende Diele. Die Schulstube hat die längere Front (mit 2 Fenstern) im Westen, die kürzere Wand (1 Fenster) nach Süden. Es folgt eine Aufstellung über die genauere Ausgestaltung, im besonderen auch die Entlohnung des Lehrers anlangend, und »was ein jeder Einwohner dem Schulmeister zu den ihm gnädigst beigelegten 6 Tonnen Roggen messen muß«.

1.   Flecken Bramstedt: Die Küsterei, welche der Organist verwaltet und davon sein Auskommen hat, daher selbigem nichts beizulegen ist.

2.   Wiemersdorf, Hauptschule: 2 adeliche Hufner, nämlich Johann Butenschön und Tim Fischer; im ganzen 20 5/8 Hufen, 322 2/7 Spint Roggen. (20 Hufner).

 

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3.       Fuhlendorf: 10 Hufner 22 6/7 Spint.

4.       Hasenkroog, Hauptschule: 5 1/8 Hufen, 1311/25 Spint (6 Hufner).

5.       Hardebeck: 5 3/8 Hufen, 16 23/25 Spint (8 Hufner).

6.       Brockstedt: 8¼ Hufen, 24 16/25 Spint (11 Hufner).

7.       Armstedt: 24 20/25 Hufen, 2420/25 Spint (20 Hufner, davon 11 klösterlich).

8.       Hagen: 10 3/8 Hufen, 46 2/9 Spint (13 Hufner, davon 4 Adeliche).

9.       Borstel: 4 1/8 Hufen 17 7/9 Spint (5 Hufner, davon 1 Adelicher).

10.    Föhrden-Barl: 8 1/8 Hufen 32 Spint (9 Hufner).

11.    Boymühlen; 9 Hufen, 22 6/7 Spint (10 Hufner)1).

Wiemersdorf und Hasenkroog werden als »Hauptschulen« ausgezeichnet. Das kann nur heißen, daß ein Nachbarort angegliedert werden sollte, wohl Fuhlendorf und Hardebeck.

Nach 5 Jahren wird dem König berichtet, was inzwischen erreicht worden ist, im besonderen, welche Änderung in der Steuerpflicht der Gemeinden eingetreten ist. Wir vernehmen:

1.   Im Flecken Bramstedt, die Küsterei, eine alte Wohnung nebst Kohl-Garten und einer kleinen Koppel. Dieses ist von jeher von aller Pflicht frei gewesen.

2.   Die Schule in Wiemersdorf' ist Anno 1740 neu erbauet. Der kleine Garten und der Platz, worauf dieses Schul-Haus erbauet ist, lieget in des Dorfs Commüne; folglich sind beide Stücke nicht contribuable (steuerpflichtig).

3.   In Hasenkroog und in Hagen liegt es ebenso.

Man sieht, daß nur in 3 Dörfern geschehen ist, was dem Landesfürsten vorschwebte; aber auch hier hatten die Visitatoren, in der Hauptsache im Schulbesuch, ernstliche Mängel zu rügen. Sie bekunden und verfügen: Es haben sich auf dem Lande verschiedene Unordnungen eingeschlichen. Die Eltern schicken ihre Kinder nicht zur Schule. Sie sollen dazu angehalten werden, die Kinder, wenn sie 6 Jahre alt sind, von Michaelis bis Ostern zur Schule zu schicken. Tun sie es nicht, soll trotzdem von ihnen das Schulgeld eingezogen werden, nötigenfalls mit Zwang. Also Winterschule mit Zahl-, nicht aber Besuchszwang. So stand es 1747.

 

 

Von den Lehrern

 

Zum Gedeihen der Landschulen war ja wohl auch das Heranziehen tüchtiger Lehrkräfte eine wesentliche Voraussetzung. Woher aber nehmen? An Bildungsstätten für diesen Beruf fehlte es durchaus. Es besteht kein Zweifel, daß die fürstlichen Gründer der Schulen nicht zuletzt auch die Förderung des Seelenheils ins Auge gefaßt hatten. So ist es nur natürlich, daß den Geistlichen die Wahl

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1) Es ist offenbar so gemeint, daß jeder Schuldistrikt seinem Lehrer die jeweilig genannte Spintzahl soviel mal zu liefern hat, als die Hufenzahl angibt. Die Verteilung auf die einzelnen Hufner ist dann die Sache der Ortsverwaltung. Im Falle Wiemersdorf ist sichtlich die Gesamtlieferung verzeichnet worden.

 

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der Schulmeister überlassen wurde. Indessen legte man nicht die Entscheidung in die Hand des Kirchspielpredigers, der nur die Anmeldungen entgegenzunehmen und geeignete Subjekte dem Herrn Präpositus vorzuschlagen hatte. 1748 wird Friedrich V. auf sein Anfordern berichtet,

1.   daß das examen, die Beeidigung und introduction (Einführung) der Kirchspielsschulmeister jederzeit im Präpositum (beim Propsten) mit 4 Mark bezahlt worden ist;

2.   daß die Nebenschulmeister für examen dem Präposito 1 Mark oder, wenn sie unvermögend sind, gar nichts bezahlt haben, Beeidigung und introduction aber bisher bei ihnen nicht stattgefunden hat.

Friedrich ist mit dem Stand der Dinge im ganzen nicht zufrieden. Er wendet sich an seinen Amtmann Stolberg und meint, für die Kinder der entlegenen Ortschaften müsse mehr geschehen. Er will des Amtmanns Meinung hören, ob man in Holstein sich nicht ähnlich einrichten könne wie in Dänemark. Junge Lehrer haben einen Distrikt und wandern von einem Dorf zum andern, in jedem nur für eine gewisse Zeit die Kinder zu unterrichten. Sie bekommen ein bestimmtes Salarium, freie Beköstigung und Wohnung im jeweiligen Dorfe. Wenn sie sich in einigen Jahren bewähret haben, rücken sie in eine bessere Stellung auf. Die Antwort auf diesen Vorschlag lautet wenig ermunternd. In Holstein lägen doch die Verhältnisse wesentlich anders. Erstens würden sich schwerlich Leute finden, die zu solchem Dienste bereit sind. Sintemal der Beschwerlichkeit des Umziehens zu gedenken; die Schulmeister, welche fast durchgehends arm und dennoch mit Weib und Kind versehen, nicht im Stande sein würden, zur Zeit ihrer Abwesenheit diesen letzteren à parte Behausung und Nahrung zu verschaffen. Zweitens, so ist in hiesigen Kirchspielen durchgehends, ungeachtet allen Bemühens, es nicht dahin zu bringen gewesen, daß die Kinder mehr als 16 bis 18 Wochen des Winters zur Schule gegangen. Von der Pflug-Zeit an bis zu Martini ist nie an einige Hinsendung der Kinder zur Information zu denken. So käme für jede Gruppe Kinder zu wenig Unterricht heraus. Mithin wäre zu besorgen, daß die Kinder, die ohnedem einfältig und vergeßlich zu sein pflegen, durch Mangel eines täglichen Unterrichts noch mehr als bisher zurück gesetzet würden.

Dagegen wird vorgeschlagen, man solle, wie es früher gewesen, in den verschiedenen Dörfern, da noch die alten Schulhäuser vorhanden sind, ihnen die Freiheit lassen, ihre eigenen Schulen zu behalten. Es sind deren 16 im Segebergischen, von denen nach Ranzaus Projekt nur 9 sollten konservieret werden. - Wenn man dann den Schulmeistern statt der in Aussicht genommenen 6 nur 5 Tonnen Roggen gäbe, womit sie wohl gern zufrieden wären, und wenn dann der abgegebene Roggen auf das ganze Kirchspiel verteilt würde, so daß die größeren und reicheren Dörfer für die kleinen und armen mitgäben, dann würde man mit 7 Spint pro Hufe auskommen und doch alle 16 Schulmeister behalten können. 1749 gibt der König darauf seinen Entschluß bekannt, man solle erst in einem Kirchspiel den Versuch damit machen, um zu sehen, wie sich die Leute dazu

 

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stellen. Er fürchte, die größeren Dörfer werden nichts hergeben wollen für die kleinen.

Die Unterhaltsfrage der Schulmeister ist weiterhin Gegenstand der Sorge. 1751 werden die Beamten aufgefordert, mit den Dorfschaften zu verhandeln, was sie denn ihren Lehrern geben wollen. Der Kirchspielvogt berichtet, daß er nur von einigen Bericht erlangen könne. Die andern halten das nicht für nötig und erklären mündlich, der Schulmeister wäre ja immer zufrieden gewesen, da könnte wohl alles bleiben, wie es ist. Vernehmen wir die Berichte.

1.  Fuhlendorf. Außer den gewöhnlichen Schulgeldern hat der Sch. freie Schul-Stube und Feurung den Winter durch. 1 Kuh, 2 Schafe, 1 Schwein das ganze Jahr frei auf der Weide; wenn er aber eine Kuh nicht halten will, soll ihm freistehen, dafür 2 Schafe in die Weide zu jagen. Wenn er anfängt, Schule zu halten, bis er wieder aufhört, soll er von jedem Bauern, wenn er backet, ein Brot haben.

Wenn es ein lediger Mensch ist, soll sein Zeug auch frei und umsonst gewaschen werden

gez. Jochim Schuldt       Carsten Reimers

2.  Wiemersdorf. »Es hat der Herr Kirchspiel Vogt zu Bramstedt an Hinrich Lindemann zu Wiemerstorff eine Ordre ergehen lassen, Von ihrem Schulmeister Nachricht ein zu bringen, ob er zu klagen hat wegen die einkünfte, so er bey seinen Schuldiensten, Von den eingesessenen zu fordern hat, also thue ich hiermit Nachricht zu geben, das ich keine Klagen ein zu bringen habe, sondern wohl mit ihnen zufrieden sey, ein solches thue ich mit meiner eigen hand und Nahmens unterschrift Bescheinigen.

Anno 1751 den 19. August.                                       (gez.) Paul Benck1), Schulmeister

Hinrich Lindemann.«

3.  Borste/. »Wir wollen den Schulmeister geben Vor den Lesen 1 Schilling alle Woche, Vor den schreiben 1½ Schilling alle Woche, Vor den Rechen 3 Schilling alle Woche und den alle Leib Brodt Von Ein jeder wollen wir ihm geben nebst eine freie Schul-Stube.

Anno 1751, 17. August.                                                                     (gez.) Jasper Delfs.«

4.  Hagen. »Und dennoch Anno 1751 und den also haben sie mir wiederum bedungen daß Kind den Winter 18 Schilling Zum schulgelld und den auch bey der schullstube so viel führen (Feurung) dar zu schaffen als den Winter vonnöhten Sein und auch den sind zum Hagen 14 Kinder. Die summe 25 Mark2)

(gez.) Dierck Kölln zu Hagen den 15. Augustus Anno 1751.« Schon winkt uns ein freundlicher Silberstreifen aus dem Osten, nämlich aus

5.  Bimöhlen. »Nachdem mahlen Hans Wittorf die liebe Jugend in Beimühlen zwei Winter hindurch unter Gottes Gnade und Segen also informiret und unter-

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1) Paul Benck hat wohl kaum geahnt, daß er einmal die Ehre haben sollte, mit seinem durchaus überzeugenden Schriftstück das liebe Wiemersdorf als erster in die Literatur einzuführen.

2) Den Lesern zusätzlich zur Nachricht, daß auf eine Mark 16 Schilling gehen. Rechne, wer da mag: Ich aber sage mit dem Poeten: Mach End, o Herr, mach Ende!

Der vielgeprüfte Chronist

 

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richtet, daß die Eltern derselben, nemlich die Einwohner zu Beimühlen, Voll Kommen mit ihm zufrieden zu seihn versichern, auch zum Zeugniß dessen von ihm verlanget, die dermahlige dritte Winter-Schule mit ihren Kindern anzufangen, welches denn auch auf ihr Begehren bereits geschehen. So ist es nunmehr dahin gediehen, daß auf Künftige Zeit zwischen den Eingeseßenen oder Einwohnern zu Beimühlen an einem, und Hans Wittorf als ihrer Jugend bisherigen und Künftighin postulirten Schulmeister am andern Theil folgender, wohl bedächtlicher und bis auf der Höchst gebietenden Herren Visitatoren Einwilligung unwiederruflicher Contract geschloßen worden und zwar folgender Gestalt:

Es versprechen nemlich die Einwohner zu Boymühlen obgedachtem Hans Wittorf für seinen gebührenden Fleiß in Unterrichtung ihrer Jugend und der desfals habenden Mühwaltung

a)    Freyhaußung oder Wohnung nebst nöthigen Hof Raum bei derselben;

b)    die benöhtigte Feurung frei und ohne seine Kosten zu liefern;

c)    für Zwey Kühe und Sechs Schafe freye Weyde;

d)    von jeden Bauern alle Winter Vier Brodt;

e)    für jedes Kind den Winter über Einen halben Reichsthaler Schul-Geld. Dahingegen Verspricht Hans Wittorf, nachdem er bisher mit den Einwohnern in Beimühlen in Betracht seines bisherigen Gehalts bey Unterweisung ihrer lieben Jugend Völlig zufrieden zu seyn Versichert, Allen möglichen Fleiß wie bisher, also auch ins Künftig aufzuwenden, die ihm zur Unterweisung anvertrauten Kinder unter Gottes Gnade in der Zucht und Vermahnung zum Herrn zu erziehen, damit solche nach dem Exempel Jesu zunehmen wie an Alter, also auch an Weisheit und Gnade bei Gott und den Menschen.

Damit nun obgesetzter Vergleich in allen seinen vorstehenden Punkten nachzuleben beide Theile angehalten werden, so ist dieses von beiden Theilen eigenhändig unterschrieben worden.

So geschehen Bimöhlen Ao 1751 den 20. Dezember.

Hans Wittorf, Schulmeister.«

Wir haben ein ungefähres Bild gewonnen über Lage und Leistungsfähigkeit der ersten fünf Dorfschullehrer in unserm Kirchspiel, die unter Verhältnissen wirkten, die weiter zu erproben von allerhöchster Stelle genehmigt worden war. Stellen wir diese zeitlich an der Spitze stehenden Pädagogen noch einmal vor.

Paul Benck, Wiemersdorf;

Jasper Delfs, Borstel;

Dierck Kölln, Hagen;

Hans Wittorf, Bimöhlen;

Jochim Schuldt, Fuhlendorf, alle tätig um 1750.

Der letzte hat zwar bei dem uns bekannten Bericht nicht sich als Schulmeister bezeichnet; ein gleichzeitiges Verzeichnis der Hufner weist indessen bestimmt nach, daß sein Mitunterzeichner Carsten Reimers der Hufner ist, Schuldt aber nicht dazu gehört.

 

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Nach weiteren Jahren verlangt der König Nachricht über die Erfolge im Kirchspiel. Nehmen wir den Bericht aus Segeberg zur Kenntnis. Wegen des zu verteilenden Roggens waren die Gegenvorstellungen so, daß sie (die Beamten) es nicht tunlich erachteten, dieserhalb noch weiter an die Dorfschaften zu dringen; zumal die sämtlichen Schulmeister sich mit den bisherigen Einkünften zufrieden erklärten. - Wegen der Schulzeit, so haben wir uns alle ersinnliche Mühe gegeben, daß vermöge allergnädigster Schulordnung nicht nur die Winter-Schule ein völliges halbes Jahr dauern, sondern auch den Sommer hindurch wenigstens mit den kleinen Kindern einiger Unterricht vorgenommen werden möchte. Indessen sind sie nicht vermögend gewesen, es höher zu treiben, als daß die Dorfschaften sich anheischig gemacht,

1.    die kleinen Kinder 14 Tage nach Michaelis,

2.    die größeren aber in der vollen Woche nach Allerheiligen (1. Nov.) in die Schule zu senden, wobei

3.    allemal für eine volle Woche zu bezahlen.

»Hingegen sehen wir kaum die mindeste Hoffnung, mit den Sommerschulen reussiren (weiterkommen) zu können. Man schützet eine gäntzliche Unmöglichkeit vor. Was so zu sagen nur kriechen könne, wird bei der Haushaltung mit angespannt. Und ob schon einige Eltern ihre 3 und 4 Jährigen Kinder zur Schule schicken wollten (wozu aber doch die wenigsten, weil sie die Kosten scheuen, sich mögen bereden lassen), so könne man es auch dem Schulmeister für die wenigen Kinder nicht zumuten. Sein Einkommen sei so gering, daß er die Zeit dann gebrauchen müsse, um auf andere Weise etwas zu verdienen. Der König möchte auch davon absehen, daß die Schulmeister auf dem Lande erst vom Consistorium geprüft werden, wie die Schulordnung es verlangt. Die Stellen seien so mangelhaft besoldet, daß man sich gar keine Rechnung machen darf, jemahlen recht qualificirte, bei den Wissenschaften oder bei dem (höheren) Schulwesen hergekommene Subjekte herein zu kriegen. Wer also, wie es auch die Schulordnung will, nicht nebenher eine Profession treiben oder Landarbeit tun kann, könne, zumal mit einer Familie, nicht bestehen.«

»Weswegen man bishero zufrieden seyn müssen, abgedankte Soldaten, verarmte Bürger oder auch nur ordinaire Bauersleute, die sich von andern ihrer Art nur einigermaßen distinguiren, in die Landschulen zu schicken.«

»Prüfen könne diese Leute jeder Beamte in weniger als einer Stunde. Darum keine weiten Wege zum Konsistorium und Einstellung neuer Leute. Deutsch lesen (also nicht lateinisch), nothdürftig schreiben - denn nach dem Rechnen fragt der Bauer insgemein so viel als nichts - und endlich ein mittelmäßiges Erkenntniß der Heilsordnung und des Catechismi nebst einem ehrbaren Wandel, das ist alles, womit man zufrieden sein muß.«

Segeberg, 25. Jan. 1753.                                                         Unterschrift nicht leserlich.

Der König läßt seine Beamten nicht lange auf Antwort warten. Er meint:

Eine Änderung und Einschränkung der Schulordnung sei bedenklich. Wenn sich aber Fälle finden, wo eine buchstäbliche Vollziehung unmöglich scheint, sollen sie

 

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nachsichtig sein, aber mit Sorgfalt darauf achten, daß sie so wenig wie möglich verfehlet werde. Von der Prüfung durch das Consistorium will er nicht absehen. »Wie ihr denn auch, so viel möglich, dahin zu sehen habet, daß, falls einige Schulmeister etwa von ihrem geringen Gehalt allein nicht leben können, zu diesen Diensten doch nur solche Leute genommen werden, die ein Handwerk betreiben, welches in der Stube verrichtet werden kann und bei dessen Betreibung sie also bey den Kindern gegenwärtig sein können.«

 

Christians VI. Schulordnung aus dem Jahre 1740

 

Nicht ohne Bedenken soll diese Urkunde hier zum Abdruck gebracht werden, da sie erheblichen Raum beansprucht; aber es wurde oft auf sie hingewiesen, und schließlich ist sie das beste Mittel, um Klarheit zu schaffen. Der Entwurf ist an die Ämter Steinburg, Rendsburg und Segeberg geschickt worden, auch nach Bramstedt, um Kenntnis zu nehmen und Bemerkungen hinzuzusetzen, danach mit geringen Änderungen gedruckt worden.

§   1    Jedes Amt soll aus beständigen Schuldistrikten bestehen.

§   2    Die Distriktschule ist in baulichem Stande und in der Brandkasse zu halten.

§   3    Besoldung der Distrikts-Schulmeister:

(Das Singen und Ansammeln der Kinder soll aufhören, ausgenommen das Singen bei Hochzeiten und Beerdigungen.) Alle Eingesessenen, sie haben Kinder oder nicht, 6 Tonnen jährlich. Auf der Geest 2 Kühe, 6 Schafe mit ihren Lämmern, ein Schwein mit seinen Ferkeln, 2 Gänse mit ihren Jungen den Sommer über frei und ohne Hirten Lohn auf der Gemeinen Weide. Für obgenanntes Vieh Winterfütterung. Feurung, die zur Haus- und Schulhaltung nötig ist. Für jedes Kind, wenn es lesen lernt, 1 Schilling die Woche, für jedes Kind, wenn es schreiben lernt, 1½ Schilling die Woche, wenn es dabei im rechnen unterrichtet wird, 2 Schilling die Woche. Jedes Kind, wenn es zum ersten Mal zur Schule kommt, 2 Schilling Einspringgeld und danach jährl. ebensoviel zum neuen Jahre. Für die Armen bekommt er die Hälfte des obengenannten Geldes aus der Armenkasse, aber kein Einspring- und Neujahrsgeld. Umspeisen (Reihentisch) hat gänzlich aufzuhören. Dann Haus und Hof mit freier Feurung.

§ 4      Keine Steuerbelastung des Schulgrundstücks, Befreiung von allen Personalauflagen und Vormundschaften, keine Einquartierung. Wo es bereits anders geordnet ist, bleibt es vorläufig dabei. Die Jurisdiktion wird durch das Schulhaus bestimmt. Privative steht der Schulmeister unter dem Consistorium.

§ 5    Wie die Witwe des Schulmeisters abzufinden ist.

§ 6      Die Kirchspiels-Schule ist für die Interessenten der Neben-Schulen mit bestimmt. Wer sein Kind in die K.-Schule gibt statt in die Distrikts-Schule, weil er als besser erachtet, besonders in dem Confirmationsjahr, soll dem K.-

 

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Schullehrer die fixa entrichten. Auch darf jeder sein Kind in eine lateinische Schule in Stadt oder Flecken senden oder ihm eigenen Praeceptor halten (der aber keine anderen mit unterrichten darf).

§   7   Von den Nebe» und Mädgen Schulen in den Städten und Flechen und Klippschulen auf dem Lande.

Es sollen in Städten und Flecken den Umständen nach Neben Schulen erlaubt sein. Diese dürfen von den Knaben bis zum vollendeten 7ten oder 8ten, von den Mädchen bis zu erwachsenen Jahren besucht werden. Auch besondere Mädgen-Schulen sind zu gestatten, worin die Kinder weiblichen Geschlechts von christlichen Frauens Personen im Nähen, Stricken, Knüppeln (Klöppeln) und dabei bis zu einem gewissen Alter im Lesen und in der Catechismuslehre unterwiesen werden können. Klipp-Schulen sind auf den Dörfern bei weiten Entfernungen oder schlechten Wegen erlaubt für zarte Kinder und für die Kleinen beiderlei Geschlechts bis zu vollendetem 7. oder 8. Jahre.

§   8    Welchergestalt oben determinirte Schul Praestanda zu entrichten und allenfalls beyzutreiben.

Die Kirchgeschworenen oder Schul-Juraten oder Schulvorsteher oder Kirchspielvögte sollen jährlich einmal die Schulgebäude besichtigen und danach sehen, daß der Schulmeister das ihm Zustehende auch wirklich bekomme. Eventuell soll gepfändet und auch Strafe bezahlt werden.

§   9    Wie mit den unter fremder Jurisdiktion gesessenen Schuldistrikts-Verwandten zu verfahren ist.

(Es handelt sich um Schulen, die von Kindern verschiedener Gerichtsbarkeit - königlich, adelig, klösterlich - besucht werden. Kann hier übergangen werden).

§ 10    Die Schul-Abgiften werden berechnet auf dem Fuße der Kirchenanlagen.

§ 11   Von der Verwaltung von Schulkapitalien, Verwendung der Kirchen-Einkünfte.

Schulen können Schenkungen oder Erbschaften annehmen. Überschüsse der Kirchenrechnungen empfiehlt der König, zu Gunsten der Einwohner für die Schule zu verwenden.

§ 12    Die Schulwege sind in gutem Stand zu erhalten wie die größeren Landwege. Darüber hat der Kirchspielvogt zu wachen und eine Schau zu veranstalten.

§ 13    Diese Anordnung erstreckt sich auch auf die Schulverfassung der zu den anseitigen Königl. Kirchen gehörigen adeligen Güter.

§ 14    Welchergestalt die Schulen mit tüchtigen Subjekten zu besetzen (Schon oben berührt).

§ 15     Vom Rechte der Berufung des Schulmeisters.

Die Dörfer, die die Schulverbesserung aus eigenen Mitteln gemacht haben, dürfen aus den examinierten Subjekten wählen. Wo der König hat zugeben müssen, fällt die freie Wahl aus; doch können Wünsche berücksichtigt werden.

 

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§ 16    Pflichten der Schulbedienten.

Urteile des Pastoren haben sie willig hinzunehmen, ihm nach Möglichkeit bei Besuchung der Kranken Hilfe zu leisten, der Schenken und Krüge sich gänzlich zu enthalten; bei Festen sollen sie nüchtern sein und nicht bis auf den letzten Mann aushalten, überhaupt immer ein gutes Beispiel geben. Sie sollen jeden Werktag 6 volle Stunden unterrichten und zwar im Sommer von 7-10 und 2-5, im Winter von 8-11 und 1-4. Am Mittwoch und Sonnabend nur vormittags.

§ 17    spricht über Zucht und Strafe.

§ 18    Über Beiwohn- und Wiederholung der Predigt und das Catechismus-Examinum. Mit den Kindern alle Sonn- und Festtage in der Kirche erscheinen. Dort sie in Ruhe und Ordnung halten. Bei der nächsten Gelegenheit die angehörte Predigt in Kürze mit ihnen zu wiederholen. Jeden Mittwoch nachmittags im Pfarrhause erscheinen, um von dem Pfarrer in der Katechismus-Methode und andern heilsamen Dingen unterrichtet zu werden.

§ 19    Nebenbeschäftigung. Nebenhandtierung ist dem Schulmeister nicht gestattet. Vor allen Dingen aber soll er keine Gastwirtschaft oder Bier und Brandtwein-Schenke haben. Innerhalb eines halben Jahres sollen sie sich erklären, ob sie bei ihrer andern Beschäftigung oder bei der Schulmeisterei bleiben wollen.

§ 20    Aussetzung der Schul-Arbeit.

Keinen Tag darf ausgesetzt werden, ohne es dem Patron anzuzeigen; dauert es länger, so muß er einen Stellvertreter einsetzen mit Genehmigung des Patrons.

§ 21    Von Adjunctis und Substitutis.

Wenn einer wegen Alters-Schwachheit oder anderer Ursachen halber außerstande ist, zu unterrichten, so kann er mit Genehmigung einen Substituten nehmen, dem zukommt: freie Wohnung im Schulhause und das halbe Diensteinkommen.

§ 22    Kein Schulmeister kann eigenmächtig von der Gemeinde abgesetzt oder in seinem Einkommen geschädigt werden.

Klagen gegen ihn sind bei dem Pastoren anzubringen und, wenn eine Schlichtung nicht erzielt wird, von diesem weiterzugeben an das Consistorium.

§ 23  Welchergestalt und wie lange die Kinder zum Schulbesuch anzuhalten. Mit Anfang ihres 5. oder 6. Jahres bis zum 9. Jahre im Winter vor- und nachmittags, im Sommer wenigstens vormittags. Im 10., 11. und 12ten Jahr den ganzen Winter vor- und nachmittags; im 13ten und etwa folgenden Jahren bis zum Confirmationsjahr von Martini bis zu einfallender Pflug- oder Fastenzeit, gleichgültig vor- oder nachmittags. In dem Confirmationsjahre selber aber bis zur Confirmation; die Kinder, die über 9 Jahre sind, sollen aber am Sonnabend nachmittag, so die andern frei haben, zur Wiederholung dessen, was sie vorhin gefasset haben, sich in der Schule einfinden.

 

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§ 24    Wie mit den zu Confirmierenden und neulich Confirmierten Jungen zu verfahren.

Wenn sie noch nicht den hinlenglichen Grund im Christentum geleget haben (nach Ansicht des Seelsorgers), sollen sie in die Schule zurückgewiesen werden, gleich, wie alt sie sind. In dem ersten Jahre nach der Confirmation sollen sie sich denen Catechismus Examinibus in der Kirche mit darstellen.

§ 25    Pflichten der Eltern und Vorgesetzten in Absicht des Schulwesens.

Sie sollen die Kinder zur Schule anhalten, gutes Beispiel geben; schicken sie sie nicht, doch Schulgeld zahlen, ev. Strafgelder, ev. noch strenger durch die Obrigkeit bestraft werden.

§ 26    Pflichten der Gutsherren.

Sie dürfen die Kinder ihrer Bauern nur außerhalb der Schulstunden zu Diensten gebrauchen.

§ 27    Wie für die Auferziehung der Armen-Kinder zu sorgen.

Schulgeld und Bücher werden aus der Armen-Kasse bezahlt. Für diesen Zweck wird eine besondere Klingelbeutel-Sammlung gehalten. »Und sind übrigens die Kinder derer Armen und Reichen von dem Schulmeister alle überein mit gleichen durchgehenden Fleiße zu unterrichten und jene so wenig als diese zur Feld Arbeit, häuslichen Geschäften oder Bothen laufen von ihm zu gebrauchen.«

§ 28    Was von den Predigern in Ansehung der Catechisation zu beachten.

Jeden Sonntag nach der Predigt werden die Kinder vom Pastor auf den Katechismus examiniert. Wo zu viele Kinder sind, soll er sie distriktweise im Viertel vornehmen und jedesmal von der Kanzel verkünden, welche am nächsten Sonntag dran sind.

§ 29    Von der vornehmlich dem Pastor obliegenden besonderen Schulinspektion in jeder Parochie.

Die Hauptschule seiner Parochie soll er alle 14 Tage unangemeldet besuchen, die Nebenschulen, so oft es ihm seine andern Amtsgeschäfte erlauben.

Dreimal im Jahre, um Advent Zeit, um Fastnachten und um Johannis soll in jeder Schule Visitation sein, die vorher von der Kanzel verkündet wird und die Gemeine dazu eingeladen. Er selbst soll dann ein Examen anstellen. Die Fuhre ist von dem Schul-Distrikt unweigerlich herbeizuschaffen.

§ 30 Von  der dem  General  Superintendenten und denen Spezial-Kirchen-Visitatoren obliegenden allgemeinen Schul-Inspektion. Bei jeder Kirchen-Visitation sollen sie auch den Schulzustand genau und gründlich untersuchen, auch mit den Kindern ein Examen anstellen in der Kirche und selbst die Schulörter besuchen.

(gez.) Christian VI.

Die Gutachten gehen durchweg dahin, daß man bittet, wieder die Einführung von Schulen in den einzelnen Dörfern zu erlauben. Und die Dörfer mögen die

 

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Schulmeister so besolden, wie sie es können und er damit zufrieden ist. Die Wege seien zu weit und zu schlecht, besonders im Winter, wo doch die Hauptzahl der Kinder hingehen werde. Sie leiden Schaden an der Gesundheit; es koste zuviel Fußzeug, und viele Eltern seien nicht in der Lage, ihnen soviel Brot und Nahrung mitzugeben, daß sie über Mittag dort bleiben könnten.

Aus der Art der Begutachtung spürt man heraus, daß sie sich gegen die vom König geplante Distriktsschule richtet. Das gilt im besonderen von dem Bericht aus Bramstedt, der vom Pastor Messarosch gegeben wird und uns eine gute Vorstellung davon gibt, wie es in unserm Kirchspiel stand. Danach waren folgende Distrikte geplant:

1.   Wiemersdorf mit Fuhlendorf und Bimöhlen. Die beiden der Baronesse von Grothen gehörigen Hufen in Wiemersdorf werden von niemand bewohnt, und das Land sei an Königliche Unthertanen verhäuret; darauf könne man schwer ein gerechtes Facit machen.

2.   Hagen mit Föhrden-Barl. In Hagen habe die Baronesse 2 volle und 2/8 Hufen; weil sie aber bald wüste liegen, bald bewohnt werden, so können sie den Königlichen wenig oder gar keine Hilfe bringen. - In Barl befinde sich 1 Vollhufe der Baronesse, die ständig bewohnt sei und an Bonität andere Hufen weit übertreffe; diese sollte billig den Königlichen gleich zu dem Unterhalt für den Schulmeister belastet werden.

3.   Hasenkroog mit Hardebeck, Armstedt und Brookstedt.

In Armstedt seien 10 volle Hufen des Klosters Itzehoe.

4.   Hitzhusen. Ist zum größten Teil der Baronesse von Grothen, mit dem Rest der Gräfin von Castel gehörig. Es kann zu keinem Distrikt bequem genommen werden, weil es von allen Dörfern sehr entfernt sei. Und wenn darin eine Schul-Kathe nur halb so groß als die andern, könnte gebauet werden und der Schul-Meister auch nur die Hälfte von dem Korn - macht 3 Tonnen - bekommen, so wäre er wohl zufrieden. Weil aber die Frau Baronesse von Grothen dem jetzigen Schul-Meister nicht einmal das gewöhnliche Verbittels-Geld schenken will, so sei schwerlich zu hoffen, daß sie zur Erbauung einer kleinen Kathen-Anstalt sich bereit finden werde. Die Klipp-Schulen in diesem Kirchspiel würden danach sein in Fuhlendorf, Bimöhlen, Föhrden-Barl, Armstedt und Broockstedt.

Von den Schulbauten, wie Christian VI. sie um 1740 geplant und zu schleuniger Herstellung anbefohlen hatte, ist noch einiges zu sagen, wenig Erfreuliches.

Am 21. April 1740 stellt er an Geld für Baukosten 2150 Mark und für Holz 1196 Reichstaler in Aussicht. Davon werden für Wiemersdorf, Hasenkroog und Hagen, die Hauptschulen, je 125 Reichstaler 16 Schilling bereitgestellt. Aber schon im nächsten Jahre gibt er den Wünschen der Bauern nach, indem er genehmigt, daß statt des geplanten aus dem Dach zu führenden Schornsteins ein »geschwiebeter Camin« verfertigt werde. Damit war der offen an der Diele liegende Schwibbogen, also das Räucherhaus, gerettet.

1746 gibt Hinrich Rantzau folgenden Bericht über den Stand der Dinge an Geheimrat Schulin.

 

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»Ew. Exellenz haben neulich die neu erbauten Schul-Kathen in Augenschein zu nehmen geruht, und Können also selbst in eigener Persohn bezeugen, daß die hiesigen Schul-Kathen Bey weitem noch nicht in dem Stande und nach den vorgeschriebenem Plan, wie sie sein sollten, sich befinden, indem der Boden nicht mit Bretter, sondern mit elenden Staaken und Leim (Knüppel, mit Stroh umwickelt und danach mit Lehm umkleidet) gemacht, und der Leim schon längst abgefallen, daß es durch löchericht ist, daß man kaum herauf gehen Kan. Der Zaun um den Kohlhof ist ebenfalls noch nicht gemacht. Mit dem Schulgehen siehet es leider auch noch schlecht aus, denn nach der allergnädigsten Königl. Verfügung, die Dorfschaften Brookstedt, Armstedt und Hardebeck ihre Confirmandes anhero nach Hasenkrog in die Haupt-Schule schicken sollten, so ist Solches Bis dahero noch gar nicht geschehen, und von ihnen Keine Feurung geliefert worden aus den Gemeinen Hasenkrog und Harbeck. Ich hege also die unterthänige Zuversicht, daß Ew. Exellenz die gnade haben und diesem Übel wie hier, also auch in Wiemersdorf und Hagen abzuhelfen geruhen werden; der ich in aller Ehrerbietung verharre

Ew. Exellenz meines gnädigen Herrn gantz gedemühtiger Diener

Hinrich Rantzau                                          

Hasenkrog, den 24. Juni 1746«.

Langsam geht es weiter. 1753 richten die Bimöhler an den König die Bitte, er möge etwas zugeben zum Bau einer neuen Schulkathe; denn die sei so sehr nötig. Sechs Bauern geben dazu ihre Unterschrift: Claus Runge, Hinrich Kröger, Hans Schümann, Jürgen Schröder und Jasper Schümann. - Sie erhalten 100 Taler.

Betrübliche Nachricht kommt aus Armstedt, dem Dorfe der Klosterbauern. Übereilung hat man auch dort sorglich vermieden. Erst 1756 bringt man sich in Erinnerung.

Dem vorliegenden, an den Herrn Verbitter (Rechtswalter-Syndikus) von Ahlefeld zu Itzehoe gerichteten Schreiben fehlt die Unterschrift. Es mag vom Bauernvogt oder vom Schulmeister herrühren und nur Abschrift sein. Hier ist sein Text:

»Die Eingesessenen zu Armstedt haben bei der letzten Kirchenvisitation zu Bramstedt versprochen, in ihrem Dorfe ein Schulhaus zu bauen, weil die Schule bisher daselbst nur in eines Hufners Hause gehalten wird. Die Leute sind mit ihrem Gesinde in derselben Stube. Nun möchte man, daß die Schule in die Abschiedskate verlegt werde, wo die >Pastorische< Witwe ausgezogen ist. Die liege aber so im Morast, daß die Kinder nicht einmal trockenen Fußes hineinkommen können; zudem sie sehr klein: 40 und mehr Kinder könnten dort nicht Platz haben. So möge der Verbitter dafür sorgen, daß der Schulbau nicht hintertrieben werde.

Den 5ten Marty (März) 1756.«

Es handelt sich offensichtlich um die klösterlichen Bauern, die dem Kloster zu Itzehoe unterstellt waren.

So offenbart sich in den Dörfern ein Bild der Mühseligkeit und des Widerstrebens. Aber auch im Flecken fehlte es nicht an Schwierigkeiten.

 

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1744 richtet Wilhelm Struve, Organist und Küster zu Bramstedt, ein Gesuch an den Amtmann von Rantzau, er möge die Vergrößerung der Schulstube genehmigen. Die Stube sei, besonders im Winter, gar zu enge; bestehe jetzt aus 2 Fach (nach Bauart des Bauernhauses), es müsse noch 1 Fach dazu kommen. - Ein Kostenanschlag ist beigefügt.

Zwei Jahre schon ist der Bau hingezögert worden, weil »sie sich nicht einig werden können, ob nur der Flecken oder das ganze Kirchspiel die Kosten tragen soll«. -

In ähnlichem Anlaß ist schon zehn Jahre früher ein Gesuch gerichtet worden an die weltliche und die geistliche Obrigkeit (Amtmann Hanneken und Propst Ottens).

Nunmehr entscheidet der König, sie sollen sofort bauen, und zu den Kosten habe, wie bisher, das ganze Kirchspiel beizutragen. Dies sei eine Kirchspielsschule, und dahinein könne jeder aus dem Kirchspiel seine Kinder schicken.

 

II. Unter der Schulordnung von 1814

 

Die umfassende Neuordnung ist von großer Bedeutung geworden für Holstein, und ihre Auswirkung ist bis in unsere Tage spürbar geblieben. Man muß den Urhebern nachrühmen, daß sie mit Umsicht und Sorgfalt das Werk zuwege gebracht haben. Der geistlichen und der weltlichen Obrigkeit, aber auch den Ortsvertretungen ist die Gelegenheit geboten worden, Stellung zu nehmen zu dem Entwurf, bevor das neue Regulativ mit dem 1. Januar 1814 in Kraft getreten ist. Generalsuperintendent Adler scheint eine der treibenden Kräfte gewesen zu sein. Die Kritik beschäftigte sich namentlich mit folgenden Punkten des Entwurfs:

1.    Als Distriktsschulen sind solche anzusehen, denen ein bestimmter Distrikt zugewiesen ist und mit denen ein bestimmtes Gehalt verbunden ist.

2.    Wegfall des Schul-Schillings und der damit verbundenen Sammelei.

3.    Verpflichtung des Lehrers, durchs ganze Jahr Schule zu halten.

4.    Dem Lehrer ist eine förmliche Bestallung zu erteilen.

5.    Die Fußböden von Schulstube und in Zimmern sollen von Brettern sein.

6.    Das Küster- und Organistenhaus wird nicht aus den Kirchenmitteln, sondern mit 2/3 der Kosten von den Schulinteressenten und mit 1/3 von den übrigen Kirchspielseingesessenen unterhalten.

7.    Schulbücher für die Armen sind nicht aus dem Armenblock zu beschaffen.

8.    Unterlehrer und Gehülfen dürfen nicht ohne Genehmigung des beikommenden Pastors angenommen werden.

9.    In jeder Gemeinde soll eine Schulbibliothek eingerichtet werden aus Kirchenmitteln.

Das waren die Dinge, die von etlichen Seiten unterschiedlich beurteilt worden sind.

 

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Gönnen wir auch noch ein paar Einzelbemerkungen Raum:

Borstel schlägt vor, für die kleinen Kinder einen Schullehrer im Dorfe zu genehmigen, so daß nur die größeren den schlechten Weg nach Hagen gehen müssen (14. 12. 1812).

Das Kirchenvisitatorium meint, daß die Handdienste den Kätnern und Insten aufzuerlegen sind, weil die durch Abschaffung des Schulgeldes am meisten gewinnen. - Ferner: Aus dem Armenblock könne man keine Schulbücher kaufen; denn das Armengeld reiche ohnehin nicht aus. - Noch: Die Sommerschule für die Kleinen sei besonders zu begrüßen, da sie dann für sich allein vorgenommen werden können.

Der Herr Propst bezweifelt, ob sich die Lehrer nach dieser Ordnung wirklich besser stehen werden.

Freiherr von Brockdorf  findet es zu früh, die Schulpflicht mit Beginn des 6. Lebensjahres einsetzen zu lassen, wünscht ein Jahr Aufschub.

Votum des General-Superintendenten: Kätner und Insten sollen die Handdienste leisten; das Schulland soll von jeglicher Last frei sein.

Und nun das Regulativ in seiner Wesenheit.

§§ 1 und 2    Die Distriktsschule, eine Kombination kleinerer Dörfer, ist weiterhin

zu erhalten.

§ 3      Das Schulhaus ist für den Lehrer lastenfrei und mit allem Nötigen zu versehen; die Schulstube soll hell und geräumig sein, der Fußboden von Brettern. Dienstland ist beizugeben, ausreichend für 2 Kühe; ferner 3-6 Tonnen Roggen, frei Feurung, ein festes, nach den Verhältnissen geregeltes Gehalt.

§  4     Alle vorhandenen Schulhäuser sind danach einzurichten oder neu zu bauen.

§  5    Das Dienstland ist sobald wie möglich auszulegen; nach Sachlage ist dafür

vorläufig Ersatz zu leisten.

§  6    Das Dienstland wird von den Schulinteressenten frei bearbeitet.

§  7    Schulland ist frei von allen Abgaben.

§  8     Die entstehenden Kosten sollen nach Tonnenzahl auf die Landbesitzer, Erbpächter und Parzellisten verteilt werden. Das Schulgehalt soll über Schulinteressenten gleich, ob sie Kinder haben oder nicht, repartiert werden; doch nehmen Heuerlinge und Abnahmeleute nur dann daran teil, wenn sie schulpflichtige Kinder haben.

§  9    In großen Schuldistrikten soll, wenn es nötig ist, eine zweite Schulstube

eingerichtet und ein zweiter Lehrer angestellt werden.

§ 10    Bau und Unterhaltung der Küster- und Organistenhäuser erfolgt auf Kosten der Kirche; wo deren Mittel nicht ausreichen, mit 2/3 zu Lasten der Schulinteressenten und mit 1/3 auf Rechnung der Eingesessenen des Kirchspiels.

§ 11   Bei den adeligen Schulen soll es gehalten werden wie bisher.

§ 12    Schulgeld für Arme wird nicht mehr aus der Armenkasse bezahlt; nötige Ausgaben für diese werden auf die übrigen Schulinteressenten mit verteilt.

 

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§ 13    Jede Gemeinde wählt 2 oder 3 Schulvorsteher auf je 3 Jahre. Sie haben mit dem Prediger zusammen die Kosten gerecht zu verteilen und ein Rechnungsbuch für jede Schule zu fuhren und das Gehalt an jeden Lehrer in vierteljährlichen Terminen pünktlich abzuliefern, ebenso dafür zu sorgen, daß er das ihm sonst noch Zustehende pünktlich bekommt.

§ 14    Die Schulpflicht beginnt mit dem 6. Lebensjahre. Größere Kinder, die schon ihr Brot verdienen oder den Eltern helfen müssen, können für Monate oder im Sommer bestimmte Tage befreit werden. Die kleinen Kinder sollen Sommers und Winters regelmäßig kommen; die großen müssen aber, wenn sie dispensiert sind, wöchentlich einen vollen oder zwei halbe Tage kommen zur Wiederholung.

§ 15    handelt von solchen Kindern, die in größerer Entfernung vom Dorfe sind.

§ 16    Schulferien sind vorgesehen: 8 Tage um Ostern, desgl. Pfingsten, 4 Wochen in der Erntezeit, 1 Tag vor und nach Weihnacht, Fastnachtmontag, Johannis- und Michaelistag, erster Tag der Jahrmärkte.

§ 17    (Das Schulehalten nähert sich stark einer wirklichen Berufstätigkeit). Im Sommer und im Winter muß unterrichtet werden. Die Zahl der Fächer und die Gründlichkeit des Unterrichtes soll zunehmen. Die Schultabelle soll befolgt werden. Dem Prediger ist jährlich eine schriftliche Katechisation einzuliefern. Der tägliche Unterricht hat mit Gebet und Gesang zu beginnen und zu schließen.

§ 18    Wer sich des nicht getraut, kann zu seinem Handwerk zurückkehren und erhält eine kleine Pension, falls er deren bedürftig ist, aus dem königl. Schulfonds.

§ 19    Ist ein Schullehrer durch Alter und Schwachheit behindert, so soll er einen Gehilfen bekommen, und es wird ihm zu dessen Unterhalt eine kleine Beihilfe gewährt.

§ 20    Die Anstellung eines Lehrers ist in jedem Falle erst möglich, nachdem er zuvor vom Propsten geprüft worden ist.

§ 21    Der neu eintretende Lehrer hat sich nach bestimmten Regeln mit seinem Vorweser oder dessen Erben auseinanderzusetzen.

§ 22    Eine Schullehrer-Witwenkasse soll geschaffen werden, neue Lehrer müssen, die alten können eintreten.

§ 23    Die Ortsprediger führen die Aufsicht über die Schulen.

§ 24    Am ersten Sonntag jeden Monats nach der Predigt haben sich die Schullehrer bei ihrem Prediger zu versammeln.

§ 25    Jährlich einmal ist in Gegenwart und unter Anleitung des Predigers eine öffentliche Schulprüfung abzuhalten. Darüber führt der Prediger ein Protokoll, das er bei der Kirchenvisitation vorlegt.

 

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§ 26    Die Gründung einer Schulbibliothek wird in Aussicht genommen, und am 1. Jan. 1814 soll das Regulativ in Kraft treten.

Womit geschlossen1).

Erfreulich ist, daß die Kieler Akten noch eine Darstellung bringen über die Beschaffenheit der Schulen unseres Bezirks in dem Zeitpunkt, wo das verzeichnete Regulativ hier maßgebend wurde. Wir lesen in verkürzter Fassung: Bramstedt: Haus und Wohnung vorhanden, die Schulstube für die kleineren Kinder ganz unzureichend; außer Land Futter für die zweite Kuh; 5 Tonnen Roggen, 3 Tonnen Buchweizen; freie Feurung und 150 Reichstaler, wofür der Organist den zweiten Lehrer selbst zu halten hat.

Armstedt: Schulhaus muß sehr verbessert, die Wohnstube angebaut werden. Freie Weide für 2 Kühe, 4 Schafe und einige Gänse, dazu Futter für 2 Kühe. 3 Tonnen Roggen, 2 Tonnen Buchweizen. 14 Fuder Torf. 30 Reichstaler bar. Bimöhlen mit  Weide: Wohnung vorhanden. Schulland und freie Gräsung für

1   Kuh. - Drei Tonnen Roggen, sieben Tonnen Buchweizen. Feurung frei. 30 Reichstaler bar.

Föhrden: Wohnung und Dienstland vorhanden. 3 Tonnen Roggen, 2 Tonnen Buchweizen. 9 Fuhren Torf und 6 Fuhren Flaggen (Plaggen). Fuhlendorf: Wohnung in Stand, Schulstube muß verbessert werden, außer Schulland freie Gräsung und Futter für 1 Kuh; 3 Tonnen Roggen, 2 Tonnen Buchweizen. - 10 Fuder Torf. Bar 10 Reichstaler aus dem königl. Schulfonds und 20 aus dem Schuldistrikt. Hagen mit Borste/: Wohnung vorhanden, Dienstland desgleichen; Futter für

2 Kühe. 3 Tonnen Roggen, 2 Tonnen Buchweizen: - 14 Fuder Torf. 30 Reichstaler bar.

Hardebeck und Hasenkrog: statt der beiden schlechten Schulhäuser ist hier an einem bequemen Ort ein gutes neu zu erbauen; außer dem ausgelegten Heideland noch freie Gräsung und Futter für 2 Kühe; 3 Tonnen Roggen, 2 Tonnen Buchweizen. -20 Fuder Plaggentorf. - 35 Reichstaler bar. Hitzhusen: Wohnung vorhanden, auch Schulland; dazu Futter für  1  Kuh;

3 Tonnen Roggen, 2 Tonnen Buchweizen. - 12 Fuder Torf. 30 Reichstaler bar.

Wiemersdorf: Wohnung vorhanden; außer dem Heideland freie Gräsung und Winterfütterung für 2 Kühe. 4 Tonnen Roggen, 2 Tonnen Buchweizen. - 22 Fuder Plaggen; 45 Reichstaler bar.

Hasenmoor: Haus in Ordnung; freie Gräsung und Futter für 1 Kuh. 3 Tonnen

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1) Wider Erwarten wird in dem Regulativ nicht die Dauer der Schulpflicht erwähnt. Tatsächlich bestand sie für Mädchen acht, für Knaben dagegen neun Jahre hindurch, im Gegensatz zu den südelbischen Staaten samt Hamburg. Man fragt sich, aus welchem Grunde diese Unterschiedlichkeit zwischen männlichen und weiblichen Kindern hergeleitet worden sei. Sollte damit eine ungleiche Befähigung der Geschlechter angedeutet werden? Glaubte man, das Mädchen bedürfte weniger der Schulkenntnisse? Stellte man in Rechnung, daß der Knabe vermutlich stärker die Möglichkeit der Dispensation in Anspruch nehmen werde? Man braucht ja so manchen Hirtenknaben und Beifahrer und Pflugreiter und Garbenbringer! - Wie dem auch sei: in der einklassigen Schule hat der Schüler des neunten Jahres kaum mehr lernen können als das Mädchen im achten Jahre.

 

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Roggen; 10 Fuder Torf. Bar 4 Reichstaler Legatengeld, 15 Reichstaler aus dem königl. Schulfonds, 11 Reichstaler vom Schuldistrikt.

Weddelbrook mit Mönkloh und Hasselbrook: Haus vorhanden; Land und Futter für 1 Kuh. - 4 Tonnen Roggen, 2 Tonnen Buchweizen. - 20 Fuder Torf. Bar 35 Reichstaler.

1829.   Organist Prüssing, bisher in Segeberg, wird durch Propst Nissen angemeldet für Bramstedt. Pastor Kall möge seine Einführung in das Amt stellvertretend vollziehen; ihm wird gleichzeitig August Gartmann empfohlen als der von Pr. angenommene und vom Propsten bereits geprüfte 2. Lehrer. - Die Überführung nach hier, Mann und Weib und Kind und Kegel umfassend, geht zu Lasten der Kirche.

 

Vom Schulgeld

 

1830.   Der Schulvorsteher Jasper Schmidt hat dem Visitatorium berichtet, wie es in Bramstedt mit dem Schulgehalt gehalten wird. Jeder "Eingesessene zahle jährlich zwei Reichsbanktaler. Dem Schullehrer wird vierteljährlich sein Anteil ausgekehrt. Verbleibende Überschüsse werden aufgespart, bis daraus eine Quartalszahlung gedeckt werden kann. So ergebe sich hin und wieder eine Verschonung der Pflichtigen für ein Vierteljahr.

Dies Verfahren wird vom Amtmann und Propst nicht anerkannt, da es mit dem Regulativ nicht stimme. Pastor Kall soll untersuchen, welche Beweggründe zu dieser Abweichung verleitet haben. Wenn dazu allein die Schwierigkeit, welche das Ab- und Zuwandern der Häuersleute macht, der Anstoß sein sollte, so ist den Schulvorstehern kenntlich zu machen, daß eben dieses Umstands wegen der Überschuß der Kasse leicht denen zugute kommt, die dazu nicht beigetragen haben. Letzten Beschluß behält sich das Visitatorium vor.

Dieser endgültige Entscheid folgt bald:

Nach bestehender Vorschrift haben die Schulvorsteher, sobald der jetzt vorhandene Überschuß verbraucht ist, bei jedem Termin, was die Eingesessenen betrifft, sie mögen Kinder haben oder nicht, von Häuerlingen und Altenteilen aber nur, wenn sie schulpflichtige Kinder haben, einen gleichen Beitrag einzufordern. Nur notorisch Arme, die ihre Wohnung nicht selbst bezahlen können, sind nach Befinden ganz oder teilweise zu übergehen. Eingesessene, die mehr als eine Stelle besitzen, zahlen einfachen Beitrag. Angenommene oder dienende fremde Kinder werden zur »Familie« gerechnet, fallen also nur ins Gewicht, wenn sie bei Häuerlingen oder Altenteilern untergebracht sind, die keine schulpflichtigen Kinder haben. –

Wonach die Prediger sich ihre Listen einzurichten und einzureichen haben.

(gez.) von Rosen       Nissen.


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Schulvorsteher

 

Das Kirchenvisitatorium an Pastor Kall.

Der Schulvorsteher Johann Anton Schmidt ist am 26. Julius 1830 zum Sch.-Vorst. ernannt worden. Er hätte 1833 abtreten sollen. Hier ist bekannt geworden, daß er inzwischen seine Drittelhufe verkauft hat und zur Miete wohnt. Häuerlinge aber sollen mit solchem »Amt auf bestimmte Jahre« nicht beschwert werden. Das Visitatorium ersucht um baldigen Vorschlag einer geeigneten Person.

1834                                                                                                                   (gez.) Nissen.

 

Die Bürger klagen an

 

4. Jan. 1838. Propst Nissen teilt dem Pastor Gerber mit, daß auf Anregen der Kgl. Regierung ihm aufgetragen worden sei, den Zustand des Bramstedter Schulwesens an Ort und Stelle zu untersuchen. Die dortige Schulkommüne habe bei der Regierung Vorstellungen wegen Mängel derselben gemacht. Er werde am 9. Januar im Flecken eintreffen, um in den folgenden Tagen die Untersuchung vorzunehmen;

Bald landet beim Pastor ein Schreiben des Superintendenten Herzbruch.

Dieser hat am 10. Januar eine Reihe von Schulinteressenten vernommen. Einhellig klagen sie, daß die Schüler und Schülerinnen der Oberklasse, wo der Organist Prüssing allein unterrichtet, wenig lernen, und selbst diejenigen, welche die Schule den Winter über und teilweise auch den Sommer über besuchen, sehr geringe Fortschritte machen, ja sogar mancherlei froher Erlerntes vergessen.

Wegen der Ursache berufen sie sich auf Aussagen der Schüler und auf Mutmaßungen.

Hochehrwürden kenne den Organisten nach seinen Fähigkeiten und seinem Charakter, kenne auch die äußeren Schwierigkeiten, die in den Verhältnissen der Schule ihren Grund haben mögen. So bittet der General-Superintendent ihn um eingehenden schriftlichen Bericht.

 

Pastor Gerber als Richter

 

Schon am nächsten Tage entledigt sich unser Pastor seines Auftrages. Unter Fortlassen der Einleitung geben wir seinen Bericht wieder. Daß die Schüler der hiesigen Oberklasse im Verhältnis zu ihrem Alter im allgemeinen nicht befriedigende Fortschritte machen, habe ich allerdings auch schon in der kurzen Zeit meiner hiesigen Amtsführung (seit Ostern 1836) wahrnehmen müssen. Was die Ursache dieses niedrigen Standes betrifft, so möchte ich freilich nicht ganz in Abrede stellen, daß sie, einem gewissen Teile nach, auch an dem Lehrer liege. Wenngleich ihm einerseits ein gutes natürliches Talent und, wenigstens zum Teil, gute Kenntnisse nicht abgehn mögen, welches beides ich in- und

 

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außerhalb der Schule, namentlich auch aus der von ihm zur weiteren Beförderung an den Kirchenpropsten bei mir eingereichten Beantwortung der im Jahre 1857 aufgegebenen drei schriftlichen Fragen zu ersehen Gelegenheit gehabt habe, so mag es andernteils doch auch wohl sein, daß eine gewisse innere Zerworfenheit und Unzufriedenheit mit diesem und jenem Verhältnis, und eine gewisse, Zeit und Kraft zersplitternde Vielgeschäftigkeit ihm beiwohnt. Auch daß er, wie ich aus gelegentlichen Äußerungen schließen möchte, von Anfang an keine entschiedene Vorliebe und Begeisterung für das Schulfach gehabt hat, welches alles denn nachteiligen Einfluß auf seine Amtsverwaltung gehabt haben mag, namentlich in den Zeiten, wo er nicht beobachtet ward und keine besonderen Impulse von außen her hatte. Wenn er nun von demjenigen Geist des Lehrers, der zu einer gesegneten und erfolgreichen Amtsführung erforderlich ist, nicht ganz erfüllt sein mag, so habe ich doch nicht bemerken können, daß er sich in die Augen fallende Vernachlässigungen seiner Pflicht, z. B. Aussetzung von Unterrichtsstunden, Beschäftigung mit Allotriis, Abweichen von der Stundentabelle u. dergl. habe zu Schulden kommen lassen. Wenigstens habe ich ihn bei meinen unangemeldeten Schulbesuchen in gehöriger Tätigkeit gefunden. Wäre in meiner Abwesenheit Ungehöriges vorgefallen, wie mehrere Schulinteressenten behaupten sollen, und zwar nach Angabe der Kinder, so konnten solche Äußerungen, der Natur der Sache nach, mir nicht wohl zu Ohren kommen. Kein Schulinteressent hat bei mir gegen den Lehrer Prüssing Beschwerde geführt. Auf einzelne gelegentliche, durch keine erweisliche Tatsache gestützte Äußerungen glaubte ich kein Gewicht legen zu dürfen. Jedoch habe ich die Schulvorsteher, als offizielle Personen, mehrmals über die Gründe solcher Unzufriedenheit befragt, aber von ihnen nur die Antwort erhalten, daß sie nichts darüber sagen könnten. Hätte ein Schulinteressent bei mir eine, wenn auch allgemeine Beschwerde angebracht, so hätte ich der Sache größere Aufmerksamkeit gewidmet und sie auch zu höherer Untersuchung empfohlen.

Das Fortschreiten der Schüler wird bestimmt auch gehemmt durch äußere Umstände, durch den mangelhaften Organismus der hiesigen Fleckensschule. Dahin rechnet:

1.  Die für Lehrer und Klassen unverhältnismäßig große Zahl von Schülern: die Oberklasse hält 130-137.

2.  Die Schwäche des für das Schulfach gar nicht gebildeten Lehrers der Elementarklasse, welcher ein von Pr. angenommener Gehilfe desselben ist.

3.  Daß die Kinder wegen der Überfüllung und der Schwäche des Lehrers der Elementarklasse sehr unreif in die auch überfüllte Oberklasse eintreten, in welche sie meistens ohne allen Anfang der Geistesentwicklung einrücken.

4.  Das gänzliche Aufhören des Schulunterrichts von Ostern jedes Jahres bis zum 12. Oktober (Jahrmarkt), oder wohl gar bis Martini. Den traurigen Folgen in Gewißheit der allgemeinen Schulordnung zu begegnen, bemühte ich mich, die Schüler im Sommer zweimal wöchentlich zur Schule zu bringen, was mir 1836 einigermaßen, 1837 so gut wie überhaupt nicht gelungen ist.

 

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Gerber schließt mit dem Bedauern, daß die Tatsache des unbefriedigenden Zustandes der Schule nicht zu leugnen sei, daß er aber nicht wage zu entscheiden, ob die Ursache dafür angesichts der gekennzeichneten äußeren Hemmnisse in der Amtsverwaltung des Lehrers zu suchen sei.

Die Angelegenheit Ihrer Magnificenz dem Herrn General-Superintendenten zu geneigter Fürsorge empfehlend, verabschiedet sich gehorsamst unser Prediger und Schulinspektor.

 

Von der wechselseitigen Schuleinrichtung

 

Hiermit wird eine Einrichtung bezeichnet, deren Wesenheit keineswegs mit ihrem Namen schon sinnfällig wird. Es ist aber eine Sache, die durch Jahrzehnte auch für die Schulen unseres Kirchspiels eine sehr erhebliche Rolle gespielt hat, die demnach auch an dieser Stelle zu beleuchten ist.

1839 verkündet die Königliche Schleswig-Holsteinische Regierung auf Gottorf allen Schulbehörden und Lehrern, was folgt:

»Die wechselseitige Schuleinrichtung ist alsdann für vollständig eingeführt zu erachten, wenn in der Schule außer der allgemeinen Einteilung aller Schüler in zwei oder drei Hauptklassen, welche abwechselnd unmittelbar (vom Lehrer) unterrichtet werden:

1.   sämtliche Elementarschüler im Lesen, Rechnen und Schreiben nach ihren Kenntnissen und Fertigkeiten in Stufen oder Lektionsklassen abgeteilt sind, welche während des unmittelbaren Unterrichts der Hauptklasse vermittelst angestellter Gehilfen sich selbst beschäftigen und das bereits Erlernte üben und befestigen;

2. die zu diesem Zwecke erforderlichen äußeren Hilfsmittel, Utensilien und Einrichtungen vorhanden sind - Tabellen oder andere Lehrbücher und die zu dem Gebrauche der Tabellen erforderlichen Einrichtungen in der Schulstube und an den Schultischen; und

3. zur Erhaltung guter Ordnung über die Anstellung und den Wechsel der Gehülfen Protokoll geführt wird, und eine zweckmäßige Zensur der Schüler stattfindet.

Wo in den Schulen eins dieser Stücke mangelt, das eine oder andere aber sich findet, da ist nur eine teilweise Anwendung der wechselseitigen Schuleinrichtung vorhanden.«

Eine Königliche Kommission hatte für die Verbreitung dieser Methode sich einzusetzen. Die Schulen hatten durch tabellarische Jahresberichte nachzuweisen, wie weit sie in dieser Sache sich betätigt hatten.

Dem Laien diene noch die Bemerkung zum Verständnis, daß man auf diesem Wege besonders den meist einklassigen Dorfschulen und überhaupt wenig gegliederten Schulen dienen wollte. Während der Lehrer eine Gruppe unterrichtete, sollten von ihm ausgewählte tüchtige Schüler etwa an einer oder mehr

 

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Gruppen ihre pädagogischen Helferdienste leisten. Eine Sache, die unter tüchtiger Leitung wohl förderlich sein, aber, wo diese fehlt, auch zum Schrecken werden kann. Man denke sich eine Unterrichtsstunde, wo, während der Lehrer seiner »Hauptgruppe« die Geschichte vom reichen Mann und armen Lazarus fruchtbar macht, gleichzeitig einer seiner Gehilfen eine zweite Gruppe mit dem Einmaleins vertraut zu machen sucht und ein paar andere mit dem Zeigestock, die an der Wand hängenden Lesetabellen durchwandernd, ihre Schützlinge laut und unermüdlich buchstabieren lassen. Ja, so etwas hat es einmal gegeben, auch in Bramstedt.

 

Von Schulvorstehern

 

1839. Schriftsätze des Kirchenvisitatoriums belehren uns, daß die Schulvorsteher dreijährige Amtszeit haben. Im Flecken präsentieren der Kirchspielvogt und der Pastor zu gegebener Zeit drei Kandidaten, von denen dann das Visitatorium (Amtmann und Propst) einen ernennt und mit Bestallung versieht. Bramstedt hat zwei Männer dieses Amtes. Deren wiederkehrende gleichzeitige Wahl erweist sich als unpraktisch, da zeitweilig die Geschäftserfahrung fehlt. So bleibt ein Schulvorsteher ein Jahr länger im Dienst, bis dann der 1/3 Hufner und Gastwirt Hinrich Harbeck an seine Stelle tritt.

Von den Dörfern wird gemeldet, daß dort die Eingesessenen nach der Reihenfolge ihrer Wohnungen den Schulvorsteher präsentieren, welchem Beispiel Bramstedt nicht zu folgen vermöge.

 

Versorgung der Schullehrer-Witwen

 

1839. Die Regierung plant eine Versorgung dieser Witwen und meint, dabei müsse die »beikommende« Kommüne mit herangezogen werden, die etwa freie Wohnung mit Garten, Feurung, geringe Naturallieferung, nach Umständen Weide und Futter für eine Kuh hergeben könne. Von der durchweg geringen Dotierung der Schullehrer können nicht die erforderlichen Mittel genommen werden. Der Prediger soll die Sache in den Gemeinden zur Sprache bringen. Pastor Gerber wendet sich durch die Schulvorsteher der Dörfer - nicht des Fleckens - an die Gemeinden, um die Einstellung zu obigem Plan zu ermitteln. Gesprächsweise vernimmt er, auf vorgeschlagenem Wege könnte eine Kommüne ja in die Lage kommen, mehrere Witwen zugleich unterhalten zu müssen; auch wird die Haltung der Kuh, die leicht eine Last für eine alte Frau werden könne, für unpraktisch erachtet. Nun die offiziellen Bescheide:

1.   Hagen, Bauernvogt Claus Möller: die dortige Kommüne habe sich zur Leistung eines freiwilligen Beitrags nicht entschließen können.

2.   Fuhlendorf, Schulvorsteher Hartwig Runge: desgleichen.

 

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3.    Hasenkrug, Schulvorsteher und Bauernvogt Jürgen Fehrs: desgleichen, um so weniger, als große Ausgaben für Schulhaus-Neubau bevorstehen.

4.    Föhrden und Barlt, Schulvorsteher Soth und Böge: wie Hagen.

5.-10.  Hardebeck, Armstedt, Bimöhlen Brockstedt, Hitzhusen,  Wiemersdorf übereinstimmend: wie Hagen.

Beachtlich mag sein, daß diese Antworten bis zu drei Monaten verzögert worden sind. Verzögerung blieb auch fernerhin das wesentliche Merkmal dieser unbequemen Angelegenheit.

 

Schullehrer-Verein Kirchspiel Bramstedt

 

Seine Gründung ist im Jahre 1840 unter lebhafter Mitwirkung von Pastor Gerber erfolgt. Die Satzung, in gedrängter Form hier veröffentlicht, möge für ihn sprechen.

§ 1      Zweck angenehme, erheiternde Unterhaltung und Fortbildung im Beruf durch regelmäßige Zusammenkünfte, wo schriftliche Arbeiten, die die Mitglieder in bestimmter Reihenfolge zu liefern haben, vorgetragen und danach besprochen werden. Gegenstand dieser Aufsätze können sämtliche Fächer sein, wobei jedoch die praktische, auf Erreichung von Schulzwecken abzielende Richtung nicht aus dem Auge gelassen werden soll.

§ 2      Sitzung in der Regel an jedem 6ten Donnerstag, im Winter von nachmittags 1 Uhr, im Sommer von 2 Uhr an, etwa 3 Stunden lang. Liegt Behinderung durch Feier- oder Ferientage oder aus anderen Gründen vor, so wird rechtzeitig ein anderer Tag bestimmt.

§ 3      Ort der Versammlung soll regelmäßig das Pastorat oder ein Klassenzimmer im Flecken sein. Aus praktischen Gründen kann auch einmal ein anderes Schulzimmer im Kirchspiel dafür vereinbart werden.

§ 4      Mitglieder sind zunächst die 10 Schullehrer, von welchen 8 ordentliche Mitglieder sind und die schriftlichen Arbeiten liefern. Schullehrer aus hiesiger Gegend können ohne Abstimmung als ordentliche Mitglieder aufgenommen werden, aus anderen Gemeinen mit Zustimmung von mindestens 2/3 der ord. Mitglieder.

§ 5      Für die Aufsätze wird eine möglichst reichhaltige Auswahl von Themen in Umlauf gesetzt. Aus dem vom jeweils Pflichtigen selbst gewählten Fach wird ihm der Gegenstand durchs Loos zugeteilt. Die Form steht dem Verfasser frei; auch bei religiös-moralischen Arbeiten ist die katechetische Form nicht durchaus erforderlich. In der Regel sind die Arbeiten nicht über 2 Bögen stark.

§ 6      Solange der Verein nur 8 Mitglieder hat, wird man bemüht sein, es so einzurichten, daß jedes Mitglied einmal im Jahre eine Arbeit liefert.

§ 7      Die Aufsätze werden vom Verfasser in gewöhnlicher Ordnung in Umlauf gesetzt und von den Mitgliedern mit Bemerkungen bedacht, sofern sie sich dazu veranlaßt sehen. Hierbei wie überhaupt werden die Mitglieder im Geiste gegenseitiger Achtung, Bescheidenheit und Mäßigung handeln, wie sehr auch die Ansichten von einander abweichen mögen.

 

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§ 8      Von dem Mitgliede, das als letztes den Aufsatz in die Hand bekommt, geht die Arbeit an den Prediger, der sie mit etwanigen Anlagen dem Verfasser zustellt, damit er sich möglichst vor der Sitzung mit den Anmerkungen befassen kann.

§ 9      Neben bewährten Aufsätzen können auch andere Stoffe des Wissens und Lehrens in der Sitzung verhandelt werden, wie es die augenblickliche Anregung ergeben mag. Dabei hat jeder sich der Kürze zu befleißigen. § 10 Baldtunlich wird ein Leseverein zur Haltung periodischer Schulschriften ins Leben gerufen werden. Vorläufig werden gelesen die Allgemeine Schulzeitung von Zimmermann und die Rheinischen Blätter von Diesterweg; einige Mitglieder lesen das Kählersche Schulblatt.

§ 11    Ein Mitglied, in der Regel derjenige, der die kürzeste Amtszeit in hiesiger Gemeine hat, führt Protokoll, das am Schluß zu verlesen ist. Aufbewahrt wird das Protokoll im Pastorat.

§ 12    Der Prediger nimmt, ohne Mitglied und stimmberechtigt zu sein, an den Sitzungen teil, leitet sie und wird bemüht sein, in jeder Weise, den nützlichen Zwecken des Vereins entsprechend, förderlich und dienstlich zu sein.

§ 13   Sollte einmal ein Mitglied durch ein nicht zu beseitigendes Hemmnis am Erscheinen behindert sein, so teilt er dies, wenn tunlich, dem Prediger mit.

§ 14   Diese Bestimmungen gelten solange, bis durch Mehrheit der Mitglieder

anders beschlossen werden sollte.

Gern wird jeder Leser die Selbstlosigkeit und das ideale Streben der Männer anerkennen, die zu solchem Bunde sich vereinigt haben. Wie weit ihr Vorhaben sich verwirklicht und Frucht getragen hat, wird dokumentarisch kaum nachzuweisen sein; das in der Satzung berührte Protokoll hat sich in den Kirchenakten, denen obige Urkunde entstammt, nicht angefunden. Doch sind nicht alle Spuren verweht. Ein sauberes Verzeichnis von Themen, deren Verhandlung dem Bramstedter Lehrerverein zur Wahl vorgeschlagen worden ist, wartet auf mit der imposanten Ziffer 108, davon allgemeine Pädagogik anlangend 44, Religionsunterricht 12, bibl. Geschichte und Religionsgeschichte je 1, Denkübungen 1, deutsche Sprache 10, Lesen 4, Schreiben 3, Mathematik und Arithmetik 6, Singen 5, Geographie 5, Naturkunde 7, Seelenlehre 3, Katechetik 6. Man wird mit Freuden feststellen, daß die Landschule wirklich aus dem geheiligten Rahmen des Lesens, Schreibens, Katechismuspaukens und Kirchengesanges herausgetreten war.

Von einigen Themen läßt sich feststellen, daß sie tatsächlich programmgemäß bearbeitet worden sind. Sie seien hier aufgezeichnet.

1.  Welches Ziel muß dem Lehrer bei dem Unterricht und der Erziehung seiner Zöglinge vorschweben? Beantwortet von Busch, Brockstedt.

2.  Sind die unmittelbaren Denkübungen notwendig und warum? Hansen, Bramstedt.

3.  Wie erwirbt sich der Lehrer am besten die Achtung, die Liebe und das Vertrauen seiner Schüler? Vieth, Elementarlehrer, Bramstedt.

 

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4.   Was hat ein Schullehrer zu berücksichtigen, wenn die erforderlichen Strafen ihren Zweck verfehlen? Welchen vorteilhaften Einfluß hat die wechselseitige Schuleinrichtung in dieser Beziehung? Ruperti, Brockstedt.

5.   Welcher Zweck soll dem Lehrer beim Religionsunterricht vorschweben? Fick, Gehülfe in Hagen.

6.   Wie beweiset man einem Juden, daß Christus der verheißene Messias sei? Paulsen, Hitzhusen.

7.   Wie läßt sich Gottes Allmacht, Weisheit und Güte aus einzelnen Erscheinungen in der Natur erkennen? Hamburg, Bramstedt.

8.   Was versteht man unter göttlicher Vorsehung? Warum ist diese Lehre so wichtig für den Menschen, und wie lassen sich die vielen Übel in der Welt mit dem Glauben an diese Lehre vereinigen? Prüssing, Bramstedt.

Von den übrigen Themen sei hier noch einem Dutzend Raum gegönnt.

1.   Wie hat der Lehrer den Geist einer edlen Gemeinnützigkeit in seinen Schülern zu wecken?

2.   Über die Mittel, Kinder vor dem Lügen zu bewahren, und die, welche an diesem Laster leiden, davon zu heilen.

3.   Kann der Lehrer auch für die körperliche Gesundheit seiner Schüler sorgen?

4.   Warum ist es besser, Kinder durch Liebe als durch übertriebene Strenge zu erziehen?

5.   Woher entsteht der mit Recht so verhaßte Schulmeisterstolz?

6.   Gedanken über die Worte: die Kirche ist die Mutter, die Schule die Tochter.

7.   Sind dem Menschen Anlagen zum Bösen angeboren?

8.   Muß es heißen: er trat mich auf den Fuß, oder: er trat mir auf den Fuß? - und warum?

9.   Wie viele und welche Redeteile hat die deutsche Sprache? - durch Beispiele erläutert.

10.Wie hat der Lehrer seinen Schülern die Lehre von den geometrischen Proportionen recht deutlich zu machen?

11.Belege aus der Geschichte für die Wahrheit des Wortes Lukas 1, 52: »Gott stößt die Gewaltigen vom Stuhl...«

12.Welchen Inhalt dürften zweckmäßige Vorlegeblätter für den Schreibunter richt haben?

Ein wahrhaft redliches Mühen tritt uns hier entgegen, und Pastor Gerber darf als Garant dafür gelten, daß die suchenden und drängenden Kräfte die vorgesetzte Richtung nicht verlassen haben.

Eine deutliche Spur vom Wirken dieses Vereins ist dem Chronisten in sicherer Erinnerung aus seiner Schulzeit. Eines Tages im letzten Quartal des Schuljahres ließ unser Lehrer Johann Fock uns »Probeschreiben« anfertigen mit nicht gewöhnlicher Sorgfalt. Die Bögen wurden zu einem Päcklein gebündelt und demnächst von einem oder zwei Jungen zu einem Lehrer des Kirchspiels (unter Wechsel der Ortschaft) getragen. Dieser zensierte dann die Schreibleistungen, um sie danach zurückzugeben. Für uns Kinder ein prächtiges Erlebnis, abgesehen

 

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davon, daß der Botenjunge gar keine geringe Aussicht hatte, im Nachbarorte von seinen Altersgenossen zum leiblichen Kampfe gezwungen zu werden, zumeist gegen eine Mehrheit, das forderte die Tradition.

Auch Lehrproben haben die Schullehrer vor ihren Kollegen freiwillig abgehalten. - Das war in den siebziger Jahren.

 

Finanzielle Lage der Schulkommünen

 

Eine offizielle Nachfrage hat das Ergebnis, daß im Jahre 1843 nur zwei Kommünen mit Schulden belastet waren, nämlich Bramstedt mit 13350 Mark und Hitzhusen mit 1600 Mark; ein Regierungserlaß sorgte für geregelten Abtrag der Schuld.

 

Schullehrer-Witwenkasse für Schleswig-Holstein

 (Vorbereitung 1845)

 

Flecken: Johann Christoph Hamburg, Hptl. Knaben.            alt 43¼      Frau 41¼

Georg Heinrich Prüssing, Hptl. Mädchen                               alt 50½     Frau 4511/12

Hitzhusen: Herrn. August Fick................................................ alt 25½

Föhrden-Barl: Hans Harder....................................................... alt 58¼     Frau 493/4

Hagen: Nikolaus Christiansen ................................................. alt 29½

Peter Harder, emeritus............................................................... alt 613/4     Frau 633/4.

Brockstedt: Heinr. Wilh. Ruperti ............................................. alt 35¼     Frau 42¼

Hardebeck - Hasenkrug: Friedr. Ferd. Busch......................... alt 28         Frau 33

Armstedt: Marx Bolling............................................................. alt 411/12    Frau 35

Wiemersdorf: Joachim Wittmack............................................. alt 4511/12   Frau 35½

Fuhlendorf: Hinrich Rickert   ................................................... alt 243/4     Frau 31

Bimöhlen: Hans Gehrd............................................................... alt 541/3     Frau 525/12

Dazu die beiden unverehelichten selbständigen Elementarlehrer in Bramstedt: Carsten Jacob Clausen, geb. 13. März 1822 und Fedder Jensen, geb. 25. März 18181).

 

Stand der Schullehrerbesoldung und der Schulgebäude 1847

(Nach amtl. Aufstellung)

 

Was seit Einführung des Regulativs verändert und in regulärem Stand ist:

a) Wohnung betreffend:

Armstedt: Vorhanden und jetzt gehörig verbessert.

Bimöhlen: Vorhanden, bedarf aber der Vergrößerung und Verbesserung.

Föhrden: Vorhanden. Aber das Umziehen von einem mäßigen nach einem noch

mäßigeren findet immer noch statt.

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1) Anmerkung: Die Reihenfolge entspricht der gewöhnlichen Ordnung, die beim Umlauf von amtlichen Nachrichten durch das Kirchspiel beobachtet wurde.

 

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Hagen: Vorhanden, 1834 neu gebaut; der Lehrer drängt auf Erweiterung.

Hitzhusen: Vorhanden, neu gebaut.

Wiemersdorf: Vorhanden.

Brockstedt: Vorhanden, neu gebaut 1840.

Hardebeck: Vorhanden, neu gebaut auf dem Schulland daselbst 1841.

b)  Dienstland:

Armstedt: Vorhanden, 1818 bei der Landaufteilung 9 Tonnen beigelegt.

Bimöhlen: Vorhanden, keine Veränderung.

Föhrden: Vorhanden, keine Veränderung.

Hagen: 2 Tonnen beigelegt, wofür die Strohlieferung weggefallen; statt 3000 jetzt 6000 Pfd. Heu. - Schullehrer nicht zufrieden.

Hitzhusen: Keine Veränderung; über Ergänzung wird verhandelt.

Wiemersdorf: 6 Tonnen Land, jetzt urbar; freie Weide hat daher aufgehört, dafür 12 Mark Weidegeld; Winterfutter für 2 Kühe (3600 Pfd. Heu und 2400 Pfd. Stroh; weil kein Wiesenwuchs ausgelegt ist).

Brockstedt: Bei der Landverteilung 1830/31 reichlich Land beigelegt, daher Heu- und Strohlieferung ausgefallen.

Hardebeck - Hasenkrug: 6 Tonnen kultiviertes,  6-7 Tonnen Heideland und eine vom Gutsbesitzer eingetauschte Rieselwiese, wofür die Heulieferung von Hardebeck ausfällt.

c)  Korn:

Hagen hat auf Anforderung der Regierung 1839 zwei Tonnen Buchweizen zugelegt, sonst ist überall nichts verändert worden.

d)  Feurung:

Armstedt: Statt 14 Fuder jetzt 32 000 Soden Torf, aber keine Plaggen, so verordnet von der Regierung 1838. - Die Schulvorsteher haben das nicht unterschreiben wollen und sich mit ihrem Lehrer geeinigt auf 7 Fuder Busch, 7 Fuder Plaggentorf und 6 Fuder Grubentorf.

Föhrden: Statt 9 jetzt 12 Fuder Torf nach Bescheid von 1845, daneben 6 Fuder Plaggen.

Bimöhlen: Nicht verändert.

Hagen: Statt 12 Fuder jetzt 24 000 Soden leichten Torf und 12 Fuder sogenannte Klotzen gemäß Bescheid von 1846.

Hitzhusen: Statt 12 Fuder jetzt 40 000 Soden Gruben-(Klotzen)Torf. Wiemersdorf: Statt 22 Fuder Plaggen jetzt 4 Fuder Busch und 18 Fuder Plaggen à 2000 Soden.

Brockstedt: Freiwillig soviel wie jeweils erforderlich.

Hardebeck - Hasenkrug: Nach Bescheid 21 700 Soden Plaggen und 6½ Fuder Busch, bei Bedarf freiwillig mehr.

e)  Gehalt in bar:

Armstedt: 10 Reichstaler Zulage laut Bescheid von 1839.

Bimöhlen: Unverändert.

Föhrden: Unverändert.

 

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Hagen: Unverändert.

Hitzhusen: 2½ Reichstaler Zulage.

Wiemersdorf: 8 Reichstaler Zulage, jetzt insgesamt 80 Reichstaler = 150 Mark.

Brockstedt: 10 Reichstaler aus dem staatlichen Schulfonds gestrichen und werden nun von der Kommüne entrichtet, wie auch 5 Reichstaler Zulage nach Bescheid von 1839, demnach insgesamt 35 Reichstaler = rund 66 Mark.

Hardebeck - Hasenkrug: Unverändert.

 

Fügen wir noch eine tabellarische Aufstellung über das Gesamteinkommen, abgesehen vom Wert der freien Wohnung nebst Feurung, hinzu. Wertangabe in Mark lübsch.

 

Ort

Schullandnutzung

Nutzung der Viehweide

Deputat: Korn u. Rauhfutter

Gehalt in bar

Antritts-geld

Insgesamt

Wiemersdorf

73 3/4

2 Kühe 32

K. 50

150

 

392 3/4

 

 

 

R. 81

 

 

 

Hardebeck

103

 

K. 46

125

 

373

 

 

 

R. 99

 

 

 

Armstedt

52½

2 Kühe 40

K. 42

120

 

254½

Bimöhlen

104

 

K. 46

90

243½

Brockstedt

111

3 Kühe 25

K. 46

105

 

287

Föhrden-Barl

193½

 

K. 39

90

1½

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Weitere Berichte liegen nicht vor. - Schulvorsteher und Lehrer haben gemeinsam die nötigen Abschätzungen ausgefertigt, also Vertreter entgegenstehender Interessen. So darf man der Feststellung der Preise, die nach dem Durchschnitt der letzten 10 Jahre zu berechnen waren, Wert beilegen. Demnach kostet derzeit 1 Tonne Roggen 9-10, 1 Tonne Buchweizen 7½, 1 Tonne Hafer 4, 1 Tonne Kartoffeln1½, 1 Zentner Heu 1½, 1 Zentner Stroh 1 1/3 Mark lübsch, die umzurechnen ist mit heute 1,20 RM. Wissenswert ist es, daß damals der Ernteertrag geschätzt worden ist: für Roggen das 5fache, für Buchweizen das 8-10fache, für Hafer das 6fache und für Kartoffeln das 8-9fache der Aussaat.

 

Dispensation von Schulkindern

 

Der Pastor bringt in Erinnerung,

... »Jedoch darf kein Kind, wes Alters es sei, in den sechs Monaten vom 1. November bis 1. Mai um der Feldarbeit oder der Landwirtschaft willen dispensiert werden. Die kleineren Kinder, und zwar in der Regel die unter 9 Jahren, dürfen wegen Arbeiten für die Eltern vom Schulbesuch überall nicht dispensiert werden.« Ansuchen der gedachten Art können demnach nicht berücksichtigt werden.

29. März 1845.                                                                                                 (gez.) Gerber.

 

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1852 geht ein Rundschreiben durch das Kirchspiel, das hinzielt auf die Feststellung der Modifikationen, die die Schulordnung von 1814 in der Gemeindeschule erfahren haben möchte, sowie auf Drucklegung der genannten Ordnung samt den in Geltung stehenden Abweichungen.

Bei dieser Gelegenheit ergibt sich eine Möglichkeit, Schulvorsteher und Lehrer der Dörfer nachzuweisen, wie hier geschieht.

Hitzhusen:      Lehrer G. A. Fick;                         Schulvorsteher Jochim Dohse und

Karl Reimers.

Föhrden:         Lehrer H. Harder;                          Schulvorsteher Johann Fock.

Hagen:                Lehrer Christiansen;                 Schulvorsteher W. A. Fock.

Brockstedt:    Lehrer H. W. Ruperti;                   Schulvorsteher A. v. Döhren.

Hardebeck:     Lehrer Busch;                               Schulvorsteher F. Baumann.

Armstedt:       Lehrer M. Bolling;                        Schulvorsteher M. Rabe.

Wiemersdorf: Lehrer C. W. Schmalmack;         Schulvorsteher H. Clasen und M. Reher.

Fuhlendorf:     Lehrer J. Lüthge;                          Schulvorsteher M. Schümann.

Bimöhlen:       Lehrer H. Gehrt;                            Schulvorsteher Hinrich Wischmann.

1868 Turnunterricht wird von Preußen für alle Stadt-, Fleckens- und Gemeindeschulen eingeführt; der »neue Leitfaden für den Turnunterricht in den Preußischen Volksschulen« wird durch die Regierung den Gemeinden vorgeschrieben.

1869 Pastor Kroymann übermittelt pflichtgemäß an die Schulkollegien ein Schreiben, wonach die Rechnungsführer alle, die mit ihrer Verpflichtung gegen die Schulkasse in Rückstand geblieben sind, ohne Säumen bei der Kgl. Steuerkasse in Bramstedt zu exekutivischer Beitreibung zu melden haben. Dabei ist festzustellen, daß nunmehr auch Weddelbrook zum hiesigen Schulbezirk zählt, dagegen Brockstedt ausgeschieden ist.

Schulgeld 1850: Kinder aus einem fremden Schulbezirk: jährlich 3 Mark 12 Schilling, gegebenenfalls aus der Armenkasse zu entrichten.   Die Regierung.

1869. Turnunterricht. Die erziehliche Bedeutung des Turnens ist den Lehrern und der Bevölkerung zum Bewußtsein zu bringen. Bericht über bisherigen Betrieb dieses Unterrichtes. Bericht, welche Lehrer des Bezirks befähigt sind:

a)    den vollen Turnunterricht zu erteilen   )

b)    wenigstens die Freiübungen                 )   nur Knaben

c)    überhaupt nicht                                     )

Kgl. Reg.

1871, 26. 6. Propst Springer meldet dem Pastor Kroymann die Visitation an.

Die Darstellung betrifft, um Wiederholung zu umgehen, das ganze Gebiet der Heimsuchung.

»Kirchenvisitation am Sonntag, d. 16. Juli. Am Sonnabend vormittags werde ich 2 Schulen, die Sie auswählen, an Ort und Stelle visitieren. Sämtliche Schüler, auch die kleinsten, versammeln sich; die Eltern und Schulinteressenten sind

 

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einzuladen. Den Lehrern, bitte ich, am 14. Juli die Aufgaben für eine höchstens halbstündige Katechisation zu geben:

dem einen Matth. 13, 33: Das Himmelreich gleich einem Sauerteige

dem andern Matth. 13, 47-50: Das Himmelreich gleich einem Netze.

In der Schule wünsche ich vorzufinden ein Verzeichnis dessen, was im letzten Jahre behandelt ist. Ihre Anwesenheit wird mir sehr angenehm sein.

Am Sonntag Gottesdienst zu gewöhnlicher Zeit. Danach Examen in der Kirche, wozu sich die Konfirmanden dieses Jahres und die größeren Schulkinder einzufinden haben. Danach in der Organistenschule Prüfung zweier Schulen, die Sie auswählen. Die Schüler haben ihre Schreib- und etwanigen Aufsatzhefte mitzubringen. Den Lehrern werde ich am 15ten nachmittags eine Aufgabe für diese Prüfung geben. Nach Beendigung versammeln sich sämtliche Lehrer, die Schul- und Armenvorsteher und alle Gemeindeglieder, die dem Visitatorium etwas vorzutragen wünschen, im Pastorenhause. Der Tag der Visitation ist in gewohnter Weise bekannt zu geben. Vorzulegen sind die Kirchenbücher, die Rechnungen und Verzeichnisse, namentlich Ihrer Accidentien (Zufallseinnahmen), die Protokolle über die Verhandlungen des Kirchenvorstandes und der Schulkollegien, die Schulprotokolle und Abrechnungen, Bericht über die Schulden der Schulkommüne, ein Extrakt aus den Kirchenrechnungen der letzten 3 Jahre, und die Angabe des Textes und der Disposition der am Visitationstage zu haltenden Predigt. Ferner habe ich zu bitten um Nachricht über Amtsführung und Wandel der Lehrer Ihrer Gemeinde und über Wirkung des Strafverfahrens wegen Schulversäumnis gemäß Anordnung vom 13. Febr. 1869. Ferner Angaben

1.    über Anfangs- und Endtermin, sowie wöchentliche Stundenzahl für Vorbereitung der Konfirmanden;

2.    darüber, wie oft Sie die Schulen besuchen;

3.    über die Zeit des Gottesdienstes an Sonn-, Fest- und Werktagen;

4.    über Besuch des Gottesdienstes in den letzten 3 Jahren, ob die Sabbathsordnung jährlich verlesen worden, ob Übertretungen dagegen angezeigt worden sind, die Zahl der Geborenen jedes Jahres und der unehelichen darunter, und was sonst etwa über den Stand der Gemeine zu bemerken ist;

5.    ob und wann Fasten- und andere Wochenpredigten, die Eidespredigt und Kirchenkatechisationen gehalten werden;

6.    wie es mit dem Religionsunterricht und mit den Leistungen im Singen von Kirchenliedern in der Schule steht;

7.    über die Verwaltung der Klingelbeutelgelder, die Zahl der unterstützten Einzelnen und Familien, die größte und die kleinste Bewilligung.

Für sonst noch anzubringende Nachrichten würde ich dankbar sein. Jeder Lehrer hat einen Bericht zu liefern, aus dem zu ersehen: die Schülerzahl in jedem Semester der letzten 3 Jahre und wie allgemein die Schule sich gehalten. Besondere Hindernisse, die etwa der Wirksamkeit der Schule entgegenstehen, sind anzugeben. Dieser Bericht ist vor der Visitation abzuliefern, und ich bitte, ihn in mein Zimmer zu legen.

 

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Endlich ersucht Sie das Visitatorium, die in Ihrer Gemeinde befindlichen Armenkollegien aufzufordern, Nachricht zu geben über den Stand des Armenwesens in den letzten 3 Jahren, gemäß Verordnung vom 10.7.1865, entweder zum Visitationstage bei Ihnen einzuliefern oder spätestens 4 Wochen danach an das Kirchenvisitatorium. (Von solchen Teilen des Armenbezirks, die außerhalb Ihres Kirchspiels liegen, ist keine Nachricht einzufordern.)

Obgleich die Kirchenvisitation jetzt nur einen Tag dauert, bitte ich Sie, mich  2 Nächte zu beherbergen, weil ich sonst nicht fertig werden kann.

Der Herr Baron (Amtmann) wird selbst Mitteilung machen über seine Beförderung.

Ich ersuche Sie, mir Pferde zu besorgen, die mich am Freitag, d. 14. Juli, um  3 Uhr von Segeberg nach Bramstedt bringen; ferner solche, die mich am Sonnabend, den 15ten, morgens 8 Uhr, in die erste der zu visitierenden beiden Schulen, nach 1½-2 Stunden in die zweite, und aus dieser nach beendigter Prüfung wieder nach Bramstedt fahren; endlich solche, die mich am Sonntag, d. löten, nach mittags wieder nach Segeberg befördern.

Da ich jetzt allein diese Anzeige zu machen habe, sende ich sie nicht wie früher durch den Boten, sondern mit der Post. Ich erbitte mir aber umgehend Nachricht darüber, daß Sie sie erhalten haben. In derselben bitte ich auch zu bemerken, um welche Stunde der Gottesdienst beginnt, damit ich dem Herrn Baron Nachricht geben kann.«  

Der Ihrige    Springer

Herrn Pastor Dr. Kroymann, Bramstedt

 

Man wird die Belastung des Herrn Propsten gern anerkennen. Es war aber andrerseits von alters her für erstklassige Beköstigung gesorgt, wofür die Frau Pastorin ihre ganze Kunst einsetzte. Aus alten Kirchenrechnungen stellt man wiederholt fest, daß solche Tage die Kirchenkasse nicht weniger belasteten als die Lehrtätigkeit des Organisten, aufs ganze Jahr verrechnet. So stand die geistliche Leistung wohl mit der leiblichen in der Waage.

Wilhelm Struve ist der erste Organist, von dessen Leben und Wirken deutliche Spuren überliefert worden sind. Im besonderen hat er auch schätzenswerte Aufzeichnungen über wichtige Ereignisse im Flecken hinterlassen. So widmen wir ihm hier noch ein paar Zeilen.

1731 hat er sein Amt angetreten. 1781 beurkundet Amtmann v. Schumacher, daß W. Str., diesem Organisten und Schulhalter, in Betracht seines hohen Alters sein ältester Tochtersohn Wilhelm Christian Warnholtz zum Gehilfen und späteren Nachfolger gegeben wird. Letzterer sei bereits geprüft und habe seinen Eid geleistet. Solange sein Großvater lebt, hat er sich mit dem zu begnügen, was dieser mit ihm ausmacht. Später soll er voll in dessen Rechte eintreten. Noch 1771 ist Struve im Amte; man bezahlt ihm 60 Mark für Beköstigung der Prediger während der Vakanz.

1768. Obrigkeitliche Mahnung, es solle tunlichst das ganze Jahr hindurch, etwa die Erntezeit ausgenommen, unterrichtet werden. Wenn Kinder nicht kommen,

 

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soll nachgeforscht und möglichst Abhilfe geschafft werden. - An guten Schulmeistern fehle es nicht

Diese Klage über schlechten Schulbesuch wiederholt sich ziemlich bei jeder Visitation. Auch das Einziehen des Schulgeldes für die fehlenden Kinder scheint nur lässig geschehen und ohne Erfolg gewesen zu sein.

1799 wird Pastor Stössiger aufgefordert, diesem Übelstande schärfer nachzuforschen und möglichst die Ursache dafür aufzudecken.

1850. Organist Prüssing bittet um Erhöhung seines Gehalts. Seine Einnahmen legt er dar:

1.   Als Organist und Küster:

Hebung im Flecken   ....................................................................     17 Mark   8 Schilling

Fastnacht aus der Kirchenkasse   .............................................     94 Mark   2 Schilling

Hebung im Flecken und Landheur   ..........................................     23 Mark

Hebung von den Dörfern  ..........................................................     93 Mark 12 Schilling

Akzidenzien................................................................................... 130 Mark

Umtragen des Klingebeutels.......................................................       9 Mark

            404 Mark   8 Schilling

2.   Als Schullehrer:

Gehalt bis 50 Mark, nun  .............................................................     90 Mark

Feurung für Haushalt...................................................................     66 Mark

An Roggen, Buchweizen, Heu und Stroh................................. 110 Mark

Grasgeld für 1 Kuh   ....................................................................     18 Mark

Vergütung für Hand- und Spanndienste..................................     47 Mark   8 Schilling

            315 Mark   8 Schilling

               Summe 720 Mark

 

1859. Auf Grund des Regulativs von 1842 wird die Verteilung der Kosten für Bau und Unterhaltung des Organistenhauses folgendermaßen geregelt: ¼ trägt der Flecken allein, 3/4 das Kirchspiel mit Einschluß des Fleckens.

 

Wie Siegfried Bock ums Jahr 1834 Schullehrer in Bramstedt wurde

(Von ihm selbst erzählt; hier gekürzt)

 

Er wandert auf der endlosen Landstraße dahin. Stiefel und Strümpfe hat er auf Rat seiner Mutter ausgezogen, um sie zu schonen. An beiden Seiten des Weges stehen Pappeln. Er springt die Böschung hinunter, um seine Füße zu kühlen und mal zu trinken. Da er nach seiner Berechnung da sein muß, macht er sich zurecht. Er betrachtet die Blumen um sich herum, unter denen ihm der ihm unbekannte Ginster auffällt. Ein Herr mit einer Botanisiertrommel hat ihn beobachtet, und er nennt ihm den Namen der Pflanze. Sie kommen in eine Unterhaltung, und es stellt sich heraus, daß sie den gleichen Weg gehen. Er ist der Apotheker von Bramstedt. Bock erzählt ihm auf Befragen, daß er aus Angeln komme und die

 

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ganze Nacht durch gewandert sei; er wolle sich um die freie Lehrerstelle in Bramstedt bewerben. Am Eingang des Ortes trennen sie sich. Bock sucht zunächst ein Wirtshaus auf. »Je näher ich meinem Ziele kam, desto leichter wurde mir zu Mute. Mit Vergnügen betrachtete ich die freundlichen kleinen Häuser. Man hatte hier offenbar einen guten Geschmack. Denn die Häuser waren größtenteils mit Rosen-, Wein- und Efeuspalier geschmückt, und auf den Fenstersimsen sah ich farbenprächtige Kamelien und Geranien.« Auf Erkundigung erfuhr er vom Wirt, daß er selbst der Bürgermeister sei. Der rät ihm, nun zum Pastor zu gehn. Dort empfängt ihn die 18jährige Tochter. »Eine einfachere Kleidung als diejenige dieses Fräuleins mit dem Nonnengesicht, auf welchem der geistliche Hauch des Hauses deutlich zu spüren war, habe ich nie gesehn.« Der Pfarrer war ein 50jähriger rüstiger Mann mit tiefernsten Gesichtszügen. Er erkundigte sich, ob Bock Seminarist sei, was dieser verneinte. Die Stelle war gut dotiert: 100 »alte« Taler jährlich. (Der Wert des Talers war damals sehr viel beträchtlicher als heute; man kaufte z. B. 1 Pfund Butter für 3½ Schillinge, deren 48 auf einen Taler gingen.) Er soll sich nun noch dem Kirchspielvogt und dem Verwalter des adeligen Gutes vorstellen. Er geht zunächst zu letzterem. »Von einem Knaben nach einem großen, an der Südseite einer marktplatzartig sich erweiternden Straße belegenen Hause gewiesen, machte ich zunächst dem daselbst stehenden stolzen Roland einen kurzen Besuch.« Der Verwalter war ein schlicht und recht aussehender Mann mit ehrlichem, wenn auch nicht gerade intelligentem Gesicht. Er sagt auf Plattdeutsch, daß er ja von der Sache nichts verstehe. Das Untersuchen der Papiere überlasse er den andern Herren. Er klagt, seit der Schulmeister dot sei, hätten sie gar keine Solopartie mehr; ob er Karten spielen könne. Als das bejaht wird, ruft er: »Min Stimm hebbt Se!« - Bock wird nun zum Essen eingeladen. Es gibt Buchweizenpfannkuchen und Buttermilch; es schmeckt ihm herrlich. Dann unterhalten sie sich sehr angeregt über Landwirtschaft. Als die Hausfrau hört, daß er die ganze Nacht über gewandert sei, packt sie ihn aufs Sofa, und er schläft fest. Nach Stunden weckt sie ihn; denn der Pastor habe geschickt, er möge noch mal zu ihm kommen. Er muß aber doch erst noch eine Tasse Kaffee trinken. Dabei erzählen sie ihm noch einiges über das Gut. Der jetzige Besitzer, ein alter gelehrter Mann, komme seit Jahren nicht mehr aus seinem Zimmer heraus; er sitze den ganzen Tag und schreibe und sei überhaupt ein ganz sonderbarer Mensch. - Nun zum Pastor. Der teilt ihm mit, daß das Schulkollegium am Nachmittag eine Sitzung gehabt und ihn zum Inhaber der vakanten Stelle ernannt habe.

 

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XI. VON DER APOTHEKE UND DEN ERSTEN ÄRZTEN

 

(Nach Dokumenten des Staatsarchivs zu Kiel, A XVIII 4455)

 

Henning Müller, früher in Krempe wohnhaft, richtet 1773 ein Gesuch an den dänischen König, worin er um die Erlaubnis bittet, in Bramstedt eine Apotheke einrichten zu dürfen.

Der Amtmann von Schumacher, derzeit hier ansässig, meint in seinem Gutachten, eine Apotheke im Flecken könne wohl wenig nützen, wenn nicht jemand da wäre, der die Medizin geschickt zu brauchen wisse. Es liege zunächst das Bedürfnis nach einem geschickten Arzt vor. In Bramstedt seien immer ein oder zwei Chirurgen1) gewesen, und es sei dann oft als ein Übelstand empfunden worden, daß die nötigen Medikamente nicht zur Hand waren. Müller habe ein sehr gutes Zeugnis und auch die Berechtigung, in Notfällen, wenn kein Arzt zu bekommen sei, selbst Medikamente zu verschreiben. - Er sei dafür, daß man ihm die Genehmigung erteile; er könne ja an Koch eine Abgabe entrichten.

Trotzdem wird das Gesuch abschlägig beschieden, weil das dem Apotheker Koch zu Segeberg eingeräumte Privilegium sich auch auf Bramstedt erstrecke.

Aus demselben Jahre liegt ein Schreiben Schumachers folgenden Inhalts vor: Es sei am Orte ein Chirurgus vorhanden, der aber wegen hohen Alters und zitternder Hände nichts Rechtes mehr ausrichten könne. Er hoffe, daß der Gesund-

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1) Unter dem »Chirurgen« haben wir in diesem Falle einen Wundarzt zu verstehen, dessen ärztliche Funktion sich auf die Behandlung von Wunden beschränkte, sofern er nicht eigenmächtig über den Bereich seiner »Gerechtsame« hinausging. Wir lesen, daß um 1810 in Bramstedt ein Capito als solcher gewirkt hat, auch, daß um 1775 ein alter zittriger Mann dieses Gewerbes waltete. Die sichere Kunde über die Ausübung dieses Berufszweiges hierorts geht erheblich weiter zurück. Eine Urkunde vom 4. Dezember 1613 bekundet, daß König Christian IV. dem hiesigen »Baibier« Hans Moelken (Moyelke) die Genehmigung, sich hierorts als Wundarzt zu betätigen, erteilt, mit dem Zusatz, daß er keiner Nachlässigkeit sich schuldig mache und jährlich t Reichstaler in die Amtskasse zu Segeberg zahle. Dabei erhält er die Zusicherung, daß kein zweiter Wundarzt am Orte zugelassen werden soll und daß die Nachfolge in seinem Amt und Handwerk an erster Stelle einem seiner Söhne vorbehalten bleibt (Siehe unter »Handwerk«.)

Der Zeitpunkt, wo zum ersten Apotheker der erste ordinierte Arzt hinzugekommen ist, ist mir nicht bekannt geworden. Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts wirkte hier als solcher Dr. Mestorff, der Vater von Fräulein Mestorff, die Wiebke Kruses Geschichte dichterisch bearbeitet hat. Ihm folgen Dr. Schamvogel, Dr. Sattler und Dr. Postel als alleinige Ärzte des Ortes. Letzterer hat nicht versäumt, an seinem Teile zur Förderung der Bramstedter Heilstätte beizutragen. Noch zu seiner Zeit hat sich auch Dr. Wulf hier als Arzt niedergelassen. Das Vertrauen seiner Mitbürger hat ihn in das Ehrenamt des Stadtvertreters geführt. Zu allgemeinem Bedauern ist er in voller Manneskraft das Opfer einer Blutvergiftung geworden, die er in Ausübung seines Berufes sich zugezogen hatte.

Aus freiem Antrieb der Bürger hervorgegangene Bemühungen, dem Orte ein Krankenhaus zu verschaffen, haben nicht den erwünschten Erfolg gehabt. Doch steht die Stadt in ihrer Fürsorge für die Erhaltung der Gesundheit ihrer Bewohner, desgleichen für die Heilbehandlung der Erkrankten seit langem nicht zurück gegen die gesteigerten Ansprüche der Zeit.

 

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brunnen wieder in Aufnahme kommen und dann auch ein tüchtiger Medikus sich hier niederlassen werde.

Anno 1776 erneuert Henning Müller sein Ansuchen um besagtes Privileg. Wiederum erfolgt Ablehnung, und zwar aus dem gleichen Grunde: Eingriff in Kochs Rechte. Dieser habe bisher in Bramstedt einen Kommissar gehalten, bei dem die notwendigsten Medikamente zu Kaufe gestanden haben. Als solchen den Chirurgen Müller in Bramstedt anzunehmen, erklärt sich Koch bereit. Wir vernehmen, daß bisher die Bramstedter die Möglichkeit, am Orte Medikamente zu kaufen, sehr wenig benutzt haben. Sie gingen vielmehr nach Kellinghusen und Itzehoe; das sei eingewurzelter Brauch gewesen. Wir erfahren, daß bald danach Apotheker Koch Medikamente verkauft habe an den Chirurgen Capito in Bramstedt, um auf solche Weise die Bewohner des Fleckens und der umliegenden Dörfer damit zu versorgen. Nach Capitos Ableben ist Postmeister Frauen mit dieser Aufgabe betraut worden, hat aber schwindenden Absatz gehabt und schließlich den Warenbestand nach Segeberg zurückgegeben. Es wird aus den vorhandenen Papieren nicht ersichtlich, ob der mehrfach erwähnte Henning Müller überhaupt als Kochs Vertreter sich betätigt hat.

Im Jahre 1810 tritt eine entscheidende Wendung ein. Koch stirbt. Im Verein mit dem Kandidaten der Pharmakologie M. L. P. Noodt aus Tönning reicht die Witwe das Gesuch ein, man möge das Privilegium zur Anlegung einer Apotheke in Bramstedt trennen von dem weiland Apotheker Koch auf das ganze hiesige Amt Allerhöchst erteilten Privilegium wegen Errichtung und Haltung einer Apotheke und die Erlaubnis zur Etablierung einer Apotheke in Bramstedt erteilen.

Amtmann von Döring begutachtet: Es sei wohl kein Zweifel, daß die Witwe Koch die Errichtung einer Apotheke in Bramstedt inhibieren könne, und er nehme an, man werde einwilligen, wenn sie ihr Privilegium käuflich an Noodt abstehen wolle. Da in Bramstedt ein Brunnen-Institut errichtet sei, sei die Einrichtung einer Apotheke schon wegen der Brunnengäste sehr erwünscht. Er schaltet ein, daß 1767 Jochim Friedrich Koch die Gerechtsame für das ganze Amt erhalten und diese 1803 auf den bereits genannten Sohn übertragen habe. Dieser habe auch die starke Frequenz des Bramstedter Brunnens bemerkt und geplant, dort eine Apotheke zu errichten, wofür er bereits dort ein Haus gekauft habe. Der Tod habe aber die Ausführung des Planes verhindert. Das Königliche Schleswig-Holsteinische Sanitäts-Kollegium zu Kiel weist darauf hin, daß Noodt nicht die nötigen Kenntnisse zur Führung einer Apotheke besitze. Er sei mit seiner Familie in Not und man könne ihm vielleicht die Apotheke geben unter der Bedingung, daß er einen geprüften und beeidigten Provisor anstelle, unter dessen alleiniger Verantwortlichkeit die Apotheke stehe. Von gleicher Stelle erfolgt etwas später ein Nachtrag. Noodt hat ein Schreiben des Amtmanns nicht ganz richtig aufgefaßt und sich schon überzeugt gehalten, er bekomme das Privileg, auch daraufhin sich bereits in ganz erhebliche Kosten gestürzt. Er erbietet sich nun, noch ein halbes Jahr Unterricht und praktische

 

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Übung in der Apotheke von Süersen, Kiel, zu nehmen und angestrengtesten Fleiß anzuwenden, um das Versäumte nachzuholen. -

1811 hat er dann in Kiel die Prüfung bestanden, und im April wird »dem Martin Lambert Noodt das Privilegium erteilt.«

In dieser Sache haben freilich auch die Ratleute des Fleckens ihrer Pflicht voll genügt. Ebenso hat Professor Meyer, derzeit Besitzer des adeligen Gutes, nicht versäumt, ihre Angelegenheit nach Kräften zu fördern durch folgendes Schreiben: »Da meine guten Nachbarn und Freunde sich nicht abbringen lassen, daß die ausdrückliche Bezeugung meiner Übereinstimmung mit ihren Wünschen für die Erhaltung einer Apotheke in hiesigem Orte dem Gesuche derselben bei höchstpreislicher Königl. Schl.-Holsteinischer Kanzlei einiges Gewicht hinzufügen könne, und ich mich nicht berufen fühle, einem unschuldigen Irrtum hartnäckig zu widerstehen, so trage ich keine Bedenken, hierdurch und mit meines Namens Unterschrift ehrfurchtsvoll zu erklären:

daß die Gewährung ihrer Bitte, wenn derselben keine mir unbekannte Gründe entgegenstehen, mir allerdings eine Wohltat sowohl für den Ort als für das Kirchspiel erscheint, daß ich dafür halte, mit dem Titel eines Bauernvogts, welchen das Collegium sanitatis einem 1½ Meilen von hier entfernten Arzt beigeleget, den sowohl der Wirkungskreis eines entlegenen Distrikts als auch die Betreibung einer Fayence-Fabrik1) aus doppelten Gründen abhalten muß, weder oft noch lange, noch zu unwiderruflich bestimmten Zeiten gegenwärtig sein zu können, sei für Kranke, welche hier seiner Hilfe bedürfen, wenig getan und am wenigsten, wenn die Bereitung der von ihm vorgeschriebenen Arzneien in einer meilenweit entlegenen Offizin neuen Aufschub veranlaßt;

daß der Candidatus Pharmacinae Lambert Noodt mir von glaubwürdigen Ärzten als ein geschickter, leidenschaftlich für seine Wissenschaft lebender und besorgter Mann empfohlen ist, dessen Gutmütigkeit und Teilnahme sich auch bereits während seines Aufenthaltes (hier) an den Tag gelegt hat;

daß endlich nun die Nähe einer Apotheke und die Gewißheit, daß endlich untadelige Mittel zur Hand sind, denjenigen, welchem die Handhabung der Polizei obliegt, die Festigkeit gewähren kann, mit voller Strenge gegen die Verbreitung unbefugter Arzeneikrämereien und Quacksalbereien zu verfahren, indem sonst freilich das Gewissen eines Graduierten dazu gehört, um den Heischesatz zu behaupten, es sei besser, nach den Regeln zu sterben, als wider alle Regeln zu genesen.«

Am 2. April hat dann Friedrich VI. das entscheidende Wort im Sinne der Gesuchsteller gesprochen: Noodt konnte fortan unbehindert als wohlbestallter Apotheker seines Amtes walten.

1828 geht die Apotheke über an Friedrich Wolfrath Lindemann, nachdem zuvor »das Privilegium auf ihn extendiret worden« war. 1842 läßt er sich sein Privileg von dem neuen König Christian VIII. bestätigen.

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1) Unter der Fayence-Fabrik haben wir Tonwarenfabrik »Fernsicht« bei Kellinghusen zu verstehen, die in der ganzen Provinz in gutem Ansehen stand.

 

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1844 befindet sich die Apotheke in einer Kate in der Maienstraße, wie ein alter Hausbrief ausweist.

1846 soll eine bewilligte Extension (Übertragung) von Lindemann auf den Kandidaten Herminghansen rückgängig gemacht werden. Letzterer behauptet, L. habe ihn hinsichtlich des Ertrages der Apotheke getäuscht, beschuldigt ihn ferner der Rezeptfälschung und Übersetzung der Preise.

Eine außerordentliche Visitation wird angesetzt und die Verwaltung der Apotheke zunächst dem Ankläger, dann einem beeidigten Provisor übertragen. Das Amtsgericht wird angerufen; dieses erklärt nach einiger Zeit, daß zur Aufnahme einer gerichtlichen Untersuchung kein Anlaß vorliege, dafür fehle nach den bisher aufgezeigten Umständen ein rechtlich ausreichender Grund. Die Visitation aber hat ergeben, daß bei einer Reihe von Rezepten der Taxpreis, der darauf vermerkt war, verändert und zwar erhöht worden war, bei andern das Gewichtszeichen. Lindemann behauptete aber, er habe nichts verfälscht, und mit seinem Wissen habe keine Fälschung stattgefunden. Hiermit schließen die vorgefundenen Akten.

 

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XII. BRAMSTEDT ALS KURORT

 

Vom Gesundbrunnen bis zum Neuen Kurhaus

 

Ein »Bad Bramstedt« als amtliche Benennung des Gemeinwesens gibt es erst seit 1910. Das heute in deutschen Landen weithin bekannte und geschätzte Neue Kurhaus mit seinem Moor- und Solbad ist gar erst im Jahre 1931 eröffnet worden. Aber schon 250 Jahre früher ist der Stern leuchtenden Ruhmes aufgegangen über unserm »Gesundbrunnen«, an den der Wanderer noch heute erinnert wird durch eine bescheidene eiserne Pumpe auf dem Karkenmoor, etwa 2 km östlich vom Flecken am Feld- und Waldwege nach Bimöhlen. Tausende haben nach glaubwürdigem Bericht 1681 und durch einige Jahre weiterhin dort Heilung gesucht, und viele ihr Dankopfer für erfolgte Heilung dargebracht. Aber zu einer geschlossenen Entwicklung seither ist es nicht gekommen. Von einer solchen kann erst gesprochen werden seit Anfang der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts, wo der Zimmermeister Matthias Heesch, nachdem er auf seinem Grundstück, nahe dem Orte, eine Solquelle festgestellt hatte, mutig in die Speichen griff und so zum Bahnbrecher einer stetigen Entwicklung wurde, die den Flecken zu einem vielbesuchten »Bad Bramstedt« machen sollte. Was in den 200 Jahren -1681 bis 1887 - geschehen ist in dieser Hinsicht, zeigt eine Sprunghaftigkeit, die noch heute zu allerlei Nachdenken reizt. Dreimal hat sich die Urkraft der Heilquelle zum Erstaunen der Zeitgenossen stoßweise und eigenwillig offenbart, ohne daß menschliche Kunst und Kraft sie zu dauernder Wirksamkeit nutzbar gemacht haben. Die Zwischenräume sind so erheblich, daß schon deswegen die vorliegende Darstellung zweckmäßig in vier Abschnitte gegliedert wird: 1681, 1761, 1810 und 1880 bis heute.

 

1. Der Gesundbrunnen 1681

 

Ein sichtbares Zeugnis aus jenen Tagen birgt die Bramstedter Kirche. Ein Altarleuchter, aus Messing gefertigt, trägt die Inschrift: »Anno 1681 den 1. Juli ist Larenz Jessen, Kön. Prov. Verwalter in Glückstadt, durch Gebrauch des Wassers von Quartan befreiet; verehret diese Leuchter (zwei) zum Gedächtnis.« Der Schlesw.-Holst. Provinzialbericht von 1789 gibt in Bd. II Heft 6 einen Bericht über unsern Gegenstand, dem wir folgendes entnehmen: »Der Flecken Bramstedt ist im Jahre 1681 mit dieser Heilquelle beglückseligt worden.« -Der Superintendent von Störcken hat die Beschaffenheit derselben in einer »Brunnenpredigt in öffentlichen Druck vor Augen gestellt«. Der vollständige

 

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Titel dieses Druckes, durch Dr. Suersen der Nachwelt erhalten, verdient als ein Kennzeichen seiner Zeit hier festgehalten zu werden. Läßt er uns doch zugleich erkennen, in wie hohem Grade dem Gesundbrunnen Beachtung geschenkt worden ist.

Also: »Geistliche Wallfahrt zum rechten Heilbrunnen bei denen durch Gottes Gnade unweit von Bramstedt im Königl. Amt Segeberg entsprungenen Gesundbrunnen, in Gegenwart etlicher tausend Menschen im freien Felde gehaltene Predigt1) vorgestellet und auf vieler Herzen inständiges Begehren mit dem dabey verordneten Gebet und einer gründlichen Nachricht davon zum Druck übergeben durch Christian von Störken, der Heiligen Schrift Dr. General-Superintendent und Königl. Probsten des Amtes Segeberg. - Rendsburg 1681.«

Über die Art der Entdeckung und die ersten Heilwirkungen der Quelle gibt Ferd. O. V. Lawätz, ein geistig reger Mann und seit 1774 Besitzer des Gutes Bramstedt, folgende, nicht bestrittene Nachrichten. »Anno 1681 im Monat Juni ist der hiesige köstliche Gesundbrunnen ersprungen, wodurch viel herrliche Curen durch göttliche Hülfe und Segen verrichtet, und ist folgender Gestalt entdecket. Ein Knabe mit Namen Gerd Güsler (andere Lesart: Giesler) hütet seines Vaters Pferde (andere Lesart: Schweine) und hatte schon das Fieber bei 1½ Jahren gehabt. Wie ihm nun einstens das Fieber ankommt, bittet er die andern Knaben, sie möchten doch mit nach seinen Pferden sehen, und setzet sich indessen im Grunde unter einer Eiche nieder. Und weilen mit dem Fieber ein starker Durst ihn plaget, rufet er zu Gott in seiner Einfalt, daß Er ihn doch einmal von dem Fieber aus Gnaden befreien wolle. - Er wird hierauf sogleich gewahr, daß da Wasser bei der Wurzel des Eichbaumes hervorkommt, hält seinen Hut dahin, lasset einen guten Trunk darauslaufen und trinkt davon, um seinen Durst zu löschen. Zu seiner großen Freude und Verwunderung hört der Durst wie auch das Schaudern den Augenblick auf, und er fängt an zu singen; da denn die Knaben zu ihm sagen, wenn er singen könnte, so könnte er auch seine Pferde selber in Acht nehmen, welches er mit Ja beantwortet. Gehet darauf hervor und saget niemand, was ihm widerfahren, bis nach etlichen Tagen, da er hörte, daß eine Frau, deren Mann Johann Hambeck geheißen, auch das Fieber hatte. Da er dann sagte: Sie dürften nur von dem Wasser holen, welches neulich bei dem Eichbaum hinter den Mohrstätten entsprungen, alsdann würde ihr wohl geholfen, eben wie ihm. Welches sie auch getan, und es hat gleiche Cur an ihr verrichtet. Wie nun dieses bald darauf weit und breit kund worden, sind viele Kranken und Preßhafte von andern Orten, auch aus Hamburg, häufig herzugekommen, da denn in allem über 800 Personen bei diesem Brunnen gesund geworden. Die als Krüppel und Lahme dahin gekommen, haben nachher ihre Krücken und Stäbe an den Eichenbaum gehangen und sind mit Freuden und Lob Gottes nach ihrer Heimat gegangen, Ermeldeter Eichbaum hat noch gestanden bis 1707.« - »Der obengedachte Gerd Güsler ist nachher ein wohlhabender Mann in Livland geworden, aber noch in seinen ersten mannbaren Jahren dort

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1) Ob noch Exemplare dieser Schrift vorhanden sind, ist dem Verfasser nicht bekannt.

 

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gestorben.« - Wie lebhaft der Besuch gewesen ist, davon zeugt die weitere Mitteilung aus den alten Kirchenbüchern, daß von 1681-1688 aus den beim Gesundbrunnen für die Armen gesammelten Geldern insgesamt 2188 Mark der Kirche als Darlehen übergeben worden sind.1) Es muß vermutet werden, daß nach 1688 die so nützliche und heilbringende Quelle ihre Anziehungskraft bereits verloren hatte. Vermerkt sei noch, daß nach dem Bramstedter Kirchenregister Gerd Gieseler 1663 als Sohn des Insten Bartelt G. getauft worden ist. Der ferner genannte Johann Hambeck wird ein Harbeck gewesen sein, da der erste Name im Register unbekannt.

 

2. Neue Blütezeit 1761

 

Überreichlich sind die Quellen, aus denen der Chronist schöpfen kann, wenn es gilt, ein Bild zu geben von dem, was dieses zweite Aufblühen für Bramstedt gebracht und bedeutet hat. Die dem Bericht über die erste Periode anhaftende Lückenhaftigkeit wird es rechtfertigen, wenn nunmehr der Ausgleich in umfassender Darstellung versucht wird.

Wenn es auch nicht ganz dem zeitlichen Ablauf der Dinge entspricht, soll doch zunächst eine Äußerung des Herrn Lizentiaten und praktischen Arztes Heckell von Heckelfeldt aus Hamburg veröffentlicht werden. Am 9. Juni 1761 wendet er sich an den Amtmann von Arnold in Bramstedt, bietet sich als Brunnen-Medicus an und bittet um Bestallung bei Gewährung freier Wohnung. Die von ihm beigefügte »Abhandlung vom Gebrauch und Mißbrauch des zu Bramstedt in Holstein entsprungenen Gesundbrunnens« gibt einen guten Einblick in den Stand der medizinischen Wissenschaft und Praxis jener Tage. Im Auszuge und unter tunlicher Wahrung ihrer Ausdrucksform wird sie hier abgedruckt: »Immanuel unser Gott!

Ich halte nicht für nötig, daß ich weitläufig erkläre, was ich unter Gesundbrunnen eigentlich verstanden haben wolle. Indem ein jeder selbst leicht begreifen wird, daß ich solche Quellen meine, welche aus natürlichem Trieb kalt oder warm aus der Erde herfür rieseln und einen vitriolischen Geschmack haben. Die neuliche Erfahrung zeigt, daß zu Brahmstedt in Holstein ein recht sehr Gesunder Sauer-Spring (Sauer-Brunnen) entstanden, der ein etwas Mineralisch und hauptsächlich Vitriolisches Salz bei sich führe, daneben auch etwas Alaun, Salpeter, Kochsalz, eine Kalkartige Erde und ein fettes Hartziges in sich hat. Also man diesen Brunnen, weil er etwas schwächer als der Egerische, in die Klasse desselben setzen kann. Zudem hat er die Eigenschaft, die Gefäße zu zerstoßen, die mit solchem Wasser angefüllet und fest verstopfet sind. Gleich nach der Entdeckung habe ich es untersucht und gefunden, daß es eine Medizinische Kraft und Wirkung von sich spüren läßt, ohnerachtet es keinen sonderlichen Geschmack hat. So hat mir die Erfahrung an meinen Preßhaften Patienten ein anderes belehret: daß dieses Wasser im Menschlichen Leibe eine und die andere besondere Wirkung

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1) Dankwerths Chronik von 1652 spricht von Heilquellen in Bramstedt nicht.

 

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gethan. Ich habe eine starke Zahl glücklich ausgeschlagener Curen und kann aus Matth. 11 sagen: Die Lahmen gehen, die Kranken werden gesund, die Verwundeten werden geheilet. Ich habe in Altona eines Bürgers Wove Sohn, alt 21 Jahre, welcher beinahe ins Siebente Jahr mit Sein Schmertzen behaftet war, genommen, der nach Gebrauch gedachten Brunnens von einigen Tagen nicht allein die Schmertzen in der Blase, auch Unterm Leibe gelindert, sondern auch durch den Urin einen starken Schleim abgetrieben und des Morgens sich ein Schweiß eingefunden, derselbe munter ist und sich täglich bessert, so daß bei fernerem Gebrauch unter Göttlichen gnaden Segen an seiner Genesung nicht zu zweifeln;

Und wer kann leugnen, daß durch dieses Wasser eines Bürgers Sohn, wohnhaft hinter Ottensen an der Elbseite am Berge, nach Gebrauch von einigen Tagen des gesegneten Bramstedtischen Brunnens, Gott sei Dank, soweit hergestellt, daß der Patient von seiner Contractur am Fuß durch wegwerfung der sich bedienten Krücke nunmehr mit einem kleinen Handstock hergehet, da derselbe Vorher eine geräume Zeit den Fuß nicht zur Erde hat bringen können. - Und was es in hypochondrischen Ungelegenheiten, allerhand Arten Fiebern, offenen Saltzigen Flußschäden und andern Krankheiten für einen gesegneten Effect erwiesen, ist dasigen Einwohnern und in hiesiger Gegend zur Genüge bekannt. Man hat nicht nötig, ein weiteres Elogium (Loblied) diesem Brunnen beizulegen, sondern mit gutem Gewissen als ein besonderes Genesungsmittel denen Preßhaften anraten, nur daß man sich desselben recht bediene und auf gebührende Art damit umgehe. Wer das Wasser nicht richtig anwendet, hat sich schlechter Hülfe zu getrösten, wohl aber Ungelegenheit und Schaden zu befahren. Dannenhero wird die Anordnung hoher Landes-Obrigkeit billig zu loben sein, daß des Ortes, da diese Quelle entsprungen und andere entspringen können, ein besonderer >Brunnen-Medicus< zu setzen, um

a)   die wahre Kraft solcher Brunnen zu untersuchen, in welchen Krankheiten sie etwas Heilsames wirken können;

b)  auch beste Achtung zu geben, ob die Patienten eine solche Krankheit haben, daß ihnen das Wasser zuträglich, zumal aus dieser Brunnen-Kur leicht verkehrt procediret werden kann, sodann alle Hoffnung auf Heilung wegfällt, auch der angefangene gute Ruf dieses Brunnens sehr geschmälert wird;

c)   den Gästen vorschreiben zu können, wie oft und viel sie sich des Wassers zu bedienen und wie sie sich sonst zu verhalten haben;

d)  ob man andere Arzneien dabei nötig habe;

e)   ob man dergleichen Arzneien vor, bei, unter oder nach der Cur verordnen soll, damit die Brunnen Cur gesegnet und nicht schädlich sei.

Also ist hauptsächlich nötig, wenn man einen allgemeinen Nutzen gedenket unter Göttlichem Segen zu haben, daß die Patienten, insonderheit die von weit entlegenen Örtern kommen, sich untersuchen zu lassen:

a) ob sie durch die vorhergehenden Kuren, so an ihnen geschehen, sich matt und schwach befinden;

 

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b)   ob sie noch in dem Zustande, eine gute Leibesbewegung zu thun sonsten ohne gleiche Leibesbewegung zu machen, insgemein sich noch imstande befinden, solches zu bewerkstelligen;

c)   ob der Patient gesunde Eingeweide habe, weil sonsten dieses Wasser mehr schädlich als dienlich, indem es in diesem Zustande den Tod nach sich ziehet;

d)   ob der Leib bei dem Gebrauch vorhero genügend präparirt wurde, welches geschehen muß durch Arzneien, die zum Teil das Blut von seinem Urin reinigen, zum Teil aber die Schweißlöcher öffnen und den ganzen Körper perspirabila (überall atmend, alle Poren offen) erhalten. -

Wo solches nicht geschiehet, daß man dieses Wasser häufig im Leib hinein trinket, so ereignen sich darob unfehlbare Unordnungen, weil die Säfte dadurch ungleich beweget und erreget werden, daß der Patient Gefahr und Schaden laufen muß. Also bedarf es einer wohl geordneten Methode, die vom Arzt zu bestimmen und zu überwachen ist. Man kann sonst leicht des Guten zu viel thun. Streit und Zorn sind fern zu halten. Das Effectum intermedium (die Nebenwirkung) ist zu beachten. Acht geben, ob das eingetrunkene Wasser durch unterschiedene Wege fortgehet oder ob es sitzen bleibet. Und wenn dies geschieht, sich hüten vor starken Purgantzen, wohl aber gelinde und öfters laxiren. Der Anfang mit diesem Brunnen wird gemacht mit laxiren, alsdann einige Tage hernach in Gottes Namen die Wasser in der gehörigen Dosierung angefangen. Die Dauer bestimmt der Arzt je nach Befinden des Patienten, wie auch das Quantum. >Dem Diät beträffentlich, so muß man sich der nötigen Mäßigkeit befleißigen !< Wein soll nur trinken, wer daran gewöhnt ist, andere nur ganz mäßig als Arznei, auch erstere mit Maßen. Nüchternheit und Mäßigkeit auch im Verzehr ausländischer Gewürze wird recommandieret. Gehörig schlafen; zulängliche Leibesbewegung. >Zärtliche Persohnen sollen auf Wind und Wetter Achtung geben.< - Behandelte Personen haben sich vor heftigen Affekten zu schützen und sollen nicht zu viel sitzen. Wer gesund geworden, wird dem großen Schöpfer ein herzlich Lob und Dankopfer bringen und die ganze Zeit seines Lebens so verwenden, daß es zur Verherrlichung seines großen Namens gereiche. Gott anflehen, daß derselbe seine in diesen Brunnen gelegte Kraft und Wirkung nicht entziehen wolle, sondern demselben >mehr und mehr Segen und gedeihen schenke, daß er das andre Wasser zu Bethesda bis ans Ende der Welt sei und bleibe und seine heilige und beständige Kraft un Verwandelt behalten möge<.«

Das vorstehende, recht umfassend darstellende Schriftstück findet sich unter alten Bramstedter Polizeiakten unter dem Zeichen A X VIII Nr. 4453, aufgehoben im Kieler Staatsarchiv, es wird damit gekennzeichnet als eine Akte der ehemaligen hiesigen Kirchspielvogtei oder sonst des Segeberger Amtshauses. Die Frage, ob die heutige medizinische Wissenschaft mit den mancherlei Fingerzeigen des braven Herrn von Heckelsfeldt einverstanden sei, ist einstimmiger Antwort sicher. Nicht sicher ist dagegen, ob Hohe Obrigkeit ihm Gelegenheit gegeben hat, seine Kunst als Bade-Medicus hier zu erweisen.

 

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Erfreulich ist die Tatsache, daß die Obrigkeit nachweislich ernst und nachhaltig der Angelegenheit ihre Aufmerksamkeit geschenkt hat. Darüber werden nachstehende Schriftsätze die erwünschte Gewißheit geben.

Amtmann von Arnold an Hoch- und Wohlgeboren, Höchstgeehrten Herrn Geheimen Rath, Commissar und Obersecretair (zu Kopenhagen).

 

Bramstedt, den 15. Mai 1761

 

»Ich habe es für meine Schuldigkeit gehalten, Ew. Excellence gehorsamst zu berichten, daß ungefähr eine halbviertel Meile von Bramstedt eine Quelle vorhanden, deren Wasser von vielen eine heilende Kraft zugeschrieben wird. Eben diese Quelle ist, wie ich aus einigen mir vorgelegten Nachrichten ersehe, schon 1681 in großem Ruf gewesen. Sehr viele Leute haben sich damals derselben und zwar mit gutem Erfolg bedient. Durch die freywilligen Gaben, die von denen, die den Brunnen besucht haben, ertheilet worden, ist der Kirche ein ansehnlicher Vorteil erwachsen. Nach Verlauf von 2-3 Jahren hat sich zu der Zeit dieser Ruf aber gänzlich verloren. Die eigentliche Ursache davon habe ich nicht in Erfahrung bringen können. - Seit ungefähr 8 Wochen hat man aufs neue angefangen, eine große Hoffnung zu diesem Brunnen zu fassen. Er wird täglich von vielen Leuten, die zum Theil aus entlegenen Orten herkommen, besucht. Verschiedene sollen sich seiner, dem Gerüchte nach auch nicht ohne gute Wirkung, bedient haben, und es sind seit 4 Wochen schon über 700 Mark freywilliger Gaben zum besten der Armen dabei gesammelt worden. Man hat, so gut wie man es bis jetzt gekonnt hat, verschiedene Anstalten zur Erhaltung des Brunnens und zur Bequemlichkeit derer, die ihn besuchen, gemacht. Ohngeachtet es zwar leicht geschehen kann, daß dieser Brunnen, ebenso wie vorhin bereits geschehen ist, wieder in Verfall gerate; so wäre es doch, in Ansehung des vielfältig daraus entspringenden Nutzens, gar sehr zu wünschen, daß die wesentliche Eigenschaft des Wassers genau untersucht und die Art, wie man sich desselben mit Vorteil zu bedienen hat, bestimmt werde, damit man hiernach, und wenn das Wasser wirklich unter die Gesundbrunnen gehörte, anderweitige, zur Aufnahme desselben gereichende Maas-Regeln ergreifen könnte. - In Bramstedt fehlt jetzo ein Amts-Physicus. Daher bittet der Schreiber, Excellence möge einen tüchtigen, zuverlässigen und glaubwürdigen Mann mit dieser Aufgabe betrauen. - Wie man sagt, wollen verschiedene Ärzte diesen Brunnen aus leicht zu begreifender Ursache schon mit scheelen Augen ansehen.«

Das Königliche Ministerium zu Kopenhagen verabschiedet diesen Brief mit folgendem Bescheid:

»Der kürzeste und am wenigsten kostbare Weg, von der Beschaffenheit des Wassers dieser Quelle vergewissert zu werden, würde es sein, wenn der Conferenzrath (v. Arnold) eine mit der nötigen Vorsicht geschöpfte und verwahrte Probe nach Altona an den Geheimrath von Qualen sendete und dieser solche von den dasigen Ärzten prüfen ließe.«

(gez.) im Königl. Conseil

 

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Conferenz- und Landrath, auch Amtmann von Arnold an Königl. Majestät

 

Bramstedt, den 1. Juni 1761

 

Betr. Vorläufige Ordnung beim Brunnen

 

a)  Vor 5 Uhr morgens wird der Brunnen nicht freigegeben. Bis 12 Uhr mittags wird lediglich den Brunnen-Gästen von dem Brunnen-Wasser gereichet, die entweder persönlich bei der Quelle sich einfinden, um die nötige Portion Wasser zu trinken oder aus den nahe herum liegenden Orten jemand hinschicken, um das Wasser, das sie alle Morgen gebrauchen, in Flaschen oder Bouteillen holen zu lassen. Letzteren werden aber von dem, der das Wasser schöpfet, nur zwei Flaschen, höchstens einmal drei gegeben.

b) Wasser, das nicht mitgenommen oder verschickt werden soll, wird erst nach 12 Uhr abgegeben.

c)  In hölzernen Tonnen oder Fässern soll inskünftige durchaus keinem etwas Wasser, zumahlen solches darin völlig seine Kraft verlieret und davon gar keiner Nutzen hat, verabfolget werden. Auf jeden Wagen, worauf man Brunnenwasser nach fremden Orten mit sich nehmen will, sollen nur ausnahmsweise mehr als 16 Flaschen, höchstens aber 20 Flaschen aufgeladen werden.

d) Keinem ist gestattet, in das um die Quelle herum aufgeführte Gebäude, worinnen der Brunnen-Meister sich aufhält, der allein schöpfen soll, hinein zu gehen, weil das nur Störung und Mißfallen herbeiführen könnte.

e)  Der in der Quelle befindliche Sand hat in und für sich gar keinen Nutzen; niemandem wird davon etwas gereichet.

f)   Andrängen zum Brunnen und Zänkereien wegen eines Vorrechtes sind nicht statthaft; jeder hat zu warten, bis die Reihe an ihn kommt.

Verstöße gegen diese Vorschriften sind strafbar, und Störenfriede werden nötigenfalls mit Gewalt behandelt werden.

 

Amtmann an den Durchlauchtigsten Herrn Markgrafen.

Bramstedt, den 1. Juni 1761

 

Zunächst werden uns bereits bekanntgewordene Tatsachen aufgezählt und Justizrat Dr. Lesser aus Preetz und Dr. Lossau aus Hamburg als Zeugen über die Vorteile des Brunnens genannt. Die Menschenmenge, aus allerlei Gattung bestehend, füge sich nicht hinreichend den getroffenen Ordnungsvorschriften. Mord und Totschlag könnte die Folge sein. Ein Commando von 3 Unteroffizieren und 9 Gemeinen wird erbeten für das beim Brunnen aufgebaute steinerne Haus, um dort Wache zu halten; auch sei dem kommandierenden Offizier aufzugeben, daß der wachhabende Unteroffizier den vom Amtmann jeweils nach Sachlage zu gebenden ordres nachzuleben habe. - Es sei nicht daran zu denken, daß die hiesigen Hausleute, die ihrer Nahrung nachzugehen haben, diesen Wachdienst leisten könnten.

 

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Excellence von Bernstorff, Staatsminister, an Amtmann von Arnold

 

Copenhagen, 6. Juni 1761

 

Bernstorff gibt entsprechend dem ministeriellen Bescheid Auftrag an den Amtmann und gleichzeitig an Geheimen Rat und Oberpräsidenten von Qualen. Ersterer soll sich von Herrn von Qualen die nötigen Vorsichtsmaßregeln ausbitten, wie das Wasser zu schöpfen und zu behandeln sei, und dann in Flaschen oder Kruken ihm solches übermitteln; auch wäre anzugeben, welche Gebrechen dem Vernehmen nach dadurch geheilet werden. Von Qualen wird kurz über diesen Sachverhalt unterrichtet und dann ersucht, die Altonaischen medicos Struensee, Cilano und Unzer die fraglichen Brunnenproben beurteilen zu lassen. Das chymice zu untersuchende Wasser solle in steinerne, ganz neue Kruken oder in trockene, noch nicht gebrauchte Bouteillen gefüllt werden. So wäre denn ein wichtiger Teil der Angelegenheit in förderlichen Fluß gebracht. Inzwischen ist an dem Orte, wo die Dinge praktisch ihren Ablauf nehmen, in Bramstedt, neue Sorge aufgesprungen, der wir uns zunächst zuwenden, bis die Altonaer Apotheker und Ärzte mit sich im reinen sind.

 

Der Amtmann an Freiherrn von Bernstorff

 

Bramstedt, den 5. Juni 1761

 

»Ew. Excellence werden sich gütigst erinnern, was ich unterm 15. passato (vor. Monats) wegen des Bramstedter Gesund-Brunnens einzuberichten die Ehre gehabt. - Es ist seitdem die Anzahl der Brunnen-Gäste dergestalt angewachsen, daß hier im Flecken und in den nahe herum liegenden Dörfern für deren Einquartierung kaum Platz vorhanden ist. In dem beim Brunnen gesetzten Armenstock sind schon gegen 1400 Mark gesammelt worden. Dieses alles und insonderheit, weil der Justizrath und Dr. Lesser aus Preetz aus eigener Bewegung den Brunnen untersuchet und sehr heilsam befunden, hat mich veranlasset, bei demselben das gehorsamst angelegte Placat anschlagen zu lassen. Es ist solches umso nötiger gewesen, weil auch Herr Doctor Lossau aus Hamburg gestern sich hier eingefunden und gleichfalls ein günstiges Urtheil von dem Brunnen gefället hat. - Dieses Placat wird indessen von keiner Wirkung sein, wenn ich die von Ihro Hochfürstl. Durchl. dem Herrn Markgrafen angeschlossenermassen verlangte Assistence nicht erhalte. Der Kirchspielvogt Bassuhn ist mit Pflichten so überhäuft, noch gesteigert durch die Regelung der jetzt erforderlichen vielen Fuhren, daß er die nötige Ordnung beim Brunnen nicht durchfuhren, höchstens die Oberaufsicht haben könnte. Demnach Bitte um Beistand, daß die Assistence gestellt werde, auch Verhaltungs-Ordre beizulegen, wie es mit dem nach fremden Orten zu verfahrenden Wasser gehalten werden solle.« - In Hamburg wird die Flasche bereits für 16 Schilling (1,20 Mark) verkauft. Solches sei der Königl. Casse nachteilig; vielleicht müssen bald bei dem Brunnen einige kleine Gebäude angelegt werden. Die Salarirung eines Brunnen-Doctors wird in Frage kommen und daher einiger Vortheil der Königl. Casse, wie der Sage nach in Pyrmont, ins Auge zu fassen sein.

 

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Kirchspielvogt Bassuhn bestätigt Heilerfolge

 

Bramstedt, den 15. Juni 1761

 

a)  Ein Einwohner zu Stellau, Namens Peeves, hat bekannt, daß seine Frau, die im Wochenbett vom Fieber befallen und von Herrn Prof. Heuermann, welcher in Kellinghusen dem Königl. Lazarett vorsteht, dawider Hilfe gesucht, hat nicht geholfen werden mögen; durch den Gebrauch des hiesigen Brunnenwassers sei sie jedoch befreiet worden.

b)  Kirchspielvogt Kroner in Kellinghusen: Tochter durch den Gebrauch dieses Wassers vom Fieber genesen.

c)  Ebenso des hiesigen Pastoren Chemnitz kleine Tochter.

d)  Ingleichen eine Tochter des hiesigen Tischlers.

e)  Der 1/3 Hufner Hinrich Ramm und andre mehr sind völlig vom Fieber befreit worden.

f)   Eine Witwe hieselbst, Namens Abel Bogen hat beinahe 30 Jahre einen bösen offen Bein Schaden gehabt und nicht geheilt werden können; ist durch den in- und äußerlichen Gebrauch des Brunnen Sandes und Wassers vollkommen geheilt.

g)  Ein Bleicher von Eimsbüttel bei Hamburg, Namens Johann Wiebke, selber viele Jahre lang engbrüstig gewesen und bei vielen medicinis keine Hilfe dawider erlangen mögen, dem dessen Ehefrau, welche offenen Bein Schaden viele Jahre gehabt und dawider kein Mittel hat erhalten können, sind völlig genesen.

h) Claus Schmid aus Beyderfleth, lange Jahre offenen Bein Schaden, ist geheilt,

i) Ein Schmiedknecht von Uetersen desgleichen.

k) Friedrich Jürgens aus Ochsenwärder bei Hamburg, 6 Jahre offenes Bein, völlig heilt; vergnügt davon gereiset.

1) Carl Christopher Leesen aus Hamburg, hat 17-18 Jahre dergleichen gehabt und in Hamburg namentlich die alten medicos Dr. Lossau und Carsten um Hilfe aufgesucht, aber nicht erlanget: durch 14tägigen ordentlichen Gebrauch des Wassers und Sandes würkliche Hilfe und Heilung erhalten; weil inmittelst dem Sande größere Kraft, die böse Materie aus der Wunde zu bringen, beilegen als dem Wasser.

m) Derselbe meldet, daß ein Hauszimmermann, den er gar wohl kenne, von der Gicht 14-15 Jahre sehr beschwert worden, dawider große Hilfe empfunden und sich bei weiterem Gebrauch völlige Hülfe verspreche.

n) Frau aus dem Gute Helmstorff, Anna Margaret Haarz viele Jahre geschwollene und offene Wunden gehabt; ist nach dem schriftlichen Attest des Herrn von Buchwaldten völlig geholfen.

o) Mädchen aus dem gleichen Gut, Magdalena Elisabet Anders, als Kind im 4. Jahre vom Schlage gerührt, daß sie nur wenig gehe, den linken Arm und Fuß gar nicht rühren konnte, ist nach dem obgedachten Attest durch den Gebrauch des Wassers so weit gekommen, daß sie nach dem Brunnen gehe und Hände und Füße solchergestalt wieder bewegen kann,

p) Hiesigen Einwohners Detlef Rolfs Sohn, im 3. Jahr in einer Krankheit eine

 

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Verlähmdung der Hüften bekommen und daher bei einer Krücke gehen müssen, ist soweit geholfen, daß er die Krücke ablegen könne.

q) Jasper Wilckens, ein hiesiger Einwohner, der 3 Jahre krumm gebückt bei einer Krücke sehr kümmerlich gegangen, ist völlig genesen, r) Kind aus Eimsbüttel bei Hamburg, in den Pocken Verlähmdung am Arme behalten, ist wirklich geholfen.

s) Jochim Offer, aus Tangstedt, Amt Trittau, dessen Frau viele Jahre von starker Engbrüstigkeit incommodirt worden und kaum dafür gehen können, ist völlig genesen.

t) Henning Lamp aus Gut Helmstorff: Bein und Leib stark geschwollen, daß er fast gar nicht gehen können. Laut Attest seines Herrn: Geschwulst hat sich gänzlich verloren; hat von hier nach Helmstorff 7-8 Meilen zu Fuß gehen können.

u) Mann aus Altona, im Gemüt beschwert gewesen, ist vergnügt von hier abgereiset.

v) Frau Baronesse de Schielen bezeuget, daß ihr Sohn an Skorbutischem Ausschlag dermaßen krank gelegen, daß ihm das Bein durch das beständige Liegen im Gelenk schief und die Sehne daselbst kürzer geworden. Durch 10tägigen in- und äußerlichen Gebrauch des hiesigen Wassers dergestalt hergestellt worden, daß der Ausschlag angefangen hat sich zu verlieren, auch die unten ausgesprungene Sehne sich von selbst wieder eingesetzt und dem Anschein nach wieder grade wird, wie es früher gewesen.

w) Ferner, daß Ernestine Hahn aus Gut Lensahn, die seit 3 Jahren alle 3 Tage einen innerlichen Anfall gehabt des Abends, nach 10tägiger Kur solche Wirkung gespürt, daß nicht der geringste Anfall vorkam.

Beide Personen, (v und w) haben während der 10 Tage keine andere Kur gebraucht.           

gez. Bassuhn, Kirchspielvogt

 

Bericht von Dr. Johann August Unzer, Altona

an Hochehrwürdigen Herrn Probst und Hoch- und Wohlgeboren Herrn Geheim-

rath und Oberpräsidenten (von Qualen).

(Gekürzt, soweit der Sachinhalt es duldet.)

 

Hinweis auf die ihm zugedachte Untersuchung und kunstmäßige Prüfung des Bramstedter Wassers. Ihm willkommen, da er bereits aus eigenem Antriebe solche Probe vorgenommen. Die ersten Versuche, mit Wasser angestellt, das in schlecht verwahrten Gefäßen 6 Meilen weit gefahren worden, haben wenig Hoffnung auf eine erhebliche Arzneikraft gegeben. Darnach Bemühung, einwandfreies, möglichst frisches Wasser zu erlangen. Die Kaufleute Gisbert von der Smissen und Wetzel haben ihm die Gefälligkeit erwiesen; die Proben haben kein anderes Ergebnis gehabt. Um sicherzugehen, habe er sich mit dem geschicktesten dortigen

 

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Apotheker, Nebelung, in Verbindung gesetzt, er möge die Proben wiederholen, erweitern, und ihm das Resultat bekanntgeben. Dieser versicherte, ebenfalls bereits geprüft zu haben, und zwar mit unterschiedlichem Ergebnis, meinte aber, daß Galläpfel das Wasser braun gefärbt haben, woraus man auf etwas Vitriolisches oder Eisenhaftes schließen müsse. - »Ich wiederholte mit seinen Galläpfeln die gleiche Probe und fand keine Veränderung.« - Unsicherheit ist das Zeichen der bisherigen Mühen. - »Einige haben grünen Thee mit Elbwasser ziehen lassen und, nachdem sie dieses Theewasser mit dem Bramstedter Brunnenwasser vermischt, beobachtet, daß es eine Purpurfarbe bekommen. Ich habe den Thee mit dem Wasser meines Hausbrunnens, welches weit reiner als das Elbwasser ist, ziehen lassen und nach Vermischung mit dem Bramstedtischen keine solche Veränderung der Farbe gesehen. - Das Galläpfelpulver habe ich mit dem Bramstedter frischesten Wasser 3 Tage und Nächte stehen lassen, ohne daß es davon braun, noch purpurfarbig, noch schwarz geworden ist. Also ist die Hoffnung auf Vitriolisches oder Eisenhaftes nur schwach begründet.« Demnach kommt er zu der Meinung, alle derartigen Versuche seien an Ort und Stelle vorzunehmen. Vermutlich werde Physikus Dr. Struensee demnächst dies durchführen, und somit glaube er, von weiterem absehen zu können.

 

Altona, den 17. Juni 1761

 

Schreiben des so berühmten als geschickten Arztes Herrn Dr. Lassau des Ältern, Hamburg

(Entnommen dem »Reichs-Postreuter« vom 16. Juni 1761. Gekürzt, soweit es

ohne Schaden für den Inhalt angängig schien.)

 

»Ich hoffe, es werde Ihnen nicht zuwider seyn, wenn ich Ihnen einige Versuche mittheile, die ich bei der anjetzo so sehr besuchten Quelle zu Bramstedt, dem sogenannten Schafbrunnen, angestellt habe. Ich hielt dessen so sehr gerühmte Wirkung für erdichtetes Fabelwerk. Bald sollten Blinde sehend, Taube hörend, Lahme gehend und Aussätzige von ihrem Übel befreyet sein. Die von Schwindsucht oder von, Gicht, ja fast allen nur möglichen Krankheiten Angefallenen sollten daselbst Heilung finden und zwar in sehr kurzer Zeit. Ich reiste selbst zur Quelle hin.«

Herr Amtmann und Conferenzrath von Arnold unterstützte weitgehend die Bemühungen. Der Brunnen sollte nicht eher wieder geöffnet werden, bis die Versuche erledigt wären. »Ich untersuchte erstlich die Gegend, fand eine Art harter, rötlicher Erde, sonst aber keinen Unterschied mit der gewöhnlichen sogenannten Heideerde. Der Brunnen selbst liegt in einem Thale in einer Art von vorbeschriebenem Erdreich, sehr klar und stark fließend, indem in einer Stunde, da doch beständig geschöpfet wurde, an dem Behälter, worein es fließet, kaum ein Abgang zu bemerken war. Sobald ich den Deckel des Brunnens öffnete, dampfte er indes nur wenig; der Geruch war etwas sulphurisch (schwefelhaft), aber nicht stark. Ich fand auf dem Wasser viel farbenspielenden Schleim, aber so

 

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dünn, daß er nicht aufzufangen war, und dem gleich, der auf dem Wasser treibet, das in Mooren fließet, noch schmeckte, und roch fast nach nichts, und um Versuche damit anzustellen, zu wenig. Folgende Versuche habe ich angestellt:

1.    nahm ich von dem Brunnenwasser und goß Syruptum Violarum darauf: es wurde erstlich grün, nachher trübe und violett;

2.    goß ich zu dem Wasser ein Decoctum (Abkochung) Callarum Tureicarum; es wurde blaugrau, demnächst schwarz und trübe, wobei es einen ganz faulen Geruch hatte;

3.    tröpfelte ich Oleum tartari darein: es präcipirte sich milchicht;

4.    mischte es darauf mit Spiritu Nitri acido: es blieb unverändert;

5.    mischte es mit Oleo Vitrioli glaciali: es wurde klar;

6.    nahm nachher die Solutionum solis cammunis, goß es zum Wasser: keine Änderung;

7.    weder mit Solutione Aluminis noch mit

8.    Solutia Vitriolo Veneris sive de eypro machte die geringste Veränderung;

9.    macht die Solutio Vitriolo Martis in Aqua trübe, grün-schwärzlicht und stinkend wie faule Eier, doch nicht so stark wie bei der

10. Solutione sulphuris, als wonach es sehr stark roch und ganz trübe, schwarz grau und fast braun ward;

11. goß ich spiritum ammoniaci volatilem hinzu: es ward blaugrün und trübe;

12. wurde es von einer solutione socchari salumi milchicht, trübe;

13. hatte ich ferner Argentum in aqua forti solviret und diese solution ins Wasser gegossen: es wurde milchicht und fiel sogleich zu Boden;

14. hatte ich auf gleiche Weise Mercurium vivum solviret, welches sich im Wasser ebenfalls milchicht präsipierte (niederschlug);

15. machte die solutio Maritis in aqua forti das Wasser schwärzlich; nach einigen Stunden fiel ein schwarzes Pulver zu Boden.

Ich hätte gern noch mehrere Versuche, und zwar mit Feuer angestellt; allein der Zulauf und das Geschrei von mehr als tausend Personen, die sich bei der Quelle einfanden, um zu trinken, verstattete mir solches nicht, und ich mußte mit diesen noch unvollkommenen Versuchen einhalten. Es wäre wohl zu wünschen, daß dieses Wasser mit aller Aufmerksamkeit untersucht würde und zwar von einem Chymicus, den weder Vorurtheile noch Eigennutz verhinderte, eine solche Untersuchung mit aller dazu erforderlichen Genauigkeit anzustellen. Sollte aber mit dem Schöpfen so fortgefahren werden, wie anitzo geschiehet, so ist zu vermuten, daß die Quelle bald zernichtet werde. Es werden viele hundert Quartier1) vom Morgen bis zum Abend ohne die geringste Zwischenzeit geschöpfet, und man verspricht sich eine gleiche (unveränderte) Wirkung. In der Nähe sind Gräben voll unreinen Wassers, wodurch die Wirkung kann geschwächt oder vernichtet werden. - Wie kann ferner den armen Leidenden recht geholfen werden; es fehlt den meisten sogar an dem nötigsten Unterhalt; ist auch kein Medicus daselbst vorhanden. Ein jeder trinkt nach dem gehörten Maße ohne Ordnung, woraus

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1) Quart = ¼ eines früher gebräuchlichen Maßes, in Preußen etwa 1,1 Liter.

 

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denn folget, daß die Cur eine höchst schädliche Wirkung hervorbringet. Es sind noch genauere Untersuchungen des Wassers nötig, um mit Sicherheit seinen Nutzen zu bestimmen; Übereilung kann nur schaden.

 

gez. C. E. A. Lossau

 

Amts-Chirurgus Christ. Peter Spickholtz bestätigt unter seinem Amts-Eide die Heilwirkungen des Bramstedter Brunnens

 

Davon einige Beispiele:

Bramstedt, den 22. Juni 1761

1.    Ein Mann aus Elmshorn, Rohde, der an Gliederlähmung gelitten, daß er weder Arme noch Beine bewegen konnte, sei nach 12tägigem Gebrauch des Brunnens soweit gewesen, daß er von Hitzhusen zum Brunnen gehen und sogar tanzen könne.

2.    Mann aus Brunsbüttel, einige Jahre völlig taub, habe nach 14tägigem Gebrauch das Gehör völlig wiedererhalten.

3.    Eine Frau aus Hamburg, die an Gicht gelitten, daß sie nicht hat gehen können, war nach 14 Tagen geheilt und hat nach Hamburg zurückgehen können.

Bramstedt, den 24. Juni 1761

4.   Kornschreiber Deller aus Knoop war nach 3 Wochen vom Quartan (jeden 4. Tag auftretendes Fieber) geheilt.

5.   Ehefrau des Hamburgischen Dragoners Koch hat nicht gehen können, weil contract (mit verkrümmten Gliedmaßen) gewesen; konnte nach 3 Tagen zum Brunnen gehen und ist nach 11 Tagen völlig curirt und zufrieden abgereiset .-Sp. hat sie täglich besucht.

6.   Simon Jörs aus Lutes hat ein armes kleines Kind von 10-12 Jahren hierher gebracht, das auf beiden Augen völlig blind gewesen. Nach 14tägigem Gebrauch hat Chir. Sp. ihm ein Haar vor das rechte Auge gehalten, das es erkannt und mit seiner Hand weggenommen. Diese Probe ist von mehreren Personen wiederholt worden. Mit dem linken Auge hat es nur eben den vorgehaltenen Finger erkennen können.

 

Noch ein freiwilliges Urteil eines hohen Beamten

 

Schleswig, den 20. Juni 1761

 

An den Herrn Geheimen und Obersecretair (Bernstorff) in Copenhagen. Er habe, als das Bramstedter Wasser so sehr bekannt wurde, aus sich heraus mit einem sehr tüchtigen Laboranten, Offer Lansen aus Altona, 20 - 30mal in Schleswig das Wasser untersucht. »Wir fanden bloß ein gemeines, etwas mohriges Wasser und waren nicht befriedigt. Sobald es die Zeit erlaubte, bin ich am letzten Sonntag

 

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mit dem Genannten nach Bramstedt gefahren. Wir fanden dort den Leib-Medicus Sr. Hochfürstlichen Durchlaucht zu Ploen, Hofrath Rüsch, und den gleichfalls sehr geschickten Hof-Apotheker Hermann an; sie wie wir hatten alles mitgebracht, was zum Experimentieren nötig. Ihre und unsere Versuche kamen in allen Stücken aufs genaueste überein, waren aber bei der Quelle auf keine Weise von denjenigen unterschieden, die wir längstens in Schleswig gemacht. Die Beylage enthält selbige ohne alle Partheilichkeit, und Ew. Reichsfreiherrliche Excelence würden mir eine besondere Gnade erzeigen, wenn dieselben der Med. Facultät Inducium (Urteil) darüber einzuholen gnädig geruhen möchten.« - »Gute Bewegungen, veränderte Diät und starkes Zuvertrauen können die ohnedies öfters sehr heylsamen Wasser Curen um ein merkliches befördern.«

gez. Süersen (Regierungsbeamter)

 

Physikus Dr. Struensee berichtet amtlich

 

Altona, den 13. Juli 1761

 

Das Geheime Kgl. Conseil hatte (durch den Oberpräsidenten v. Qualen) zur Prüfung der Quelle beauftragt Prof. Maternus Cilano und Dr. Unzer nebst mir als Physiko das Wasser nach chimischen und medicinischen Grundsätzen gemeinschaftlich zu untersuchen. Hier der Bericht: Nur Versuche an der Quelle konnten zum Ziele führen.

Bin am z 3. Juni nach Bramstedt gereist und habe am nächsten Morgen um fünf Uhr die Versuche und Beobachtungen begonnen. Herr Conferenzrath (Amtmann) v. Arnolds Secretair, Kirchspielvogt Basuhn und der sehr erfahrene Altonaer Nebelung und verschiedene Brunnengäste waren Zeugen. Eine Viertelmeile1) östlich von Bramstedt; verschiedene kleine Hügel mit Bäumen schmücken die Gegend. Quelle liegt inmitten einer ziemlich großen Ebene, teils mit Heide bewachsen, teils mit Korn angebaut, durch viele Hügel begrenzt. Meist moorichter Boden. Verschiedene Lagen von Erde: leimigt (lehmig), gelbrötlich; eine andre dunkelbraun, hart und so fest, daß sie nur mit großer Gewalt durch Hacken kann zerschlagen werden. Man nennt sie Branderde; sie liegt eine Schicht tief. -Brunnen ist mit eichenen Bohlen eingefaßt. Darüber ein Bretterhaus. In Höhe von 4 Fuß (reichlich 1 m) ein beständiger Abfluß. Im Grund der Quelle ist Kieselsand, der keinen Vorteil vor gemeinem Sand hat, aber aus Vorurteil innerlich und äußerlich von Leuten gebraucht wird. In 8-10 Schritt Abstand ein Graben mit gemeinem Wasser. Noch war am 24. Juni kein Wasser geschöpft. Nachdem der Deckel abgenommen, fand ich auf der Oberfläche eine schwarz-bläuliche, etwas glänzende Haut, die im Sonnenschein sicher ein Farbenspiel haben wird. Am Finger hing sie als dunkelgelber Schleim, war ohne Geruch und Geschmack, anzufühlen wie ein sehr feines Pulver.

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1) Also bestimmt die gleiche Quelle, die 1681 so erstaunliche Erfolge zuwege brachte.

 

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Später habe ich mit Professor de Cilano und Dr. Unzer gemeinschaftlich Versuche angestellt; sie sollen im Bericht gleich mit berücksichtigt werden. - Wir benutzten das Wasser, das ich in meinem Beisein des Morgens in Glasflaschen füllen und gleich mit Kork und Pech wohl habe versehen lassen. Am 25. Juni nachmittags, nachdem ich morgens von Bramstedt zurück und das Wasser etwa 36 Stunden alt, wurden diese Versuche gemacht. Auch Nebelung, der Apotheker, war wieder zugegen.

a)  An der Quelle gemachte Proben:

1.    Farbe des Wassers weiß-bläulicht, blaß schieferfarben, jedoch durchsichtig und klar.

2.    Geruch sehr deutlich eisenhaft und schweflicht, beim Umschütteln in der Flasche etwas stärker werdend; kein Aufbrausen des Wassers, wie bei so manchen mineralischen, sichtbar.

3.    Geschmack stahlhaft, sulphurisch, etwas zusammenziehend, aber nicht widerlich oder ekelhaft.

4.    Eine gläserne Wasserwaage stand ½ Grad höher als im Wasser aus dem genannten Graben und 1 Grad höher als im gereinigten Elbwasser und als in destilliertem Regenwasser.

5.    15 Tropfen von der solutione lunae in aqua forti erregten in 2 Unzen des Quellwassers alsbald eine weiße milchichte Farbe und Gerinnung, worauf nach 2 Stunden ein milchichtes Pulver zu Boden fiel. (Die gleiche Probe mit Wasser aus dem Graben ergab nur geringe Veränderung, und weißes Pulver fiel nicht zu Boden.)

6.    Die solutio mercurii, bis zu 60 Tropfen nach und nach mit dem Wasser vermischt, machte es etwas weißlich, oben mehr als unten, schlug aber nicht zu Boden.

7.    Ein Quentlein von Sirup violarum und ebenso viel von der Tinctura aquitegiae brachte schnell dunkel grasgrüne Farbe hervor, die nach 3 Stunden noch unverändert, höchstens etwas dunkler war.

8.    Die mineralischen Säuren des Spiritus vitrioli, nitri, sal. commonis, sulphuris und aluminis nebst dem oleo vitrioli verursachten bei Zumischung nicht die kleinste Änderung.

b) Dieselben Versuche, in Altona angestellt:

1.    Hier sah es trübe, gelb und nicht mehr so durchsichtig aus.

2.    Der Geruch hatte sich zu unserer Verwunderung gänzlich verloren; beim Umschütteln zeigten sich wenig Luftblasen.

3.    Mehr süßlich von Geschmack, sonst schmacklos.

4.    Diese Probe hatte unverändert den gleichen Erfolg.

5.    Der gleiche Erfolg, nur war das praecipirte Pulver mehr bläulicht und schieferfarben.

6.    Nachdem die Mischung einige Zeit gestanden, wurde das Wasser an der Oberfläche trübe und undurchsichtig; kein Niederschlag.

 

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7.    Veränderung der Farbe bei Violensaft viel langsamer, bei T. aqui legiae überhaupt nicht.

8.    Wie bei dem Versuche an der Quelle.

Im Endergebnis stellte man einige würflichte Salzkörner fest, von ähnlicher Eigenschaft wie das Kochsalz, und daneben etwas gelbliche Erde, die auf Eisengehalt schließen ließ, ohne daß es bei dem geringen Quantum möglich gewesen wäre, das Metall sichtbar zu machen.

Ein Sonderversuch wurde noch in der Weise durchgeführt, indem man einen Teil des mitgebrachten Wassers, offen der Luft ausgesetzt, an einem warmen Orte sich selbst überließ und so beobachtete.

Am 27. Juni noch mehr der gleichen Flocken niedergeschlagen und das Gefäß wie mit einem gelben Schleim überzogen.

Am 30. Juni noch mehr der gleichen Flocken niedergeschlagen und das Gefäß wie mit einem gelben Schleim überzogen.

Am 7. Juli hatte sich eine gelb-rötliche Erde, häufig wie ein Federmesserrücken dick an Boden und Seitenwand des Gefäßes (irdene Schale) angehängt. Zwischen den Fingern war sie fettig, leimicht wie Thon anzufühlen. Die ganze Zeit über hatte das Wasser weder einen fäuligen Geruch noch Geschmack. In einem Glase, vorsichtig ausgeschöpft, zeigte es viele weiße Fasern, die darin herumschwammen1).

 

Endurteil über die mögliche Wirkung

 

»Was die Wirkung dieses Wassers betrifft, die es, wenn es getrunken wird, im menschlichen Körper hervorbringt, so hat es bei einigen, wenn sie es nüchtern genommen, Erbrechen verursacht, andere hat es laxiret; einige haben Verstopfung des Leibes danach bekommen, und den meisten hat es den Urin stark getrieben. Der Herr Conferenz-Rath, Amtmann von Arnold, hat Beispiele über den Erfolg niederschreiben lassen, die in Anlage folgen.« (Sind im Auszuge bereits oben gegeben.)

»Die Versuche und Beobachtungen erweisen, daß das Bramstedter Quellwasser ein principium subtile martiale sulphurum nebst einer alcalinischen Erde und etwas Salz, so dem Kochsalz ähnlich, besitze. Ersteres ist aus Geruch, Geschmack und Färbung mit den Galläpfeln; das andere aus der Verwandlung der blauen Farbe des sirupi violarum in eine grüne, und der letzte Teil aus der geschwind erfolgten congulation (Gerinnen) der Silbersolution (Lösung), teils aus der durch das Abtauchen (Verdunsten) bekommenen remanenz (Rückstand) abzunehmen. Da aber das principium martiale sulphurum nur in ganz geringer Quantität damit vermischt ist, so verbindet sich das ocidum vitrioli, sobald das Wasser der Wärme ausgesetzt wird oder auch nur einige Zeit stille stehet, gleich mit der terra alcalina und lässet die wenigen Eisenteile fallen. Die leichtesten und subtilsten derselben

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1) Die Reihe der Versuche, hier am Ort und in Altona angestellt, ist hiermit nicht erschöpft, der Sinn vorliegender Darstellung möge das rechtfertigen. D. V.

 

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vereinigen sich mit der sulphurischen Fettigkeit, welche sich auf der Oberfläche des Wassers als eine farbige Haut zeigt; dahingegen die schweren in Gestalt einer Ochererde (Ocker) zu Boden fallen. Dies ist der gemeinste Grund, warum dergleichen mineralische Wasser, als das Pyrmonter, Schwalbacher u.s.w. nach den Beobachtungen der geschicktesten chymicorum (Chemiker) Markgraf und Seip ihre Kräfte durchs Verfahren (Transportieren) und langes Stehen an freier Luft, ja auch durch die bloße Wärme der Luft und der Sonnenstrahlen verlieren. Je weniger ein Wasser von diesem principio hat, desto geschwinder wird es unkräftig, und hieraus erklärt sich, warum das beim Bramstedter Wasser so schnell geschieht. Es soll daher bloß an der Quelle getrunken werden, und auch dann kann es nur für schwach und von geringer Kraft erklärt werden. Es könnte vielleicht verstärkt werden, wenn das vorbeifließende Moorwasser abgeleitet und jeder Zufluß fremden Wassers verhindert würde.«

gez. Struensee, Physicus

 

Maternus de Cilano bestätigt, alle Versuche mit dem verfahrenen Wasser habe er in Gegenwart der committirten (beauftragten) Ärzte befunden, wie hier beschrieben.

 

Letzte amtliche Dokumente in Angelegenheit des Gesundbrunnens

Altona, den 17. Juli 1761

Oberpräsident von Qualen reicht den vorstehenden Bericht nach Copenhagen ein und stellt fest, daß damit Phys. Struensee, Prof. Maternus de Cilano und Dr. Untzer auftragsgemäß die ihnen gestellte Aufgabe gelöst haben.

Altona, den 28. Juli 1761

Dr. Johann Aug. Untzer spricht dem Hoch- und Wohlgeborenen Reichs-Freiherrn und Geheimrath, Gnädigsten Herrn (von Bernstorff) untertänigsten Dank aus für die gnädige Beachtung, die im Hinblick auf die mineralischen Wasser zu Bramstedt seiner Arbeit und seiner geringen Person zutheil geworden.

Copenhagen, 1. August 1761

Excellenz von Bernstorff an Amtmann von Arnold

Er möchte genauer unterrichtet sein und Nachricht haben, was die Ableitung des Moorwassers (siehe Struensees Bericht) kosten werde, und ob und welchen Nachteil die angrenzenden Unterthanen davon haben möchten. Wären die Kosten gar zu hoch und sonst noch einiger Schaden dabei, dann könne man sich schwerlich auf besagten Vorschlag einlassen, um so weniger, da man von der Bonität des Wassers nicht unterrichtet ist.

Bramstedt, den 7. August 1761

Der Amtmann antwortet dem Minister von Bernstorff

Die Ableitung des Moorwassers könne ohne Kosten (für die Staatskasse) vorgenommen werden. Er habe bereits angeordnet, daß das Nötige geschehe. - Der

 

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Zulauf habe inzwischen »gar sehr« abgenommen; es finde sich fast gar kein Gast mehr ein. Vielleicht schaffe ja die Ableitung neues Vertrauen; es sei wohl angebracht, vorläufig weiteres nicht zu unternehmen. - Zugleich bemerkt von Arnold, daß in dem beim Brunnen aufgestellten Armenstock bisher über 2000 Mark eingekommen. Sicher sei noch einmal so viel im Flecken und den benachbarten Dörfern verzehrt worden, und der Brunnen sei dem Lande nichts weniger denn nachteilig gewesen.

Damit schließen die bisher bekannten amtlichen Akten über den Gesundbrunnen ab. Nimmt man hinzu, daß auch die am 1. Juni 1761 erbetene militärische Wache bereitwilligst von der Regierung gestellt worden ist, so wird man zugeben, daß die Königlichen Behörden und Beamten ihre Schuldigkeit getan haben. Wenn aber trotz der unverkennbaren Mühen von genannter Seite schon nach Ablauf von drei Monaten - Mitte August - kaum noch neue Gäste erschienen sind, so muß die Ursache wohl als nicht geklärt dahingestellt bleiben. Auf keinen Fall darf sie den am Brunnen postierten Soldaten aufgeladen werden. Ihnen war eingeschärft, stets höflich gegen die Gäste zu sein. Sie standen unter der Oberaufsicht des Kirchspielvogts, und wenn auch ihre Instruktion sie verpflichtete, bei Unordnung mit Zuschlagen des Säbels zu drohen, so war doch die Dämpfung angefügt, daß sie nicht wirklich zuschlagen dürften. Sie hatten nötigenfalls Meldung zu machen beim Kirchspielvogt.

Der aufmerksame Leser wird eine Äußerung darüber vermissen, was denn der Flecken von sich aus unternommen hat, um die ungewöhnliche Gelegenheit zur Förderung des Gemeinwesens zu nutzen.

Spärlich nur sind die Urkunden in diesem Punkte. Das Fleckensbuch meldet lakonisch:

»Iß in diesen Jahr (1761) der Sunbrun von Neuem Repariert worden und Viellen Menschen geholfen.«

Man darf daraus schließen, daß die Fleckenskasse in Anspruch genommen worden ist, wie denn auch in späterer Zeit der Flecken das Badehaus versteigerte. Es hat dem Bauern Steckmest bis in die jüngste Zeit als Scheune gedient und ist nun der notwendigen Begradigung der Reichsstraße zum Opfer gefallen. Pastor Chemnitz aber hat in seine Memorabilien eingetragen: »1761 ist im Frühjahr der hiesige Gesundbrunnen (der bereits um 1680 besucht worden) aufs neue in Ruf gekommen, so daß von vielen Orten, besonders von Hamburg sich viele dabei eingefunden; und zur Bequemlichkeit ein bretternes Haus dabey erbauet werden müßen. Von den Almosen, die bey dem Brunnen gegeben wurden, hat die Armen Casse, nach Abzug der Kosten, bei 500 Reichsthaler erübriget.« Der Zeitpunkt, wo Brunnenhaus, Badehaus an der Osterau und Wachthaus wieder verödet dastanden, läßt sich nicht genau angeben; die Nachricht vom 7. August gibt einen Fingerzeig.

 

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3. Erneutes Aufblühen um 1810

 

Dieses erneute Aufspringen des alten Rufes der Bramstedter Heilkuren unterscheidet sich zweifach von dem vorigen. Einmal ist der Zeitpunkt für dieses Aufspringen nicht so genau bestimmbar, und andrerseits kommen diesmal außer dem alten Gesundbrunnen mehrere andere, neu entdeckte Quellen in Frage. Ersteres mag seinen Grund darin haben, daß die fraglichen Vorgänge nicht mit der alten Plötzlichkeit zutage getreten und dabei von längerer Dauer gewesen sind. Aber zweifellos darf man in dieser Hinsicht das Jahr 1810 als den ungefähren Höhepunkt im Ablauf der Ereignisse ansehen; vereinzelte Nachrichten aus der Zeit kurz vorher und nachher bestätigen das.

Diesmal sind auch die Fleckensleute unter denen, die der Sache den erwünschten Antrieb geben. Am 12. April 1810 wenden sich »die Einwohner Bramstedts« an Kgl. Majestät in Kopenhagen mit folgender Darlegung: Es wird gebeten, hinsichtlich der bei dem Gesundbrunnen vorzunehmenden Einrichtungen »etwas zu entscheiden« oder zu gestatten; nämlich, daß die Supplikanten selbst die nötigen Einrichtungen für die Bequemlichkeit der Kranken treffen. - Bis jetzt sei nichts geschehen. Das schwäche die Heilwirkung. Man habe gehört, daß bereits von andrer Seite an Allerhöchster Stelle Vorschläge gemacht worden seien, die sehr ins Große gehen sollen. Sonst hätte man sich früher gemeldet. - Das Wasser müsse an der Quelle getrunken werden, um wirksam zu sein. Die Kranken müßten gegen die Witterung geschützt werden: ein Gebäude sei nötig. Die bekannt gewordenen Vorschläge würden gewiß dem Übel begegnen. Aber es fehle die Genehmigung, die noch einmal erbeten wird. - Wenn »nein«, so möge Majestät erlauben, »daß auf Kosten des Fleckens Bramstedt einige Anlagen gemacht werden, die zur Bequemlichkeit der Kranken unentbehrlich.« Der Flecken werde nur Bescheidenes leisten können; aber schon dieses werde nicht ohne Einfluß auf den Besuch sein. Die Sache müsse ohne Verzug gefördert werden. Man wolle nicht künftigen größeren Unternehmungen im Wege sein. Nötigenfalls könne man wieder fortnehmen, was heute unentbehrlich scheine.

Alleruntertänigst

Anton Schmidt, Hans Lahrsen, Hinrich Steckmest.

 

Die von anderer Seite gemachten Vorschläge, auf die sich die drei Ratmänner beziehen, sind direkt nicht nachzuweisen. Man darf jedoch vermuten, daß nachstehendes Schreiben aus Copenhagen, datiert 13. Februar 1810, uns auf den rechten Weg leite.

Sein Inhalt:

»In Anleitung des hierbei folgenden Gesuchs des im Flecken Bramstedt ansässigen Hamburger Bürgers und Baumeisters Hübener um die Erlaubnis, dorten eine Brunnen-Anstalt anzulegen, wird das Kgl. Sanitätscollegium in Kiel ersucht, mit Beziehung auf ein früheres Schreiben eine gefällige Äußerung über die fragliche Brunnen-Anstalt abzugeben.« Ein eigenartiges Zusammentreffen will es, daß an demselben Tage, wo die

 

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Bramstedter sich an ihren König Friedrich VI. mit der Bitte um Beschleunigung wenden, dieser an den Baumeister auf dessen Gesuch die Antwort erteilt, wie folgt:

Der König erteilt an Johann Friedrich Hübener das Privilegium, in Bramstedt Brunnengebäude anzulegen. Dabei soll er in Rücksicht der einzuführenden Baumaterialien frei sein von Erlegung des Zolles, auch in den ersten Jahren nach Errichtung des Baues frei von Abgaben und ihm überdies gestattet sein, Künstler, Kunstverständige und andere Arbeiter zum Bau und zur Errichtung der Gebäude nach eigenem Gutdünken, wo er sie erhalten kann, zu nehmen. - Das Privilegium besteht für die Dauer von zwei Jahren.

Ob nun Hübener von der Bauerlaubnis Gebrauch gemacht hat, dafür ist ein amtlicher Ausweis bisher nicht aufgefunden. Einen gewissen Anhalt geben die Ausführungen eines Hamburger Badegastes, G. C. Mahnke, der 1808 Bramstedt zum erstenmal aufsuchte und den Zeitpunkt seiner Wahrnehmungen andererseits andeutet durch die Worte: »Die jetzigen Rathmänner sind Herr Hans Schröder und Herr Johann Hinrich Meyer.« - Beide sind aber 1814 gewählt worden. Er sagt unter Hinweis auf 1809, daß die überlasteten und fast aller Nachtruhe beraubten Wirte wohl auch einmal »hohe Rechnungen« gemacht hätten. Was damals aber nicht vorhanden war, ist schon seit mehreren Jahren auf Königliche Kosten ausgeführt worden: die Schwefelquelle auf dem Kirchenmoor, als auch die Stahlquelle sind jetzt eingefaßt, mit einem hölzernen Dache bedeckt, mit Wällen umlegt und mit einem Staketwerk umgeben. Wildes Wasser kann nicht mehr in die Quelle sickern. Daß für sonstige Bequemlichkeiten an der Quelle mehr gesorgt würde, wäre zu wünschen, würde aber gewiß besorgt werden, wenn nur die Besucher der Quelle wieder ihr das gebührende Zutrauen schenken würden. Der Wortlaut läßt vermuten, daß der Ruf der Quelle bereits wieder im Abklange stand, und somit liegt der Gedanke nahe genug, daß aus Hübeners Plänen nichts geworden sei. Im übrigen ist G. C. Mahnke lebhaft von der Heilkraft der Bramstedter Quellen, die er am eigenen Leibe erfahren, überzeugt; er weist einen Apotheker, der um seiner Apotheke willen das Quellwasser dem gewöhnlichen Pumpenwasser gleichgestellt hatte, energisch zurück. Wer Reisekosten und kostspielige Zehrung nicht scheue; wer Bälle und Spielbank mehr liebt als seine Gesundheit, der möge nach Nenndorf fahren. Aber der wahrhaft Kranke, der Ruhe und Einsamkeit und wirkliche Erholung sucht, der gehe nach Bramstedt, selbst angenommen, daß die Quelle nicht gleich stark wirke. Was die in der Blütezeit um 1810 neu entdeckten, zum Teil auch benutzten neuen Quellen anlangt, so liegen sie südöstlich von Bramstedt, einige km von dem alten Gesundbrunnen entfernt, auch ihrer Natur nach wesentlich anders geartet. Sie seien hier wenigstens kurz gekennzeichnet.

a)   Eine Stahlquelle auf einer niedrigen Wiese an der Lentföhrdener Aue, derzeit an drei Stellen aufbrodelnd in einem Bassin von etwa 2 m Durchmesser.

b)  Eine Stahlquelle auf Ackerland hinter der Hambrücke in etwas moorigem Land; fünf aufspringende Quellen, Bassin wie bei a). Das Wasser merklich

 

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schwerer als destilliertes Wasser, klar von Farbe, ohne Geruch, schmeckt dintenhaft.

c) Hinter Holenförd (Flurname) auf einer Wiese (Salzwiese) an der Schmalfelder Aue: mehrere eisenhaltige Salinen.

Alle diese Quellen sind um 1810 recht gründlich untersucht worden, und man hat ihnen von ärztlicher Seite Heilkräfte zugesprochen. Genauer Bericht an dieser Stelle unterbleibt der Raumfrage wegen. Die Erkenntnis, wie reich die Bramstedter Gemarkung mit Heilkraft gesegnet ist, liegt klar vor jedes Lesers Blick. Wer aber in dieser Hinsicht genauer unterrichtet zu werden wünscht, der sei verwiesen auf das Buch: »Über die Mineralquellen bey Bramstedt im Holsteinischen, von J. F. Süersen, Verlag bei Gundermann, Hamburg 1810.«

Hier der Wortlaut eines in der alten Fleckenslade aufgefundenen »Billets«: Für Frau Generalin von Heinen aus Rendsburg ist das Trinken und Baden an der Schwefelquelle verordnet.

Bramstedt, den 5. Juli 1814 (11?) mit 1 Reichstaler bezahlt.

(gez.) Cirsovius (Kirchspielvogt)
(gez.) S. Grauer, Dr.

 

Demnach steht fest, daß 1814 neben Trinkkuren auch solche für Badende zur Verfügung standen, und zwar das eine wie das andere gegen Zahlung. Daß der Kirchspielvogt, ein Königlicher Beamter, diese Gelder einkassiert, drängt die Vermutung auf, daß der König finanziell irgendwie an dem Gesundbrunnen oder mindestens an den zu seiner Auswertung getroffenen Einrichtungen beteiligt gewesen sei. Absolute Klarheit hierüber besteht indessen nicht. Über die Einrichtung selbst gibt ein kurzer Bericht (Bramstedter Nachrichten vom 30.8.1879) Auskunft. Danach war der Brunnen mit Bohlen eingefriedigt und durch ein Bretterdach vor den Sonnenstrahlen geschützt. Johann Ott aus Hagen hatte dies Dach hergestellt und war später Aufseher über den Brunnen. An der einen Seite der Bohlenwand war eine metallene Röhre. Durch diese wurde das überflüssige Wasser der Aue zugeführt. An der andern Seite befand sich der Hahn zum Auszapfen; diesen bediente der als Nachtwächter bekannte Hohnschildt. Unweit des Brunnens lagen zwei »Badehäuser«; jedes enthielt eine große Badewanne. Rundherum standen Tische und Bänke.

Selbstverständlich haben die Bramstedter den Kurgästen nach Möglichkeit Quartiere zur Verfügung gestellt. Eine 1879 noch lebende Witwe, in ihrer Jugend im »Holsteinischen Haus« bedienstet, hat erzählt, daß sie und die Wirtin in drei Tagen nicht aus den Kleidern gekommen wären, weil alle Betten und Stuben von Fremden besetzt waren. Man wird zugeben, daß es über die Kräfte der Fleckensleute ging, dem anstürmenden Bedürfnis nach Unterkunft alsbald zu genügen. Ihr Bemühen, die Gäste zu befriedigen, ist nicht anzuzweifeln. Genannte Witwe hat auch berichtet, daß täglich morgens früh aus Wiemersdorf sechs junge Mädchen zum Brunnen gekommen sind, um in steinernen Kruken Wasser zu holen. Ein Beweis, daß auch dort Kurgäste untergebracht waren.

 

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Der bereits erwähnte Mahnke, Schriftleiter des »Niederelbischen Merkur«, weist in der Unterhaltungsbeilage Nr. 30 auf einen Theaterzettel vom 30. Mai 1814 hin, der die Bramstedter Gäste einladet zum Besuch eines »Romantischen Ritterschauspieles«. Immerhin ist es auch diesmal nicht gelungen, etwas Bleibendes zu schaffen, die Dauer eines Jahrzehnts scheint auch dieser dritte Auftrieb nicht überschritten zu haben.

Aber diese dritte Blütezeit ist in die Literatur eingegangen. Ein lustiges Poem, abgedruckt in der Haderslebener Wochenschrift »Lyno vom 27. Mai 1810« möge hiervon Zeugnis ablegen, wenn auch der Verfasser unbekannt ist.

 

»1. Wie schön glänzt der Gesundheit Stern

Von Bramstedt aus in weiter Fern,

Groß, freundlich, schön und helle!

Auf seinen Wink erschienen schon

Der Krüppel eine Legion

An unsrer Wunderquelle.

Eil! Eil! Heil! Heil!

Bring ihr Wasser

Jedem Prasser.

Er geneset,

Wär er auch schon halb verweset.

2.   Der Bäder Perl', der Brunnen Kron',

Spricht unser Wasser allen Hohn,
So reich an Wundergaben.

Es schmecket wie Ambrosia

Und heilet Gicht und Podagra,

Wenn wir nur Glauben haben.

Fort! Fort! Dort! Dort!

Ist die Quelle

0Die der Hölle

Uns entführet. -

Wer sie trinkt, ist nie krepieret.

3.    Das Wasser ist das größte Gut,

Es wärmt den Geist und kühlt das Blut

Und rettet selbst vom Tode.

Weg, Mittel aus Arabia,

Weg, Opium und Kinkina

Ihr seid nun aus der Mode!

Eija! Eija!

Langes Leben

Wird es geben.

Die es proben,

Werden seine Wirkung loben.

 

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4.   Ihr Ärzte, klagt und weinet laut,

Kein Mensch wird euer Salz und Kraut

In Zukunft noch verzehren.

Hier ist der wahre Gnadensee,

Wir können euer Recipe,

So wie euch selbst entbehren.

Plunder! - Wunder

Hier geschehen,

Sollt ihr sehen,

Sehn und glauben:

Blinde hör'n, es seh'n die Tauben!«

4. Die Zeit der stetigen Entwicklung

 

An dem Platze, wo seit 1936 die Lehrwerkstätten für die Bauindustrie ihr schönes Unterkommen haben, ist 1879 der Grund gelegt worden zu einem Unternehmen, das ohne Übereilung, aber in ständiger Entwicklung zum Neuen Kurhaus geführt hat. Der Mut und die fast verbissene Energie eines Mannes hat es zuwege gebracht, was unter günstigerem Stern doch wohl eine gute Spanne Zeit früher hätte verwirklicht werden können. Der Zimmermeister Matthias Heesch ist es gewesen, dessen derzeit hinreichend bespöttelter Kühnheit es gelingen sollte, zu seiner Ehre und zum Gedeihen seiner Vaterstadt den rechten Weg zu erfolgreicher Auswertung der im Bramstedter Boden ruhenden Heilkräfte zu finden. Auf seinem kurz vorher käuflich erworbenen Grundstück stellte er beim Graben eines kleinen Teiches fest, daß sich Salzwasser darin ansammelte. Schon entschließt er sich, was zu tun sei. Er unterhält sich mit seinem Arzt Dr. Postel, und nach dessen aufmunterndem Urteil errichtet er ein bescheidenes Bretterhaus neben der Quelle und bietet kalte Solbäder an. Bald hat er für die Fernhaltung des Süßwassers das Nötige getan. 1880 setzt er die Bohrungen auf seinem Grundstück fort bis über 140 m Tiefe: Der Salzgehalt des Wassers steigt mit der Tiefe. Meister H. wurde zum rechten Hüter seiner Gäste. Man erzählt, daß er demjenigen, der das kalte Bad hinter sich hatte, alsbald mit einem wärmenden Schluck zu dienen pflegte. Es geht voran. Ein Pavillon zum Schutze und zur Bewirtung und eine Einrichtung für Verabfolgung von Wannenbädern werden geschaffen. 1881 bekunden Pferdehändler Sell, Bramstedt, und Witwe Holtorf, Großenaspe, öffentlich, daß sie sich verpflichtet fühlen zu der Mitteilung, daß sie durch die warmen Bäder des Herrn Heesch von ihrer schmerzhaften und lähmenden Gicht völlig geheilt seien. Die verdiente und wohl berechnete Hilfe naht, und zwar in Gestalt der Bramstedter Fleckens-Sparkasse, die so manches Verdienst für sich zu verbuchen hat. Sie läßt den schon früher angelegten Badesteig 1882 aufs beste instand setzen und an bevorzugten Stellen Bänke anbringen für die Badegäste. Dazu stiftet sie 30 Bäder für skrofulöse Kinder, deren unentgeltliche Überwachung Dr. Postel

 

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übernimmt. Sechs Jahre später kauft dieselbe Sparkasse eine etwa 2 ha umfassende Koppel östlich vom Matthias-Bad1) und läßt dort Anlagen und Schmuckplätze wiederum zugunsten der Badeanstalt schaffen. Inzwischen ist der Gründer im 68. Lebensjahre heimgegangen (1887).

Er hinterließ seiner Familie ein aufblühendes Anwesen und den Ruf eines Mannes, dem für seine umsichtige Tatkraft zu danken seine Vaterstadt einige Ursache hat. Der Name Heesch hat von seinem guten Klange nichts verloren durch die Art und Weise, wie die drei Töchter die Verwaltung des väterlichen Erbes fortgeführt und durchgesetzt haben. Küche, Wirtschaft und Badehaus, so haben sie ihr Arbeitsfeld aufgeteilt und, getrennt marschierend, aber geeint in der Zielrichtung, sich und das Vatererbe rühmlich behauptet.

Zu Ehren des Toten sei nachdrücklich klargestellt, daß er nicht ein bloßer Nachahmer seiner Vorgänger war. 1681 und 1761 sind lediglich, um 1810 mit geringen Ausnahmen, Trinkkuren veranstaltet worden, wobei in den ersten beiden Zeitläuften nur der Schwefelbrunnen, 1810 auch eine Stahlquelle ausgenutzt worden ist. Matthias hat von Anfang her an Badekuren gedacht und neben seiner Solquelle wohl auch an entsprechende Verwertung des Moorbodens.

Zum Zeichen des Aufstiegs wird im Juli 1892 für den »letzten Sonntag« die Anwesenheit von 63 Kurgästen und außerdem 113 Fremden im Orte bekanntgegeben. 1905 lassen die Geschwister Heesch auf ihrem Grundstück im Dahlkamp ein größeres Logierhaus bauen. Sie verstehen es, begünstigt durch die immer anmutiger sich entfaltenden Anlagen des Kurhauses und seiner Umgebung, den Betrieb so zu gestalten, daß nicht nur die Fremden sich dort wohl fühlen, sondern in stetig wachsender Zahl auch die Bramstedter Bürger mit ihren Angehörigen sich dort einfanden. Nicht nur des Naturgenusses wegen; auch die dort gebotenen Veranstaltungen, wie Konzert, heitere Vorträge, Lichtpolonäsen und dergleichen, verfehlten nicht ihre Anziehungskraft. Anfang 1911 meldet sich die Konkurrenz. Behnke erwirbt in unmittelbarer Nachbarschaft des Matthiasbades ein Stück Land vom Bäckermeister Kröger und benutzt es ohne Verzug zur Errichtung eines zweiten Solbades. Das mag die Geschwister Heesch veranlaßt haben, bald danach die im Süden anliegende Koppel Bollbrüg für 6000 Mark von Andresen zu kaufen, desgleichen von Bahnert die Parzellen Ihlbek und Achterndieck für 7000 Mark.

Soweit sichtbar, haben beide Unternehmungen zur Befriedigung der Besitzer sich entwickelt. Es macht sich überhaupt ein verstärktes Interesse für die Bramstedter Bodenschätze bemerkbar. Zunächst am Orte selbst, indem die Stadtverwaltung in erhöhtem Maße für bequeme Zugänge zu den Kurhäusern und zu den Naturschönheiten der Gemarkung sorgt; besonders auch die Pflege der Waldungen sich angelegen sein läßt. So werden am 5. September 1911 bewilligt: 150 Mark für die Promenade von der Segeberger Chaussee zur Hambrücke und 400 Mark für Durchforstung der städtischen Anlagen bei dieser Brücke; ferner

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l) Matthias Heesch.

 

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am 8. Februar 1913: für Fußweg vom Badesteig zum Lohstücker Weg und in diesem entlang einschließlich einer Überbrückung der Osterau 800 Mark (536 Mark sind bereits von Bürgern zur Verfügung gestellt). 1913 im Februar wird bekannt, daß Hofbesitzer Moritz, Bimöhlen, ebendort auf einer Wiese nahe dem Dorf eine Quelle erbohrt hat, die als »St.-Johannis-Sprudel« bezeichnetes Wasser reichlich liefert; zur Bekämpfung von Gicht, Rheuma, Ischias, besonders aber Blasen- und Nierenleiden soll es ein gutes Heilmittel sein. Der Absatz wird als erheblich bezeichnet und als überzeugender Abnehmer das Eppendorfer Krankenhaus in Hamburg genannt. Eine Apparatur zu gleichzeitiger Füllung mehrerer Flaschen ist in Dienst gestellt worden.

1926 hat der gegenwärtige Besitzer der alten Brunnenwiese (1681) bei dem Gesundbrunnen bohren und das Wasser in Hamburg untersuchen lassen. Steenbock hat folgenden Bericht erhalten: das völlig klare, etwas rötlich-braun gefärbte Wasser hat an mineralischen Bestandteilen: Kieselsäure, Eisenoxyd, kohlensauren Kalk, dito Magnesium, phosphorsaures Kalium, schwefelsaures Kalium, dito Natrium und Chlornatrium. Ob es in den Handel gekommen ist, weiß ich nicht. Steenbock hat eine einfache Pumpe auf der alten Brunnenwiese setzen lassen und stellt es freundlich jedem Wanderer frei, nach seinem Belieben eine Kostprobe zu nehmen.

Erwähnt sei noch, daß der Mineralwasser-Fabrikant Heinrich Siems, Kaltenkirchen, eine Zeitlang das Wasser für seinen beliebten »Roland-Sprudel« aus Bramstedter Quellen entnommen hat. Aber Gegenstand des Kurgebrauchs oder des Handels ist heute weder der Gesundbrunnen noch die Bimöhler Quelle. Auch sind die Trinkkuren in Bramstedt erloschen.

Doch spendet ein artesischer Brunnen innerhalb der Rheuma-Heilstätte immer noch eisenhaltiges Wasser, das jedem Kurgaste nach eigenem Belieben zur Verfügung steht.

Zurück zu den alten Kurhäusern. Ihr Entwicklungsgang hat auch außerhalb Bramstedts Beachtung gefunden. Die Geschwister Heesch spüren die Last der Jahre. Im August 1918 kaufen Hamburger Interessenten nicht nur das Matthias-Bad, sondern auch das Behnckesche Solbad, dazu von der Sparkasse die östlich vom Alten Kurhaus liegenden Anlagen und den Rühgerschen Garten jenseits der Aue, im ganzen 7-8 ha Wald-, Gemüse- und Ackerland und Teichanlage. Der Raum für die weitere Entfaltung des vor einem Menschenalter so bescheiden eingeleiteten Unternehmens ist gegeben. Doch soll nicht verschwiegen werden, daß der Verkauf nicht restlose Zustimmung fand. In einem Eingesandt an die Bramstedter Nachrichten, unterzeichnet P. (Pastor Paulsen?), wird lebhaft bezweifelt, daß der Verkauf dem Ganzen förderlich sein werde. Den Vorteil hätten zunächst nur die Grundbesitzer.

Doch neue Tatkraft kommt zur Geltung. Dem Moore wird erhöhte Aufmerksamkeit zugewendet. Nach einem Jahr bestätigt ein Gutachten von Dr. B. Walter, daß die Moorerde tatsächlich radioaktiv sei. Ein neuer Auftrieb ist damit wirksam geworden, der Weg zum Einrücken in die Reihe der erstklassigen Moorbäder

 

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steht offen. Zunächst freilich galt es, die traurigen Jahre der Nachkriegszeit, die trostlose Zeit der Inflation, zu ertragen. Man hat durchgehalten. Die sich darbietende Gelegenheit zu engerer Zusammenarbeit mit den Pflichtkrankenkassen ist genutzt worden. 1926 läßt die Verwaltung ankündigen: »Das Sol- und Moorbad ist zwar von der Ortskrankenkasse belegt; aber auch die Behandlung privater Patienten wird in alter Form und in erweitertem Umfange aufrecht erhalten.« Die Direktion bewirkt den Eintritt in den Verband der schleswig-holsteinischen Bäder und Sommerfrischen, in dessen Jahrbuch es demnach wieder erscheinen wird, wie es früher schon der Bürgerverein auf seine Kosten veranlaßt hatte. Die Verbindung mit den Ortskrankenkassen, 1925 aufgenommen, wurde für das Bramstedter Heilbad von entscheidender Bedeutung. Glücklich verlaufene Kuren förderten sichtbar seinen alten guten Ruf. Der Zuspruch mehrt sich und erinnert bald an die Blütezeiten alter Tage. Der Massenbesuch zwingt zu Vergrößerungsbauten. Denn immer mehr macht sich der Nachteil der wachsenden Zersplitterung des Betriebes bemerkbar. Der wirtschaftliche Erfolg und auch die Behaglichkeit der Patienten leidet darunter. Gerühmt wird die Pflichttreue und die Geschicklichkeit des Personals und besonders seines alten eingelebten Stammes; hingebende Aufopferung in schwierig sich gestaltendem Pflichtenkreis hat über so manche Bedrängnis hinweggeholfen. Schon 1927 wurde erneuter Um- und Ausbau des alten Kurhauses nötig. Doch war es nicht möglich, mit den Eigentümern sich über das dringend Erforderliche zu einigen. Die Gefahr einer Abwanderung des Verbandes der Ortskrankenkassen rückte nahe; denn natürlich entging dem wachen Auge konkurrierender Badeorte nicht, was hier zur Frage stand. Andererseits erwies sich das starke Vertrauen, das die Vertreter der Krankenkassen auf Grund ihrer Erfahrungen zur hiesigen Kurleitung gewonnen hatten, in der Stunde der Gefahr als ein wertvolles Band der Festigung. Wohl ist es zeitraubend gewesen, wohl hat es ungewöhnliche Mühe gekostet, der Schwierigkeiten Herr zu werden, die einer befriedigenden Lösung im Wege standen. Als aber der Plan ans Licht trat, in dem der Stadt gehörigen Kaiser-Wilhelm-Wald ein großes, allen Ansprüchen genügendes Kurhaus neu zu errichten, und als die Stadtverwaltung sich in wacher Erkenntnis dessen, was die Stunde zur Förderung des Gemeinwesens von ihr verlangte, entschloß, das nötige Gelände kostenfrei anzubieten: da erwies sich der Zwang der Tatsachen stark genug, über alle Bedenken hinwegzuführen. Die hanseatische und die schleswig-holsteinische Landesversicherungsanstalt schlossen sich mit der Stadt zu einer Genossenschaft m.b.H. zusammen. Der Bau der Rheumaheilstätte war damit gesichert und konnte im Mai 1929 in Angriff genommen werden.

Schöpfer des Bauplanes ist der Hamburger Architekt Carl Feindt. Es handelt sich um ein Bauwerk, wie es in ähnlichen Ausmaßen der Ort bisher nicht erlebt hatte. Förderlich konnten bei der Ausführung heimische Industrie, weniger das Handwerk beteiligt werden. Die Ziegeleien in Wiemersdorf und Hagen haben den Gesamtbedarf an Mauersteinen geliefert. Die hiesigen Maurermeister Gebrüder Schnoor haben das Mauerwerk aufgeführt und in größerer Zahl Gesellen des

 

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Ortes und der Umgegend beschäftigen können; im übrigen hat Hamburg, der Hauptgeldgeber, die Arbeiten an dortige Firmen übergeben. Das durch Form und Größe in gleicher Weise fesselnde Gebäude liegt etwa 2 km von der Stadt entfernt im südlichen Teil der Gemarkung. Seine riesige Front ist dem Süden zugewandt und blickt auf einen mit Blumenbeeten und Rasen geschmückten weiten und freien Raum inmitten des Stadtwaldes. Die Frontlinie wird in vorteilhafter Weise dadurch belebt, daß die Mittelflucht des Hauses sich um ein Geschoß über die seitlichen Züge des Baues erhebt. In dem Gebäude sind untergebracht 320 Betten für Kurgäste neben einem Flügel für Schwerkranke mit eigener Badeanlage, sieben Dienstwohnungen, große helle Speise- und Tagesräume, Spiel- und Rauchzimmer, Veranden und Nebenräume. Technische, für den Betrieb gegenständliche Neuerungen sind nicht übersehen worden: Lift, Lastaufzüge, desgleichen für Wäsche und Speisen getrennt, Dampfwäscherei, Entgiftungsräume, elektrische Hebevorrichtung für die Entleerung der Moorwannen u. a. m.

Für das Badehaus ist eine neue zeit- und raumsparende Bauform gewählt worden. Kreisringe, um den gleichen Mittelpunkt gelagert, nehmen die verschiedenen Abteilungen des Betriebes auf. Im Zentrum liegen 18 Zellen für Solbäder; sie umschließend, folgen 24 Moorbadezellen, dazu Räume für die nötige Ausruhe nach dem Bade. Im Außenring sind etwa 600 Moorbadewannen untergebracht, die mit geringer Mühe nach Bedarf in die Einzelzelle geschoben werden. Vier Moorküchen, der Aufbereitung der Moorbäder dienstbar, sind in gleichen Abständen an der Außenseite um den Bau gelagert. Jede Küche bedient die ihr zugeordneten nächstliegenden Badezellen, so daß die Fahrstrecke für den Transport der Wannen bestmöglich gekürzt wird. Leistungsfähigkeit täglich 700 Bäder. Hinsichtlich der Ausstattung mit Heilmitteln ist alles vorhanden, was einem großen Sanatorium der Gegenwart seinen Charakter gibt. Neben den naturkräftigen Moor- und Salzbädern werden künstliche Moorschwefelbäder, Kohlensäure-, Sauerstoff- und Fichtennadelbäder verabfolgt. Die Vorrichtungen für Diathermie- und Kurzwellenbehandlung, Höhensonnen-, Solluxlampen-, Rot- und Blaulichtbehandlung fehlen nicht. Für Vierzellenbad, Faradisation, Galvanisation, Inhalation stehen beste Vorrichtungen zur Verfügung. Als letzter Fortschritt sind zu nennen: Röntgen-Tiefenbestrahlung, eine die günstigste Ernährungsform sichernde Diätküche und ein elastisch schwingender Weg (Bramstedter Schwingweg), der im besonderen den Gelenkkranken wesentliche Erleichterung schafft.

Ohne Anmaßung kann ausgesprochen werden, daß heute Bad Bramstedt ein im ganzen Reiche bekanntes und hochgeschätztes Sanatorium in seinen Mauern birgt. Im Jahre 1936 ist es von maßgebender Stelle neben dem ehrwürdigen Aachen als reichswichtige Rheuma-Heilstätte zensiert und registriert worden. So kann es nicht wundernehmen, daß zu dem Neuen Kurhaus, das hier bisher verhandelt worden, bald ein zweites, das »Kurhaus an den Auen«, hinzugekommen ist. Seit 1936 ist dieses anmutig gelegene Gebäude mit Zubehör rechtlich mit der

 

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Rheuma-Heilstätte verschmolzen zu einer Einheit. So können rund 400 Patienten gleichzeitig untergebracht werden; aber für den Sommer reicht das nicht aus. Dann füllen sich auch die privaten Unterkunftstätten, die natürlich nach Wunsch auch im Winter offenstehen. So ist denn, was Matthias Heesch und wohl auch andern als Wunschbild vor Augen gestanden haben mag, erfüllt, und zwar ohne daß die Heilquellen der früheren Tage in Anspruch genommen worden sind. Wer ist zu preisen, wem ist zu danken angesichts des vollbrachten Werks? Es wird gut sein, sich zu besinnen, daß mancherlei Umstände von vornherein dem Plane günstig lagen. Der Tannenwald mit seinem erhöhten und trockenen Sandboden, dazu bestes Trinkwasser sichernd, bot einen soliden Baugrund; die anmutige Erscheinung des aufwachsenden Gehölzes rundherum mußte dem Vorhaben förderlich sein. Die inzwischen gesteigerte Wertung der Moorbäder mußte die Nähe eines weiträumigen Moorgebietes hoch willkommen heißen. Die den Wald in nächster Nähe schneidende Eisenbahn bot Gelegenheit zur Anlage einer handgreiflich nahen Haltestelle, desgleichen eines vorteilhaften Anschlußgleises. Die reichsdeutschen Ortskrankenkassen, auf der Suche nach einer bestmöglichen Rheuma-Heilstätte, neigten dem Bramstedter Projekt zu. Die Bramstedter Stadtväter erfaßten die Bedeutung der Stunde: sie gaben ein umfangreiches Waldgelände (15 ha) unentgeltlich her und übernahmen außerdem den fünften Teil der Kosten für den Bau einer Asphaltstraße von der Segeberger Chaussee bis zum Neuen Kurhaus. Sie haben gewagt, und die Stadt hat gewonnen. Die Stadtbürger werden mit Dank auf das Vollbrachte schauen und nicht vergessen, daß weitsichtige Führer die Schätze, die ein gütiges Geschick dem heimatlichen Boden einverleibt hat, nutzbar gemacht haben zum Segen für ungezählte Leidgequälte und zu Nutz und Frommen der Vaterstadt.

Im Mai 1929 konnte der erste Spatenstich auf wohl vorbereitetem Baugelände vollzogen werden. Rasch schritt das Werk voran. Ende 1929 standen Kurhaus und Badehaus dachgeschützt und verglast da. Die Innenarbeiten wurden unter Einsatz aller Kraft gefördert. Schon am 25. Oktober 1930 konnte die

 

Einweihungsfeier der Rheumaheilstätte

 

stattfinden, und zwar in den festlichen Räumen des Neubaues. Rund 200 geladene Gäste aus Schleswig-Holstein und den drei Hansestädten waren erschienen. Neben dem Oberpräsidenten der Provinz etliche Senatoren aus Hamburg, Lübeck und Bremen; Landrat Graf Rantzau zu Segeberg, die Mitglieder des Kreisausschusses und die Vertreter Bramstedts fehlten natürlich nicht. Die Anwesenheit zahlreicher Fachärzte legte Zeugnis ab für die Wichtigkeit, die die Wissenschaft dem Unternehmen beimißt. Der Präsident der Landesversicherungsanstalt der Hansestädte, Helms, eröffnete die Feier mit einem Überblick über den Werdegang des bedeutsamen Unternehmens, das mit einem Aufwand von 2,5 Millionen RM zustande gebracht worden sei. In überzeugender Weise stellte er Sinn und Zweckmäßigkeit des mit vereinter Kraft geschaffenen Werkes in das rechte Licht. Der Hamburger Senator Dr. Eisenbarth sprach ergänzend in dem gleichen Sinne,

 

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zugleich Hamburgs Grüße und Wünsche übermittelnd. Am wirkungsvollsten hat an diesem für Bramstedt so bedeutungsvollen Tage wohl Graf Rantzau gesprochen, dessen Worte hier ausführlicher festgehalten sein sollen: »Im Namen der Preußischen Staatsregierung und gleichzeitig für unsere Heimatprovinz Schleswig-Holstein habe ich die Ehre, der Rheuma-Heilstätte Bad Bramstedt zur Einweihung ihrer nunmehr fertiggestellten Anstalt Glück und Gedeihen zu wünschen. Ich verbinde damit im Namen des Kreises Segeberg den Ausdruck des Stolzes und der Freude, ein solches Werk hier errichtet zu sehen. - Dieses mächtige Gebäude mit seinen reichhaltigen Kureinrichtungen, seinen zahlreichen Unterkunfts-, Verpflegungs- und Wirtschaftsräumen ist in erster Linie bestimmt, Frauen und Männern zu helfen, die in der Arbeit um das tägliche Brot stehen und hier Gesundheit und neue Kraft für ihre Arbeit finden sollen. So ist die Stunde, in der wir das Kurhaus seiner Bestimmung übergeben, im besonderen Sinne eine Feierstunde der Arbeit, eine Feierstunde, in welcher uns zugleich der Gedanke an die Gefahren und Opfer der Arbeit mit tiefem Ernste erfüllt. Draußen im Lande sind die Fahnen auf Halbmast gesetzt zum Zeichen der Trauer eines ganzen Volkes um die Toten einer schweren Grubenkatastrophe1), die heute zur letzten Ruhe bestattet werden. Wir gedenken dieser Toten, ihrer schwergeprüften Angehörigen und der Verwundeten. Das Unglück ist eine erneute Mahnung, fortzuschreiten auf dem Wege der Hilfsbereitschaft für alle, denen der Kampf ums Dasein Wunden schlug. - Der Bau, den wir heute einweihen, ist ein starker Ausdruck dieser Hilfsbereitschaft. Aus reiner Zweckmäßigkeit heraus zur Harmonie in Form und Farbe entwickelt, will er mehr bieten als eine nüchterne Stätte körperlicher Heilbehandlung. Er will den Leidenden, die in einem meist freudearmen Dasein die nötige Spannkraft des Geistes und des Gemütes zu verlieren in Gefahr sind und für die das körperliche Leiden eine doppelte Last und Not bedeutet, ein freundlicher, durch schlichte Schönheit veredelter Ort der inneren Aufrichtung sein. Erst dadurch, daß auch diesem Bedürfnis verständnisvoll Rechnung getragen worden ist, wurde der Bau seiner Bestimmung voll gerecht. - Ist das nunmehr vollendete Werk geboren aus dem Kampfe gegen Sorge und Not, wie sie so oft neben der Arbeit hergehen, so dürfen wir zugleich darin den Aufschwung sehen, wie ihn ein solches Erzeugnis planvollen Schaffens bietet. Es ist nicht nur berechtigte Genugtuung, es ist ein schönes Siegergefühl, wenn wir in solcher Feierstunde erleben dürfen, wie der Geist den rohen Stoff bezwungen und ihn zu sinnvoll gegliederter Einheit gestaltet hat. Ein besonderer Wert aber liegt darin, daß eine solche Leistung unternommen und zum Abschluß gebracht werden konnte in einer Zeit tiefster Not unseres Volkes und Vaterlandes. Möge dieses Haus ein Denkmal gläubigen Aufbauwillens und ein stolzes Bekenntnis zur Arbeit für eine bessere Zukunft sein und bleiben.« Graf Rantzau hatte das Erlebnis der Weihestunde seinem Höhepunkte zugeführt. Nachdem noch der Bürgermeister des Ortes den zahlreichen Gästen ein herz-

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1) In Alsberg, Bezirk Aachen. 259 Opfer der furchtbaren Katastrophe wurden am 25. Oktober zur letzten Ruhestätte geführt.

 

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liches Willkommen dargebracht, allen Helfern den verdienten Dank ausgesprochen und im Namen der Stadt die Versicherung, daß Bramstedts Bürger nichts versäumen würden, den Kurgästen den Aufenthalt hier nach Möglichkeit angenehm zu gestalten, war der rhetorische Teil der Feier beendet. Es schloß sich unter Führung des Bauleiters Feindt ein Rundgang durch die schönen Räumlichkeiten des Baues an, wobei viel Beifall geäußert wurde. Um fünf Uhr riefen kräftige Gongschläge die Gäste in den großen Saal, wo an hübsch gedeckten Tischen unter den Klängen froher Musik ein festliches Mahl gehalten wurde. Eine Vorführung heiterer Kinobilder machte den Abschluß. Nicht soll unerwähnt bleiben, daß ungenannte Bürger der Stadt der Rheumaheilstätte bei dieser Gelegenheit ein größeres Bild überreichten, das, hergestellt von den Photographen Hoffmann und Julius Struve, zwei Aufnahmen der neuen Heilstätte zeigt. Eine von Heinrich Harbeck, einem geborenen Bramstedter, angefügte Widmung schließt mit folgender einprägsamen Strophe:

In Eintracht schafften Kopf und Hände,

Daß sich dies stolze Werk vollende,

Dem siechen Bruder zum Gewinn. -

Symbol sei es dem Brudersinn!

 

Schlusswort

 

Seit der Einweihung ist ein Jahrzehnt ins Land gegangen, ausgefüllt mit hingebender Arbeit und nicht ohne Sorgen. Aber die Bramstedter Heilstätte hat wachsende und stetige Anerkennung gefunden. Maßgebend mag dafür an erster Stelle die hervorragende Güte der Heilmittel sein. Konnte doch 1936 die preußische Landesanstalt für geologische Untersuchungen feststellen, daß das hiesige Moor vor anderen sich auszeichnet durch größeren Schwefelgehalt. Aber ohne hervorragend tüchtige Ärzte hätte den vielseitigen Anforderungen des Sanatoriums nicht mit dem tatsächlich vorliegenden Erfolg genügt werden können. Der Herr Chefarzt Dr. Paulus und seine Assistenten mögen mit Genugtuung sich dessen bewußt sein, welch hohen Rang die von ihnen betreute Heilstätte im deutschen Reiche erklommen hat. Daß die wirtschaftliche Führung des so verzweigten Unternehmens ebenfalls von erheblicher Bedeutung für dessen Ruf sein mußte, liegt auf der Hand. So wird es zur Pflicht, eines Mannes zu gedenken, dessen Lebensgang und -gestaltung mehr mit dem Entwicklungsgang der hiesigen Kuranstalten verbunden ist als bei irgend jemand anderem. Oskar Alexander ist sein Name. Von Hause aus Hamburger Kaufmann, ist er nach dem 1. Weltkriege, dessen Härte er in vollem Ausmaß erfahren hat, nach Bramstedt gekommen, um zunächst als Pächter der vereinigten alten Kurhäuser zu wirken. Er ist es gewesen, der bei wachsenden Schwierigkeiten, wie geschildert, die Verbindung mit den Ortskrankenkassen suchte und pflegte und den Gedanken einer einheitlich gestalteten großen Heilstätte faßte und mit unermüdlichem Eifer vorwärts trieb.

 

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Länger als sechs Jahre hat er als Direktor für die Wirtschaftsführung des Neuen Kurhauses die Verantwortung getragen und ist auch heute, wenn auch in veränderter Stellung, ein geschätzter Mitarbeiter. Ihm, dem ehemaligen Kaufmann und Frontsoldaten bleibt das Verdienst, in entscheidenden Jahren seine ganze Kraft für das Werden und Gedeihen der Heilstätte eingesetzt zu haben. Was vorgeschaut, ersonnen, gewagt, geschaffen und geleistet worden ist, hat seine Berechtigung erwiesen und seine Anerkennung gefunden. In voller Höhe des Ansehens steht, auch von der Wehrmacht an erster Stelle gewürdigt, die Rheuma-Heilstätte in treuester Hut. Mögen alle, die heute dort wirken oder künftig wirken werden, stets dessen eingedenk sein, daß sie im einzelnen und insgesamt der hohen Idee der brüderlichen Hilfeleistung dienstbar sind, daß ihr Werk ein Symbol unserer Tage sei und bleibe: leuchtender, versöhnender Sozialismus der Tat.

 

 

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XIII. VON LAGEMÄNNERN UND LANDAUSSCHUSS

 

Das alte Fleckensbuch zeigt im Jahre 1811 zum erstenmal die Wahl dreier Lagemänner auf: Christian Bracker, Hans Hinrich Bracker und Hans Ramm. In dreijährigem Turnus wiederholt sich diese Wahl, um abzuschließen mit dem Jahre 1847, wo wir lesen:

Lage 15: 1/3 Hufner Cl. Hinr. Siems;

Lage 16: 1/3 Hufner Jochim Köhnke;

Lage 17: 7/72 Hufner Jak. Friedr. Delfs.

Es ist zu vermuten, daß vor und nach den genannten Terminen bereits und noch weiterhin Lagemänner in unserm Orte gewirkt haben; aber für die Jahre von 1847-1869 liegt überhaupt kein Fleckensprotokoll vor, und vor 1811 war man überhaupt sehr sparsam im Gebrauch der Feder. Wir werden sehen, daß Lage und Lagemann, oft auch Lagsmann genannt, für die Kirchspielsdörfer eine größere Bedeutung hatten als für den Flecken. Wenn die Dörfer keinerlei Nachrichten bringen über diese Angelegenheit, so werden ihre gegenwärtigen Bewohner es den Ratmännern des Fleckens um so mehr danken, daß sie eine schleswig-holsteinische Gesetzsammlung aus den Jahren 1775 und 1776 verwahrt haben, die vortrefflich Klarheit über unsere Angelegenheit gibt. Danach handelt es sich um eine militärische Einrichtung, die in das Heranziehen der Rekruten zum Landesausschuß (Landheer) eine feste Ordnung bringen sollte. Schon 1767 ist die »Rekruten-Lieferung« gesetzlich geworden; aber man glaubte an höchster Stelle, noch Mängel zu erkennen, und im besonderen sollte die Versorgung der Kavallerie mit tüchtigen Pferden gesichert werden. Daher neun Jahre später eine umfassende Neuregelung.

Sahen wir unsern Flecken in Lage 15, 16 und 17 aufgeteilt, so soll das heißen, daß die Ortschaft drei kleinste Rekrutierungsbezirke umfaßte, deren jeder als »Lage« bezeichnet wurde und deren verantwortlicher Leiter der »Lagemann« war. Das Fleckensbuch läßt keinen Zweifel, daß die Lagemänner von den Bürgern gewählt wurden. Das mag später eingeführt worden sein. Erwähntes Gesetz bestimmt schlechthin, daß der L. vom Oberbeamten »ernannt« werden soll, und fügt hinzu, daß nur gute, vernünftige Hauswirte gesetzten Alters aus der »Lage« in Frage kommen. »Witwer und alte schwache Leute sollen mit diesem Amte verschont werden.« »Im Falle ein Lagemann im Schreiben ungeübt wäre, muß der Schulmeister des Ortes behülflich sein.« Worin lagen nun die Amtspflichten eines solchen Mannes? 1. Seine erste Pflicht ging dahin, ein genaues Register zu führen über die in seinem Bezirk vorhandenen Jünglinge und Männer, die nach Vorschrift des Gesetzes für den Dienst als »Ausschußmänner« in Betracht kommen könnten.

 

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Dem Lebensalter nach handelte es sich um Leute von 18 bis zu 36 Jahren; doch hatte der Lagemann die 14jährigen Konfirmanden seiner Liste einzufügen, wie denn der Pastor verpflichtet war, ihm darüber genau Nachricht zu geben. Über den Zu- und Abgang der Ein- oder Auszuschreibenden war genaue Nachricht einzutragen. So hatte er aus seiner Liste zu tilgen:

a)    jeden, der bei der Session »ausgehoben« wurde;

b)    jeden, der bei der Session als dauernd untauglich befunden war;

c)    jeden, der nach Vollendung des 25. Jahres unter 67V2 Zoll (hamburgisch) hoch und daher unbrauchbar war;

d)    jeden, der zum Seedienst »gezogen« oder sonst bestimmt war;

e)    der sich dem Studium widmet und Gymnasium oder Universität besucht;

f)     denjenigen, der »beständig« zum Schulmeister bestellt wird;

g)   denjenigen, der einen Hof in Größe von 1/8 Hufe oder mehr versteuert. Der Gesetzgeber stellt fest, daß die unter Punkt g) gegebene Möglichkeit bislang vielfach mißbraucht worden sei und deshalb darüber genauere Anweisung nötig befunden wurde. In einem ländlichen Kirchspiel mag es angebracht sein, dieser Sache weiter zu folgen. Der König verordnet:

Wenn der alleinige Erbe den Hof sogleich oder nach geendigten Setzjahren übernimmt, oder jemand durch Heirat Besitzer eines Hofes wird, der bereits Eigentum der Braut ist, oder eine Witwe, die sich dem Betrieb des Hofes nicht gewachsen fühlt, ihn deswegen an ihren Sohn oder Schwiegersohn übergibt, dieser auch wirklich imstande ist, den Hof zu bewirtschaften, ferner wirklich Besitzer wird und endlich an eigenem Tisch und Herd lebt, so ist gegen die Entlassung zur Reserve nichts einzuwenden. Desgleichen, wenn ein Hof gemeinschaftliches Eigentum von Geschwistern geworden ist und nun Mutter und Vormünder einem den Besitz überlassen; doch muß dieser weder einziger männlicher Erbe sein noch ein gesetzliches Vorrecht haben; endlich hat er bei Antritt des Hauswesens zugleich den ledigen Stand zu verlassen. - So liegt auch dann kein Bedenken gegen Austritt vom wirklichen Dienst vor, wenn jemand eine Witwe heiratet und auf gewisse Jahre, die nicht vor seinem 36. ablaufen, übernimmt. Kein Vater soll befugt sein, den Hof bei Lebzeit an seinen Sohn oder den Bräutigam seiner Tochter abzutreten mit der Wirkung, daß dieser vom Landausschuß befreit werde, es sei denn, daß der Sohn oder Schwiegersohn das 25. Lebensjahr vollendet und zwei volle Jahre gedient habe und das Geschäft mindestens ¼ Jahr vor der Session vollzogen worden sei. Ausnahme kann gemacht werden, wenn der Vater nicht mehr vermögend ist, dem Hofe vorzustehen, oder wenn der Sohn durch eine vorteilhafte Heirat die Schuldenlast des Hofes abdecken oder doch erheblich mindern könnte, immer auch hier vorausgesetzt, daß der Sohn völlig an eigenem Herd und Tisch wohne.

Die Obrigkeit solle genau untersuchen, ob etwa ein Scheinvertrag mit andren Nebenpunkten geschlossen werde, die das Geschriebene aufheben oder beeinträchtigen. Unter der Hand getroffene Vereinbarungen sollen unverbindlich sein und im Fall der Aufdeckung mit Geldstrafe abgebüßt werden.

 

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Man fühlt unschwer heraus, daß weder die Leidenschaft der Bauern für den Ausschußdienst noch das Vertrauen des Landesherrn in die Redlichkeit seiner Untertanen ohne Grenzen war.

2.   Der Lagemann sollte überhaupt »gute Acht geben« auf die Ausschussmänner seines Bezirks, nicht minder auf seine Reserven, wie besonders auf die Notdurft der Lage und was dabei wahrzunehmen ist, und in vorkommenden Fällen für sie sprechen, also auch ihr Beschützer sein.

3.   Er hatte, wenn seine »Lage« an der Reihe war, zur »Session« (Musterung) zu erscheinen, nachdem er vier Wochen vorher seine Bitte an die zuständige Behörde eingesandt hatte.

4.   Ihm lag es ob, nach einem besonderen »Reglement« die Mondierung der Ausschußleute außerhalb der Dienstzeit aufzubewahren und mit aller Sorgfalt zu hüten.

Lassen wir das Reglement selbst reden:

»Die bei der Infanterie oder Artillerie stehenden Leute bekommen alle 12 Jahre eine Ober-Mondirung und alle 6 Jahre eine Unter-Mondirung. Erstere besteht aus einem Rocke, einem Camisol, zweyen Hüten mit Zubehör und einem Hals-Schlosse; doch daß den Grenadirs nur ein Hut, außer der Grenadier-Mütze, die jedes 24. Jahr geliefert wird, zukömt. Die Unter-Mondierung soll aus einem Paar Beinkleider, einem Paar Schuhe, das nach dreyen Jahren versohlet wird, einem Hemde, einer Halsbinde, einem Paar Strümpfe, einem Paar Stiefeletten und einem Haarbande bestehen.

Für den Reuter werden jedes 12. Jahr 1 Rock, 1 Weste, 1 Hut mit Zubehör, 1 Halsschnalle und 1 Paar Stiefeln (das nach 6 Jahren mit neuen Füßen versehen wird), mit Sporen, und alle 24 Jahre ein Mantel angeschaffet; und jedes sechste Jahr bekömt er 1 Fouragier-Kittel, 1 Paar lederne Beinkleider, 1 Paar Handschuhe, 1 Paar Strümpfe, 1 Paar Schuhe, 1 Hemd, 1 Halsbinde von Pferdehaaren mit zugehörigen zweyen Stücken leinenen Bandes und 1 Haarband. Wenn zu den gesetzten Zeiten das Neue angeschaffet wird, verbleibt das Alte dem alsdann im Dienste stehenden Ausschußmanne oder dem bereits entlassenen, der noch bei der letzten Musterung mit erschienen ist, es nach eigenem Gefallen zu seinem Nutzen anzuwenden.

Mit den Schuhen wird es so gehalten, daß ein Ausschußmann bei seinem Abgange seine Schuhe behält und an den Lagemann für jedes bis zum nächsten Mondirungs-Termin rückständige Jahr, worin sie noch hätten getragen werden können, 14 2/3 Schil. dän. als den 6. Teil des Geldes, wofür die Schuhe zu kaufen sind (etwa 2,30 Mark) zahlet. Wobey der Lagemann darauf zu sehen hat, daß der neue Ausschußmann sich gegen den Genuß erwähnten Geldes mondirungsmäßige Schuhe, die mit der Mondirung aufzuheben sind, anschaffe.«

Damit dürfen wir den Lagemann, wie er in unserm Kirchspiel gewaltet hat, verabschieden und nur noch bemerken, daß auf den adeligen Gütern die Besitzer selbst ihre eigenen Lagemänner waren und fast völlig allein aus ihren Leuten die Ausschußmänner auswählten. Der König spricht allerdings den Wunsch aus,

 

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daß sie, wenn freie und leibeigene Leute auf dem Hofe sind, nicht die ersteren gegen die unfreien begünstigen.

Damit bekennt sich »Christian der Siebende« zu der Ansicht, daß der von ihm geforderte Dienst der Ausschußleute von diesen und auch wohl von ihm selber als eine Plage, wohl selten als eine Ehre beurteilt wurde. Schauen wir uns diesen Dienst genauer an.

 

Übungen und Pflichten der Ausgemusterten

 

Ob Infanterist, Reitersmann oder Artillerist, wer als diensttauglich einberufen wurde, hatte einmal im Jahre in ununterbrochener Folge eine militärische Übung abzuleisten, die als Musterung bezeichnet wurde. Zu diesem Zweck wurden sie regimentsweise versammelt, Reiter und Infanteristen in dem jeweilig zuständigen Regimentsbezirk, während die Kanoniere ständig in Rendsburg einexerziert wurden. Die Dauer der Übung erscheint uns lächerlich kurz: 17 Tage für die Fußsoldaten, 20 Tage für die Reiter, beginnend für beide Gruppen am 1. Juni. Diese Zeit hatte man gewählt als die für den Landmann günstigste. An Sonn- und Feiertagen wurde auf dem Sammelplatz um 11 Uhr ein Gottesdienst mit Gesang und Gebet abgehalten.

Während des Hin- und Rückmarsches hat der Eingerufene sich selbst zu versorgen, zu welchem Zweck seine »Lage« ihm 4 Schilling je Tag auszuhändigen verpflichtet ist, während, wenn es sich um einen Reuter handelt, derjenige, der ihm das Pferd zu stellen hat, auch die nötige Fourage hergeben muß. Während der Übungstage sorgt natürlich die Königliche Kasse für Unterkunft und »Tractement«. Des Königs schützende Hand begleitet unsere Leute durch die Weisung, »daß sie an den Versammlungsorten und der nächsten Umgebung etwas räumlich und nicht, wegen Gefahr ihrer Gesundheit, zu enge einquartiert werden«; auch befiehlt er den Obrigkeiten, »mit allem Fleiß dafür zu sorgen, daß sie hinlängliche Lebensmittel zu billigen Preisen bekommen«.

Erkrankung ist erst dann ein Grund für das Nichterscheinen eines Einberufenen, wenn ein ärztlicher Schein mit Amtssiegel darüber produziert wird. Desgleichen für den Fall der Erkrankung eines »gemerkten« Pferdes, worüber wir noch ein wenig mehr erfahren werden.

Allein mit dem Dienst während der Musterungszeit erschöpfte sich der Dienst des Ausschußmannes nicht. Für Infanteristen und Artilleristen waren weitere »Exerzitionen« vorgesehen, die von kleineren Gruppen auf vorgesehenen Plätzen in Kirchorten durchgeführt wurden. Diese Plätze sollten möglichst nahe der Kirche liegen, und nach Größe und Umfang geeignet sein, darauf marschieren und schwenken zu können. Hierfür wurde die Zeit vom 1. März bis 15. April bestimmt, desgleichen vom 1. Oktober bis 15. November, indessen nur alle Sonntage nach dem Gottesdienste, und drei Stunden sollte geübt werden, wobei die »Handgriffe« nicht an letzter Stelle standen. Und noch ist etwas hinzuzufügen, nämlich daß gerade diese Übungen noch erfolgen sollten von Mitte April bis

 

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Ende Mai und von Johanni bis Mitte August. Doch jetzt nur jeden zweiten Sonntag und nur zwei Stunden lang; dabei waren die hohen Festtage - Ostern und Pfingsten - völlig dienstfrei.

Wer zwei Jahre lang diese Übungen pflichtgemäß geleistet hat, ist künftig davon befreit, bleibt aber verpflichtet, noch vier Jahre lang an der beschriebenen Musterung teilzunehmen. Der Regimentschef hat das Recht, einen Mann schon vor Ablauf genannter zwei Jahre freizugeben; »diese Befreiung hat er ihm auf dem Sammelplatz, ehe die Mannschaft auseinandergeht, anzudeuten, damit diese sehe, wie auf Fleiß und Lehrbegierde geachtet werde«.

Es ist kennzeichnend für jene Tage, daß unsere Ausschußleute vor den Sonntagsübungen die Kirche zu besuchen hatten; immerhin soll der Prediger genau darauf achten, daß sie spätestens um 12 Uhr die Kirche verlassen.

Wer dem Sammelplatz ohne zwingenden Grund fernbleibt oder im Zustande der Betrunkenheit erscheint, hat eine Geldstrafe zu erwarten.

Nach der Übung sollen Gewehr und Lederzeug, Bajonette, Degen, Gehänge und Patronentasche mit Bandelier in Schränken bei der Kirche eingeschlossen werden. Ein Offizier oder Unteroffizier hat den Schlüssel dazu; er hat darauf zu achten, daß die Leute regelmäßig ihre Waffen reinigen, auch das Lederzeug in gutem Stand erhalten. Niemals ist zu gestatten, daß die Leute ihr Gewehr mit nach Hause nehmen.

Noch auf dem Weg nach Hause begleiten die Kriegsartikel den Ausschußmann. Er soll nicht unterwegs in den Krügen oder anderswo verweilen: Bleibt er über Gebühr aus, so ist sein Hauswirt befugt, ihm eine halbe Mark vom Lohn zu kürzen.

Im übrigen wird den Offizieren und Unteroffizieren auferlegt, die Leute mit »Geduld und Glimpfe« zu unterweisen und sie nach ihrer Befähigung zu beurteilen; auch sollen sie ihnen keine Kosten aufbürden, nur damit sie sich aufputzen oder ihre sogenannte Propretät steigern. Nicht weniger ernst wird den Unteroffizieren befohlen, sich alles Trinkens, Schwelgens und Spielens mit den Ausschußleuten zu enthalten. Auch sollen sie oder ihre Eheweiber in keiner Weise Handel und Wandel treiben mit den Ausschuß- oder den Bauersleuten. Abschließend wird den Ausschußleuten eine Freiheit unbeschränkt erlaubt: sie dürfen ganz nach ihrem Ermessen heiraten; doch sollen sie »ihr Eheweib zu Hause lassen«.

 

Von den Pferden für die Reuter

 

Für die Hergabe von Pferden für die Kavallerie war ein festes Verhältnis vereinbart, nach dem die adeligen und die klösterlichen Güter sowie die königlichen Ämter taugliche Tiere zu liefern hatten. Grundsatz war, daß auf vierthalb Pflüge 1 Pferd entfiel. So hätte ein Dorf wie Wiemersdorf sechs Pferde stellen müssen. Aber es ging nicht völlig gleichmäßig zu, weil die verschiedenen Bezirke durchaus nicht gleiches Material darboten. Des Königs Ansprüche waren nicht klein.

 

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Tiere unter vier und über acht Jahre hatten auf der Musterung nichts zu suchen, ebensowenig Hengste oder Marschpferde. Das »Anleg-Maß« sollte, ohne Hufeisen, 2 3/4 hamburgische Ellen sein, mit Eisen ¼ Zoll mehr; dazu fanden nur schwarze, schwarzbraune, braune und rote Stuten und Wallache Gnade. Wurde ein Tier angenommen, so brannte man ihm am Halse unter der Mähne das Regimentszeichen ein. Untauglich befundene Tiere zu »merken« war nicht gestattet.

Das gebrannte Pferd bleibt im Besitz des bisherigen Eigentümers, solange nicht der König es ruft. Dieser zahlt jährlich 18 Reichstaler, davon sieben für den zu erwartenden Dienst. Wird ein solches Pferd dienstunfähig, so ist es schleunigst zu ersetzen. - Dem Eigentümer steht es frei, das Pferd nach seinem Befinden zu nutzen, abgesehen von den jährlichen Exerzierfristen. Leidet das Tier im Dienste des Heeres Schaden, so wird der Besitzer nach Taxe entschädigt. Er kann es auch verkaufen, hat aber dann die Pflicht, den neuen Aufenthalt zu melden. Bemerkenswert ist eine Strafandrohung:

Wer ein offensichtlich untaugliches Pferd repräsentiert, oder wer die Präsentation ganz unterläßt, der hat eine Geldbuße von 20-50 Reichstaler zu gewärtigen. Nicht unziemlich ist es, noch zu vermerken, daß das Kirchspiel Bramstedt in alten Zeiten schon wegen seiner Pferde in gutem Ruf gestanden hat. Das Gut Bramstedt hatte jederzeit zwei Reuterpferde bereit zu halten.

Wir haben den Landausschuß erkannt als die Wehrmacht des Landes. Die Verpflichtung traf nicht etwa nur die königlichen Ämter, sondern auch die adeligen Güter und die klösterlichen Besitze, abgesehen von einzelnen mit der Krone getroffenen Vereinbarungen, wonach die »Rekruten-Lieferung« durch Zahlung einer gewissen Summe abgelöst war. Scharf war die Trennung zwischen Stadt und Land oder anders gesprochen: zwischen Bürger und Bauer. Die Last des persönlichen Dienstes fiel allein den Bauern und den Katenleuten zu. Eine Begründung für dies Verfahren gibt das Gesetz nicht. Die leitenden Gedanken liegen nicht fern. Noch heute gilt das Urteil, daß der Bauernstand vergleichsweise mehr und tüchtigere Soldaten stellt als die bürgerlichen Stände; da jene Zeit verhältnismäßig ungleich weniger Männer unter den Waffen hielt, so schien es vorteilhaft, sich auf die besten zu beschränken. Es liegt dabei klar zutage, daß ernstlich dafür gesorgt wurde, die Hufen nicht ohne tüchtigen Verwalter zu lassen, wie ja auch nicht entfernt alle tüchtig erfundenen Männer gerufen wurden. Auch Dienstboten konnten befreit werden; besonders wenn sie im Dienste vornehmer Herrschaft standen, geschah dies. Es beleuchtet den derzeitigen Lauf der Dinge, wenn Christian VII. sich also vernehmen läßt: »Die Befreiung von Dienstboten ist nicht auszudehnen; kleine Bediente, als Kirchspielsgevollmächtigte, Bauernvögte, Kirchengeschworne, Sand- und Sünsmänner (Geschworene beim Volksgericht) und dergleichen können so wenig ihre Knechte als ihre Söhne dem Landausschußdienste entziehen.«

Andrerseits sind nicht auszuheben: Lehrburschen, die zur Erlernung eines Handwerks mit Erlaubnis der Obrigkeit nach einer Stadt oder einem Flecken sich begeben haben und daselbst bei einem zünftigen Meister in der Lehre sind; ferner

 

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die Handwerksgesellen, die mit Wissen der Obrigkeit mit daselbst erhaltenem Paß die Wanderschaft oder eine notwendige ferne Reise angetreten haben, bis zu ihrer Wiederkunft.

Es ist zu beachten, daß es sich um ein Gesetz für Schleswig und Holstein handelt. Die Ausgehobenen leisteten also ihre Dienste innerhalb ihrer Heimatprovinz, nicht in Dänemark. Dem steht nicht im Wege, daß Schleswig-Holsteiner, die freiwillig in den Stand des Berufssoldaten eintraten, in dänischer Garnison lebten und wirkten. Einen besonderen Vorzug hatte Kopenhagen, da hier des Königs Elitetruppe untergebracht war.

Nach dem schleswig-holsteinischen Kriege 1848-1851 haben die Ausgehobenen der Provinz nicht mehr das Vorrecht, innerhalb derselben zu dienen; doch konnten sie sich freikaufen, indem sie einem dänischen Soldaten eine vereinbarte Summe auszahlten, wofür dieser so lange Militärdienst tat, als für den Rekruten gesetzlich vorgesehen war. Vor mir liegt ein »Demissionsschein« des Oberstleutnants, Bataillonskommandeurs und Ritters vom Danebroge X., wonach ein Erbsohn aus hiesigem Kirchspiel durch den Korporal Ole Larsen gegen Zahlung von 550 Reichstaler abgelöst wird.

 

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XIV. HOHE  BESUCHER

 

Besuche regierender Fürsten

 

Hier wird als erster Christian IV. zu nennen sein, der im ersten Jahrzehnt des Dreißigjährigen Krieges, der ihn als Führer der Lutheraner sah, bestimmt auf der via regia, das ist über Bramstedt, zu den deutschen Glaubens- und Schwertgenossen seinen Weg genommen hat. Seine Verbindung mit Wiebeke Kruse soll ja auch ihren Ursprung gefunden haben, als er über die Beecker Brücke fuhr. Im heutigen alten »Schloß« deutet noch der Namenszug des Fürsten über einem Kamin auf jene Zeit zurück.

Anno 1659 ist der Große Kurfürst von Brandenburg Gast der Gutsherrschaft gewesen; auch diesem Besuche ist im »Schloß« ein heute noch vorhandenes Erinnerungszeichen gewidmet worden.

Peter der Große, der berühmte Zar aus dem oldenburgischen Fürstenhause, hat im Jahre 1716 den Flecken mit seinem Besuche beehrt. Die dabei erlebten Vorfalle sind so erheblich und reizvoll, daß sie einer eingehenden Darstellung würdig erachtet wurden, die den Schluß gegenwärtigen Berichtes bildet.

1759, am 21. Juni hat Friedrich V., dänischer König, über die in hiesiger Gegend liegende Infanterie und Cavallerie bei Lutzhorn Revue gehalten; dabei verschiedene maneuvres und attaquen durchgeführt wurden.

Derselbe reiste ein Jahr später durch nach Travendahl und rastete auch auf der Rückreise hier, und zwar beide Male im Amthause.

Anno 1767, am 20. Juli ist Christian VII. von Dänemark hier passieret, ebenfalls auf einer Fahrt nach Travendahl; er speiste im Amthause.

1770 reiste derselbe König mit demselben Reiseziel durch Bramstedt, diesmal begleitet von der Königin Carolina Sophia.

Anno 1833, den 17. Juni trifft die Nachricht ein, daß König Friedrich VI. von Segeberg her unsern Ort passieren wird. Der Amtmann befiehlt, daß bis zum 24. Juni, dem Tage der Ankunft, der Flecken dafür zu sorgen habe, daß die Fahrbahn vom Clasberg bis nach Bramstedt derart mit Heide zu befahren ist, daß sie überall einen zur untadeligen Passage festen Grund erhält. -

Die Zeitangabe weist darauf hin, daß genannter König hierher kam, um die Einweihung der Chaussee Altona-Kiel vorzunehmen, auf deren Meilensteinen wir immer noch den schön ausgemeißelten Namen dieses Fürsten sehen. Seit diesem denkwürdigen Tage scheinen gekrönte Häupter nicht mehr Anlaß gefunden zu haben, uns mit einem Besuche zu beehren.

 

Der Zar besucht Bramstedt

 

Was die Überschrift andeutet, dies Unerhörte hat sich zugetragen in den Novembertagen Anno 1716, und Albrecht (Albert?) Wichmann, derzeit leitender Ratmann, hat das Ereignis für so wichtig erachtet, daß er einen eingehenden Bericht darüber abgefaßt hat. Sotaner Bericht ist einigermaßen umständlich und erscheint aus diesem Grunde hier in verkürztem Gewande. Wesentliches leidet hierdurch nicht, und ein etwa aufkeimender Verdacht, als hätte der Chronist die Persönlichkeit des allerhöchsten Gastes aus Antipathie so sehr im Hintergrunde gelassen, wäre völlig abwegig.

Der leitende Faden im Ablauf der ein wenig dramatisch angehauchten Vorgänge ist einerseits das Bestreben der verantwortlichen Beamten, dem Glanze des Potentaten entsprechend, ihre nicht anspruchslosen Befehle und Wünsche mit möglichstem Schneid zur Geltung zu bringen, und andrerseits der Wille der Fleckensvertreter, sich nicht mit Leistungen zu beladen, die den Rahmen ihrer gesetzlichen Verpflichtung überschreiten.

Wir schreiben den 7. November. Peter der Große, um keinen Geringeren handelt es sich, hat seine Ankunft beim Kirchspielvogt melden lassen. Dieser eröffnet den Ratmännern - neben dem Genannten Marx Finckenbrinck, Marx Steckmest und Andres Wittdorf -, daß Reisepferde und 300 Bauernpferde zu beschaffen sind. Darauf die Ratmänner: »Also nicht Bürgerpferde.« Darauf der Herr Kommissar: »Sofort 3 Mann zu Pferde und einen Fußgänger!« - Bald danach, schon bei nächtlicher Weile: »z Reiter nach Segeberg!« - Kommissar ist in Sorge wegen der weiteren Pferde. Wichmann, der den ersten Wünschen Folge geleistet hat: Er möge sich doch mit dem Kirchspielvogt zu Kaltenkirchen in Verbindung setzen; der könne wohl Hilfe bringen. - Kommissar: Das habe der Kirchspielvogt nicht nötig; der werde einfach abschlagen. Er wolle den Hof (das Gut), die Klösterlichen und die Gräflichen mit heranziehen. Kaltenkirchen werde er auf Vorrat halten und nur im Notfalle ansprechen. - Her und hin spielen die Gedanken der Verantwortlichen: Werden das Gut und die Klösterlichen auch Folge leisten? Man wisse auch nicht, ob der Zar pünktlich eintreffen werde. In Steinburg habe man neun Tage auf ihn warten müssen. Nötigenfalls werde jeder Pflug auch vier Pferde stellen können. - Ein Bote wird zur Gutsherrschaft geschickt. Antwort: Das Gut kann im höchsten Falle 38 Pferde stellen. - Kommissarius, lächelnd: Mit 32 kommen wir aus. Dann abtretend: »Ihr müßt doch ein paar Wagens in Bereitschaft halten!« Darauf die Fleckensvertreter: »Reisewagen sind für Geld immer zu haben.«

Am nächsten Tage (Sonntag) früh verlangt der Kirchspielvogt von den Ratsleuten, daß sie alle Insten des Fleckens vor Hans Fuhlendorfs Haus bestellen. -Es geschieht. - Der Vogt will, daß sie auf die zu erwartenden Pferde achten, Diebstahls wegen. - Man widerspricht ihm. Damit solle man lieber einige Deputierte aus den Dörfern beauftragen, die die Tiere und ihre Eigentümer und überhaupt dies Geschäft besser verstehen. Am besten und schnellsten würden das die

 

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Dingvögte ordnen. Die Bramstedter Insten seien überdies immer nur verpflichtet gewesen, Briefe in die nächsten Dörfer zu bringen. - Das Ergebnis: Paul Wolgast wird »mit Vergünstigung des Commissars« als Vorreiter nach Segeberg geschickt; die übrigen verziehen sich bald und bestmöglich, ein jeder seines Weges gehend.

Nachmittags werden drei Reiter nach Breitenburg beordert, um den Herrn Grafen zu veranlassen, daß er wegen seines Pfluges, in Hitzhusen gelegen, die »zukommenden« Pferde schicke. Der Herr Graf fühlt sich nicht verpflichtet und lehnt ab.

Gegen 5 Uhr, also bei anbrechendem Abend, rückt der »zarische Wagen« mit Gefolge ein. Die Einquartierung erfolgt nach Belieben; die Bürger hatten vorher von der Verteilung keinerlei Nachricht erhalten.

Über die näheren Umstände, unter denen Einzug und Empfang sich vollzogen haben, verlautet nichts.

Um 7 Uhr werden drei Reiter ins Kirchspiel geschickt mit dem Befehl an die Bauern, ohne Verzug und ohne Ausnahme ihre Pferde nach Bramstedt zu schicken. - Ist geschehen, wie verlangt.

Um 9½ Uhr erscheinen der Herr Pastor und Albrecht Wichmann bei dem Kommissar, der sie hatte rufen lassen. Der Fleckensvorsteher berichtet: »Als der Komm, meiner ansichtig wird, befiehlt er mit trotzigen Worten, ich solle bei 100 Talern Königl. Brüche sofort 20 Pferde aus dem Flecken in Bereitschaft stellen.« (Der Befehl liegt noch unter den Kieler Akten.) Wichmann beredet sich mit seinem Kameraden Finckenbrinck, um danach den Bescheid zu geben: »Das geht nicht an; der Flecken ist nur zu Bürgerfuhren verpflichtet, und des Amtmanns Befehl verlangt ja auch 300 Bauernpferde; der Kommissar hätte unsern Rat, Kaltenkirchen um Hilfe zu bitten, annehmen sollen.« Der Vogt wird unruhig und meint: »Wir werden schon noch Pferde schaffen!« Der Herr Pastor sagt: »Kinder, es kann doch nicht anders sein. Der Kommissar kommt zu kurz. Die Gräflichen und Klösterlichen sind ausgeblieben. Auch Baron von Groten weigert sich; nur wenn die Bramstedter auch ihr Kontingent geben, ist er bereit. Was soll denn werden?«

Die Fleckensvertreter halten das für einen schlechten Vergleich. Der Kommissar möge nur einigen aus der Suite (Gefolge) die Anweisung geben, die nötigen Pferde vom Gut zu holen. Die werden das schon bestens besorgen. - Erwiderung: »Was geht uns der Hof an?« Darauf Wichmann, zum Geistlichen sich wendend: »Der Flecken leistet wohl Reisefuhren für Geld; aber im übrigen hat er viel Ursache, sein Recht zu wahren.« - Der Fleckensvorsteher weist nochmals auf den klaren Befehl des Amtmannes hin. Dann verabschiedet sich der Pastor, und auch die Ratmänner gehen nach Hause.

Die kommende Nacht - Zar Peter wird sie im Schloß verbracht haben - bringt keine besonderen Ereignisse mehr.

Am Montag, dem 9. November, ist die zarische Majestät frühmorgens in Richtung Segeberg von dannen gefahren. - Auf des Vogtes Befehl werden Reiter nach Wiemersdorf beordert, um acht Pferde abzuholen. Nachmittags ziehen drei Reiter zum Tore hinaus; sie tragen in die Kirchdörfer den schriftlichen Befehl, wonach

 

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mit tunlicher Eile sämtliche vorhandenen Gäule nach Bramstedt zu führen sind. Denn es folgen noch etliche von »Ihro Zarischen Majestät Suite«. Ehe man sich dessen noch recht versehen, landet eine Kutsche mit Hohem Königl. Fiskal. - Hochderselbe fordert sechs Pferde als Vorspann. Weil nun deren hier am Orte ein Vorrat nicht vorhanden war und somit die Reise sich verzögerte, ging diesem Herrn die gute Stimmung verloren. Er soll den Kommissar in dessen Wohnung recht sehr inkommodiert haben. Dieser retirierte mit Dingvogt Schulz ins Pastorat. Der Dingvogt, ein Hardebecker, ist bald danach mit Finckenbrinck zusammen zu Wichmann gekommen. Dessen Bericht fährt fort: »Wir sollten Vorspann schaffen, daß die Kutsche aus dem Flecken komme, ehe ein großes Unglück geschehen möge.« Die Fleckensväter schoben dem Dingvogt die Verantwortung zu, da er pflichtgemäß Bauernpferde hätte herbeischaffen sollen. »Es bleibe nur ein Ausweg, nämlich die fragliche Kutsche durch bezahlte Reiseführer fortbringen zu lassen. Dazu möge er - der Kirchspielvogt - nur schriftlichen Befehl herausgeben.« Noch lastet Unentschiedenheit auf den Gemütern. Wiederum sucht man den Geistlichen in seinem Hause auf. Nach kurzer Beratung erteilt der Kirchspielvogt den Ratsherren den schriftlichen Befehl, bei 100 Taler Brüche sofort Pferde und Wagen zur Fortschaffung Ihrer zarischen Majestät Bagage herbeizuschaffen. Sie gehen ab. Noch ruft ihnen der Pastor nach: »Kinder, ihr müßt nur die Reiseführer zu Vorspann bestellen!« Antwort: »Es gibt auch keinen andern Weg.«

Schnell geht's zum Meister der Führerzunft. In kurzer Zeit ist die Sache geordnet. Der Herr Fiskal ist zu aller, wohl auch seiner Freude dem hiesigen Blick- und Blachfelde entrückt.

Aber noch gibt es keine Ruhe. Inzwischen sind andere Kutschen eingerückt. Die Insassen werden der Einquartierungsliste gemäß untergebracht. Bald kommt ein neuer schriftlicher Befehl heraus: Dienstag morgen um 5 Uhr für einen »Geheimbden« 16 Pferde Vorspann stellen! - Die Sache wird unter Wichmann und Finckenbrinck beredet. Da erscheinen auch die beiden andern Ratmänner mit des Kommissares Knecht (Jürgen Lindemann), um die Weisung zu übermitteln, daß die Reiseführer nicht fahren sollen. Dem Kommissar wird erwidert, es seien doch sonst keine Pferde da. Der aber »gegensprach« seinem Knechte mit den Worten: »Das habe ich Dir nicht befohlen!«

Wichmann beauftragt nach diesem die Reiseführer; die 16 Vorspannpferde werden gestellt, und die Weltuhr geht ungestört ihren Gang. Albrecht Wichmann aber, der Oberwächter des Fleckens, hat nicht versäumt, noch im Fortgehen dem Vogt zuzurufen: »Wegen des Geldes halten wir uns an Sie!« Worauf dieser nicht weniger freundlich erwidert haben soll: »Das mag also sein.«

Am Dienstag, dem 10. November, erleben die Ratmänner eine neue Aufregung. Wieder läßt der Herr Kommissar sie zu sich rufen. Bei ihm treffen sie den Hof-Fourier Bentfeldt an, also den unentbehrlichsten Begleiter einer reisebeflissenen Majestät. In wohlgesetzter Rede begrüßt er die Vielgeplagten: »Kommt nur her; ich will mit Euch sprechen. Ich habe einen Brief vom Herrn Kommissar, daß Ihr

 

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Euch weigert, ihm zu behuf der Zarischen Maj. vorhabenden Reise behilflich zu sein. Warum habt Ihr die Königl. Ordre nicht respektiert?« - Darauf Wichmann: »Die Ordre lautet auf 300 Bauernpferde, nicht Bürgerpferde.« Bentfeldt fragt weiter: »Mit was für Pferden ist denn Zarische Majestät fortgebracht worden?« Auf die Antwort der Ratsleute, daß es mit Bauernpferden geschehen sei, zeigt er einen Paß vor: ein Quartblatt unter des Hofmarschalls Callenberg Namen, aber ohne Siegel. Bentfeldt fragt, ob sie davor keinen Respekt hätten. Wichmann will wissen, warum ihnen dieser Paß nicht rechtzeitig präsentiert worden sei. Der Inhaber antwortet: »Ich habe nun gegenwärtig diese Urkunde von Kopenhagen nachbekommen. Ich befehle Euch, daß Ihr sogleich die Pferde, so bei Euch aufzubringen sind, alle parat habet; und wenn Ihr dies ansaget und der Gehorsam nicht erfolget, so berichtet es mir. Dann sollen sie bald herausgetrieben werden. Und ich merke schon, was Ihr für Liebe und Respekt vor Eurer Obrigkeit habet. Wäre ich dieselbe, ich wollte Euch die Fuchtel derart zwischen die Ohren schmeißen, daß Ihr es fühlen solltet. Ihr sollt schon dafür büßen, daß Ihr dem Kommissar nicht habt assistieren wollen.« - Die Ratmänner betonen, daß sie in den meisten Stücken genau die Anforderungen des Kirchspielvogts erfüllt und auch sonst sich nichts versehen hätten. Hier fällt der Kirchspielvogt ein mit den Worten: »Sie wollten nichts tun ohne schriftlichen Befehl« und, sich zu den Fleckensvertretern wendend: »Wenn ich Euch Unrecht tue, so verklagt mich doch!« - Wichmann entgegnet: »Wenn wir nichts Schriftliches vorzuzeigen haben, finden unsre Klagen nicht Gehör.« -

Am gleichen Nachmittage haben sie den Hof-Fourier mit Bürgerpferden nach Itzehoe fahren lassen.

Der Vorhang fällt.

Aber Kometen sind nicht ohne Schweif. Hier folgt gar ein doppeltes Anhängsel. Unsre wackeren Ortsvertreter betonen noch, daß sie überzeugt seien, in allem nach Pflicht und Recht gehandelt zu haben. Sie beklagen sich auch, man lade manchmal dem Flecken Reisen auf, wo eine schriftliche Mitteilung dessen, was vorliegt, voll genügen würde. So hätten sie auch in obgedachter Sache eine Reise nach Lübeck und eine nach Segeberg machen müssen, die keineswegs nötig gewesen seien.

Und andrerseits erfahren wir, daß schon am 18. November eine Entscheidung des Etatsrates von Hanneken vorgelegen hat, wonach Bramstedt, da im Falle der Zarenreise es sich um eine Notlage gehandelt habe, alle Kosten bald zu entrichten und widrigenfalls Exekution zu erwarten habe.

Wir Nachfahren sind Albrecht Wichmann dankbar, daß er durch seinen Bericht uns einen trefflichen Einblick in alte Rechtszustände ermöglicht und darüber hinaus ein köstliches Bild des Verkehrstones hinterlassen hat, wie er wohl derzeit unter Vorgesetzten und Untergebenen üblich gewesen sein wird. In untadeliger Klarheit erkennen wir, daß Martin Luthers Wort, wonach mit großen Herren nicht gut Kirschen essen ist, zu Albrechts Zeit noch unverkürzt Gültigkeit gehabt hat.

 

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XV. INDUSTRIE

 

1. Planung einer Tuchfabrik

 

Das Gesuch um Konzession einer Flußschifferei (1738) war beschwert mit dem zweiten Wunsch, »kleine Fabriken« anlegen zu dürfen, wobei gedacht wird an solche »grob Tuch, Strumpfwebereien und andere solche Sachen«. Man weist hin auf den benachbarten fürstlichen Flecken Neumünster, »der durch solche Manufakturen in große augenscheinliche Aufnahme geraten«, ... »und wir liegen eben so wohl mitten im Lande«. Dem Hohen Commercio (Abteilung der Rentenkammer in Kopenhagen) wird nahegelegt, geeignete Fabrik-Gesellen aufzumuntern, nach Bramstedt zu kommen, wo ihnen doch eine gute Zukunft winke. Noch im gleichen Jahre trifft die Antwort ein, worin das General-Landesöconomie- und Commerce-Collegium äußert, daß, ehe die Zustimmung möglich sei, seitens des Fleckens dreierlei geleistet werden müsse:

a)    eine Walkmühle zu erbauen,

b)    den Fonds für das Anlegen der Fabriken nachzuweisen und

c)    das nötige Betriebskapital zu sichern.

Solange diese Bedingungen nicht erfüllt seien, könne man keine Fabrikanten veranlassen, nach Bramstedt zu ziehen.

Die Supplikanten erklären sich demnächst bereit, die Walkmühle zu bauen, ferner ein nach hiesiger Ortsbeschaffenheit bequemes Haus den Fabriquörs gegen eine billige Miete zu überlassen, um darin den Anfang machen zu können, und endlich ein Kapital von 300 Reichstalern gegen 4% Zinsen vorzuschießen, mit Verzicht auf Zinsen auf die ersten zwei Jahre, dagegen nicht ohne Caution. Etwas bedenklich gestimmt hat wohl an hoher Stelle, was noch folgt. Nämlich: »Sollte aber dieser unterthänige Vorschlag nicht hinlänglich befunden werden, Könte Ihro Königl. Mayestät Gnade solches leichtlich ersetzen, wann Allerhöchst dieselben gnädigst geruhen wollten, aus dero Casse den nöthigen Vorschuß thun zu lassen, bis dieses im Stande gebracht.«

Es ist noch zu berichten, daß Ihro Hoheit sich diesem wirklich zweckmäßigen Vorschlag nicht hat anschließen wollen. Am 3. November 1739 geht der ablehnende Bescheid an die Bramstedter ab, und die Fleckensakten bleiben in dieser Sache genauso stumm wie die Tuchfabrik ungebaut.

 

2. Hieronimus Horstmann plant Ziegelei

 

Genannter hat sich 1758 an den Amtmann gewandt mit der Bitte, ihm die Anlage einer Ziegelei in der Gemeinde Bramstedt zu bewilligen. Den Ratmännern wird

 

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Gelegenheit gegeben, zu der Angelegenheit Stellung zu nehmen. Sie tun das in einem Schriftsatz vom 16. Januar 1759, dessen wesentliche Teile hier folgen.

Wir haben ihm vergönnt, eine gewisse Anzahl Steine auf unserm Felde zu brennen, weil sie nach dem Brande hier benötigt waren, wie er im Kirchspiel Kaltenkirchen über vier Jahre und wieder auf Verlangen der Unterthanen Mauersteine verfertiget und sich davor bezahlen lassen. Aber eine förmliche Ziegelei mitten in unsrer Weide anzulegen, würde für uns und unsere Nachbarn zu großem Schaden gereichen.

a)   Weil es uns einen ziemlichen Strich von unseren besten Weiden rauben und unser Vieh große Gefahr laufen würde, in den Leim (Lehm) Gruben oftmals stecken zu bleiben oder wohl gar umzukommen.

b)  In nicht langer Zeit wäre der Leim weggegraben, und wenn wir dann Steine für unsre Häuser und Hausdielen benötigten, müßten wir sie von andern Orten mit viel Mühe und Kosten holen. - Auch würde die Steinbrennerey sehr viel Feurung erfordern und diese demnach überhaupt knapper und teurer werden.

c)   Der adelige Hof, der die gemeine Weide auf dem ganzen Bramstedter Felde mit genießt, wird schwerlich solches geschehen lassen.

Der Herr Justizrat (Vertreter des Amtmannes) möge etwa angeforderten Bericht so gestalten, daß Horstmann abgewiesen wird.

Ganz ergebenst die p. t. Ratmänner

Peter Bollen, Christian Friedrich Simmer, Franz Hass, Nikolaus Meyer.

 

Leider kann auch diesmal die Fleckenslade nichts weiteres in dieser Sache mitteilen. Unbestritten ist aber, daß der Lehmberg am nördlichen Rande des Bramautales im vorigen Jahrhundert nacheinander zwei Ziegeleien mit dem nötigen Rohmaterial hat versorgen müssen. Mindestens eine, an der Ostseite der Kieler Chaussee belegen, war im Besitze des Gutes.

 

3. Eisenhütte in Sicht?

 

Aus der Zeit von 1719-1742 liegt eine lange Reihe von amtlichen Schriftstücken vor (Kiel B IV 3), die sich beschäftigen mit dem von dem Gutsbesitzer von Grote herrührenden Plan, hiesigen Ortes eine »Stahl-Manufaktur« anzulegen. Zunächst will er die Zuleitung des nötigen Wassers sichern. Bauer Dammann ist bereit, den in seiner Wiese Brackshöve liegenden »Brunnquell oder Springbrunnen« gegen Pacht auf zehn Jahre abzugeben. Amtsverwalter Nottelmann protestiert gegen dieses Eindringen in die »Königl. Jurisdiction«. Der Baron unterrichtet den König: Er habe von seiner im Hannöverschen gelegenen Stahlhütte alles herschaffen lassen, was zu einer Stahlmacherei gehört. Aber die Behörde arbeite gegen ihn. Der König möge eingreifen. - Es folgt Untersuchung von Eisenerzen, die man im Bramstedter Bezirke aufgefunden hat. Nach Hamburg versandte Proben werden auf ihren Metallgehalt geprüft. Kirchspielvogt Jancke berichtet darüber: »Erze sind geholt worden vom Clasberg, vom Ihlbeck bei dem Springbrunnen, Springhirsch und Lentföhrden. Moor und Moorbusch sind visitiert.

 

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Auch in Bimöhlen ein Feld von etwa 600 Schritt lang und 20-50 Schritt durchsucht worden, wie endlich ebenfalls in Hardebeck >in den Stubben< eine Eisenader angetroffen worden ist. Sie haben aber nicht alles untersuchen können, weil so schönes Erntewetter kam und man den Bauern das Fahren nicht zumuten könnte.« -1723 sendet Hahn, einer der Erzprüfer, noch einen zweiten Bericht an die Rentenkammer und damit an den König, wobei er zwei neue Interessenten einführt: Herrn von Münchhausen und den Stahl-Parifikanten Westen. Letzterer erbietet sich, die Eisenerze zutage zu bringen und es auch im Laufe eines Jahres so weit zu bringen, daß eine Schmelzhütte angelegt werden könne; auch seien Steinkohlen da. - Hahn indessen schwächt diese Hoffnungen ab; er müsse fürchten, nicht auf seine Kosten kommen zu können. - Westen erklärt sich bereit, einen Zentner mitzubringen als Probe nach Kopenhagen; auch will er Bergleute und einen Hüttenmeister aus dem Casselschen mitbringen. - Dazu Hahn: Hohe Reisekosten; Gefahr, daß Westen besonders gute Erze aussuche und somit der König hinters Licht geführt werde. Weiterhin betont Hahn, daß Münchhausen weder von Chemie noch von der Metallurgie einen Begriff habe. Baron von Grote sei die treibende Kraft und mache sich Hoffnung, sein Gut dem König verkaufen zu können, und dabei solle das mehr oder minder erträumte Hüttenwerk als Lockvogel dienen. Nicht wörtlich so, aber dem Sinne nach beeinflußte Hahn den Fürsten, mit der Wirkung, daß, was die Urheber verwirklichen wollten, als Dunst zerstob.

Erst Anno 1742 meldet sich ein neuer Interessent, Johann Christian von Baumgarten, Salzburger Emigrant, Sachverständiger in Erz und Eisen, nunmehr ansässig in Plön. Er hat die Ehre, dem König sein Anliegen vortragen zu dürfen. Er habe bei Bramstedt Eisenerze zu Gesicht bekommen und für gut befunden. Nun möchte er ein Hüttenwerk errichten. Er, infolge der Vertreibung ein mittelloser Mann, habe Interessenten gefunden. Er erbitte vom König ein Erblehn auf den ganzen Distrikt für Ausbeutung durch Hütten- und Hammerwerk. Die ersten Jahre möchte er frei sein vom »Zehenden«, um in Gang zu kommen; nachher würde er zahlen. Was den Leuten auf ihren Wiesen und Äckern an Schaden geschieht, ist er bereit zu vergüten. - Wie üblich, fordert die Rentenkammer auch diesmal Bericht ein. Es geht daraus hervor, daß man ernste Bedenken wegen der Baronin Grote hatte. Noch hat sie auf manchen Feldern der Königlichen1) mit diesen gemeinsame Vor- und Nachweide; sie habe also bei der Sache mitzusprechen. Sie sei dazu augenblicklich von einem ihrer Gläubiger depossedieret (außer Besitz gebracht) worden. Aber auch ohnehin wisse man, daß sie so gestimmt und geartet sei - wie vielfach erweislich -, daß mit ihr kein gutes Auskommen sei.

Die Rentenkammer berichtet Anno 1743 an Hans von Rantzau, daß sie nicht ganz abgeneigt sei, dem Emigranten entgegenzukommen.

Eine Verwirklichung dieses Planes ist nicht erfolgt; die genauen Gründe dafür bleiben außer Sicht.

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1) Fleckensleute.

 

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4. Von Brauereien und Brennereien

 

Bad Bramstedt ist auch heute noch am allerwenigsten eine Industriestadt. Brennereien und Brauereien alter Tage sind eingegangen. Das letzte Braunbier ist industriell am Kirchenbleek hergestellt worden, dort, wo nunmehr die Firma Hans Kuchel und Thams und Garfs ihre Geschäftsräume haben. Der letzte Brauer aber war Micheels. Zwei andere, den ältesten Bramstedtern noch im Gedächtnis stehende Brauereien waren die von Nicolaus Schmidt im Landweg (Gasthaus zur Mühle) und die andere von Klaus Schlüter (Rolandseck). Meistens war Branntweinbrennerei damit verbunden. Das Fleckensbuch nennt das Gebräu gern »rodes Beer« im Gegensatz zum Hamburger. Bei Nicolaus Schmidt gab es dazu eine besonders beliebte Art von Kümmel, bereitet unter Verwendung von allerlei Kräutern; man forderte einfach »n Geelen«.

Zur Beleuchtung der Rechtslage, die vormals hierorts für die Brauereien und Brennereien in Geltung stand, seien hier zwei an sich schon wissenswerte Beispiele aus derzeitiger Praxis angeführt.

a)   Im Jahre 1650 tut Friedrich III., König von Dänemark, kund, »daß, nachdem unser Voigt zu Bramstette und Lieber getreuer Pauli Blank Unterthänigst Vor tragen lassen, welchergestalt bey Unseren Vatter alda die Freye und gerechtigkeit des Wein-Branntweins und Hamburger Bierschenkens unstreitigkeit gewesen, auch darüber von Unserm in Gott ruhenden Herrn Vatter christlichsten angedenkens seine Vorweser absonderlich begnadiget, wir dieselbe auf sein Unterthänigstes ersuchen auf seine Persohn gnädigst confirmieren (bestätigen) wollen, Thun auch solches hiemit und kraft dieses, derogestalt, daß er sich dieser Freiheit ohne Männigliches einbracht (Beeinträchtigung), gleich seinen Vorwesern alda gebrauchen möge, Und befehlen Unseren jetzigem und künftigen Ambtmann zu Segeberg hiermit gnedigstes Ernstes, daß Sie Ihn dabei schützen, auch alle andern Winkell Krüge, so darauf? keine Königl. Handt (schrift) und Siegell haben, soforth abschaffen, und denen, so sich deren übernahmen, confiscation des Weins und Hamburger Bieres, auch willkührlicher straffe sich dessen hinführo gentzlich zu enthalten, ernstlich inhibiren (verhindern); wornach sich denn menniglich (jedermann) zu richten1)«.

b)  1653 wird ein Prozeß, den Rötger Lindemann gegen die Kirche ausgefochten hat, abgeschlossen. Er war Inhaber der Vikarie und betrieb dort eine Wein- und Spirituosen-Handlung. Das Gebäude wurde der Kirche beim Abschluß des Streites als ihr Eigentum zugesprochen, aber gleichzeitig mit Nachdruck betont, daß derartige Konzessionen niemals von der Kirche erteilt werden können. Eben diese Konzession ist es, die auf Familie Blank übertragen wurde.

Der Vollständigkeit wegen sind noch einige Fabriken aus neuerer Zeit zu erwähnen, die allerdings zum guten Teil nicht mehr bestehen. Zwei Wattefabriken

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1) Paull Blank bekleidete das Amt des Kirchspielvogts hier am Orte. So sehr vorstehende Konzession uns überzeugt, daß Erzeugung von Spirituosen und der Vertrieb dieser Waren an königliche Erlaubnis gebunden war, so ungern glaubt man, daß besagter Beamte daraus ein Einkommen gewinnt. Die Konzession ging dann auch bald auf seine Witwe über.

 

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hat es hier gegeben, deren Eigentümer D. H. Wulf und Langhinrichs waren. Ein Gebäude auf dem Liethberg, am Fuhlendorfer Fußweg, erinnert noch daran. Wesselmann hat am Bleeck lange Zeit eine Leimfabrik betrieben. Heute finden wir überwiegend maschinellen Betrieb in den beiden Mühlen (Paustian und Andersen). Daneben künden die hohen Schornsteine der Fleischwarenfabrik am Schlüskamp, des Städtischen Elektrizitätswerkes und der Molkerei drohend eine künftige Großstadt an.

Wer könnte wohl wünschen, daß einst rauchende Schlote das anmutig grüne Tal, in dem die Kleinstadt Bramstedt glücklich eingebettet liegt, mit ihrem Dunstund Nebelschleier einhüllen und damit auslöschen, was uns die Heimat so lieb und wert macht?

 

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XVI. VERKEHRSWESEN

 

Von Bramstedts Schiffahrt

 

Ein Band in Folio-Format, auf 139 Seiten den sauber geschriebenen Text von 28 Akten mit 12 Anlagen nebst etlichen Auszügen enthaltend, alles in amtlichen Abschriften dem Kieler Staats-Archiv entnommen, gibt sichere Auskunft über dieses Thema. Entstanden ist das Aktenwerk in der Zeit von 1738-1756. Urheber sind die Fleckens-Gevollmächtigten Rasmus Juel und Johann Jochim Hartmann, deren Bemühen darauf gerichtet war, eine privilegierte Schiffahrt zwischen Bramstedt und Itzehoe zu schaffen. Mit der »Hochpreislichen Rentenkammer« in Kopenhagen haben sie mündlich verhandelt, um Boden zu gewinnen für ihr Vorhaben. Man weist sie auf folgendes hin:

1.    Die Rechte der bereits bestehenden Itzehoer Schiffahrt dürfen nicht gekränkt werden;

2.    die Aue muß zuvörderst fahrbar gemacht und

3.    ein Schiffahrts-(Treidel)Weg das Ufer entlang geschaffen werden, was wiederum eine Auseinandersetzung mit den Anliegern erfordert.

Diese Hinweise der Rentenkammer lassen wenig Raum übrig für den Gedanken, der Flecken habe in früherer Zeit bereits ähnliche Rechte gehabt. Die rührigen Fleckensmänner hatten vorschauend sich folgendes Attest gesichert:

»Wir Endesunterschriebenen Wilster'schen Kahnführer auf Verlangen des Fleckens Bramstedt anheute von der Stör bis an der Brücke mitten im Flecken, welches auf 2 Meilen zu rechnen, mit unserm Fahrzeug von 18 Fuß lang und 9½ Fuß breit (die Bramau) befahren und selbige Reise in 1 Tag gegen Strohm verrichtet, da wir doch mit 3 Lasten guten Habern (Hafer) jegliche Last 24 Tonnen, wie auch 5 Tonnen Essig und andern Kleinigkeiten, welches wenigstens auf 1 Last Habern zu rechnen, befrachtet gewesen. Können auch nicht umhin zu bezeugen, wenn aller Busch, welcher in Ellern und Weiden bestehet, so am Ufer stehet, abgehauen und solchergestalt an beiden Seiten kann gezogen werden, daß alsdann noch einmal so viel hinauf gebracht, und wieder hinunter mit dem Strohm soviel als das Fahrzeug nur laden kann, hinunter gebracht werden, und je mehr es befahren, je besser es wird.

Eigenhändig unterschrieben: Andreas Appel, Johann Nagel, Jacob Ohlbrandt. Bramstedt, den 17. September 1738.«

Am 3. November 1739 teilt Kopenhagen mit, daß »wegen Inconvenience (Hindernis) und Mangel der erforderlichen Kräfte in die Sache angetragener Maßen nicht zu entriren (einzugehen) stehe«. Aber diese glatte Absage wird nicht zum glatten

 

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Schluß. Im Einvernehmen mit ihrem Amtmann Hans v. Rantzau haben die Bramstedter berechnen lassen, in welchem Ausmaß durch die Anlage eines 4 Fuß breiten Treidelweges den Anliegern bis Kellinghusen hin ein Schaden erwachsen möchte. Sehr ins einzelne gehend, kommt die Aufrechnung zu einem jährlichen Verlust von 7833 Pfund = 13 Fuder und ½ Faden = 4/5 cbm Stammholz. Hinrich Bracker, Ties Pohlmann, Jasper Vehrs und Tim Todt zeichnen für die Richtigkeit.

Indessen ruht die Angelegenheit für 10 Jahre.

Endlich hat man den Statthalter Friedrich Ernst, Markgrafen von Brandenburg, Schleswig-Holsteins obersten Beamten, wohnhaft zu Gottorf, mit zu Rate gezogen. Er wendet sich den 20. Januar 1749 an den Kammerherrn und Amtmann Grafen Stolberg mit dem Ersuchen, ihm in der Sache zu berichten. Nun folgen Rede und Gegenrede über Aureinigung, über die Gerechtsame der Anlieger, über die Auseinandersetzung mit den Itzehoern, die bei der Gelegenheit gern eine Extrawurst gebraten hätten. Die genauere Darstellung der zum Teil aufgebauschten, zum Teil recht eigensüchtigen Art, wie man die Sache verhandelte, bleibe dem Leser erspart. - Der Ausgleich der widerstreitenden Interessen schreitet in zähem Kampfe langsam voran.

Schließlich erscheint die Baronesse von Grote, geb. von Bülow, Inhaberin des Gutes Bramstedt, als zähes Hindernis. Es ist erbaulich zu lesen, wie die beteiligten Personen und Instanzen sich bemühen, ein jeder an seinem Teile, den Angriff auf diese letzte und wehrhafte Schanze dem andern aufzuladen. Man möchte »unter der Hand sondieren und mit guter Manier disponieren«, daß nicht dem Vorhaben Hindernisse erwachsen. Aber erst Schicksalsfügung bahnt den Weg. Die gnädige Frau geht den Weg alles Irdischen. Der Reichsgraf Stolberg übernimmt käuflich das Gut, und mit einigen Vorbehalten stimmt er wohlwollend den Plänen der Fleckensbürger zu.

Am 23. April 1756 verleiht der Dänenkönig Friedrich V. das so schwer erkämpfte Privilegium zur Anlegung einer Schiffahrt zwischen Bramstedt und der Stadt Itzehoe. Demnach den Impetranten erlaubt sein solle:

1.    Die Bramstedter Aue schiffbar zu machen und sodann auf selbiger und auf dem »Stöhr-Strohm« eine Schiffahrt dergestalt anzulegen, daß sie allerhand Waren, als Korn, Holz und wie sie sonst Namen haben, mit anzuschaffenden Prahmen, Bollen oder andern Fahrzeugen von Bramstedt nach Itzehoe zu Wasser zu transportieren. Jedoch sollen Impetranten

2.    nicht weiter als bis Itzehoe gehen und keineswegs auf dem Stör-Strohm durch die Stadt passieren und Handel treiben.

3.    Sollen dieselben denen zu Itzehoe unter fremder Jurisdiction angesessenen oder wohnhaften Einwohnern, welche des Stör-Strohms zum Transport einiger Kaufmanns-Waren, um damit Handel oder bürgerliche Nahrung zu treiben, nach denen der Stadt verliehenen Privilegien sich nicht bedienen dürfen. Keine Waren zum Verkauf und Betrieb bürgerlicher Nahrung zu Wasser zu bringen, oder von denenselben auf der Retour nach Bramstedt zurücknehmen, allermaßen alle diejenigen

 

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Waren, so zum Handel und Wandel gehören, denjenigen Einwohnern, so unter der Stadt-Jurisdiction seßhaft, sowohl auf der Stör als auch auf der Aue privative zugebracht werden müssen. Alle diejenigen Waren hingegen, so zum selbsteigenen Gebrauch und Bedürfnis und nicht zum Handel und Wandel gehören, können den Itzehorischen Einwohnern ohne Unterschied, sie mögen unter des Magistrats Jurisdiction seßhaft sein oder nicht, zugeführt werden; gleichdann auch denen Itzehöern ebenfalls nicht erlaubt sein soll, mit andern als unsern (des Königs) Unterthanen in dem Flecken Bramstedt zu Wasser Handlung zu führen. Nur bleibet denen Itzehöern frei, das Korn, welches sie immediate (unmittelbar) von den Besitzern der adelichen Güter oder von den Pächtern erkauften, bei denen Schiffstellen an das Wasser liefern und von Bramstedt nach Itzehoe zu Wasser transportieren zu lassen. - Und obgleich

4. zu Beibehaltung der bürgerlichen Fleckens-Nahrung diejenigen, so Fahrzeuge zu haben und in der Schiffer-Gesellschaft einzutreten gedenken, in dem Flecken und nicht außerhalb desselben wohnen müssen, auch ihre Fahrzeuge im Flecken auf der Aue liegen zu haben verbunden sind; so sollen sie doch

5. die an der Aue wohnenden Unterthanen, wann selbige sich über kurz oder lang entschließen wollen, die wegen der Schiffbarmachung dieser Aue und deren Befahrung erweißlich gemachten Aufwendungen, sie mögen Namen haben, wie sie wollen, anteilsmäßig zu vergüten, nach diesem die Fahrt mit zu unterhalten, davon nicht ausgeschlossen sein, sondern das Recht haben, sich ebenfalls Fahrzeuge zur Verschiffung ihrer Produkten anzuschaffen. (Beispiel: Gutsbesitzer von Bramstedt.) Jedoch müssen sie sich, wenn sie ihre Produkte diesergestalt weggeführet haben und mit den Fahrzeugen zurückgehen, an keinem Orte, es sei Itzehoe, Kellinghusen oder sonst irgendwo, einige Waren - ausgenommen solche, derer sie zu ihrer eigenen Haushaltung bedürfen - mithin überall keine Waren zum Wiederverkauf und um damit Handel und Wandel zu treiben, zurückführen.

6. Die ordentliche Schiff-Stäte und Niederlage, wo die Waren ein- und ausgeladen werden, soll in und bei dem Flecken Bramstedt und sonst nirgends sein. Und obgleich denen Bramstedtern erlaubt ist, zwischen dem Flecken und der roten Brücke (Einmündung der Bramau in die Stör) auf der Bramau die Waren, wo sie wollen, ein- und auszuladen, so bleibet ihnen dennoch verboten, wenn sie zu Wasser nach Itzehoe oder von dannen zurückfahren, unterwegs zwischen der roten Brücke und der Stadt Itzehoe auf dem Stör-Strohm irgendwo, besonders aber bei der Breitenburger Fähr-Brücke, etwas aus- oder einzuschiffen. Dahingegen den Itzehöern zwar nach wie vor frei stehet, auf dem Stör-Strohm bis an die Bramau ihre Waren überall, wo sie es für gut befinden, ein- und auszuladen, jedoch keineswegs vergönnt ist, diesseits der roten Brücke bis nach dem Flusse Bramau unterwegs etwas ein- und auszuschiffen, sondern wenn die Bramstedter mit ihren Fahrzeugen auf dem Stör-Strohm oder die Itzehoer mit den ihrigen auf die Aue kommen, so sind beide Theile verbunden, ihre Waren nach Maßgabe des § 3 resp. denen Einwohnern der Stadt und den Königlichen Unterthanen des Fleckens zuzuführen. -Wie denn auch die Bramstedter Prahmen-, Bollen- und Kahnenführer nicht

 

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befugt sein sollen, zu Kellinghusen oder andern jenseits der mehrfach gedachten Brücke belegenen Orten einige Waren einzunehmen oder daselbst abzuholen und nach Itzehoe zu bringen. Und wie

7.     unseren Bürgern der Stadt Itzehoe von seiten der Eingesessenen des Fleckens Bramstedt nach § 3 bereits zugestanden worden, das immediate von adelichen Gütern erhandelte Getreide nach Bramstedt liefern, daselbst einschiffen und nach Itzehoe bringen zu lassen, so wird denenselben dagegen

8.     dergleichen Handel mit Krum-, Bau- und anderm Holze, auch fetten und sonstigen Waren keineswegs auf gleichem Fuße, nemlich daß sie auch diese erkaufen und zu Wasser von Bramstedt nach Itzehoe bringen lassen mögen, erlaubt.

9.     Zum Transport des Korns, so die Itzehoer Bürger immediate von adelichen Gütern erkaufen und von Bramstedt nach Itzehoe fahren lassen können und mögen, werden vorzüglich Bramstedter Fahrzeuge, mithin keine andern Fahrzeuge, wenn von jenen nicht soviel als nöthig vorhanden sein möchten, gebrauchet.

10.  Die Itzehoer Bürger erlegen bei der Bramstedter Schiffstelle wegen An- und Abfuhr des Korns und sonsten alles dasjenige, was an andern Orten und Schiffstellen gebräuchlich ist.

11.  Bei dem erforderlichen Auf- und Niederziehen der Fahrzeuge haben die Eigenthümer der Prahmen, Bollen und Kahnen äußerst zu vermeiden, daß denen an der Aue liegenden Wiesen dadurch Schaden zugefügt werde, gestalt denn diejenigen, so das Ziehen der Fahrzeuge abwarten (besorgen), sich keines neuerlichen Fuß-, sondern nur der so genannten Fischer-Steige auf denen an der Aue liegenden Wiesen zu bedienen haben. Und damit diesem allen desto genauer nachgelebt werde, so sollen

12.  alle diejenigen Waren, welche diesem Unserm Privilegium entgegen von dem einen und dem andern unerlaubt erhandelt, abgesetzt oder verfahren werden, nebst dem Fahrzeug also confiscieret (beschlagnahmt), öffentlich verkauft und dann dem Fisco die eine, und dem Angeber die andere Helfte ausgekehret werden.

13.  Endlich soll allen und jeden Eingeseßenen im Flecken Bramstedt nach geschehener Bekanntmachung dieses Unseres Allergnädigsten Privilegii eine Zeit von Acht Wochen gesetzet werden, vor deren Ablauf sie sich zu erklären haben, ob sie gleich in die Schiffahrts-Gesellschaft einzutreten gesonnen sind oder nicht. Und obzwar auch nach Ablauf dieser Zeit denen Fleckens-Eingeseßenen noch unverwehrt sein soll, Mit-Interessenten davon zu werden, so soll doch ein jeder, der sich erst nach vorbemeldeter Zeit entschließet, in die Gesellschaft zu treten, verbunden sein, zu den aufgewandten Kosten gedoppelt zu concurrieren (beizutragen).

Gegeben auf Unserem Schloß Friedrichsburg, den 23. April 1756

(gez.) Friedrich R.

 

Niemand wird das redliche Mühen der Männer verkennen wollen, die durch ihre Ausdauer dies etwas umständlich geformte Fleckensprivilegium errungen haben.

 

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Wer aber die örtlichen Verhältnisse kennt und die fast beängstigende Verklauselierung des Rechtsbriefes ins Auge faßt, kann nicht glauben, daß den Bramstedtern nunmehr eine Möglichkeit zu erheblichem Aufstieg ihrer »Bürgerlichen Nahrung« sich eröffnet habe. Leider ist keine Urkunde sichtbar geworden, die uns über die praktische Auswirkung dieser Königlichen Begnadung unterrichten könnte. Selbst das alte Fleckensbuch schweigt sich in diesem Punkte beharrlich aus. Woraus zu entnehmen sein dürfte, daß der Flecken als solcher der geplanten Schiffahrts-Gesellschaft nicht beigetreten sei. Daß indessen irgendwie praktische Ergebnisse erzielt worden sind, kann mit einigem Grund angenommen werden. Pastor Johann Kähler sagt in seinem bekannten Buch über das Stör-Bramautal (Seite 110), daß in Hitzhusen bei Harms eine »Scheepstell« gewesen sei. Auch führt er den ersten Freibesitzer der alten Wassermühle, N. F. Paustian, als Zeugen an, der noch 1847/48 bei hohem Wasserstand Schiffe dort gesehen habe. Dies wird allerdings durch des Zeugen älteste Tochter, Fräulein Berta Paustian, die rührendtreue Hüterin des geistigen väterlichen Erbes, dahin berichtigt, daß ihr Vater in diesem Falle nur habe weitergeben wollen, was er von andern gehört habe. Indessen ich selbst erinnere mich mit Bestimmtheit, daß mein Stiefgroßvater Marx Todt, am Anfang des vorigen Jahrhunderts in Hitzhusen geboren und 1838 als »Setzwirt« nach Wiemersdorf verheiratet, seinen Enkeln erzählt hat von »Bullen« und »Ewern«, die er auf der Bramau gesehen habe. Mir freilich ist es seltsam vorgekommen, wie genannte Kreaturen, mir als Stallbewohner bekannt, hätten »auf der Aue liegen« können. Aber Vertrauen und Ehrfurcht vor dem grauen Haupte waren hinreichend gepflegt, den Großvater vor Nachfrage zu bewahren. - Der alten Fleckenslade entnehmen wir eine willkommene Bestätigung. Am 22. April 1854 setzt sich Bassmann, derzeit Fleckensvorsteher, energisch dafür ein, daß die geplante Landstraße Bramstedt-Wrist auf der nördlichen Seite der Bramau anzulegen sei. Dabei betont er, daß in Hitzhusen bei hohem Wasserstande die Bramau schiffbar sei und öfters Holz von dorten abgeholt und den Marschdistrikten zugeführt werde. Bei dem dortigen Bauervogt Harms sei der Stapelplatz, wo zuzeiten viel Holz lagere.

Aber auch von einer Anlegestelle in Bramstedt leuchtet ein allerdings schemenhafter Schummer auf. G. H, Mahnke berichtet unter dem Datum 1821: »Noch jetzt lebende Personen erinnern sich, daß die Schiffe mit schwarzen Töpfen u.s.w. bis an die Becker Brücker in Bramstedt gekommen sind.« Ferner: »Bramstedt verlor, man sagt, mit Vorsatz der damaligen Anwohner, die große Steine in den Fluß gewälzt haben sollen, die Schiffbarkeit der Bramau.« - Man denke: 1756 ist die Konzession herausgekommen, und 65 Jahre später liegt das Unternehmen den Ortsbewohnern schon im Dämmer redseliger Sage!

Im übrigen bleibt es dabei, daß tatsächlich in Bad Bramstedt nicht ein irgendwie geartetes Dokument über hier betriebene Schiffahrt oder damit zusammenhängende Betätigung eines Bürgers bisher aufzutreiben gewesen ist. Wohl lebt die Vermutung, daß in frühen Tagen die Bramau viel bedeutender und für Schiffahrt wohl geeignet gewesen sei. Mag sein; aber die in der hier verhandelten

 

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Urkunde verzeichneten Anmerkungen über den derzeitigen Zustand des Gewässers berechtigen zu der Ansicht, daß das Bestehen jener »Großen Bramau« in vorgeschichtliche Zeit zu verlegen sei. Dagegen liegt Grund vor für die Annahme, daß im 13. Jahrhundert und später der Weg von der Elbe nach Segeberg über Arpsdorf (an der Stör) geführt habe. -

Bleiben noch Mär und Sage. Sie wissen zu berichten, daß in der Feldmark Föhrden, und zwar im Hinkenholt nahe der Hitzhusener Grenze, eine Burg gestanden habe. Reste des Burgwalles glaubt man noch zeigen zu können. Dort sollen einmal Ritter gehauset haben und der Schrecken der vorüberziehenden Schiffe gewesen sein. Mit der Bramstedter Schiffahrt, die auf Grund des hier in Rede stehenden Privilegs von 1756 die Bramau nutzte, kann das nicht in Berührung stehen. Denn zu jener Zeit war das Raubritterwesen, wenigstens in dieser robusten Form, nicht mehr an der Tagesordnung. Verlegen wir das Treiben der edlen Burgbewohner in frühere Tage und ein wenig nach dem Westen, also ins Störgebiet, so wäre allerdings die Möglichkeit gegeben, der Sage einen soliden Anhalt zuzugestehen.

Noch in Erinnerung zu bringen ist die Tatsache, daß die Bramau erst innerhalb des Ortes nach der Vereinigung mit der Hudau ihren Namen gewinnt. Das Wort »Hude« bedeutet nach Mensings schleswig-holsteinischem Wörterbuch einen »Bergeplatz an Gewässern«, einen »Ladeplatz«. Unsere Hudau bildet nur ein kurzes Stück eines Wasserlaufes und durchfließt wesentlich das ehemalige Gutsland, im besonderen den Schloßgarten, diesen prächtig verschönernd. Es ist mit Recht anzunehmen, daß die Schloßbewohner in ihrem Bezirk Schutz und Anlegeplätze hergestellt, genossen und benutzt haben und dann in der Folge das freudespendende Flüßchen mit dem rechten Namen bedacht worden ist. Daß nur die Fleckensakte darüber nicht Nachricht gibt, wird unsern Frieden nicht stören.

 

Bramstedter Fuhrrolle

 

Diese für den Flecken wichtige Institution ist im Jahr 1694 gegründet worden. Dazu war königliche Konzession erforderlich, deren Wortlaut noch heute vorliegt.

Sie folgt hier wörtlich:

»Wir Christian V. thun kund hiermit, daß uns von dem Edlen Unserm Regierungsrat in den Fürstentümern Schleswig-Holstein, Vice Amtmann zu Segeberg und lieben Getreuen Reimar Peter von Rheder allerunterthänigst vorgetragen, welcher Gestalt die Einwohner des Fleckens Bramstedte, in Ansehung sie drei große und eine kleine Brücke, wie auch die Wege und Stege daselbst mit großen Kosten jährlich unterhalten müssen, deren sich doch bishero fremde Fuhrleute zu ihrem (der Bramstedter) Nachteil am meisten bedienen, entschlossen, ein Fuhrwerk unter sich aufzurichten, auch bereits zu dem Ende 17 gute Wagen zu Fortschaffung der reisenden Personen beysammen gebracht und noch mehrere zur Hand zu schaffen bereit wären, falls Wir allergnädigst gefällig ihnen dazu Unsere König-

 

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liche Concession in Gnaden zu ertheilen. - Wenn dann solches Vorhaben zum Aufnehmen (Aufstieg) und zur Beförderung gedachten Unseres Fleckens angesehen und Wir demnach demselben in Kgl. Gnaden Statt geben, als (so) concediren und bewilligen Wir nicht allein, daß die Eingesessenen zu Bramstedte ein Fuhrwerk, auch deshalb bis auf Unsere allergnädigste Approbation eine gewisse (sichere) Fuhr-Rolle unter sich errichten mögen, sondern verordnen auch hiermit allergnädigst und wollen, daß hinfüro alle und jede Fuhrleute, welche reisende Personen, so von Hamburg über Neumünster nach Rendsburg oder von dannen über Neumünster nach Hamburg, wie auch von Itzehoe und der Gegend nach Lübeck oder einen andern Ort fahren, in Bramstedt ihre Passagiere absetzen und selbige allda frische Wagen nehmen; dahingegen die Bramstedtischen Fuhrleute denen Reisenden alle Commodität zu verschaffen und dieselben ohne Aufenthalt mit guten Wagen und Pferden gegen die in Unserm Herzogtum übliche Belohnung zu versehen und fortzubringen gehalten sein sollen. Befehlen demnach allen und jeden Fuhrleuten, so mit Passagieren von einer oder andern der obbenannten Städte fahren, bei willkürlicher Strafe hiermit allergnädigst und ernstlich, obgemeldter Unserer Verordnung in allem nachzuleben, auch der ordinären (dafür bestimmten) Landstraße sich zu bedienen und alle Nebenwege zu vermeiden.

Wonach sich männiglich allerunterthänigst zu richten.

Geben auf Unser Residenz zu Copenhagen den 12. März 1694.«


L. S. R.                                                                                                         gez. Christian V.

 

Damit ist der Weg frei für eine neue Gilde im Flecken. Eine genauere Satzung, die am 1. November 1699 vereinbart worden und vielleicht nicht die erste gewesen ist, liegt noch zur Hand und mag uns unterrichten über die Handhabung der neuen Berufsaufgabe.

Unter Mitwirkung des Kirchspielvogts und in seiner Amtsstube ist in Gegenwart sämtlicher Mitglieder das Werk zuwege gekommen, und zwar wie folgt:

»1. Wollen wir itzige und künftige in der Reihe befindliche Fuhrleute auf Ankündigung des Aeltermannes oder Wagenmeisters allemal nach der Ordnung alle Reisenden-Fuhren, so diesen Ort passieren, unweigerlich und ohne allen Verzug verrichten, und keiner dem andern praevenieren oder vorgreifen.

2.     Wollen wir, so in dieser Fuhr-Rolle der Reihe mit begriffen, uns mit guten Pferden und Wagen, auch allen Gerätschaften, soferne einen anders die Reihe nicht vorbeigehen sollte, uns versehen und sowohl gegen fremde als einheimische Reisende alle Aufwärtigkeit und Bescheidenheit gebrauchen. Und ob wohl die Haus-Wirthe durch einen tüchtigen Knecht die ihnen beikommenden Fuhren verrichten mögen, so soll doch derselbe Knecht nicht minder denn sein Hauswirth an allen diesen Punkten gebunden, widrigenfalls desfalls der Hauswirth gehalten (verpflichtet) und dieser an jenen sich zu halten berechtigt sein.

3.     Soll der p. t. Aeltermann oder Wagenmeister auf die hiedurch passierenden Personen fleißig achten und selbige, sobald er deren Ankunft erfähret, beim Fuhrmann, welchen die Reihe trifft, sofort anmelden, damit derselbe sich desto hurtiger danach schicken und seine Pferde und Wagen beyzeiten darzu fertig halten könne.

 

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4.    Unter langen und kurzen Fuhren soll ein richtiger Unterschied gehalten werden, die langen auf 5-6, die kurzen auf 4-2 Meilen gerechnet werden, worüber der p. t. Aeltermann jederzeit ein richtiges Register führen soll.

5.    Für Bestellung solcher Fuhren werden Ihro Kgl. Maj., gleich wie in andern Städten, 3 Schilling Lübsch für jeden Wagen von dem Passagier zu erheben, allewege gestatten.

6.    Sollte einen von uns die lange und kurze Fuhr zugleich treffen, so mag er wählen; doch soll ihm bei seiner Zuhausekunft und wenn seine Pferde 24 Stunden geruhet haben, frei stehn, die Fuhr nachzuthun; indessen aber und Zeit seines Außenseyns, so eine andre Fuhr vorfallen sollte, fährt der, den die Reihe trifft.

7.    Wann auch nach diesem wir mit denen benachbarten Städten uns vergleichen können, eine Fuhr in Retour zu nehmen, wie es bereits von Itzehoe nach Haders leben unter ihnen in Gebrauch, soll denen Städten desgleichen hinwiederum gegönnet werden. Doch soll von Uns derjenige, so in der Retour Passagiers aufhat, nicht weiter als hierher zu fahren bemächtiget sein.

8.    Und wie Ihro Königl. Maj. allergnädigst verordnet, daß die Reisenden in andern dero Städten zu Sommerzeit, von Ostern bis Michaelis, für einen Wagen mit 2 Pferden für jede Meile 20 und für einen Vorspann mit 2 Pferden 28 Schilling Lübsch zahlen, in den 6 Wintermonaten aber 24 und 32 geben sollen: als bitten wir solches auch allergnädigst zu gönnen.

9.    Wenn auch  der mit 4 Pferden bespannte  Hochfürstliche  Schleswigsche Küchenwagen, so von einem Hamburger, Namens Sonnenberg, gepachtet, der selber hinwiederum von einem Neumünsterschen Fuhrmann fahren lässet, und wöchentlich mindestens einmal nach Hamburg und zurück gehet, die meisten Passagiers zu Unserm höchsten Nachtheil aufnimmt; die Hochfürstlichen Heyder und Tönninger Post-Wagen aber in Itzehoe allezeit ihre bei sich habenden Passagiers nieder setzen und diese von denen Reihe-Fuhrleuten daselbst andre Wagens nehmen müssen: So bitten wir Ew. Kgl. Maj. allerunterthänigst, zu befehlen, daß sothane sogenannte Küchenpost oder K-Wagen die aufhabenden Passagiers ebenfalls daselbst absetzen, auch aller andern verbothenen Neben-Wege sich enthalten müssen, wodurch unsern Reihe-Fuhren merklich wieder gebessert und in Aufnahme gebracht würden.

10. Nicht minder bitten wir um allergnädigste Verordnung dahin, daß gleich andern Orts mehr als 3 Personen und jede nur einen kleinen Koffer oder Fell-Eisen auf eine Wagenfuhr zu rechnen, daferne ein Reisender mehres bei sich führt, er dafür in specie die Fracht bezahlen müsse.

11. Und als unsere 15 Fuhrleute in dieser Ordnung und Rolle, welche anitzo mit unsern Pferden und Wagen die hier durchreisenden Posten vermuthlich zur Genüge befördern können und wir uns überdem alle sehr befleißigen werden, auch anheischig verbindlich gemacht haben, die jederzeit vorfallende Fuhre alle Zeit genugsam zu verrichten, so wollen wir es bei der Zahl unserer Fuhrleute, damit wir unser Auskommen desto besser haben, vors erste bewenden lassen; auch damit wir, wenn uns einige Pferde, wie öfters geschiehet, abfallen, zu deren

 

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Herbeyschaffung besseren Kredit haben, mag jeder seine Reihe-Fuhr versetzen, verpfänden, auch gar verkauffen; jedoch soll derjenige, der so an sich handelt, in Königl. Jurisdiktion hier (also nicht im Gut) wohnen und nicht eher eingenommen werden, bevor er auch gute Wagen und Pferde zugelegt hat. - Soll eine >Rollfuhre< verkauft werden, so steht den übrigen Brüdern der Gilde in ihrer Gesamtheit das Recht des Vorkaufs zu.

12. Wollen und sollen wir alle diese vorbeschriebenen Punkte richtig und mit allem Fleiß halten, und da einer sich unterstehet, dawider zu handeln, soll der p. t. Wagenmeister schuldig sein, falls er nicht selber in die Kgl. Brüche verfallen will, denjenigen sofort bey unserm Kirchspielvogt, als unserm Morgensprach-Herrn, anmelden, welcher dann denselben gebührlich zu (Straf-)Register setzen und nachgehends vor dem Herrn Amtmann die Brüche >dingen< lassen wird. Auch wollen wir ohne besagten unsers K.-Vogts Konsens und Einrathen nichts vornehmen, oder da es von einem oder andern geschehen sollte, Ihro Kgl. Majestät deswegen gerecht werden. Bramstedt, den 1. Nov. 1699.« Es folgen die Namen sämtlicher Roll-Fuhrleute.

»Daß die sämtliche Reihe-Führer diese Fuhr-Rolle in meiner Gegenwart unterschrieben, wird hiermit attestiret.

Bramstedt, den 1. Nov. 1699

(gez.) Detlef Averhoff Kirchspielvogt hierselbst.«

 

Es entgeht uns nicht, daß vorstehendes Schriftstück noch nicht die ausgekämmte Form einer fertigen Satzung hat und noch höherer Genehmigung bedarf. Da aber der in solchen Dingen sehr erfahrene Kirchspielvogt seine Unterschrift gegeben hat, spricht alle Wahrscheinlichkeit dafür, daß wesentliche Änderungen nicht mehr erfolgt sind.

Nach weiteren vierzig Jahren haben sich unsere Fuhrleute zu verteidigen gegen den Vorwurf, daß ihre »Hurtigkeit« nicht den Ansprüchen der Reisenden gerecht werde. Die Bramstedter meinten, daß eine Wartezeit von zwei Stunden zwischen Ankunft und Abfahrt nicht zu beanstanden sei: Konferenzrat und Amtmann von Rantzau bescheinigt ihnen, daß nach gegebenen Umständen die Bramstedter nicht so schnell zur Hand sein könnten, wie es an andern Orten möglich sei. Doch gibt Christian VI. am 28. Juli 1741 den Befehl heraus, daß sie die Frist von 1½ Stunden nicht überschreiten dürften.

 

 

Von der Post und vom Reisen

 

Durch unsern Ort führt eine der wichtigsten Straßen des ganzen Landes. Dieser Nord-Süd-Weg verband Kiel mit Hamburg, die Ostsee über die Elbe mit der Nordsee. Wenn die dänischen Könige in ihrer Eigenschaft als deutsche Bundesfürsten ins Reich reisten, benutzten sie diesen Weg. Darum heißt er auf alten

 

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Karten die »via regia«, der Königsweg. Daneben entstand ein zweiter Name, der »Ochsenweg«. Von Jütland wurden auf ihm zahlreiche Ochsenherden südwärts getrieben. Auch schwerbeladene Frachtwagen und vor allem Postwagen benutzten diese wichtige Landstraße.

Um 1820 war Bramstedt Station für acht ordinäre Posten und auch für Extraposten. Nach 1835 entwickelte sich auf der neuen Straße von Altona nach Kiel ein gewaltiger Verkehr. Wagen in Form großer Omnibusse, sogenannte Diligence mit vier Pferden bespannt, kamen täglich einmal, von beiden Richtungen kommend, durch unsern Ort. Sie beförderten Personen und Post und legten die Strecke in neun Stunden zurück. Ehe die Post in den Ort fuhr, kündigte der Postillion durch Hörnerklang seine Ankunft an. Er saß vorne auf dem Bock, mit Peitsche und Posthorn ausgerüstet, trug weiße Lederhosen, die in hohen Stiefeln steckten, eine rote Weste mit silbernen Knöpfen, einen blauen Tuchrock und einen hohen Hut. Hier, wie in Quickborn und Neumünster, wurden die Pferde gewechselt. Die Pferdeställe lagen neben der Posthalterei. Oft konnte die Diligence nicht alle Reisenden aufnehmen, dann mußten die Gespannhalter des Orts Beiwagen stellen. Aber auch zahlreiche Frachtwagen belebten die Chaussee. So ging es bis zur Eröffnung der Altona-Kieler Eisenbahn im Sommer des Jahres 1844. Damit begann ein regelmäßiger Postverkehr zwischen Bramstedt und Wrist1). »Peter Post«, so nannte man den Boten, machte wochentäglich mit seiner Briefkiepe die Tour hin und zurück; aber 1865 eröffnete Fuhlendorf den Omnibusverkehr, der vermutlich auf zwei Tage wöchentlich beschränkt war. Mit diesen aus Kellinghusen stammenden Nachrichten stimmt ein den Bramstedter Nachrichten vom 26. November 1837 entnommener Bericht nicht ganz überein. Danach ist eine Wagenpost erheblich früher eingerichtet worden. Anno 1857, nach Ausbau der Straße nach Wrist 1856, hat Gastwirt F. Remien, Holsteinisches Haus, der Generalpostdirektion zu Kopenhagen mitgeteilt: Er beabsichtige, mit einem auf vierfachen Druckfedern ruhenden »Wochenwagen« jeden Morgen um 7 Uhr und jeden Nachmittag um 4 Uhr ab Bramstedt, und nach Ankunft der beiden Personenzüge vormittags und abends von Wrist retour zu fahren, um fremde Reisende gegen festes Entgelt zu befördern. Er bitte um Genehmigung und rechne damit, daß er nicht nur die Beförderung der freitags und dienstags von Bramstedt nach Wrist fahrenden Personen, Fracht- und Briefpost, sondern auch die täglich abgehende Fußbotenpost übernehmen könne, und zwar unter den gleichen Bedingungen, wie diese fahrende Post bisher von dem hiesigen Einwohner Fuhlendorf besorgt worden ist. Er werde die gleichen Obliegenheiten übernehmen, welche Fuhlendorf und der Postbote zu erfüllen hatten. Er werde das Austragen der Briefe im Orte unentgeltlich besorgen. Er sei überzeugt, daß auf diesem Wege eine kräftige Steigerung des Verkehrs erzielt und so auch der Postkasse gedient werde. Unbekannt bleibt, ob Remien im Einvernehmen mit Fuhlendorf handelt oder als dessen Konkurrent hervortritt.

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1) Nach den Bramstedter Nachrichten.

 

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Hiernach müßte Fuhlendorf schon vor 1857 und nicht erst 1865 seinen Omnibus in Dienst gestellt haben.

Auch zwischen Kaltenkirchen und Bramstedt bestand zeitweise eine Postverbindung mittels eines Hundefuhrwerkes. Nach Fertigstellung der Straße von Lentföhrden über Kaltenkirchen nach Ochsenzoll (1856) lief täglich ein Omnibus, aus Kaltenkirchen kommend, hier ein.

Im Zuge des Ausbaues von Eisenbahnnetzen wurde 1880 der Plan gefaßt, auch einen Schienenweg von Altona nach Kaltenkirchen zu schaffen. Schwere Kämpfe gab es um die Weiterführung nach Bramstedt. Man bezweifelte die Rentabilität dieses Unternehmens, da die gute Verkehrslage Bramstedts eine Frachtbeförderung in Richtung Nord-Süd bereits gewährleistete. Dem Bramstedter Bürgermeister Gottlieb Freudenthal gelang es endlich, die Verlängerung der Altona-Kaltenkirchener Bahn nach Bramstedt zu erreichen. 1898 hatten die Bramstedter ihre Eisenbahn und nach dem ersten Weltkrieg durch Ausbau der Bahn nach Neumünster die Möglichkeit, nordwärts zu fahren. Damit hörte das Omnibusfahren nach Wrist auf. Erst in neuester Zeit lebte die alte Route wieder auf als Autobusverbindung1).

 

Private Bramstedter Omnibuslinie der Neuzeit

 

Am 4. Juni 1927 hat Heinrich Prahl den ersten Omnibus von Bramstedt nach Hamburg in Bewegung gesetzt. Dreißig Personen faßte das für täglich fünf Fahrten bestimmte stattliche', in jeder Hinsicht moderne Fahrzeug. Noch im selben Jahre wurden Fahrten nach Segeberg, sowie nach Hohenwestedt über Wrist eingefügt. Der Betrieb wuchs stetig. Es folgte die regelmäßige Fahrt auf der Linie Bramstedt-Kellinghusen-Itzehoe; danach die Erweiterung Kellinghusen-Tönsheide-Nortorf. Der energische Unternehmer plante fernerhin regelmäßige Fahrten von Hohenwestedt über Heinbostel nach Nortorf, mußte aber davon Abstand nehmen, als 1939 aufs neue der Weltkrieg ausbrach.

Solches ist sehr zu bedauern. Erwachsene und Kinder, Schulen und andere Gemeinschaften hatten sich daran gewöhnt, zur schönen Sommerzeit auf weiträumigen Sonderfahrten die Schönheiten der Heimatprovinz kennenzulernen und zu genießen, ihren Gesichtskreis in mehr als einer Hinsicht zu weiten. Ja, man erinnert sich an genußreiche Fahrten nicht nur bis zum Eibstrand, sondern hinaus über die Elbe bis zum Rhein und bis zum Schwarzwald.

Selbstverständlich wuchs die Zahl der Omnibusse. In den zwölf Jahren der Aktivität ist der Bestand auf zwölf gestiegen, darunter der Sattelschlepper »Atlantik« mit 60 Sitzplätzen der größte.

Natürlich wuchs die Betriebsgemeinschaft entsprechend, so daß schon aus diesem Grunde Heinrich Prahls Unternehmen für das Erwerbsleben der kleinen Stadt erwünschte Förderung bedeutete. Erfreulicherweise hat der Krieg nicht die Still-

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l) Nach den Bramstedter Nachrichten.

 

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legung dieses Betriebes bewirkt, so daß wohl zu gegebener Stunde sein Aufblühen zu begrüßen sein wird.

 

 

Ein Junker versucht, bei der Post sein Glück zu machen

 

Hochklingende Adelsnamen verbinden sich mit dem Stedingshof, dem Bramstedter, heute nicht mehr vorhandenen, adeligen Gute. Die von Ahlefeld, Graf von Königsmark sind Besitzer des Gutes, Christian Günther zu Stolberg zugleich Amtmann des Bezirkes Segeberg. Im Gedächtnis geblieben, wenn auch in höchst unrühmlichem, ist den Bramstedtern der Graf von Kielmannsegge: Er hat die Bramstedter gequält und den Anlaß gegeben zur Drittelung der hiesigen Hufen. Dem Grafen zu Stolberg rühmt der derzeitige Pastor Detlef Chemnitz nach, daß er die Leibeigenen für ein mäßiges Geld freigegeben, ihnen teils auf seine Kosten schöne neue Häuser habe bauen lassen; er müsse den Untertanen unvergeßlich sein. - Aber das war nicht gerade eine Angelegenheit des Fleckens. Nahe stand ihm Graf Hans Rantzau, als Amtmann der Vorgänger des Stoiberger Grafen. Er hat sich in Bramstedt ein Haus gebaut und dadurch bewirkt, daß bis zum Jahre 1781 oder 1782 Bramstedt Wohnsitz des Segeberger Amtmannes war. Am Rande sei bemerkt, daß Rantzau dazu die besondere Erlaubnis hatte einwerben müssen und es dem Gutsbesitzer Graf zu Stolberg vergönnt wurde, den gleichen Wunsch für sich erfüllt zu sehen. Von einem Amte Bramstedt zu sprechen, ist ganz abwegig.

Mit dem Gute sind auch Adelsrechte entschwunden und ebenfalls die Adeligen selten geworden. Aber was hat es mit dem »Junkerstieg« auf sich? Weckt nicht dieser klangvolle Name die Vorstellung von fürstlichem Walten und Gebaren? Es muß doch mindestens ein Junker hier gelebt haben, ehe man diesen Wegenamen einführen konnte. Bramstedts alte Papiere geben nur einmal Kunde von einem solchen, der hier sein Glück versucht hat.

Kammerjunker Casper Ernst Franz Friedrich von Schlanbusch, der wohl ein Mecklenburger gewesen sein mag, trat hier im Jahre 1841 den Dienst eines königlichen Postmeisters an, ein Amt, das vorher in der Hand der Familie Frauen gelegen hatte. Um das für diese Geschäftsführung nötige Geld zu erlangen, machte er eine Anleihe von 6000 Kurantmark, wofür er sein gesamtes bewegliches Gut verpfändete. Er verpflichtet sich, das geliehene Geld in zwei Jahren in Monatsraten zurückzugeben, was hier notiert wird, um aufzuzeigen, welch große Ertragsmöglichkeit damals dem Bramstedter Postbetriebe beigelegt wurde.

Es zeigte sich indessen recht bald, wie sehr der wirkliche Ertrag zurückblieb hinter dem von unserm Kammerjunker geschätzten. Nach zwei Jahren war der Geldgeber Inhaber des Postbetriebes.

Junker Schlanbusch aber hat uns ein genaues Verzeichnis des für den Postbetrieb nötigen lebenden und toten Inventars hinterlassen, das ein gutes Bild gibt über Art und Umfang des damaligen Postbetriebes.

 

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Lebendes und totes Inventar des Postmeisters 1841

                                                 1. Pferde                                      Mark    Schilling

1 schwarze Stute mit Bleß.................................................................... 100............ —

1 schwarzer Wallach mit Bleß............................................................... 60............ —

1 Fuchsstute ohne Abzeichen.............................................................. 90............ —

1 Fuchsstute mit weißer Mähne........................................................... 90............ —

1 Rotschimmel Wallach......................................................................... 85............ —

1 Grauschimmel Stute mit Bleß........................................................... 100............ —

1 Tiger Wallach  ................................................................................... 100............ —

1 brauner Wallach mit Stern und weißen Hinterfüßen________ 100_____ —

1 brauner Wallach mit Stern und weißen Hinterfüßen_________ 85_____ —

1 braune Stute, Bleß und 1 weißen Hinterfuß.................................. 100............ —

1 braune Stute, Bleß und 1 weißen Hinterfuß.................................. 150............ —

1 brauner Wallach, blind....................................................................... 60............ —

1 schwarze Stute................................................................................... 100............ —

1 schwarze Stute..................................................................................... 80............ —

1 schwarzer Wallach  ............................................................................. 50............ —

 

                                                 2.  Wagen

Grüne Fensterchaise auf Druckfedern............................................... 300............ —

Braune Fensterchaise auf Druckfedern............................................. 200............ —

Gelber Stuhlwagen mit drei Stühlen................................................... 135............ —

Grüner dito mit 3 Stühlen....................................................................... 85............ —

Chaisenstuhl........................................................................................... 30............ —

 

3. Geschirr

8 Selen mit ledernen Strängen und Königschü&e.......................... 150............ —

2 Selen schwarz mit dito......................................................................... 50............ —

10 Arbeitsselen mit Tausträngen......................................................... 75............ —

3   Sattel.................................................................................................... 15............ —

24 Pferdedecken...................................................................................... 60............ —

16 Gurten.................................................................................................. 10............ —

2 große leinene Stalldecken.................................................................... 5............ —

4   Wagenlaken....................................................................................... 10............ —

6 Putzgeschirre.......................................................................................... 7.............. 8

Vorwachten, Spitzschwengel und Bollenwagengeschirr ...                7               8

4 Häckerlingladen mit Messer.............................................................. 10............ —

Wir erkennen: Casper Ernst Franz Friedrich hatte sich völlig eingereiht unter die Bürgerlichen; er hat uns ein nettes Erinnerungsblatt an einen seinerzeit für unsern Ort wichtigen Erwerbszweig hinterlassen. So mag auch der Name Junkerstieg in Erinnerung an ihn gewählt worden sein.

 

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XVII. CHAUSSEEBAU 1832 UND EINNAHME AUS CHAUSSEE- UND BRÜCKENGELDERN

 

Chausseebau 1832

 

Große Dinge werfen ihre Schatten voraus. Das gilt auch für den Bau des ersten steinernen großen Verkehrsweges, den weitschauend der Dänenkönig Friedrich VI. von der Ostsee bis zur Elbe ziehen ließ. Rechtzeitig spürten die Bramstedter, daß etwas Großes für sie auf dem Spiele stand, und es wurde nichts versäumt, diese wichtige Verkehrsader dem Flecken zu sichern. Wohlbehütete Urkunden zeugen dafür, und wir Nachfahren ehren uns selbst, wenn wir die angegilbten Schriften durchblättern.

1. Vom 27. Juni 1829 datiert die älteste noch vorhandene. Die Fleckensvorsteher Peter Fölster und Friedrich Schmidt tragen dem Landesherrn eindringlich ihre Sorgen vor.

»Schon im abgewichenen Winter, als es noch die Absicht zu sein schien, daß die zwischen Kiel und Altona anzulegende Kunststraße ihre Richtung über Preetz, Bornhöved usw. nehmen sollte, wagten wir es, Ew. Königl. Majestät um Allerhöchste Abänderung dieses Planes zu bitten, indem wir es vorstellten, daß durch Verlegung der bisherigen Landstraße die Existenz des ganzen Fleckens Bramstedt gefährdet sein werde. Da es jetzt wahrscheinlicher zu sein scheint, daß die Chaussee von Kiel über Neumünster gehen werde, so können wir um so weniger umhin, Ew. Maj. die traurige Lage des Fleckens in dem Falle, wenn, wie man vernimmt, nun die Feldmark des Fleckens, nicht aber der Flecken selbst, durch die Chaussee berührt werden sollte, nochmals alleruntertänigst vorzustellen, da wir uns zugleich überzeugt haben dürfen, daß durch diese Richtung die Straße keineswegs an Kürze gewinnen würde. - Geruhen Ew. Maj. allerhuldreichst in Betracht zu ziehen, daß der Flecken Bramstedt zu seiner Existenz hauptsächlich auf den Betrieb bürgerlicher Nahrung angewiesen ist, da sowohl das Areal der Ländereien als deren Beschaffenheit in der unfruchtbarsten Gegend des Herzogtums leider von der Art sind, daß die Landwirtschaft allein die hiesigen Einwohner zu ernähren und auch ihnen nur den kümmerlichsten Unterhalt zu gewähren, nicht im Stande ist. - Die Mehrzahl der hiesigen Einwohner lebt von der Gastwirtschaft und den damit in Verbindung stehenden Gewerben, welche bisher lediglich durch die von Altona nach Kiel über Bramstedt gehende Landstraße so belebt worden sind.

Würde nun, wie wir mit Bekümmernis vernommen, die von Ew. Königl. Maj. allerhöchst ernannte Kommission sich dahin erklären, daß die neu anzulegende Kunststraße zwischen dem Flecken Bramstedt und dem Dorfe Bimöhlen hindurch

 

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ihre Richtung nehmen müsse und somit in einer Entfernung von etwa einer halben Stunde vom Flecken bleiben würde, so müßten unfehlbar alle bürgerlichen Gewerbe in ihr Nichts versinken, da die hiesigen Eingesessenen keine andere Quelle aufzufinden wissen, selbigen emporzuhelfen, und dennoch städtische Lasten zu tragen verpflichtet sind. Eine bedeutende Anzahl Ew. Maj. getreuer Untertanen würde dadurch an den Bettelstab geraten, während weder den Reisenden damit ein Dienst geschähe, noch Ew. Königl. Maj. allerhöchstes Interesse dadurch befördert werden würde, indem wir uns sogar überzeugt halten dürfen, daß die Anlegung der Chaussee über Bramstedt, der Beschaffenheit des Weges nach, die am wenigsten kostspielige sein werde und manchem Reisenden, dem seine Gesundheit ein fortwährendes Fahren unmöglich macht, sehr damit gedient sein würde, im hiesigen Flecken verkehren und übernachten zu können.

Es vereinigen sich andere Interessen also mit den unsrigen, die uns zu der allerdevotesten Bitte berechtigen, die Richtung der neu anzulegenden Kunststraße über Bramstedt bestimmen zu wollen.«

2.   Am 3. Dezember 1829 melden die beiden Ratsherren, daß der Flecken, wenn die zu makadamisierende Straße über Bramstedt geführt wird, es bündigstermaßen übernimmt, für die alsdann nun zu erbauenden Brücken 6000 Fuder Sand anzufahren.

3.   Im Januar 1830 bringen die Supplikanten ihre Sache zum drittenmal vor den geheiligten Thron ihres Landesherrn. Sie glauben, daß die Stunde der Entscheidung, ob über Bornhöved oder Neumünster-Bramstedt, gekommen sei. Geschickt tragen sie dem König vor:

»Als im siebzehnten Jahrhundert der Flecken Bramstedt von der Landesherrschaft für 14 000 Reichstaler einem Privatmann verpfändet war, mußten die Eingesessenen, um von den nicht zu ertragenden Bedrückungen frei zu werden, sich entschließen, genannte Summe aus ihrem Besitze aufzubringen, um den Flecken wieder in königlichen Besitz zu bringen. Das wurde nur dadurch ermöglicht, daß die 24 teils Voll-, teils Halbhufen in Drittelhufen zerlegt wurden. Die traurige Folge war, daß die Drittelhufner durch ihre Landwirtschaft allein nicht bestehen konnten und irgend ein bürgerliches Gewerbe hinzunehmen mußten. Das durchzuführen, wurde bei möglichster Umsicht und Betriebsamkeit erreicht. Einesteils wurde dies begünstigt dadurch, daß das Amthaus hier am Orte war, andernteils durch die frequente Landstraße Altona-Kiel. Die vor reichlich 50 Jahren erfolgte Verlegung des Amthauses nach Segeberg gab dem Wohlstand des Fleckens den ersten Stoß. Wiederholte Konkurse beweisen das. Bramstedts Bevölkerung würde in der Tat notleidend, wenn man ihr die Landstraße entziehen wollte. Das wird nicht dem Willen und dem Interesse Kgl. Majestät gemäß sein. - Im Falle von Truppenmärschen werden die Flecken Neumünster und Bramstedt bedeutend mehr Quartiergelegenheit bieten als die Ortschaften in Richtung Kiel-Bornhöved. Auch den Reisenden dürfte es angenehmer sein, wenn sie genannte Flecken berühren, statt nur durch öde Heidestrecken und unbedeutende Dörfer zu kommen.«

 

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4. Befehl des Amthauses, »den Kondukteuren« des Chausseebaus, die nun in voller Breite die Pflöcke für die Abgrenzung der Kunststraße einstecken sollen, in keiner Weise zu behelligen. »Auch wo Befriedigungen und Zäune niedergerissen werden müssen, ist keinerlei Widersetzlichkeit zu dulden, sondern alle Willfährigkeit zu erweisen. Die Besitznahme und Bearbeitung erforderlichen Landes erfolgt erst nach der Vermessung durch beeidigten Landmesser. Den Eigentümern wird jeder erweisliche Schaden ersetzt.«

5.  Das Tor öffnet sich. Anno 1830 den 10. Juli teilt das Amthaus den Fleckensvorstehern mit:

»Ihr Erbieten zur unentgeldlichen Anlieferung von 306 Fuder Steine auf der Bramstedter, 462 Fuder desgl. auf der Fuhlendorfer und 637 Fuder Steine auf der Wiemersdorfer Feldmark, welches sie unter der Bedingung gemacht, daß die Chaussee über Neumünster-Bramstedt geführt werde, nunmehr, nachdem die Bedingung erfüllt, angenommen sey. Die solchergestalt Verpflichteten werden es sich angelegen sein lassen müssen, die zu liefernden Steine baldtunlichst und fortgesetzt auszugraben, auszubrechen und, wo es nötig ist, sie zum Transporte durch Schießen oder Klöben schicklich zu machen. Wenn die Baudirektion die Betreffenden zur Lieferung ansagt und den Anlieferungsort anweisen läßt, muß innerhalb 3 Monate die Lieferung bewerkstelligt sein. Vorlieferungen können zugelassen werden, nachdem Baukondukteur Lieutnant von Möller einen Platz dafür angewiesen hat.«

6. Königl. Resolution vom 29. Juli 1830, betr. Einfahrt von der Chaussee zum Grundstück des Anliegers. Wo solche unentbehrlich ist, wird sie auf Rechnung der Chausseekasse hergestellt. Werden weitere gewünscht, so kann dazu der Kondukteur Einwilligung geben. Wer darin des Kondukteurs Weisung mißachtet, kann verurteilt werden zur Wiederherstellung des früheren Zustandes nebst Brüche von 2-50 Reichstalern.

7.   Anno 1830 den 13. November mahnen Peter Fölster und Friedrich Schmidt den Obristleutnant von Prangen, wie folgt:

»Obwohl durch mündliche Verhandlung und ausdrückliche Versicherung gänzlich beruhigt, daß es bei der bereits abgesteckten Chaussee-Linie bleiben soll, hat doch in diesen Tagen Kammerherr und Oberwege-Inspektor von Warnstedt aufs neue eine Messung durch hiesigen Ort und unsere Feldmark vorgenommen, wodurch nicht allein die dem Flecken erwachsenden Nachteile, als Reparatur der hiesigen Brücke und des Steindamms wegfällig werden, sondern statt sonst schlechtes Land zu berühren, jetzt durch unsere besten Wiesen und Felder verlegt wird. Bei dieser Lage würde es uns beim besten Willen nicht möglich sein, unsere Mitbürger im Flecken zur Erfüllung ihrer Zusagen anzuhalten, da sie, an sich schon arm an guten Ländereien, so ihre besten Wiesen und Koppeln verlieren, noch den Landbewohner, der hauptsächlich mit Rücksicht darauf, daß er der Instandsetzung des Steindamms im sogenannten Landwege entübrigt, ja bedeutende Steinlieferung angeboten hat«.

»Wenn nun Ew. Hoch- und Wohlgeboren den Ankauf der beiden Stellen hie-

 

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selbst, über deren Grund die neue Linie gehen würde, den Wert der Wiesen und Koppeln, der den Eigentümern zu ersetzen sein dürfte, die größeren, aus der Arbeit selbst erwachsenden Kosten und die von uns und den Landbewohnern gemachten Anerbietungen, die ja durch die Verlegung der Linie wurden, in die Wagschale gegen die Ersparnis einer Brücke legen, so dürfte es sich wohl gänzlich aufwiegen, und gewiß der dem Flecken aus der ersten Linie erwachsende Nutzen bey den Ew. Hoch- und Wohlgeboren eigenen und allbekannten Grundsätzen der Humanität und Leutseligkeit auch gewiß von Hochdenselben bey dieser Gelegenheit in Betracht gezogen werden.«

8.  Schon nach wenigen Tagen senden Fölster und Schmidt nachstehende Erklärung an die Königl. Kommission für Chaussee in Altona:

»… Wir ermangeln nicht, die schon früher getane mündliche Anzeige zu wieder holen, daß, falls die alte allerhöchst approbierte Linie nicht als Basis der zu erbauenden Chaussee festgehalten wird und der Flecken und das Kirchspiel infolge des beregten, der Last der Unterhaltung der Brücken und der Steindämme entnommen, wir uns nicht im Stande sehen, unsere Kommittenten zur Erfüllung der von ihnen hinsichtlich des Chausseebaus übernommenen Verpflichtungen anzuhalten, sondern uns all und jeder Zusage zu enthalten uns genötigt sehen.«

9.  Am 21. März 1831 bringt endlich das Amthaus den Beschluß der Chausseedirektion zur Kenntnis:

»daß die Chaussee-Linie von dem letzten Haus am südlichen Ende von Wiemersdorf, Sachau gehörig, in gerader Richtung über Fuhlendorfer Feld auf das nordöstliche Fleckensende von Bramstedt bey Petris Hause in die Gr. Asper Straße geführt werden solle,

daß die Chaussee-Linie der jetzigen Fleckensstraße bis etwas vorbei dem Roland folgend, gehen und dann in einer Biegung, die gegen das Posthaus bis zur Kate des Micheels geführt werden solle,

daß diese Kate weggebrochen und die Chaussee mit einer sanft gebogenen Linie auf den kleinen Garten des Postmeisters auf das jenseitige Ufer der Aue mittelst eines Dammes und Brücke geführt, und

daß endlich dann jenseits des jetzigen Weges nach Lentförden die Chaussee-Linie wiederum in gerader Linie auf dieses Dorf und auf den früher daselbst bestimmten Durchgangspunkt geführt werden solle.

Demnach wird der Bramstedter Kirchspielvogtei der Auftrag erteilt, den Bauervögten zu Wiemersdorf und zu Lentförden, sowie den Gevollmächtigen des Fleckens Bramstedt, namens des Amthauses zu befehlen, dem Kondukteur von Möller bei den desfallenden Arbeiten und Einrichtungen alle erforderliche Willfährigkeit zu beweisen, auch darüber zu wachen, daß solches geschehe.«

10.  Ein aus Wiemersdorf datiertes Verzeichnis vom 13. April kündet an, daß auf Bramstedter Boden nicht weniger als 56 Grundstücke durch die Chaussee beschnitten werden und eine Einbuße von insgesamt 576 Quadrat-Ruten erleiden (R. = 16 Fuß).

 

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Ein Befehl vom 30. April fügt hinzu, daß außer den direkt für die Chaussee nötigen Grundstückteilen auch Land herzugeben sei zur Auflagerung von Steinen oder sonstigem Material, zu Nebenwegen, Überfahrten und anderem. Die Entschädigung wird bestimmt durch vier Taxatoren, von denen Enteigner und Enteignete je zwei zu wählen haben. Letztere können auch Männer aus einem fremden Distrikt wählen; auch ist nichts dagegen einzuwenden, wenn sie die beiden ständigen Taxatoren des Fleckens, Micheels und Fölster, heranziehen. Doch ist dann ein dritter zu wählen, weil beide Genannten zu den Geschädigten zählen und niemand sein eigener Taxator sein soll.

11.    Anno 1832 am 15. Februar wurde die Regelung hinsichtlich der Landabgabe für Wärterhäuser an der Chaussee getroffen. Der Bau dieser Häuser soll baldtunlichst durchgeführt werden.

12.    »Wenn die Königl. Chausseebau-Direktion mit Beziehung auf ein Schreiben der Königl. Höchstpreislichen Schl.-Holst.-Lauenburgischen Kanzlei vom 20. d. M. beim Segeberger Amthause einen Befehl gegen die Bramstedter Fleckenskommüne auf Anlieferung der noch übernommenen Verpflichtung vom 3.12. 1829 zu überliefernden 6000 Fuder impetriert hat, so wird den Fleckensvorstehern hierdurch der Befehl erteilt, nach näherer Anweisung des Herrn Kondukteurs von Möller gedachte 6000 Fuder nunmehr bey Vermeidung unangenehmer Folgen zu dem Bau der Bramstedter Brücken unweigerlich anzuliefern, und daß solches geschehen, zu seiner Zeit durch Vorlegen der Quittung nachzuweisen.«

Gegeben 29. März 1832.

13.    Am 12. April 1832 kündet Stoppel, Altona, daß er am 13ten morgens um 9 Uhr im Posthause zu erscheinen gedenkt, um diejenigen Bramstedter zu entschädigen, die durch den Chausseebau Schaden an Feldfrüchten erlitten haben. Die Berechtigten - der Schreiber verzeichnet derer 14 - sind rechtzeitig zu beordern.

14.    Ein Beschwerdeschreiben, dessen Urheber anscheinend gute Beziehung zum Pastorat hatte.

»Premier Leutnant von Möller, Kondukteur beim Chausseebau zu Wiemersdorf, hat uns eröffnet, daß beim Chausseebau ein Teil im hiesigen Flecken, ungefähr von der Kirche bis nach dem Neumünsterschen Wege hinaus nicht gepflastert, hingegen dort nur die Chaussee gelegt werden soll. Unserer Meinung nach besagt die Bekanntmachung vom 28. Oktober 1829, daß im Flecken, wodurch die Chaussee führt, gepflastert werden soll. Wenn es überdies für die hiesigen Eingesessenen und hauptsächlich für Schlachter, Bäcker, Färber, höchst nachteilig ist, wenn ihren Häusern vorbei eine Chaussee gemacht wird, indem der Staub bei trockenem Wetter so stark sein wird, daß er in die Häuser eindringen wird. Der Herr Amtmann möge veranlassen, daß die Pflasterung ganz durch den Flecken geführt werde«.

Das Amthaus antwortet, daß es nicht zuständig sei, das Schreiben aber weitergeleitet habe an die Kgl. Chausseebau-Direktion. Auch der Gedanke, neben der Beecker Brücke wieder eine Wasserdurchfahrt und

 

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Viehtränke zu schaffen, ist aufgetaucht und hat guten Anklang gefunden. Ober-Wegeinspektor von Warnstedt erscheint im Flecken und hält darüber gründliche Aussprache mit Jochim Hinrich Fuhlendorf, Jasper Wilckens und Gastwirt Schröder. Nach manchem Für und Wider erklärt der wohlgesinnte Oberinspektor: »daß die Bau-Direktion unter Erfüllung vorgenannter Zusagen und nach eingegangener Genehmigung der Höchstpreislichen Schl.-Holst.-Lauenburger Canzlei auf die vorgeschlagene Weise die erbetene Tränke an der neuen Beecker Brücke ohne weitere Unkosten für den Flecken Bramstedt ausführen lassen wolle.« So geschehen am 21. Mai 1832.

Am 20. Juli geht von hoher Stelle die Genehmigung ein, jedoch mit der Mahnung an die drei Impetranten, die eingegangenen Verpflichtungen pünktlich und voll zu erfüllen, damit jeder Verzug des Straßenbaus unterbleibe.

Die Anfrage oder das Gesuch wegen vollständiger Pflasterung innerhalb des Fleckens kommt erst im Oktober wieder zur Verhandlung. Hohe Kanzlei stellt fest, daß ein rechtlicher Anspruch in diesem Falle dem Flecken nicht zustehe. Es wird eine Erklärung innerhalb 10 Tage erwartet, »ob der Flecken geneigt sey, die Kostendifferenz zwischen der Makadamisierung und der Pflasterung der bezeichneten Wegestrecke, sei es durch Barzahlung oder durch Leistung und Lieferung, übernehmen wolle.« Das Amthaus fügt hinzu, daß die erforderliche Ausgleichsumme mit 1570 Reichstalern 26 Schilling berechnet worden sei.

Die Bramstedter haben sich vergewissern wollen, welcher Art die Leistungen und Lieferungen sein würden, durch welche sie die Genehmigung erlangen könnten. Das Amthaus antwortet am 3.12.1832, wie folgt:

1.   Durch Anlieferung von 168 Kubikfaden (1 Faden = 6 Fuß lang, 6 Fuß hoch, 2 Fuß tief) roher Steine, von der Art, daß daraus kontraktlich bedungene Pflastersteine für 45 Längenruten (je 16 Fuß) geschlagen werden können; zu liefern bis Ende dieses Jahres anzuschlagen zu 1344 Reichstalern.

2.   Durch Anlieferung von 56½ Pott (Pott = kubischer Haufen von 16 x 16 x 4 Fuß) Sand, wovon wenigstens die Hälfte scharfer Brücksand sein müßte; zu veranschlagen mit 266 Reichstalern.

Würde sich Bramstedt hierfür entschließen, so müßte noch eine billige Entschädigung hinzukommen, weil für die Makadamisierung bewußter Strecke bereits bestellten Steine nicht mehr verwertet werden könnten hier am Orte; die nötig werdende Abfindung des Lieferanten ist nicht wohl hier abzuschätzen; die Bauinspektion vermutet, der Lieferant werde anständig handeln.

Im übrigen wird zu rascher Entscheidung gedrängt.

Anno 1833 am 9. Januar kann Amtmann Rosen darauf hinweisen, daß die Chaussee, soweit es sich um Dorfmarken handelt, vollendet ist, bis auf die Strecke im Wiemersdorfer Moor. Der Kirchspielvogt hat die Landlieger anzuhalten, daß sie die nötig gewordenen Befriedigungen und neuen Abzugsgräben ohne Verzug und genau nach Vorschrift zustande bringen.

Der große Tag, an dem in Anwesenheit des dänischen Königs die Vollendung des großen Werkes gefeiert werden konnte, war nahe gerückt. Ein schriftlicher

 

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Bericht über diese Feier ist nicht zur Hand. Doch hat sich die Mär erhalten, daß der Landesvater unter Hinweis auf das Geländer der Friedrichsbrücke zu seiner Umgebung geäußert habe: Die Brücke sei ja wohl aus Silber gebaut. Wir haben darin eine Andeutung auf die hohen Kosten des Werkes zu erkennen. - Groß war die Zahl der Gäste. Unter ihnen war auch N.F. Paustian, der spätere Besitzer der Wassermühle und des Gutes Bramstedt. Als 10jähriger Knabe war er aus Campen im Kirchspiel Kaltenkirchen herübergekommen, um den König zu sehen. Dieser kampierte in einem Zelte, das man auf der Wiese nahe der Brücke aufgeschlagen hatte. Erst nach langer Mühe gelang es N. F. P., des Königs ansichtig zu werden. Und das Ergebnis war eine große Enttäuschung. »Denn«, so erzählte der Neunzigjährige gern, »ich habe doch gedacht, daß ein König ganz anders aussehen müsse als andere Menschen«.

Nachtrag. Die Chronik hat noch nachzutragen ein Verzeichnis der Beiträge, welche außer den genannten Leistungen des Fleckens das Kirchspiel freiwillig zur Förderung des Chausseebaus hergegeben hat.

1.  Bimöhlen, 20.12.1829.

»Die Dorfschaft: erbietet sich, fünfzig Fuder Steine zum anbau der anzulegenden Chaussee unentgeldlich zu liefern, mit der Bedingung, an einem Orte abzuliefern, welcher Bemöhlen am nächsten sein wirdt.« Namens der Dorfschaft

Hinrich Schäfer, Bauernvogt, und noch 9 weitere.

2.  Bramstedt schließt sich an mit mächtigem Schwung: 112 Spender zeichnen freiwillig rund 840 Mark, allen voran Postmeister Frauen 200 Mark; auch kleinste Beträge werden geboten: 4 mal 8 Schilling, und Hans Göttsche, Christoffer Dehn und Johann Rohlfs haben mit je 4 Schilling nicht unwürdig den Reigen geschlossen; dazu eine erhebliche Anzahl von Landangeboten: von 28 solchen Fällen bieten 19 die kostenlose Hergabe an, 9 setzen eine bestimmte Vergütung, und nur 2 verlangen, »was die hohe Kommission taxiert«.

Das ist geschehen »mit Rücksicht darauf, daß im Amte Neumünster die Schaden leidenden befriedigt werden«. Diese Nachricht klingt fast sagenhaft, liegt aber unantastbar vor.

3.  Fuhlendorf schließt sich mit 20 Fuhren für jeden der 10 Hufner, also mit 200 Fuhren insgesamt, an, zu liefern an die »Fuhlendorfer Lini«.

Bauernvogt Jasper Runge.

4.  Hagen übernimmt 110 Fuder, an die »Fuhlendorfer Liene« zu liefern.

Bauernvogt Claus Möller.

5.  Armstedt ist mit 132 Fudern einzuspringen bereit, Ort wie bei 4.

Hans Schümann, königl. Bauernvogt

Hinrich Siemen (Siemens), klösterl. Bauernvogt.

6Hasenkrog hilft mit 20 Fudern aus; an die »Fullendorfer Schoselineen«.

Bauernvogt Jürgen Fehrs.

7.  Hitzhusen greift ein mit 50 Fudern, Abladestelle möglichst nahe dem Orte.

Dorfvertreter Hinr. Voß, Jasper Harbeck, H. Lindemann.

 

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8.  Weddelbrook beteiligt sich mit 206 Fudern; Bedingung: Linie Bramstedt.

Bauernvogt Marx Wolters.

9.  Wiemersdorf, das größte Dorf im Kirchspiel, will mit 637 Fudern auf eigener Feldmark dienen. An der Spitze steht Claus Schümann, der wohl auch der Bauernvogt war.

Es ist somit die erfreuliche Tatsache festzustellen, daß die Ortschaften des Kirchspiels in einheitlicher Geschlossenheit dem so wichtigen Werke ihre Kraft gewidmet haben. Und der erhoffte Segen ist nicht ausgeblieben, wenn auch der Bramstedter Landweg sich hat begnügen müssen mit der unerwünschten Makadamisierung1).

 

Chaussee- und Brückengeld

 

Den Gedanken, die Zinsen für das Anlagekapital und die Kosten für die Instandhaltung wichtiger Verkehrsmittel ganz oder doch teilweise zu decken durch Erhebung einer Nutzungsgebühr, hat man ehemals als etwas Selbstverständliches auch in unserem Kirchspiel betätigt. Drei Beispiele dieser Art sind nachzuweisen, und sie sollen nicht verschwiegen werden.

Die Höhe der Gebühren wurde durch die Obrigkeit bestimmt. Die alte Fleckenslade birgt ein königl. Patent vom 19. Januar 1844, das für die Altona-Kieler Chaussee folgenden Gebühren-Schragen nachweist.

1.  Fuhrwerke für Reisende, auch für Schlitten gültig:

wenn einspännig, für jede Meile ........................................................ 1 Schilling Kurant

wenn zweispännig ................................................................................ 3 Schilling Kurant

wenn dreispännig.................................................................................. 4 Schilling Kurant

wenn vierspännig.................................................................................. 5 Schilling Kurant

für jedes weitere Zugtier mehr............................................................. 1 Schilling Kurant

2.  Landfuhrwerke:

für jedes Zugtier................................................................................     1 Schilling Kurant

3.  Lastfuhrwerke:

wenn unbeladen wie unter 2.

wenn mit mehr als 2 Zentner beladen wie unter 1.

4.    Ein Reiter.......................................................................................     1 Schilling Kurant

5.    Ein Pferd oder Maultier...............................................................     1 Schilling Kurant

6.    Ein Rindvieh oder Esel   .............................................................   ¼ Schilling Kurant

7.    Füllen, Kälber, Schweine, Ziegen und Lämmer in Grup-

pen von 3-5 Stück..............................................................................   ¼ Schilling Kurant

Für die Gruppen von 1-3 wurde das Doppelte bezahlt, wenn in den Felgen hervorstehende Nägel waren, aber ausgenommen, wenn Glatteis die Veranlassung war.

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1) Dies Wort ist hergeleitet von dem Erfinder der hier zur Frage stehenden Chaussierung der Wege; sein Name Mac Adam ist die Wurzel.

 

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Im Abstand von je einer Meile, in unserm Falle in der Fuhlendorfer Feldmark, hatte die Chausseeverwaltung eine »Baumkate« errichtet, wo die Gebühr zu zahlen war. »Baumkate« genannt, weil dort der Schlagbaum seinen Platz hatte, der je nach Bedarf den Verkehr sperrte oder freigab. Der Posten des Einnehmers scheint regelmäßig einem Pächter übergeben worden zu sein, von dem ja auch zu erwarten war, daß er mindestens ebenso aufmerksam wie ein entlohnter Beamter die Zahlpflichtigen im Auge halten würde. Für 1855 wird gemeldet: »Die Hebestelle Nr. 7 zu Fuhlendorf ist auf 5 Jahre an Kreutz aus Bramstedt verpachtet worden. Soll vereidigt werden!« Aus 1861: »Die Chausseegeld-Hebung zu Brokenlande ist für die Zeit vom 1. April d. J. bis dahin 1866 an Bosselmann aus Bramstedt verpachtet worden; soll noch vereidigt werden.« - Der Oberwegebeamte bemerkt dazu, daß der in Lentföhrden tätige Wärter Maak bisher nur durch Handschlag verpflichtet, also auch noch zu vereidigen sei. Die gleiche Quelle berichtet von zwei weiteren Hebestellen, deren Tarif, ebenfalls amtlich festgesetzt, aus 1842 stammt. In Hitzhusen gab es ebenfalls eine Baumkate, wo für jedes passierende Pferd oder Rindvieh ½ Schilling zu opfern war, ferner in Föhrden-Barl, wo der halbe Schilling lediglich für das Pferd zu zahlen war.

Im übrigen waren die Bewohner von Gut Bramstedt, Hitzhusen und Barl von dieser Abgabe frei. In beiden Fällen wird es sich um das Brückengeld gehandelt haben; denn zu erwähnter Zeit war in berührten Orten keineswegs eine Chaussee vorhanden. In F.-B. ist eine uralte Fähre gewesen; die Bewohner der an der Furt gelegenen Hufenstelle haben sie bedient, und durch lange Zeit hat eine Familie Harbeck diesen Dienst geleistet.

 

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XVIII. SEUCHEN BEI MENSCH UND VIEH

 

Schutz gegen ansteckende Krankheit

(Aufruf des Amtes, verkündet am 31. Juli 1712 durch Pastor Kriegbaum von der Kanzel zu Bramstedt)

 

Nachdem von Amtswegen für nötig befunden worden, wegen der in der Nachbarschafft leyder sich hervorthuenden ansteckenden Krankheiten die vormahligen Wachten an den Päßen und in den Dörfern von nedem auszustellen; So wird hiemit allen und jeden Unterthanen des Ambtes Segeberg bey schwerer Straffe anbefohlen, solche Wachten mit erwachßenen Tüchtigen und bewehrten, jeder in seine Ordnung, zu versehen, welche die Schlagbäume an den Passagen Tag und Nacht wohl beschloßen halten und dabey ohne einiges (irgendein) Ansehen der Persohnen auf das allergenaueste observieren und in acht nehmen sollen, daß sie

1.    durchaus keine Bettler und frembde Armen oder unberufende Ledig-Gänger, sie haben Passeporten (Passagierscheine) oder nicht, und kommen her, woher sie immer wollen, durch und in des Ambtes Gränzen lassen sollen.

2.    Auch Selbsten die in hiesigem Ambte befindliche ümbgehende Armen nicht aus einem Dorffe ins andere gehen laßen sollen; Aldieweil jedes Dorf seine eigene Armen zu versorgen hatt, auch, da es solches nicht vermöchte, anstalt gemachet werden soll, daß andere wohlhabende Dörffer ihnen mit einer Beysteuer zu Hülffe kommen.

3.    Sollen die Wachthabende ganz und gar niemanden durchlassen, der von solchen Öhrtern kommen wird, welche auf Königl. befehl eingesperrt sind oder künftig eingesperrt werden möchten, sie mögen Gesundheits-Paßporten haben oder nicht.

4.    Alle andere, welche von eingesperrten Öhrtern in- oder außerhalb Königl. Landes kommen, sollen weder für ihre Persohn, noch deren Wahren durch hiesigen Ambtes Gränze gelassen werden, es sey dan, daß sie einen richtigen gesundheits-Paß von dem Magistrat, von wannen sie erst kommen, der allenthalben, wo sie passiret, von den Beambten untergeschrieben seye und Attestation in sich halte, daß sie in vier Wochen in keinem der ansteckenden Seuche halber verdächtigen ohrte gewesen, fürzuzeigen haben. Welchen Passeport die Wachthaltende allemahl erstlich an den Beambten des Nächsten Ohrtes, oder wer sonsten zu examination der Päße wird bestellet werden, senden und examiniren lassen sollen, ehe und bevor sie die Persohnen oder Wahren durch den Baum laßen.

 

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Seuchen

 

Schafpocken: Diese Seuche hat von 1826-1828 in Holstein grassiert und auch unsern Bezirk heimgesucht, besonders stark die Ortschaften Bimöhlen, Hardebeck und Hasenmoor. Es ergingen sehr strenge Vorschriften, um die Ausbreitung zu verhindern. Bei den erkrankten Tieren wurde eine Impfung vorgenommen, deren Art beschrieben wird, wie folgt: »Die unter dem Schweif liegende unbehaarte Stelle, drei Finger breit, ist für die Impfung am besten geeignet. Nach 6 Tagen ist nachzusehen, ob die Impfung geholfen hat; wenn nicht, ist sie zu wiederholen.« Über die Höhe des Schadens verlautet nichts.

Cholera 1831-1833: Im Juli 1831 wird ein Ausschuß von Gesundheitsaufsehern im Flecken gewählt; der Kirchspielvogt und der Arzt Dr. Mestorff sowie die Fleckensvorsteher Reimers und Wickhorst sind die führenden Männer. Die Fleckensbewohner werden zu strenger Sauberkeit in Haus und Hof aufgerufen; frische Luft in den Zimmern und peinlichst saubere Bereitung der Speisen wird dringend empfohlen; die Brauer, Brenner, Schlachter, Korn- und Mehlhändler werden aufs ernsteste ermahnt, nur gute Ware zu liefern. - In öffentlicher Ansprache an die Bürger wird das begründet.

Eine im nächsten Monat durchgeführte Revision ist nicht befriedigend; eine betrüblich lange Reihe von Bürgern muß veranlaßt werden, für besseren Ablaß des Wassers vom Gehöft, für Erneuerung des Bettstrohs und für Entfernung der Mistberge zu sorgen. Der Armenpfleger soll in besonderem Maße für seine Schützlinge sich einsetzen.

Amtmann von Rosen will eine allgemeine Absperrung der Ortschaften nicht veranlassen; hält aber eine Gemeinde dies an ihrem Falle nötig, so hat sie ihm davon Mitteilung zu machen.

Der Flecken war der Aufsicht wegen in vier Bezirke eingeteilt. Ein Hospital wurde eingerichtet und unter Aufsicht von Johann Stiller und Johann Schmidt gestellt. Wollene Decken und »Lief bände« wurden an die Armen verteilt, desgleichen Binden, dicke und dünne, große und kleine, in erheblicher Zahl geschenkt. Es wird sich mehr um Abwehr als um Bekämpfung bereits hier am Orte ausgebrochener Seuche gehandelt haben. Denn es wird keine Zahl von Erkrankten genannt, und die zwei Jahre später folgende Kostenrechnung verlangt 223 Mark 9 Schilling 2 Pfennig für »Milderung der Cholera 1831«. In diesem Falle waren Flecken und Gut in vollem Maße einheitlich verpflichtete Schuldner. Zahlungseinheit war 2 Mark 5 Schilling 2 Pfennig.

 

Von Maul- und Klauenseuche

 

Das Bramstedter Fleckensbuch meldet: »Anno 1746 ist die Vieh-Zeuch hier gewesen und Seynd gestorben 217 Stück, Seynd an Wert 1337 Reichstaler 40 Schilling!« Ein Nachfahr hat ausgerechnet, daß im Durchschnitt für jedes

 

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gefallene Tier in heutiger Währung 22½ RM eingesetzt worden sind. Was der Verlust für die Bramstedter bedeutet hat, erkennt man leicht, wenn man erfahrt, daß auf jede Drittelhufe ein Durchschnittsverlust von 3¼ Stück entfiel, was etwa die Hälfte des derzeitigen Viehbestandes ausmacht. Auch heute ist die Maul- und Klauenseuche ein sehr ernst zu nehmender Störenfried für die landwirtschaftlichen Betriebe unserer Heimat. So glaubt der Chronist, hier aufweisen zu sollen, wie man in jenen Tagen sich bemüht hat, jener Seuche nach besten Kräften entgegenwirken zu können. Ein glücklicher Zufall ermöglicht es ihm, zu schöpfen aus dem Original der Verordnung, die Christian VII. im Jahre 1776 erlassen hat, um besagtem Feinde ein Halt zu gebieten.

Im Einvernehmen mit dem p.t. Statthalter der Herzogtümer, dem freundlich lieben Vetter und Schwager, dem Landgrafen und Prinzen Herrn Carl von Hessen-Kassel wird verkündet, was folgt.

1.    Sobald nach einer glaubwürdigen Nachricht in einem an die Herzogtümer grenzenden Bezirk die Viehseuche ausgebrochen ist, sollen die Grenzbeamten, auch Zollbeamten, ohne Verzug kein Stück Vieh aus dem gedachten Bezirk (Provinz) zu Lande oder zu Wasser mehr passieren lassen, auch nicht, wenn ein obrigkeitlicher Paß vorgezeigt wird; ebenso wenig dürfen rohe Vieh-Häute oder Kalbfälle, geschmolzener Talg, Kuh-Haare oder Rauch-Futter an Heu und Stroh durchgelassen werden.

2.    Ernstliche   Strafen werden  der  Unterlassung  angekündigter  Handhabung folgen. - Wird dennoch heimlich Vieh eingebracht, so ist dies sofort zu töten und zu vergraben. Auch sollen aus solcher Provinz unbekannte Personen ohne Paß nicht ins Land gelassen werden; Viehhändler oder Treiber überhaupt nicht; desgleichen Tabuletkrämer und Bettler und Landstreicher nicht im Lande geduldet werden, sondern sind nötigenfalls mit Gewalt zurückzutreiben. Zu diesem Zweck sind Posten auszustellen. - Kein Viehhändler darf den verseuchten Bezirk betreten; dorthin bestimmtes Vieh ist an der Grenze von Auswärtigen in Empfang zu nehmen.

3.    Die gegebenen Vorschriften gelten auch zwischen den beiden Herzogtümern, sobald die entsprechende Lage sich einstellen sollte. Es ist selbstverständlich, daß die Grenzbeamten baldmöglich an die Obrigkeit weiter zu melden haben.

4.    Wenn die Seuche in einem Dorfe festgestellt worden ist, hat jede gefährliche Kommunikation mit demselben aufzuhören. Um solche zu verhüten, genügt es nicht, etwa eine lange Stange mit Flagge oder ähnlichen Zeichen auf den Wegen aufzustellen, sondern eine hinlängliche Postierung hat für wirkliche Sperrung zu sorgen. Wachen von den umliegenden »gesunden Orten« sollen den Einwohnern des verseuchten Dorfes dasjenige »in einiger Entfernung« zubringen, was sie vonnöten haben möchten. Land- und Nebenstraßen, die zum infizierten Orte führen, sind alsbald zu meiden und durch Nutzung von Umwegen zu ersetzen. Viehhändler oder Treiber, »umschweifende Tabulet-Träger, Bettler und Landläufer haben die angesteckte Gegend gänzlich zu meiden, bei Androhung schwerer Strafen«; denn dergleichen Leute haben oftmals das Gift der Seuche durch ihre

 

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Kleidungsstücke verbreitet. Wenn sonst ein Reisender durchaus genötigt ist, den Weg durch den »angesteckten Ort« zu nehmen, so darf er weder ein Haus daselbst betreten, noch seine Pferde in einen Stall ziehen lassen.

Im Dorf wird das verseuchte Haus nicht mit Mannschaft besetzt, sondern die Eingesessenen sollen nach Möglichkeit ihr Vieh in »etwas entfernte« Hütten bringen und von Leuten aus dem Orte, die beständig bei dem Vieh und abgesondert von den Dorfsleuten zu bleiben haben, die Tiere warten und pflegen lassen. Die Dorfleute sollen gedachtes Haus tunlichst umgehen und den Bewohnern den Eintritt in ihre Häuser oder gar in ihre Ställe nicht gestatten.

5.   Mit Ausbruch der Seuche hört der Handel mit Hornvieh und den unter 1 bereits genannten Zubehörteilen in und mit dem betreffenden Kirchspiel auf. Ausnahmen sind möglich, wenn ein obrigkeitliches Attest vorgezeigt wird, »daß in dem Kirchspiele, aus welchem dasselbe ausgeführt ist, wie auch in den unmittelbar anstoßenden Kirchspielen nicht die geringste Anzeige (Anzeichen) von der Seuche zu spüren sei, und daß der Eigentümer oder Versender mit einem körperlichen Eide erhärtet habe, daß es aus keinem, der Seuche wegen verdächtigen Bezirke komme, und daß besonders das Hornvieh völlig gesund und keine Spur von Krankheit an demselben wahrzunehmen sei.«

Wer öffentlich oder heimlich, des billigen Preises wegen gegen dieses Verbot handelt, hat Bestrafung mit Karrendienst oder Zuchthaus zu gewärtigen; wer sich dabei falscher Papiere bedient oder sich des Meineides bedient, wird mit Festungsarbeit auf Lebenszeit bestraft.

6.    Viehmärkte dürfen, auch wenn die Seuche nur in einem Herzogtum auftritt, in beiden Herzogtümern nicht stattfinden, es sei denn von der Obrigkeit die besondere Erlaubnis erteilt worden.

7.    Ist nach amtlicher Feststellung in einem Stalle die Seuche ausgebrochen, so ist das dort vorhandene Hornvieh, nachdem es auf einer Liste verzeichnet worden, von zwei vereidigten Taxatoren unter Beobachtung eines billigen Unterschiedes zwischen wirklich erkrankten und scheinbar noch gesunden Tieren zu bewerten.

Gleich danach soll es in Gegenwart des zuständigen Beamten erschlagen und nebst etwa schon umgefallenen Stücken mit Haut und Haar, ohne etwas herauszunehmen, mit dem Mist und Blut vergraben werden an abgelegenem Ort in ungelöschtem Kalk; es sollen drei Fuß Erde darüber liegen.

8.    Der Wert des so erschlagenen und verscharrten Viehes wird nebst den dabei entstehenden Kosten aus der königlichen Kasse ohne Anstand vergütet werden.

9.    Wer das Eintreten der Seuche in seinem Stalle nicht ohne Verzug meldet, hat Bestrafung zu erwarten; auch verliert er das Anrecht auf eben erwähnte Vergütung.

10. Landleuten, die 30 oder mehr Stück Vieh im Stalle haben, wird dringend empfohlen, diesen Bestand auf zwei oder mehr Ställe zu verteilen, um so vielleicht die Zahl der Tötungen niedriger zu halten.

11. Das Totschlagen in gemeldetem Ausmaß findet nicht statt, wenn der Eintritt der Seuche nicht im Stalle, sondern auf der Weide sich bekundet. In diesem Falle

 

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werden nur die wirklich erkrankten Tiere getötet und vergütet; die übrigen werden auf eine andere Weide getrieben und ferngehalten von der allgemeinen Tränkstelle.

12.     Das Erschlagen ist einzustellen, wenn offenbar wird, daß damit die Ausbreitung der Krankheit nicht behindert oder erreicht werden kann.

13.     Das Ausstellen der Wachen ist durchzuführen, bis die Regierung es aufhebt. Die Handelsbeschränkungen bleiben dabei in aller Schärfe bestehen.

14.     Während der gesamten Dauer der Seuche, also auch nach dem Aufhören der Tötung, sind folgende Vorschriften sorgfältig zu beachten:

a)   Beim Eintritt der Seuche in einem Dorfe wird unter Aufsicht des Bauervogts die gemeinschaftliche Tränke eingestellt und dem Vieh das Wasser in den Häusern zugebracht; die Katzen und die überflüssigen Hunde werden getötet, die Haushunde an die Kette gelegt, die Schweine in den Koben gehalten oder wenigstens so, daß sie weder in verseuchte Ställe und zu den Miststätten daselbst, noch an Örter, wo verrecktes Vieh eingescharret lieget, kommen können, gehütet, und dem einzuschließenden Federvieh müssen die Flügel beschnitten werden.

b)  Auch auf den nächsten Dörfern dürfen Hunde und Schweine nicht ohne Aufsicht gelassen werden, und wo solches dennoch geschieht, sind die Tiere sogleich niederzuschießen und wohl zu verscharren und die Eigentümer mit 4 Reichstalern oder vier Tage Gefängnis zu bestrafen; doch geschieht dies nicht bei Jagdhunden, sofern sie auf der Jagd gebraucht werden.

c)   In gedachtem Bezirk ist den Abdeckern das Herumreiten mit ihren Hunden nicht gestattet, sondern unter Strafe gestellt wie unter b.

d)  Genesenes Vieh ist vor Ablauf von 40 Tagen nicht herauszulassen, da sonst ihre Blattern und die Feuchtigkeit der Naslöcher die Weide anstecken könnten.

e)   Die zur Wartung des kranken Viehes oder zum Erschlagen desselben gebrauchten Leute sollen an dem Orte wohnhaft sein und diesen ohne Erlaubnis der Obrigkeit bei unerbittlicher Zuchthausstrafe nicht verlassen; das gilt auch für die Hüter und Wärter von Vieh, das außerhalb des Dorfes in Hütten untergebracht ist: sie haben in der Hütte zu übernachten.

f)    Die eben genannten Leute müssen, ehe sie wieder zu andern Leuten oder zu gesundem Vieh kommen, sich und ihre Kleider mit Essig oder Seifenwasser waschen und mit Wacholderbeeren, Wermut, Sadelbaum und dergleichen wohl ausräuchern und die Kleidung baldmöglich »verwechseln«.

g)  Müßiggänger sind in »die angesteckten Häuser, Ställe, Hütten, Scheunen u.s.w., wo krankes Vieh untergebracht ist, nicht einzulassen.«

h) Die Ställe, wo erkranktes Vieh gestanden hat, sind sorgfältig zu reinigen, die Mauern mit Kalk zu bewerfen, Holzwerk, Eimer, Schaufeln und alles Stallgerät mit scharfer Lauge zu scheuern. Pflasterung oder Bretterböden sind nebst einem Fuß Erde herauszunehmen, die Steine zu waschen, die Bretter mit Lauge abzureiben, die Erde fortzubringen an einen Abort und durch frische zu ersetzen. Die Türen und nötigen Falles einige gemachte Öffnungen sollen dem Durchstreichen der frischen Luft dienen, damit gefährliche Ausdünstungen sich zer-

 

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teilen können. Der ganze Stall ist von Zeit zu Zeit mit starkriechenden Sachen, als Knoblauch, Teufelsdreck, Hunde- oder Katzenhaar, Pferdehuf, Schwefel, frischem Teer, fleißig auszuräuchern.

i) Sobald ein verseuchter Stall ledig ist, muß der vor dem Hause und in demselben liegende Mist an einen »genugsam entfernteren Ort, wohin kein Vieh kommt, gefahren und Mistgrube oder Stelle wohl gereiniget werden.« k) Vor Ablauf von zwei Monaten nach Erlöschen der Seuche darf das in dem infizierten Gebäude lagernde Rauchfutter (Heu und Stroh) nicht anders als an solches Vieh verfüttert werden, das die Krankheit überstanden hat. 1) Ist das über einem infiziert gewesenen Stalle lagernde Stroh oder Heu fortgeschafft, so ist der Boden nach Anleitung der unter h) gegebenen Vorschrift gründlich zu reinigen.

15.     Solange das Erschlagen andauert, soll in dem betroffenen Kirchspiel und den angrenzenden Bezirken die Abdeckerei unterbleiben; das Hornvieh ist mit dem Fell zu vergraben. Nach Ablauf dieser Frist ist die Abhäutung zulässig, um den Schaden der Besitzer zu mäßigen. Doch soll das in Anwesenheit von zwei zuverlässigen Personen geschehen und unter Beobachtung folgender Vorschriften: Abhäutung innerhalb 24 Stunden; Schwanz, Hörner, Klauen werden abgenommen und mit verscharrt; die Haut wird gründlich von Blut und Wuste gereinigt und dann in Kalk gelegt; nach 14 Tagen wird sie herausgenommen und vollends vom Haar befreit; das Abgeschabte ist einzuscharren. Für die Ausfuhr ist Erlaubnisschein nötig (siehe unter 5).

16.     Was die Arznei-Mittel anlangt, die zur Wahrung des gesunden oder zur Wiederherstellung des angefallenen Viehes anzuwenden sein möchten, so »überlassen Wir dieses billig eines jeden Wahl und Gutbefinden.« Von den Physici wird erwartet, »daß sie in solchen, die Wohlfahrt des Landmannes so nahe angehenden Fällen gerne das ihrige beytragen werden zur Förderung des gemeinen Bestens.«

17.     Im letzten Paragraphen ordnet der Landesherr an, daß, um künftig dem »Betrug und Unterschleif« im Handel mit angeblich durch die Seuche gekommenen Vieh zu wehren, von nun an sämtliche Rinder, die diese Krankheit über standen haben, mit eingebranntem Kennzeichen zu versehen sind. Jeder Besitzer erscheint mit zwei Nachbarn oder Hausgenossen vor dem Offizialen seines Ortes, in unserem Falle also beim Kirchspielvogt, und gibt Auskunft über das ihm gehörige Vieh bezeichneter Art; Alter, Geschlecht, Farbe und Abzeichen werden zu Protokoll genommen, und dann wird das Merkmal eingebrannt. Dieses trägt immer die ersten beiden Buchstaben vom Namen des Kirchortes und die letzten beiden Ziffern des jeweils laufenden Jahres, zum Beispiel Br. 43. Die Angaben des Besitzers gelten als eidliche Aussage, und falsche Aussage wurde demnach bestraft wie Meineid. - Der Ofiziale war berechtigt, sämtliches durch die Seuche gebrachte Vieh eines Dorfes auf einmal zu bestimmter Zeit sich vorführen zu lassen, um gedachtes Verfahren ein wenig zu beschleunigen.

Am Schlusse ermahnt der König alle Beamten, die es angeht, in der so ernsten Angelegenheit nichts zu versäumen. »Ein jeder hierbei nachlässig verfahrender

 

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Bedienter soll seine Sorglosigkeit schwer zu büßen haben und, wenn irgend eine schädliche Folgerung daraus entstanden ist, nach fiskalischer Untersuchung seines Amtes entsetzet werden.«

Wir aber ahnen erst jetzt, welches schwere Unheil die eingangs gemeldeten Verlustziffern nicht nur für den Flecken, sondern auch für die Kirchspielsdörfer bedeutet haben, und erkennen zugleich, mit welchem Nachdruck man sich bemüht hat, dem Übel Einhalt zu tun.

 

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XIX.  GEMEINNÜTZIGE EINRICHTUNGEN

 

Der Gedanke, durch freiwilligen Zusammenschluß vieler einer vorhandenen oder künftigen Gefahr zu begegnen oder, doch ihre Wirkung für den einzelnen abzuschwächen, ist nicht so neu, wie man wohl denken möchte. Die Zünfte, Innungen, Beliebungen, Gilden, Brüderschaften und andere, der Gemeinnützigkeit dienstbare Vereinigungen beschränkten ihren Wirkungsbereich zwar ursprünglich vielfach auf Angehörige eines Berufes oder einer Gemeinde; aber sie dienten doch dem, was wir heute Gemeinnutz nennen, auch dann, wenn die Veranstaltung von Festlichkeiten einen merklichen Teil ihrer Aufgaben bildete. Wenn heute dieses Gebiet menschlicher Betätigung in großem Umfang in den Händen des Staates liegt, nach innen wie nach außen erweitert, so liegt dies wesentlich darin begründet, daß die schnell wachsende Bewohnerzahl auf gleicher Fläche für alle wesentlich veränderte Lebensbedingungen geschaffen hat, so daß heute jeder mehr auf den andern angewiesen ist als je zuvor.

Auch in dieser Hinsicht hat Bramstedts Geschichte einiges aufzuweisen, was wert ist, festgehalten zu werden.

 

1. Die Pfannen- und Mobilien-Gilde

 

Am 21. Juni 1779 ist sie im Namen des Königs durch den Amtmann A. v. Schumacher genehmigt worden. Daß dieser als erstes Mitglied der Gilde sich eintragen ließ, beweist zugleich, welches Maß von Vertrauen den Gründern und ihrem Gedankenbau entgegengebracht wurde. Die Gilde soll ihren »Interessenten« im Falle einer von ihnen nicht verschuldeten Schädigung durch Feuersbrunst durch jeweilige Umlage entlasten, allerdings nur der Mobilien wegen. (Es war etwa 30 Jahre früher durch königliche Verordnung der Gebäude wegen eine Landes-Brandkasse gebildet worden.) Aufnahme stand nur denjenigen offen, deren Haus mit Pfannen gedeckt und mit Kalk wohl unterstrichen war; wo nicht, so doch mindestens auf drei Fach gestrichenen Boden (oder statt dessen einen eisernen Feuer-Stülper). Dazu mußten vorhanden sein: eiserne Tür vor dem Ofen, eine gute Leuchte, ein lederner Not-Eimer, ein langer Feuerhaken und eine lange Leiter. War dem Pfannendach noch Stroh untergelegt, so war die Mitgliedschaft ausgeschlossen. Ebenso, wenn

a)    im Flecken der Abstand vom Nachbarhause nicht mindestens gestattete, mit der Fleckens-Sprütze und dem Straßen-Küpen (Bottich) frei um das Haus zu fahren, oder

b)   bei Auswärtigen nicht mindestens 6 Ruten (= 28 m) Hausabstand vorhanden waren.

 

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Die Gilde beschränkte sich danach nicht auf den Flecken. Es ist erstaunlich, wie weitgreifend diese Schutzgemeinschaft wirkte. Das alte Gildenbuch weist Mitglieder nach in Altona, Bünzen, Beienfledt, Breitenberg, Barsfleth, Barmstedt, Bilsen, Clostersande, Elmshorn, Friedrichstadt, Heyligenstedten, Horst, Hohenfelde, Hohenwestedt, Hörnerkirchen, Großen Aspe, Itzehoe, Kellinghusen, Kaltenkirchen, Kaden, Nortorf, Neuenbrock, Neumünster, Neuenkirchen, Preetz, Quickborn, Reinfeld, Rostorf, Segeberg, Süderau, Ulzburg, Übern Stegen, Utersen, Wewelsfledt, Weddelbrock, Wedel.

Die Leitung der Gilde wurde anvertraut zwei Ältermännern, zwei Gildemeistern nebst einem Schreiber, alle aus dem Flecken zu wählen. Dazu acht Männer als Vertreter und Überwachende der Außenbezirke. Jährlich am Johannistag hatten sich die »Interessenten« morgens um 10 Uhr zum »Gildetag« einzufinden. Die Vorsteher hatten »allen Ernstes darauf zu halten, daß durch Anstellung eines anständigen Gebetes und Absingung eines Kirchenliedes zuerst dem allerhöchsten Gott die Ehre erwiesen werde.« Dann war die Satzung mit ihren vierzehn Articuln zu verlesen. Der Vorstand hatte danach in einem besonderen Zimmer die nötigen Geschäftsangelegenheiten zu ordnen, auch Streitfälle zu schlichten. In schwierigen oder wichtigen Sachen war die ganze Versammlung zuständig. Für anständiges Verhalten sollte Artikel 14 sorgen mit folgender Bestimmung:

»... Damit alle Unordnung, Zank und Streit verhütet werden möge, als welches in einer Versammlung von Christen sich nicht geziemete, so wird auch, um Muthwillen und Unart abzuhalten, festgesetzet, daß derjenige, so wider Vermuthen Lärm anfangen, die Trink-Geschirre umstoßen oder muthwillig mehr Bier verschütten würde, als er mit den Händen oder Füßen bedecken kann, der Gilde in eine Strafe von 4 Mark 8 Schilling verfallen sein.«

Es muß festgestellt werden, daß alle Vorsorge getroffen war, möglichen Mißbrauch der Versicherung zu verhindern. Zum Beispiel fand alle vier Jahre eine Schauung statt bei allen Versicherten, ob alles in Ordnung sei, natürlich gegen Gebühr.

Im Schadensfalle sollte, wenn nicht Bedenken vorlagen, innerhalb vier Wochen die Regelung erfolgen. Verständnis wird man auch gern aufbringen für die Art, wie hierbei der Schlußakt sich vollziehen soll: »Bei Einbringung des Gildegeldes ist der Schadhafte gehalten, den Ältersleuten, Gildemeistern, Schreiber und acht Männern ½ Tonne Bier, eine Kanne Brandwein, Pfeifen und Taback, überdem aber jedem der ersteren 1 Mark 8 Schilling, den Achtmännern aber 1 Mark zu geben; dafür sie denn verbunden sind, allemal, wenn die Gilde gehalten oder wenn das Schadegeld eingebracht wird, des Morgens um 9 Uhr bei Strafe von 4 Mark im Gildehaus zu erscheinen.«

Da Besagten sonst kein Entgelt für ihre mancherlei Mühen ausgesetzt war, so wird niemand in eben gemeldeter Vergünstigung einen Verstoß gegen das gute Verhalten eines Christenmenschen erblicken wollen. Jedenfalls hat sich diese Gilde als so gesund erwiesen, daß sie noch heute in wesentlich gleich gerichtetem Sinne wirkt.

 

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2. Bramstedter Vogel-Schützen-Gilde

 

Mit anderm Ziel, in anderem Gewande und in gesteigerter Lebhaftigkeit des Gebarens tritt diese Bruderschaft vor unser geistiges Auge und übermittelt eine Tradition aus dem Leben unserer Väter, die beanspruchen kann und muß, in der Ortschronik in einigermaßen umfassender Darstellung sichtbar zu werden. Denn neben der mannhaften Kunstübung, zu der die Gildebrüder sich verpflichteten, offenbart sich in der Gesamthaltung ihrer Satzung und ihrer Jahresfeiern ein so handfester und lebensfroher Humor, daß wir diesem Spiegel urwüchsiger Lebensbekundung in Bramstedt nichts Gleichwertiges an die Seite zu stellen haben. So soll diesem immer noch sprudelnden Jungbrunnen holsatischer Lebensbejahung hier nach Gebühr gehuldigt werden.

Nach Tradition soll die Vogel-Schützen-Gilde im Jahre 1695 gegründet worden sein, also in dem Jahre, wo sich der Flecken endgültig wieder von der Gutsobrigkeit abgelöst hat. Einen urkundlichen Nachweis habe ich nicht ermitteln können. Quelle der zu gebenden Nachrichten ist das Gildebuch mit der 1776 entworfenen und 1782 vom Amtmann von Schumacher bestätigten Satzung, deren in 28 Artikeln vorliegender Inhalt im wesentlichen folgendes besagt, allerdings etwas gesiebt durch Neufassung von 1830.

1.    Gilde wird abgehalten am Dienstag in der ersten vollen Woche nach Pfingsten, und zwar bei Gastwirt Hans Schröder (Holsteinisches Haus).

2.    Den Vorstand bilden zwei Älterleute, vier Vorsteher und ein Schreiber, der zugleich Rechnungsführer ist.

3.    Vierzehn Tage vor dem angesetzten Schießen versammelt sich der Vorstand um 2 Uhr nachmittags im Gildehause, um das Fest vorzubereiten; ebenso am Tage vor der Gilde, um den Vogel1) aufzurichten und das sonst Nötige zu besorgen. An diesem Abend haben Musikanten und Tambour sich einzufinden, um von 8 Uhr an etwa ½ Stunde lang Musik zu machen, wofür denselben zwei Bouteillen Wein gereicht werden. - Am Tag nach der »Gilde« ist Abrechnung, vormittags 10 Uhr, und Gewinnverteilung. Der gesamte Vorstand ist daran beteiligt. – Die Kosten für die Bewirtung an genannten drei Tagen dürfen 5 Reichstaler betragen, wofür der »Gildevater« (Gastwirt) liefert: Kaffee und Abendessen am 1. Tage, desgleichen am 2.; am 3. Tage aber Mittagessen (frische Suppe), Kaffee und Abendbrot.

4.    Beim Eintritt in die Gilde sind zu zahlen 16 Schilling, beim Austritt 24 Schilling Courant, dazu jedesmal 2 Schilling für den Schreiber.

5.    Am Gildetag haben die Mitglieder um 7 Uhr morgens im Gildehaus zu er-

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1) Auffällig ist, daß in der Satzung überhaupt nicht die Rede ist von Schießübungen, wie doch der Name andeuten möchte. Begründet ist wohl die Meinung, daß nach Ablauf des Dreißigjährigen Krieges zur Bekämpfung umherstreifender Banden an vielen Orten von waffenkundigen Männern derartige Gilden als wirkliche Schutzgemeinschaften gebildet worden sind, die eine Zeitlang auch regelmäßige Schießübungen pflegten, die dann mit dem Schwinden des ursprünglichen Zweckes sich verloren haben. Also Vogelgilden sind jedenfalls in deutschen Landen keine Seltenheit.

 

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scheinen; sie werden aufgerufen und die Lose (Reihenfolge beim Schießen) verteilt. Um 8 Uhr Ausmarsch in fester Ordnung; Beteiligung Pflicht bei Androhung von 4 Schilling Strafe. Vor dem eigentlichen Abmarsch holen der Vorstand und die vier Gewinner des letzten Jahres den vorjährigen König mit fliegender Fahne und voller Musik zum Gildehaus. Dieser hat niemand zu regalieren oder der Gesellschaft etwas vorzusetzen, als »was in den Schranken der Mäßigkeit ist«, auch bei dem Einmarsch vor dem Hause des Königs bei der Ausbringung des dreifachen Hurras nichts zu verabreichen (bei 12 Schilling Strafe). Jedoch steht es in seinem Willen, unter der Vogelstange, nachdem der letzte Schuß gefallen, nach Kräften und Belieben etwas zu offerieren.

6.    Beim Einmarsch darf niemand wegen Regen austreten (16 Schilling Strafe).

7.    Das Abschießen des Vogels geschieht in dieser Reihenfolge: Kopf, rechter Flügel, linker Flügel, Schwanz. König ist, durch dessen Schuß der Speer zwischen Stuhl und Splint gereinigt wird. Beim Schießen ist Vertretung durch einen andern Schützenbruder zugelassen, auch etwa durch den (nicht eingeschriebenen) Sohn, in diesem Falle aber nur wegen der ersten vier Gewinne. - Natürlich sind einige Vorschriften zur Verhütung von Unfällen gegeben.

8.    Die Gilde ist Besitzerin von vier kleinen messingnen Kanonen auf Lafetten mit allem Zubehör; sie werden mit feuchten Kuhhaaren und Pulver geladen und nur mit größter Vorsicht benutzt. - Die im Jahre 1830 erfolgte Anschaffung einer neuen Vogelstange verursachte eine Belastung der Gilde mit 150 Mark Courant.

Genehmigt 20. September 1830: von Rosen, Amtmann.

Vidi 2. Mai 1837: Hartz, Kirchspielvogt.

 

Einige Daten aus den weiteren Geschehnissen mögen folgen. 1832 werden erwähnte Kanonen dem Stifter zurückgegeben. 1834 wird bestimmt, daß Burschen, Gesellen, Gehülfen u.s.w. nur angenommen werden, wenn ihre Eltern eingeschrieben sind. 1872 wird die Zahl der Gewinne auf zehn erhöht. Die Bewirtung des Vorstandes und die Verpflichtung des Königs, bei seiner Abholung Kaffee und Gebäck zu geben, fallen weg.

Der Gilde werden geschenkt (1872):

Vom Kirchspielvogt Sievers: ein Dreimasterhut,

vom Kaufmann D. H. Wulff: ein Säbel,

vom Kaufmann Thrams: Epauletts.

Schützenfest 1884: Wattefabrikant Runge gibt seinen Hut dazu her, eine Kugel durchschießen zu lassen, aber mit der Bedingung, daß Ältermann Langhinrichs ihn dabei auf dem Kopf habe. Langhinrichs willigt ein. Ältermann Johann Fülscher legt seine Büchse an, und die Kugel geht 3 Zoll über dem Kopfe des Langhinrichs durch den Hut.

1885 werden auf der »Vogelstange« (Bezeichnung des Platzes, wo das Schützenfest stattfand) 32 Lindenbäume gepflanzt, geschenkt von der Bramstedter Spar- und Leihkasse.

1893: Bäckermeister Siems schenkt: 1 Dreimaster, 1 Federbusch, 1 Schärpe, 2 Epauletts.

 

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1895: 200jähriges Stiftungsfest; Hamburger Gildebrüder schenken silberne Säbelschärpe und 1 Portepee für den Hauptmann.

1910: Ein Anlieger beantragt, das Schießen auf der »Vogelstange« wegen Gefährdung zu verbieten. Am 20. Mai nachmittags 5 Uhr Sitzung mit dem Bürgermeister und dem Antragsteller Hans Rave zusammen. Ergebnis: Für diesmal noch erlaubt. Vorsichtsmaßregel: Die Stange soll etwas gedreht werden, und Herr Rave verpflichtet sich, am Festtage mit seiner Familie seine Wohnung zu verlassen.

In den Kriegsjahren wird von Feiern der Gilde abgesehen; 28 ihrer Mitglieder stehen an der Front. Aber Jahr um Jahr begleitet das Gildebuch die immer ernster werdende Entwicklung mit Gedankengängen, die von tiefer Vaterlandsliebe getragen sind.

Fast wie ein Wunder klingt die Meldung, daß alle 28 Gildebrüder, die ins Feld gerufen worden, wohlbehalten zurückgekehrt sind. Aber der letzte Schützenkönig, Dr. Wulf, der als einziger Arzt hier zurückgeblieben, um hier den Leidenden zu dienen, ist gestorben. »Die harten Anstrengungen seines Berufes im Verein mit der Hungerkur, die das deutsche Volk durchzumachen hatte, mögen Schuld daran gewesen sein, daß sich bei ihm eine Krankheit eingeschlichen hatte, von der er nicht genesen sollte.« So die ernsten und ehrenden Worte, mit denen die Gildebrüder sein Andenken gewürdigt haben.

1920 wird in bescheidenem Umfange das durch Tradition geheiligte Fest wieder gefeiert. Noch zittert der Schmerz über den Verlust des prächtigen alten Gebiets der »Vogelstange« am Butendoor in den Herzen der Brüder nach. Freilich hatte man 1911-1914 in dem östlich von der Badeanstalt liegenden Gelände der Sparkasse feiern können. Aber das Gebiet war inzwischen vom Solbad angekauft worden. Der Schützenverein Roland reicht die Bruderhand, und so kann auf dessen großem Festplatz das Gildeschießen vor sich gehen. Aber die beiden Umzüge, dazu Neuanschaffung des Festzeltes haben Schulden verursacht, 1200 RM. Zur Deckung wurden zunächst die Lindenbäume an Johann, danach das Grundstück an Hinrich verkauft, beides Gildebrüder. Es blieb vom Gesamterlös ein bei der Fleckenssparkasse belegter »eiserner Bestand« von 5000 RM übrig.

1923 war der Vorstand geneigt, mit Rücksicht auf die Ruhrbesetzung nur einen »Kommers« zu veranstalten. Aber wichtige Gegengründe führten zu andern Entschlüssen, und das Fest fand großen Zuspruch. Von dem üblichen gemeinschaftlichen Festessen ist indessen abgesehen worden.

Im Jahre 1927 gelang es der Vogelschützen-Gilde, ein festes Unterkommen zu finden, indem der Roland-Verein ihr für die Dauer von 20 Jahren gegen eine jährliche Zahlung von 15 RM die Benutzung der Rolandwiese einräumte.

Mit besonderer Freude wird aus 1936 berichtet, daß der älteste, schon seit 1872 der Gilde angehörende Bürgermeister i. R. Gottlieb Freudenthal zur Gildefeier erschienen sei. Der Vorstand habe ihn im besonderen begrüßt, und dann habe die Musik ihm zu Ehren sein Lieblingslied »Schleswig-Holstein« gespielt. Aus seinem Rollstuhl habe er gedankt und bewegten Herzens ermahnt, niemals von diesem schönen Heimatfest zu lassen.

 

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Zur Kennzeichnung des harmlos-übermütigen, ulkigen und auch einmal eulenspiegeligen Tons, der in den Gildetagen herrscht, seien einige »offizielle« Dokumente hier wiedergegeben.

a)    Alles verlief normal. Nur erschien der Jüngste, J. L., mit einem kleinen Kinderschießgewehr mit Korken zum Ausmarsch. Der Hauptmann W. geriet darüber in großen Zorn und ließ ihn verhaften. Er wurde am Nachmittage von 5 Uhr 30 bis 5 Uhr 40 im Beisein aller Festgäste an einen Baum gebunden. Dieses wäre für unsern Jüngsten bald zum Verhängnis geworden. Wenn nicht seinen lieben Freunden sein alter Fehler, die trockene Leber und daher der große Durst, bekannt gewesen wäre und sie ihm einen Labetrunk gereicht hätten, so wäre er wohl verdurstet.

b)   Wer, solange die Gildelade geöffnet auf dem Tische steht, wo der Vorstand seines Amtes waltet, dabei betroffen wird, daß der oberste Knopf seines Rockes nicht geschlossen ist, hat unabdinglich eine Runde Bier zu schmeißen, auch wenn er nicht Gildebruder sein sollte.

c)    Die neue Vogelstange wurde eingeweiht. Sie war wohl vorbereitet und imprägniert,  nicht nur mit Carbolineum,  sondern auch mit Johann Fülschers Doppelköm. Diese Labung war gut angebracht, weil die Aufbringung der nötigen Gelder dem Vorstand nicht leicht geworden ist. Die Stange selbst wurde vor dem Fest würdig von vier Pferden, reich bekränzt und geschmückt mit der schleswig-holsteinischen Fahne, an ihren neuen Platz befördert.

Wer mehr davon wissen will, der höre sich die geölten und geschliffenen, aber nicht geschminkten Verhandlungen und Unterredungen nachmittags im Festzelt und abends im Gildehaus an. Er wird befriedigt von dannen gehen. Der Chronist aber fühlt sich verpflichtet, am Schluß die poetische Auswirkung des Gildeerlebnisses hier festzuhalten.

 

Groot Vagelscheeten (1931)

 

Vergangen Johr up uns Gillfest,

Wat sünd wi dor vergnögt west! –

Hin geit de Tied, rüm is dat Johr.

Dat ole Fest is wedder door.

Wat Johrhunnerde bestaan,

Dörch uns Schuld schall't ni ünnergaan.

So makt Ju grad, smiet Ju in Wicks,

Treckt an de Vagelscheeterbücks,

Sett up den Vagelscheeterhoot,

De kleed Ju alle Johr werr good.

Bringt mit Humor un lüttes Geld,

Un kiekt vergnügt rien in de Welt.

Mascheert mit ut, mascheert mit in,

 

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Hoolt hoch den oolen Gildesinn I

Hüt abend kommt na't Holsteensch Hus,

Dor makt de Öllersmann sin Schmus.

Mus'kanten sitt dor vör de Dör

Un speelt den neen Gillmarsch vör.

Un wi singt denn na oole Mood

Dat feine Leed: »Ja, mit den Hoot!« -

Uns Gill, de hett so lang bestaan,

In uns' Tied schall's ni ünnergaan.

De Achtlüd.

 

 

Die Vogelgilde (1924)

 

In Bramstedt hat die Vogelgilde

Es einmal jährlich mächtig hilde.

Nach Pfingsten, wenn im frischen Grün

Die Wälder stehn und Rotdorn blühn,

Wenn alles prangt auf Feld und Wiesen,

Dann feiert man das Vogelschießen.

Regieren muß der Ältermann,

Weil er es stets am besten kann.

Achtmänner, die daneben sitzen,

Die dürfen kräftig unterstützen.

Die Jüngsten dürfen nur was sagen,

Wenn Ältere sie tun befragen.

Am schlimmsten ist der Jüngste dran,

Weil er nichts weiß und gar nichts kann.

Er muß oft mit der Flasche laufen

Und, wenn sie leer ist, Neuen kaufen.

Mit Rücksicht und mit vielen Mühen

Muß der Zweitjüngste ihn erziehen,

Damit er einst als Ältermann

Auch alles gut und richtig kann.

Er darf kein Inventar verlieren,

Muß sich für alles interessieren.

Der Gildeschreiber darf nicht ruhn,

Er hat gewöhnlich viel zu tun.

Damit auch alles, was er schreibt,

Der Nachwelt noch erhalten bleibt,

Verschließt man dieses in der Lade.

Und was man sonst, ob krumm, ob grade,

Erhalten will, das kommt hinein

 

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In diesen alten Eichenschrein. –

Am schönsten ist am frühen Morgen

Der Marsch zum König. Ohne Sorgen,

Geschmückt mit Laub den hohen Hut,

Musik voran; dann geht es gut.

Der Hauptmann, ein recht schmucker Mann,

Er führt die Gildebrüder an.

Der Oberleutnant und die Junker

Beschützen Fahnentuch nebst Klunker.

Im schwarzen Rock, stramm mit Gewehr

Marschiert die Gilde hinterher.

Und freudig, voller Lebenslust,

Hebt jeder stolz die Heldenbrust. –

Beim König ist der Tisch gedeckt

Sehr gut und reichlich; alles schmeckt

Viel schöner als an andern Tagen.

Gar bald gefüllt ist dann der Magen.

Man geht zurück ins Gildehaus,

Von dorten nach dem Platz hinaus.

Der Vogel winkt mit der Zitrone,

Die Preise sind auch gar nicht ohne!

Die Schützen feuern mit Geschick;

Bald knallt es alle Augenblick.

Und wenn mal was herunterfällt,

Dann jubelt man im nahen Zelt!

Gar mancher möchte König werden,

Doch glückt nicht jedem es auf Erden;

Und wem der Königsschuß gelungen,

Der wird bejubelt und besungen.

Spät geht es dann ins Gildehaus,

Das Fest ist lange noch nicht aus.

Bei frohem Tanz vergeht die Nacht,

Am Morgen erst wird Schluß gemacht.

Und treu - nach alter Gildensitte

Muß noch der Roland in die Mitte.

Der Roland fängt laut an zu lachen,

Denn ihm gefallen diese Sachen.

Dann spricht er würdevoll und leise:

»Nun geht nach Haus und legt Euch nieder

Und kommt im nächsten Jahre wieder.«

(Dem Gildebuch entnommen)

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Anmerkung: Vogelstange und Zelttaue sind durch lange Zeit auf dem Kirchenboden aufbewahrt worden; eine Dachöffnung auf der Südseite ermöglichte das.

 

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3.   Pfannen-Gilde des Fleckens Bramstedt

 

Das alte Gildebuch zeichnet sich durch besonders prächtigen Schmuck des Buchdeckels aus. Eine Vignette auf der Rückseite umschließt ein paar Psalmenverse in Goldbuchstaben:

»Der Herr unser Gott sei uns freundlich und fördere das Werk unserer Hände bei uns« - »Er lasse uns kein Übel begegnen und keine Plage zu unsern Hütten sich nahen. Denn allein Du, Herr, kannst uns helfen, daß wir sicher wohnen.« Dieser feierliche Ernst weist hin auf den ursprünglichen Zweck der Gilde, eine auf Gegenseitigkeit sich stützende Feuerversicherung der Gebäude. Das Buch beginnt mit dem Jahre 1756. Aber die unterzeichnenden Meister Jochim Schweim, Peter Boln und Heinrich Westphalen sagen, daß sie »ins Reine« schreiben wollen. Möglicherweise könnte danach etwas Vorläufiges früher bestanden haben. Dann wird eröffnet, »daß Anno 1688 im Nahmen der Heyligen und Hochgelobten drey-Faltigkeit dieses Fleckens Bramstedter gilde-Buch und Feuerordnung ins Reine geschrieben ist.« Anno 1741 den 3. August hat Friedrich V. den Gilden dieser Art ein Ende gemacht durch Gründung der Allgemeinen Königl. Brandt-Gilde und Brandt-Assecuranz-Cassa, durch welche aus berechtigter Sorge die Gebäude dem Bereich der alten Gilden entzogen werden. Die Eingesessenen der Kirchspiele Bramstedt, Segeberg, Leetzen und Bornhöved bitten in der Folge um Zulassung einer Möbelgilde. Die Genehmigung wird erst am 14. Januar 1754 aus Copenhagen erteilt1).

Soweit die Einleitung des Buchtextes, der nun die Satzung folgt: Die derzeit genannten 101 Gildebrüder nehmen folgende Verpflichtungen auf sich:

a)  Wenn einer »schadhaft« wird, die für seinen Fall vorgesehenen Fuhren und Arbeit zu leisten.

b)  Wenn üble Krankheiten sich »einstehlen«, dem Nachbarn, nach der Sonnen Aufgang im Flecken fortgehend, beizustehen.

c)  Bei Todesfall hat aus eines jeden Gildebruders Haus Einer zu »folgen«.

d)  Die nächsten Nachbarn sollen (den Toten) kleiden, tragen und (die Glocken) läuten.

e)  Wenn eine Feuersbrunst entsteht, soll jeder mit seinem Feuergerät dahin eilen, allen menschlichen Beistand leisten und dem Gilde-Meister gehorchen.

f)   Wer am Sonntag an Hand oder Korn oder sonsten arbeitet, so doch wider Gott und alle Geistliche Ordnung ist, zahlt ½ Schilling. »Hohe Not entschuldigt«.

g)  Bei hohem, trockenem Wetter im Sommer eine mit Wasser gefüllte Tonne vor seine Tür setzen, sobald der Gildemeister befiehlt.

Dazu kommt noch eine Reihe von Bestimmungen, die Ordnung anlangend. Davon einige Beispiele:

a) 2 Gildemeister, 2 Spritzenmeister und 1 Gildeschreiber bilden den Vorstand. Ferner 8 Männer, vor denen der Vorstand jährlich Abrechnung zu geben hat. Endlich, wohl jeweils vom  1.  Gildemeister berufen:  der Schenker und die Leichenbitterin.

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1) 1741 ist es wohl noch Christian VI., 1754 dann Friedrich V.

 

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b)  Am Mittwoch nach Pfingsten wird Gilde gehalten.

c)   Wenn einige vor den Gildebrüdern Haß, Streit oder gar Schlägerei anfangen, so soll »ein jeder Persohn« der Gilde geben zur straf 2 Mark.

d)  Die Gildemeisters und Acht-Männer sollen ihren Tisch allein haben. Niemand soll sich unterstehen, sie zu Tortieren (belästigen).

e)   Eines Gildebruders Geselle, Knecht oder Sohn können an der Gildefeier teilnehmen gegen Zahlung eines Trinkgeldes, sind aber davon frei, wenn der Geselle seinen Meister, der Knecht den Herrn oder der Sohn den Vater vertritt.

f)    Die Gildemeister haben bei den Arbeiten zum Aufräumen einer Brandstätte die Aufsicht zu führen, sind aber selbst von der Arbeit befreit. Der Schreiber kann seinen Dienst ableisten durch Zahlung eines festgesetzten Geldbetrages.

g)  Derjenige, in dessen Hause das Feuer entstanden, ausgenommen durch Gottes Gewitter, zahlt an die »sprützen Meyster« und die, die Wasserkupen bringen, in allem 11 Mark.

h)  Nichterscheinen oder Versäumnis anderer Gildepflichten wird mit Geldstrafen bedroht, deren Betrag zumteil den Armen zugute kommt.

i)    Selbstverständlich ist ein »Schauen« der pflichtmäßig zu haltenden Gerätschaften vorgesehen.

j)    Die Gilde leistet keine Entschädigung in Geld, sondern höchstens 3 Tage Handarbeit, wovon einer für die Aufrichtung des Hauses.

k)   Ein Trinkgeld für die Handarbeiter scheint üblich gewesen zu sein; es darf aber nicht erwartet werden, wenn das abgebrannte Haus »zu einem großen Hause gehört«.

 

Änderungen und große Ereignisse

 

1765. Das adelige Gut schließt sich an; jeder unter adl. Jurisdiktion stehende Untertan hat für sprütze und Kupen einen Beitrag von 3 Mark zu leisten. (Genehmigt vom Amtmann von Arnold einerseits, und dem Gutsherrn Holst andrerseits.)

Anno 1787 springt ein recht heftiger Kampf innerhalb der Gilde auf, und zwar aus dem Grunde, weil aus dem adeligen Gut drei Mitglieder in den Vorstand der Gilde gewählt worden sind. Die alten Gildemeister weigern sich, entgegen der Satzung, die Gildelade an die Neugewählten zu übergeben. Sie meinen: Von fünf Amtsposten haben die Gutsangehörigen drei besetzt und damit die Macht in den Händen. Wenn es ihnen einfallen sollte, könnten sie die Gilde in das adelige Gut verlegen, und dann würden alle unter des Gutsherrn Jurisdiktion stehen. Dieser, Ferd. Lawätz, gibt eine Bescheinigung, daß in dieser Sache seine Untertanen genauso wie die Fleckensbewohner den Anordnungen und Befehlen des Königl. Amtshauses sich unterziehen und gehorsam sein sollen. - Aber die Fleckensinteressenten, 41, ruhen noch nicht, obgleich man ihnen vorhält, sie hätten gleich bei der Wahl ihre Bedenken geltend machen sollen. Frauen (Ältermann) berichtet an den Amtmann von Schumacher: Bei der Wahl sei es so, daß

 

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diejenigen, die irgend etwas bedeuteten (also wohl ihre Wahl für möglich halten können), sich zurückziehen, damit es nicht parteilich sei. Es kommen dann solche an die Reihe, die über die Sache nicht sehr orientiert sind, weil sie das Getränkegeld doch zahlen müssen, auch wenn sie zu Hause blieben; sie wollen eben mittrinken. Und erst, wenn allerhand getrunken ist, kommt schließlich die Wahl. Da haben sie - die Ältermänner - geschwiegen; es wäre ihnen bei den angetrunkenen Menschen wohl schlecht bekommen. Aber gleich am nächsten Tag, dem eigentlichen Annahmetag, hätten sie Einwand erhoben.

Die drei Gewählten, Wilcken, Blauroth und Lück, geben die Erklärung ab, daß sie sich in Gildesachen vollkommen dem Amtshause unterstellen.

Der Amtmann bestätigt ihre Wahl, ordnet aber zugleich an, daß nach wie vor die Zusammenkünfte der Gilde im Flecken stattfinden sollen, und zwar in seinem Hause. Ein nochmaliger Einspruch der Fleckensleute wird abgewiesen. Das Jahr 1822 bringt eine Meldung, die von der Gefahr des inneren Verfalls Zeugnis gibt. Gildemeister und Achtmänner haben beschlossen, daß, wenn künftig die Fleckensgilde gehalten wird, »jeder seine Frau im Gildehauß selbst mit erscheinen muß, da jetzt der Gilde so schlecht ist, und solche große Unordnung herrscht, daß bloß kleine Kinder herum spielen, und erwachsene Personen sich schämen, bei Tage dahin zu gehen, bloß des Abends und des Nachts, daß Knechte und Mädchen alsdann aus dem Hause gehen, Ohne Ihre Herrschaften zu fragen. Da dieser Fleckensgilde doch seit 1756 wieder in Ordnung gebracht ist und gewünscht wird, daß diese Ordnung wieder genau beachtet wird.«

Die Gildefeier hat sich in Privathäusern, in Gastwirtschaften und im Amtshause abgespielt. Solange das Privathaus bevorzugt wurde, lag es nahe genug, einem Gildebruder das Amt des Ausschenkens zu übertragen, wohl auch einen Gehilfen daneben zu bestellen. Es hat den Anschein, daß das Amt des »ersten Schenkers« nicht unbeliebt gewesen ist. Wir finden als solchen verzeichnet: den Kirchspielvogt, die Mühlenpächter, den Postmeister und den Gutsbesitzer. Wenn man dazu vernimmt, daß 1756 die Witwe des Posthalters Hermann Frauen und 1802 die Pastorenwitwe Clauhsen dieses Amtes gewaltet haben, so muß man wohl annehmen, daß die Wahlberechtigten nicht nur die Kunstfertigkeit im »Ein- und Ausschenken« in Betracht gezogen haben. Es war wohl nicht der geringste Teil ihrer Bedeutung, daß diese Gilden Angehörige aller Volksgruppen zusammenführten.

Am Schluß sei noch die älteste Inventur der Gilde hier aufgeführt. 1756 vorhanden:

1    Gildelade, 1 Röhrken1) alt und neue, 3 Hänse Becher (?),  1  Will-Komß, Schwarze Leichlaken, 2 Weiße Laken, 10 Feuern (föhrene) Gildebänke, 16 schricken2) (ist im Gildehause). - Der silberne Vogel und Kette, die Laken, Leuchter und 2 Geridohm (Girandolen = Armleuchter) ist bei Jochim Schweim, die Röhrken bei Peter Balling; die Tauen bei die Vogelstange ist auf dem Kirchenboden.

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1) Rohr.

2) Vermutlich Holzböcke, auf welche die Tischplatten gelegt werden.

 

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1766 hinzu: 1 Beutel mit Pfennigen, 3 alte Bücher, 2 Leuchter, später noch: 12 Bohlen und 3 Bretter.

Die Inventur weist also hin auf die Betätigung bei Feuersbrunst, allerdings ohne Spritze zu erwähnen; ferner auf Hilfe bei Leichenbestattungen und endlich auf Vogelschießen, über das aber Genaueres sonst nicht mitgeteilt wird. Von einer Mobilien-Versicherung im heutigen Sinne ist also keine Rede.

Auch diese Gilde hat große Anziehungskraft bewiesen (1756: 101 Mitglieder im Flecken) und sich bis heute behauptet, indessen beschränkt sich ihre Tätigkeit auf die Räumung der Brandstätte. Beide Pfannengilden haben aber auf jeden Fall wertvolle Vorarbeit geleistet für die in jüngerer Zeit ins Leben gerufenen Feuerwehren.

 

4. Unterstützungsverein

 

Das Statut dieses am 25. November 1852 vom Königl. Amthaus zu Segeberg genehmigten Vereins weist auf ein zweifaches Ziel hin: Geldliche Beihilfen im Krankenfalle, sobald das Krankenlager länger als 8 Tage dauert, und ein Sterbegeld. Ein fester Satz ist für die Krankenhilfe nicht vorgesehen, sondern die jeweils zu gewährende Unterstützung bestimmt der Vorstand auf seine Verantwortung. Die Totenkasse soll keinen großen Fonds sammeln, sondern von jedem Mitgliede zwei Monatsbeiträge à 1 Schilling im voraus einfordern und dann nach Verbrauch einer Monatssumme die Sammlung wiederholen. Sterbegeld für jedes erwachsene Mitglied 20 Mark Courant, für Kinder dagegen 15, 10 oder 5 Mark je nach dem Lebensalter. Laufende Beiträge: monatlich 1 Schilling für die Vereinskasse, desgleichen für die Krankenkasse, dazu ein Einschreibegeld von 2 Schilling. Aufnahmefähig war jede unbescholtene Person bis zu 60 Jahren; doch war die Zustimmung von mindestens zwei Dritteln der Mitglieder erforderlich.

 

5. Vaterländischer Frauenverein, gegründet 1893

 

Ein Verein, der restlos in gemeinnützigem Sinne dienen wollte, und zwar auf denjenigen Gebieten, die der seelischen Einstellung des Frauengemüts am nächsten liegen: wo es gilt im großen wie im kleinen wohlzutun und mitzuteilen. Wie das praktisch sich gestaltet hat, möge ein kleiner Abschnitt aus dem weiten Bereich des Geschehens dem Leser vor Augen stellen, und zwar nach Jahresbericht des verehrten, langjährigen Schriftführers Otto Schnepel (1919).

Der Verein zählte damals 175 Mitglieder. Mitgliederbeiträge 555 Mark, ferner von Kommunalverbänden 200 Mark, von Geldinstituten 700 Mark, aus der Säuglingsfürsorge und ähnlichen Veranstaltungen 9250,22 Mark, an Kapitalzinsen 200 Mark, an sonstigem 1894,03 Mark, zusammen 12.799,25 Mark. Ausgegeben wurden: an Beiträgen für Kreis-, Provinzial- und Hauptverein 55,50 Mark, an Verwaltungskosten 300,55  Mark, für Veranstaltungen des Vereins

 

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9.665,06 Mark, an sonstigem 2.375,00 Mark, zusammen 12.396,11 Mark. Vermögen: Zinsbar belegt beim Creditverein 5012,02 Mark, außerdem 4000 Mark in Kriegsanleihe. Der Wert der Margareten-Spende ist zu schätzen auf 700 Mark. Die Haupttätigkeit des Vereins lag in diesem Jahr auf dem Gebiet der Säuglingsfürsorge. Es wurden zu diesem Zwecke angeschafft und meistens in wöchentlichen Rationen verteilt: 2625 Pfund Weizengrieß, 1360 Pfund Haferflocken, 1702 Pfund Gerstenmehl, 2425 Rollen Zwieback, 402 Rollen Keks, 504 Pakete Lebkuchen, 56 Dosen Nährzucker, 17 Dosen Malzextrakt, 5 Pfund Reis, 5 Pfund Kaffee, 5 Pfund Sago, 9½ Pfund Erbsen, 56 Pfund Kakao. - Die Verteilung lag in Händen von Frau Bassmann; viel Arbeit und oft viel Geduld ist den unvernünftigen Empfängerinnen gegenüber nötig gewesen. Daneben verwaltete sie die Margaretenspende (Verkauf von Blumen). - Zur Bewirtung der aus England zurückkehrenden Kriegsgefangenen wurden nach Brunsbütteler Hafen geschickt 523 Eier, 10½ Pfund Speck, 8 Pfund Wurst, 2½ Pfund Schmalz, 1½ Pfund Butter, 17 Pfund Käse, 42 Pfund Mehl, 7 Pfund Gebäck, 1 Pfund Zucker, 6 Pfund Haferflocken, 1½ Pfund Grütze, einige Zigaretten und 7,40 Mark bar. Die Gaben waren mit Hilfe der Schulen gesammelt worden. - Für die Flüchtlingsfürsorge sammelte der Verein: im Flecken 533 Mark, in Hitzhusen 73,75 Mark, in Weddelbrook 111,50 Mark, in Fuhlendorf 19,00 Mark, in Föhrden 29,77 Mark, in Wiemersdorf 237,65 Mark, in Bimöhlen 67,00 Mark. - Aus den Beständen des Segeberger Reservelazaretts wurden bei dessen Auflösung dem Verein überwiesen: 16 Krankenröcke, 14 Krankenhosen, 6 Matratzen, 25 Paar Socken, 5 Leibbinden, 65 Wolldecken, 12 Bettlaken, 18 Bettbezüge; alles ist an Bedürftige verteilt worden, teils umsonst, teils gegen die Selbstkosten. Ausgabe 1923,35 Mark; wieder eingenommen 1662,97 Mark.

In Verbindung mit der kirchlichen Frauenhilfe veranstaltete der Verein am 22. Dezember den Kindern von Kriegerwitwen und sonst bedürftigen Kindern eine Weihnachtsbescherung. Aufwand 392,85 Mark, davon 107 Mark durch freiwillige Gaben gedeckt. Endlich wurden an weitere 26 notleidende Personen je 10 Mark als Weihnachtsgabe verteilt.

In dem Bericht spiegelt sich die als Kriegsfolge eingetretene Notlage in mancherlei Form wider, aber doch auch wahrhaft wohltuend die Hilfsbereitschaft echt vaterländischer Gesinnung. Und diese sittliche Einstellung zu Volk und Vaterland war nicht ein Aufflackern, sondern erwies sich als eine dauernd wirkende Kraft, die sich noch steigerte mit dem wachsenden Elend der folgenden Jahre. 1927 zählte der Verein 304 Mitglieder statt der 175 um 1919. Die Wirksamkeit ist umfassender, mehr konstant geworden. Das innere Wachstum wird bekundet durch folgende Daten. Ermöglichung von Badekuren für Kinder, hier und auf Amrum; erhöhte Gaben für Alte und Sieche; Mittagessen für Wöchnerinnen. Besondere Erwähnung verdient die Einrichtung einer Schwesternstation, geschaffen durch Zusammengehen mit der kirchlichen Frauenhilfe. Bis zum Herbst 1927 wirkte nur eine einzige Schwester. Aber nun stellte auch der vaterländische Verein eine eigene Schwester ein; so daß fortan deren zwei im Dienste stehen. Die recht

 

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erheblichen Kosten werden aufgebracht unter Beteiligung der einzelnen Ge­meinden, des Wohlfahrtsamtes, der Krankenkassen und anderer Stellen. In kurzem ein Überblick über die Tätigkeit der beiden Schwestern im Laufe der ersten 12 Monate: 203 kranke und alte Personen betreut, 5955 Hausbesuche gemacht, in der Hauptsache bei Kranken; 36 Nachtwachen gehalten; Säuglingspflege und Beaufsichtigung von Pflegekindern.

Die vaterländischen Frauenvereine bilden eine Gruppe im großen Verband vom Deutschen Roten Kreuz. So ist es selbstverständlich, daß auch der Verein für Bramstedt und Umgegend in den Jahren des Weltkrieges sich mit ganzer Kraft für die Linderung von Not und Leid eingesetzt und im besonderen für die Pflege der Verwundeten und Kranken sich betätigt hat. Es ist indessen hier nicht der Platz, um im einzelnen aufzuzählen und hervorzuheben, was in dieser Hinsicht auch in unserm Orte Rühmliches und Verdienstvolles geleistet worden ist. Auch geht man wohl nicht fehl in dem Urteil, daß das Gemüt der deutschen Frau mit dem Vollbringen der guten Tat zugleich deren Lohn erlebt und Ruhmes halber kein Verlangen trägt.

Bad Bramstedt aber stellt mit Stolz fest, daß womöglich in noch gesteigertem Maße seine Frauen auch heute wirken, werken und sorgen, dem Ganzen nach besten Kräften zu dienen. Der vaterländische Verein widmete sein Mühen und Schaffen unentwegt dem einen Ziel: dem Vaterland.

 

Bramstedts Frauen zur Ehre

 

»Kraft erwart' ich vom Mann; des Gesetzes Würde behaupt' er! Aber durch Anmut allein herrschet und herrsche das Weib.«

Also spricht Schiller, und ich bin der letzte, der sich seinem Urteil widersetzen wollte. Und wenn er ein andermal ermunternd fordert:

»Ehret die Frauen! Sie flechten und weben

Himmlische Rosen ins irdische Leben«, so bin ich wiederum sein allergetreuester Jünger.

Nur werde ich widersprechen müssen, wenn jemand behaupten wollte, damit wäre lückenlos das Kraftmaß und der dem entsprechende Wirkungsbereich der Frau gekennzeichnet. Nun soll es zwar nicht meine Aufgabe sein, diesen weiten Bereich fraulichen Wirkens in seiner leuchtenden Fülle dem geneigten Leser vor das Auge zu stellen, und das schon deshalb nicht, weil ein schier Unermeßliches zu durchschreiten wäre. Aber mich drängt es, auf ein Gebiet menschlicher Be­tätigung hinzuweisen, für das die Frauenseele und die Frauenhand in hervor­ragender Weise befähigt und bereit ist. Wo es gilt, wohlzutun, Nächstenliebe zu üben, Schwachheit zu stützen, da gebührt dem stärkeren Mitgefühl der Frau ein bevorzugter Platz. Und wenn Goethe, dieser die Jahrhunderte überragende Verkünder deutscher Wesensart, meint: »Leget Anmut in das Geben«, so ist es gewiß, daß die Frau es leichter hat, diesem schönen Gedanken gerecht zu werden,

 

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als der auf Öffentlichkeit des Wirkens und äußere Erfolge mehr eingestellte Mann. Bramstedts Frauen haben vor mehr als hundert Jahren ein schönes Beispiel dafür gegeben, daß in berührter Hinsicht weibliche Sorge und Energie noch schöne Erfolge zu erzielen wissen, wo männliche Bereitschaft versagen wollte. Diese Tat der Bramstedter Frauen ins Gedächtnis zu rufen und damit einer Dankesschuld gerecht zu werden, das ist der Anlaß dieser Zeilen. Und nun lassen wir das alte Fleckensbuch erzählen.

»Nachdem der Flecken Bramstedt nicht nur auf Veranlassung des Königlichen Amthauses zu Segeberg, sondern auch durch Ansprachen aus der Nachbarschaft wiederholt aufgefordert worden, Beiträge zur Linderung der durch Sturmfluten herbeigeführten Not einzuliefern, und diesen Anforderungen nach Kräften bestens Genüge geleistet hatte, traf eine desfällige Königliche Bekanntmachung vom 19. Februar 1825 zu bald ein, um dadurch nochmals einen wenn auch nur unbedeutenden Geldertrag directe erzielen zu können.

Nach genommener Rücksprache mit mehreren wohlgesinnten Einwohnern bil­deten demnach

1.        die Ehefrau des Controlleurs Lieutenant von Lau

2.        die Wittwe Pape

3.        die Ehefrau des adelichen Gutspächters Reimers und

4.        die Ehefrau des Freykäthners und Kaufmanns Timm Warnholz einen Verein, welcher die hiesigen Handwerker und Eingesessenen aufforderte, Hausarbeiten, Producte ihres Betriebs oder sonstige entbehrliche Kleinigkeiten zur Verspielung zum Besten der Westküste einzuliefern.

Diesem Verein gelang es auf solche Weise, 214 Gewinne aus unserer Mitte zusammenzubringen. Der Absatz der Loose zur Verspielung dieser Gewinne belief sich auf 2753 Nummern, wofür der Preis ä Stück zu 6 Schilling Courant (45 Pfennig) festgesetzt war, und gelang es auf diesem indirecten Wege, unterm 3. Juny 1825 eine Beyhilfe zur Abwendung allgemeiner Noth von Ein Tausend und Neun und Zwanzig Mark Courant (1 Mark = 1,20 RM) an das Königliche Amthaus zu Segeberg zu weiterer gefälligen Beförderung einzusenden. Die Ziehung hat am 23. May 1825 auf einem freien Gerüst im Bleck mit aller Oeffentlichkeit Statt gehabt. Es war ein Zelt für den Verein und eins für das Publicum aufgeschlagen. Diese ländliche Feyerlichkeit hatte sehr viele Zuschauer aus der Umgegend herbeigelockt. Gastereyen, Tanz und ein kleines Feuerwerk beschlossen den Tag ohne mindesten unangenehmen Vorfall.«

gez. Cirsovius, Kirchspielvogt.

 

Wenn der Herr Kirchspielvogt dieses Ereignis, das doch in keiner Weise mit amtlicher Verwaltung etwas zu tun hatte, dennoch in das Fleckensbuch einge­tragen hat, so bekundet sich darin das Bewußtsein, daß es sich um Vorgänge handelt, die geeignet sind, den Nachgebornen zur Quelle fruchtbaren Nach­denkens und ehrfürchtiger Betrachtung entschwundener Tage zu werden. Der Beamte ehrte sich selbst, als er dem Werk der Frauen diese Ehre erwies. Wer sollte nicht dankbar zur Kenntnis nehmen, daß solches in unserer Vaterstadt geschehen!

 

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6. Das Feuerlöschwesen

 

1. Brandreglement für Bramstedt

Anno 1861 den 31. Januar ist vom Segeberger Amt ein von der Fleckensverwaltung eingereichtes Reglement für das Feuerlöschwesen genehmigt worden, das diese wichtige Angelegenheit endgültig der Leitung der sogenannten Fuhr- oder Arbeitsgilde entzogen hat.

Die wesentlichen Punkte der neuen Ordnung sollen hier in Erinnerung gebracht werden.

1.  Der Flecken bildet ohne Unterschied der Jurisdiktion einen Brandpolizeidistrikt und eine Kommüne zur Haltung von Lösch- und Rettungsgeräten und zu gegenseitiger Hilfsleistung bei Feuersbrunst. Der Distrikt wird aufgeteilt in

7 Quartiere:

a)    Die Häuser außer dem Tor;

b)    Die östliche Seite des Bleecks mit Hinterstraße, Mühle und Remiens Gewese;

c)    Die westliche Seite des Bleecks mit Hinterstraße, Häuser an der Nordseite des Bleecks, an der Chaussee nach Altona, der Glückstädter Straße und an der westlichen Seite der Chaussee Remien gegenüber bis zur Aue;

d)    links neben der Chausseebrücke im Flecken beginnend, umfaßt die ganze Westseite des Maienbeecks, sowie die Häuser der Kleinhufner Johann Kröger und Nicol. Wesselmann;

e)    von Schmied Dehn an sämtliche übrigen Häuser des Maienbeecks samt Dreiertwiete;

f)     sämtliche Häuser am Schlüskamp und die an der Südseite des Landweges mit der Ziegelei;

g)    von Hinrich Steckmest die nördliche Seite des Landweges nebst hinter den Höfen samt den Gebäuden bei der Ziegelei.

2.   Die Direktion steht dem Kirchspielvogt zu; er bestimmt aus den Vorstandsmitgliedern eine geeignete Person für den Fall einer nötig werdenden Vertretung.

3.   Den Vorstand bilden: der Kirchspielvogt als Vorsitzender, der Gutsinspektor, die Fleckensvorsteher und die Brandaufseher. Dem Vorstande fällt die Verwaltung der ökonomischen Angelegenheiten und die Beaufsichtigung der Löschgerätschaften zu. Im Februar ist eine Sitzung wegen der Jahresrechnung abzuhalten. Die Abrechnung und ein Inventar über die Löschgeräte ist dem Amthause zu übermitteln. - Im Mai und im November sind »Sprützenproben« vorzunehmen.

4.   Der Rechnungsführer soll mindestens 3 Jahre sein Amt führen. Er hat unter andern die Beiträge einzusammeln, das Ansagen bei den Spritzenleuten, sowie der Wachleute während und nach dem Feuer zu besorgen. Ihm kommt eine Jahresvergütung von 4 Talern zu.

5.   Die Mannschaft besteht aus 4 Spritzenmeistern nebst 2 Stellvertretern, welche 3 Jahre, und 8 Spritzenmännern nebst 4 Vertretern, welche 1 Jahr dienen, wozu der Reihe nach die selbständigen Männer des Fleckens aufgerufen werden, sofern

 

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sie dienstfähig und nicht amtlich behindert sind. - Die Spritzenmeister sorgen für Instandhaltung des Inventars, unter Zuziehung der Brandaufseher. Jeder Spritzenmeister hat einen Schlüssel zum Spritzenhaus. Bei Alarm hat er sich damit sofort beim Spritzenhaus einzufinden, der Spritze zur Brandstelle zu folgen, die Schlangen zu beaufsichtigen und im Wechsel das Rohr zu leiten. Er darf sich erst wieder entfernen, wenn die Spritze wieder zurückgebracht und eingeschlossen ist. Für ihn ist eine jährliche Vergütung von gut 1½ Reichstalern vorgesehen; der Vorstand fügt im Brandfalle nach Ermessen 1-5 Taler hinzu. - Für Stellvertreter ist keine Jahresvergütung vorgesehen.

Die Spritzenleute haben beim Probieren der Spritze anwesend zu sein und sie zu diesem Zwecke abzuholen und zurückzubringen. Bei Feuersbrunst haben sie ohne Verzug das gleiche zu tun und an der Brandstätte nach Anweisung der Meister dienstbar zu sein.

6.      Unteraufseher. Für jedes Quartier bestellt der Vorstand einen solchen, also insgesamt 7. Sie sollen Register führen über die im Bezirk vorhandenen Mannschaften, bei Brand die Herstellung und Beaufsichtigung der Wasserreihen auf sich nehmen; sie erhalten ein vor der Brust zu tragendes Brandschild, das natürlich im Falle des Dienstes zu tragen ist.

7.      Das Läuten der Sturmglocke besorgen 4 dazu bestellte Männer.

8.      Ordnung bei Feuersbrünsten. Aufsicht führt der Branddirektor, in seiner Abwesenheit der Kirchspielvogt, eventuell dessen gewählter Vertreter. Der adlige Gerichtsvogt und die Brandaufseher stehen ihm zur Seite, desgleichen die Fleckensvorsteher. Bildung der Wasserreihe und Schutz der geretteten Sachen, wozu noch 8 zuverlässige Männer besonders bestimmt werden, ist erste Pflicht. Jeder Eingesessene, der ein entstehendes Feuer bemerkt, hat sofort die Nachbarschaft und nächstwohnenden Spritzenmeister zu alarmieren. - Die Nachtwächter sollen durch fortgesetztes Knarren an Fenster und Türen die Einwohner benachrichtigen, baldmöglichst aber die Läuter. - Alle Bewohner, auch Insten, Gesellen und Dienstboten haben mit Feuereimer und Gerätschaft, die Zimmerleute mit Äxten zu erscheinen, die Besitzer von Fuhrwerk ein Spann Pferde aufgeschirrt bereit zu halten. Jeder Hausbesitzer und Inste hat in der Nacht ein brennendes Licht ins Fenster zu stellen. Während der Gefahr hat jedermann den Befehlen des Vorstandes unbedingt zu folgen. - Nach getanem Werk werden die Brandeimer den Brandaufsehern zur Revision ausgehändigt, die nach Befund die Ausbesserung entstandener Schäden anordnen. Die Eimer und andern Geräte (Leiter,- Dachstuhl) sind natürlich mit Hausnummer und Namen des Besitzers zu versehen. Deren Instandhaltung ist Sache des Eigentümers. Im Mai und im November findet nach Ansage eine Schauung statt. Damit sind die Gerätschaften, die ledernen Eimer, gefüllt mit Wasser, vor der Tür in Bereitschaft zu halten.

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Anmerkung: Der Schuppen, in dem die erste Spritze untergebracht war, hat gestanden an der Umfassungsmauer der Kirche, ein Stück südlich des Westeingangs; dieser Schuppen hat, nachdem er höherer Anforderung sich nicht gewachsen zeigte, später im Pastorat noch willkommene Dienste geleistet.

 

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2. Die freiwillige Feuerwehr

 

Anno 1878 wählt das Fleckensverordneten-Kollegium sechs Männer (Hufe, Wessel, Danielsen, Hartkopf, Freudenthal und Harbeck), um eine freiwillige Feuerwehr zu organisieren. Auf der ersten Versammlung am 26. Mai wurde beschlossen, eine Ansatzleiter, 2 Steigeleitern, 2 Dachhaken, 1 Signalhorn, 10 Schrillpfeifen, 12 Noteimer und sonstige kleinere Utensilien, ferner für 12 Steiger und für 24 Männer der Spritzenmannschaft die Uniformen und die dazu gehörenden Ausrüstungsgegenstände anzuschaffen. Man errechnet, daß die Kosten 1000 Mark betragen werden. Diese Aufstellung wird dem Fleckenskollegium mit der Bitte zugeleitet, die Sache tunlichst bald zu fördern. Das sind die ersten Notizen aus dem Protokollbuch der Bramstedter freiwilligen Feuerwehr.

In weiteren Sitzungen wurden die Dienstvorschriften genehmigt, die Stadt in vier Bezirke eingeteilt, Herr Gottlieb Freudenthal zum Hauptmann gewählt und die ersten 16 Namen genannt, die der Feuerwehr als Aktive beizutreten gewillt waren. Um die Gelder für die Anschaffungen zu bekommen, wurde beschlossen, daß die Eingesessenen Bramstedts mit Ausnahme von Bissenmoor für drei Jahre auf die 20% Kürzung der Landesbrandkassenbeiträge verzichten sollen.

Im Laufe der Jahrzehnte kamen die Feuerwehrsleute treu ihrer zum Wohle der Stadt auszuübenden Pflicht nach. Jedes Jahr konnte Bericht erstattet werden von Brandlöschungen, Übungen, Versammlungen, ja, auch die Geselligkeit wurde gepflegt. In energischen Worten werden Verunglimpfungen (Flugblatt: Ein Mahnwort in letzter Stunde) zurückgewiesen. Probleme wie Aufstellung einer Musikkapelle beschäftigten nebenbei die Gemüter.

Im Jahre 1919 legt der Hauptmann G. Freudenthal sein Amt nieder. Seit 1878 hat er die Geschicke der Feuerwehr ununterbrochen geleitet. Er wird zum Ehrenhauptmann ernannt. Spätere Hauptleute sind Büchler, Jetschat, Kiel und Lesch. Für die sechs im Kriege gefallenen Kameraden wird eine Ehrentafel geschaffen. Die Kosten dafür werden durch freiwillige Spenden aufgebracht. In einer Feierstunde findet die Ehrentafel ihren Platz in der Kirche.

Auch nach dem Kriege arbeitet die Feuerwehr in zahlreichen Übungen an ihrer Vervollkommnung, Samariterkurse, theoretische Übungsabende werden neben der praktischen Ausbildung veranstaltet. Man geht auch mit der Zeit, eine Motorspritze, Minimaxapparate und Schaumlöscher werden angeschafft. Die Zahl der Aktiven wächst. Im Jahre 1925 sind es 91. Großeinsätze werden verlangt beim Kirchenbrand in Kellinghusen 1929 und dem Brand des Dehnschen Geweses im Landweg Ecke Düsternhoop.

Viel Sorge bereitete der Bau eines neuen Spritzenhauses mit Schlauchturm und Übungsplatz. Das alte Spritzenhaus im Schlüskamp gegenüber dem Pastoratsgarten reichte nicht mehr aus, auch fehlten die Trocknungsmöglichkeiten. Ehe man an den Neubau in der Glückstädter Straße Ecke Sommerland ging, hatte man andere Vorschläge gemacht. Einmal sollte der städtische Speicher im Maien-

 

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beeck umgebaut, ein ander Mal auf dem Schulhof ein Bau errichtet werden. Letzteres lehnte die Regierung ab. Nach langwierigen und erregten Verhandlungen mit dem derzeitigen Bürgermeister - der Bestand der Feuerwehr war ernstlich gefährdet - konnte der Bau errichtet und am 6. Dezember 1931 das neue Spritzenhaus feierlichst eingeweiht werden.

Damit ist gewährleistet schnelle und geordnete Löschung eines Schadenfeuers und Verhinderung seiner Weiterverbreitung sowie Rettung von Gut und Leben:

Gott zur Ehr,

dem Nächsten zur Wehr!

 

 

7. Bramstedter Turnerschaft

 

Zur Zeit der preußischen Erniedrigung begründete Friedrich Ludwig Jahn 1811 die deutschvölkische Form der Leibesübungen. Sie war ursprünglich nur zur Wehrhaftmachung der Jugend gedacht, wurde aber nach den Freiheitskriegen als Selbstzweck betrieben. Von der Reaktion wurde das Turnen als politisch verdächtig bis 1842 verboten und nach den Wirren des Jahres 1848 als Vereinsund Schulturnen wieder gestattet.

Anno 1884 versammelten sich in Bramstedt mehrere junge Leute in der »Badeanstalt«, um einen Turnverein ins Leben zu rufen. Der Korbmacher J. Th. Thies veröffentlichte schon einige Tage später in der hiesigen Presse einen Aufruf. Der Erfolg war nicht groß, es erschienen nur sieben Männer, die durch ihr Kommen ihr Interesse für den Turngedanken kundtaten.

Auf einer bald darauf folgenden Versammlung am 9. Juli konnte durch die Anwesenheit von zwölf Männern die Gründung des Turnvereins vollzogen werden. Durch den besuchsweisen Aufenthalt des Turnlehrers Ehrich aus Ratzeburg war man in der Lage, gleich mit dem Turnbetrieb zu beginnen. Dreimal wöchentlich wurde nun geturnt.

Der derzeitige Bürgermeister stellte dem jungen Verein die Turngeräte und Halle eines früheren Vereins (der wohl um 1861 herum bestanden haben soll) zur Verfügung. Das war ein guter Anfang. Nach Fortgang von Ehrich wurde Lehrer Knust Vorsitzender und Turnlehrer. Auf der ersten Generalversammlung am 27. Juli 1884 erhielt der Verein seinen Namen: »Bramstedter Turnerschaft«.

Mit der Turnhalle war es aber so, daß sie während eines Teiles des Jahres als Torfschuppen benutzt wurde. Daher zog man in das Lokal des Wirtes Hesebeck, der auch erlaubte, daß in seinem Saal ein Reck aufgestellt wurde. Schon zwei Jahre später fand zum erstenmal in unserm Ort ein Turnfest des westholsteinischen Gaues statt.

Seit dem Jahre 1890 dachte man an den Bau einer neuen Turnhalle; der Hesebecksche Saal stand häufig nicht zur Verfügung, weil irgendeine Tanzveranstaltung stattfand und man gezwungen war, wieder die Fleckensturnhalle (auf dem Schulhof) zu benutzen. Das konnte nur als Notbehelf angesehen werden.

 

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Da zur Zeit kein Geld vorhanden war für den Neubau einer Halle, mußte man sich zunächst mit dem Planen begnügen und füllte erst allmählich den Baufonds. Zu diesem Zwecke wurden »Bausteine« angefertigt, die durch die Mitglieder für 10 Pfennig verkauft wurden. Die Einnahmen von Veranstaltungen und Schauturnen halfen den Fonds vergrößern, auch wurden Bittgesuche an die hiesigen Sparkassen gestellt.

Die Bausumme wuchs sehr langsam. Mit einemmal kam Schwung in die Sache, der Rendsburger Kaufmann Fülscher, früher in Bramstedt wohnhaft, schenkte der Turnerschaft einen Teil seiner Bahnhofskoppel zum Bau einer Turnhalle. Der Vertrag wurde am 25. Juni 1906 getätigt. Es konnte nun mit dem Bau begonnen werden. Das Geld wurde durch unverzinsliche Anleihe und durch Anteilscheine zu 25 Mark, von denen je vier jährlich zur Zurückzahlung ausgelost werden sollten, herbeigeschafft. Aber auch Stiftungen von Geld, Steinen usw. fielen an.

Am 23. August 1908 fand die Einweihung statt. Das war die Krönung der langjährigen verdienstvollen Arbeit des Vorsitzenden, des Lehrers und Organisten A. Kühl (1924 legte er sein Amt nieder und wurde Ehrenvorsitzender). Ein Jahr später konnte die Halle erweitert werden durch einen Anbau. Im Erdgeschoß entstanden Ankleideräume, oben wurde eine vollständige Wohnung eingerichtet.

Endlich waren die Bedingungen erfüllt für die körperliche Ausbildung beider Geschlechter zu Kraft und Gewandtheit, zu Mut, Geistesgegenwart und Ausdauer.

 

 

8. Das Chorwesen in Bad Bramstedt

 

 1. Der Männerchor von 1858.

 

Carl Friedrich Zelter, der Freund Goethes, gründete 1807 die erste Berliner Liedertafel. Sie nahm ausschließlich Komponisten, Dichter und Berufssänger als Mitglieder auf und wurde nach streng exklusiven Statuten und künstlerischen Tendenzen geleitet. Erst gegen Mitte des vergangenen Jahrhunderts verstand man unter »Liedertafel« einen Männerchor mit überwiegend patriotischer und geselliger, weniger aber künstlerischer Betätigung.

Auch in Schleswig-Holstein fanden sich um die Mitte des vorigen Jahrhunderts sangesfreudige Männer zusammen, zur eigenen Freude den Gesang zu pflegen. So trafen sich in Bad Bramstedt interessierte Bürger und gründeten 1858 die Bramstedter Liedertafel. Ihr erster Leiter war der Musiker Hans Hintz, das Übungslokal das »Holsteinische Haus«. Als nach einigen Jahren H. Hintz nach Amerika auswanderte, wurde sein Nachfolger W. Beck, unter dessen Wirken sich die Bramstedter Liedertafel segensreich entfaltete. Um die Zeit der deutschen Einigung wurde von den Sängerfrauen das erste Banner gestiftet. Es bestand nicht immer Einigkeit unter den Sängern, 1913 wurde eine zweite Liedertafel, der Gesangverein »Eintracht«, gegründet.

 

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Seit dem Jahre 1898 gehört die Bramstedter Liedertafel dem Schleswig-Holsteinischen Sängerbund an.

1913 wurde der langjährige Chorleiter W. Beck durch die Verleihung der Ehrenmitgliedschaft geehrt.

Während des Weltkrieges ruhte die Sängertätigkeit. Anfang 1919 wurde nach 4½jähriger Pause die Pflege des Männergesanges wieder aufgenommen. Höhepunkte des Vereinslebens waren 1908 und 1928 die Sängertage in Bad Bramstedt anläßlich des 50- und 70jährigen Bestehens der Liedertafel. Die beiden Bramstedter Vereine »Bramstedter Liedertafel« und Gesangverein »Eintracht« wurden durch die Ereignisse des Jahres 1933 unter dem neuen Namen »Männerchor von 1858 in Bad Bramstedt« zusammengeschlossen.

 

3.   Die Bramstedter Kantorei.

 

Für das gottesdienstliche Singen gründete der Kantor und Organist Johannes Daniel im Jahre 1924 eine Kantorei. Da sich aber keine Männerstimmen fanden, wirkte die Kantorei als Frauenchor. 1934 zum 10jährigen Bestehen der Kantorei konnte mit dem Männerchor zusammen die »Schöpfung« von J. Haydn aufgeführt werden.

 

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XX. GOTTLIEB CARL CHRISTIAN FREUDENTHAL

 

Johann Schümann, Inhaber des Holsteinischen Hauses, ist der erste Bürgermeister nach Einführung der »kleinen Städteordnung« gewesen. Neun Jahre lang hat er seines Amtes gewaltet, um dann, begleitet vom Dank seiner Mitbürger, in Ehren sich zu verabschieden.

Ihm folgte Freudenthal, ein Mann, den das Fleckensprotokoll als Goldarbeiter einführt. Er ist nach Abstammung ein Niedersachse, Hannoveraner. Der Großvater ist ins Holsteinische übergesiedelt, der Vater 1833 im Flecken Bramstedt ansässig geworden. Hier ist ihm im Jahre 1848 sein Sohn Gottlieb, unser Bürgermeister, geboren.

Diesem ist es vergönnt gewesen, schon früh das besondere Vertrauen der Ortsbewohner zu genießen. 1878 wird er zum Schöffen erwählt. Ein Jahr später, am 21. Juni, nimmt ihm der Landrat Willemoes-Suhm diesen Eid ab:

»Ich, Gottlieb Carl Christian Freudenthal, schwöre zu Gott dem Allmächtigen und Allwissenden, daß Seiner Königlichen Majestät von Preußen, meinem Allergnädigsten Herrn, ich untertänig, treu und gehorsam sein und alle mir vermöge meines Amtes obliegenden Pflichten nach meinem besten Wissen und Gewissen genau erfüllen, auch die Verfassung und Städteordnung vom 14. April 1869 gewissenhaft beobachten will. - So wahr mir Gott helfe.«

Wir sehen, er ist zum Führer des Fleckens geworden.

Seine geistige Regsamkeit, seine Gewandtheit, in markiger Rede den Nagel auf den Kopf zu treffen, seine hohe Gestalt und sein fester Blick, sein imponierender Charakterkopf kennzeichnen den geborenen Repräsentanten und Wegweiser.

Nicht nur in den verschiedenen Ausschüssen der Fleckensverwaltung entfaltet er eine fruchtbringende Tätigkeit; auch als Mitglied des Kreisausschusses gewinnt er bald eine angesehene Stellung. Als Waisenrat findet er Gelegenheit zu sozialem Wirken. Seine rege Mitarbeit im Landwirtschaftlichen Verein an der Bramau bekundet die Vielseitigkeit seines geistigen Interesses. Noch reicht seine Kraft, auch das Amt eines Kommissars der Schleswig-Holsteinischen Brandkasse zu übernehmen.

Es konnte nicht ausbleiben, daß er weit über den Bereich des Fleckens hinaus an Ansehen und Einfluß gewann.

Unter seiner Führung gelingt es, das Ödland jenseits der Hambrücke, also das Gebiet des heutigen Stadtwaldes, für ganze fünf Reichsmark vom Fiskus zu erwerben und zum Eigentum des Fleckens zu machen.

Nach Ablauf der sechsjährigen Amtsperiode wird er wieder gewählt.

Nun fördert er mit besonderem, nie ermüdendem Eifer die Bepflanzung des erwähnten Ödlandes, als hätte er vorschauend erkannt, welch große Bedeutung

 

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gerade dies Gebiet nach weiteren vier Jahrzehnten für Bramstedt erlangen sollte. Wäre es auch ohne den Stadtwald möglich gewesen, ein Bad Bramstedt zu schaffen? Nach weiteren sechs Jahren wünschte er abzutreten, ohne seine Wirksamkeit für das Gemeinwesen überhaupt aufzugeben. Den Vorsitz in der Eisenbahn-Kommission, die Amtsanwaltschaft, die Mitgliedschaft in der Baukommission, desgleichen in der Armenkommission würde er gern behalten.

Eine freie Bürgerversammlung nimmt Stellung zu der Angelegenheit, und am 23. Mai 1891 wird die Wiederwahl zur Tatsache.

Doch sehr bald erscheinen Nebelwolken am Horizont. Am 18. Juni 1891 findet in der Baumannschen Wirtschaft eine Sitzung der Fleckensführer von sehr ungewöhnlichem Charakter statt. Freudenthal berichtet: Am 10. Mai d. J. sei ihm eine Eingabe, welche der Landmann J. M. gegen seine am 20. April erfolgte Wiederwahl bei der Kgl. Regierung eingereicht habe, zur Äußerung übersandt. Er habe auf eine Rechtfertigung seinerseits verzichtet und nur die Bitte gestellt, daß ihm die Original-Eingabe des M. zum Zwecke des Strafantrages bei der Kgl. Staatsanwaltschaft wider M. ausgehändigt werde. - Diese Eingabe sei ihm am 1. Juni zugegangen, und er habe am 5. Juni den Strafantrag eingereicht. Der Bürgermeister verliest danach eine beglaubigte Abschrift der gegen ihn gerichteten schweren Anschuldigungen und fügt hinzu, er halte eine Erläuterung für überflüssig. Dann teilt er mit, daß, wenn seine Bestätigung, wie wohl vorauszusehen, nicht bis zum 20. dieses Monats erfolge, er sein Amt am genannten Tage niederlegen werde. Damit dann Bramstedt nicht so lange ohne Bürgermeister sein werde, lehne er die auf ihn gefallene Wiederwahl ab. Er werde seiner vorgesetzten Behörde entsprechende Mitteilung machen. Bei der Niederlegung seines Amtes, das er mit Freude und Lust verwaltet habe, sei er zufrieden, mitteilen zu können, daß bei seinem Amtsantritt Bramstedt 3350 Mark Schulden gehabt, heute dagegen ein Vermögen von 12 000 Mark besitze.

Er habe ja nicht nötig gehabt, die vorliegende Denunziation in einer Fleckenssitzung vorzulegen; auch für die Niederlegung seines Amtes sei die heutige Sitzung nicht erforderlich gewesen. Doch er könne ruhig auf seine amtliche Tätigkeit zurückblicken und habe es für seine Pflicht gehalten, die Sache öffentlich darzulegen.

Ferner erklärt er, es sei am 20. März seine ernste Absicht gewesen, aus dem Amte zu scheiden. An jenem Tage sei ihm einstimmig bewilligt worden, eine Reihe von Ämtern in Kommissionen weiterhin zu führen. Nach so schwerer Anschuldigung bitte er nunmehr das Kollegium, den erwähnten Beschluß noch einmal in Beratung zu ziehen und zu entscheiden, ob es dabei sein Bewenden haben solle. Der Bürgermeister übergibt danach seinem Vertreter Ratmann Hesebeck den Vorsitz und entfernt sich.

Ergebnis der Beratung:

1.   Der Beschluß vom 20. März wird einstimmig und voll bestätigt.

2.   Auch die Bitte des Bürgermeisters, ihm vorläufig die Fleckenslade zu überlassen, damit er einen Bericht über Bramstedt zusammenstellen könne, wird erfüllt.

 

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Noch einmal nimmt Freudenthal das Wort, um den Ratmännern, den Fleckensverordneten und der ganzen Bürgerschaft Dank auszusprechen für die treue Unterstützung, die ihm während seiner Amtszeit zuteil geworden sei. Bewegten Herzens schließt er mit dem Wunsche, daß Bramstedt in Zukunft wachsen und gedeihen möge.

Seine Mitarbeiter bitten ihn, den Raum noch einmal für kurze Zeit zu verlassen.

Bald wird ihm verkündet, daß die Fleckensvertreter mit sieben gegen eine Stimme ihm die Entlassung aus dem Amte ablehnen. - Es ist hinzuzufügen, daß die Regierung es nicht für nötig erachtet hat, überhaupt ein Verfahren gegen den Beschuldigten einzuleiten.

Dem Neidwurm war der Kopf zertreten, bevor er Unheil angerichtet hatte. Ein starker Mann trug die Siegesflagge davon. Er erlebte die große Genugtuung, noch fast 20 Jahre lang das Banner des Fleckens führen und die Wohlfahrt der Mitbürger fördern zu können.

Erst nach dreißigjähriger Tätigkeit hat er das Szepter des Amtes gesenkt. Als er am 10. Oktober 1908 seine Absicht ankündigte, zum 1. Januar 1909 seinen Abschied zu nehmen, da wurde auf Antrag von Dr. Wulf dem Fleckensprotokoll dieser Satz einverleibt:

»Die Fleckensversammlung nimmt mit Bedauern Kenntnis von dem Antrag des Bürgermeisters und spricht schon jetzt dem Bürgermeister ihren Dank aus für seine langjährige tatkräftige und segensreiche Wirksamkeit.«

Die Männer, die diesen Satz geprägt haben, kannten den Scheidenden und wußten Bescheid um seine Leistung. Darüber im einzelnen zu berichten, ist hier nicht der Ort. Hier ist vor allem der Charakter, die Persönlichkeit des in Bramstedts Geschichte einmaligen Mannes ins Licht zu rücken.

Die klaren und starken Linien seiner Haltung, wie sie in widriger Stunde sich geoffenbart hat, treten unverkennbar in dem Bericht vom 18. Juni 1891 zutage. Ein durchdringender Verstand, eine klare Zielsetzung und die Manneskraft, durchzusetzen, was der Wille gebietet, vereinigen sich in wohltuendem Gefüge. Und worauf richten sich seine Gedanken, wenn sein Abschied ernstlich zur Frage steht? Dem Flecken will er in anderm Sinne dienen, eine Chronik des Ortes schaffen.

Ein paar Züge aus seiner geistigen und seelischen Wesenheit vermag der Chronist aus eigenem Erlebnis beizutragen. Das erste als Ohrenzeuge einer Unterhaltung, die Freudenthal, schon nicht mehr Bürgermeister, mit einem Bauern führte. Letzterer hat seine Sache vorgetragen.

Eine kurze kernige Zwiesprache schließt sich an.

Fr.: Woneer weer dat?

B.: As ick noch aktiv weer.

Fr.: Wat seggst Du?

B.: As ick noch aktiv weer.

Fr.: Aktiv? Wat is dat?

 

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B.: Ick meen, as ick Soldat weer.

Fr.: Dat harr's gliek segg'n kunnt. Lat uns Dütsch snacken.

 

Zweites Beispiel.

Auf Wunsch des alten, an den Rollstuhl gefesselten, fast neunzigjährigen Herrn habe ich ihm zweimal ½ Stunde lang - für länger reichte seine Kraft nicht - Proben der werdenden Chronik vorgelesen. Am Schluß der letzten Lesung äußerte er mit erhobenem Haupte, den feuchten Blick fest auf mich gerichtet, die Worte hinzögernd, abwägend: »Hübsch is dat... hübsch... und alles neu!... Kommen Sie wieder!«

Ja, er war, wie nur einer, mit seinem Herzen an Bramstedt verlobt. Aber er war darüber hinaus ein kernfester deutscher Mann.

Ehret diesen Mann, folget in der Heimatliebe diesem Bürgermeister, dem letzten, den Bramstedts Bürger aus ihrer Mitte erkoren haben, dem einzigen, der drei Jahrzehnte hindurch des Ortes würdiger Repräsentant gewesen ist.

Am 15. September 1938 ist dieser gesegnete Mann heimgegangen.

 

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XXI. ANHANG: GELD, MASSE UND GEWICHTE IN BRAMSTEDT

 

Vom Geldwesen

 

Wie es zur Zeit, da die Schauenburger Grafen Herren unseres Landes waren, um die Zahlungsmittel hier bestellt gewesen sein mag, das liegt im Dunklen. Doch liegt die Annahme sehr nahe, daß in dieser Hinsicht die Hansestädte für das deutsche Nordalbingien bestimmend gewesen sind. Dafür spricht, daß 1460 beim Eingehen der Personal-Union mit Dänemark ausbedungen wurde, daß für Schleswig-Holstein die in Hamburg und Lübeck vorhandene Münzwährung maßgebend sein werde. So begegnen wir in den ältesten Urkunden der »lübschen« Mark oder Kurant-Mark. Diese Währung ist erst 1872 durch die reichsdeutsche Währung abgelöst worden. Zwar hat Dänemark 1854 den Schleswig-Holsteinern ihre Bank- und Spezies-Taler insoweit aufgezwungen, als diese Leistungen an die Staatskasse abzudecken hatten; auch sind allerlei deutsche Münzen im Lande umgelaufen, besonders nach dem deutsch-dänischen Kriege 1864; aber dominierend blieben allezeit die Hanseaten.

Die Mark als solche wurde nicht geprägt; sie war ein Rechnungsbegriff, der mit dem Wert von 16 Schilling eingesetzt wurde. Als Münzen liefen um ½, 1, 2, 4, 8, 16 und 32 Schilling-Stücke, aus Silber, verhältnismäßig viel dünner als die reichsdeutschen Geldstücke. Der halbe Schilling kursierte als »Sechsling« und bestätigt, daß der Schilling in 12 Pfennige zu teilen war. Von den Kupferpfennigen ist wohl der Dreiling am längsten in Gedächtnis geblieben.

Gegen 1600 erscheinen auch der Gulden (Gold) und der Reichstaler (Silber) im Lande, jeder derzeit mit 1½ Mark lübsch = 24 Schilling bewertet. Das Wertverhältnis unter den Münzen hat natürlich geschwankt. Nach Detlefsen ist der Reichstaler seit 1622 mit 3 Mark lübsch bewertet worden. Die Kriege um 1813 haben die Herzogtümer sehr nachteilig mit in das dänische Finanzwesen hineingezogen. In genanntem Jahre wurde in Kopenhagen eine Reichsbank gegründet. Diese nahm 6% vom Werte des gesamten Grundeigentums, auch in Schleswig-Holstein, in ihren Besitz. Die Grundeigentümer lieferten entweder den abgeschätzten Wert bar ab, oder sie hatten ihn mit 6% zu verzinsen. Der Rigsbankdaler (2,25 Mark) wurde auch hier landläufige Münze.

Nach 1864 sind die preußischen Silbertaler (3,00 Mark) eingewandert. Der preußische Groschen, der Neu-, der Gutgroschen und der F-Schilling (Friedrich-Franz von Mecklenburg) erschienen auf der Bildfläche. 1872 kam die Reichsmark heraus: in Gold von 20-, 10- und 5-Mark-Stücken, in Silber als 5-, 2-, 1- und ½-Mark-Stücke, ja gar als dünnes 20-Pfennig-Stück.

 

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Als erstes hatte FF zu verschwinden, der Rest folgte in gemessenem Tempo; nur der Taler ist bis in unsere Zeit standhaft geblieben, bis auch ihn das Schicksal abrief.

Der Übergang zur neuen Währung hat manchem Kirchspielsbewohner allerlei Sorge gebracht, besonders den Krämersleuten, die ja alle Preise umzurechnen und Mangel an Kupfergeld hatten. »Dree Groschen sünd veer Schilling«, so höre ich die Krämersfrau, unsere Nachbarin, noch heute den Felsen, auf den sie jegliche Rechnung stellte, als Stütze in Dienst nehmen. Bald aber hat sie mich für diese Mühsal in Anspruch genommen. Ich muß bekennen, in jenem Jahre mehr Lakritzen und bunte Zuckerstangen ihrem Endziel zugeführt zu haben als je zuvor und danach.

Findig aber war der Höker der konkurrierenden Firma Thies. Er wußte Ersatz für die fehlenden Kupferpfennige zu schaffen. (Die neuen Pfennige waren auch nicht den alten gleichwertig.) Er schnitt aus solidem blauen Papier kleine Quadrate, setzte mit seinem Petschaft nach Bedarf ein kleines oder größeres Lacksiegel darauf, und die Kundschaft freute sich mit ihm, für die Pfennigwerte nicht mehr sorgen zu brauchen. - Wer denkt dabei nicht an das Notgeld aus der Zeit des Weltkrieges, das Bad Bramstedt in so ansprechender Form in Umlauf gesetzt hat?

 

Von Maß und Gewicht

 

Bis gegen Ende des vorigen Jahrhunderts sind Getreide und Kartoffeln durchweg nicht nach dem Gewicht, sondern nach Hohlmaß gehandelt worden. In den Bauernhäusern fand man regelmäßig den »Himten« und das »Spint«, oft auch die »Kanne«, angefertigt aus hartem Holz oder aus Metall. Der Himten faßte ungefähr 50 Pfund Korn (Roggen), das Spint den vierten, die Kanne den sechzehnten Teil. Für das Ausmessen des Kirchenroggens mußten noch die kleineren Maße des Quarts und des Ordts hinzukommen; letztgenanntes faßte etwa ½ kg Korn. Das handliche Maß des »Himten« war bei der Hantierung im Bauernhause das bevorzugte; nach ihm wurde der Lohn des mit dem Handflegel arbeitenden Dreschers bestimmt. Jeder vierzehnte oder dreizehnte Himten kam ihm zu, mit dem Zusatze, daß beim Messen die Himten für den Bauern einfach glatt abgestrichen wurden, während der Lohnhimten etliche Seitenhiebe mit dem Stiel der Schaufel erdulden und dazu nach Möglichkeit aufgewölbt werden mußte. Größere Mengen wurden in Säcken aufbewahrt und in den Handel gebracht; eigentliche »Kornböden« haben, länger als nützlich war, gefehlt. Einheitsmaß war die »Tonne« = 4 Himten. Es gab auch Himten, von denen 5 auf die Tonne gingen (Rendsburger Maß). Unsere Kirchenbücher kennen ferner den »Schepel« und den »Drompt«. Um 1740 wurde der Roggenertrag des Gutes Bramstedt abgeschätzt mit 15 Drompt = 90 Tonnen = 180 Schepel, und die Kahnführer aus Wilster, die derzeit den Schiffahrtsplan der Bramstedter fördern sollten, brachten u. a. 3 Lasten Hafer, jede zu 24 Tonnen, auf der Bramau heran.

 

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So kommen wir bequem zu folgender Ordnung der hier ehemals gebräuchlichen Kornmaße:

1 Last                     = 4 Drompt

1 Drompt                = 6 Tonnen

1 Tonne                 = 2 Scheffel

1 Scheffel               = 2 (2½) Himten

1 Himten                = 4 Spint

1 Spint                    = 4 Kannen

1 Kanne                 = 2 Quartier

1 Quartier               = 2 Ordt.

An Hohlraum faßt der Himten ungefähr 35 Liter.

Im Getreidehandel und sonst im Warenaustausch ist seit Jahrhunderten auch das Gewicht als Wertmesser üblich gewesen. Dabei war der Zentner seit 1872 = 50 kg, vorher in unserm Lande 100, in Hamburg dagegen, wenn auch nur bis 1858, = 112 Pfund.

Die zweischalige Waage, an passender Stelle auf dem Hofboden oder auf der Grotdeel an starkem Eisenhaken hängend, war nicht selten in den Bauernhäusern unseres Bezirks. Eine Serie von Gewichtstücken, das größte 100 Pfund schwer, bot den Jungmännern prachtvolle Gelegenheit zu Stemmübungen.

Auf der nächsten Stufe begegnen wir der einschaligen Waage mit Laufgewicht, und dann hat die bequemere Dezimal- oder Brückenwaage ihren Einzug gehalten. Für kleinere Mengen, z. B. beim Plünn- und Knakenhandel behauptete der »Besemer«, auch Beeßmer genannt, noch lange das Feld. Er war nicht ein ganz zuverlässiges Instrument, bot aber die große Bequemlichkeit, daß man ihn überall ohne weiteres verwenden konnte; denn er war eine »Handwaage«. Auch die »Federwaage« ist hier zu nennen, die als Waage für den Haushalt sich große Beliebtheit verschaffen konnte.

Als Wäge-Einheit hat sich allen Wandlungen zum Trotz das Pfund unentwegt behauptet. Obgleich seit Einführung des metrischen Systems (1872) von Amts wegen zunächst nur »geduldet« und seitdem mehrfach durch Gesetz entthront, wird im Kleinhandel unverzagt nach Pfund, ½ und ¼ Pfund auch heute noch bestellt und gegeben, ein überzeugendes Beispiel von der Macht der Gewohnheit. In diesem Falle wirkt es natürlich mit, daß das Pfund mit seinen 500 g sich leicht in die Dezimal-Ordnung einordnet. - Vergessen sind die Vielfachen des so lebenszähen Grundgewichts: das Liespfund ==14 Pfund, das ehemals im Bramstedter Heuhandel gang und gäbe war; ferner der »Stein« = 20 Liespfund = 280 Pfund. -Der »Stein« galt in den Dörfern als das erwünschte Mindestgewicht des zu schlachtenden Mastschweines. - Auch die Unterteilung des Pfundes, nämlich Lot = 1/32 Pfund und Quint = 1/128 Pfund gehören lange schon der Vergangenheit an; das Lot freilich, ein Maß, das für die Kaffeebereitung eine entscheidende Rolle gespielt hat, ist im Munde der Hausfrau noch recht lange lebendig geblieben. Die Rezeptbücher für die Küche haben sich schwer davon lösen können.

Im ganzen ist die Waage für den Verkehr mit den ländlichen Erzeugnissen, seien

 

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sie nun pflanzlicher oder tierischer Natur, heute das vorherrschende Instrument; die Hohlmaße dienen in der Hauptsache nur noch für Flüssigkeiten.

Noch in der letzten Hälfte des vorigen Jahrhunderts wurden Rinder, Ochsen, Kälber, Schweine und Ferkel nach Schätzung (im Slump) verhandelt; Händler und Bauer haben sich im Einzelfall bemüht, in der Kunst der Überredung den Partner zu übertreffen. Bramstedt» Viehhändler haben es indessen verstanden, im großen und ganzen sich bei den Erzeugern ein gutes Vertrauen zu schaffen; dennoch ist es nicht ausgeblieben, daß es einem Teile gelang, den andern gehörig übers Ohr zu hauen, sonderlich, wenn der Spiritus dabei mitgeredet hatte. Die Waagschale bot die Möglichkeit, dem entgegenzuwirken. Aber weder die Waage des Bauern, noch die des Käufers waren Präzisionsapparate, noch war die Möglichkeit betrüglicher Hantierung ausgeschlossen: der Ruf nach der Ratswaage stellte sich ein. Eine solche hat Bramstedt seit etwa drei Jahrzehnten zur Verfügung gestellt; sie stand im Schlüterschen Gewese, dem heutigen »Rolandseck«. Als »Wiegemeister« dient ein Beauftragter des Bürgermeisteramtes, natürlich nicht als festbesoldeter, sondern angewiesen auf die nach bestimmtem Schragen von den Handelsbeteiligten zu entrichtende Gebühr. - Für die Feststellung des Zentner- oder Pfundpreises war ziemlich restlos der Hamburger Markt maßgebend. Qualität, Nachfrage und Angebot bedingten ein Schwanken der Preise. Erst die jüngste Zeit hat für die meisten landwirtschaftlichen Produkte konstante Preise eingeführt und dadurch das Risiko für den Erzeuger wesentlich beschränkt. Freilich restlos geht das nicht an. Zum Beispiel ist mit gutem Grund vermieden, den Handel mit Pferden auf die Waage anzuweisen, weil hier die Güte und nicht das Gewicht den Wert bestimmt.

 

Vom Flüssigkeitsmaß

 

Die Milch ist früher nach »Kannen« verkauft worden, ebenfalls das Bier, natürlich auch in Halben und Vierteln. Die Bramstedter Chronik erwähnt vielfach die »Tonne« Bier, bald Bramstedter, bald höher geschätzte Hamburger Ware. Es mag der gleiche Hohlraum sein, der uns als Kornmaß bereits bekannt wurde und auch die Kanne als Unterteilung (1/64) zuließ, wonach diese gut 2 Liter faßte. In der Gastwirtschaft ist nach ganzen, halben und viertel Kannen verzapft worden, später nach »Seideln« zwischen ½ und ¼ Kanne. - Der Branntwein wurde nach »Öseln«, etwa ½ Kanne, gehandelt, in der Schänke nach ½ Ösel gegeben. Zur Zeit der Kornernte spendierte der Bauer den Schnittern und Schnitterinnen Bier in »Ankern« = etwa ¼ Tonne. Statt Bier konnte es auch Köm sein.

 

Vom Längenmaß

 

Unsere Vorfahren haben bis zur Einführung des metrischen Systems zwei uralte Maße, den »Fuß« und die »Elle« verwendet. Beide sind hergeleitet vom mensch-

 

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lichen Körper, indem ersteres die normale Länge des männlichen Gehwerkzeuges und letzteres die Strecke vom Ellbogen bis zur Spitze des Mittelfingers übernimmt. Doch fielen die »Füße« in den verschiedenen Staaten recht verschieden aus. In unserm Bezirk ist der hamburgische Fuß (28½ cm) maßgebend gewesen; die Elle war gleich 2 Fuß; dazu kam die Unterteilung des »Fuß« in 12 Zoll, der Elle in ½ und ¼ und 1/8. Beim Einkauf von Webwaren ging es oft um »grot Eel« und »lütt Eel«. (5 brabantische waren gleich 6 Hamburger). In Handwerk und Industrie ist lange mit englischem Maß gerechnet worden, weil England als Industriestaat lange an der Spitze gestanden hat. - Die Elle war die vielgebrauchte Dienerin der Hausfrau, hatte diese doch fast nur mit den »Ellenwaren« zu schaffen. So wurde denn auch dies Instrument vielfach in tadellos hergestellten und trefflich verzierten Exemplaren der angehenden Hausfrau mit auf den Weg gegeben. Ebenholz, Elfenbein, auch Edelmetalle zeugten von der großen Bedeutung, die man diesem »Szepter« der »Hausfrau« beilegte. Viel tausend Stücke selbstgefertigter (egenmakt) Leinewand sind in den Bauernhäusern des Kirchspiels mit der Elle abgemessen worden, und Jahrzehnte hat es gedauert, bis dieses althergebrachte Maß praktisch aus dem Verkehr mit Manufakturwaren verdrängt werden konnte. Für Längenmessung auf Heide und Weide und Acker und Wegen galt die »Rute« = 16 Fuß, für Entfernungen von Ort zu Ort die Meile, in unserm Falle der fünfte Teil eines Breitengrades = rund 7,5 km.

 

Die alten Flächenmaße

 

Unsere Heimat hat die Flächen der Feldmark ursprünglich berechnet nach der Menge des Roggens, die für die Einsaat erforderlich war. Die völlige Übereinstimmung der Namen spricht wohl zwingend dafür. Wir lesen von soundso viel Tonnen, Schepel, Himten und Spint Ackerland, und die auf solche Weise bestimmten Flächenmaße sind auch auf Wiese, Weide ,Wald und Heide übertragen worden. Bei der Aufteilung des Bodens (um 1800) und dem mit der Bevölkerungszahl wachsenden Begehr nach demselben wurden genauere Messungen nötig. So sind Quadratruten und Quadratfuß hinzugekommen. Noch ist zu sagen, daß zu unbekannter Zeit zu der Ursprungstonne eine kleinere hinzugekommen ist, wahrscheinlich nach der Hafer-Einsaat bestimmt; daher heute die nicht so seltene Unterscheidung von »grot Mat« und »lütt Mat«.

 

Zusammengefaßt:

1 Tonne grot Mat                 = 340 Quadratruten

1 Tonne lütt Mat                  = 240 Quadratruten

1 Himten                                =    ¼ Tonne

1 Spint                                    =    ¼ Himten

1 Quadratrute                        = 156 Quadrat-Fuß

 

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Für ungefähre Umrechnungen kann gelten:

7 Tonnen grot Mat              = 10 Tonnen lütt Mat

1 Tonne lütt Mat                  = ½ ha

1 Quadratrute                        = 21 qm

1 qm                                        = 12 Quadrat-Fuß

 

Raummaße

 

Im Holzhandel sind üblich gewesen: der Kubikfuß und der »Faden«, ersterer bei der Bewertung ganzer Baumstämme, also für Bau- und Nutzholz, der Faden dagegen beim Aufmessen von Brennholz. Die 2 Fuß langen Kloben wurden aufgeschichtet und ein rechtwinkliger Haufe von 6 Fuß Höhe und 6 Fuß Breite stellte einen Faden dar. Es ist unschwer zu erkennen, daß dieses Maß in Breite und Höhe ungefähr der Klafterweite eines Mannes von mittlerer Statur entspricht. Das Verhältnis zum cbm ist rund 12:7. - Bei Beginn des Weltkrieges (1914) kostete hier ein Faden gutes, gespaltenes Brennholz 10-12 Mark. Beim Bau der Chaussee Altona-Kiel (1832) wurde das erforderliche Steinmaterial nach Faden, der nötige Kies aber nach »Pott«, d. i. ein prismatischer Haufen von 16x16x4 = 1024 Kubikfuß, angekauft.

 

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Ein Bramstedt-Lied

 

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QUELLENVERZEICHNIS

 

1.                     Akten und Dokumente des Kieler Staatsarchivs (jetzt Landesarchiv Schleswig und Stadtarchiv Kiel)

2.                     Alte  Kirchenbücher,   Akten  und  Protokolle   der  Kirchengemeinde   Bad Bramstedt

3.                     Fleckensbuch, Akten und Protokolle der Stadt Bad Bramstedt

4.          Pastor Kahler: Das Stör-Bramautal

5.                     Die Bramstedter Nachrichten

6.                     Die Niederdeutsche Warte (V, 2)

7.                     Falcke: Staatliches Magazin (Bd. VII)

8.                     Dankwerths Chronik von 1652

9.                     Mensing: Schleswig-Holsteinisches Wörterbuch

10.                 Schleswig-Holsteinischer Provinzialbericht (Bd. II, 6)

11.                Reichs-Postreuter

12.                J. F. Süersen: Über die Mineralquellen bei Bramstedt im Holsteinischen

13.                Niederelbischer Merkur (G. H. Mahnke: Bramstedt als Kurort)

14.                Haderslebener Wochenschrift

15.                Gildebuch der Pfannen- und Mobiliengilde Bad Bramstedt

16.                Gildebuch der Bramstedter Vogel-Schützen-Gilde

17.                Gildebuch der Pfannen-Gilde des Fleckens Bramstedt

18.                Protokollbuch der Bramstedter Freiwilligen Feuerwehr

19.                Protokollbuch der Bramstedter Turnerschaft

20.                Protokollbuch des Bramstedter Männerchors von 1878

21.                Pastor Bruhns, Chronik der Kirchengemeinde Schlamersdorf

 

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6.                   Die Kirche

7.                   Maria Magdalena

8.                   Altar

9.                   Triumphkreuz:

10.                Das Taufbecken

11.                Älteste bekannte Urkunde aus dem Jahre 1448 (Stadtarchiv Kiel Nr. 112 a) , Original durch Kriegseinwirkung verloren gegangen

12.                Älteste bekannte Bestätigung der Fleckensgerechtsame von 1533 (Landesarchiv Schleswig, Urkundenabteilung 131a Nr. 1)

13.                Ältestes Bramstedter Siegel

14.                Bramstedter Wappen

15.                Bramstedter Fleckenssiegel

16.                Siegel: Schusteramt 1523

17.                Amtshaus – Rathaus

18.                König Christian IV. von Dänemark

19.                Wiebeke Kruse

20.                Das Bramstedter »Schloß

21.                Der Roland von Bramstedt

22.                Gottlieb Carl Christian Freudenthal

23.                Neues Kurhaus

24.                Bramstedt um 1820

25.                Hans Hinrich Harbeck