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Fassung; Fehlerbereinigung noch nicht abgeschlossen / Bearbeitungsstand:
23.03.2005
HANS HINRICH HARBECK
CHRONIK VON BRAMSTEDT
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HANS HINRICH HARBECK
Chronik
von
Bramstedt
BROSCHEK VERLAG . HAMBURG
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Entwurf
des Schutzumschlages: Atelier Broschek
Alle Rechte, einschließlich der Übersetzung und
der Rundfunksendung, sowie die fotomechanische Wiedergabe und die
Mikroverfilmung, vorbehalten
Printed
in Germany
©
S. J. Walter Hardebeck, Johannesburg 1959
Gesamtherstellung: Broschek & Co., Hamburg
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INHALTSVERZEICHNIS
Seite
Verzeichnis der
Abbildungen........................................................................................
. . . . --- 5
Dank...........................................................................................................................................
8
Vorwort......................................................................................................................................
9
I. Kapitel Der
Siedlungsraum nördlich der
Elbe..................................................................... 11
II. Kapitel Der
Ortsname.......................................................................................................
18
III. Kapitel
Die Kirche...........................................................................................................
21
IV. Kapitel Der
Flecken.......................................................................................................
153
V. Kapitel Das
Gut Bramstedt
..........................................................................................
258
VI.
Kapitel Die alte Bramstedter
Mühle.............................................................................
297
VII. Kapitel
Gut
Gayen......................................................................................................
309
VIII.
Kapitel Jürgen Fuhlendorf, der
Befreier.....................................................................
313
IX. Kapitel Der
Roland........................................................................................................
328
X.
Kapitel Vom Schulwesen des Kirchspiels
Bramstedt.................................................... 335
XI. Kapitel Von
der Apotheke und den ersten
Ärzten........................................................ 371
XII. Kapitel
Bramstedt als
Kurort.......................................................................................
375
XIII. Kapitel
Von Lagemännern und Landausschuß............................................................
406
XIV. Kapitel
Hohe
Besucher...............................................................................................
415
XV. Kapitel
Industrie..........................................................................................................
418
XVI. Kapitel
Verkehrswesen...............................................................................................
423
XVII. Kapitel
Chausseebau 1832 und Einnahme aus Chaussee- und
Brückengeldern. 436
XVIII.
Kapitel Seuchen bei Mensch und
Vieh................................................................... 445
XIX.
Kapitel Gemeinnützige
Einrichtungen.......................................................................
452
XX.
Kapitel Gottlieb Carl Christian Freudenthal
............................................................ 473
XXI. Kapitel
Anhang: Geld, Maße und Gewichte in Bramstedt................................ 477
Quellenverzeichnis.............................................................................................................
484
VERZEICHNIS
DER ABBILDUNGEN
Abb.Nr. |
|
Seite |
1.
Stadtsiegel
von 1869-1910.......................................................................................
233
2.
Stadtsiegel
von
1910—1938....................................................................................
234
3.
Stadtsiegel
ab 1938...................................................................................................
234
4.
Bad
Bramstedter
Notgeld........................................................................................
235
5.
Ein
Bramstedt-Lied...................................................................................................
483
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BILDANHANG
Abb. Nr. |
|
|
6.
Die
Kirche (Photohaus Hoffmann, Bad Bramstedt)
7.
Maria Magdalena (Photo Diedrichsen,
Bad Bramstedt)
8.
Altar
(Photo Diedrichsen, Bad Bramstedt)
9.
Triumphkreuz
(Photo Diedrichsen, Bad Bramstedt)
10.
Das
Taufbecken (Photohaus Hoffmann, Bad Bramstedt)
11. Älteste
bekannte Urkunde über Bramstedt aus dem Jahre 1448 (Stadtarchiv Kiel, Nr. 112
a). Original durch Kriegseinwirkung verloren gegangen (Photo Diedrichsen, Bad
Bramstedt)
12. Älteste
bekannte Bestätigung der Fleckensgerechtsame von 1533 (Landesarchiv Schleswig,
Urkundenabteilung 131a Nr. 1) (Photo-Vahlendieck, Schleswig)
13.
Ältestes
Bramstedter Siegel (Photohaus Hoffmann, Bad Bramstedt)
14.
Bramstedter
Wappen (Photohaus Hoffmann, Bad Bramstedt)
15.
Bramstedter
Fleckenssiegel
16.
Siegel:
Schusteramt 1523 (Photo Stadtarchiv, Bad Bramstedt)
17.
Amtshaus-Rathaus
(Photohaus Hoffmann, Bad Bramstedt)
18.
König
Christian IV. von Dänemark (Photo Diedrichsen, Bad Bramstedt)
19.
Wiebeke
Kruse (Photo Diedrichsen, Bad Bramstedt)
20.
Das
Bramstedter »Schloß« (Photohaus Hoffmann, Bad Bramstedt)
21.
Der
Roland von Bramstedt (Photo Diedrichsen, Bad Bramstedt)
22. Gottlieb
Carl Christian Freudenthal (Photo im Besitze der Tochter, Frau Kiel)
23.
Neues
Kurhaus (Photohaus Hoffmann, Bad Bramstedt)
24.
Bramstedt
um 1820
25.
Hans
Hinrich Harbeck (Photo im Besitze der Tochter, L. Harbeck)
-------------------------------------------------------------------------------
In Verehrung
meines Vaters
und in Liebe zu
meiner Heimat
übergebe ich
dieses Buch
der Öffentlichkeit.
S.
J. WALTER BARDEBECK
BUENOS
AIRES, IM NOVEMBER 1959
-------------------------------------------------------------------------------
DANK
Für Überlassung von
Aktenmaterial, von alten Schriften, Urkunden und Protokollen sei noch besonders
gedankt dem Landesarchiv Schleswig-Holstein, dem Stadtarchiv Kiel, dem
Stadtarchiv Bad Bramstedt, dem Kirchenvorstand Bad Bramstedt, der freiwilligen
Feuerwehr, der Turnerschaft, dem Männerchor von 1858 und den Gilden in Bad
Bramstedt.
LISBETH
HARBECK
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VORWORT
Nach dem Tode meines
Vaters im Jahre 1950 übernahm seine Frau und langjährige Helferin, Susanne
Harbeck, die ihr als ein Vermächtnis zugefallene Aufgabe, das noch unvollendete
Werk des Verstorbenen für die Herausgabe druckfertig zu machen. Als dann auch
meine Mutter im Frühjahr 1958 für immer die Augen schloß, hinterließ sie ein
Vorwort zu dem Gesamtwerk, das hier folgen möge:
»Seit dem Jahre 1936 ist
an der Bramstedter Chronik gearbeitet worden. Es wurde mit unermüdlichem Fleiß
gesammelt, gewandert und geforscht. Wo auch nur etwas von alter Zeit zu
entdecken war, wurde sorgfältig nachgegraben. In den Häusern der Bramstedter
lag aus vergangenen Tagen noch dieses und jenes. Da waren alte Leute, die aus
ihren Erinnerungen Wertvolles zu berichten wußten. Alte Dokumente, die in den
Schubladen halb vergessen aufbewahrt wurden, und alte Briefe kamen wieder zum
Vorschein. Im Bürgermeisteramt stand eine große Truhe, und im Archiv der Kirche
lagen wertvolle alte Bücher und Schriften. Vor allem aber gab es das große
Staatsarchiv in Kiel. In einigen Abständen wurde wochenlang von morgens bis
abends alles Wissenswerte aus den alten Akten ausgeschrieben. Das Sammeln des
Stoffes war aber nur die Vorarbeit. Dann begann die eigentliche Mühewaltung des
greisen Chronisten, das sorgsame Auswählen und Auswerten der gesammelten
Einzelheiten. Über 10 Jahre war er damit beschäftigt. Es kam der Krieg und mit
ihm alle Erschwernis des täglichen Lebens. Oft verzögerten die ungewöhnliche
Kälte des Winters und der Mangel an Feuerung jegliche Arbeit. Auch das
Interesse der meisten Menschen war jetzt von anderen, im Augenblick
lebenswichtigeren Dingen in Anspruch genommen, so daß leider wenig
Unterstützung von fremder Seite zu erhoffen war. Schließlich trat der Tod an
den rastlosen Schreiber heran und nahm dem 87jährigen die Feder aus der Hand,
die er mit so viel Liebe und Eifer für seine Heimat geführt hatte. Die Chronik
war so gut wie beendet; es fehlte nur noch die nicht geringe Arbeit des Ordnens
und Sichtens der vielen, fertig vorliegenden Artikel und Abhandlungen. Niemand
vermag die letzte Feilung einer solchen Arbeit so gut abzuschließen wie der
Urheber und Schreiber des Ganzen selbst. Und doch mußte nun die Arbeit ohne ihn
getan werden. Der Famulus mußte einspringen, der in all den Jahren schon
Handlangerdienste geleistet hatte und immerhin mit allem vertraut war. Er tat
es zaghaft und schweren Herzens, aber er war schließlich der einzige, der
versuchen konnte, es im Sinne des Verstorbenen zu vollenden. Denn ihm lag
daran, daß dies Werk, in dem die ganze Liebe und Sorgfalt eines treuen alten
Mannes, eines aufrechten und geraden Holsteiners steckte und das ein Stück
seines Wesens und seiner eigenen Lebensweisheit war, nun auch wirklich so
erhalten blieb, wie es von ihm gedacht und geschrieben worden war: Ich hab's
gewagt! Möge die Chronik nun vielen Freude machen, die Liebe zur Heimat wecken
und stärken und auch späteren Generationen noch nützen, wenn wir auch nicht
fordern und glauben wollen, was in dem alten Fleckensbuch am Anfang steht: »Wat
hier geschrewen ist, is alles ewig duernde!«
Ich habe weder an den
handschriftlichen Aufzeichnungen etwas geändert, noch wurde das Werk bis in die
Gegenwart weitergeführt. Nur einige Fußnoten sowie kleine Ergänzungen zu den
Aufzeichnungen über Verkehrswesen, Feuerwehr, Turnverein und Chorwesen bis etwa
1930 sind hinzugefügt worden. Mein Vater hatte es dereinst aus guten Gründen
abgelehnt, das Jahr 1933 in seinen Berichten zu überschreiten. Es bleibe
späteren Chronisten überlassen, eine Fortsetzung zu schreiben.
Denjenigen, die meinen
Eltern und zuletzt auch mir geholfen haben, die Chronik über das alte Bramstedt
bis zur Druckreife gelangen zu lassen, sei an dieser Stelle herzlicher Dank
gesagt.
Möge das Werk sowohl in
den alteingesessenen als auch in den neu hinzugezogenen Bürgern unserer Stadt
das Verbundenheitsgefühl zu Bad Bramstedt vertiefen und festigen!
Gut
Gayen 1958
Lisbeth
Harbeck
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I.
DER SIEDLUNGSRAUM NÖRDLICH DER ELBE
Die
ersten Nachrichten über die Sachsen
(Niederdeutsche
Warte V 2)
»Auf dem Nacken der
zimbrischen Halbinsel«, so schreibt der Alexandriner Ptolomaios um 150 nach der
Zeitwende, »wohnen die Saxones«. Diese Bemerkung des griechischen Forschers ist
das älteste schriftliche Zeugnis über die Sachsen. Es enthält zugleich einen
Hinweis auf deren engere Wohnsitze, die Gaue Holstein, Stormarn und
Dithmarschen. Nach der Ansicht verschiedener Forscher haben die Bodenfunde die
Richtigkeit der überlieferten Anmerkung bestätigt.
Hofmeister in
»Urholstein«: »Das gesamte Sachsenvolk entströmte dem Gebiet nördlich der Elbe,
und hier war es kein anderer Platz als der Gau Holsaten, der das Ausgangsland
der gewaltigen sächsischen Kolonisation darstellt.« Mit ihren »klinkergebauten«
Booten setzten sie um 200 nach der Zeitwende über die Elbe. In der Stammessage
heißt es, daß die Sachsen auf dem jenseitigen Ufer »Thüringer« angetroffen
hätten und dann auf die Chauken gestoßen seien. Auch hier ergänzen die Funde
die überlieferten Berichte. Im Gebiet zwischen Elbe und Weser entdeckte man
bisher 60 sächsische Friedhöfe, unter denen der von Westerwanna mehr als 6000
Gräber und über 1300 Urnen besaß. Mit Hilfe römischer Münzen hat man eine
weitere zeitliche Stütze für die behauptete Übersiedlung vom Nord- zum Südufer
erhalten. Man fand die fremdländischen Geldstücke u. a. in den Urnenfriedhöfen
von Perlberg, Issendorf, Wenden und Altenwalde. Zur selben Zeit stießen die
Sachsen über See an die Nordseeküste vor. Der Streifen von der Scheide bis zur
Bretagne wird zu jener Zeit »Sachsengestade« genannt.
Zeitpunkt
der Siedlung
Schon vor der Zeitenwende
haben die Zimbern und Teutonen in großen Scharen die zimbrische Halbinsel, also
auch Holstein, verlassen, um im Süden, auf römischem Boden, günstigere
Bedingungen für dauernde Siedlung auszunutzen. Frühere Nachrichten über unser
Heimatland und seine Bewohner liegen nicht vor. Zwar sind auch in der
Bramstedter Gemarkung Altertumsfunde gemacht worden, besonders unter der Lieth,
die auf die Stein- und Bronzezeit zurückweisen. N.F. Paustian hat auf diesem
Gebiet sich eifrig betätigt und dem Kieler Museum für Altertümer einen
wertvollen Schatz solchen Gutes zuwenden können. Auch das Bramstedter
Gemeindehaus hütet solche Funde. Aber, abge-
11
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sehen davon, daß des
Genannten Sammlung zu einem guten Teil nicht der hiesigen Feldmark entstammt,
ist im ganzen zu sagen, daß Nachweise über eine frühere Siedlung an hiesigem
Orte nicht beigebracht worden sind. Mit dem Gedanken, an des heutigen Bramstedt
Stelle habe einst ein größeres, mächtigeres gestanden, ist nichts anzufangen,
solange jedes handfeste Zeugnis dafür fehlt. Unbestritten bleibt aber, daß
Bramstedt in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts durch den Erzbischof Ansgar
zu einem der ersten Kirchorte Holsteins geworden ist; genaue Feststellung des
Jahres fehlt.
Von
Urholstein und Holstein
Das Kirchspiel Bramstedt
wird von Geschichtsforschern als ein »urholsteinisches« angesprochen. Sofern
damit gesagt sein soll, daß es zu den ersten Kirchspielen zählt, die im Gebiete
des heutigen Landes Holstein gegründet worden sind, handelt es sich um einen
unbestreitbaren Tatbestand. Will man aber hinweisen auf ein »Urholstein«, aus
dem ein anderes Holstein sich entwickelt hat, so liegt die Sache nicht so
einfach. Die Bramstedter werden ziemlich restlos der Meinung sein, ihre
Ortschaft sei ganz bestimmt ein Bestandteil von »Urholstein« gewesen, ohne
allerdings die Grenzen dieses Landes angeben zu können. Auch ist der
Entwicklungsgang zum heutigen »Holstein« wenigen vertraut. Wer das bedauert,
dem möchten folgende tabellarisch gefaßten Angaben willkommen sein.
113-101
vor der Zeitwende: Der germanische Stamm der Kimbern verläßt seine Heimat, die
Halbinsel nördlich der Elbe; Wanderung nach Gallien und über die Alpen;
Untergang nach tapferstem Kampfe.
5.
Jahrhundert, Mitte: Sachsen und Angeln, auch Jüten, siedeln über das Meer nach
Britannien, nachdem König Vortigern sie um Beistand gegen die Urbewohner, die
Pikten und Skoten, gebeten hatte; sie machen sich zu Herren des britischen
Landes.
Um
800 Karl, der Frankenkaiser, schließt Frieden mit den Sachsen; der nördlich der
Elbe wohnende Teil dieses Stammes wehrt sich noch; Karl bezwingt sie unter
Beistand der östlicher wohnenden Wenden (Slawen) und fügt 811 das eroberte Land
seinem Reiche ein; es hatte bis dahin unter Herrschaft des Dänenkönigs
gestanden und trägt nun den Namen Nordalbingien (Albis/Elbe).
834
Ansgar wird zum Erzbischof von Hamburg ernannt, dem auch Nordalbingien
unterstellt ist; in die Zeit von 834-40 ist die Gründung der Bramstedter Kirche
zu verlegen.
961
Kaiser Otto der Große betraut den energischen Hermann Billung mit der
Lehnsherrschaft über das Herzogtum Sachsen mit Einschluß der Nordmark. Die
Billunger haben sich behauptet bis 1106. (Dithmarschen und die Haseldorfer
Marsch von Wedel bis zum Rhin waren der Grafschaft Stade einverleibt.)
12
-----------------------------------------------------------------------------------
11.
Jahrhundert, zweite Hälfte: Adam von Bremen, Domherr daselbst, schreibt
Nachrichten über Nordalbingien nieder. Danach sind drei sächsische Stämme dort
angesiedelt: die Dithmarscher (Meerleute) im Westen; die Stormarn (am
Störfluß Wohnende), im Süden durch die Elbe, im Westen und Norden begrenzt
durch die Sturia und deren unweit Neumünster einmündenden Zuläufe; die Holsaten
(Waldbewohner) nördlich der Stör, südlich der Eider bis zum südlichsten
Punkt ihres Mittellaufes, im Westen an Dithmarschen und im Osten an Wagrien,
das Grenzland der Wenden, stoßend. - Damit sind die Wohngebiete Ditmarsia,
Stormaria, Wagria und Holsatia zum erstenmal geschichtlich festgelegt. Und
in diesem Holsatia ist doch wohl das eingangs berührte »Urholstein« gegeben.
Aber das Kirchspiel Bramstedt liegt südlich und östlich der Stör, durchaus in
Stormaria. Denn der Domherr berichtet sonder Gnade: eos Sturia flumen interluit
— zwischen ihnen (den Holsaten und den Stormarn) fließt der Störfluß. Siehe
auch unter 1428.
12.
Jahrhundert Bis in dieses Jahrhundert, zum Teil noch später, haben die
Holsaten und Stormarn manchen harten Strauß gegen die Wenden ausfechten müssen.
Letztere sind zeitweise bis über Hamburg und im Norden bis nach Rendsburg
vorgedrungen. Sie haben die Hammaburg zerstört, das Land gebrandschatzt und die
Einwurzelung und Ausbreitung der christlichen Lehre stark behindert.
1110
Graf Adolf I. von Schauenburg übernimmt die Herrschaft über Holstein und
Stormarn, nicht wie die Billunger als beauftragter Beamter, sondern als
erblicher Fürst. (Lehnsherr war Herzog Lothar von Sachsen.) Das Schauenburger
Wappen, ein Schild mit drei Ecknägeln aus Silber und dazwischen drei gezackten
Zierleisten, wird von Holstein übernommen, nicht von Stormarn. Die
Schauenburger Grafen haben, von geringen Unterbrechungen abgesehen, bis zum
Jahre 1460 sich behauptet, also für das Schicksal unserer Heimat eine große
Bedeutung gehabt. Der erste Adolf residierte in Hamburg und richtete dort die
Domkirche wieder auf. Er förderte in seinem Bereich die christliche Lehre und
den Wohlstand seiner Untertanen. + 1130
1127
Vicelin, der Apostel der Wenden, gründet in Wippendorf das »neue Münster«. Man
hatte ihn dorthin gerufen, um in der alten Kapelle aus Ansgars Zeit zu
predigen. Ihm wird nachgerühmt vom Prediger Helmold in Bosau, er habe durch die
Kraft seiner Predigt »die unbändigen Waldesel zu Menschen herangebildet«. Auch
in Bramstedt, Barmstedt, Stellau und Kellinghusen sei er bemüht gewesen, dem
Evangelium (wieder) Eingang zu verschaffen. (Man beachte 300 Jahre nach der
Einführung von Ansgar.)
1130-1164
Graf Adolf II. - Lothar, inzwischen (1125) deutscher Kaiser geworden, hatte das
Herzogtum seinem Schwiegersohn Heinrich dem Stolzen übergeben. Lothars
Nachfolger aber setzte 1138 den Markgrafen Albrecht
13
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den Bären zum Herzog über Sachsen ein. Dem versagt Adolf II. die
Anerkennung, kann sich aber nicht behaupten und muß das Land räumen.
1138
Heinrich von Badewiede tritt auf des Markgrafen Anordnung an Adolfs Stelle.
Dieser, ein hervorragender Krieger, nimmt den Kampf gegen die Wagrier auf und
bereitet ihnen eine entscheidende Niederlage, die der Herrschaft der Wenden
innerhalb Albingiens ein Ende macht. - Heinrich der Stolze stirbt 1139. Sein
Sohn, Heinrich der Löwe, bekommt Sachsen zurück. Albrecht der Bär tritt ab, und
sein Freund Badewil wird mit Lauenburg abgefunden.
1143
Graf Adolf II. führt wieder das Zepter. Holstein, Stormarn und Wagrien werden
unter dem Namen Holstein zu einem Staatsgebilde vereint.
»Urholstein« ist nicht mehr (siehe unter 11. Jahrhundert). Aber noch stehen
Dithmarschen (seit 1062 dem Erzbischof von Bremen Untertan) und die Haseldorfer
Marsch (siehe 961) außerhalb.
1143-1164
Viele Adelige, auch Bauern, werden in Ostholstein, das nun nur dünn bevölkert
war, mit Gütern und prächtigen Hufen ausgestattet. Auswärtige Siedler kommen
ins Land, z. B. Friesen nach Süsel, Westfalen nach Ahrensbök, Holländer in die
Eutiner Gegend. - Auch Vicelin hat sich in dieser Hinsicht verdient gemacht.
Auf seinen Ruf kamen holländische Kolonisten in die Kremper Marsch, in die
Wilster und Haseldorfer Marsch. Sie haben den vielfach noch urwüchsigen Boden,
der oft eine wahre Wildnis darbot, in fruchtbares Ackerland umgewandelt. Und
das war auch seinem Kloster nicht nachteilig; denn dies wurde mit dem Rechte
ausgestattet, beiderseits der Ciester (Seester) den »Zehnten« zu heben.
Anerkennend hat Adolf II. ihm auch das Bistum Oldenburg übergeben,
identisch mit dem Bistum Lübeck, aus dem später das Fürstentum Lübeck
entstanden ist.
1164-1203
Adolf III. - Herzog Waldemar von Schleswig (Südjütland), Bruder des
Dänenkönigs, dringt in Holstein ein, besiegt Adolf bei Stellau (1202);
letzterer wird bei Hamburg gefangen genommen. - Im nächsten Jahr wird Waldemar,
nun auch König von Dänemark, zum Herrn über Schleswig und Holstein. Adolf wird
gegen sein Ehrenwort freigegeben, dabei aber aus seinem Lande verbannt.
1203
Waldemar ist Beherrscher der ganzen kimbrischen Halbinsel. Graf
Albert von Orlamünde, Neffe Waldemars, wird Statthalter über Nordalbingien.
1214
Der spätere Staufenkaiser Friedrich II. verzichtet zugunsten Waldemars (des
Siegers) auf alle Rechte in Nordalbingien. Der Papst bestätigt den Vertrag
(wegen des Bremer Erzbistums).
1225-1239
Adolf IV., des verbannten Schauenburgers Sohn, tritt hervor, verbündet sich mit
Heinrich von Schwerin und dem Erzbischof von Bremen. Dem Schweriner war es
vorher gelungen, mit List den mächtigen Waldemar als Gefangenen nach Mecklenburg
zu führen. Der vereinigten Macht gelang es, den zum Reichsverweser Dänemarks
eingesetzten Albert
14
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von Orlamünde vollständig zu schlagen. - Adolf nahm das väterliche Erbe in
Besitz, nachdem er den Hamburgern wertvolle Vorrechte zugestanden hatte. -
Waldemar erlangte durch feierlichen Eid, künftig Frieden halten zu wollen,
seine Freiheit.
Waldemar wird vom Papste seines Eides ledig gesprochen, besetzt überraschend
Rendsburg und Itzehoe, und der Kampf lodert abermals auf. An Stelle des
Erzbischofs von Bremen ist diesmal Herzog Albrecht von Sachsen der Dritte im
Bunde.
1227
Nach allerlei Wechselfällen kommt es zur Entscheidungsschlacht bei
Bornhöved. Die Dithmarscher Bauern waren während der Schlacht auf Adolfs
Seite getreten. Ergebnis:
Die Dänenherrschaft ist beendet. Die von Friedrich II. aufgegebene Nordgrenze
des deutschen Reiches und die Selbständigkeit der holsteinischen
Grafschaft sind wiederhergestellt. Lübeck wird völlig freie Reichsstadt.
Hamburg bleibt noch unter holsteinischer Hoheit, ist indessen praktisch
fast selbständig. Dithmarschen, schon 1202 von der Grafschaft Stade
getrennt, bleibt Freistaat unter unmittelbarer Hoheit des Bremer Erzbischofs.
Adolf
gründet, seinem Gelübde gemäß, eine Reihe von Klöstern: Johannis- und
Maria-Magdalenen-Kloster zu Hamburg, Nonnenkloster in Reinbek, desgleichen in
Ivenstedt (1272 nach Itzehoe verlegt), Kloster zu Cismar, Marienkloster zu
Preetz wird ausgestattet mit der Propstei, wohin Kolonisten gerufen werden;
Adolf geht 1239 ins Maria-Magdalenen-Kloster zu Hamburg, gründet später noch
das Marienkloster zu Kiel, wo er die letzten Jahre gelebt hat und gestorben ist
(1261).
1239
Abel, Herzog von Schleswig, Sohn Waldemars II. und Schwiegersohn Adolfs IV.,
wird von letzterem zum Vormund seiner noch unmündigen Söhne Johann und Gerhard
bestellt. Also lag nun die Regierung Schleswigs und Holsteins in einer Hand. -
Abel kommt in Streit mit seinem Bruder, dem Dänenkönig Erich; er läßt diesen in
der Schleimündung ermorden, und es gelingt ihm, auch die dänische Krone zu
gewinnen, d. h. praktisch die ganze Halbinsel zu beherrschen. Indessen starb er
schon nach zwei Jahren.
1252
Die Friesen hatte er ebenfalls gefügig machen wollen. Diese waren
ohne einen eigenen Verband. Sie duldeten keine Adeligen und keine Sklaven unter
sich. Als König Abel ihre seitherige Freiheit mit Gewalt unterbinden wollte,
hat der Rademacher Wessel Hummer ihn mit der Streitaxt erschlagen. - Doch haben
sie den dänischen Königen ein »Landgeld« dauernd entrichtet.
Johann und Gerhard werden beide als Regenten
anerkannt. Sie fordern die Herausgabe Rendsburgs, das 1227 noch bei Schleswig
geblieben war, und setzten sich durch. Sie haben das volle Erbrecht für
Holstein eingeführt, wonach jeder männliche Erbe ihres Hauses das gleiche
Anrecht auf die Herrschaft haben sollte. Nach ihrem Tode wurde demnach das Erbe
auf-
15
------------------------------------------------------------------------
geteilt, und so gab es nun
zwei Hauptlinien unter den regierenden Grafen: die Kieler oder ältere
Linie, von Johann I. abstammend, und die Itzehoer oder jüngere Linie, von
Gerhard I. abstammend.
Um
1300 herrschten bereits fünf Grafen im Lande:
Kieler Linie: Adolf V. zu Segeberg und Johann II. zu Kiel; Itzehoer: Heinrich
I. zu Rendsburg, Gerhard II. zu Plön, Adolf VI. zu Schauenburg; letzterem
unterstand in Holstein nur die Grafschaft Pinneberg, die dadurch zum Anhängsel
des Stammlandes wurde.
Es ist klar, daß diese Zersplitterung, die auch noch Erbstreitigkeiten im
Gefolge hatte, dem Lande nicht förderlich sein konnte.
14.
Jahrhundert, erste Hälfte:
Die Kieler Linie erlischt. Gerhard III. oder der Große und Johann der Milde
haben die Regierung in Händen. Der Stand der Adeligen trotzt ihren Befehlen. In
der Wilstermarsch kommt es zur offenen Auflehnung. Dithmarscher Bauern
schließen sich an. Gerhard zeichnet sich als Kriegsheld aus. Persönlich packt
er den Führer der Dithmarscher und schleudert
1306
ihn zu Boden. Sein Ansehen stieg gewaltig: der Adel fügte sich. Doch war sein
Gebiet, auch nachdem sein Mitregent verzichtet hatte, gering: Amt Rendsburg,
Stadt Itzehoe und ein paar kleine Distrikte.
1315
Adolf VI. zu Segeberg wird von dem Grafen Reventlow, den er schwer beleidigt
hatte, in seinem Schlosse überfallen und erschlagen. Gerhard nimmt den Anteil
Segeberg an sich. Man kann mit großer Wahrscheinlichkeit annehmen, daß darunter
Praefectura Segebergensis, die sich mit dem späteren »Amt Segeberg« ziemlich
genau deckte, zu verstehen ist. Mit anderen Worten: ein erheblicher Teil von
Stormarn, darunter die Kirchspiele Bramstedt und Kaltenkirchen, ist nun mit
urholsteinischem Gebiet vereinigt worden. - Übrigens zeichnet die Geschichte
Adolf VI. als einen hartherzigen, bei seinen Untertanen verhaßten Bedrücker.
1317
Schlacht bei Bramstedt (auf dem Strietkamp). Des Erschlagenen Verwandte und
Freunde erkennen das Verfahren Gerhards nicht an. Es kommt zum Kampf. Der
Schauenburger Graf wird bei Bramstedt, die ihm verbündeten Dithmarscher werden
bei Bünzen besiegt.
Gerhard einigt sich mit seinem Vetter Johann dem Milden, der von Plön
nach Kiel übersiedelt.
So hatte Holstein zwei Regenten, abgesehen von dem kleinen Pinneberger
Anteil.
1319
Gerhard versucht vergeblich, die Dithmarscher unter seine Herrschaft zu zwingen.
1324
Er dringt in das Gebiet des Bischofs von Lübeck ein. Dieser schleudert die
geistliche Waffe des Bannstrahls gegen ihn. Gerhard fügt sich: zahlt
Entschädigung, macht eine Bußwanderung nach Lübeck und tut fußfällig Abbitte.
Gerhard hat in der Folge erreicht, daß er zum Vormund über den jungen Herzog
von Schleswig, zugleich Erbprinz von Dänemark, berufen worden
16
-----------------------------------------------------------------------------
ist.
Der junge König trat das Herzogtum Südjütland an Gerhard ab mit der
Bestimmung, »daß es nie wieder mit Dänemark zu einem Staate vereinigt werden
sollte«.
1340
Aber als Vormund und Reichsverweser in Dänemark hat er sich unbeliebt gemacht.
Der dänische Edelmann Niels Ebbesen hat ihn im Krankenbett erstochen. - Kein
anderer Schauenburger hat eine solche Machtstellung innegehabt wie Gerhard der
Große.
1340-1386
Heinrich (Isern Hinnerk) und Klaus, des Ermordeten Söhne, waren kluge und
tapfere Regenten. 1375 haben sie sich als Erben in Besitz Südjütlands
(Schleswigs) gesetzt.
»Isern Hinnerk«, der Name ist von Heinrichs Rüstung hergeleitet. Als Gast des
Königs von England soll er einen wilden Löwen, den man gegen ihn losgelassen
hatte, durch seine Ruhe und seinen festen Blick gebändigt haben. Seither hat er
zwei goldene Löwen im blauen Schild seines Wappens tragen dürfen.
1386
Die dänische Königin Margarete (de swatt Greet) belehnt Gerhard VI. mit dem
Herzogtum Schleswig. Gerhard war ein Sohn des »Isern Hinnerk«.
1404
Die Landesfürsten Gerhard VI. und Albrecht sind gestorben,
letzterer ohne Erben, beide gefallen im Kampfe gegen die Dithmarscher. Gerhard
hinterläßt drei Söhne: Heinrich 7 Jahre alt; Adolf 3 Jahre; Gerhard nach des
Vaters Tod geboren. Heinrich wird im Hause der Königin Margarete, Adolf in dem
des Hohenzollerngrafen Friedrich, der 1415 zum Kurfürsten von Brandenburg
ernannt wurde, erzogen.
1420
Als Achtzehnjähriger kehrt Adolf VIII. in die Heimat zurück, um mit Heinrich
zusammen das väterliche Erbe anzutreten. Bischof Heinrich von Osnabrück, Bruder
von Gerhard VI., hat die Vormundschaft geführt. Der Dänenkönig wollte Schleswig
zurücknehmen. Die Dithmarscher standen auf des Königs Seite. - Aber die jungen
Herzöge, von den Holsten, den Friesen und einigen Hansestädten treulich
unterstützt, bereiteten den Gegnern bei Immerwad eine entscheidende
Niederlage.
1435
Adolf VIII. alleiniger Landesherr über Schleswig und Holstein,
Nordfriesland, Helgoland und Haseldorf er Marsch eingeschlossen.
1448
Ihm wird die dänische Krone angetragen. Er verzichtet und schlägt dem dänischen
Reichsrat den Grafen Christian von Oldenburg, den Sohn seiner Schwester, vor.
Dieser wird, nachdem er in aller Form dem Herzog Adolf und den
schleswig-holsteinischen Ständen die Versicherung gegeben hat, daß »Schleswig
niemals wieder mit Dänemark vereinigt werden solle«, zum König gewählt.
1459
Adolf VIII. stirbt, beweint von seinen Untertanen.
1460
Die Personalunion mit Dänemark tritt in Kraft.
17
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II. DER ORTSNAME
Unsere Stadt teilt ihren
Namen mit fünf anderen Ortschaften im deutschen Reiche. Allesamt liegen sie im
Gebiet der plattdeutschen Sprache. Bad Bramstedt überragt die übrigen in der
Volkszahl so sehr, daß es für sich allein 50 Prozent Häupter mehr zählt als die
übrigen zusammen. Anders gesprochen: es handelt sich um fünf Dörfer. Die
Ortsnamen stimmen im Lautklang überein; in der Schreibweise sondern sich die
zwei in Pommern gelegenen ab als Bramstädt, was hier unbedenklich als
orthographische Zufälligkeit zu verbuchen ist. Die restlichen drei liegen in
Schleswig bei Leck, im Kreis Wesermünde und bei Bassum, also die letzten beiden
in Hannover.
Die älteste bekannt
gewordene Niederschrift unseres Ortsnamens von eines Hiesigen Hand lautet:
»bramstede«. In der Folge begegnet man in regellosem Wechsel den Formen Brame-,
Brahm-, Bramb-, Brahmb-, verbunden mit dem Grundwort: sted, stede, stedt, auch einmal
städt. Niemand bezweifelt, daß beide Teile des Ortsnamens niedersächsischen
Ursprungs sind, ebensowenig, daß der zweite Teil die Bezeichnung einer Stelle,
einer Stätte, eines Platzes, eines Ortes ist. Dieses Wort findet sich innerhalb
des früheren und des heutigen Wohngebietes der Niedersachsen als geradezu
typisch immer wieder: in Schweden in der Form »stad« (Halmstad), in Dänemark
als »sted« (Ringsted), in England als »stead« (Halstead in. der Grafschaft
Essex-Ostsachsen). Bramstedt wird allein durch seinen Namen als
niedersächsische Siedlung ausgewiesen. Beachtenswert ist, daß sich im Lande
Oldenburg die ursprüngliche Form »stede« erhalten hat (Rastede, Westerstede).
Nicht ganz so einfach
steht es um die Deutung des Bestimmungswortes »Bram«. Es wird kein Zufall sein,
daß auch unser Flüßlein durch das gleiche Merkmal bestimmt wird. Bramau, früher
kurz Brame, Brahme (siehe Stielers hochgeschätzten Atlas, 19. Jahrhundert) und
Bram (Mathias Seutter, Karte von Holstein, Mittelalter). Wir stehen vor der Frage,
ob die Siedlung oder die Aue zuerst mit diesem Namen Bram bedacht worden
sei. Mir ist einmal folgende Meinung begegnet: Die Insel zwischen Osterau,
Hudau und Kaffeegraben sei von den ersten Siedlern an ihren Ufern bebaut
worden. Die so geschaffene Verbrämung (Umrandung) habe zu dem Namen Bramstedt
geführt. Mir fehlt der Glaube. Einmal, weil im Sprachschatz der
Niedersachsen dieses Wort gänzlich unbekannt ist, und zum andern auch deswegen,
weil ich den Kaffeegraben nicht als natürlichen, sondern als von Menschenhand
geschaffenen Wasserlauf ansehe (siehe auch Mühle).
Der natürliche Ablauf der
Dinge gestaltet sich doch so, daß der Fluß oder die Aue, an deren Ufern man zu
siedeln sich entschließt, bereits seinen Namen vorher
18
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erhalten hat. Bei
Ortsbezeichnungen wie Störkathen und Eiderstedt sieht man als ganz
selbstverständlich an, daß hinsichtlich des Namens dem Fluß die Erstgeburt
zukommt. Der Hinblick auf die genannten Karten bestärkt unsere Ansicht, daß
unser Fall bedenkenlos an die berührten beiden Fälle anzuschließen ist, d. h.
daß unser Ort seinen Namen trägt nach dem Gewässer, an dem unsere Ursiedler
ihre Hütten gebaut haben. So ist unser Ort einfach und natürlich als stede an
der Bram legitimiert.
Wer dem Ortsnamen die
Erstgeburt zuschreiben wollte, der müßte folgerichtig unsere Aue an die
Bimöhler, die Schmalfelder und die Lentföhrder als »Bramstedter Au«
anschließen. Wer das nicht als todsicher anerkennen will, der wird immer noch
in aufgezeigtem Gedankengang den Regelfall dargestellt sehen müssen.
Und doch ist die
Wißbegierde nicht befriedigt. Sie fragt: Was hat es mit dem beiden Täuflingen
zuerkannten »Bram« auf sich? Wie kommt die Aue zu diesem Merkmal?
Nun, es steht eine Antwort
zur Verfügung, die wohl befriedigen mag. Fügen wir den eingangs gegebenen
Ortsbezeichnungen ein paar hinzu: Brahmkamp bei Heide, Bramkamp bei Rendsburg,
Brahmsee bei Nortorf, so haben wir insgesamt neun Erdenflecke vor Augen. Der
Verfasser hat von jedem Orte schriftlich Erkundigung einziehen wollen, was nur
einmal nicht gelungen ist. Wahrheitsgemäß ist zu berichten, daß genannte
Gegenden übereinstimmend mit trockenem, sandigem Boden reichlich ausgestattet
sind, wo dürre Heide und der Besenstrauch prächtig gedeihen und erhebliche
Flächen für sich in Anspruch nehmen, wenn auch infolge der fortschreitenden
Urbarmachung in schwindendem Ausmaß. (In Bramfeld, einem Hamburger Stadtteile,
wird es ehedem nicht anders gewesen sein). Der Besenstrauch, auch Ginster, in
der Wissenschaft Sarothamnus vulgaris genannt, ist dem Plattdeutschen - und
genannte Gegenden werden ausnahmslos von solchen bewohnt - unter dem Namen
Bram, Braam, Brahm, das »a« allemal recht dunkel gesprochen, aufs beste
bekannt. Dieser Strauch, auffallend durch seine etwas absurde Gestalt und durch
die reiche Fülle goldgelber Blüten, besetzt, solange er nicht gestört wird,
weitgestreckte Flächen und verleiht ihnen im Sommer ein prächtiges Aussehen. So
ist es kein Wunder, daß gerade der »Brahm« recht oft seinen Namen hat hergeben
müssen zur Bezeichnung seines Standortes, es möge sich handeln um Siedlungen,
um Gewässer oder Feldflur. Hinsichtlich der Flurnamen seien noch genannt:
Brahmberg, Brahmloh, Brahmhorst, Brahmviert, Brahmmoor.
Daß unseres Ortes
Gemarkung in Urzeiten in sehr erheblichem Umfange mit Brahm geschmückt gewesen
ist, bedarf keines Nachweises. Immerhin sei in Erinnerung gebracht, daß N. F.
Paustian, Bramstedts erster Freimüller, allein zehn Tonnen (mindestens fünf
Hektar) Ginsterland, besetzt mit Gesträuch von einem Zoll Dicke durch
Feuersbrunst zur Urbarmachung vorbereitet hat (siehe Kähler, Stör-Bramautal,
Seite 110). Verfasser ist selbst Zeuge gewesen, wie auf den Gayen eine Tannenpflanzung
von etlichen Hektar einen vieljährigen Da-
19
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seinskampf mit dem
Urwüchsigen hat führen müssen auf der ganzen Anbaufläche. Hier sei
eingeschaltet, daß eine Äußerung der Bramstedter Nachrichten (8. November
1937), wonach der Brahmstrauch eine ausgesprochene Randpflanze sei, nicht
stichfest ist. Der Brahm behauptet durchaus das ganze Feld, in der Lüneburger
Heide sowohl als auch in der hiesigen Feldmark, solange er nicht durch den
tiefgreifenden Pflug auf den bescheidenen Platz an Wall und Weg zurückgedrängt
wird.
Die Bramstedter Bramfelder
werden nach Ortslage in Richtung Bimöhlen - Hitzhusen in untadeliger Entfaltung
geprangt und auch sonst sich nicht versteckt haben. Wahrlich, die Benennung von
Ort und Gewässer paßt sich völlig den naturgegebenen Verhältnissen an, ist
mithin ganz natürlich. Orts- und Flußname verweisen auf eine Gegend, wo
jedermann mit Sand und Heide, Brahm und Buchweizen bekannt ist und ehedem
reichlich zu tun hatte. Die Aue aber kündet zugleich ausgleichend das
segenspendende Tal der grünen Wiesen an.
Bleibt noch zu bedenken,
daß wir ja heute in »Bad« Bramstedt leben. Von unserem Sol- und Moorbad weiß
man sogar über Berlin hinaus. Daß wir unsern Ort danach nennen, das hat die
Reichspost veranlaßt, und zwar nicht nur im Hinblick auf die übrigen
»Bramstedts«, sondern auch wegen der nicht seltenen Vertauschung mit Barmstedt.
Am 12. Mai 1910 hat die Regierung dem Wunsch der Post Folge gegeben.
20
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III.
DIE KIRCHE
Wenn man eine Chronik
schreibt, so möchte man mit den Berichten aus ältester Zeit anfangen. Da halten
wir wohl die reichste Ernte im Archiv der Kirche. So wird es sich empfehlen,
mit der Kirche und ihrer Geschichte anzufangen. Sie ist eine uralte Gründung;
freilich nicht das auch schon recht ehrwürdige Gebäude, das wir heute kennen,
sondern eine hier vorhandene christliche Kirche überhaupt. Bestimmt hat Ansgar,
der schon im 9. Jahrhundert hier gepredigt hat, nur eine Kapelle zur Verfügung
gehabt. Der Name Capellenberg am östlichen Ausgang des Ortes, auch in dem alten
Fleckensbuch vorkommend, weist darauf hin. Die geschichtlichen Berichte melden
in der Zeit von Ansgar und Vicelin dauernde und heftige Kämpfe zwischen Sachsen
und Wenden, unter denen natürlich auch die Entfaltung des Kirchenwesens
gehindert wurde. Vicelin, der Apostel der Wenden, der 1125 die Priesterweihe
erhielt und der in Neumünster 1154 starb, soll der Überlieferung nach in
Bramstedt, Stellau, Kellinghusen, Nortorf, Barmstedt, Hohenwestedt und vor
allen Dingen in Neumünster seines Amtes gewaltet haben. Ein Gebäude, wie wir es
unter Kirche verstehen, war wohl noch nicht vorhanden.
Das feste Zugreifen Adolf
I. von Schauenburg war günstig für die Entwicklung der neuen Religion hier im
Norden. Nachdem er in Hamburg die Domkirche wieder hatte aufrichten lassen,
sorgte er nachdrücklich für die Wiederherstellung zertrümmerter und die
Errichtung neuer Gotteshäuser. Nicht gering ist die Zahl der Klöster, die
derzeit in unserm Holstein ins Leben gerufen und reichlich mit Landbesitz
ausgestattet wurden. Dazu gehört das uns naheliegende von Vicelin gegründete
Kloster zum heutigen Neumünster (nova monasterium). Aus unserm Kirchspiel haben
einem Kloster zugehört: Bimöhlen restlos; Gayen-Mönke Gayen (wohl zu Reinfeld),
Mönke ist gleich Mönch zu setzen; und ganz überwiegend Armstedt (zu Itzehoe).
Wie es in dieser Hinsicht um die zehn Fuhlendorfer Hufen steht, ist mir nicht
bekannt. - Gewiß ist, daß Vicelin auch in Bramstedt gepredigt und überhaupt
wieder wohl geregelten Gottesdienst zuwege gebracht hat. Das ist geschehen in
den ersten Jahrzehnten des zwölften Jahrhunderts. Vor allem handelte es sich um
die nötigen Gebäude, die, meistens aus Holz gezimmert, so einfach gestaltet
wurden wie nur möglich. Feldsteine wurden hier und da mit verwendet; aber der
gebrannte Mauerstein war derzeit hier noch unbekannt.
Ungefähr in der Mitte des
alten Fleckens liegt der älteste Friedhof Bramstedts. Ein Kranz blühender
Linden umrahmt ihn. Inmitten liegt die alte Kirche unserer Vorfahren, über 600
Jahre alt. Ihr Bau wird von Professor Haupt (»Bau- und Kunstdenkmäler«) in die
erste Hälfte des 14. Jahrhunderts (1316?) verlegt, ge-
21
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kennzeichnet vor allem
durch die gebrannten Mauersteine großen Formats, die erst zu jener Zeit in
unserem Lande bekannt geworden sind. Demnach wird vermutet, daß der Aufbau der
steinernen Kirche zu Bramstedt in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts
erfolgt ist. Für das hohe Alter des Gebäudes sollen noch 1876 Funde Zeugnis
abgelegt haben, die bei der Erneuerung des Fußbodens, der Decke und des
Gestühls gemacht wurden, alte, bauliche Funde, die man auf sechs- bis
siebenhundert Jahre geschätzt hat. Eine ganz bestimmte Zeit läßt sich nicht
angeben. Der Erbauer ist nicht bekannt. Ursprünglich war es eine Kreuzkirche.
Kleinere bauliche Veränderungen sind im Laufe der Jahrhunderte mehrfach
vorgenommen worden. Die Kirche war der heiligen Maria Magdalena geweiht.
Bedeutende Kunstschätze
birgt unsere alte Kirche nicht, wohl aber stammt ein Teil der Inneneinrichtung
auch schon aus sehr alter Zeit. Da ist zunächst das alte Altarblatt, das zwar
nicht mehr ein Stück des heutigen Altars ist, aber wieder zu Ehren kam, nachdem
es viele Jahre verborgen auf dem Kirchenboden lag. Man hat diesen Schrein an
der Nordwand der Kirche wieder aufgestellt. Es ist ein dreiteiliger
Flügelaltar. Die Verzierungen sind zum Teil Schnitzwerk, zum Teil Malerei.
Gemalt ist die Darstellung des Heiligen Abendmahls und die des Leidensweges.
Der obere Teil zeigt geschnitzte Figuren, darunter die Apostel und eine
weibliche Figur, wohl Maria (14. Jahrhundert). Zu diesem Altarschrein gehört
noch ein Aufsatz, gleichfalls aus Holz geschnitzt und mit Malerei versehen. Er
ist an der Südwand in der Nähe des Altars angebracht worden. (Bei der
Restaurierung der Kirche im Jahre 1955 haben Altarschrein und Aufsatz wieder
ihren alten, ihnen zustehenden Platz eingenommen.) An ihm findet man unten den
Namen des Stifters und die Jahreszahl: Casper Vaget, 1625. Der jetzige Altar
ist geschmückt mit einem Ölgemälde, die Himmelfahrt Christi darstellend. (Seit
1955 ist er nicht mehr in der Kirche.) Er ist gemalt worden von dem in
Bramstedt geborenen Künstler Hinrich Wrage (1880). Wer große Ehrfurcht vor dem
Alten hat, mag sich freuen, daß der alte Flügelaltar wieder seine eigentliche
Aufgabe erfüllt. Ein anderes Stück aus alter Zeit, dem der obengenannte Haupt
künstlerischen Wert zuspricht, ist die Figur der Maria Magdalena, auch eine
Holzschnitzerei. Leider ist sie am Arm beschädigt und darum wohl nicht wieder
aufgestellt. Wie schön wäre es, wenn sich einmal die nötigen Mittel zur Renovierung
fänden und die ehemalige Schutzheilige unserer Kirche wieder allen sichtbar
würde. - Neben dem Hauptstück des alten Altars hängt an der Wand das
Triumphkreuz, das früher einmal vor dem Altar von der Decke herabgehangen hat.
Es hat seinen Platz nun zwischen den Statuen der Mutter Maria und dem Jünger
Johannes und stammt aus dem 15. Jahrhundert. Wahrscheinlich ist diese Gruppe
nun so wieder zusammengestellt, wie sie ursprünglich gedacht war.
Die Kanzel ist alt und aus
Holz geschnitzt. Die Figuren stellen von links nach rechts dar: Matthäus,
Lukas, Christus, Johannes und Markus. Darunter stehen die Namen der Geber:
Jürgen Vaget, Maria Vagdes, Casper Vaget, Magdalene
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Vagetes, Klaues und
Margareta Toetkes, Möllersche. Vermutlich stammt sie aus dem Anfang des 17.
Jahrhunderts. Anno 1680 hat der damalige Kirchspielvogt Christian Schlaff die
Kanzel renovieren lassen,
»Kernfest und auf die
Dauer« steht der Taufstein vor dem Altar. Er ist 93 cm hoch, hat einen
Durchmesser von 69 cm und ist aus einem Metall gegossen, das der Glockenspeise
ähnlich ist. Sein Gewicht wird auf 600 bis 800 kg geschätzt. Drei
Menschengestalten tragen ihn. Am Außenmantel findet man fünf erhaben gegossene,
bronzierte Figuren, den lehrenden Christus in sitzender Haltung darstellend.
Zwischen je zwei Christusfiguren befinden sich vier hervortretende Medaillons,
in jedem Falle dieselben. Die zwei oberen enthalten die Attribute der beiden
Evangelisten Matthäus und Johannes: den lesenden Engel und den fliegenden
Adler; darunter die Attribute der Evangelisten Markus und Lukas: den Löwen und
den Opferfarren. Außerdem sind am Mantel noch zwei nicht zu enträtselnde
Figuren. Über diesen Figuren trägt der Mantel den Anfang der in katholischen
Ländern üblichen Gebetsformel in lateinischer Sprache. (Ave Maria gratia,
plena, Dominus tecum benedi[cta]). Auf dem Taufstein stehen zwei Becken, eins
im andern. Die größere Schale hat folgende Inschrift: 1669, 9. Junius, Otto
Siemen; die kleinere Schale trägt die Inschrift: Christian Slaph, Katrina
Slaphs. Anno 1663.
Das Alter des Taufsteins
ist nicht exakt zu bestimmen (13. Jahrhundert). Jedenfalls diente er schon
katholischer Zeit. Die Tiefe läßt vermuten, daß er schon benutzt wurde, als das
Taufen durch Untertauchen vollzogen wurde.
Wissenswert ist, daß das
Taufen bis 1771 nur in der Kirche erfolgte. Die Haustaufe wurde erst im
genannten Jahr zugestanden. Beispiel: Friedrich Leopold von Stolberg, der
bekannte Dichter, wurde am 7. November 1750 geboren in Bramstedt; desgleichen
getauft in der Kirche dorten. (Sein Vater war Amtmann des Bezirks und wohnte in
dem nun nicht mehr vorhandenen Schloßgebäude.) 1782-1793 unter Pastor von Einem
taufte man am 3. Tage. Unter Pastor Kark waren 7 bis 8 Tage üblich, und bei
Pastor Kall, 1825-1830, waren es 1-3 Wochen. In den vierziger Jahren waren 4-6
Wochen gesetzlich vorgeschrieben. Heute hat man Freiheit. Die Taufe wird nicht
erzwungen.
Der Altar (Kirchentisch)
ist aus Mauersteinen gebaut. Eine Decke aus feinem Tuch ziert ihn. Diese
rotscharlachene Altardecke mit silbernen Fransen wurde der Kirche 1732 von Hans
Mohr und Wiebke Mohr aus Bramstedt geschenkt. (Heute [1957] ist die Kirche im
Besitz von Altar- und Kanzelbekleidung in allen liturgischen Farben.) Die
Kirche besitzt drei Altarleuchter, von denen zwei ständig benutzt werden. Der
dritte wurde früher am Tage der Ernte alljährlich von der Frau Pastorin mit
einem Kranze von reifen Ähren und Rispen geschmückt und auf den Altar gestellt.
Woher stammen die Leuchter? Einer derselben trägt diese Inschrift: »Anno 1681
den 1. Juli ist Lorenz Jessen, Königl. Provinzial-Verwalter in Glückstadt,
durch den Gebrauch des Wassers vom Quartan befreit. Verehrt diese Leuchter zum
Gedächtnis.« Diese Leuchter sind 10-20 kg schwer und bestehen aus Messing mit
einem Zusatz.
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Im Hauptgang der Kirche
hängen zwei Kronleuchter. In früheren Tagen dienten sie bei Frühpredigten und
bei Nachmittagsgottesdiensten wohl regelmäßig. Sie stammen aus 1700 und 1732.
Beide sind der Kirche gestiftet worden. Hier die Widmung:
»Soly Deo Gloria. Gott zu
Ehren und der Kirche zur Zierde hat Jürgen Fuhlendorf aus Bramstedt und seine
Frau Anna gebohrene Henniges diese Krone der Kirche Bramstedts verehrt. Anno
1700.«
Die Kugel der zweiten
Krone hat diese Inschrift:
»Sehl. Max Lahanns tochter
aus Föhren schenkt diese Krone der Kirchen Gott zu Ehren. Worzu Hinrich Stöker
und Elsabe Stökers gebeten. Sie möchten den Tempel Gottes mit der Verehrung
betreten. Anno 1732, 24. Dezembris.«
Außer den Ehrentafeln für
die Gefallenen ist noch ein Epitaphium in der Kirche an der Wand neben der
Kanzel. Gerdt Steding, der einst Besitzer des adeligen Gutes Bramstedt war, hat
es für seine kleine Tochter gestiftet.
»Anno 1586 den 29. Juni
ist gestorwen
Christina, des Ehrenwert Gerdt Stedings und Elisabeth,
seiner Hussfrowen, Eheliche Dochter. Der Godt gnedich sei.
Hat gelewet 28 Wochen 3 Dage und Dorttein Stunde.«
Von
den Orgeln in der Bramstedter Kirche
Wir lesen in den alten
Kirchenbüchern, daß 1573 eine Orgel angefertigt wurde, die mit Lohn und Zehrung
147 Mark gekostet hat. Ob diese Orgel nun die erste war, muß bezweifelt werden,
denn in einem Rechnungsbuch wird 1568 erwähnt, daß Hans Hinnerken für das
Bälgentreten zwei Hümpen Roggen bekommen hat. Nachdem diese 1573 erbaute Orgel
fertig geworden ist, ist »anstatt des gewesenen ersten Küsters, Caspar
Röhlfink, ein Organist angenommen.«
Im Schwedenkrieg zogen
1659 Polen durch unsern Ort und haben in der Kirche »wüste gehauset« und die
Orgel zerstört und auf dem Rückmarsch 1660 »die übriggebliebenen Pfeifen
völliget verderbet.« Im Jahre 1667 wurde für Ersatz gesorgt. Man kaufte ein
Positiv von sechs Stimmen aus der Glückstädter Stadtkirche für 360 Mark,
welches am 1. Adventsonntag zum ersten Male »geschlagen« worden. Bis dieses
Werk aber spielfertig war, ist es mit allen Unkosten auf 510 Mark zu stehen
gekommen. »Hierzu ist eine Anlage gemacht und eingehoben vor jede Feuerstätte
2,80 Mark; davon sind damals 206 gewesen.«
Weshalb nun in den Jahren
1695-1701 ein drittes Werk gebaut werden mußte, ist nicht ersichtlich.
Vielleicht reichte das Positiv nicht aus. Es wurde der Orgelbauer Johann Werner
Klapmeyer aus Krempe beauftragt, ein Werk mit 24 Stimmen und Rückpositiv für
1750 Mark zu bauen. Nach jüngerer Lesart soll diese Orgel nur 16 Stimmen gehabt
haben. Für die Aufbringung des Geldes lesen wir, »wozu Commisair Awerhoff nicht
nur eine gute Summe von guten Freunden kollektieret, sondern auch selbst zur
Bezahlung 40 Mark gegeben.«
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1844 wurde diese Orgel
wegen Altersschwäche abgebrochen, und die Orgelbaufirma Wohlin, Altona, baute
für 2400 Mark das heute noch stehende Werk. Bei dieser Gelegenheit wurde auch
die Orgelempore vergrößert. 1845 wurde die Orgel eingeweiht. 1934 wurde sie von
der Orgelbaufirma Furtwängler und Hammer in Hannover gründlich überholt. Dabei
wurde sie teilweise durch Umbau nicht mehr gebrauchsfähiger Register um fünf
Stimmen erweitert.
Maria
Magdalenen
Solange die Bramstedter
Kirchengemeinde den Satzungen der katholischen Konfession unterstellt war, hat
sie den Namen »Maria-Magdalenen« geführt. Kein Wunder, daß von alters her das
Maria-Magdalenen-Fest hier ganz besonders feierlich begangen worden ist. Als
aber durch Luthers Reformation aller Heiligendienst und im besonderen der
Marienkult keinen Platz mehr hatte in der Religionsübung, da konnten die
Gemüter der Pfarrkinder, im besonderen wohl die Frauen, nicht allemal mit der
erwünschten Raschheit die Umstellung zuwege bringen. 1542 ist hierzulande
amtlich die lutherische Kirchenordnung eingeführt worden. Ist es nicht doch
verwunderlich, daß fast zwei Jahrhunderte später sich noch ein Aufzucken gegen
das Neue im hiesigen Gotteshaus bekunden sollte? Wir berichten nach einer im
Kieler Archiv aufbewahrten Niederschrift aus dem Jahre 1733.
Der in genanntem Jahre
hier eingeführte Seelenhirte Magnus Crusius will von einer Feier dieses Tages
nichts wissen; das sei papistisch, er kenne ein solches Fest nicht, und es
komme ihm vor, als habe die Sache bei den Bramstedtern einen abergläubischen
Hintergrund.
In der Folge ist dennoch
ein Teil der Kirchleute aus den Dörfern gekommen. Da gerade Handwerker im
Gotteshaus arbeiteten, sind die Leute unschwer eingedrungen, um nun eine Art
Gottesdienst abzuhalten. Eine besonders lebhafte Frau aus Armstedt hat das Amt
eines Vorsängers übernommen. Nachdem die Sache ihren Reiz verloren hatte, sind
sie abgewandert in die Krüge umher, um sich mit ihrem Werk zu brüsten. Der
überraschte Crusius wendet sich an das Visitatorium. Dieses will in der
althergebrachten Sache ungern etwas tun und zieht sich hinter den breiteren
Rücken des Königs zurück. Dieser verschafft sich durch den Oberkonsistorialrath
und General-Superintendenten Conradi die genaueste Information über Grund und
Ablauf des Vorfalles. Dann entscheidet er:
1. Dem Pastor Crusius sei ein Verweis zu erteilen
wegen der eigenmächtigen Aufhebung des Festes.
2. Die Hauptschuldigen aus der Gemeinde seien in
eine gelinde Geldstrafe zu nehmen, weil sie ebenso eigenmächtig gewesen wären
wie der Pastor, anstatt auf weg Rechtens ein Gesuch einzureichen.
3. Die Bramstedter seien bei der Feier dieses
Festes nach uralter Gewohnheit zu belassen.
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Am Schluß dieses etwas
brenzligen Kapitels noch im Auszug einige Ausführungen der Hauptbeteiligten.
Denn dadurch gewinnen wir wertvolle Einblicke in Stimmung und Empfinden der
Menschen jener Tage.
Also
Crusius an den König:
»Die Gemeinde feiert das
Fest, weil angeblich an diesem Tage der Bau der Bramstedter Kirche soll
vollendet worden sein. - Es ist aber nicht möglich, in den hiesigen
Kirchenbüchern eine Spur von Nachricht dieser Art zu finden. Es handelt sich um
eine leere Tradition der lieben Alten. Auch in dem Kirchenbuche, welches von
den Zeiten der Reformation selbst anfänget, ist nicht ein Buchstabe von diesem
Feste aufgezeichnet. Daher ganz falsch und ungegründet, was zur Bemäntelung und
Verteidigung dieses Festes möchte angewandt werden, als ob dasselbe zum
Andenken der Reformation in diesem Orte gefeiert werde.
Vielmehr ist aus der
Historie dieses Landes erweislich, daß die Ursache des erwähnten Festes in
hiesigen Gegenden einen ganz abgöttischen und abergläubischen Grund habe. Denn
so bezeuget eine alte und unverwerfliche Chronik mit klaren und ausdrücklichen
Worten, daß Anno 1227, als der König von Dennemark Waldemarus II. eben in
dieser Gegend am Tage Maria Magdalena vom Grafen Adolf von Schauenburg totaliter
geschlagen worden, so habe die heilige Maria Magdalena in derselben Stunde, da
die Schlacht bei Bornhövet sollte gehalten werden, nebst dem Kreuze Christi
sich praesentiret und sichtbarlich mit erhobener Hand die Feinde des Königs
Waldemar gesegnet und ihnen die victoria erhalten. Worauf denn Graf Adolph zum
Andenken dieses Sieges aus Dankbarkeit sollte verordnet haben, daß nun die
dasige Mörder-Grube solle in ein Haus des Gebets verwandelt und dieser Tag
feierlich gehalten werden. Aus diesem Fabuleusen und fraglichen Grunde kommt es
lediglich, daß das Maria-Magdalenen-Fest im holsteinischen Lande nur allein zu
Bornhövet und Bramstedt noch heutiges Tages gefeiert und an solchem Tage
öffentlich gedanket wird für die erhaltene victoria wider einen benachbarten
Potentaten.
Er, Crusius, habe das Fest
abgelehnt 1. als evangelischer Prediger und 2. als dänischer Prediger. Er
bittet um Bescheid, wie er sich zu verhalten habe, wenn nun das Fest wieder
herankommt. Damit er außer aller Verantwortung sein könne, weniger auch, damit
das unruhige Volk, welches ohnedem bekannter maßen in dieser gemeine gern ihren
Predigern verdrießliche Händel machen gewohnt ist, nicht ihrer caprice
gestärket und durch ferneres Nachsehen gegen das Amt ihres Predigers und
Seelsorgers aufsässig gemacht werde.«
Und nun Conradi, der
General-Superintendent:
»Die
Maria-Magdalenen-Feier in der Kirche zu Bramstedt sei uralt. Nie haben Fürsten
oder Geistliche derselben bisher widersprochen. Wenn alle Feste, die bei uns
aus dem Papischen übriggeblieben sind, beseitigt werden sollen, dann müsse eine
noch recht große Reihe verschwinden. Man könne auch das Maria-Magdalenen-Fest
sehr herrlich und erbaulich gestalten. In Wahrheit wisse weder der Pastor Cruse
noch irgendein Bramstedter über den Ursprung dieser Feier.
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Aus
der Kirchenverwaltung
Es soll hier berichtet
werden über die Verwaltung des irdischen Gutes, dessen natürlich auch die
Kirche nicht entbehren konnte, auch dann nicht, als Martin Luthers Lehre hier
den Sieg errungen hatte. In den Jahren des Übergangs von der katholischen zur
protestantischen Gotteslehre hat die Kirchenverwaltung durch Jahrzehnte etliche
Wirrung und Irrung durchlaufen müssen, die selbstverständlich in den Gemeinden
in unterschiedlichem Maße zutage getreten sind. Auch nach 1542, wo Johannes
Bugenhagen, Luthers Freund, eine schleswigholsteinische, wesentlich aus dem
Dänischen in das Plattdeutsche übersetzte Generalordnung geschaffen hat, war
noch viel Unruhe und Unfertigkeit zu überwinden, bis die Neuordnung der Dinge
überall auf sicherem Boden stand. Aus der Zeit der katholischen Verwaltung ist
unserer Gemeinde schriftliche Urkunde nicht erhalten geblieben; die
katholischen Priester haben zwar Meßbücher führen müssen, indessen bei ihrem
Abtreten davon nichts zurückgelassen. Ein blinder Zufall hat es gewollt, daß
mit einiger Sicherheit Nikolaus Möller als der Priester genannt werden kann,
der um 1400 im Kirchspiel Bramstedt seines Amtes gewaltet hat. Zwei hiesige
Bürger haben solches Anno 1448 durch Eid feierlich bestätigt, wenn auch der
Schwur nicht gerade auf solche Bestätigung hinzielte. Die Evangelischen haben
die Verwaltung des Kirchengutes in die Hand von vier, durch die Eingepfarrten zu
wählenden Männer, die man dann als Kirchschworene oder Juraten bezeichnete,
gelegt und zwar auf je drei Jahre. Sie hatten Buch zu führen und jährlich
Rechenschaft abzulegen. Anno 1568 ist, soweit erkennbar, zum erstenmal diese
Wahl erfolgt.
»Van wegen des kaspels
(Kirchspiels) sind gekoren:
dirich Rolefinch tho bramestede
hanß schacken tho wymerstorpe
junge hinrich krusen tho
barle
Jasper mertenß tho
armestede.«
Gewissenhaft
wird hinzugefügt: »Dith boek steith (kostet) 7 Schilling.«
In Gegenwart des
Kirchspielvogts Vageth wird der Kassenbestand der Kirche aufgenommen. Man
findet 60 Mark in Gold, 19 halbe Dhaler und ein Goldstück von 30 Mark (1
Portegleser-Ehrenschmuck); dazu einiges Kleingeld.
Es folgt in denkbar
einfachster Form die Abrechnung über das Jahr 1568.
Einnahme
Is de roggen uthgemeten, jeglicher schepel vor ene Mark |
|||
Timke ßchulte |
10
Himten |
jasper brockstede |
4 Himten |
hartich röpke |
2
Himten |
hanß gnuth |
5 Himten |
marquart wischmann |
2
Himten |
|
|
hanß brockstede |
4 Himten |
|
|
davor hefft he gearbeith up den altar |
27
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markuß kruse |
5 Himten |
johann
schulte |
8 Himten |
fabian
schomaker |
4 Himten |
dirich
rolefinch |
4 Himten |
hanß gnuth |
4 Himten |
harmen horn |
8 Himten |
hanß ruge |
6 Himten |
franß horn |
4 Himten |
hanß henneke (vor dat belge treden) |
2 Himten |
dirich
slüter |
2 Himten |
|
|
|
|
lorenz gosow |
4 Himten |
disse
baben schrewen |
roggen ys |
albert birck |
6 Himten |
betahlt. |
|
Ausgabe
De karksworen hebben
vorthereth, alse de roggen worth utgemeten 21 Schilling de karkherr hefft
entfangen vor wyn unde broth 9 Mark
noch hefft de karkherr
entfangen, wat de prauwsth (Propst) verthereth, alse he nha segeberge reisede 6
Mark
Casper rolefinch hefft
entfangen 7 schepel roggen, welkenen roggen he scholde up vastelawende
entfangen hebben,
noch Casper rolefinch
gegewen 1 Mark vor dat meßkleth (Meßgewand, eine katholische Erinnerung)
waschende.
noch hebben wy karksworen
dem karkherren gemethen 10 Himten roggen van der hür (Pacht) wegen von dem
bostel, dar de karkherr up gespraken (aufgekündigt) hefft.
noch hebben de achtmänner
vorthereth, alse se de holtinge (Holzteil) besegen, so thor karken gehört 24
Schilling,
hans hinnerk is noch
schuldich 2 Himten roggen.
Begründung
der Kornlieferung
Voraus nehmen wir zur
Kenntnis, daß durchaus nicht jeder Grundbesitzer im Kirchspiel zu solcher
Lieferung verpflichtet war, nicht einmal, wie wir sehen werden, in jedem Dorf
ein Pflichtiger zu finden ist.
Das Kirchenbuch gibt aus
Anno 1569 folgende Nachrichten:
Bramstedt. Henneke
Dyrk tho Hiddeshusen hefft gegewen einen reep (Stück) des Asbroke, de hefft
belegen gewesen tho hartich Bramstedes Katstelle, dar want nu thor tidt Jung
Hans Stamer Johann up und gifft den Karksworen jahrliches grund für 3 Mark.
Noch hefft de Kark Maria
Magdalenen ein Sadt (Acker), dor up Isern hinnach nu thor tiedt wanet, gifft
jarlikes auf lütt Fastelawendt 1/2 Drompt roggen.
Clawes
Jnuth hefft von dem Karkenherren eine Wische, genannt die Bornwische, darvor
jarliche renthe 6 Mark. Wen he datt geldtt nich lenger will uthgewen, so ys die
wische der karken.
28
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Hiddeshusen: De
Karsworen tho Bramstede entfangen jarlich uth eren sade, dor nu thor tidt
henneke Schacht up wanet, 20 Himten roggen up lütte vastelabendt. -ys nicht tho
Lösen.
Carsten Volscher ys der
Karken 240 Mark höwetstoell (Höftstuhl-Kapital) schuldig; die renthe ys 16
Himten roggen up lüdtke Vastelabend. - Is nicht tho lösen.
Borstel (gesprochen:
Basl): Henrich Kruse wanet up der Karken Bramstede Stede; davor methet he
jarliches up lüdke vastelabend 20 Himten roggen; wenn uns dat Sadt will
upseggen, schall dat eyn Jhar tho vooren geschehen.
Hagen: Timme
Sibberth thom Hagen gifft der Karken jahrlich lütke V. 2 Himten roggen. ys nich
tho lösen.
Hartich Mußfelds
nhagelatene Frau, de jetzigen dat Sadt noch bewanet, metet jarlichen 16 Himten
roggen; is nicht to lösen.
Brockstede: Junge
Timme Lindemann metet jarlichs der karken 3 Himten roggen; ys nicht tho lösend
uth dem Erwe (Erbe); »synd noch tho allen tiden gemetet worden.«
Hasenkrog: Clawes
Vischer gifft vor höwetstoell jarliches an rente 6 Himten roggen.
Hardenbeke: Timme
Stöcker alle Jhar vor einer Wische 6 Schilling up 1. V. Noch metet Timme
jarlich der karken 3 Himten roggen. Is nicht tho lösend.
Wiemersdorp: Hartich
Ordt von der karken Saedt jarliches up 1. V. ein Drompt roggen.
Jasper Stöcker alle 4 Jahr
4 Himpten roggen; is nicht tho lösend. Jasper Stöcker noch für hövetstoell
jarlichs 4 Himten roggen tho meten.
Fulendorp: Clawes
Musfeld gifft von der Karken Sadt jarlichs up 1. V. 20 Himten roggen.
Olde Timme Verst gifft den
Karksworen jarliches up 1. V. 2 Himten roggen; ys ewig uth dem Erwe tho gewen
und by der karken tho bliwen.
Itzehoe: Christoffer
Elers is der karken jarliches rente schuldig 5 Mark wegen hundert Mark hövet
stoell.
Dieser Nachweis der
kirchlichen Einnahmen belehrt uns, daß Anno 1568 weder die Gemeinden noch die
Eingepfarrten nach einer bestimmten Skala eine Kirchensteuer zu bestimmtem
Termin zu entrichten hatten. Soweit es sich um die Unterhaltung des Predigers
und seiner Familie handelt, hatte man durch die Zuweisung einer Vollhufe eine
gesunde Basis geschaffen; hinzu kamen die Gebühren für die mancherlei Dienste,
für welche die Geistlichen in Anspruch genommen wurden, sei es im Gotteshaus,
im Privathause oder auf dem Friedhofe. Immerhin fügte man freie Wohnung und
Wirtschaftsgebäude und deren Instandhaltung hinzu, auch noch »eiserne Kühe«,
für deren Beschaffung und Wiederverkauf zur rechten Zeit die Kirchschworen zu
sorgen hatten. Man darf sich den lutherischen Geistlichen jener Tage vorstellen
als einen Mann, der Kutschpferde zu zügeln wußte und mit landwirtschaftlicher
Hantierung vertraut war. Ein Seelsorger wird schon derzeit mehr erreicht haben,
wenn er unter seinen Pfarr-
29
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kindern lebte und wirkte,
statt über seiner Gemeinde seinen Platz zu wählen. Wer pflügen, säen und ernten
will, tut gut, sich an den Erdboden zu halten. Wer hat nun die Vollhufe
hergegeben? Sämtliche Ortschaften des Kirchspiels? Nein, allein der Flecken.
Wir sahen, wie die Kirchenverwalter einzelnen Hufnern und Kätnern in den
Gemeinden Geld aushändigten und dabei das Recht der Kirche sicherten durch
Verpfändung von Grund und Boden, sei es auf kürzere oder längere Zeit, auf
Zeit- oder Erbpacht oder auch, und nicht selten derart, daß eine Lösung für
immer ausgeschlossen wurde. Auf diesem Wege hat die Kirche 1568 und auch früher
schon und später noch in den Dörfern bald geringere, bald größere Parzellen
ihrem Eigentum eingefügt. Von einem Verfahren, das ein Stück Land in verhältnismäßiger
Größe und Güte aus den verschiedenen Gemarkungen dem Kirchenlande rechtlich
anschließen sollte, verlautet nichts.
Unsere Aufzeichnung aus
Anno 1568 nennt nicht Bimöhlen, Armstedt und Förden. Das ist wohl darin
begründet, daß B. bis zur Reformation Klostergut (Reinfeld) gewesen ist, A. zum
größten Teil desgleichen (Itzehoe).
Verpachtungen aus der Hufe
des Pastoren waren auch möglich, doch war auch dabei die Mitwirkung der
Kirchgeschworen nötig, ferner die Zustimmung des Visitatoriums.
Auffallen mag es, daß die
Grundpacht und die Vergütung für Anleihen in so erheblichem Umfange durch
Roggenlieferung gedeckt wird. Das ist aber nur einem Zustande gemäß, der in
jenem Zeitalter und noch durch ein paar Jahrhunderte weiter in Holstein
allgemein im Schwange war; dem entspricht ja auch, daß man den Pastor in der
Hauptsache auf die Nutzung seiner Hufe anwies; auch die Entlohnung der
Tagelöhner (besonders beim Dreschen), der Knechte und Mägde wurde wesentlich
durch Hergabe von Naturalien erledigt. Die Einführung der Geldscheine ist ja
auch nur eine beschränkte Verbesserung; gerade das 20. Jahrhundert hat uns
eindringlich belehrt, daß ein Sack Korn mehr bedeuten kann als eine Handvoll
Geld.
Anders steht es um die Art
und Weise, wie die Lieferung des Roggens, dat Utmeten, sich vollzog. Dafür
wurde ein Termin festgesetzt, Ort war die Grotdäl in der Scheune, wohl auch im
strohgedeckten Wohnhaus des Pastoren; die Kirchschworen hatten das Messen zu
besorgen oder wenigstens zu überwachen, wobei auch die Qualität des Korns in
Betracht kam; die nötigen Maße hatte die Kirche bereitzuhalten. Der Pastorin
fiel es zu, den liefernden Bauern, die zum großen Teil einen langen Weg zu
machen hatten, und zwar in der winterlichen Fastnachtszeit, gastlich mit einer
erquicklichen Mahlzeit aufzuwarten. Dazu tranken auch diese Deutschen ein Glas
gutes Bier, wohl auch mehr. Das Getränk ging zu Lasten der Kirche, und die
Kosten, welche die Geschworenen dafür zu verbuchen hatten, standen oft in einem
nicht unbedenklichen Verhältnis zum Werte des Kornes.
In diesen bedenklichen
Zugaben zur an sich erfreulichen Kornlieferung lag der Keim zu späterer
Änderung; zuerst wurde die pastörliche Küche von der Beköstigungspflicht
befreit, und im 19. Jahrhundert haben die Kornlieferungen.
30
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überhaupt aufgehört. Im
Jahre 1875 sind auch die Verpflichtungen zu »nicht zu lösender« Grundrente
durch Landesgesetz aufgehoben worden; an ihre Stelle trat eine im Laufe von 56
Jahren zu bewerkstelligende Ablösung durch gleichbleibende Jahresraten. Das
Wort »Kanon«, als welchen man die »unlösbare« Belastung des Grundbesitzes gern
bezeichnet hatte, ist inzwischen ein seltener Gast in unserer Sprache geworden.
Noch möchte ein Wort
angebracht sein zu der Feststellung, daß, soweit erkennbar, der Flecken allein
die Hufe für das Pastorat hergegeben hat, ohne also die Dörfer heranzuziehen.
Einmal stand es im Rechtsbereich des Landesherrn, in solchem Sinne Entscheidung
zu treffen, wie Christian IV. viel später fünf Hufen aus der Bramstedter
Gemarkung seiner Wiebke zugewendet hat, ohne Entschädigung dafür geleistet zu
haben. Zudem wird man glauben dürfen, daß schon die Bramstedter jener
fernliegenden Zeit, wo hier die Kirche gegründet und ihre Ausstattung
vorzunehmen war, nicht blind gewesen sind hinsichtlich der wirtschaftlichen
Vorteile, die der zu erwartende Kirchenbesuch aus zwölf Dörfern manchem
Fleckensbewohner, nicht allein den Gastwirten, in Aussicht stellte. Man
übersehe nicht, daß durch Jahrhunderte der Kirchenbesuch nicht Ergebnis der
freien Entscheidung, sondern gesetzlichen Zwanges gewesen ist. Auf festlichem
Stuhlwagen mit gepolsterten Sitzen rückte der Bauer mit seiner Familie, auf
Leiterwagen mit quer aufgelegten »Sitzbrettern« und Stroheinlage zum Schutz
gegen Kälte und Wind rückte das Gesinde am Sonntage heran zum Gottesdienste,
und die Gelegenheit zu dieser oder jener Besorgung wurde gern benutzt. Die groß
angelegte schützende »Durchfahrt« in der nahe gelegenen Gastwirtschaft war
geradezu eine Notwendigkeit.
Bei dargebrachter
Beschaffenheit der Einnahmequellen der Kirche hat eine vom »Stadtholder« dem
Propsten aufgetragene Revision 1569 ergeben:
1. De Kark hefft an Roggen in tho kommende 8 Drompt
21 Himten
2. an Gelde von liegendem Erwe und Renthen 11 Mark
3 Schilling 6 Pfennig.
3. Noch hat sich ein Barbestand von 88 Mark
ergeben; dieses Geld sollen die Geschwornen zugunsten der Kirche auf Rente don
(tun, geben).
4. Bei Casten Tiedke tho wymerstorppe syn etliche
Johr alle Jor 4 Himten Roggen untstendigk; dat scholen se inmanen un denn up
Renthe don.
5. Wegen 1 Drompt Roggen, die Casten Fülscher
jährlich geben sollte in Auswirkung einer Erbschaft, hat der Statthalter
(Ranzau) mit Fülscher verhandelt und vereinbart, daß gegen Erlegung von 170
Mark genannte Verpflichtung entfällt. Darüber wurde »besegelder Brief«1)
ausgefertigt und dem Pastorat aus gehändigt. - Auch dieses Geld wird den
Karksworen gegeben, daß sie es auf Renten »don« und die Rente jährlich dem
Pastor geben. (Hier handelt es sich offenbar um Vermächtnis zugunsten des
Pastorats. Es braucht kaum gesagt zu werden, daß ähnliche Legate auch für die
Kirche gestiftet worden sind; sogar ein Knecht in Wiemersdorf hat sich dessen
nicht enthalten wollen.)
Es ist nicht unauffällig,
daß die Kirche nicht nur aus »ewigen«, nicht zu lösenden
________
1)
Vertrag
31
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Verträgen, sondern auch
zeitlich bedingten keine Zinsen, statt dessen aber Rente zieht. Wir haben es
hier mit einer Auswirkung des katholischen Zinsverbotes aus dem Mittelalter zu
tun; jeder Zins sei Wucher, also strafbar. Da sich dieses Verbot länger
erhalten hat, als man seine Richtigkeit und Zweckmäßigkeit anerkennen konnte,
so schlug man diesen Seitenweg ein, der freilich nicht dem ursprünglichen
Begriff einer Rente gerecht wurde. - Die Kirche forderte damals für jede
Kurantmark ausgeliehenen Kapitals 1 Schilling Rente, d. i. 61/4
vom Hundert.
Noch ein Blick in die
Schatzkammer unserer Kirche. Man fand in geschlossener Kiste: eine silberne
Monstranz, zwei vergoldete Kelche, eine silberne Büchse und einen silbernen
Löffel, ferner zum alltäglichen Gebrauch bei den Kranken einen kleinen
silbernen Kelch; endlich noch eine silberne und eine irdene Patene: zierliche
kleine Schalen, worauf die Oblate dargereicht wurde.
Hiermit ist das Tor zum
Arbeitsbezirk der Kirchgeschwornen geöffnet. Sie nun an Hand der jährlich
abzuhaltenden »Rekenschop« zu begleiten, immer nur das Lesenswerte beachtend,
soll unsere nächste Aufgabe sein. Das alte Kirchenbuch gibt aus einem vollen
Jahrhundert die Gelegenheit dazu.
Anno 1573 finden wir zur
Rechnungslegung versammelt: Ehrwürden Herrn Probst Johannes Vorstius,
Borsfleth, Nikolaus Winterberg, Pastor Isaak, Detlev Wolders, Diener des Herrn
Statthalters Hinrich Rantzau, Jürgen Karspelvagt, die »Olden und nien
karksworen« und die acht deputierten Männer.
Was lag vor?
»Derwile de olden
Karksworen sick beklaget, dat se an roggen bestalen und das auch etzliche
schuldt bei den Leuten, als Jasper Titken nahstendigk, so haben Inen de Nien
karksworen und die Acht deputirten solche 10 Mark 13 Schilling nachgegeben und
die Rechenschaft als klar und beschlossen angenommen; jedoch soll man von Jasper
Titken die schuldt fordern.«
»Ferner ist zu vermerken,
daß künftige Zeit Jasper T. vor die 12 Mark, davor he gegeben 4 Himten, schall
geben 12 Schilling. Demnach fällt die Roggenrente um 4 Himten und beträgt nun 8
Drompt 5 Himten, dagegen steigt das Rentegeld um 12 Schilling.
Die Kiste in der
Garve(Schatz)kammer zeigt einen Zuwachs: »alte Krallen (Korallen) und
Bernstein, foffeken mit sülwern Ringe«.
Im nächsten Jahre werden 8
Drompt und 5 Himten umgerechnet mit 147 Mark 12 Schilling. »Derwyle awerst in der
methe an roggen gefelet 6 Himten, to gelde gerekent 4 Mark 8 Schilling, so is
de Summe in Wahrheit 143 Mark 4 Schilling«. (Die Mark ist 16 Schilling; danach
läßt sich hier berechnen, daß 1 Drompt = 24 Himten ist. - Der Verfasser.)
1577 ist auch Pastor Nicolai
aus hilligenstede anwesend bei der »Rekenschop«. In welcher amtlichen
Eigenschaft er hier waltete, ist schwer festzustellen. »Wyle die Karke dit Jar
mit niger Decke gedecket und dortho geldes bedarwett, is de Monstrantz (ein
Erbteil aus katholischer Zeit), weleke beth tho her by der Karken erholden,
vorkofft; woch 55 loth, dat loth tho 14 Schilling, sünd in Summa 59 Mark 8
Schilling.«
32
-----------------------------------------------------------------------------------
»Darvor de Karksworen im
thokünftigen Jar rekenschop dhon scholen.« Anno Domini1) vyffhundert
Acht und Söwentich den ersthen July fand diese Abrechnung statt. Ein
anspruchsvolles Jahr war verstrichen. Die ordinäre Einnahme reichte entfernt
nicht, auch der Erlös der Monstranz verschlug nicht.
Man schaffte noch herbei
Vor kalk und olden Kinderhus upgeböret |
52 Mark |
8 Schilling |
|
So ock eine gemeine tholag (Umlage) von dem Bleke
und Kaspel tho den Klocken |
306 Mark |
8 Schilling |
|
durch Aufkündigung von Kirchenkapital |
109 Mark |
4 Schilling |
|
Alles in allem brachte man zusammen |
830 Mark |
7 Schilling |
6 Pfennig |
Demgegenüber die tatsächlichen Ausgaben: |
466 Mark |
15 Schilling |
|
Vor de beiden Torme, den klenen nye tho bauen und
den groten uttobetern |
282 Mark |
7 Schilling |
|
Vor de beiden Klocken, desülwen tho geten, thosamen |
365 Mark |
4 Schilling |
|
So schließt diese Aufrechnung mit einem Unterschuß
von |
284 Mark |
2 Schilling |
6 Pfennig |
Zur Abdeckung haben die
Karkschworen hundert Gulden aufgenommen, wofür die Kirchenkasse die Rente
aufzubringen hat, bet se ganz bethalet hett.
Wo ist der kleine Turm
geblieben? Was hat es mit dem Kinderhause auf sich? (Das Kinderhaus war ein
Anbau, in dem die Täuflinge mit ihren Angehörigen warteten, bis der Pastor sie
abholte.)
1580. Ehrsamer Herr
Winterberg, dessen Wohnort nicht genannt wird, und der Kirchspielvogt Vageth
nehmen immer teil an der »Rekenschop«.
Aus Anno 1593 wird
traurige Kunde gemeldet. Die in der Kirchenkiste schlummernden Schätze: der
Geldüberschuß vom vorigen Jahr, 75 Mark 6 Schilling, der Überschuß von 1593, 57
Mark 3 Schilling, und die noch vorhandenen Abendmahlsgeräte lagen
eingeschlossen. Durch Diebstahl gingen die Geräte zum Teil, das Geld aber
restlos verloren.
An Stelle des Herrn
Nikolaus Winterberg war diesmal Johannes Vorstius, Pastor zu Borsfleth, anwesend.
Das Jahr 1595 machte
wieder eine »tholage« nötig, weil die Kirche mit weiteren zwei Glocken
ausgestattet werden sollte. Es waren ja zwei Türme vorhanden, und bis dahin
waren auch nur zwei Glocken eingebaut. Die Kosten stehen zu Buch mit 555 Mark 2
Schilling 9 Pfennig. Die »tholage« erzielte 343 Mark 13 Schilling, also fast 40
Mark mehr als die erste Einwerbung von 1578.
Es offenbart sich hier
eine erfreuliche Bereitschaft der Eingepfarrten, die auch in harter Zeit nicht
versagte. Doch fehlte es nicht völlig an gegenteiliger Haltung; sie fand sich
dort, wo man sie am wenigsten vermuten möchte. Der Statthalter
__________
1)
Das Jahrtausend wurde nicht selten ausgelassen.
33
-----------------------------------------------------------------------------------
Rantzau war damit so wenig
einverstanden, daß ihm eine Brandmarkung angebracht erschien. Das Kirchenbuch
gibt darüber folgende Kunde:
»Tho gedenken, dat der
Statthalter (der Herzogtümer) Hinrich Ranzau befalen, alhir thor gedechtnisse
her tho setten, dat Gert Steding sich geweigert, tholage tho don tho düssen
klocken.«
Die Kirchenglocken haben
auch so unverdrossen ihren Dienst geleistet, und die Gemeinde hat die kleine
Unterbilanz des Jahres - rund 80 Mark - bald überwunden ; im Jahre 1599 war
bereits ein Guthaben von nahezu 500 Mark eingespart. Das neue Jahrhundert nahm
für die Finanzen der Kirche einen guten Anlauf. Propst Matthias Clodius führte
eine feste, sichere Hand. 1605 verabschiedete er sich unter Hinweis auf die
überschießenden 681 Mark 10 Schilling 1 Pfennig von den Kirchgeschworen mit der
Mahnung, dies Geld zu wahren und zum Besten der Gemeinde zu verwenden.
Im nächsten Jahre - 1606 -
wird unter den Einnahmequellen zum erstenmal das Klockengeld genannt,
allerdings mit einem Betrage = Null. Da ist wohl anzunehmen, daß das Läuten den
Leuten bislang keine Kosten verursacht habe; denn daß vorher überhaupt nicht
geläutet worden sei für die Hochzeiten und für die Toten, das ist wohl nicht zu
denken.
1607 hat dann ein
Klockengeld aufzuweisen: 7 Mark 2 Schilling. Der Herr Pastor Hamerich hat zu
dieser Buchung einen vielseitig strahlenden Stern hinzugefügt, als wolle er
eine schöne, neue Zeit begrüßen.
Anno 1609 bringt Matthias
Clodius, der inzwischen nicht versäumt hatte, seine Mahnung an die
Kirchgeschwornen alljährlich in melodischem Gleichklang zu wiederholen, eine
Neuerung in die Handhabung der geldlichen Angelegenheiten, die ihn als
sorglichen Verwalter kennzeichnet. Ihm gebührt, eigenen Bericht zu erstatten:
»Derwyle befindlich ut
vorigen Rekenschöppen, dat de Karke etliche mahl den Karkschworen iß schuldig
geblewen, also dat keine Reste bliwen mögen: Nu awerst thom Rentegelde von den
Resten, na Jaren thogedan und vermehret, alse (wie) uth dissen Rekenschöppen
tho sehende: So hefft man nunmehr, umb betern narichtinge willen, den
hovetstoll (Grundkapital) nicht wollen mit in de Jarliche Inname setten,
sondern alleine de Rente, dormit man erkennen möge, effte (ob) de Karkschworen,
mit der jarlichen hewinge (Hebung, Einnahme) können thokamanen (ausreichen) und
voröweren (erübrigen): Befindet sick demna, dat de Inname disses Jhares gewesen
211 Mark 11 Schilling. - Wenn nu hier affgetagen wart de uthgawe alse 157 Mark
4 Schilling 6 Pfennig, So bliwen de Karkschworen der Karken schuldig 54 Mark 5
Schilling 6 Pfennig. - Hiervon hebben de Karkschworen up Rente gedan 50 Mark;
darvon dat thokamende Jhar de Rente schall folgen: ock wat se sonst utgedan von
folgender hewinge: Is nu veraffschiedet (abgemacht, beschlossen), dat de
Karkschworen alle Jhar den Rest in einer schöttel (Teller, Schüssel) schölen
dar leggen und tellen laten.«
Mit dem Klockengeld wollte
es nicht vorangehen. Statt der erstmaligen Einnahme von gut 7 Mark Anno 1607
folgen in den nächsten Jahren: 3 Mark,
34
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2 Daler; 2 Mark 1
Schilling; 8 Schilling; 2 Mark 6 Pfennig; -; -; 2 Mark; 1 Mark 13 Schilling -
und erst das Jahr 1618, Beginn des Dreißigjährigen Krieges, zeigt eine
Steigerung auf 5 Mark.
Von
Spenden
Anno 1606 am 16. September
ist dem Kirchenbuche folgendes Vermächtnis einverleibt worden, und zwar durch
mehrgenannten Propsten Matthias Clodius: »Tho gedenken, dat in bywesende
vorgedachten Erwürdigen, Erbaren und Ersamen Herrn Pastorn, Caspelvagt und
Karkschworen, huden dato (heute) na vollendinge der Rekenschop, by nüchterem,
wolbedachten freyen mode (Zumutesein, Gesundheit) und Willen Marten Mertens
(derzeit Kirchgeschworner) der Karken tho Bramstede verehret 100 Mark lubsch,
welkere 100 Mark itz stan alhir tho Bramstede by Hanß Fulendorp, de den
Karkschworen na sinen Dode scholen vullen kamen ane Jennige (irgendeine)
Inspringe (Eingreifen, Hindern) tho fernerer Rekenschop thogestellet werden.«
Anschließend ist am 11.
Juni 1616 eingetragen worden:
»Tho gedenken, dat de 100
Mark von Marten Mertens Anno 1606 gegewen, nicht alleine in voller Rente gan
und von hanß vulendörpe Jarlikes entrichtet wart, besonders (sondern) datt ock
Hans Mertenß huden dato, up disser geholdenen Rekenschop der Karken tho
Bramstede verehret und gegewen 50 Mark lubsch, welkere he uth orsaken gegewen,
dat em sin Endt angegewen worden, alse he in Delinge (Aufteilung) der geerbten
güder recht gehandelt: wo he denn ock der orsaken halber vor den Armen tho
Segeberge 30 Mark lübsch gewen schall.« Im Jahre 1620 ist die Kirche ihrerseits
Spenderin, indem sie »thor Glückstadt möten gewen 150 Mark«. Die Ausdrucksform
deutet hin auf Zwang, auferlegt durch Christian IV., der damals viel Geld für die
Gründung und Ausgestaltung dieser Stadt verbraucht hat. Von Überschwemmungsnot,
die diesem »künstlich geschaffenen« Orte allerdings reichlich widerfahren ist,
weiß Glückstadts Chronik aus genanntem Jahre nichts zu berichten.
Im nächsten Jahrzehnt sind
nur drei Jahresberichte abgelegt worden: 1622, 1625 und dann wieder 1631. Es
ist ein Merkmal dafür, wie schwer der unglückselige Religionskrieg in die
gewohnte Lebensordnung unserer Vorfahren eingegriffen hat. Schon die Rekenschop
von 1622, die letzte, die der wackere Matthias Clodius geleitet hat, ist nicht
ohne Störung geblieben. Darüber soll berichtet werden. Wirkende, neben
Genanntem, waren: Erwürdige und Wohlgelerde Herr G. Nikolaus Winterberg, Pastor
tho hilligenstedt, Convisitator, und Herr Johannes Hamerich, Pastor
hieselbst, sehr krank, und wolgeachte Erbare Casper Vaget, Caspelfagt, und
sämtliche Karkschworen, alse Markus Losemann, Hanß Hardebecke, Tewes Hardebecke
und an des Seligen Albrecht Stamerjohans Stelle erweldter Jochim Westphale.
Die Revision ergibt, daß
die Einnahme mit Einrechnung des Bestandes vom vorigen Jahre 888 Mark 13
Schilling beträgt. Eine Sorge um die Deckung der laufenden
35
-----------------------------------------------------------------------------------
Ausgaben lag noch nicht
vor. Auch nach Verlust von 2 Mark 4 Schilling, den die Verausgabung der bislang
von der Kirche gehüteten Daleren (Taler) verursacht hatte, hatte nicht
gehindert, dem Sohn des Pastoren 3 Mark 6 Schilling zu verehren. Aber es fehlte
die rechte Ordnung. Möge noch einmal Clodius das Wort nehmen. Wiederum ist Geld
»up Rente gedan«. -
»De wile awerst de Rente
dat folgende Jhar wart erst thor Rekenschop kamen, so is de hövetstol als eine
Uthgawe mit gesettet, nademe de Selige Albrecht Stamer Johann em by sick
beholden und solke grote Inname gesettet wegen Schwachheit seines Verstandes;
Solches wedder in richtigkeit tho bringende hefft de nottorft (Notlage)
erfordert, de gelder, so up Rente gedan, besondrigen tho settende, und befindet
sick, dat, wenn einß vone andren affgetogen wart, dat also der Selige Albrecht
Stamer Johann noch öwrich gehat 6 Rickesdaler, Iß 18 Mark und noch 4 Schilling.
- Wenn nu disses 1622. Jahres Hewing (Einnahme) dor tho gedan wart, befindet
sik, worvon de Karkschworen scholen kunftig Jar Rekenschop dhon.«
Die nachfolgende
Aufstellung ergibt einen Betrag von 282 Mark 14 Schilling. Solches Geld wird
Jochim Westphal »thogestellt«, womit auch ihm an erster Stelle die
Verantwortung zufallt.
Clodius unterläßt nicht,
um restlose Klarheit zu schaffen, folgenden Nachtrag niederzuschreiben:
»Noch
sint by dem Herrn Pastoren 100 Mark ane Rente.
Noch sint by Hans Hardebecke 100, de künftig Jhar 5 Mark Rente bringen.
Noch sint ohne de 100 Mark, so by Albrecht Stamer Johan im Register stan, noch
100 Mark, de nicht tho Register gebracht: darvan künftig Jar wardt ein beter
Register in guder richtigkeit
folgen.«
gez.
Matthias Clodius
Es ist anders gekommen,
als Clodius gedacht und geplant hatte. Erst nach drei Jahren gab es eine Rechenschaft
abzulegen, woran er nicht beteiligt sein konnte. Dethlevus Meyer war an seine
Stelle getreten. Es wurde im wesentlichen nur festgestellt, daß die Bramstedter
Kirche nach allen Ausgaben noch 322 Mark 8 Schilling in Besitz hatte, die ihr
auch zu weiterer Verfügung blieben. - Ferner wurden die 100 Mark, so bei Stamer
Johan im Register standen laut letztem Bericht, gänzlich kassiert, und zwar
»dewile man keinen >Hauptbrief< hatte, damit sie bescheinigt werden
konnten«.
Wir lassen die Möglichkeit
offen, daß in vorliegendem Falle erwähnte »Schwachheit des Verstandes« dem
Inhaber keineswegs zum Schaden geworden ist. Die nächsten Abrechnungen
beschäftigen sich mit rückständigen Leistungen und kommen zu befriedigendem
Ergebnis - Nur die Vikarie, ein Nebengebäude gegenüber der Kirche, wo in
katholischer Zeit die Vikare, Hilfsgeistliche, ihren Unterschlupf hatten, nun
aber Mietsleute wohnten, machte Sorgen. »Wegen vorfallender Strittigkeit« ließ
man diese Sache vorläufig ruhen. - Auffällig ist, daß fortan statt einer Unterschrift
deren vier vorzufinden sind. Für 1634 unterzeichnen: Vitus Barbarossa, Propst;
Henricus Wichenius, Pastor zu Wilster; Henricus Galenbecius, Pastor zu
Bramstedt; Johann Vagett, Kirchspielvogt.
36
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Anno 1636 gestaltete sich
die Abrechnung besonders umfangreich und schwierig. Der Amtmann von Buchwald,
erbgesessen zu Pronstorf, hatte wohl deshalb seinen Amtsschreiber von Lange
delegiert. Umfängliche Reparaturen in der Kirche, dazu der Wiederaufbau eines
Turmes, hatten ungewöhnliche Kosten gezeitigt. Kirchenkapital wurde eingezogen,
eine erhebliche »Zulage« im Kirchspiel erhoben. Einer Gesamtausgabe von 5615
Mark stand eine Einnahme von 5605 Mark gegenüber. Glücklicherweise stand
derzeit kein Feind im holsteinischen Lande. So konnte die Umlage zum
überwiegend größeren Teile eingezogen werden; der Betrag des restant
gebliebenen Geldes belief sich auf 190 Mark 9 Schilling und verteilte sich wie
folgt:
Armbstede |
5 Schuldner mit je |
6 Mark |
|
|
Hiddershusen |
6 Schuldner mit zusammen |
42 Mark |
9 Schilling |
Diese Gelder |
Vörde |
1 Schuldner mit |
6 Mark |
|
einzutreiben |
Brambstede |
9 Schuldner mit zusammen |
28 Mark |
|
war Sache der |
Brambsteder Pflegegeld |
30 Mark |
|
Geschwornen. |
|
Von der Vikarie |
54 Mark |
|
|
Dieser ungewöhnlichen
Rekenschop wird noch angefügt:
»Zu wissen, daß bey dieser
gehaltener und dorch Jochim westfahlen und seiner mitgehülfen abgelegter
Kirchenrechnung berürter Jochim westpfal altershalben resigniret und
abgedanket, daraus seines aufrichtig geführten Kirchenvorsteher-Amptes halber
nicht zu beschuldigen gewesen. So sein auf beliebung des Königl. Herrn
Amptmannes zu den beiden vorigen Kirchgeschwornen, alß Tewes Hardtbeke und Hans
Mohr, noch zwene andre, alß Johann Bartels zu Bramstede und Marx Mohr zum
Borstell als jetzt neue erwehlet und eingesetzet, auch danach alle Viere in des
Herrn Prowstes Gegenwart mit eyde belegt (vereidigt) worden, der Kirche Bestes
zu wissen und zu befördern, dagegen aber allen schaden besten Vermögens zu
verhindern.
Bramstedt,
den 15. Okt. 1636.«
Nach der Art, wie die
Beeidigung durchgeführt wurde, ist zu vermuten, daß solche früher nicht erfolgt
sei; sie hätte sonst im gegebenen Zeitpunkte nur für die Neugewählten noch
einen Sinn gehabt.
1636 bringt noch eine
weitere, vom Amtmann bestätigte Verordnung:
»Wenn die Kirchgeschwornen
des Kirchengeldes oder der Zulage halber pfänden, so sollen sie berechtigt
sein, wofern die einlösung innerhalb 6 Wochen nicht geschieht, dieses pfandt
unparteilich aufs höchste als möglich zu verkaufen, umb daraus der Kirchen rest
zu erlangen und das übrige dem Schuldner zurück zu geben.« Im Jahre 1637 ergibt
die Einnahme rund 100 Mark mehr als die Ausgabe. Aber die Zahl der Restanten
ist noch nicht ganz auf die Hälfte gesunken. Dabei ist zu beachten, daß eine
neue Zulage von 600 Mark eingestellt werden konnte. Von diesem Jahre an werden
von der Roggenheuer 4 Tonnen eingestellt als Ausgabe für den Coster und
Belgentreder.
Anno 1640 gibt es einen
Auftrieb zu verzeichnen: Für Kirchenstände gehen 5 Mark ein, auch das
Klockengeld wird mit 3 Mark sichtbar. Dazu kommen 100 Mark von Christine
Nyemann, anscheinend als Spende.
Das nächste Jahr hat eine
hohe Zulage - 1275 Mark - nötig gemacht. Die nächste
37
-----------------------------------------------------------------------------------
Abrechnung erfolgte
vollgültig erst Anno 1646; inzwischen hatte der schwedische General Torstenson
das holsteinische Land schwer heimgesucht. Aus dem Jahre schallt es herüber:
»Weill bey weylandt des
wollwürdigen, andechtigen und wollgelarten Herrn Praepositi Matthiae Clodii
inspektion und dessen Vorgängern die Kirchenrechnung die Einnahme und Ausgabe
zu Buche geführt, daß da die Kirchschworen einnahme und außgabe eingeschrieben,
In dat andere de Herr Probst aber die Kirchen-Revision der Rechnung bestätigt,
unterschrieben und die Kirchschworen wegen richtiger Rechnung quitiret, Als
hett Herr Probst Virus Barbarossa löblich verordnet, das hinfüro von den
Kirchschworen solches alles observiret und wieder zu richtigem stand gebracht
werde, Wie solches auch in diesem Jahre geschiett. Und sind die Kirchschworen
gewesen:
Johann Bartels aus
bramstede, Tewes Hardebeck von WymerstorfF, Hans Mohr von Hardebeck, Marx Gryp
von Bostel.«
Die große Revision,
umfassend die Jahre 1643-46, bringt auf der Ausgabeseite etliche Ausgaben, die
noch heute nicht durchaus der Beachtung unwert sind.
Gebühr für den Herrn Probsten, berechnet für 4 Jahre |
12 Mark |
|
Dem Fuhrmann, der den Probsten gefahren |
3 Mark |
|
Zu dessen Pferde Haber |
1 Mark |
|
Da der Herr Probst von Ihro Königl. Majestät nach
Rends- |
3 Mark |
|
Auf des Königs allergnädigsten Befehl zur reparirung
der Rendsburger Kirche gegeben |
12 Mark |
|
Dem Pastor vor wein und Brot |
30 Mark |
|
Wegen der vierjährigen Rekenschop für Kost und andere Ungelegenheit |
12 Mark |
|
Vor Bier |
3 Mark |
|
Noch, da die Visitation gehalten, wegen Kost, Bier,
Rauch |
24 Mark |
|
Dem Organisten wegen seiner Hebung (Lohn in Korn) |
28 Mark |
|
Dem Belgentreder |
5 Mark |
|
Johan Bartels Schreibgeld |
2 Mark |
|
Den Heuerleuten (Roggenpflichtigen) und was die
Kirch- für Kost, Bier und andere Ungelegenheit |
36 Mark |
|
Hans Wulff, Gleser, für Fenster in der Kosterey und
der Kirche |
7 Mark |
3 Schilling |
Tytke Lose, de Lede (Schwelle) in der Kosterey
geleget, die und gezeunet mit Schachten |
3 Mark |
6 Schilling |
Hans Boye für Steinbrügken in des Pastoren Hoff |
2 Mark |
|
Johann Bartels ausgegeben den Reep zum Seiger
(Zeiger) |
3 Mark |
4 Schilling |
38
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Der Leser wird diesem
kleinen Register nicht nur entnehmen, daß vor drei Jahrhunderten das
Bramstedter Organisten- und Schulhaus ein Fachwerkbau mit eingeflochtenem
Zaunwerk und aufgestrichener Lehmwand war, sondern ein Vorbild dafür abgibt,
wie es um die Häuser des Fleckens überhaupt stand in jener Zeit. Vermutlich
sind noch einige andere Daten für nachdenkliche Beachtung geeignet. Anno 1647
gewann die Hoffnung auf baldige Beendigung des grausamen, unerhört langen
Krieges mehr und mehr an Kraft. Aber unserm Kirchspiel waren noch neue, harte
Schicksalsfälle zugedacht. Bedrückt schreibt Henricus Galenbeck, des
Kirchspiels Seelenhirte, in sein Buch:
»Ist durch Gottes Gewitter
am Tage Jubilate großer Schaden an der Kirche Turm geschehen. Zu dessen
Reparation ist von den Hufnern zugelegt 1 Reichstaler, von den Kätnern ½
Reichstaler und von den Insten 12 Schilling.« Er schließt eine willkommene
Aufstellung an, die mühelos einen klaren Überblick über die damalige
wirtschaftliche Struktur der Bevölkerung gibt. Danach sind zahlungspflichtig in
Bramstedt |
13 Hufner |
20 Kätner |
40 Insten |
mit zusammen |
33 Reichstaler |
Hitzhusen |
11 Hufner |
|
7 Insten |
mit zusammen |
12 3/4 Reichstaler |
Förden |
8 Hufner |
|
1 Inste |
mit zusammen |
8 ¼ Reichstaler |
Hagen |
10 Hufner |
|
3 Insten |
mit zusammen |
10 3/4 Reichstaler |
Borstel |
3 Hufner |
|
3 Insten |
mit zusammen |
3 3/4 Reichstaler |
Brockstedt |
8 Hufner |
2 Kätner |
|
mit zusammen |
9 Reichstaler |
Hasenkrug |
5 Hufner |
|
|
mit zusammen |
5 Reichstaler |
Hardebeck |
4 Hufner |
3 Kätner |
|
mit zusammen |
6 ½ Reichstaler |
Armstedt |
13 Hufner |
|
8 Insten |
mit zusammen |
15 Reichstaler |
Wymerstorp |
20 Hufner |
|
|
mit zusammen |
20 Reichstaler |
Bomohlen |
9 Hufner |
|
|
mit zusammen |
9 Reichstaler |
Fulendorp |
10 Hufner |
|
|
mit zusammen |
10 Reichstaler |
Von den 125 insgesamt zu
hebenden Reichstalern entfallen nur 33 auf den Flecken, der somit rund den
vierten Teil der Gesamtlast trägt; anders gesehen: Die 73 Zahler des Fleckens
zahlen zusammen 33 Taler = 99 Mark, Durchschnitt 1 1/3 Mark, die 128
Zahler der Dörfer bringen auf 92 Taler =276 Mark, Durchschnitt 2 1/6
Mark. Hält man das Verhältnis, nach welchem die Kirche ihre Umlage verteilte,
für richtig, so kommt man zu dem Ergebnis, daß die Kirchdörfer, im ganzen
genommen, wirtschaftlich erheblich besser standen als der Kirchort. Damit wird
denn auch verständlich, daß die Ratmänner so beharrlich darauf bedacht waren,
die Gründung neuer Feuerstellen, den Zuzug weiterer Insten, zu unterbinden. Was
uns als hart erscheint, war wohl doch einer Notlage zuzuschreiben. Es wird
angebracht sein, auch ein wenig davon zu vernehmen, was der Turmbau mit sich
brachte.
Erstlich Meister Benardt,
so den Turm gebauet,
Arbeitslohn |
58 Reichstaler |
|
Schmidtlohn Johan Bartels |
42 Reichstaler |
16 Schilling |
Holz und Breder |
8 Reichstaler |
12 Schilling |
39
-----------------------------------------------------------------------------------
Marx Lindemann vor einen Baum Mäckler |
5 Reichstaler |
|
Vor Botenlohn und Spornnagel |
4 Reichstaler |
|
Noch da de Contract in Johann Wolters Hus mit abwesende (Abwesenheit) vorzehret |
2 Reichstaler |
|
Zum Gottes Pfennige (an Benardt) |
3 Reichstaler |
|
Noch Marx Gryp (Kirchschwor) bey dem Turm aufgewartet 7 Tage |
7 Reichstaler |
|
Noch Hans Mohr 3 Tage, thut (macht aus) |
3 Reichstaler |
|
Noch Tewes Hardebeck 3 Tage |
3 Reichstaler |
|
Noch ist in allem bei dieser Arbeit vorzehret in
auf- |
3 Reichstaler |
|
Ungelde (Unkosten) wegen kleiner Münze, dar dor Reichstaler vor
eingewechselt zur Bezahlung an Herrn Amptschreiber |
1 Reichstaler |
|
Marx Gryp und Johan Bartels das Geld geholet von Segeberg verunkostet |
3 Reichstaler |
|
Hans Mohr, daß Er mitt dem Herrn Probst nach Rendsburg gewesen und 6 Tage dar gelegen, is |
9 Reichstaler |
|
Neues
Ungemach
bringt das Jahr 1648. »Am
Montag nach Esto mihi in der Nacht umb 11 Uhr (ist) ein groß Erdbeben
entstanden von datt Sturmwindt, wodurch der Kirche Turm herunter geschlagen und
dadurch die Kirche großen Schaden gelitten, daß 6 Nye Balken müssen wieder
darin sampt dem Sparrenwerk gebracht werden. Und ist zu erbauungh von dem Herrn
Amptmann Casper von Buchwalt beliebet worden, wyle die eingepfarrten sampt und
sonders gleiche Gerechtichkeit In der Kirche (haben), als an Kirchstenden,
Klocken und Begräbnis, daß Sie erste Zulage gleich (viel) geben, hernach aber
nach Advenant: die Howener den gantzen, die Kotener den halben und die Insten
den vierten Teil, und ist gegeben worden von jedem 2 Reichstaler.«
Die Wirklichkeit stimmt
nicht völlig mit dem Bericht überein, indem tatsächlich nicht »jeder« mit dem
Doppeltaler belastet worden, dessen Pflichtigkeit nach dem schönen
Grundgedanken des Herrn Amtmannes unbestreitbar sein mußte. Man entdeckte neben
den Hufnern, Kätnern und Insten noch zwei andere: Inste bei Inste (wohnend) und
alleinstehende Frauen. Erstere sind mit 1 ½ Mark, letztere nach Befinden in die
Liste eingestellt worden.
So kam folgende Liste
zuwege:
Bramstedt: |
13 Hufner, 19 Kätner, 33 Insten je 6 Mark |
390 Mark |
|
|
9 Bey Insten je 3 Mark und 2 ½ Mark für |
29 ½ Mark |
|
40
-----------------------------------------------------------------------------------
Hitzhusen: |
11 Hufner und 7 Kätner oder Insten, dazu 1 Inste bei
Insten |
109 Mark |
|
Förden: |
9 Hufner |
54 Mark |
|
Hagen: |
9 Hufner und 2 Kätner, dazu 3 Insten bei Insten |
72 Mark |
|
Bostel: |
3 Hufner und 3 Kätner |
36 Mark |
|
Brockstede: |
8 Hufner und 2 Kätner |
60 Mark |
|
Hasenkroge: |
5 Hufner |
30 Mark |
|
Hardebeck: |
5 Hufner und 3 Kätner |
42 Mark |
|
Armstede: |
11 Hufner und 8 Kätner, dazu
1 Inst bei Insten mit 3 Mark 14 Schilling |
117 Mark |
14 Schilling |
Wymerstorp: |
17 Hufner und 2 Kätner, dazu 2 Insten bei Insten und
2 Frauen |
124 Mark |
|
Bohmohlen: |
10 Hufner und 1 Inst bei Insten |
61 Mark |
8 Schilling |
Fulendorp: |
10 Hufner |
60 Mark |
|
Die
Kirchgeschworen, nun auch wohl Juraten genannt, haben nicht alles herein
bringen können. Am Tage der Rechenschaft wurden als Restanten verbucht:
in Bramstedt: 2 Hufner, 8 Insten, 3 Insten bei Insten,
in Armstedt: 3
Hufner,
1 Inste bei Insten,
in
Hagen: 1
Hufner,
1 Inste bei Insten,
in
Hitzhusen:
2 Insten bei Insten,
in
Brockstede:
2 Insten bei Insten,
in
Hasenkrog:
2 Insten bei Insten.
Es läßt sich nicht
verkennen, daß auf dieser Liste der Flecken sich überragend den ersten Platz
gesichert hat. Wer aber will sagen, daß sich darin etwa Feindschaft gegen die
Kirche offenbare? Konnte nicht das vom adeligen Herrn Amtmann erdachte System
der Zahlungsweise verletzend wirken auf die »kleinen Leute«? Hat ihm daran
gelegen, sich bei den Besitzenden beliebt zu machen? Vielleicht auch fehlte ihm
die Kenntnis des Bibelwortes, wonach es dem reichen Manne maßlos schwer sein
wird, Eintritt in das Himmelreich zu erlangen? Hätte er diesem Gedanken Raum
gegeben, so hätte er als mitberufener Schutzherr des Kirchendienstes nicht der
Pflicht ausweichen dürfen, in dem gegebenen Falle gerade die Wohlhabenden daran
zu erinnern, daß die Stunde gekommen sei, Opfer zu bringen, um Gunst zu
gewinnen nicht nur bei den Mitmenschen, sondern auch bei ihrem himmlischen
Vater.
Der Preis für pünktliche
Pflichterfüllung wäre im gegebenen Falle den Ortschaften Bohmohlen, Förden,
Fulendorp, Bostel, Hardebeck und Wymerstorp zuzuerkennen, da dort niemand
restant geblieben ist. Armstedt dagegen hat sich recht zurückhaltend erwiesen.
Liegt es daran, daß es auffallend viele Kätner beherbergte? Darf man den
überraschend großen Ausfall auffassen als einen Hinweis auf den Namen dieses
Dorfes?
Doch folgen wir noch
einmal dem Wiederaufbau der Kirche, der unter der Aufsicht der Juraten
bewerkstelligt wurde.
41
-----------------------------------------------------------------------------------
Vor Holz aus der
Segeberger Heide, mit des Holzvogtes
Zehrgeld........................................................................................
66 Mark
Jochim
Steiner für einen Balken ...............................................
6 Mark
Clawes
Maes für einen Balken...................................................
6 Mark
Hans
Finck wegen Verdingung laut Vertrag............................
60 Mark
Für
Trinken und Essen wegen der Börung..............................
3 Mark
Noch
der Finkeschen für Bier gegewen, da die Tymmer-
leute verdinget, das Sporwerk samt Balken auf die Kirche
zu bringen, ferner da mit Meister David wegen Erbauung
des Turmes, ingleichen mit den Mauerleuten in Gegenwart
der
Juraten.....................................................................................
11 Mark 1 Schilling
Meister
David zum Gottesgeld gegeben..................................
4 Mark
Meister
David auf seinen bedungenen Arbeitslohn (Rest 33) 347 Mark
Zehrung
wegen Börung des Turmes........................................
9 Mark
Meister
David, das Beinhaus zu verfertigen, und daß er
wegen Mangelung der Sporn-Nagel von der Arbeit gehen
Müssen..........................................................................................
3 Mark
Noch
Hans Fink, daß er die Latten abgenommen und
wieder
aufgenagelt, da das Holldach gelegen.........................
5 Mark 8 Schilling
Noch
daß er mit Johan Hohn am Spyker gearbeitet . . .
. _ 5
Mark 8 Schilling
Noch
daß er die Schechte zum Spyker des Pastoren aus
getan (geliefert)............................................................................
1 Mark
Johan
Hohn, die Latten mit Hans Fink aufgeschlagen und
am
Spyker gearbeitet 7 Tage
....................................................
7 Mark
Für
Bier, da M. David seine Arbeit verfertiget und Hans
Fink
mit ihm Rechnung zugeleget..............................................
3 Mark
M.
David, Schlapgeld
................................................................
3 Mark
M.
David, im Turm die Klocke ausgenommen u. eingebracht 7
Mark
Vor
Spornagel, mit Botenlohn....................................................
3 Mark 6 Schilling
Noch
Dirich Rosenow laut seines Zettels................................
2 Mark 1 Schilling
Max
Boye wegen des Meklers, da der erste heruntergefallen
12 Mark
Jochim
Hebell, vor des Pastoren Spyker, Bohl und Lede
darunter
to
leggen........................................................................
2 Mark
Clawes
Lendförden, an des Pastoren gearbeitet mit Johan
Hohn...............................................................................................
1 Mark 1 Schilling
De
Sagers (Säger) vor die Latten zu schneiden.......................
1 Mark 2 Schilling
Dem
Boten, so unterschiedlich ausgesandt, die Zulage
einzubringen..................................................................................
1 Mark 6 Schilling
Noch
selber die Juraten wegen Mangelung der Gelder im
Kirchspiel gehen müssen mit Androhung der Execution;
verzehret
.......................................................................................
2 Mark 14 Schilling
Für
1000 Blaffert Nagel (breitköpfige eiserne) von de
Glückstadt......................................................................................
12 Mark 8 Schilling
42
-----------------------------------------------------------------------------------
Den
Sagern: Gerdt Westphal und Casten Hein........................
37 Mark 5 Schilling
Den
Sagern: Junge Gloy und Hinrich Gerdes .........................
39 Mark 6 Schilling
Den
Mauermann, daß er Überschlag gemacht, wieviel
Kalk
und Pannen...........................................................................
8 Schilling
Dem
Handlanger Hans, daß er die Pannen abgenommen
und gereinigt, auch zerfallene Däl (Diele) in der Kirche
gebessert........................................................................................
4 Mark
Vor
Pannen, so von Peter Junge bekommen............................ 180
Mark
Noch
hat Hans Mohr
geholet..................................................... 174
Mark 4 Schilling
Den
Mauerleuten die Kirche verdinget für .............................
110 Mark
Noch
für das Beinhaus gegeben................................................
2 Mark 4 Schilling
Noch
dem Mauermann, daß er die Pannen wieder auf die
Kirche
gehangen, so der Meckler herunter geschlagen
8
Mark 8 Schilling
Wegen
Kalkhauen und Drankgeld ...........................................
15 Mark
Dem
Kalkbrenner..........................................................................
4 Mark 14 Schilling
Vor
den Hahn und Knop..............................................................
12 Mark
Bei
Verdingung der Pastor und Hans Mohr in Itzehoe
verzehrt...........................................................................................
1 Mark
Noch
wegen des Predigtstoeles und Arbeit in der Kirche:
Clawes
Wischmann 6 und Jakob Röver 12, macht ......
18 Mark
Für
Nägel zu der
Orgel..................................................................
2 Schilling
Noch
verzehrt, da die Kirchschworen den Uhrmacher von
Itzehoe bescheiden und den Seyer (Zeiger) vordreyet und
Meister David auf seinen Arbeitslohn 29 Reichstaler ge
zahlet: vor
Bier...............................................................................
9 Schilling
Noch
da Ich (Pastor) nach Itzehoe gereiset, nötig mit dem
Herrn Probste von unser Kirch und Schole zu sprechen,
vorzehret.........................................................................................
1 Mark
Weil
Hans Fink sich beklaget, daß er bei der Verdingung
der
Arbeit verkürzet, ihm gegeben..............................................
3 Mark
Dem
Knechte Drankgeld .............................................................
1 Mark 8 Schilling
Noch
wegen der Kirchschworen Kostung, da sie gereiset
nach
Segeberg, Itzehoe, in der heyde und weyde....................
17 Mark 11 Schilling
Noch
ist bei Erbauung dieses Turmes wegen veelfeltiger
Gelegenheit bey Mir vorzehret bey Börung des Turmes,
der Kirche die Zimmerleute, Mauerleute, Gevollmächtigte
des
Kirchspiel................................................................................
50 Mark
Noch
ist eingehoben ein groß bleyern Kopfstück, so ein
bedreglicher Mensch gegeben. Daher zu verbuchen ein
Verlust
von.....................................................................................
10 Schilling
In den nächsten Jahren
machten noch die Restanten allerlei Sorgen. Die Kirche verkaufte altes Holz und
eine alte Kanne. So gelang es, den Itzehoer Uhrmacher abzufinden, restlichen
Arbeitslohn, darunter 33 Mark für Meister David, auszu-
43
-----------------------------------------------------------------------------------
händigen. Recht übel
wurden zwei Juraten von einem hartnäckigen Restanten behandelt. Sie hatten sich
angemeldet, fanden aber keinen Eingang zum Hause, warteten vergebens und nahmen
dann auf ihre Rechnung anderswo Nachtquartier.
Wir dürfen hier ein Bild geben über die Roggenlieferung und was damit zusammenhing. Das Jahrzehnt von 1648-1657 mag dafür wohl geeignet sein; es führte wieder in friedliche Tage hinein.
Jahr |
Liefermenge |
Preis für
die Tonne |
Gesamteinnahme |
Unkosten wegen Speis und Trank für Heuerleute und Juraten |
1648 |
40 Tonnen |
5 Mark |
213 Mark |
Keine Angabe darüber vorhanden |
1649 |
39 Tonnen |
— |
238 Mark |
Der Vögtin, in deren Haus die Hebung erfolgte: 36 Mark 12 Schilling |
1650 |
39 Tonnen |
9 Mark |
362 Mark |
wie 1649 |
1651 |
39 Tonnen |
— |
277 Mark |
In der Vogtei bei der Hebung verunkostet 36 Mark |
1652 |
39 Tonnen |
— |
216 Mark |
Zehrung bei Einnehmung in der Vogtei 35 Mark 4 Schilling |
1653 |
39 Tonnen |
7
Mark |
294 Mark |
Der Frau Vogedinnen, so die Heuerleut und die Karkschworen bewirtet 37 Mark |
1654 |
39 Tonnen |
4 Mark |
157 Mark |
Heuerleute u. Juraten, als diese die Intraden der
Kirche eingekommen |
1655 |
39 Tonnen |
2 Mark |
108 Mark |
In der Vogtei in allem verzehret |
1656 |
39 Tonnen |
3 Mark |
143 Mark |
Wie 1655 |
1657 |
39 Tonnen |
4 Mark |
157 Mark |
Wie 1655 |
44
-----------------------------------------------------------------------------------
Diese Tabelle bedarf
einiger Bemerkungen, um nicht zu zweifelhaften oder schiefen Resultaten zu
führen: die zweite senkrechte Rubrik führt nicht allemal zu absoluter Genauigkeit,
weil nicht immer alles Korn verkauft worden ist. - Die Tonne ist mit 100
kg einzusetzen, bestimmt nicht höher. - Daß die Hebung des Kornes regelmäßig in
der Vogtei ihren Ablauf nahm, gibt ihr durchaus nicht den Charakter einer
königlichen Angelegenheit, sondern beweist nur, daß die Vogtei geräumig gebaut
war und unter ihrem schützenden Dache eine offenbar nicht unbeliebte
Gastwirtschaft, mindestens aber Schankwirtschaft barg; dies ist nicht etwa eine
Sage, sondern exakt zu beweisende Tatsache. - Will man die Bedeutung der
Tabelle recht erfassen, so lohnt es sich, die gegebenen Ziffern untereinander
zu vergleichen; aber auch ihre Beziehung auf heutige Verhältnisse ist nicht
unfruchtbar. Sagen wir noch im voraus, daß die derzeitige lübsche Mark gleichwertig
war mit 1,20 Reichsmark im Handel mit preisgebändigter Ware.
Schauen wir in das Jahr
1657. Für die 34 Mark, die in der Vogtei blieben, hätte man 8 ½ Tonnen Roggen
haben können, d. h. der fünfte Teil des Jahr-Roggens und noch mehr ist an einem
Abend verjubelt worden. In dem gewählten Jahrzehnt entlohnte man Arbeiter mit
3/4, Handwerker, die am Kirchenbau sich betätigten, mit 1 Mark, ebenso den
Kirchgeschworenen, der einen Tag die Aufsicht führte. Unsere Leute haben
demnach in der Vogtei den 45 fachen Tagelohn des Holzhauers verpraßt. Im
erwähnten Jahrzehnt haben die Juraten dem Pastor zwei eiserne Kühe gekauft, die
eine für 30, die andere für 24 Mark. Was für ein vortreffliches Vieh hätten sie
wohl für die 34 Mark erwerben können! - Was aber hätte ich heute auszulegen,
abgesehen davon, daß solches überhaupt nicht ausführbar wäre, wenn ich 8 ½
Tonnen = 17 Zentner Roggen kaufen wollte? Sind es nicht 17 mal 10 = 170
Reichsmark?
Mit guten Gründen darf man
glauben, daß die Frau Pastorin, die ehemals die Kornlieferanten in ihrem Hause
zu bewirten hatte, nicht ungern von der Erledigung des »Kornhebens« sich
befreit sah.
Anno 1647 wird zum
erstenmal die Entlohnung des Organisten mit 28 Mark für das Jahr genannt;
seinem Helfer, dem »Belgentreder«, wurden 5 Mark zugebilligt.
1648 betrugen diese
Posten 29 Mark und 5 Mark 4 Schilling.
1649 finden wir 32
Mark (Schul-, Wasch- und Maygeld)1) bzw. 6 Mark.
1650: Dem Organisten für
16 Himten Roggen............................. 30 Mark
Dem
Organisten für Schul-, Wasch- und Maygeld
.. 12 Mark
Dem
Belgentreder für 4 Himten Roggen..........................
7 Mark 12 Schilling
Noch
demselben..................................................................
1 Mark
Der Harmlose möchte
denken, innerhalb dreier Jahre sei dem Organisten eine
__________
1)
Für das Waschen, das dem Organisten und Küster oblag, kamen in Betracht: 1
Meßgewand, so noch aus katholischer Zeit ererbt; die Taufkleider verschiedener
Qualität, die gegen abgestufte Gebühr den Täuflingen angezogen wurden; ferner
die Altardecke. - Das May- oder Mayengeld erntete der Küster dafür, daß er zum
Maytag die Kirche ausschmückte mit Maybusch (Birkenreisern). Der Busch wurde
geholt aus dem Maienbaß, einer Hölzung, wo Weichholz reichlich wuchs. - Der
Maienbeeck erinnert deutlich daran.
45
----------------------------------------------------------------------------------
Gehaltserhöhung von 28 auf
42 Mark, also 50 Prozent, dem Belgentreder von 5 auf 8 3/4 Mark,
also gar 75 Prozent, zugefallen. Doch das wäre arge Täuschung. Hermanus hatte
Anspruch auf jährlich 16 Himten Roggen als Organist, und an Jahrgeld 12 Mark
für sonstige Dienste; seinem Helfer standen 4 Himten und 1 Mark zu.
Den Roggen machten die
Juraten zu Geld oder rechneten ihn bei Abgabe um. So ist Hermanus, so hieß
derzeitiger Organist, 1657 auf ein Gesamteinkommen (aus Kirchenmitteln) von 24
Mark 12 Schilling, und auf 23 Mark 8 Schilling in Anno 1666, dem abschließenden
Jahr unserer Nachrichtenquelle, gekommen. Die rund 20 Jahre, die es noch zu
durchwandern gilt, bringen einige besondere Ereignisse, die im Vorwege zu ihrem
Rechte kommen sollen.
Schenkungen
»Donativgelder, so
eingehoben wurden«: so benennt unser Buch die Sache. Anno 1653: »Sehl. Claus
Toetke und seine Frau, Beide in Godt ruhende, der Kirche gegeben 100 Mark.«
»Sel. Jürgen Muchner von
Kurzhagen aus Mecklenburg, so aus der Kremper Marsch gekommen, allhier
Bettlägerig geworden, nach Empfahung des Abentmahls der Kirche gegeben 50 Mark.«
»Vor alte Gretke Versten
ihren Sarck: die 6 Himten jährliche Heuer der Kirche verehret 4 Mark, dem Herrn
Pastor 4 Mark, dem Küster 8 Schilling, den Hausleuten ihre gewöhnliche Tonne
Bier, dem Totengräber 1 Mark.«
»Daß vor uns
Endesbenannten und in gegenwart der Vier Kirchengeschworenen: Hans
Fuhlendorffen, Hans Mohren, Marx Grippen und Jürgen Gloyen Jacob Brockstede
erschienen und ausgesagt, daß Hinrich Wischmann freiwillig und ungezwungen der
Kirche Bramstede Vier Himten klein Maß, so in Hartig Fersten zu Wimerstorff
Erbe stehen, Vorehret, bekennen wir in des Herrn Pastors Henrici Galenbeci
löblichem Beisein mit unserer Nahmen eigenhändiger Subscription.
Bramstedt, den 3. Juli
1662.«
Folgen die Unterschriften
des Propsten, des Pastoren und des Kirchspielvogts.
Kirche
und adeliges Gut
Die
Jahresrechnung für 1666 vermerkt am Schluß folgendes: »Von den Rentegeldern,
damit Steffen Kühl und Titke Rungen der Kirche Verhaftet gewesen, und die
sonsten dieses Ortes spezificirt worden ist, ist unten Nachricht zu finden.«
Diese
»Nachricht« folgt alsbald in nachstehender Form: »Demnach die Frau
Commissarische1) sich erklärt, daß die zum Hofe (adel. Gut)
__________
1)
Als Kommissar wird vielfach der Kirchspielvogt bezeichnet. Diesmal ist
sicherlich an die: Frau des Gutsbesitzers gedacht, d. h. des Herrn von Ahlefeld.
46
-----------------------------------------------------------------------------------
gehörigen Unterthanen
Steffen Kühl und Titke Rungen hinführo der Kirche die schuldige Haur Jährlich
richtig abtragen sollen, als haben mit Consens des Herrn Probsten und des Herrn
Ambtschreibers die Kirchgeschwornen mit deroselben (Frau Com.) sich derogestalt
Verglichen, daß Sie solte für alles zahlen 100 Mark, womit die alten
Restirenden Gelder völlig bezahlet und die Kirche nichts eher als Anno 68 am
Donnerstage Vor Fastnacht volente Deo (so Gott will), die gewöhnliche Jährliche
Haur fordert.«
Die Stimmung zwischen Gut
und Pastorat war durchweg gespannt. Es hat der Kirchenverwaltung Mühe und Zeit
und Geld gekostet, bis vorstehendes Übereinkommen zustande kam. Erst das
Eingreifen des Königs ist herausgefordert worden, bis das erreicht war. Davon
zeugen zwei »Nachrichten« des gleichen Jahres.
a) »Hans Fulendorffen und Marx Grippen, daß die
Frau Commissarische 3 Tage in Kirchengeschäften nach Klein Nordsee (bei
Achterwehr) zum General Claus von Ahlefelden gewesen; dafür genannten
Kirchgeschwornen 6 Mark.«
b) »Für das Königliche Monitional (Mahnung) an den
Herrn Claus von A. (ehemaligen Gemahl der Frau Comm.) wegen der Schuld mit
Steffen Kühl und Titke Rungen der Kirchen verhaftet, gegeben 36 Mark.« - So
waren gut 2/5 der vereinbarten Abtrags-Summe bereits verduftet.
Zwei
Verträge
Der erste sichert den
Kirchenjuraten einen Kirchenstand (Stuhl) als Anerkennung ihrer Leistung. Der
andere zeigt uns, daß das Glockenläuten grundsätzlich gegen Gebühr erfolgt.
a)
»Was vor den verhäuerten Kirchenständen bisher berechnet worden, kombt nicht
(in Betracht) bei den 4 Kirchgeschwornen; denen sollen Stände auf Zeit ihres
Amtes verschrieben werden, die aber nach ihrem Abgang an die Kirche wieder
heimfallen.« - Anno 65.
b)
Johan Finkenbrink geht vorsorglich folgenden Vertrag wegen der Kirchenglocken
ein: er zahlt 2 Mark ein,
»Wofür Er und seine
Kinder, so lange Sie unbefreyet (unverheiratet) bei Ihm sein, die Klocken zu
gebrauchen frei haben sollen.« Anno 1662.
Von
den Kirchengebäuden, und was für sie geschehen
Wir berichteten bisher vom
Kirchengebäude, das dem Gottesdienste geweiht ist und durch Sturm und Wetter schwerste
Schädigung erlitten hat. Auch von des Pastoren Haus und seinem Spyker (Scheune)
und von der Küsterei und von der Vikarie ist beiläufig gesprochen worden. Aber
damit sind die Baulichkeiten des alten Pastorats nicht erschöpft; auch ein
Backhaus war vorhanden, wie wir sehen
47
-----------------------------------------------------------------------------------
werden. Noch ein weiteres
Gebäude folgt, das sich mit folgendem einführen möchte:
»Anno 1616 hefft johan
hamerich by dem woledlen und gestrengen Herrn Riddern Maquart Pentzen, Amptmann
tho Segeberge utgebeden und erlanget, und by dem gantzen Caspel tho Bramstede
uthgebeden und erlanget, dat Ick vor miner frowen und kinder und Erwen up dem
karken Acker ein huß by dem wege na Kellinghusen belegen, gebauet, woraus se
mit hebbendem howe (Kohlhof, Garten) den folgenden Pastoren schölen grunt hure
gewen tein Schilling lübsch.«
Hierzu sei nur bemerkt,
daß der Weg nach Kellinghusen ehemals südlich der Bramau lag und erst in
Föhrden-Barl über den Fluß ging. - Ob dies neu eingeführte Gebäude von der
Kirche instand zu halten sei, bleibt verschwiegen.
Der Chronist hat zu
notieren:
1651. Hartig Stöcker an der
Cüsterei gedecket .......................
10
Schilling
Martin
Schult für Fensterbeschlag zu des Pastoren
Kammer
14 Schilling
Claus
Wichmann Schnitker (Schnitzer) Lohn ...........................
4 Mark
Holz
für die Kirche eingekauft......................................................
15 Mark
Muschelkalk
für die Kirche u. des Pastoren Schornstein...
4 Mark 8 Schilling Der
Wind Pfannen von der Kirche gerissen und für des
Pastoren
Schornstein gearbeitet..................................................
6 Mark 12 Schilling
Wegen
des blinden Schornsteins vor dem Backofen............... 3
Mark 13 Schilling
Hans
Boye im Kirchengestein gebrügget...................................
1 Mark 8 Schilling
Marx
Steckemes Busch gehauen für Cüsters Haus u.
Kohlhof
6 Schilling
Jochim
Hebell, so an das Cruzifix gearbeitet, Schnitkerlohn
7 Mark 8 Schilling
Dem
Maler, so es wieder verfertiget............................................
60 Mark
1652.
Kleinschmit
in der Schule ein Fenster
beschlagen
8 Schilling
Hinr.
Wischmann an Orgel und Thorntreppe Klocken
gearbeitet.........................................................................................
2 Mark 1 Schilling
Diedrich Maes für 2
Klockenhenge (Seile?)............................... 5 Mark
Holzvoigt
für einen Baum aus der Weide .................................
9 Mark
Den
Sagern......................................................................................
32 Mark 7 Schilling
Hans
Wulf für Fensterflicken in des Pastoren und des
Küsters
Haus
................................................................................
2 Mark 4 Schilling
Marx
Stekemes, des Küsters Zaun verfertiget...........................
1 Mark
1653. Johan
Wolters, des Organisten Planckwerk gemacht
um
seine Hofstede, dazu die Phäle gedan (gegeben)................ 20 Mark 10
Schilling
Den
Sagers vor Bretter zu schneiden ........................................
16 Mark 4 Schilling
2
neue Pforten am Kirchhof gemacht........................................... 16
Mark
Hans
Isern Hinnerk, des Pastoren Sot gebessert......................
10 Schilling
Jasper
Stüfen, eine Wand hinter dem Backofen, in des
Pastoren
Hause gemauert .............................................................
8
Schilling
Bretter
zu Herrn Pastors Haustür und Schlagfenster................ 12 Mark
2 Schilling
Claus
Wischmann vor den Stohl in der Kirchen, da die
Kirchspiel-Vagede sollen sitten
.................................................. 13 Mark
48
-----------------------------------------------------------------------------------
Noch
Martin Schulte für das Schloß (zu dem Stuhl).................
2 Mark
Hartich
Stöcker bei des Organisten Dach gearbeitet, bei
eigener
Kost
...................................................................................
1 Mark 4 Schilling
Albrecht
Bartels, Schmied, an der Kirche gearbeitet ...............
7 Mark 13 Schilling
Hans
Wulf, Gläser, Fenster im Pastorenhaus ausgebessert.
2 Mark 12 Schilling
Hans
Fölster, für 2 Klockenhenge.____
............................... 5 Mark
Claus
Wischmann, in des Pastoren achterstube ein stücke
zur
Bettestette gemacht.................................................................
5 Mark 4 Schilling
Noch
einen Tag an die Schlagfenster gearbeitet.......................
12 Schilling
200
Pfannen zu beiden Pforten am Kirchhofe.............................
6 Mark
Den
Kirchgeschwornen, so vielfältig »an die Kirche gerüh-
ret«,
auch Bretter, Pfannen und andere Dinge angeschaffet
12 Mark
1654.
Claus
Wischmann, vor des Pastoren Haustür:
Fensterrahmen
und Gatterwerk an den Backofem..................... 10 Mark
Hans
Ordt für 3 Bretter zum Plankwerk des Organisten
1 Mark 14 Schilling
Hartig
Stöcker, wegen Ausstopfung des Daches beim
Pastoren
Haus1)
............................................................................
8
Pfennig
Den
Sagers für Arbeit bei dem Gatterwerk des Kirchhofes ....... 2
Mark 6 Schilling
Antonius Winterstein, da der Wind das Kirchendach zer
schmettert hatte, für 4 Tage
Arbeit.............................................. 4 Mark
Noch
einen Bock zur Stellasche (Stellage) gemacht..................
1 Mark
Noch
das Dach 2 Tage mit Kalk unterstrichen...........................
2 Mark
Für
2 Tonnen Segeberger Kalk.....................................................
4 Mark 8 Schilling
Für
2 Tonnen Muschelkalk
........................................................
2 Mark 2 Schilling
Noch
zur Kirche 12 Bretter gekauft..............................................
6 Mark 12 Schilling
Diederich
Maß für Klocken Henge..............................................
3 Mark
Hans
Folster für eine Klocken Henge
....................................... 2
Mark 8 Schilling
Martin
Schulte, für Beschlag zu des Pastoren Fensterrahmen 2
Mark
Albert
Bartels, Schmied, Nagel und Henge zu des Pastoren
Tür.....................................................................................................
7 Mark 8 Schilling
Hans
Wulf, für Ausbessern von Fenstern im Pastoren- und
Küsterhaus
....................................................................................
4 Mark 6 Schilling
Den
Kirchgeschwornen zu Aufwartung
der Kirchen
gebäude
...........................................................................................
3 Mark
1655. Claus
Wischmann für ein Fack stekens
Boens
(Boden)
in der Kirchen über der Tauff.........................................
3 Mark
200
Pannen zum Thun des Kirchhofs..........................................
6 Mark
Marten
Schulte vor das Schlot zur Kirchhofs Tür nach
Giselers
Haus
.................................................................................
6
Schilling
Antonius
Stein vor die 3 Gatter des Kirchhofs die Pannen
aufzuhengen und mit Kalk einzulegen ........................................
3 Mark
_________
1)
Also Strohdach; nur dieses konnte man ausstopfen; 1655 neu gedeckt: von
Dachpfannen keine Rede.
49
-----------------------------------------------------------------------------------
Dem
Decker, des Pastoren Haus zu decken................................ .. 24 Mark
Für
Holz, den Gebell (Giebel) des Pastorenhauses auszu
bessern
............................................................................................
... 20 Mark
Den
Zimmerleuten, so des Pastoren Haus gebessert und die
Leden
(Schwellen) gelegt, Arbeitlohn, ohne die Schrauben
14 Mark
1656.
Hans
Fink wegen der restierenden Schrauben für
die
Lede............................................................................................
9 Mark
Ausbesserung
der Kacheln in der Costerey ..............................
1 Mark
Arendt
Wulff für Ausbesserung der Fenster in Kirche und
Costerey,
so der Hagel ausgeschlagen, auch einige Ruten
in
des Pastoren
Haus.....................................................................
9 Mark
Casper
Steffens, die Stein Rönne an des Pastoren Haus
gemacht............................................................................................
6 Schilling
Vor
einen Baum zu des Pastoren Haus, daran die Henge
gesetzet
auf das Sommerhaus.......................................................
5 Mark
Noch
ein Klein stück Holtzes........................................................
2 Mark
Den
Sagers für Bretter zum Hausgebell, und für Sägen der
Bretter
zu den Hengen...................................................................
9 Mark
Hartig
Stöcker und Jasper Stüven, die alten Henge auf dem
Hause
angebracht, dafür gegeben .............................................
1 Mark 10 Schilling
Antonius
Wyterstein und Jasper Stüven, daß sie neuen
Hange
auf dem Sommerhaus angebracht....................................
3 Mark
Noch
für ein Fuder Heidt unter die Henge..................................
1 Mark
Für
Kalk und Pannen zum Kirchendach ....................................
4 Mark 8 Schilling
Antonius,
daß er die Pannen aufgelegt (Windschaden) . . . .
2 Mark 8 Schilling
Derselbe,
daß er in der Costerey einen Backofen geleget ......
4 Mark
Dydrich Folster und Johan Wolters, die große Klocke aus
gewunden, wieder befestiget und in gang gebracht.................
7 Mark
Albrecht
Bartels, Schmiedelohn...................................................
19 Mark
1657.
Albrecht
Bartels wegen Nagel und Henge in der
Costerey...........................................................................................
2 Mark 11 Schilling
Hartig
Stöker, an der Costerey gedecket ...................................
3 Mark
Antonius
Witerstein, in der Costerey beide Kachelöfen
umbgesettet
und in des Pastoren Hues de achterste stuwe
uthgewittet und den Schwipbogen des Füerherdes mit der
Muer
uthgebetert...........................................................................
7 Mark
Breder
vor den Pastoren sin Spyker ...........................................
3 Mark
Noch
dem Kleinschmidt für 1 Schlot zur Pforte des Kirch
hofes
................................................................................................
6
Schilling
1658-61.
Die
Rechnungen der Kirchgeschwornen liegen nicht vor.
1662.
Albert
Bartels für Schmiedelohn.....................................
9 Mark
Casper
Steffens, daß er in der Küsterei gesteinbrücket
...
12 Schilling
50
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Hartig
Stöcker, Deckerlohn............................................................
4 Mark
Hans
Isern Hinrich, großes Gatter um des Küsters Soth
gemacht............................................................................................
6 Mark
Claus
Wischmann, daß er im Pastorenhaus an der Bettstätte
gearbeitet..........................................................................................
2 Mark
Für
ein Fenster in des Pastoren Küche........................................
1 Mark
Barthold
Gieseler vor Glockenhengen.........................................
2 Mark
Arend
Wulf im Pastoren- und Küsterhause...............................
6 Mark
Vor
2000 Pfannen .........................................................................
... 72 Mark
Berend
Jnuth an Arbeitslohn, wohl das Kirchendach be
treffend
............................................................................................
... 38 Mark
Hartig
Stöcker Deckerlohn, da er den Schof (das Deckstroh)
von
der Kirche
genommen.............................................................
4 Mark
Für
die Streichung des Kirchenbodens.......................................
2 Mark 4 Schilling
1663.
Arend
Wulf für Fenster in der Kirche, Wedem
(Pastorat)
und Küsterei..................................................................
... 19 Mark
Vor ein Schloß im Wedem an
die innerste Tür in der
Kammer.............................................................................................
10 Schilling
Dem
Mauer Man, daß er in Pastorei und Küsterei gearbeitet
3 Mark
Vor
den Zeiger an der Kirchenuhr................................................
... 27 Mark
Albert
Bartels auf seine Rechnung (Schmiedearbeit)............... ... 39 Mark
Dem
Botticher vor 2 Ammer und 1 Balje, die der Maurer
Gebraucht.
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
...............
12
Schilling
Marx
Gryp, Jurat, daß er wegen Pannen und Kalk nach
Itzehoe
gewesen..............................................................................
2 Mark
Für
Busch zu des Küsters Zaun.............................................
14 Schilling
Dem
Mauermann, der an den Kirchentüren gearbeitet,
auch
das Dach unterstrichen hat..................................................
79 Mark
Die
Kirche
auszuweißen.................................................................
15 Mark
Noch
46 Tonnen Muschelkalk...................................................... ...
46 Mark
Dem
Kalkbrenner, daß er alten Kalk gebrannt............................
10 Mark
Noch
vor
Pannen............................................................................
28 Mark
Albert
Bartels und Hermannus, den Seyger zu repariren
22 Mark
Noch
vor Pannen und Segeberger Kalk......................................
14 Mark
Dem
Potker, daß er den Ofen im Küsterhause umbgesetzt
3 Mark
1664.
Claus
Wischmann, vor das Schlagfenster in der
untersten
Kammer in der Pastorei................................................
12 Schilling
Vor
Holtz zum Heck vor des Pastoren Haustür..........................
10 Schilling
Dem
Schnitker vor solches Heck zu machen..............................
1 Mark
Vor
pfannen und
Kalk....................................................................
8 Mark
Den
Sagers, die die Bretter um des Pastoren Soth gesaget .....
24 Mark
Dem Zimmermann, den Soth zu bauen und dabei zu Stein
brücken
............................................................................................
4 Mark 8 Schilling
51
----------------------------------------------------------------------------------
Johann
Wolter für eine Tür in der Küsterei................................
14 Schilling
Hartig
Stöcker, der auf der Küsterei gedecket...........................
8 Schilling
Dem
Mauermann von Itzehoe, der die Pfannen auf die
Kirche
gehengt...............................................................................
4 Mark
Arend
Wulf für Fenster
..............................................................
15 Mark
1665.
Vor
Kalk zur Kirchen .........................................................
2 Mark 4 Schilling
Schmiedelohn
.................................................................................
5 Mark 10 Schilling
Hans
Finken, Arbeitslohn an dem Beinhause, auch in der
Pastorei............................................................................................
8 Mark
Claus
Wischmann, für Arbeit am Seyerwerk..............................
12 Schilling
Johann
Wolter und Hans Röwer, daß sie auf dem Kirchen
boden gestrichen
.........................................................................
4 Mark 8 Schilling
1666.
Vor
eine kleine Tür in des Pastoren Küche .................
8
Schilling
Hartig
Stöcker, daß er auf des Pastoren Haus gedecket ...
1 Mark
8 Schilling
Vor
Steen in des Pastoren Stube, Kammern und Gehöft,
auch
pannen und Kalk zum Kirchendach ................................
8 Mark
Am Schluß dieses Jahres
wird aufgerechnet, daß die Kirche ein Kapital von 1100 Mark besitzt, das sich
auf acht Schuldner, alle im Kirchspiel wohnhaft, verteilt.
Dagegen ist sie
verschuldet gegen zwei ihrer Geschwornen, Hans Fuhlendorf und Hans Mohr, mit
zusammen 700 Mark. Das siebenundsechzigste Jahr, das letzte des vorgesetzten
Jahrhunderts, beschränkt sich auf die lakonische Meldung, daß die
Kirchgeschwornen 36 Mark, 6 Schilling und 6 Pfennig mehr ausgegeben als
eingenommen haben.
Uns hat die Wanderung
durch die letzten 20 Jahre überzeugt, daß das Wedem, das Pastorat, einem
wohlerhaltenen bäuerlichen Gehöfte gleich gestaltet ist; der hohe Giebel, das
solide Strohdach, der gepflegte Kohlhof entsprechen durchaus dem Bilde des
derzeitigen holsteinischen Bauernhofes. Der hohe Schornstein aber und das
Sommerhaus im Garten, von denen wir hörten, weisen darauf hin, daß die
Eingepfarrten ihrem Seelsorger einen kleinen Vorsprung zu behaglicher
Beschaulichkeit gern gönnten, zumal wenn er an seinem Teile dazu beitrug,
solche zu schaffen. Auch die mehrfach erwähnten Schlagfenster in des Pastoren
Wohnräumen waren wohl damals noch keine Selbstverständlichkeit; die fest im
Bleirahmen stehenden kleinen Scheiben sind dem Chronisten noch in deutlicher
Erinnerung. Und Tapeten? Man »weißete die Räume aus«.
Das Organistenhaus ist
ganz ohne Zweifel über seine lehmwandigen Flechtmauern um 1667 nicht hinaus
gewesen, auch der Schornstein bleibt im Fragezeichen. Wohl aber erfuhren wir,
daß zwei Kachelöfen und ein Backofen die Küsterei wohnlicher machten, vielleicht
gar zierten. Für den Heimatforscher ist es von Interesse, daß die
Instandhaltung des Organistenhauses durchaus und restlos aus der Kirchenkasse
bezahlt worden ist. - So ist dies Gebäude von Hause aus Eigentum des
Kirchspiels gewesen. –
Das Beinhaus und das
Kinderhaus sind genannt worden; daß es sich um An-
52
----------------------------------------------------------------------------------
hängsel des
Kirchengebäudes handelt, steht wohl fest Genaueres darüber ist bisher nicht
mitgeteilt worden. (Das Kinderhaus, Anbau, in dem die Eltern mit dem Täufling
warteten.) Das Abschiedshaus, so darf man wohl sagen, das Anno 1616 Pastor
Hamerich den Seinigen gesichert hatte, hat den Kirchgeschwornen keinen Anlaß zu
irgendeiner Äußerung gegeben; schließen wir uns diesem Schweigen an.
Anders steht es um die
Vikarie. Sie ist einmal auf unserm gegenwärtigen Gange als Gegenstand der
Strittigkeit beiseite geschoben worden. Das war um 1650. Wie sich dieser Streit
gestaltet und zu welchem Ziele er geführt hat, das soll Gegenstand einer
besonderen Darstellung sein. Doch fallt es nicht aus dem Rahmen gegenwärtiger
Zielsetzung, wenn die geldliche Seite dieser Angelegenheit schon an dieser
Stelle ans Licht gebracht wird. Unsere braven Juraten wurden recht sehr in
Anspruch genommen und mehr noch die Kasse des Kirchspiels Bramstedt.
Von
der Vikarie
Anno 1639 steht Friedrich
Moyelke, der Mieter der Vikarie, mit 54 Mark als Restant im Buche. 1647
vernehmen wir, das »streitige Haus, genannt Vikarie«, sei der Kirche mit 9 Mark
Grundhauer jährlich verhaftet. Nutznießer ist noch Moyelke. Nachfolger Rotker
Lindemann, ein Verwandter des M., nimmt das Eigentumsrecht für sich in Anspruch
und wird darin vom Hamburger Dompropst bestärkt. Unser Buch berichtet:
»Dem
Kirchspielvogt, daß er nach der Glückstadt gewesen
und den großen
Bescheid ausgebracht, mit Hans Mohr
verzehret, mit den
Gerichtskosten
76 Mark 4 Schilling
Noch
Hans Mohr damahlen ausgegeben...................................
15 Mark 15 Schilling
Noch
den andern bescheid ausgewürket, an den Amtmann,
das erkannte Decretum zur exequirung (Befehl zur Exe
kution)
.............................................................................................
17 Mark 6 Schilling
Dem
Fuhrmann, so Hermann Schlaf von Glückstadt auf
Bramstedt
geführet.........................................................................
7 Mark 8 Schilling
Demselben
für Zehrung unterwegs.............................................
2 Mark 2 Schilling
Dem
Boten, so an den Advokaten nach Glückstadt geführet
1 Mark 9 Schilling
Noch
Hans Boyen, daß er die Kirchgeschwornen aus dem
Kirchspiel
geholet...........................................................................
6 Mark 6 Schilling
Frenz
Hardebecken, daß er den Notarium, so die 9 Zeugen
beeydiget,
geholet und nach Haus geführt................................
5 Mark
Noch
haben die Kirchgeschwornen, nach beygelegter
Rechnung
unter des Kirchspielvogts Hand Anno 651 und
652
wegen Gerichtsunkostung an denselben bezahlet.............
69 Mark 14 Schilling
Hinrich
Isern Hinrich, den Kirchspielvogt mit Hans Mohr
nach
der Glückstadt geführet und wieder zu Haus....................
6 Mark 4 Schilling
53
-----------------------------------------------------------------------------------
Noch
Marx Grip und Hans Mohr mit dem Kirchspielvogt
nach
der Glückstadt gewesen laut beigelegtes Zettul...... ___ 61
Mark 2 Schilling
Noch
nach Flensburg auf ihro Königl. Maj. gnädigsten
bescheidt
mit Hans Mohren vor Wagenfuren hin und her
12 Mark
Daselbst
verzehret mit dem Gerichtlichen bescheide ...............
12
Schilling
Noch
die Kirchgeschwornen nach erlangtem bescheide sich
nach der Königl. Cantzley Angaben, mit den Gerichtl. Un
kosten
..............................................................................................
9 Mark
Kurz
darnach der Kirchspielvogt mit Hans Fulendorff nach
Glückstadt
gereiset.........................................................................
2 Mark 10 Schilling
Hans
Pohlmann den Herrn Kirchspielvogt Paul Blancken
mit
Hans Mohren, weil der Advokate Dr. Hermannus
Schlaef
Sie beschieden nach Itzehoe .........................................
4 Mark
Hans
Fuhlendorff den Kirchspielvogt mit den Kirch
geschwornen nach Glückstadt
....................................................
6 Mark
Hinrich
Isern Hinrich Anno 1652 kurz vor der Ernte den
Pastoren
und Marx Grippen nach der Glückstadt geführt,
mit
dem Advokato zu sprechen....................................................
6 Mark
Folgends
den Kirchspielvogt mit einem der Kirchge
schwornen dahin geführet............................................................
6 Mark
Hans
Fuhlendorff den Pastorn nach der Glückstadt ge-
führet,
weil der Advocatus mit Tode abgangen, einen
andern,
als (nämlich) Dr. Bünsow von Meldorf wieder zu
bestellen
6 Mark
Dem
Advocato Anzahlung gegeben...........................................
9 Mark
Noch
in der Harbarge verzehret mit Wagen und Pferden
tags
und nachts..............................................................................
3 Mark 4 Schilling
In
der Canzlei pro citatione an Rötger Lindemann.....................
4 Mark 12 Schilling
Hans
Lindemann, den Kirchspielvogt Christianum Schlaef
und Hans Mohr nach Meldorf gefahren mit dem Dr. Bünsow
wegen der Kirchen Sache zu reden, weil das Oberamts
gericht sollte gehalten werden, und ferner nach der Glück
stadt geführet
.................................................................................
15 Mark
Herrn
Dr. Bünsow mit Zehrung und aller unkost gegeben
83 Mark
Noch
da die Sache ihre endschaft erreichet, der Kirchspiel-
vogt
und die Kirchgeschwornen zur Glückstadt einen
Wagen
bis auf Bramstedt genommen.........................................
6 Mark
Hinrich
Ahrens Botenlohn nach der Glückstadt, zum
halben
Teil mit dem Kirchspielvogt.............................................
8 Schilling
Hans
Isernhinrich, Botenlohn, zum Advokaten in Glück
stadt .................................................................................................
1 Mark 4 Schilling
Alles in allem ist der
Kirche eine Kostenrechnung in Höhe von rund 350 Kurantmark erwachsen; was
Rotger Lindemann, der Gegner, an Geld hat opfern müssen,
54
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wird man nie erfahren. Was
hüben und drüben an ärgerlichem Verdruß hinzunehmen war, dafür gibt es kein
geeichtes Maß. Aber eins bekundet sich in strahlender Herrlichkeit: Wie
vorteilhaft es für Dritte werden kann, wenn Zweien die Vernunft abgeht, ihre
Angelegenheiten in friedlichem Entgegenkommen untereinander zu schlichten. War
Rotker der Starrköpfige, so hat er übel dafür büßen müssen. Körperlich schon im
vorangegangenen Verfahren unter »Ding und Recht«, wirtschaftlich sehr durch den
Spruch des Obergerichtes zu Glückstadt: ihm wurde die Schankgerechtigkeit für
immer entzogen; die friedliche Kirche hatte sie ihm vergönnt, auch in
freundlicher Nachbarschaft den Wein, dessen Herr Pastor von Amtes wegen
benötigt war, von ihm bezogen. Der Bramstedter aber soll dem etwas rauhbeinigen
Rotker für eins seine Anerkennung nicht versagen: ihm bleibt zu verdanken, daß
durch sein Verhalten der einzige Fall geschaffen worden ist, der für die
tatsächliche Handhabung von »Ding und Recht« innerhalb unseres Weichbildes
unwiderlegliches Zeugnis gibt. - Frieden seiner Asche!
Von
der Visitation
Bevor wir das
Rechnungswesen verabschieden, wird es angebracht sein, Kenntnis zu nehmen von
der Gestaltung der Visitation.
Unsere Juraten nahmen auch
teil an der Kirchenvisitation, sofern sie sich zu einem festlichen Mahl
gestaltete. Diese Angelegenheit bedeutete, abgesehen von Ausnahmefällen, für
das Pastorat ein volles Haus und im besonderen für die Frau Pastorin einige
Unruhe und Sorge. Hier nur eine Aufstellung über die gesamten Kosten, die die
Kirchgeschwornen wegen einer solchen Visitation im Namen der Gemeinde zu Buch
zu nehmen hatten. Anno 1657:
Dem Herrn Probst
gegeben wegen der Visitation und
Kirchenrechnung............................................................................
9 Mark
Dem
Herrn
Amptschreiber.............................................................
6 Mark
Des
Herrn Probstes Diener
.........................................................
6
Schilling
Dem
Fohrmann................................................................................
3 Mark
Vor
Heu und Haber........................................................................
3 Mark 3 Schilling
Noch
des Herrn Probstes Bote.....................................................
3 Mark 12 Schilling
Vor
einer Tunne Hamburger Behr................................................
9 Mark 4 Schilling
Noch
wegen der Visitation und Kirchen Rechnung dem
Herrn
Pastor....................................................................................
12 Mark
(Dieser Gegenstand wird an
anderer Stelle ausführlicher verhandelt werden.) Hier darf eingefügt werden,
daß für Calande d. i. amtliche Zusammenkunft der Geistlichen einer Propstei
jährlich 1 ½ Mark zu entrichten waren. Steigerung in besonderem Anlaß war
zulässig.
55
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Verträge,
das Kirchengut betreffend
1. Anno 1632 am Tage Johannis Baptistae hefft die
Er- und Vieltugendsame Agneta von Hatten, weiland Selig Cristian von Hatten
hinderlaten Wedewe von der Karken Bramstedt up Rente genahmen in einer Summe
Veerhundert Mark lübsch, dat Hundert jahrlichs mit 5 Mark 1. tho vorrentende up
Johannis dage. Und is darfor Borge geworden Herr Johann Vagett, Königl.
Karkspell Vagett. »Dütt bawen geschrewene Bekenne Ick Johann Vagett.«
2. »Anno 1620 hefft Hinrich Nymann, Schmidt tho
Hitzhusen, van der Karken Bramstedt gelehnett und up Rente genahmen Hundert
Mark lübisch. Wyll he awerst darfor gesettet einen Borgen, als Tyttke Rungen,
dasülwes Buhr Vagett, und de Borg mit dode afgangen, hefft he der Karken wegen
vor wißerung (Sicherheit) des Capitals mit wethen siner Frau gesettet syn
Schmiedetueg (Handwerkszeug) und alle er bewegliche und unbewegliche güeder,
Kisten- und Beddegewandt (?), in Summa nichts buten bescheden (ausgeschlossen),
an watt Orde und Ende Se (die Eheleute) sich werden damit upholden, tho einem
Sekern underpande vor höwetstoel und Rente sich darmitt betalet tho maken. Tho
mehrer bestedigung, datt ditt also geschehn, hefft Hinrich Niemanns Fruwe bawen
(oben) Johan Vagetten, mitt erer eigen Hande und nahmen undergeschrewen.«
Der
K.-Vogt bestätigt, daß Christina selbst unterzeichnet habe.
3. »Anno 1584 up Lütteke
Fastelawent is ein vordracht und kop geschehen twischen Herrn Casper pastor tho
Bramstede und Clawes Teden, ock wannaft tho Bramstede, und Bywesende der achbar
Jürgen vaget und de feer Karkswaren, alse hans schacke, dirik Roelefinck,
Markert mertens, hinrik kruze, alse derwyle Herr Casper oder syne vorfahren (im
Amt) nichtes van dem sülwigen Rep, welcher licht in dem asbroke up dem Bramstedter
felde und gehört tho der weddem, können bekamen oder tho Netende (Nutzung,
Genuß) krigen, so hefft der pastor mit Jürgen vaget und de feer karksworen
ehren weten und willen (und sind einverstanden): Den Rep (Landstreifen)
vorkofft an Clawes Teden. De schall jarliken dem pastorn gewen 26 Schilling,
oder Clawes Teden oder syne Fruwe den hauptstoll uthgewen, also 26 Mark, so
schall dat sülwige dem Pastorn thom Besten up Rente gedan werden. Wo awerst de
Rente oder de stoell nicht von Clawes Teden oder van synen Erwen worde uth
kamen, so schall de Rep wedderumb by de weddem gelecht warden.«
Unterschriften
fehlen diesmal.
4.
Anno 1632 entsteht noch ein Vertrag, mit dem Herrn Seelsorger gezeitiget: »Die
Karkschwornen sind mit dem Pastoren eins geworden wegen Beddesteden, als eine
in der stuwen (Stube) vor dem Huse, dor die Kinder in slapen, und denn in der
groten Kamer bey der achtersten Doensen (Zimmer), dor man kann von der Deele
einstygen benewen dessen Fotschemel, und die beyden benken in den achtersten
Doensen, Ingeliken die Bokryge (Bücherbord) und andere Rygen im ganzen Hus, so
der Pastor darin hefft maken laten; dor hebben Sie dem Pastoren
56
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und synen Erwen erleget
und betalet Achtig mark, dat solches alles nach synem affscheydt schall by der
Wedem bliewen und nicht daruth gebraken werden. Wat sonsten syne andern
Beddesteden und deren thobehörigh (Zubehör) anbelanget, hefft mit düssen koop
nichts tho doende. Und daß solches alles wahr und die Kerke darin nicht moege
vorkortet (zu kurz kommen) werde, hebbe ich Henricus Galenbecius, Pastor tho
Bramstede, ditt mitt eigener handt geschrewen.«
Noch
Zuwendung und eine Ablösung.
1. »Anno 1601 up Stillefriedach hefft Tyttke
Roepken tho Bymoellen der karke tho Bramstede gegewen nha synem Dode 16 Daler.
Desülwigen stan up 3 stück ackers, genömet de Ruwyden stücke, welcken he
gekofft hefft, do he noch knecht war, vom olde hartich kampen tho wiemerstorp;
hyr By an und awer (gegenwärtig, anwesend) synt gewesen de achtbar Casper vaget
und de 4 kark Swornen. - Anno 604 des sondages vor Borgerdach (?) is dyt gelt
den Karkschwornen entrichtet und schal der Karke thom Besten up Rente gedan
worden.«
2. »Anno 1632 up Johannis hefft Abelke Hardebeken
wegen ihres Sel. Mannes bethalet 17 Daler und blifft der Karken in allem
schuldigh Hundert Mark l. Diße Resterende Summe samt einer Jahres Rente hefft
Hans Mohr wegen Abelke Hardebeken den Karkschworen in des Pastoren hus erleget,
welche alsofort thom Karkengebäud, nämlich zum Hahn und Knope, desgleichen tho
Vormahlinge (Anstreichen) der Schienen und tho Vorguldinge (Vergoldung) von des
Königs Krone und Namen.«
3. »Anno 1626, den 31. Augusti, hat der Ehrenfeste
und wohlgeachte Casper vogd durch seine hinterlassene wittwen Magdalen vogds
mit consens und volbort (Zustimmung) seines vielgeliebten Bruders Johan vogds
nunmehr ihrer Königl. Mayt. zu Dennemark wolbestalten Caspelvagdes zu Bramsted,
der Kirchen zu Bramsted zu einem ewigen Memorial für seine grabstett verehret
und gegeben - ein hundet Mark lübisch. Dessen Seele in gottes Hand ruhe. Welche
100 Mark l. die Kirchgeschworen in einer unzertheilten Summen Anno und die ut
supra (an oben bezeichnetem Tag) entfangen hebben.
quod contestor (was
bestätigt wird):
M. Dethlevus Meyer,
Probst; Nicolaus Winterberg, Visitator; Henricus Galenbecius, Pastor.<
Memorial
Anmerkung. Im Jahre 1649
unterschreibt zum letztenmal Vitus Barbarossa, Propst zu Heiligenstedten
(Itzehoe) den Rechenschaftsbericht; ihm folgt Johannes Hudemann, Propst zu
Segeberg. Seitdem sind weltliche und geistliche Obrigkeit unseres Kirchspiels
dort geblieben, bis 1876 die Parochie zur Propstei Neumünster abgezweigt wurde.
Wobei zu beachten ist, daß Kirchspielvogtei und Parochie Bramstedt nicht
räumlich und rechtlich sich deckende Begriffe waren, indem Quarnstedt nur in
weltlichen Dingen mit Bramstedt zu tun hatte, während andrerseits Brockstedt
lediglich in Angelegenheiten der Kirche (und der Schule)
57
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an Bramstedt gebunden war.
Eine weitere Änderung ist nach langem, nicht allemal erbaulichem Hin und Her im
Jahre 1904 eingetreten, indem die Ortschaften Borstel, Brockstedt, Armstedt,
Hardebek und Hasenkrug aus der Kirchengemeinde Bramstedt abgetrennt worden sind.
Die
Juraten auf umstrittenem Boden
Aus dem Jahre 1574 wird
berichtet, wie folgt:
»De Karksworen tho
Bramstede hebben gekofft der karken thom besten 8 himpten Roggen, welkene 8
himpten sin tho Wiemerstorp yn Jasper Tydtken (sin) Sadt (Hufe), vann Jasper
kröger thor Stellow vor 63 Mark 2 Schilling, Welkenes geldt Jasper kröger thor
Stellau thor noge (restlos) Endfangen hefft.«
»Und den Karksworen (ist)
stol (das Geld) und winkop wedder geben alse na Landrecht. - Den stol hefft
gestaweth (ausgelegt) Marquart Mertens (vermutlich aus Wiemersdorf) un ock den
wyn kop.«
»Hir an und awer syn
gewesen dyse frame lüde, alse (wie) folgeth: Hammerich und Stamerjohan yn dem
blecke (Bramstedt), Frantz, Jürgen Wischmann, Marquardt Lindemann tho
Brockstede, Marquart Volster und Eggerdt Jorrk tho Hiddeshusen.«
»Dyser kop ys geschehen yn
Dirick Rolefinken hus, un dat geldt hefft Jasper kroeger dor ock Entfangen In Dirick
synem Huse, Und is geschehen up S. Martini Dach (Tag).«
Dieser Bericht ist
offensichtlich nicht eingetragen worden von einer direkt an den Vorgängen
beteiligten Person; er stammt aus der Kirchenkanzlei. Der Sachverhalt kann
einfacher dargestellt werden:
Jasper Kröger aus Stellau
ist Inhaber einer Roggenhypothek mit einer Belastung von jährlich 8 Himten
Roggen, wahrscheinlich kleines Maß. Schuldner ist Jasper Tydtken in
Wiemersdorf. Irgendwie ist dem fernen Stellauer diese Hypothek etwas unbequem.
Als sich die Gelegenheit bietet, verkauft Kröger seine Rechte an die
Bramstedter Kirche, wohl vertreten durch ihren Juraten Marquart Mertens, und da
der Preis für den Käufer günstig stand: jährlich 8 Himten Korn für ein Kapital
(Stol) von reichlich 60 Mark, so wäre weiter nicht an der Sache gerührt worden.
Nun störte aber wohl der »winkop« (Weinkauf) an sich, und besonders deshalb,
weil Wiedererstattung der dadurch verursachten Kosten gefordert wurde. Ob die
Höhe dieser Kosten mit zur Frage stand, steht dahin. Beim »Weinkauf«, dem
bestätigenden Siegel des Kaufabschlusses, mußte nicht durchaus Wein getrunken
werden; auch Bier oder Grog standen voll im Kurse, und die rechtlich bindende
Kraft des Verfahrens litt nicht, wenn auch der Wein verschmäht wurde.
Entscheidung zu treffen,
rief man eine Reihe »frommer« Männer aus dem Kirchspiel herbei, und damit
stehen vor uns Männer, die bei »Ding und Recht« das Urteil zu finden hatten.
Meistens nannte man sie »Achtmänner« oder auch »fromme Holstenmänner«. Hier wirkten
sie als Friedensrichter, und das daneben bestehende »Landrecht« zeigte keinen
Anlaß zum Tadel für die oder den Juraten.
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Kurzer
Blick auf die Unterbeamten der Kirche
Diese Frage wurde
angeschnitten am 14. Oktober 1636 bei oder nach Ablegung der »Rechenschop«.
Christian Hamerich, der
Kirchendiener, der 22 Jahre lang bereits der Kirche gedient hat, besinnt sich,
ein Guthaben bei der Kirchenkasse erworben zu haben, an dessen »Erstattung«
oder Auskehrung ihm nun gelegen ist. Die vom Protokollführer gewählte
Schreibart gestattet nicht, zu erspähen, um welchen Betrag es geht. Es wird ihm
aber zugestanden, daß er in allen Jahren eine Dienstleistung ausgeführt hat,
ohne dafür entlohnt zu werden, ohne auch eine solche gefordert zu haben. Der
Herr Propst wählt den Mittelweg: es wird ihm Nachzahlung für n Jahre
zugesprochen und fortan eine Lohnsteigerung von 2 Himten Roggen jährlich
festgesetzt.
Es
folgt ein Zusatz, der hier noch Platz finden möge:
»Ebenmäßig ist dem
Kirchendiener zugesagt und versprochen worden, ihm jährlich einen Reichstaler
zuzukehren, dafür er schuldig sein soll, das ganze Jahr durch auf allen Fest-
und Sonntagen mit der »behte« (Klingelbeutel) umbzugehen und der Kirche zum
Besten sich dafür unweigerlich und unwiderruflich gebürend gebrauchen zu
lassen.«
Christian Hamerich hatte
seitdem eine Entlohnung von 4 Himten Roggen und 1, wohl auch einmal 2 Mark
Zulage.
Der Versuch, etwas zu
erschauen vom Stand der Schule um 1570, also ¼ Jahrhundert später, als
Bugenhagens Schulordnung herausgekommen ist, bleibt überraschend wenig belohnt.
Gewiß, das Schulhaus, meistens Organistenhaus genannt, trat gleich in unser
Blickfeld: wir lasen von Reparaturen dieses Gebäudes, und das Buch verschweigt
nicht, daß es galt, ein »altes Haus« zu bessern, ein Zeichen dafür, daß die
Schule, für welche es gebaut war, schon recht lange bestanden hatte.
Aber die Namen der Männer,
die hier eines würdigen Amtes gewaltet haben, nennt niemand! Das wenige, was
sich bietet, sei an den Tag gebracht: Anno 1573 zahlen die Kirchgeschwornen
»dem scholmestern, de fan Segebergh quam (kam), die gleiche Summe, welche der
forige gehabt hadde«, nämlich 6 Mark.
1575 wiederholt sich das
gleiche; es wird wieder einer »angenommen« und gar noch ein Gottespfennig von 8
Schilling zur Festigung des neuen Bundes geopfert. Ähnliches mag sich noch
recht oft ereignet haben. Doch das Kirchspiel brauchte »Schollehrer, Küster und
Organist« in einer Person, die, was den Organisten betrifft, auch im Winter zur
Stelle sein sollten. So trat dann das Küstergehalt sehr in den Vordergrund:
Hebung von 16 Himten Roggen, dazu ein Jahrgeld für »Schol Waschen und
Kirchenschmuck zu Maitag« zusammen 12 Mark; und als 1656 noch der »Seyer«, das
Stellen des Turmuhrzeigers, hinzukam, blieb das Jahrgeld total unberührt. - Ein
Anno 1663 eingetretener Organist erlebte die Ehre, seinen Namen ins Kirchenbuch
eingeschrieben zu sehen: Hermann Einbauten
59
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beim Eintritt, danach
dauernd Hermannus. Auch für ihn blieb die bewährte Entlohnungsform in Kraft: 16
Himten Roggen und 12 Mark Jahrgeld. So kam er in den ersten Jahren zu 28 ½, 17,
11 Kurantmark des Roggens wegen, ergänzt jedesmal durch 12 Mark Jahrgeld.
Kleine
Notizen, die der Beachtung wert sind
1. Anno 1651 werden einem aus Ungarn
vertriebenen Manne auf Befehl des Königs 2 Mark ausgehändigt.
2.
Dem
Bischof aus Zypern 1 ½ Mark.
3.
Einem
Juden, der sich zum Christentum bekehrt hat, werden auf Sr. Majestät Befehl 3
Mark zuteil.
4.
Auffällig
ist die Nachricht, daß Hans Fulendorf, der Vater unseres Jürgen F., in seinem
Hause den Kirchenroggen »meten« läßt und dafür in Rechnung stellt: »Vor 1 Tonne
Bier, 8 Pfund Speck, 9 Pfund Brot, 7 Pfund Butter, wofür zu entrichten 18 Mark.«
Es ist schon unbedenklich,
anzunehmen, daß Frau Pastorin den Tumult in ihrem Hause vermeiden, aber die
Wirtschaft in der Kirchspielvogtei umgehen wollte, wo man ja, wie wir gesehen haben,
das Vergnügen mit 34 Mark berechnete.
5.
.Wir
lesen: »Als Hans Folster Korn gemayet und eingeerntet, verzehrt 4 Mark 8
Schilling.« Hier liegt die Frage nahe, ob etwa die Eingepfarrten verpflichtet
waren, solche Dienste für die Kirchenhufe zu leisten. Die Antwort ist ein
klares Nein. Hier liegt ein Fall freier Vereinbarung vor; von Pflichten dieser
Art weiß das Kirchenbuch nichts zu melden, wie ja auch der Mäher Hans Folster
entlohnt worden ist.
6.
Hans
Mohr und Jürgen Gloyen, daß sie im Umbschlage dieses Jahres (1666) vier Tage in
Kirchengeschäften nach Kiel gewesen.
Hier zeigt sich, welch
große Anziehungskraft der Kieler Markt schon damals hatte.
Die Wanderung durch die
hundert Jahre des Kirchenbuchs ist vollendet. Aber es ist noch ein zweites Buch
vorhanden, das dem hier bearbeiteten recht ähnlich ist. Es wäre
Pflichtversäumnis, wollte man es nicht nutzen als willkommene Ergänzung und zur
Festigung der bereits gewonnenen Kunde.
Zur Aufmunterung möge der
freundliche Leser zur Kenntnis nehmen, daß das wüste Gebiet der Ziffern in den
Hintergrund treten soll.
Observata
des Pastoren Galenbecii
1627: In der Ernte des
Röm. Kaisers Kriegsmacht über die Elbe nach Holstein und darin verblieben bis
1629 (Johanni). 1628 ist am 3. Tag zu Ostern der Flecken angesteckt worden;
alles, was zwischen den drei Brücken gestanden, von dem
60
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Hohen Tore über die Hudau
und Mühlenstrom, ingleichen die Mühle, des Pastoren Haus und die zwei, so dabei
stehen.
1643: Am 2. Advent sind
die Schweden unvermudlich in Holstein eingefallen, haben das Land hart
gepresset bis 1645 um Michaelis und nach erlangtem Frieden das Land verlassen.
1644: Kirchspiel Kaltenkirchen
von ihnen verbrannt in den Ostertagen.
1645: Friede geworden.
Dreijährige
Kriegszeit 1657-1660
1657: König von Schweden
kam zur Zeit, da der Roggen eben eingebracht, mit seinem unansehnlichen Heer
aus Polen hierher und ist durch Holstein nach Jütland gezogen, und nachdem er
die Festung Friedrichsoer (?) mit Sturm genommen, diese besetzt. Ist endlich um
Lichtmeß in Anno 1658 über das Eis nach Fünen, Seeland, Laaland, Falster usw.
gangen, bis der König von Dänemark mit ihm Frieden geschlossen. - Aber der
Schwedenkönig brach sein Wort; die Dänen haben Holland, den Kaiser, den
Kurfürsten zu Brandenburg und den König von Polen zu Hülfe gerufen. Ein
erschrecklicher Kriegsherr hat ein ganzes Jahr Dänemark und Holstein
heimgesucht, daß das Land jämmerlich verzehrt worden. -Im Zuge der Ereignisse
ist der Kurfürst von Brandenburg mit der Kur-Brandenburgischen Armada durch
Bramstedt gegangen und sind im Flecken und im Kirchspiel einquartiert worden.
Der Kurfürst ist am 29. August 1659 hier einquartiert gewesen auf dem Hofe. Dem
Kurfürsten sind die Polen auf dem Fuße gefolgt. So geschehen am 1. September
1659. - Schon im Jahre vorher um Michaelis waren sie hier einquartiert gewesen
und hatten den Leuten, die sie übereilten, die Pferde geraubt. 1659 blieben sie
hier bis zum 4. des Monats. Sie haben übel, übel haus gehalten; die Orgel und
das Uhrwerk in der Kirche haben sie ruiniert, ja, sie haben die Toten, die in
der Kirche begraben waren, nicht verschont, sondern, wohl weil sie hofften,
Schätze zu finden, deren etliche ausgegraben und die Särge in Stücke zerhauen.
So haben sie auch im Altar etwas vermauert gefunden. Was es gewesen sei, ist
unbekannt. In wahrhaft barbarischer Weise haben sie im Gotteshaus gehaust.
»Gott wolle alle frommen Christen vor solcher Tyrannei bewahren.« - Und ist zu
wissen, daß dies polnische Kriegsheer von General Granetzki kommandiert und
geführt worden. - Gegen Ende des Jahres 1659 ist ein polnisches Regiment,
nachdem es mitgewirkt hatte an der Rückgewinnung der Insel Fünen, von dort nach
Hause geschickt worden. Wieder ging der Weg über Bramstedt. Zuerst wurde am
heiligen Weihnachtstage die Leiche des gefallenen Obersten Raskinsky durch den
Ort geführt.
Anno 1660 am 1. Sonntag
nach Epiphanias folgte das Regiment und blieb hier bis zum 13. Januar. Diese
Tyrannen haben bei ihrem Ausmarsch mit den Bramstedtern den Rest geteilt. Die
annoch übrigen wenigen Orgelpfeifen haben sie völlig verderbet, ja, hätten wohl
gerne, wenn sie nur könnten, den Garaus gemacht. Sie sind weit und breit geritten,
und hat, weil es gefroren gewesen,
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nichts in Büschen und
Morästen, so wenig in benachbarten als an diesen Örtern können vor ihnen
verborgen bleiben.
Post mortem Caroli Gustavi
Regis Sueciae, Anno 1660 im Mai, ist unter den nordischen Königreichen Friede
geschlossen worden. - Die acht Regimenter der Alliierten sind, als man mit der
Nachmahd oder Etgrön beschäftigt gewesen, fortgangen. Kirchspiel und Flecken wieder
mit dänischen Völkern belegt. (Von den Schweden zuerst in Bramstedt gelegen
Oberst Stolzenberg; dann Oberst von Osten, haben die Leute hart gepreßt. Von
den Brandenburgischen: Oberster Hille, dann gefolget Elias von Kanitz, Oberster
der Dragoner, wie auch Oberst Greve, dessen Reuter zu Wiemersdorf und Hardebeck
gelegen, welche auch dem Flecken und Kirchspiel Großes gekostet.) - Gott wolle
den armen Leuten ihren Schaden mit reichlichem Segen wieder ersetzen, sodann
uns All solche und denselbigen pressuren gnädiglich behüten um Christo Jesu
willen.
Anno 1658 ist Obrist
Alexander vor der Kirche gewesen zu Bramstedt, ist Pastor Henrikus Galenbeck in
die Kirche gangen, Armenkiste erbrochen gefunden, darinnen nur noch 10 Mark.
Anno 1668, 16.4.: morgens
zwischen 9 und 10 große Feuersbrunst im Flecken, 7 Wohnhäuser abgebrannt:
Jasper Wulf, Hinrich Fölster, Martin Schulten samt der Schmieden, Metta
Hartmann samt dem Stall, Johann Krützfeldt, Johann Hardebeck, Bartelt
Gieselers, aufgegangen, da dann der Wind Südwest gewesen, und bei Jasper Welser
das Feuer auskommen.
Anno 1676 in
Maria-Magdal.-Nacht um 1 Uhr im Flecken Feuersbrunst entstanden, darinnen die
Häuser der Bartelt Gieseler, Joh. Hardebecken und Gerdt Wulfs aufgegangen,
auskommen bei G. Wolf.
1677 große Feuersbrunst, 8
Häuser: Hans Schacken, oldt Hans Wolfen, Abschiedshaus, Jasper Wulfen, Hans
Steckmessen, die Küsterei, Hinrich Lindemann und 2 Ställe, als Klaus Blunck und
Hinrich Lindemann aufgegangen. Der Schaden kam daher, daß aus einem
Ammunitionswagen der Hessischen Auxiliarvölker Pulver auf die Straße gestreut,
worauf das Wagenrad Feuer gebracht.
Anno 1692, 30.10.,
nachmittags um ½ 2, da die Leute eben aus der Kirche kamen, sind im
Flecken abgebrannt: Klaus Vossen, Arend Wulfen.
1699 in der Nacht von
Freitag und Sonnabend vor Dom. 14 p.Tr.: ein gottloser Mensch in die Kirche
eingebrochen, auf einer Totenbahre ins Fenster gestiegen, und Armenkasten
ausgeleert, zum wenigsten 80 Mark darin; man hat vom Armengeld, so auf Rente
gestanden, aufnehmen müssen. Es ist zu merken, daß von jeher und noch lange
nach 1670 nur einmal im Jahr, in der Woche vor Fastnacht, der Armenkasten
ausgenommen und das Geld ausgeteilt wurde. Die Kirchschwornen haben nur einmal
im Jahr gesammelt.
Zur Zeit des Amtmanns v.
Buchwaldt ist beschlossen: der Organist sammelt jeden Sonntag (um 1650) gegen
eine Jahresgebühr.
Zu dieser Zeit: Vitus
Barbarossa Präpositus, Henricus Galenbeck Pastor, Johann Vaget Kirchspielvogt,
Christian Hamerich Organist, Kirchschworen: Joh. Bartels
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im Flecken, Tewes
Hardebeck in Wiemersdorf, Hans Mohr in Hardebeck, Marx Gripp in Borstel.
1592: Neuer Kelch
angeschafft: in Hamburg, mit Vergoldung 25 Rthr. Und 1 Ort. Mark.
Orgel fertig 1573: Casper
Röhlfinck erster Küster bis 73, nun ein Organist angenommen, 1 Rtlr.
Gottespfennig; dabei Geschworner verzehrt 3 Mark 7 Schilling. -Prozeß Rötger
Lindemann! 450 Mark Kosten.
1667: Orgel: An Stelle der
zerstörten Orgel ein Positiv und Orgelwerk von der Glückstädter Stadtkirche
gekauft, 6 Stimmen; am 1. Advent-Sonntag zum erstenmal erklungen. Von 260
Feuerstätten je 2 Mark 8 Schilling erhoben = 515 Mark.
1669: Anno 1635
aufgeführter Turm und Mauer baufällig geworden, weil das hineingemauerte Holz
vergangen, dadurch Kirche und Turm in größter Gefahr. -Den Kirchgeschwornen
wurden 4 Gevollmächtigte zugeordnet: Klaus Steckmest und Gerdt Wulf für den
Flecken, Titje Hardebeck aus Wiemersdorf, Hinrich Titgen aus Hitzhusen.
Vereinbart: 7 Mark für jede Feuerstelle = 206 mal 7 = 1442 Mark. - Weil auch
die Insten und Bei-Insten die Glocken frei gehabt, haben diese beitragen müssen
3 Mark und 1 Mark 8 Schilling. - Gesamtkosten 1387 Mark 3 Schilling.
1674: Backhaus im Pastorat
gebaut: 140 Mark 12 Schilling; Kirchenlade, für die Bücher, mit Schmiedearbeit
und Anstreichen 5 Mark 8 Schilling.
1677: Küsterei, so bei dem
großen Brande zerstört, wieder aufgebaut: 535 Mark 11Schilling.
1678 am Freitag vor
Palmarum: Sturm hat den Mächler mit Hahn und Knopf heruntergeweht, auf die
Kirche gefallen. 362 Mark 7 Schilling.
1683: Mit Erlaubnis der
Kirchenvisitation (Amtmann und Propst) sind aus den Brunnengeldern 300 Mark für
Turmbau verwandt worden.
1678/88 hatte die Kirche
mehr Ausgaben als Einnahmen. - Unterschuß insgesamt 1568 Mark; gedeckt worden
aus den Brunnengeldern, dazu die 300 Mark; Anno 1688 konnten noch 250 Mark zu 5
% auf Zinsen gegeben werden.
1689: Einige aus
Kirchenholz gesägte Bretter, so ihrer Nässe wegen zum Boden im Pastorhaus nicht
können gebraucht werden, sind gehoben 17 Mark 8 Schilling. Von Hinrich Meinert
in Hagen für einiges, zur Ungebühr gehauenes Kirchenholz, so bei seinem Erbe,
empfangen 9 Mark.
1691: Von Heinrich Meinert
dito 10 Mark 8 Schilling. Kirchenmauer an der Westseite baufällig, Einsturz
drohend, niedergebrochen, von Grund auf neu: 9 Mark für jede Feuerstätte. 2038
Mark 3 Schilling.
1686: Begräbnis für 1
Leutnant aus Cap. Koes Companie, der sich selbst erschossen, in der Kirche
begraben, 12 Mark. Vor das Geläut 3 Mark. 1688: Vor Begräbnis nur Geläut bei
Beerdigung des Herrn Auditors von dem Obersten Aderkehs (kass) 12 Mark.
1692: Vor Aderkahs für
sein Söhnlein in der Kirche 9 Mark. 1688: Beichtstuhl neu gebaut, Tischlerlohn
12 Mark. 1693 ist vor die Eröffnung des sel. Friedr. Müllers und dessen
Erben zu-
63
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ständigem Begräbnis, als
die Frau Majorin Cramersch darin beigesetzt worden, gehoben 20 Mark. - Der 1677
wegen dieses Begräbnisses wegen errichtete Contract:
»Kund und zu wissen sei
hiermit männiglich, daß der Herr Major Kramer für seinen seligen Herrn
Schwiegervater Herrn Hinrich Müller, gewesenen Proviant-, Ammunition- und
Bauverwalter in Krempe, wie auch für sich selbst und seine Frauen und Erben ein
ewiges Erbbegräbnis von der Kirche zu Bramstedt erkauft hat, an der Südseite in
gedachter Kirche neben dem Altar bis an die Kirchenmauer, 11 Fuß breit und acht
Fuß lang und soll der Herr Major und seine Erben freie Macht, die erkaufte
Begräbnis auf vorbeschriebene Größe, mit Mauern aufzuziehen, und mit einem
Leichsteine zu belegen, und ein Epitaphium an einem bequemen Orte in der Kirche
setzen zu lassen, um und vor 60 Reichstaler baren Gelde und eine silberne,
übergoldete Kanne, auf 40 Rtlr. geschätzet, welche er der Kirche zum ewigen
Gedächtnis seines sel. Hr. Schwiegervaters verehret, und ist den sämtlichen
Kirchgeschwornen erwähntes Geld und die silberne Kanne zu selbst eigenen Händen
von Hrn. Majoren überreichet und bezahlet und solches in dem Kirchenbuch
verzeichnet worden. Wie sich die Kirchgeschwornen für sich und ihre Successoren
verpflichtet, nimmer zuzugeben, daß sel. Hrn. Müllers Erben noch sonst jemand
den Leichenstein, über des sel. Hinrich Müllers Körper liegend aufzunehmen oder
daselbst einen andern zu begraben Macht haben, besonders bis zu ewigen Tagen
solche Begräbnis uneröffnet bleiben soll. Das übrige von dem Platze, unter dem
Gestühl, mögen die Erben nutzen und zu brauchen haben, jedoch mit dem Bedinge,
daß allemal bei deren Eröffnung der Kirchen dafür ihre Gebühr gegeben werde,
wie zu Segeberg, Oldesloe und sonsten allerwärts gebräuchlich. - Zu Urkund der
Wahrheit und festen Haltung ist dieses von dem Herrn Pastor zu Bramstedt und
den Juraten eigenhändig unterschrieben, auch wegen Ihrer Königl. Majestät
unsers gnädigsten König und Herrn, als einzigen Patron der Kirche dem Kgl.
Regierungsrat und Amtsverwaltern zu Steinbürg und Segeberg Herrn Nicolaus
Brüggemann corrobiret und bekräftiget. - So geschehen den 20. Juli 1677. -
N. Brüggemann, Dethlevus
Galenbeccius, Pastor Eccl. Bramst; Jürgen Gloye, Hinrich Lindemann, Claus
Wischmann, Jasper rieng.«
Anno 1694. Für des
hochsel. Hrn. Obristen Otto Heinrich von Aderkahs in der Kirche gekaufte
Erbbegräbnis sind gehoben 90 Mark, worauf dessen hinterbliebenen hochadlichen
Frau Wittwen folgender Contract ausgehändiget:
»Kund und zu wissen sei
hiermit männiglich, daß der Witwe, die wohlgeborene und hoch-Tugendsame Frau
Hypoleyta Hedwig für Ihren hochseligen Eheherrn, sowohl als auch ihr selbst,
dero Kindern und andern Erben unter dem Gehäge hiesiges Altars ein Erbbegräbnis
vor 30 Rtlr. soweit als der darauf liegende Leichstein sich erstreckt, erkauft,
wie auch die Zahlung dafür wirklich erfolgt. Wogegen sich die Kirchschworen für
sich und ihre Successoren verpflichten, nimmer zuzugeben, solch Begräbnis zu
ewigen Tagen zu eröffnen, es sei denn, daß dies für jemanden der Erben nötig
sei, da solches gegen Erlegung
64
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der gewöhnlichen Gebühren
frei sein soll.« - Unterschrift des Pastoren und Juraten am 13. Mai 1694.
1695: Am 1.
Osterfeiertag haben Tim und Ties Langhinrich einen großen silbernen vergoldeten
Kelch auf dem heiligen Altar verehrt.
1698: Hochsel. Hans von
Bähren Begräbnis. 72 Mark darüber ein Contract. »Kund und zu
wissen , insonderheit denen, so daran gelegen, daß wir
Endes benannt, als jetziger Zeit Administratores der Bramstedtischen
Kirchengüter, nomine jetzt gedachter Kirchen, eines beständig, ewig und
unwiderruflichen Erbkaufs verkauft haben, verkaufen auch hiermit nochmalen in
bester, beständigster Form und Weise rechtens an die hochwohlgeborene Charlotta
Olgard Hedwig geb. von Ahlefeldt anjetzo verwitwete von Bähren, eine zwischen
dem Altar und Beichtstuhl nebst den Steding'schen und Vagdischen Begräbnissen
gelegenen andere Begräbnis, 9 Fuß lang und 5 Fuß breit, zu Beerdigung ihres
sel. Eheherrn, des weiland auch hochwohlgebornen Hr. Hans von Bähren um und vor
24 Rtlr., welche sie bar entrichtet hat und wir vor hoch bemeldete Frau
Käuferin und ihre Erben zugleich hiermit quittieren, als an dergestalt, daß
besagte Begräbnis deroselben und ihren Erben ewigen Tages soll erb- und
eigentümlich zustehen, doch mit dem Vorbehalt, wenn selbige, ausgenommen etwa
bedürfender Reparation heute oder morgen, nachdem nun die hochselige Leiche von
dem Herrn Hans von Bähren beigesetzet, auf einen andern, gebe Gott noch lange
außen bleibenden Sterbefall sollen wieder öffnen wollen, der Kirchen die in
solchem casu gewöhnliche Gerechtigkeit geschehe. Hingegen verpflichten wir uns
und unsere Succ, im Namen unsrer Hohen Kirchen-Visitatoren, als welche diesen
Contract sämtlich consentiret, namentlich Sr. Excellenz des Hrn. Geheimen Rats
Andrae Pauli von Liliencron als jetziger Zeit Oberamtmann zu Segeberg, desgl.
Sr. Magnificenz Hrn. Justizrats Reimer von Rheder, Viceamtmann daselbst, sowohl
als auch Sr. Hochwürden Hrn. Vice-Praepositus Petri Antoni Burchardi, daß die
Kirche werde jetzt noch künftig einige Praetensiones ex quo capite vel causa
sie auch immer herrühren möchten, auf mehr gemeldete Begräbnis zu machen befugt
sein, dieselbe auch von derselben und außer Geheiß und Vorwissen der Frau
Käuferin und ihrer Erben zu ewigen Zeiten uneröffnet bleiben sollen. Alles
sonder List und Gefährde. - Wie wir denn auch diesen Contract zu mehrerer
Sicherheit nicht nur mit eigner Hand unterschrieben, sondern ihn auch wirklich
von Wort zu Wort unserm Kirchenbuch einverleibet.
So geschehen Anno 1697 zu
Bramstedt den 7. Januar.
Unterschrift: Conrad
Henricus Galenbeck, Ecclesiae patriae Pastor; Joh. Bartels, Jürgen Hardebeck,
Marx Gripp, Hinrich Mohr.«
Anno 1699: Vor des
Rittmeisters Weisern Begräbnis (nicht Erb-) 24 Mark.
1700: Vor des
Regiments-Feldschers von Herrn Obristen Bernstorffs Kind, so in der Kirche an
einem abgelegenen Ort begraben, 6 Mark.
1701: Turm neu gedeckt,
470 Mark. Orgel in der Kirche gebaut. Dafür hat Kommissär Averhoff von guten
Freunden einen erheblichen Beitrag geworben; hat auch zur Bemalung 40 Rtlr.
verehrt. Ferner eine silberne Kanne versprochen
65
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im Wert von 40 Rtlr. -
Dafür ist ihm in der Kirche von den Visitatoren ein Platz für 2 Leichen
vergönnt worden; auch ein Kirchenstand an der Wand neben dem Kinderhaus
überlassen. Die Silberkanne ist 1714 von der Frau Kommissarin geschenkt worden:
200 Mark 12 Schilling. Sie sind aber beide in Segeberg beerdigt worden.
Successor in officio Wulf hat des Vorgängers Häuser und Jura erworben, auch den
Begräbnisplatz erhalten; er liegt unter der Orgel begraben.
1704, 05 und 06 hat der
adelige Hof zu Bramstedt für vier wüste Hufen in Hitzhusen und eine Hofstelle
die Anlagegelder a 7 Mark 4 Schilling und 2 Mark 8 Schilling nicht zahlen
wollen: solches ist durch Exekution (Wegnehmung des Korns vom Felde)
eingetrieben worden, dreschen lassen und verkauft: davon die Kirche erhalten
das erste Mal 29 Mark, dann 15, dann 12 Mark.
1725: Feuersbrunst, große,
im Flecken.
1726: Neuer Klingbeutel,
von Harm Harbeck aus Hamburg geschenkt. Verordnung: An hohen Festtagen sollen
die Becken an der Kirchtür stehn; Betrag für Reparation der Kirche bestimmt.
1731: Hans Meier den Turm
angestrichen. Arbeitslohn 47 Mark; Farbe 44 Mark. Töpfe und Feuerung 2 Mark 10
Schilling.
1733: Im Sommer der ganze
Kirchenboden gestrichen; Farbe haben gute Freunde geschenkt, die blaue ein
unverheirateter Schmied. - Große Glocke geborsten. -Strahlborn aus Lübeck hat
sie umgegossen; Gießerlohn 728 Mark, Trinkgeld für Gesellen 9 Mark, für ein
neuer Glocken-Hövel 12 Mark, Eisenzeug 14 Mark, Zimmermann 4 Mark, Zehrung für
Meister und Gesellen 20 Mark; Unkosten in Lübeck 23 Mark 2 Schilling, Fuhrlohn,
die Glocke herzuschaffen 30 Mark.
1735: Mit Zustimmung der
Visitatoren: Pastoratholz in der Ah verkauft für 200 Rtlr. Pastor loci soll die
Jahreszinsen genießen.
1738: Ganze Turmmauer an
der Westseite abgebrochen und neu aufgebaut; Turm aufgeschroben, mit Holz mehr
befestigt und verbunden, statt der Leden große Steine unter die Pfeiler. Kosten
1407 Mark.
Die
streitbare Kirche
Das Archiv der Bramstedter
Kirche bietet dem Geschichtsforscher neben den im strengen Sinne des Gesetzes
als amtliche Dokumente anzusprechenden Kirchenbüchern noch etliche Urkunden,
teils verstreut, teils in solider Heftung dar, die in mehr als einer Hinsicht
verdienen, der Chronik des Ortes und des Kirchspiels dienstbar gemacht zu
werden. An erster Stelle steht in dieser Hinsicht eine Sammlung, die auf mehr
als 100 Blättern in Groß-Folio recht verschiedene Gegenstände berührt, indessen
in der großen Mehrzahl der Fälle sich im Kern als Verhandlung einer Streitfrage
darstellt. Damit rechtfertigt sich der Titel, unter dem das Sammelwerk
überliefert worden ist:
»Allerhand zur Bramstedter
Kirchen und Pastorate gehörige Schrifften, sonderlich Original-Akta in
Streitsachen des dasigen Pastoris Daniell Hart-
66
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naccius mit dem
General-Superintendent D. Josua Schwarz, dem Kirchspiel-Voigte, Juraten und
sämptlichen Gemeine.«
Die Wiedergabe erfolgt
natürlich mit Auswahl und starker Kürzung. Soweit genaue Hinweise auf die
Quelle gegeben werden, zeigt eine eingeklammerte Ziffer auf das entsprechende
Blatt der eben bezeichneten Schriften-Sammlung hin.
I.
Materielle Angelegenheiten
I . Die strittige Vikarie
Dieses kleine Anwesen der
Kirche stammt aus jener Zeit, wo auch unsere Gemeine noch unter dem Krummstab
des katholischen Bischofs stand. Es sollte den friedlichsten Zwecken dienen:
Behausung sein für die Hilfsgeistlichen (Kaplane, Vikare) des mit geistlichen
Dienstpflichten reichlich bedachten Priesters, daneben Raum bieten für
unterrichtliche Betätigung der Vikare. Das Haus, ausgestattet mit einem
Kohlhof, lag gegenüber dem westlichen Eingang der Kirche in nächster
Nachbarschaft des Organistenhauses (Küsterei) und war natürlich im Besitze der
Kirche. Mit der Einführung der Reformation waren die Vikare überflüssig
geworden. Schon aus den Jahren 1546, 1547 und 1548 (Bl. 47) vernehmen wir
übereinstimmend:
»Dem Karckherren gegewen
von der vicary vor brodt und win 14 Mark.«
Diese Buchung läßt
vernünftigerweise nur diese eine Deutung zu: Die Vikarie war zu einer
Nährquelle geworden mit einem Jahresertrag von 14 Mark lübsch. Diesen Betrag
kassierten die Kirchenjuraten ein und überwiesen ihn dem Prediger - Hermann
Burtfeld - zur Deckung der Jahreskosten für Wein und Brot zur Feier des
Abendmahls.
Das
Jahr 1606 verkündet im Kassenbuch unter Einnahme:
»Die
grundt und Vicary heur ... 10 Mark 11 Schilling.«
Alle Wahrscheinlichkeit
spricht dafür, daß 1546 wie 1606 die Vikarie mit zugehörigem Wiesenland von der
Kirche in Pacht vergeben war, wobei ungeklärt bleibt, ob Zeit- oder Erbpacht
vorlag. Da im Jahre 1573 die Kirchenkasse für »reparirung des vicary hauses« 1
Mark 2 Schilling auslegte, ist wohl Zeitpacht, also volles Eigentumsrecht der
Kirche, zu vermuten.
Trotzdem hat Seelsorger
Burtfeld, der 1570 Abschied nahm nach 36jähriger Amtsverwaltung, nacheinander
mindestens drei Gehilfen, nunmehr Diakone genannt, beschäftigt, von welchen der
letzte zum Amtsnachfolger berufen wurde, während die beiden andern ein
trauriges Ende nahmen (siehe Verzeichnis der Geistlichen). Diese Diakone der
lutherischen Kirche dürfen mit den Vikaren der katholischen nicht verwechselt
werden; letztere standen in einigermaßen gesicherter Stellung neben dem Priester,
während jene fast nur dann gerufen wurden als Aushilfekraft, wenn Schwachheit,
Krankheit oder sonstige Behinderung des Predigers das erforderlich machten. Die
Gemeinden waren meistens wenig geneigt, dafür ein Opfer zu bringen, und so
dürften die genannten Vertreter Burtfelds
67
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fern von dem Fetten der
Erde gewandelt sein. Ob sie etwa aus milder Hand noch Nutznießer der Vikarie
gewesen sind, ist nicht zu entscheiden. Es sei nur noch daran erinnert, daß
Graf Stolberg, als er hier als Amtmann waltete, dem Diakon Tobias Mentzel durch
ein Stipendium hier zu wirken ermöglicht hat.
Soweit ist die Geschichte
unserer Vikarie einfach und klar. Aber das 17. Jahrhundert brachte mit dem
Dreißigjährigen Kriege auch noch erhebliche Unruhe wegen dieses Besitztums für
Flecken und Kirchspiel. Es wurden Rechtsansprüche angemeldet, von denen bislang
nichts verlautete. Eine vom derzeitigen Pastor Henricus Galenbeck gefertigte
Copie einer vom Dompropsten zu Hamburg am 2. Oktober 1628 unterzeichneten
Urkunde belehrt uns:
»Ich Dettleff Rantzow,
Ritter, Thumb-Probst zu Hamburg, holsteinischer Raht, Amptmann zu Steinburg und
in Dithmarschen, zu Pankow Erbgesessen, Thu kundt und bekenne hiermit, was
maßen ich die vicarie zu Bramstede, so unter der Thumbprobstey zur Hamburg
gehörig, Als welche Herr Gerhardt Rantzow Sel., weiland Königlicher Majest.
Stadthalter in dem Fürstenthum Schleswig-Holstein, (dem) Sel. Hans Meulken,
derzeit Barbier zu Bramstede, besage (laut) seines am 14. Juni 1604
aufgerichteten brieffes (Vertrages), welchen ich in original gesehen und
vorlesen, verheuerdt gehabt: nun anjetzo gedachten Hans Meulkens nachgelaßenen
Erben und in specie demjenigen unter ihnen, dem die vicarie auftragen
(überlassen) werden, wiederumb verheuert habe. - Thue auch solches nachmalen
hiemitt und in krafft dieses derogestalt und also, daß der ernante Besitzer
oberwente (oben erwähnte) vicarie seine und seiner Frawen Lebenszeit behalten
und davon jährlich der Kirchen zu Bramstede oder den Kirchschworen daselbst 9
Mark und eine Mark mir, alsdem Thumbprobst zu Hamburg, geben und entrichten
soll. Jehne (die heuerleute) sollen auch dieselbe (Vikarie) in beßerung und
bauwung (baulichem Zustand) halten, und bei der Krug gerechtigkeitt, wie
von Alters hero geschehen ist, gelaßen werden; aber der Thumbprobstey an ihrem
rechte und gerechtigkeitt unverfencklich (unbeschadet).
Weilen auch in Anno 1589
das Hauß der vicarie auf 60 Mark werdierett (gewertet, taxiert) worden und
bawfellig geweßen, daß Sel. Hans Meulcke es damalen (hat) bawen müßen - wie
auch von ihme soll geschehen sein, daß ers in einen beßern stande gebracht - So
soll künfftiglich, wan der besitzer, seine Frau oder Erben werden abziehen, es
also (wie der vom Sel. Herrn Hinrich Rantzow 1589 den 20. Martii darüber
außgegebene Brieff vermeldet) damit gehalten werden, wie auch noch
geschriebenen Punkten halber; In fall dem Hauße durch Gottesgewitter schaden
wieder führe oder sunsten von ander her kheme (käme), Sol der, dem dan der
grundt zugehörich, darvor hafften. Da aber der Schade von ihme oder den
seinigen herkehme, Sol er denselben stehen und beßern. Wofern auch nach seinem
und nach seiner Frawen todtlichen Abgange sie Leibeserben nachließen, so daß Hauß
behalten wolten, Sollen diese, wenn sie, was andere thun (zahlen) wollen, (auch
bieten), vor andern dabei gelaßen werden. - Es haben auch obgedachte Sel. Hanß
Meulckens erben mir eine Verehrungh gegeben, damit es auch also künftiglich
solle gehalten werden.«
(Eigenhändige
Unterschrift und Siegel)
68
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Diese Beurkundung des
hochangesehenen Detlef Rantzau, die offenbar für die in der Vicarie wohnhaften
Erben des Sel. Barbiers Hans Meulcken bestimmt war, brachte die aufregende
Neuigkeit, daß die Vikarie Eigentum der Hamburger Dompropstei sei, daß ferner
weder die hiesige Kirche noch die Dompropstei frei über die Nutzung des
Grundstücks bestimmen könne, weil ein bindender Vertrag mit der Familie
Meulcken sehr im Wege stand. Und der Leser wird mit Interesse zur Kenntnis
genommen haben, daß ausgerechnet mit der Vikarie »von altersher« eine Krug-, d.
i. Schankgerechtigkeit verbunden war und fernerhin bleiben sollte.
Zunächst ist klarzulegen,
aus welchem Anlaß gerade im Jahre 1628 diese Dinge zur Sprache kamen. Nun, es
war die Schwedenzeit: eine Feuersbrunst hatte den Flecken schwer heimgesucht
und auch das Pastorat hart mitgenommen. Man suchte nach einer vorläufigen
Wohnung für den Prediger und fand die Übersiedlung in die Vikarie für das
natürlich gegebene. Der Widerstand der dortigen Häuersleute veranlaßte sie
dazu, sich vom Dompropsten die obige Urkunde als brauchbare Waffe zu
verschaffen.
Die Kirche konnte
demgegenüber nicht einfach auf ihre wohlbegründeten Rechte verzichten. Doch
erst nach Ablauf von neun Monaten treten die Vertreter des Kirchspiels den
durch berührte Beurkundung offenbar gewordenen Rechtsansprüchen mit einer
Erklärung entgegen. Sie bewahren dabei, wohl beeinflußt durch die machtvolle
Stellung derer von Rantzau, eine beachtliche Ruhe. Wir werden ihrer Darlegung
Raum gönnen wollen.
»Wy Endsbenanten bekennen
hymitt, dat, nadem ein strydt twischen Moelkens Erwen und der ganzen gemeine
des Kerchspels Bramstedt entstanden wegen der Vikari, eines Teills, Moelckens
Erwen, so vermeinen, datt Sie wegen des Doehmbs Confirmation schriuende, alß
der Woll Edlen herren Thomprövste Heinrich und Gerdt Rantzowen weiland Sel.,
wie denn ock des Herrn Ridders Dettleff Rantzowen, so Jehrlich empfangen von
Moelckens Erwen einen halben Reichstaler, die höchste Gerechticheit in der
Vicari hebben vor andern herrenlüden und der Karcken Bramstedt, Andern Teills,
auerst alß die Kercke und die incorporirten1) vermeinen, Datt Sie
solcher vicari mechtig syn wegen Ihro Kgl. May. jurisdiction und Hoheit, im
Falle der Noth als itzige Tydt, da die Wedem, des Pastoren Hues, mitt in der
Füersbrunst upgegangen, oder ock, wenn Sie diesülwige thor Scholen oder tho
eren Capellahn tho gebruken nödig. Wadt Sie (die Erben) den Dohmb geven, watt
Marx Mertens und Moelckens Erwen dorhin gebracht, da Sie darin underrichtet
worden, datt idt ein uhrolden gebruck, ist in der Karcke boek nicht tho finden,
ock keine Wetenschop darumb hebben, wo datt gelde dorhen gekamen, und uth
folgenden Puncten des Pastoren darin gewyset:
1. Datt idt bewießlich,
datt die Cappelähne in der Vicary gewohnt: Herr Lucas, H. Wasmohr und H.
Friedrich;
___________
1)
Kirchdörfer.
69
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2. Datt
die liewe Jugend dorin underrichtet worden; noch sind Lüd am Lewende, die
dartho in die Schole gegangen: Johann Vagett, Jochim Westphal (Kirchschwor), Hans
Brockstedt und Michell Wilcken von Brockstedt;
3. Datt
1546 und also bett up disse stunde de Karcke uth der Vicary wyn und Brodt up
den Altahr hollt und dem pastorn de erstadung darfor don (gegeben). (Siehe dazu
Einleitung dieses Themas.)
4. Datt
Anno 1573 die Kercke de Fensters dorin hefft maken laten;
5. Unter
den Ausgaben der Kercken is nicht tho finden, datt jährlich Geld an den Dohmb
gegeven worden (daß die Heuerlinge Marx Mertens und Hans Moelcken dahin bezahlt
haben, bestätigt ja die Urkunde des Wohledlen Herrn Propsten);
6. Datt
hues ist wohl mit 60 Mark gesettet, aber dat geld nicht geven worden;
7. In
der Confirmation des Dohmprobsten wird gedacht, datt wenn de Vicary dorch
Gottes Wedder in Fuer upginge, de Karcken Bramstedt scholde wederrümb upbauwen.
(Also wolde Sie diesülwige ock mechtig syn, und wenn die Kercke erer nottorft
na nicht bedrofftich, so kann sie hues und grundt verheuern.)
8. Uth
obgenannten gründen vermeint Rechtens, datt gantz Karkspell Bramstedt die
Vicary mechtich tho syn vor anderen, schon in Rücksicht auf das Herkommen,
entscheidend aber deshalb, weil im Falle der Instandhaltung und der Zerstörung
durch Feuersbrunst ihm, dem Kirchspiel, Recht und Pflicht der Wiederherstellung
zuerkannt und auferlegt werden.
Damitt nuhn disse strydt
möchte upgehawen (beseitigt) werden, hefft datt gantz Kerckspell etliche
Persohnen verordnet, ohne na Lübeck tho reisen, um den Wolledlen Herrn Dettleff
Rantzowen ere Noth tho erkennen tho gewen, wyll man den Pastorn kein hues hefft
buwen können, und Moelckens Erwen solches laten anmelden. Diesülwigen Erwen
awerst hebben thom bescheide gegewen, man scholde solches laten anstahn und
keine wydeläffticheit mehr dartho maken. Sie wolden 8 Dage na Ostern dem
Pastorn guttwilligh datt hues rühmen; hei mücht heuw und Korn darin leggen. Sie
hedden er (ihr) eigen hues, darin wolden Sie intehen (einziehen). - Darumbwegen
sich die Kirchschworn wedder vorpflichtet, Sie scholden datt hues beholden,
wenn Sie (die Kirchschworn) den Pastorn eins wedder gebuwet. - Darup datt
schriwendt; so Johann Vagett de Kerchschworn mittgedeelet. Also is dorch Er
(ihr) güttlich anbeden und vorpflichtung dem Dinge ein anstandt (Halt) gegewen
worden. - Actum den 11. März!« »Datt Solches also geschehen, syn hier gewesen
thor Tüchnisse der Her Pastor Henricus Galenbeccius und Johan Vagett, die 4
Kerchschworen: Jochim westphall, Marx Lohmann, Tewes Hardebeck und Hans Mohr.
Item Daniell Boye, Hans Langehinrichs, Jasper Lindemann, Eggert Jorck, Clawes
Mucksfeldt, Tyes Boye und wir obgenannte Tygen erbeden uns by unsern guden
geweten, da wy ock Rechtens genödiget werden, an Eydessteedt allewege solche
güthliche beliebung und vergleich dartho donde und mit der warheitt tho
erholende. Und tho mehrer Vorwisserungh hebbe wy gebeden denn H. Pastorn, Johan
Vagett
70
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(Kirchspielvogt)
und Jochim Westphalen, Kirchschworn, mitt erer handt und Siegel tho bevestigen
(befestigen, sichern). Aktum Bramstede, den 22. August Anno 1629.«
(gez.) Henricus
Galenbecius
Johann Vagett
Jochim westval
Past. Ecl.
Bramst.
(Siegel)
min handt
(Siegel)
Der Wunsch der
Kirchspielvertreter auf eine baldige und friedliche Vereinbarung wegen dieser
Sache hat sich nicht erfüllen wollen. Man hat gar den allerhöchsten Bescheid
des Landesherrn herbeiführen müssen. Königliche Urkunde vom 18. Juli 1631
bestätigt dem Rötger Lindemann, einem Erben des Hans Moelcken, daß er gegen
Zahlung einer jährlichen Heuer von 10 Mark lübsch »Zeit seines Lebens«
ungestört in »Bewohnung und Brauch des Hauses« verbleiben kann.
Man erkennt, daß der springende
Punkt, die Feststellung des Eigentumsrechtes, nicht geklärt wird, und
hinsichtlich dieser Kernfrage droht neue Verwicklung. Offenbar ist der
streitbare Inhaber der Vikarie keineswegs ungestörter Nutznießer geblieben. Ihn
plagten seine scheinbar recht zahlreichen Gläubiger. Als sie mit ihren
Ansprüchen Ernst machten und zur Pfändung geschritten werden sollte, tauchte
die Randfrage unter den Kreditoren auf. Die Sache wird verhandelt vor »geholtem
Ding und Recht zu Bramstedt.« (Bl. 3) Entscheidung: »Dem Möller
(Mühlenpächter), dem die Kathe in specie hypoteciret und unter dessen
Schuldverschreibung die Unterschrift des Kirchspielvogts vorhanden ist, ist im
Vorrecht; doch stehen ihm andere gleich, sofern sie die »gleiche gerichtlich
Pfändung« vorzeigen können. Die übrigen Verschreibungen auf des Schuldners
»Haab und güter« insgemein sollen unter sich gleichberechtigt sein und pro rata
befriedigt werden. Soweit die Gläubiger dieser Gruppe sich mit dem Ergebnis
nicht beruhigen wollen, steht ihnen frei, »Rotgardt Lindemann ins Künftige
weiter Ihrer Forderung halber zu belangen«.
Diese Entscheidung ist
veröffentlicht worden unter dem 21. Juni 1633 durch den Amtmann Caspar von
Buchwald.
Nach diesem Bericht nimmt
es nicht wunder, wenn bald auch die Kirchenkasse darüber zu klagen hat, daß die
Heuer für die Vikary nicht eingehen will. Damit steht es wohl im Zusammenhang,
wenn unter dem 8. Januar 1640 Henrich Ranzow zu Schmoel noch einmal bestätigt,
daß die Domprobstey seit alten Tagen Besitzerin des umstrittenen Grundstücks
sei (Bl. 8).
Damit steht denn auch im
Einklang, wenn 1646 der Propst Vitus Barbarossa im Namen des Consistoriums zu
Segeberg genötigt ist, den Kirchschworen des Bramstedter Kirchspiels Anweisung
zu geben, wie sie dem Rotker Lindemann ans Magere kommen können.
Letztgenannter, von den Juraten vor Gericht gefordert, hatte es vorgezogen,
einfach nicht zu erscheinen, auch nicht für nötig erachtet, sein Ausbleiben
irgendwie zu begründen oder nur zu melden. Dieses Verhalten wird im Bescheid
des Propsten auch mit dem Dompropsten zu Hamburg in Beziehung gebracht. Der
Herr Praepositus schreibt, man »könne nicht
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absehen, wie der Herr
Thumprobst zu Hamburg befugett sey, Ihro Königl. Majestät Unsers Gnedigsten
Königs Unterthan zu gebieten, die im Nahmen und an statt hoegstgedachter Ihro
Kgl. May. am selbigen (Unterthan Lindemann) abgegebene Citation vor dem Königl.
Segebergischen Consistorio als wohin laut der Anno 1542 publicirten
Kirchenordnung solche und dergleichen Sachen gehören, nicht zu erscheinen.
Zumahlen unstreitigh von unnachdenklichen Jahren her die einhaber dieser Vicary
je und allewege auf ergangene Citation in civilibus und politicis vor Bramstedtische
Ding und Recht, in ecclesiasticis et matrimonialibus (Kirchen- und
Eheangelegenheiten) vorm Segebergischen Consistorio haben müßen erscheinen und
Ihres Rechtes abwarten«. Nach der Landgerichtsordnung habe der Angeklagte die
Kosten des versäumten Termins zu erstatten und dem Kläger seine Auslagen.
Ferner sei der Beklagte schuldig, innerhalb 6 Wochen seine Gründe gegen die
vorgebrachte Klage vorzubringen und zu verhandeln.
(Unterschrift
des Propsten)
Unsere Urkundensammlung
bringt nunmehr (Bl. 10) eine etwas abseits gerichtete Darstellung des
Ungemachs, von welchem die Vikarie umdämmert wird. Sie ist in Form eines
privaten Briefes gekleidet und nach Inhalt und Tonfärbung so eigenartig, daß
sie hier unverkürzt festgehalten wird.
»Ehren vester Herr
Nachtbahr.
Insunders hochgeerter Herr
Gefatter, demselben seien Meine willige Dienste jeder Zeit zu fohr.
Demnach ich von meinem
Schwager, Rotker Lindemann, mündlichen Bericht Empfangen, daß der Herr Gefatter
durch Seinen Knecht, auff Johan Bartels (Kirchenjurat) Sein Begehren, meinem
Schwager auf 3 Thaler hat auspfenden lassen, welche ich der kirche solte
schuldigh geblieben sein: Habe ich notwendigh, Ihn mit diesem meinem schreiben
müssen besuchen. Nun stehet im Gülden ABC: Du solt nicht gelauben, auch nicht
Richten fordt (schnell), Söndern hören erst des andern wordt. Johan Bartels
Seinen Worten Ist also baldt gelauben beigemessen, und wider meinen Schwager
Ist die Exekution, In Stadt meiner Verantwortung für (vor) die Handt genohmen
worden. Gelanget derowegen an den Herrn Gefatter mein freundt fleißiges bitten,
ehr wolle Johan Bartels für sich bescheiden lassen und meinetwegen Ihm noch
folgens forlesen und zu gemüthe führen, daß ehr auff eine Zeit zu mir in meine
behausungh komen und gesaget, Ich solte Ihm die Heuer geben, es würde keine
kirchen Rechnung gehalten werden. Welches ich auch thate und bis zu meiner
Lade, welche mit einer Eisen kette wahr am stender fest gemacht, gegangen, den
beutel mit Gelde da aus genohmen und Ihm die 9 Mark kirchen heur, alß ehr bei
meinem Großen dische in der stuben saß, und hatte den Rücken nach der Kirche
gewendt, zu gezählet. Ich habe auch solches also baldt in mein Buch
geschrieben, wie ich es denn alle Jahre habe angeschrieben, wan Ich die Haur
habe außgegeben. Weill aber meine bücher in Hamburgh, kan Ich Itzunder den
Datum nicht wissen. Es ist auch meine Gelegenheit nicht, daß Ich kan hinunter
Reisen, will aber, offt godt will,
72
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diesen kumpstigen Sommer
kommen, undt wenn das Nötigk ist, will ich es mit meinem buch beweisen. Undt
wehre billigh, daß Johan Bartels solches auch Richtigh verrechnet hatte. Ich
habe mirs auch nicht zu Ihm versehen, daß ehr es solte vergessen. Bin der
Zuversicht zu dem Herrn Gefatter, ehr würde mir die hülfliche Handt leisten,
daß mein Schwager sein Pfandt so gudt wiederumb zu gestellet wirdt, als es von
Ihm ist genohmen worden. Imwidrigen aber soll mir Johan Bartels meinen schaden
erlegen und bezahlen, der mir deswegen darauf entstehet. Und Ich verbleibe des
Herrn Gefattern dienstwilliger allzeit
Ditrich
Moyelke.«
Nützen,
den 10. Februar 1648.
Anm.: Nachträglich habe
ich feststellen können, daß vorstehender Brief an den Kirchspielvogt Johan Vaget
gerichtet worden ist. Unter dem 19. Dezember 1650 bestätigt Herr Johann Adolf
Kielmann, Dompropst zu Hamburg und Inhaber anderer hoher Ämter, noch einmal,
daß die Dompropstei Eigentümer der Vikarie zu Bramstedt sei und zur Zeit unter
unveränderten Pachtbedingungen Rotker Lindemann Inhaber des Hauses. Er zählt
als bisherige Heuerleute auf: Hans Meulken, Diedrich Meulken (Moyelke) und
Rotker Lindemann.
Aus dem folgenden Jahre,
1651, liegt eine sehr gründliche Klageschrift der Geschworen und Ephori der Kirche
vor, gerichtet an die Königl. Majestät zu Kopenhagen. Ziel: Feststellung des
Besitzrechtes.
Das Kirchspiel habe 80-100
Jahre lang neben dem Pastoren einen Vikar unterhalten. Wegen durch die
Zeitläufte verursachten Schmälerung des Einkommens der Fleckensleute habe man
nicht mehr einen Vikar besolden können. Man habe das Haus verheuert und die
Heuer »fürnehmblich« für Brot und Wein zum Abendmahl verwendet. Die Juraten
haben aus Kirchenmitteln das Haus instand gehalten, wie es auch auf
Kirchengrund nächst der Küsterei situirt sei. - Der erste Pächter (Conductor),
Hans Moyelke, habe von 1588-1629 darin gewohnt und sei dann beim Einfall der
Kaiserlichen in Neumünster erschlagen worden; ihm sei sein Eidam Rötger
Lindemann gefolgt. Da im Flecken des Pastoren Wohnhaus durch die Kriegsleute in
Brand gestecket, habe man den Prediger in der Vikarie unterbringen wollen.
Darob heftige Opposition des oecupanten, der das Eigentumsrecht der Kirche
abstritt. Er habe sich berufen auf ein Schreiben des Dompropsten, »das den
Kirchschwornen und der gemeinde gantz befremblich fürkommen«. Kein Mensch habe
von Besitzrecht und Ansprüchen der Hamburger Dompropstei gehört und gewußt.
Stets sei ja auch die Heuer an hiesige Kirche gezahlt worden. Nach Abzug der
Kaiserlichen haben die Verantwortlichen die Sache »zur Glückstadt fürgetragen«,
um solche schädliche Eingriffe in Kirchen und Gotteshäusern zu verhindern. Nach
erteiltem Königl. mandato habe der Herr Amtmann den Herrn Pastoren wieder in
das vicari hauß introduciret und denselben im Namen des Königs zum Besitzer
erklärt. Trotzdem habe der Häuerling Lindemann nicht räumen wollen, und sei per
force in dem Haus geblieben. Er habe zwar einen betrüglichen außtritt getan,
sei dennoch detentor -
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Inhaber - der Vikarie
gewesen wie zuvor. Eine Citation vor das Consistorium habe er nicht beachtet
und nur schriftlich die Dompropstei als Besitzerin hingestellt, sich dabei auf
zwei Königl. decreta beziehend. Durch Treubruch sei der Schwager Ditrich
Moyelke Mitbesitzer geworden. Aber bald sei das Haus mit Schulden überlastet
gewesen. Doch vergeblich haben sich die Gläubiger bemüht, die (oder den)
Schuldner »durch Exekution des Hauses zu entsetzen«, was aber, weil es
Kirchengut, vom Amtmann pure abgeschlagen. Um endlich Klarheit und Gewißheit zu
schaffen, haben sich 1646 die Vertreter der Kirche an das Oberamtsgericht zu
Rendsburg, wo letzmalig Königl. Majestät selbst präsidierte, gewandt, um mit
Hilfe des Itzehoer Propsten Vitus Barbarossa den königlichen Schutz über die
Kirchengüter zu verwirklichen. Der König habe sich gnädigst und willfährigst
bezeiget und »dahmaligen Thumbprobsten zu Hamburgh, jetzo Königl. Stadthalter
Herrn Christian von Rantzau, durch Herrn Secretarium Philippum Bornemann, nach
Bericht des Herrn Propsten anbefohlen lassen, sich aller angriffe, turbationen
und anderer attentaten gegen die Bramstedter Kirchengüter hinfüro zu enthalten,
oder Gründe für gegenteiliges Verhalten einzubringen. Es sind aber bisher so
wenig Gründe eingebracht, als daß wir über hochangeregte Königliche decreta
solten in contradictorio gehöret worden sein.« Dabei habe es bisher sein
Bewenden gehabt. Ja, gegenwärtig habe die hamburgische Propstei, vertreten
durch Herrn Kielmann, das Recht der Vorgänger restlos in Anspruch genommen und
den Einwohner der Vikarie sogar als seinen Lausten (dienstpflichtigen
Grundpächter) hingestellt. »Unser jetziger Heurmann Lindemann ist so kühn und mutig
geworden, daß er nicht allein unserer Kirche die jährliche heur von deroselben
hauße fürenthält, das Kirchengeld verweigert, sondern auch sich erlauben laßen,
Er erkenne im Fürstenthumb Holstein keine Obrigkeit an, sondern nur den
jeweiligen Thumbprobsten zu Hamburgh.« Er habe noch im verwichenen Jahre die »rechts
und dingsfolge« verweigert. »Nun laßen wir zwahr solche unartige und
unbesonnene wiedersetzlichkeit der schuldigen gerichtsfolge unserer
mittelbahren Obrigkeit zu ahnden, befohlen sein.« Aber als Vertreter der Kirche
seien sie durch Eid und Pflicht gebunden, nicht länger zuzulassen und
schweigend zuzusehen, daß Genannter fortgesetzt die Kirchengemeine schädige.
Sie meinen: »Wer göttlichem Gesetze diene, der befreie die eigene Brust.« Am
Schluß wird gebeten, der König wolle, gleich seinem Vater, als Protektor der
Kirche deren Rechte wahren und im besonderen dem Amtmann befehlen, daß der
widersetzliche Hauerling ausgesetzt und zur Zahlung seiner Schulden und der
durch ihn verursachten Kosten gezwungen, daß ferner auch die gegen den
hamburgischen Dompropsten ausgefertigten Dekrete nach langer Zeit des
Schweigens zur Geltung gebracht werden.
»Solches
gereicht der Kirchen zur aufnahmb, auch dero Amptregister und gemeinen Fleckens
Besten, und wirts Gott Allmechtiger mit reichem Segen williglich belohnen.«
Bramstedt,
den 22. Februar Anno 1651.
(Unterschriften)
74
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Überraschend schnell,
nämlich schon unter dem 24. Februar 1651, teilt Friedrich III. aus Glückstadt
den Bramstedtern mit, daß ihrem Ersuchen Folge gegeben wird. Nicht zu übersehen
ist aber, daß die Hamburger Domprobstey zwar nicht etwa als Mitbesitzer
anerkannt wird, indessen den Anspruch des Propsten auf 1 Mark jährlich bis auf
weiteres behält.
Aber auch diese Königl.
Entscheidung schafft noch keine endgültige Ruhe. Das entnehmen wir einem
weiteren Reskript Friedrichs III. vom 18. März 1651, worin es heißt:
»Ob nun zwahr Beklagtem
Lindemann woll gebühret, auf voriges mandatum geziemender maßen zu pariren, Alß
(da) es aber von demselben hintangesetzet, So stellen wir solches zu seiner
Verantwortung.« (Bl. 21) Im übrigen wird dem Amtmann nochmals anbefohlen, der
Kirche beizustehen.
Eine Akte aus des Amtmanns
Hand, ausgefertigt am 11. April 1651, bekundet, daß von Buchwald dem Befehl
seines Königs folgt. Wir lesen (Bl. 23): »Dem Königl. Kirchspielvogt zu
Bramstedt, Paul Blancken, wird hiermit befehliget, Rötger aufzulegen, daß er
seinen Haus Contract in originale, wormit Ehr den Besitz des Vicary Hauß
daselbst zu beweißen gedenket, innerhalb dreien Wochen Bey peen (Strafe)
Sechzig Mark lübsch herauß gebe. Worvon er, Paul Blancken, alßdann Copiam
nehmen und solches Original Limdemann wiederumb zustellen soll.
Neumünster
(gez.) Casper von Buchwald.«
Unter dem 13. April hat
Paul Blancken folgendes zu berichten: »Mit diesem bescheidt habe Ich Vier
Männer, nachdem er nicht alhir in der Voigtey erscheinen wollen, mit dem
Vorwand, man hette ihn vor seine Obrigkeit zur Besprechung (zu laden):
Der Haus Brieff were al dahin, wo er sein solle. (Bl. 24).), alß nemblich Hans
Wulff und Jochim Stüven aus Bramstedt, Titche Harbeck von Wiemerstorff und
Jürgen Gloyen von Fulendorff zu ihm, Lindemann, geschicket und ihm dies
vorzulesen befohligen. Worauf der Bräutigamb Christian Toth als anmaßendender
possessor (Besitzer) des vicaren hauses mit Vielen ehrenrürigen Worten heraus
gefahren und einen Degen und Büchse ergriffen und ihnen damit zu Leibe gewollt.
Welches die an ihn abgeordneten Zeugen an eydes stat vor mich ausgesaget.«
Geschehen
Bramstedt.
(Unterschrift der 4 Männer).
Am
10. Mai 1651 berichtet Paul Blank weiter:
»Diese Copey (Abschrift)
habe ich Rotger Lindemann durch hanß Lindemann und Jasper Hennings zugeschicket
und fragen lassen, nachdem die 3 Wochen verflossen, ob er nicht des Herrn
Ambtmanns befehlig zur folge den Haur Contract einschicken wolle. Worauff seine
Frauwe geantwortet, Ihr Man were nicht zu hauß; sie wüßte nicht, wen er
heimbkehme, und wan er schon heim were, würde er doch keinen Brieff mitbringen.
Der were schon an seinen Orth. Mit meinen Brieffen hetten sie nichts zu thun.«
(gez.)
Paull Blancke.
75
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Inzwischen ist Rötger
Lindemann keineswegs untätig geblieben. Nehmen wir zur Kenntnis, was er laut
Urkunde vom 9. Mai 1651 unterthänigst und gehorsambst den Magnificenzen und
Herligkeiten vorzutragen beliebte. »Ich armer Mann kann nicht ungeklagt laßen,
wie an dem besitz meines Wohnhauses zu Brambstede und dabei hergebrachten
gerechtigkeiten, zuwider königlichen decreten und dero von den Thumbfürsten zu
Hamburg auf meine Vorfahren und mich ertheilten Verschreibungen vom
Kirchspielvogt und von den Kirchgeschwornen zu Bramstedt fast vielseitig
bedrenget und angefochten werde. Der Vogt hat sich uniengster Zeit
unterstanden, einen Zaun und Secret (?), so bei meinem hauße mehr denn 30 und
40 Jahr gestanden, nieder zureißen und zu zerschlagen, dan auch in meinem Hauße
mir ein Tonne Hamburger Bier auf dem Blocke zu zerhauen und das Bier auf die
Erde zu verschütten. Und die Kirchschworen haben vor, mich aus dem Hauße zu
vertreiben.« Ihm geschehe Gewalt; man habe ihm auch nicht das Gesuch der
Kirchjuraten bekannt gegeben. Er bittet, ihn in seinen verbrieften Rechten zu
schützen.
(Unterschrift.)
Der Erfolg ist eine
Ankündigung der Königlichen Regierung, daß alle Beteiligten »am ersten
Künftigen unserm Oberamtsgerichte, an waß (welchem) Ohrt und Zeit wir solches
halten lassen werden, entweder in der Persohn oder durch einen genugsamb
bevollmechtigen Anwalt gewiß und unausbleiblich zu erscheinen haben«, ... »wozu
wir auch sambt und sonders citiren, heischen und laden.«
(Darunter
die Spuren eines großen, leider abgerissenen Siegels.)
(Secret.)
Aber die damit in Aussicht
gestellte Verhandlung hat noch Weile, wie folgendes Schreiben der Regierung uns
belehrt.
»Auff Unterthänigst
Supplicizen der Kirchgeschwornen zur Bramstet umb Verschiebung ihrer Kirchen
Sache wieder Rötger Lindeman, bis Ihre Königl. May. glückliche Überkunft in
dero hiesigen Fürstenthümber, wirt in solch gesuch gewilliget und diese Sache
bis dahin verschoben. Jedoch daß es dem Impetrato in Zeiten notificiret und
kund gethan werde.
Glückstat
unterm Kgl. Regirungs-Secret, 17. February 1652.«
(Siegel)
Unter dem 9. Juli gleichen
Jahres wird dem Hochgelarten Herrn Johann Adolf Kielmann, dem Bestalten
Geheimen Raht und Hoff Canzler der Regierenden Fürsten zu Schleswig-Holstein,
aufgetragen, den Herrn Thumbprobsten zu ersuchen, einen Bericht über seine
Rechte und Interessen an den König zu schicken, während dieser im Fürstenthum
anwesend sei.
Unter dem 12. berührten
Monats übermittelt Rotger L. in seiner Sache einen Schriftsatz mit zehn Anlagen
an den König (Bl. 32-41). Wesentlich Neues bringt er nicht, vor allen Dingen
nicht die wichtige, oft erwähnte Vertragsurkunde von 1589. Doch werden etliche
Daten und Darlegungen das Interesse der Leser finden.
So erfahren wir, daß von
1587 her das Amt des Hamburger Dompropsten laufend
76
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in der Hand derer von
Ranzau gelegen hat: Kay, Gerhardt, Detlef, Heinrich und Christian,
letztgenannter um 1650.
Unsere Vikarie hat
nachweislich 1587 in Haur genommen Marquart Mertens, der sie bald dem Barbier
Hans Meulken überlassen, dem sein Sohn Dietrich und danach dessen Schwager
Rötger (Rotker) Lindemann gefolgt ist; von dem wir nun vernehmen:
1589 sei der Wert des
Hauses mit 60 Mark abgeschätzt worden. Nun rühmen die Juraten, es sei gewiß
1000 Mark wert. Die Wertsteigerung sei doch aber durch seine und seiner
Verwandten Mühe und Aufwand erzeugt worden und könne keineswegs der Kirche
zugewendet werden.
Noch 1631 habe Christian
IV. entschieden, daß die Erben nach dem alten Stande für 10 Mark Jahresheuer
ungestört weiter wohnen könnten. Er sei, so klage man, nicht der Zitation des
Propsten gefolgt und habe die universale Jurisdiktion des Königs damit
verletzt. - Letzteres habe ihm fern gelegen. Indessen wohne er auf Grund eines
Hamburger Vertrages und müsse die Freiheit und Gerechtigkeit, die er und seine
Verwandten unter diesem Zustand ersessen, wahren, und stütze sich daher auf den
Dompropsten und hoffe, nicht des Königs Rechte dadurch zu schmälern.
Man stelle ihn als
hinterhältig hin, weil er alte Papiere nicht vorzeigen wolle. Er habe doch auch
nicht die angeblichen Beweismittel der Kirche gesehen.
Die Juraten berufen sich
auf die Wissenschaft und das Zeugnis des Pastoren. Der sei indessen in
gegenwärtiger Sache sein offenbarer Feind und adversarius, der sich
unterfangen, ihn und die seinigen an ihrer Ehre und guten »Leumuth« ganz
gröblich zu schmähen, »auch seinen gegen uns gefaßten Haß und Widerwillen sich
übernehmen laßen, daß er nicht gescheuet, in passierter Kaiserlicher Kriegszeit
diese sache auch bei des feindes Bedienten (nicht ohne Hindansetzung der
Königl. Autorität und ansehens, welche von ihm als einem Prediger vor andern
billig hoch zuhalten und ästimirt werden sollen) anhängig zu machen. Was
vermittelst eines von dem Kaiserlichen Commissario Hans Metzger erhobenen executions
befehls sofort in originaliter belegt werden kann. (Anlage 10).« Der Pastor
wolle, so viel an ihm liegt, ihn aus seinem rechtmäßigen Besitze drängen.
Die Kirchgeschwornen
schämen sich nicht, ihn »vor einen öffentlichen banquerottirer auszurufen, da
er doch nimmer an eines banquerottirers stelle gestanden und keiner seiner
creditoren sich über ihn zu beschweren habe.« Er fährt fort:
»Zwahr ist nicht ohne, daß durch die vielfachen processe und Verfolgung, so die Juraten und der Pastor zu Brambstette, und auff derselben Antrieb woll andere Leutte mehr balt vor dem Ober-Ambtgerichte, balt vor dem Segebergischen Consistorio, balt vor Königl. May. Canzlei nunmehro viele Jahre her gegen alles recht und Jury wider mich angestellt, sothane processe auch theilß auß dem großen Beuttell des Kirchspiels getrieben.« .. .»Ich bin in solche Unkosten, schaden und nachtheill gesetzet, daß Ich umb den größesten antheill meiner wolfarth dardurch gerahten, und mit allem meinen vermögen und Krefften zu arbeiten habe, mich gegen meinen Gegner zu behaupten.«
77
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Und all dies Unheil sei,
das erkennen wir, nach Rotgers Meinung darauf zurückzuführen, daß die Mitwelt
seiner Überzeugung nicht zustimmen wolle, daß sein Pachtgrundstück als ein Teil
des hamburgischen Dompropsteibesitztums nicht unter die Verwaltung des
Amtes oder der Propstei Segeberg falle. - War denn sein »Glaube« echt?
Eine vom Amtschreiber
Daniell Hussmann unter dem 27. Juli 1652 ausgefertigte, in Copie noch
vorhandene Beurkundung (Bl. 43) läßt uns Einblicke in sein Verhalten tun.
Es wird zunächst bekundet,
daß seine Vorweser ihren Verpflichtungen in ecclesiasticis und civilibus1)
nachgekommen seien, er aber »vorsetzlich sich angemaßet, sich dem zu entziehen.
Nicht allein der Herr Pastor und der Kirchspielvogt, sondern noch mehr als zehn
andere des Kirspels Brambstete Untergeseßene haben solches angehöret, daß
gedachter Lindemann, wie ich einen halben Reichstaler Verbittelgeldt vohn ihm
gefodert, mir selben ganz und gar geweigert und vorgegeben, er gebe sein ver
Bittelgeld nach Breitenberg und hette sein Vohr Weser einen ganzen Thaler vor
das Vorbinden2) geben.«
Der Schreiber hätte diesen
Worten nicht geglaubt und nicht leiden wollen, daß L. das Königl. Register (zu
Segeberg) schmälern solle. Er habe daher »also baldt im 1650. Jahre wider ihn
die Pfändung vorgenommen, worauf Lindemann nicht allein mit seinem
Verbittelgeld eingekommen, sondern nachgehend bei mir nach Segeberg sich
verfüget und begehrt, ihm nachzuweisen, daß er dieses Geld zu zahlen
verpflichtet sei. Wie denn auß dem Ampt Register solches sattsamb geschehen
ist. Er ist mit den worten von mir gangen, er hette vermeint, daß der
Reichstaler bloß für das Verbinden wehre. Hat auch Anno 51 den halben Thaler
willig erleget und gelobt, sich hierinnen nicht mehr zu sperren, und leugnet,
daß er sich dem unter gericht (Ding und Recht 1650 zu Bramstedt) habe entziehen wollen. Bei dem im
1651sten Jahre gehaltenen Ding und Recht hat der Amptmann dem Kaspel
Voigt daselbst anbefohlen, daß er - Paull Blancken - gedachten Lindemann durch
seinen Knecht Vohr Ding und Recht zu erscheinen citiren laßen solte. Wie er
sich nuhn dessen verweigert, hat hochgedachter (Amtmann) weiter befelich
erteilet, daß der K.-Voigt ihn - Lindemann - mit zween oder mehr Knechten solte
herbei schleppen lassen. Worauff er den entlich sich sistiren müssen.«
(Petschaft
und eigenhändige Unterschrift)
Daniell
Hußmann.
Endlich
Entscheidung durch das höchste Gericht
Der eigenartigen Fassung
wegen sei hier die Ladung zum Schlußtermin in gekürzter Form wiedergegeben.
__________
1)
Kirchen- und bürgerliche Sachen.
2)
Als Hinweis auf das von den Vorwesern und ihm betriebene Gewerbe des Wundarztes
zu deuten.
78
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Friedrich
der Dritte
»Lieber getreuer ... Alß
Citiren, heischen und laden wir dich eins für alle und peremptorie
(Rechtsverlust bei Nichterscheinen), daß Du am 9. des schierst kommenden Monats
Martii morgens früe alhier for Unserm Ober Ambtgericht, entweder in der persohn
oder durch einen genugsamb bevollmächtigten Anwalt, ohnauspleiblich
erscheinest, deine angestelte Klage ... mündlich Vohrbringest, Vollführest und
auff deroselben … rechtlichen Spruchs gewertig seyest. Du erscheinst demnach
oder nicht, soll nichts desto weniger auff ferner anruffen ergehen, was recht
ist. -
Wornach
du dich zu achten.
Geben
Glückstadt, den 16. Febr.
1653.
Königl. Dennemarksche
An
verordnete Stadthalter,
Rötger
Lindemann.
Cantzler und Räthe.«
Das
Urteil (Bl. 50)
»In Sachen Rötger
Lindemanns, Klägern und Besitzern deß vicarey haußes zur Brambstedt, entgegen
und wieder die Kirchgeschwornen daselbsten, sodan deß Jüngst verstorbenen
Kirchspiel Voigts Paul Blancken hinterbliebener wittibe und Erben, Beclagte
eineß andern und dritten theilß, in puncto streitigen dominii, deß deselbst
belegenen vicarey haußes und geklagten turbationis in der Kruegners
gerechtigkeit ... Erkennen wir Friederich der Dritte, von Gottes gnaden ...
sambt bey sitzenden unsern Stathalter, Cantzler und Richter, auf hinc inde
producirte original Contracte, Kirchenbücher und anderer documenta, auch dabey
gehaltener außführliche mündliche recesse, für recht, daß daß Thumb Capitull
zur Hamburgh und der pro tempore Ehre Thumbprobst daselbsten bey dem Dominio
und possession der verhäurung besagten Bramstedtischen vicarey haußes von
langer Jahren hergebrachter maßen geruhiglich zu laßen und darin von Beclagten
nicht zu turbiren, noch von denselben die Jährliche hauer ohne des Ehrn
Thumbprobsten Consens zu steigern, gleichwoll der jetzige und künfftige
conductores (Inhaber) und Besitzer desselben den Kirchgeschwornen zu Bramstede
jedes Jahres die aus der Vicarey der Kirchen daselbsten gebührende Neun Mark
lübsch und Ehrn Thumbprobsten seine Jährliche 1 Mark in gewohnlicher rechter
Zeit ohn weigerlich allemahl auch entrichten und in specie, was davon der
Kirchen vom jetzigen Conductore Rotger Lindemann erweislich annoch restiret und
bereits fällig ist, innerhalb einer halben Sächsischen frist sub poena
executionis bahr abgetragen werden. Ingleichen Jetziger und künfftige der
vicarey besitzer und conductores sich des Wein-, Brandtwein-, Meth- und Hamburger
Bierschenkens und Aus Zapfens, womit wir unsere Kirchspielvoigte allein
gnedigst privilegirt undt begnadiget, gentzlich und allerdings sub poena
confiscationis des ingelegten wein, brandtwein, Meeth und hamburger Bierr, auch
Vermeidung anderer arbiter Bestraffung, enthalten, auch sonsten unser Obrigkeitlichen
Jurisdiction sich keinesweges frevelmütig entziehen, sondern gleich unsern
andern
79
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Unterthanen Unseren
Segebergischen Beambten zu gebott und gehorsamb stehen, und wiedrigenfalls mit
gehörigen Zwangsmitteln dazu constringiret werden sollen. Maßen dann daß
Thumb-Capitull und der pro tempore Thumb Probst unserer Stadt Hamburgh darbey
nachmalen geruhig gelaßen und die Jetzige und künftige Conductores und Besitzer
des vicarey haußes darzu schuldig ertheilet werden Compensatis expensis.
(Ausgleich der Kosten)
Von
Rechtswegen Publicatum Glückstadt, den 24. Martii 1653.«
(Siegel und Unterschrift
fehlen. Es handelt sich offenbar um eine sorgfältig gefertigte Abschrift.)
Man erfaßt mühelos, daß
weder die Kirche noch Lindemann Ursache hatten, sich eines Erfolges zu
erfreuen. Letzterer verlor, was ihm wohl am besten »Nahrung« verschafft hatte:
die Schankerlaubnis. Und die Kirche bezog zwar wiederum 9 Mark Grundheuer jährlich;
aber womit war das erkauft? Aber wie stand es um die Prozeßkosten? Das alte
Kirchenbuch weist auf Seite 240 allein für das Jahr 1652 an Kosten wegen der
Vicarey rund 100 Mark auf. Wir lesen z. B.: »Marx Grip und Hanß Mohr mit dem
Kirchspiel Voigt nach der Glückstat gewesen, laut beygelegtes Zettuli 61 Mark 2
Schilling.« Insgesamt sind rund 360 Mark verunkostet worden. Ja, ja, Prozesse
müssen sein. Und ein linder Trost lag ja in der Tatsache, daß die Kosten sich
auf viele Taschen verteilten. Gilt es nicht auch heute noch, daß es dem
Leidtragenden eine Erleichterung wird, Gefährten des Leides zu haben?
Um nun berechtigter
Wißbegierde zu dienen, soll noch ein Schriftstück herangezogen werden, in dem
wir den von Rotger L. so oft berührten ältesten Vertrag über die Vikarie zu
erblicken haben. Es fehlen zwar Siegel und Unterschrift; doch ist zu würdigen,
daß allem Vermuten nach der getreuen Hand eines Seelenhirten das Vorhandensein
dieser Abschrift zu verdanken ist.
»Anno (15)88 up Johanni is
ein fründliker vordragt und hürbit gesehen Twischen Marckert Mertens
(Kirchschwor) und hanß Moeyelken in nach folgende gestalt: Idt hatt der Ersame
Markert Mertens dene fiekarie, de he von den hern stadtholder angenommen hefft,
desulwige wedder vorhüret dre Jahr lank sunder upsage und schal ehm Jahrliken
tho hüre geben 12 Mark und einen Daler in den kop, welken hans Moeyelken hefft
strackes uth gegewen und schall in de 12 Mark nicht mit gereket werden; ock is
beliebet und vordragen, daß, so dat huß up güng dörch füers Noht - dat Gott
gnedigliken affwende - und idt queme (käme) von sinem egnen füre tho, dat idt
binnen hußes werde erst brennen, so will Hanß Moeyelken dar so ein hus wedder
up der stede vorschaffen, also dit nun ist. Wers (wäre es) wo de schade her
queme von sinen Nabers behüsinge, edder (oder) füer oder ock von den Wilden
füer (Blitz), edder idt möchte von bösen Minschen angesticket werden, so schal
hanß de schade nicht tho gerekent werden. Vor den schaden hefft Hanß Moeyelken
Markert Mertens veer Börgen gestellet, alse Tymme Westvalen, Markert schulte,
Markert stekmest und Clauß Folster. Ock sind in die fiekerie 23 glaßefenster,
welker hanß dar in gefunden hett, ock de sülwigen wedder levern schall.«
80
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Es ist in Erinnerung zu
bringen, daß der obgenannte »stadthalter« identisch ist mit dem vielgenannten
Dompropsten zu Hamburg. Von ihm hat hiernach Bramstedts Kirchschwor die Vikarie
»angenommen«. Was ist das? Es mag zusammenhängen damit, daß das Kirchspiel
Bramstedt schon unter seinem Gründer Anscharius ein Bestandteil des Bistums
Hamburg gewesen ist. Wiederum weiß der alte Vertrag von einer Vergütung an den
»Thumbprobsten« nichts zu melden.
Ebensowenig ist
nachzuweisen, wann das vielumstrittene Anwesen der geistlichen Hand und
Herrschaft entglitten ist. Es mag vor langer Zeit gewesen sein, was deshalb
vermutet werden muß, weil tatsächlich seit langem im Flecken und in den
Kirchspieldörfern das Gedächtnis an ein derartiges Gewese völlig ausgelöscht
ist.
Sicher aber ist, daß an
der Stätte, wo einst Rottgardt Lindemann ohne Segen sich bemüht hat, den Durst
seiner Mitbürger zu stillen, heute ein Mehrfamilienhaus steht.
2.
Kampf um das Vermächtnis eines Knechts
Die darüber vorliegende
Urkunde möge für sich selbst reden. »In Sachen der Kirchgeschwornen zu
Bramstette contra Eines zu wiemerstorff, vor dießem verstorbenem knechtes, Hans
Prünß geheißen, Negste Erben, Anderntheils, 30 Mark donirte (geschenkte) gelder
der Kirchen sambt deroselben Rentten, betreffende, welcher berhürter Hans Prunß
auß seynen Freyesten güttern der Kirche zugeltten, vor seynem Todte angeordnet,
deme aber die Erben nicht parieret und gleichwoll die Erb- und bahrschaft
untter Einander getheilett; Ist zu Rechtte Erkannt: Beklagte, des Knechts
Erben, sollen zur Donation der 30 Mark und deroßelben Rentten, a tempore
Donationis (vom Tage der Schenkung) der Kirchen gehaltten (verpflichtet), die
andere Lorentz Prunßen Erben aber nach Anteil, weßen sie von der Erbschaft
genoßen, den anderen des Knechtes Erben dazu zu schießen und zu hilff zu
kommen, hyn wieder schuldig sein, von Rechts wegen.
Urkundelig unter Herrn
Caspar von Buchwalts, konnigligen Landt Raths und Ambtmanns uff Segeberge, zu
Pronstörff Erbgesessen, eigener Handt Subscription.
Datum Bramstedte, den 21.
Juny, Anno 1633.«
(Unterschrift)
3.
Daniel Hartnaccius, der streitbare Pastor
(1702-1707)
Vergleichsweise kurz ist
die Amtszeit dieses Bramstedter Seelsorgers gewesen. Aber es war eine Zeit der
Unruhe, um nicht zu sagen: des Unfriedens. Gegenstand des Kampfes bildeten
weltliche Angelegenheiten in ungewöhnlichem Ausmaße; doch auch Fragen der
geistlichen Amtswaltung machten hier im Kirchspiel und
81
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darüber hinaus ein nicht
geringes Aufsehen. Wenden wir uns zunächst den weltlichen Dingen zu.
Die Schriftsätze, die dem
Chronisten in diesem Falle zur Verfügung stehen, sind zum Teil Entwürfe oder
Abschriften und daher nicht allemal mit Datum versehen, in der Hauptsache aber
Originalakten des hiesigen Pastorats. Die Echtheit auch der datenlosen Papiere
kann nicht wohl angezweifelt werden.
a)
Hartnack findet das ihm zustehende Zehrgeld nicht ausreichend.
Er wendet sich an das
Konsistorium und sagt, daß er unumgänglich vorstellen müsse, wie er wirklich
verspüre, daß der halbe Reichstaler, der ihm zu seiner Zehrung in währendem
hiesigen Konsistorio zugewiesen werde, unmöglich ausreichen wolle, zumal, »da
es einen Abend vorher und drei voll Tage, wegen der Menge der Sachen, währe.«
Die Zeiten und Mahlzeiten seien nicht mehr so wohlfeil als die vor 40 und mehr
Jahren, wo genannter ½ Taler in Bramstedt »gesetzet worden«. Vermutlich bekomme
keiner seiner Amtsbrüder heute von seiner Gemeine oder Kirche eine so geringe
Zehrung. »Hingegen meine Kirchgeschwornen, wenn sie eine Reise nach Segeberg
machen, um ein Gewerbe zu bestellen, zur Zehrung 6 Mark, so ihnen auch gerne
gegönnet und gezahlt werden.«
»So geschieht an Ew.
Excellenz und Ew. Hochehrwürden, wie auch den Herrn Seniorem (ältesten
Prediger) und sämtliche Mitglieder des Konsistoriums mein respektive
unterthäniges, gehorsamstes und dienstliches Bitten, Höchst- und Hochgeneigt
hierunter zu erkennen, wie viel Zehrungskosten, in der Hin- und Herreise, auch
verweilung in den Tagen des Konsistoriums von nun an zu dem bisherigen halben
Reichstaler noch hinzugelegt werden solle.«
(Unterschrift)
Anm. Dieses für die
Pflichtversammlungen der Geistlichen vorgesehene Zehrgeld, im Kirchenbuch meist
als Calande verzeichnet, wurde, wie Hartnack äußert, aus königlichem Fonds
ersetzt.
b) Der
Prediger gegen die Kirchgeschwornen
Den
Klingelbeutel angehend
Daniel Hartnaccius wendet
sich in einem geharnischten Schreiben, von dem im Kirchenarchiv eine nicht
datierte Abschrift vorliegt, an die hohen Herren des Visitatoriums, um die aus
dem Geleise geratene Tätigkeit der Kirchenjuraten wieder auf die rechte Bahn zu
leiten. Er hat folgendes zu melden. »Ew. Excellenz und Hoch Ehrwürden
unümbgänglich vorzustellen, kan (ich) nicht umhin, welcher gestalt ich bißher
mit großem Ärgerniß ansehen müßen, was von den Kirchgeschwornen zu Bramstedt
mit den Arm Geldern so woll bei der einsamblung als Austheilung vorgenommen
worden, dazu ich als Pastor mein Gewissen rein zu behalten, nicht
stillschweigen kan.
82
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1.Wenn der organist das Geld im Klingbeutel
gesamlet, und auf dem Altar vor dem Pastore deponiret wird, so schüttert es
nach geendigtem Gottesdienst der Claus Steckmest im Flecken, dann und wann auch
ein andrer unter ihnen, gantz ungezehlet in das tuch, welches er bei sich
trägt, und geht damit in der stille nach Hause, wider die Ermahnung des
Apostels, daß bey solcher samlung es nicht allein ehrlich für (vor) Gott,
sondern auch für den Menschen zugehen solle, auch alle andern Kirchen, die
insgemein dazu eine mit eißen fest Beschlagene Lade mit Ketten fest in der
Kirchen angemacht haben, dahin also gleich geschüttert wird, wozu der Pastor
und jeder Kirchgeschworne ein jeglicher seinen besonderen Schlüssel hat, und
keiner ohne den andern dazu kan: daß also bitte Ew. Excellence und
Hochehrwürden geruheten, die Verfügung zu thun, daß dergleichen in Bramstedt
geschehen möchte.
2.Halten auch die Kirchgeschwornen bey austheilung
derselben Armen Gelder ein zweitägiges convivium, dabey es splendide zugehet,
indem sie zwei gantzer tage, auch woll länger beysammen bleiben und aufs
Herrlichste sich von den Armen Geldern zu gute thun.
Diesem vor zu bauen und
den ärgerlichen, je Länger je mehr zuwachsenden Gewohnheiten vor zu kommen,
thue ich diesen ohnmaßgeblichen Vorschlag: daß man in dem Pastorath Hause zu
sammen kommen, vormittags das Geld zählen, abgetheilet in den Kasten lege,
mittags jeder nach Hause gehe, und nachmittags sodann austheile.
3. Daß ich als
Pastor bei der außtheilung und Zahlung, wie gewöhnlich, mit dabey sein muß, daß
mir acht Tage vorher von Bewandniß und Zustand aller derer, die von denen
Armgeldern bekommen, eine Designisation (Verzeichnis) von den Kirchgeschwornen
eingereicht werde, einige Erkundigung der Ohrsachen vorher ein zu ziehen, daß
es nicht bey der austheilung nach Affecten zu gehe, oder unwerthe oder die es
nicht bedürffen, nicht bekommen oder andern vorgezogen werden mögen. Sie auch
nicht befugt sein sollen nach ihrem Sinn, in die Zahl der Armen jemand zu
recipiren (wieder einzureihen), sondern dem Pastori vorher die sache zu seiner
Erkäntnis stellen sollen, da ich mich denn also dabey zu verhalten gedenke, daß
ich es bey Gott und denen Hochpreißlichen Herren Visitatoribus zu verantworten
gedenke.«
(gez.)
Unterthäniger und
gehorsamster
Daniel Hartnaccius
Das erste Ergebnis der
pastörlichen Beschwerde ist natürlich eine Aufforderung des Visitatoriums an
die derzeitigen Kirchenjuraten, zu den gegen sie erhobenen Beschwerden sich zu
äußern. Sie tun das in furchtloser Weise, wobei nur zu bedauern ist, daß ihr
offenbar von dritter Seite herrührendes Schriftstück überreichlich mit
lateinischen Brocken belastet ist. Es möge für sich selbst sprechen.
»Alß Ew. Excell. und
Hochehrwürden uns des Herrn Pastoriis Hartnaccii so rubricirte unterthänige und
gehorsamste Anzeige und Bitte wegen der Armen Gelder und deren Außtheilung
Höchst- und Hochgeneigt communiciret (mitgeteilt), so statten wir zuförderst
deroselben dafür Unterthänig Gehorsamsten Dank ab und berichten
83
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Zu Punkt I: das
wir leider an unserm Ohrte so unglücklich gewesen, daß die Armenlade hiebevor
in der Kirchen zu verschiedenen mahlen bestohlen, dannenhero man genötiget worden,
dieselbe außer der Kirchen zu bringen und nebst dem Armen Gelde außerhalb der
Kirchen nunmehro im Hause eines Kirchenjuraten zu verwahren, allwo sie dann
auch bißhero für Dieben sicherer und unbestohlen befunden worden. Gleich nun
dieses aus Noht, der Armuth zum Besten geschehen, auch würklich biß dahero zum
Besten gereichet, hingegen niemand einen rechtmäßigen Verdacht auf unß bringen
wird, wir auch denjenigen, der sich unterstehen würde zu sagen, daß wir unserm
Eyde zuwieder mit solchen Gelde nicht aufrichtig und Ehrlich ümbgehen sollten,
so lange für keinen redtlichen Mann halten, biß er uns deßen überführet. So hat
der Herr Pastor keine Ursache, mit Ärgerniß anzusehen, daß einer von uns, die
wir auf unserm Eyd sitzen, die gesammelten Gelder ungezehlet vom Altar in der
Stille, wie es sich an solchem Ort gebühret, mit nach Hause nimmt und in die
Armen Lade bringet. Ob wir nun bey so Bewandten ümbständen wohl Ursache hätten,
uns des H. Pastoren Vorschlag hierin zuwider zu setzen, so können wir doch gerne
geschehen laßen, daß eine mit Eisen wohlverwahrte Lade in der Kirche angemachet
und darin die gelder verwahret werden, wann nur jemand als Gevollmächtiger des
H. Ambtmanns so wohl, als wir und der Herr Pastor einen besonderen Schlüßel
dazu haben, so daß einer ohne den andern dazu nicht kommen könne, und der H.
Pastor genugsahme Bürgen stellen wird, daß hinkünftig solche Lade nicht
bestohlen werden solle, im widrigen Er daß gestohlene der Armuth aus seinem
Eigentum ersetzen, auch da (wenn) wir dergleichen Dieb haben solten, Er die
Untersuchungs- und Peinlichen Prozeß Kosten der Gemeine abhalten wolle. Maßen
im widrigen, und da in entstehung dessen der Armuth und Gemeine hinkünftig
Schade und ungelegenheit zuwachsen sollten, wir für männiglich ganz und gar
entschuldiget sein wollen.
Zu Punkt II: soll
der H. Pastor nimmer wahr machen, daß wir bey außtheilung der Armen Gelder
davon ein convivium, dabey es splendide zugehet, halten und unß von den Armen
Geldern aufs herrlichste zu Guthe thun, inmaßen wir jeder seine im Kirchenbuche
S. 151 zugelegten 10 (16?) Schilling verzehren und selbige der Kirche zur
Rechnung bringen, daß also, weil den Armen nichts von den Armen Geldern
abgehet, es Hirbey keines Neuerungs-Vorschlages bedarf, zumahlen wir der
Entfernung unserer Häuser halber nicht des Mittages nach Hause gehen und
allesamt Nachmittages zur Außtheilung der Armen Gelder wieder kommen können.
(Drei wohnten in den Dörfern.)
Zu Punkt III: Der
Herr Pastor hat einmahl anführen können, daß es jemahls bey außtheilung der
Armen Gelder nach Affecten zugegangen sey; jedennoch sehen wir gerne, daß eine
solche Verfügung hierin ergehen möge, daß andere zugleich dahin sehen, damit
die Allmosen Gelder desto gefälliger außgetheilet und uns dadurch die
Verantwortung leichter gemacht werde. Zu allem aber, was der H. Pastor desfalß
in Vorschlag bringt, wird auch des H. Ambtmanns Gevollmächtiger
(Kirchspielvogt) mitwirken neben dem H. Pastor, und gleich bey der
84
--------------------------------------------------------------------------------------
nächsten
Kirchen-Visitation ist zu verordnen, daß der Herr Commissarius Averhoff auch
einen Schlüßel zu der Armen Lade habe und der Pastor ohne dessen vorweißen und
Zustimmung kein Armen Geld aushändigen solle.« Die Juraten erklären am
Schlüsse, daß sie einer Neuordnung gern zustimmen werden, wenn dabei die von
ihnen gemachten Vorschläge berücksichtigt werden. Anmerkung. Weiteren Bericht
über den Ablauf dieser Angelegenheit zu geben, bleibt dem Chronisten versagt
mangels einschlägiger Dokumente.
c)
Heftiger Streit wegen eines Zaunes
Konrad Henrich Galenbeck,
der dritte und letzte Pfarrer dieses Namens in der Reihe der hiesigen
Seelsorger, ist zu seinen Vätern versammelt worden. Seine Witwe, mit Recht um
ihre Zukunft besorgt, nimmt im Gnadenjahr für sich in Anspruch, was sie nach
ihrer Meinung beanspruchen kann. So verkauft sie auch die Einfriedigung des
Pastorats, die der erste Galenbeck einmal gegen Geld von der Witwe seines
Vorwesers Hamerich im Jahre 1623 übernommen hatte. Pastor Hartnack verlangt nun
von den Kirchgeschwornen, daß sie eine neue Einfriedigung schaffen. Diese aber
lehnen das ab, weil sie dazu weder berechtigt noch verpflichtet seien. Der
Prediger ruft den »Gnädigen Geheimbten Rath und Ambtmann Hanneken« an. Die
Juraten werden zum Bericht in dieser Sache aufgefordert, ihre »etwa dawider
habende nothurft einzubringen«. Indem sie, »desfals geziemenden und
gehorsamsten Dank zuvor abstatten«, finden sie sich »gemüßiget, darauf in
Unterthänigkeit anzuzeigen, daß sie mit des Herrn Pastoren seine etwa zu machen
habende Knicks und Zeune gar nichts zu schaffen haben«. So erweislich, hätten
die Kirchgeschwornen niemalen Hand an solche geleget, auch nicht sich darum
gekümmert, ob sie gut oder schlecht gewesen. Die successive hier gewesenen
Pastoren hätten »ihre Zeune« selbst instand gehalten und verfertigen lassen,
»wie das auch dem gegenwärtigen H. Pastoren gar nicht unbekannt sei.«
»Allermaßen da die wittibe
Pastorin solchen Zaun als Ihren eigenen verkaufen wollen, Sie demselben davon
vorher Nachricht gegeben, ob er solchen Zaun vor den Preiß, so Ihr andere
bieten würden, behalten wolte, so solte er der nechste dazu sein.«
»Unser Commissarius und
Kirchspiel Voigt hat gedachten Herrn Pastoren durch 2 unserer Kirchgeschwornen
andienen lassen: wan er verheißen würde, den Zaun künfftighin, wie seine Herren
Vorweser gethan, zu unterhalten, so wolte er (Voigt) uns dahin bereden, daß wir
solchen der wittibe abkauffen und ihm wieder schenken solten, welches wir auch
auf dessen Begehren und Zureden gerne würden gethan haben. Hierüber haben
obgedachte beyde Kirchgeschwornen sich noch anheischig gemacht, Er solte den
Zaun obangeführtermaßen annehmen, Sie würden ihn bei der Schenkung in solchen
stand setzen, daß er in 10 bis 20 Jahren nichts daran machen laßen solte.
Welche Vorschläge derselbe aber durch aus nicht annehmen wollen.
85
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Woraus Ew. Excellenz hell
undt Klar ersehen Können, daß mehr besagter Herr Pastor selber schuldig, daß
der Pfarr hoff unbefriediget lieget. Und da mit Ewer Exzellenz mehr licht
dieser Befriedigung halber erlangen mögen, so haben wir sämbtlich aus unsern
Mitteln Vier gevollmächtigte, alß Dirck Brammer aus dem Flecken Bramstede, Hans
Mertens, Königl. Unterthan auß wiemerstorff, Jasper Runge, Königl. Unterthan
aus dem Kirchspiel Kellinghusen, und Marx Dammann, Clösterlicher Unterthan aus
armstede einhellig erwehlet und Ihre Vollmacht durch den Herrn ambts Verwalter
Snell in der Kirchspiel Voigtey aufsetzen und in Unserm Nahmen von Ihm
unterschreiben und untersiegeln lassen. Welche anbefohlener maßen einige der
ältesten Kirchspielleute vor dem Herrn ambts Verwalter und Commissario
gebührlich abhören und deren außsage Ew. Excellenz Unterthänig einliefern laßen
sollen, mit unterthäniger Bitte,
Uns die Befriedigung mehr
alß oft Besagten Pfarrhauses Zaunes wegen der glaubhaften Zeugschafft nicht
mehr anzumuthen, Besondern uns ... gäntzlich davon zu befreyen,
dem
Herrn Pastoren aber dahin zu befehlen, daß Er uns die dießerhalben wider
besseres wißen veruhrsachten Unkosten wieder erstatten müße. Wir wollen dagegen
leben und sterben
Ewer
Excellenz
getreueste und
unterthänige, gehorsambste, sämbtüche Königl. Bramstedische, Königl.
Kellinghusische und Clösterliche Itzehoische (exclusive aber
adel. Bramstedische) Untertanen des Kirchspiels Bramstede. Bramstede, den 28.
Martii 1703.«
Das Streitverfahren nimmt
den üblichen Fortgang, und der Geistliche hat den Erfolg auf seiner Seite. Doch
die Unterlegenen können und wollen sich dabei nicht beruhigen. Nach Ablauf
eines guten Vierteljahres greifen sie aufs neue zu den Waffen, um nun
allerdings den Angriff auf ein ganz anderes Gebiet hinüberzuleiten. Das
geschieht in nachfolgendem, an Amtmann und Propsten gerichtetem Schreiben.
II.
Geistige und geistliche Angelegenheiten
1. Vorwürfe gegen die
Amtsführung
Besagtes Schreiben
verkündet den bittern Ernst des Streites.
»Ew. Excellenz werden sich
sonder Zweifel annoch gnädig erinnern, welchergestalt denen Bramstedischen
Kirchen Juraten auf des Herrn Pastors Hartnaccii ersuchen und anklage befohlen
worden, umb den Pastorat-Garten einen Zaun zu führen, wie solches die Copey des
Befehls im anschluße erweiset. Dieselben sindt auch dem Befehl gehorsambst
nachkommen. Inmittelst haben wir gleich wohl bey neulich gehaltenen Dinge
und Recht einiger maßen dargethan, daß wir solches onus (Last) zu tragen,
dem alten und gewöhnlichen Herkommen nach nicht verpflichtet und unschuldig
sindt. Vorjetzo haben wir durch die zweite Anlage
86
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weiter erweisen wollen,
daß dieses uns nicht zukomme. - Nechst diesem wir die 3 Beylagen, daß die
Herren Prediger anderer benachbahrter ohrte ihre Zäune ebenfals Selbsten vor
ihre Kosten müßen machen laßen: dannenhero. ergehet unsere Unterthänige und
gehorsambste Bitte an Ew. Excellenz und Hochehrwürden, den Herrn Pastoren dahin
anzuweisen, daß Er denen Juraten ihr vorlegtes Geld zu dem Zaune sambt Unkosten
erstatten müsse. –
Hierauß können Ew. Excell.
und Hochehrwürden unmaßgeblich ersehen, daß der Herr Pastor keine Bedenken
träget, Neuerungen seiner Gemeine auf zudrengen. Dieses hat Er nicht allein in
voriger Sache zu thun getrachtet, sondern hat sich auch gar unterstanden, in
des Kirchspiels Kirchen-Buche hinter pag. 3 dasjenige, was Pastor Herr Detlevus
Galenbeck mit eigener Handt geschrieben, auf die 3 finger breit, un erhörter
weise, vor sich alleine und aus eigener angemaßter Macht zu radiren, davor hat
Er hingegen mit eigener Handt zum praejuditz der ganzen Gemeine propria
authoritate (eigenmächtig) wieder eingeflicket, was zu seinem Nutzen dienet. Ob
nun dieses heiße, seine anvertraute Gemeine recht lieben und mit derselben es
treulich meinen, laßen wir Ew. Excell. und Ew. Hochehrwürden selbst
unbeschweret entscheiden.
Nechst diesem müßen wir
auch, wiewohl ungerne wehmütigst klagen, daß er seiner Gemeine auf der Cantzel
und sonst in seinen ambts Verrichtungen aller Handt Ärgernissen und Verirrungen
in ihrem Christenthumb durch Lehren und unbedachtsame proceduren gebe.
Zum Exempel:
1.Da seine Seeligen Antecessores (Vorgänger)
gewohnt gewesen sein, den dazu bestimmten Kelch vor die Kranken, selben zu sich
zu nehmen, wenn sie zu selbigen gefordert wurden, um ihnen das heil. Abendmahl
zu reichen, so pfleget der jetzige allemahl derjenigen Persohn, sie mag sein,
wer sie will, solchen zu geben; dannenhero ist es auch geschehen, daß solcher
verlohren worden. Denn alß Er neulich den Kranken Friedrich Vogt zu berichten,
außen gewesen, hat er auf dem Knickwege, alß er baldt bey seinem Hause gewesen,
diejenige Frau, so Ihn abgeholet hat, gefraget, ob sie den Kelch bey sich
hätte, worauf sie mit Nein geantwortet, sintemahl Er ihr denselbigen nicht
gegeben hätte; darauf hätte Er jemandt von Seinen Leuten, alß er nach Hause
gekommen, in des Patienten Hauß geschicket, allwo derselbige nicht angetroffen
gewesen.
2.Alß die Collecte vor der Predigt geschehen
sollen, hat Er davor vor dem Altar gesungen: Laßet uns alle beten: Vater
unser u.s.w. Doch hat Er sich baldt wieder recolligiret und die Collecte in
halber Confusion abgesungen. Deß gleichen hat Er auch zweimahl auf der
Cantzel das Vaterunser zu beten Vergeßen, ja auch an dem großen Buß- und
Bet-Tage hätte Er fast den Seegen nach der Predigt zu sprechen unterlaßen, wan
nicht sein Sohn auß dem Beichtstuhl getreten und Ihm solches erinnert hätte. -
Wann Er auch daß heilige Abendmahl administriret, so werden offtermahles einige
Communicanten in ihrer andacht gestöret, indem er entweder den Kelch nicht
recht zu halten pfleget, daß Sie begoßen werden, oder denselbigen von dem
gesegneten Wein nichts darzureichen pfleget.
87
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3.
Alß
Dierck Maahs dem Herrn Pastoren 12 Schilling geschicket, sein Kindt zu tauffen,
so hat er diese nicht annehmen wollen, sondern hat 1 Mark lübsch gefordert, da
doch diese weder nach dem Kirchen Buch, noch nach der einmahl eingeführten
gewohnheit mit recht gefordert werden kan.
4.
Bey
der Tauffe läßet Er daß Wort: »Heilig«, welches der Herr Lutherus in seinem
Catechismo gesetzet hat, außen und saget bloß: nimm hin daß Zeichen des
Creutzes. Ebenfalß da unsere vorige Herren Prediger, wie anderswo auch
gewöhnlich, die Worte bei der außspendung des heiligen Nachtmahles gesprochen:
Nehmet hin ... erhalte Euch in wahrem Glauben .., saget Er bloß: in Eurem
Glauben zum Ewigen Leben.
5.
Alß
Er Marx Steckmest sein geborenes Kind, welches ganz schwach gewesen, daß
man sich stündlich seines Todes versehen, welcher
auch den Tag darauf erfolget
ist, hat zu Hause taufen sollen, so
hat Er dieses nicht thun wollen, Besondern die Bade Mutter hat die Noht Taufe
verrichten müßen.
6.
Als
Thombes Thombsen auf seinem Todtbette das heilige Nachtmahl verlanget, so hat
Er bey großer Bestürtzung nach einem Buch gefraget und hat er daneben die
Einsegnung vergessen also daß sich auch der Todt kranke Mann darüber geärgert.
7.
Als
Casper Hennings Knecht in Wiemerstorf an einem gewißen Freytag mit einem Wagen
bey dem Herrn Pastor ankommen, Ihn zu seines Schwagers Knecht zu holen, daß Er
demselben auf dem Kranken Bette das h. Abendmahl reichen möchte, so hat Er
lange Zeit mit demselben verhandelt und allererst Sonntags Mittags kommen
wollen: obschon selbiger Berichtet, daß der Patient sehr schwach war und dazu
den Wagen für sein Geld häuern müsse; jedoch hat Er sich endlich erbitten
lassen, alß er vernommen, daß des Knechtes Vatern der Ihn abholen sollen, ein
stück Land gepflüget hätte; item als er in demselbigen Dorff gefordert worden,
einer betagten Frauen daß h. Abendmahl zu reichen, so hat Er übel empfunden,
daß sich noch etliche alte Frauen, die altershalber nicht wohl zu Fuße sindt,
nach vorigem Gebrauch so gleich bey dem h. Abendmahl in selbigem Dorffe
eingefunden hatten. - Deß gleichen, alß eine stein alte Frau aus dem Flecken
mit Nahmen Hartmaninnen wegen ihres großen alters und stetes Zittern der
glieder daß h. Nachtmahl vor sich alleine hat empfahen wollen, so hat der Herr
Pastor Sie allererst über 8 Tage dazu laßen wollen, dieweil Er nicht Zeit dazu
hätte, da doch diese Frau alle Tage sich ihres Todes wegen großer Schwachheit
versiehet, mit beygefügter Uhrsache, ihr Sohn hätte es mit Ihm nicht danach
gemachet.
8. Hat er über dieses auch bey unterschiedlich angehenden Ehe Leuten in der Trauung die Ringe, wie sonst gebräuchlich, nicht gewechselt. Wie Er sich aber in seinen ambtsverrichtungen ärgerlich und nachläßig aufführet, so hat Er auch unterschiedliche mahle in seinen Predigten viele in ihrem Glauben irre gemacht. Zum Exempel:
1. Am letzten Christtage saget er im Eingange: Christus sei nicht von dem
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Heiligen Geiste empfangen;
da wir doch dieses in unserm Catechismo und zwar im andern Artikel bekennen.
2. Am ersten Sontag nach
Epiphanias, führete er unter anderm von der Beichte an: Wenn einer seinem
Beicht Vater die groben Sünden, nemblich Hurerey, Ehebruch und dergleichen
nicht ausdrücklich und specifice (im einzelnen) offenbahrte oder Dieb gestohlen
Guht an den vorigen Besitzer nicht wieder brächte oder bezahlete, dem helfe
keine absolution oder Nachtmahl, wenn auch schon 1000 Christi vor ihn gelitten
und gestorben.
3. Alß am ersten
Christtage in der Nachmittags Predigt, etliche Persohnen zu späte gekommen, hat
Er über die maßen darüber geeifert und gesprochen: So ferne keiner die Thür zu
machte, wolte Er nicht weiter Predigen, sondern von der Cantzel gehen, mit
beygefügten Worten, es were eine Sünde im Heiligen Geist, die nimmer könnte
vergeben werden, sintemahl sie Gottes Auge apfel antaste.
4. Endlich hat er auch von
der Heiligen und Keuschen Jungfrau Maria pro Concione (soll wohl heißen:
Conceptione) gesaget: Joseph sei Ihr zum Hüter der Jungfrauschaft gegeben
worden.
Letztlich so
hat Er auch in unterschiedlichen geistreichen und alten Psalmen und gesängen
uns irre zu machen gesuchet, zum Exempel:
1. In dem uralten schönen
Liede: Ein Kindelein so Lobelich etc. hat er den letzten vers zu singen
untersaget.
2. In dem Weihnachtes
Liede: in dulci jubilo hat er die Worte getadelt: »Da die Schellen klingen«,
alldieweil wir in dem Himmel keine Schellen haben würden. Dem aber ungeachtet,
hat Er selbst am Palm Sontage mit dem Verse beschlossen, an welchem Er aber
dafür daß Vaterunser zu beten vergessen.«
Das vorstehende, sicher in
mehr als einer Hinsicht ungewöhnliche Schriftstück wird durch vier Deputierte
der sämbtlichen Königlichen, Klösterlichen und ' Gräflichen, ausgenommen des
Hochadeligen Gutes Bramstede, Gemeine dem Herrn Geheimbden Rat und Ambtmann von
Lenten, wie auch dem Herrn Präpositus Burchardi übergeben.
Die genannten Herren
Visitatoren befinden für gut, es dem angegriffenen Seelenhirten bei Gelegenheit
der nächsten Visitation am 11. Juli 1703 zur Beantwortung auszuhändigen.
Die Antwort ist erfolgt an
einem im Archiv nicht angegebenen Datum. Aber eine vollständige, unantastbare
Abschrift derselben liegt vor, prächtig in Schrift und Papier, gründlich und
klar in der Darstellung, umfassend 30 Blatt in Großfolio, weitschichtig in der
Ausführung, daß sie noch heute dem Theologen wie dem Juristen als Quelle des
Wissens zu dienen vermag. Schwieriger ist die Frage, wie weit daraus auch dem
Laien anziehender Lesestoff dargeboten werden könne. Andrerseits fordert Zweck
und Wesen der Chronik, an diesem Gegenstand nicht einfach vorüberzugehen. So
soll versucht werden, auch hier zu bringen, was der Heimat angehört und ihr für
alle Zeit gebührt. Daß dabei wesentlich zu kürzen ist, versteht sich am Rande;
doch vollständig präsentiere sich hier die Überschrift.
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Abgenöhtigte
Rechtliche
Verandwortung
und
Bitte
absehen
Danielis
Hartnaccii
Pastoris
der Christl. Gemeinde zu
Bramsted un E. E. Segebergischen
Consistorii Assessoris
contra
das
von denen Deputirten der Bramstedtschen
Gemeine
eingebene Memorial.
Mit Beylagen sub A.B.C.D.E.F.G. et H. |
in puncto |
Sachgemäß ist zunächst
wieder die Angelegenheit des Pastoratzaunes zu verhandeln. Da nunmehr die
Vertreter des ganzen Kirchspiels und nicht mehr die Kirchenjuraten als Bittende
und führende Kläger hervortreten, richtet der Pastor sich geziemend an den
»Hochgebietenden Herrn Amtmann«.
»Ob ich gleich der guten
Meinung gewesen, es würden die 4 Deputirte, so sich im Namen der Bramstedtischen
Gemeine der hiesigen Kirchschworen angenommen, endlich ihren Ungrund wegen der
so frivole strittig gemachten Unterhaltung des Zaunes von selbst erkennet und
also von ihrer vorhin angestellten Klage abgestanden haben: so habe ich in
Wahrheit sonder allen meinem Vermuthen vernehmen müßen, daß sie nicht nur
weiterhin klagen, sondern mich sogar deneben mit so vielen unnützen Beschwerden
herabzusetzen allermöglichst bedacht gewesen.« Er danke für die Zustellung der
Beschwerdeschrift vom 11. Juli und bitte, bei der Wichtigkeit der Sachen um
»hochgeneigtes Gelieben«, wenn seine gerechte Verantwortung etwas weitläufig
ausfallen müsse.
Was den ersten Teil, die
strittige Zaunfrage, anbelangt, so protestiere er feierlichst und werde nicht
im geringsten abgehen von der Königl. Constitution, »alß welche nicht allein
die Erbauung, sondern auch reparirung der Kirchen Gebäude und was dem anhängig,
ausdrücklich im Munde führe. Die Königl. Kirchenordnung von 1542 verkünde: »De
Kärckeschworen in Städen und Flecken schölen verschaffen bequeme und ehrlicke
Waninge vor ern Pastoren Prediger und andere Kärcken Dener, desälven beteren
und bowen an allem wat da feylen mag, dat thor Hußholding und Nothdurfft
des studerens dienstlich ist.« - Der Zaun sei zwar nicht genannt. Doch niemand
sei so einfältig, zu verneinen, daß er diene zur Beschützung dessen, was im
Garten der Haushaltung wegen gesäet ist. Die Vernunft gebiete, den Gartenschutz
als einen Bestandteil der Haushaltung zu erachten.
Um aber dennoch
aufgetretenen Zweifeln zu begegnen, habe Christian IV. unter dem 22. August
1642 zu Glücksburg eine Constitution erlassen, die im Art. 7
90
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den Kirchschwornen
auferlegt: »Alle und jedes Jahr sollen sie miteinander die Kirchwedeme und
andere Kirchen Gebäude, die Kirchhöfe und Zäune der Kirchendiener fleißig
besichtigen und was schadhaft und baufällig werden will, anmelden und die
versehung thun, daß es bey Zeiten repariret und gebessert werde.«
Bleibt zu erörtern, was
unter einem »Wedem« zu verstehen sei. Hartnack weist hin auf Meichsner. Decis.
Cameral. tom 4. Decis. 1.1.10, wo derzeit zu lesen:
»Durch die Kirchenwedeme
wird allhie verstanden alle dasjenige, woraus die Kirche oder deren Diener
einen usus fructum (Nutznießung) haben können.«1)
Absonderlich sei zu
beachten, daß Se. Majest. die Wörter Kirchen Gebäude, Kirchhof, Zäune zusammen
füget, um in gegebenem Sinne deren untrennbare Einheit zu betonen.
Ferner sei nicht zu
denken, daß der König durch den Ausdruck »Kirchendiener« etwa zwischen Prediger
und Küster habe eine Scheidewand aufrichten wollen; vielmehr handle es sich um
eine generelle Anwendung des Wortes, die als Zusammenfassung beider zu deuten
sei. Als Zeugen dafür führt er an: Everhard in loc. General. r. Z. Man könne
daher nicht etwa geltend machen, der eine oder der andere habe mehr Holz und
könne somit sich selber helfen.
Zu diesem Punkte sei dem
Chronisten erlaubt, das alte Fleckensbuch aufzurufen. Es meldet: »Anno 1698
haben im Fastelabend samptliche Fleckens einwohner dem Herrn Pastor Conradt
Hinrich Galenbeck das Buschtheill von dem Teich an biß soweit die Rohrwiese
nach dem Flecken zu den Redder lang gehet, verehret, auch einhellig beliebet
worden, daß besagter Buschtheill hinkünftig bey wohlgedachten Herrn Pastoris
abscheid oder sogenannten kleinem Hause ungekränkt verbleiben soll.«
Dem Gedanken, daß etwa um
1642, wo Christian IV. die hier in Rede stehende Constitution herausgab, das
Bramstedter Pastorat mit Hölzung gesegnet gewesen sei, wird damit der Boden
entzogen.
Hartnaccius bringt in
Erinnerung, daß vor drei Jahren die Kirchgeschwornen zu Kellinghusen in
ähnlicher Weise hätten opponieren wollen. Der Amtmann zu Rendsburg habe sie
dieserwegen durch Mandat vom 15. April strenge verwiesen; auch habe sich dasige
Gemeine nicht gleich hinter sie gestellt. Im ganzen Amte Segeberg stehe
genannte Constitution in Kraft, so auch in Kaltenkirchen. Viele vornehme
wackere Leute seien verwundert, daß sich die Bramstedter dagegen legen.
Die hiesigen Juraten
folgen ja auch sonst der Observanz der Constitution und haben noch letzhin,
ihrem Eide gemäß, das Pastorat-Haus bessern lassen. Der Zaun sei dergestalt
bewant, daß er nicht allein den Garten, sondern auch das ganze Pastorat samt
den Ställen umbschließen und versichern soll; er sei ein Bestandteil des
gesamten Wedems.
Die hiesigen
Kirchgeschwornen haben vorhin schwören müssen, daß sie auf Gebäude und Wohnung
und was dem anhängt, achtung geben sollten. Jetzund
__________
1)
Die ursprüngliche Bedeutung ist gewesen: Wittum = Witwenversorgung bis zum
Tode, im Gegensatz zum Leibgedinge, das sich vererbt auf die Blutsverwandten.
91
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fehle zwar in dem Eide das
Wort »anhängig«. Aber damit sei nicht der Sinn und Rechtsbegriff der Königl.
Verordnung aufgehoben. Hartnack weist dann auf die Tatsache hin, daß die
Juraten den Zaun des Küsters instand halten und es damit rechtfertigen
wollen, daß dieser ja nicht Holz und Gesträuch habe wie der Pastor. Damit sei
von ihnen grundsätzlich ihre Verpflichtung auch gegen das Pastorat anerkannt.
Die Constitution aber wisse davon nichts, daß Holzbesitz des Pastorats Einfluß
auf diese Verpflichtung haben könne. Im übrigen sei derzeit das Gehölz des
Bramstedter Pastorats ganz verwüstet und kein Busch zum Zaun vorhanden. Es
komme hinzu, daß grade die Äcker und Wiesen des Pastorats nächst dem Flecken
und nach der Vogelstange hin durch vielfältiges Überfahren gefährdet und zuvörderst
des Schutzes bedürftig seien.
Ferner, so fährt der
Geistliche fort, werde von den Gegnern auf das »alte und gewöhnliche Herkommen«
hingewiesen. Es sei zwar wahr, daß in diesem Herzogtum gute ehrbare Gebräuche
und rechtlich hergebrachte gute Gewohnheiten »müssen observieret und die
Richter jedes Ortes sich danach zu richten angehalten werden. Landgerichts- und
Kammergerichtsordnung stimmen darin überein, setzen indessen wohlerwogene
Schranken.«
1. Es muß ein alter
kundbarer Landsgebrauch sein.
Die Bramstedter tragen
aber einen Einzelfall vor, davon ihre Nachbarn kaum wissen; kundbarer
Landsgebrauch sei, wie er nachgewiesen, im gegenwärtigen Fall die Observanz der
Königl. Konstitution von 1642.
2. Ein solcher Brauch soll
nicht der Vernunft und Billigkeit zuwider sein. Böse Beispiele,
aus Eigensinn und Widersetzlichkeit
entsprungen, können nicht gesetzliche Kraft erlangen.
3. Die Landgerichtsordnung
sage ferner, daß ein solcher Brauch nicht der Heiligen Reichsordnung und
Konstitutionen entgegen sein solle. Im gegenwärtigen Falle sei maßgebend,
daß die Konstitutionen der Fürsten in ihrer Rechtswirkung über dem
Landsgebrauch stehen. (Erst wenn in einer Streitsache eine Konstitution nicht
vorliege, komme »der alte kundbare Landsgebrauch, danach das alte
Sachsenrecht und schließlich die gemeinen beschriebenen Rechte«, sofern sie
nicht der Heiligen Reichsordnung und einer Konstitution zuwider sind, als
maßgeblich in Betracht. - So in Holstein, wo ein einheitliches Recht fehlte.
Anders in Schleswig, wo das Lowbuch, ein königl. dänisches Gesetz, allgemein
grundlegend war.)
Nach dieser Feststellung
könne niemals der in Rede stehende Bramstedter Einzelfall gesetzliche Wirkung
erlangen, sondern müsse als Irrgänger oder Mißbrauch abgewiesen werden.
Dies leitet Hartnack
umständlich auch aus dem kanonischen Recht und aus den Reichsabschieden von
1548 und 1551 her. Er führt dazu noch ein Beispiel an, daß ihm durch Herrn
Lincker bekannt geworden. »An seinem - Linckers - Ort haben einige vom Adel
ihre Todten Abends ohne Gesang und Predigten bey zu setzen sich unterstanden
und sich deswegen auf eine alte Gewohnheit berufen. Das dasige Ministerium aber
habe unter Hinweis auf die Kirchenordnung
92
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dies unterbunden.« Wenn
nun allein die Singularität, also der offenbare Mangel des »Kundbaren«, dem
Verfahren der Bramstedter jegliche rechtschaffende Kraft versage, so ändere das
von den vier Deputierten herbeigeführte Abhören einer Reihe von Zeugen, die das
hohe Alter besagter Gewohnheit bestätigen sollen, daran nichts. Es seien unter
ihnen zitierte und freiwillig erschienene Leute, auch solche, die in
vorliegender Sache mit geraten und getatet haben. Zudem liege ein Verstoß gegen
die Landgerichtsordnung p. 3. tit. 1832 vor, der das ganze Verhör hinfällig
mache.
Die Deputierten weisen
darauf hin, wie es die Galenbecks in Sachen des Zauns gehalten haben und
meinen, deren Verhalten sei für ihn, den Amtsnachfolger, maßgebend. Nun sei
einmal geschehen, daß der Pastor Galenbeck einen »stecken Zaun« habe setzen
lassen. Könne das ihn zu gleichem Tun verpflichten? Und gesetzt den Fall, es
wären seit der Hammerich (Witwe) 10 Zäune nacheinander gesetzet worden. Könnte
das ihn irgendwie verbindlich machen? Man wisse aus den Rechten: quod
Sacerdotes in rebus Ecclesiae nullum, nec dominium habeant, nec possessionem,
sed tantum sint Domini usus fructus, possessionis et fructuum. (Daß die
Geistlichen weder die Herrschaft noch das Besitzrecht am Eigentum des
Kirchenguts haben, sondern lediglich dessen Nutznießer sind.)
Priester können demnach
nicht das geringste mit Bindung ihrer Nachfolger von der Pfarre veräußern noch
dieselbe irgendwie mit Auslegung einer Servitut oder sonst beschweren.
Hartnack gibt zu, daß ein
Priester aus irgendwelchen Gründen auf Pflichtleistungen seiner Eingepfarrten
verzichten könne; aber rechtlich führe des Priesters Abschied vom Amte ohne
weiteres zur Wiederherstellung des früheren Zustandes.
Er äußert sich ferner
dahin, daß gegenwärtig die Juraten nicht gebunden seien, einen Stecken-Zaun,
wie ihn Galenbeck zu seiner Freude habe setzen lassen, um das Pastorat zu
liefern, sondern eben einen Busch-Zaun, wie ihn die Sel. Witwe Hamerich einmal
veräußert habe zu ihren Gunsten.
Doch geht unser
schreibfreudiger Seelenhirte an der Frage vorbei, aus welcher Quelle sotane
Witwe das Recht geschöpfet habe, überhaupt jenen, für vorschriftsmäßig
erachteten Zaun zu versilbern. Zürnen wir ihm nicht, sondern folgen wir ihm
weiter unverdrossen.
Er setzt folgenden Fall:
Ein Priester möchte gern ein recht ansehnliches Haus haben. Die Gemeine will
ihn nicht unterstützen darin. Er käme hernacher vielleicht her und ließe das
Haus nicht allein mit Ziegeln decken, sondern auch gar viele Gemächer darin
bauen und alles, was ihm nur zum Ansehen dienen möchte, darinnen machen. Läßt
die Gemeine solches geschehen, so mag der Tag kommen, wo das Haus im Verfall
ist, die Gemeine aber nicht dem Nachfolger zumuten kann, die großen Kosten für
den sonst so trefflichen Bau herzugeben.
So stehe es auch um den
Zaun; ein Attest bezeugt, daß er solchen habe machen müsse», also nicht
freiwillig. Und wenn er den Gedanken gefaßt habe, ein Fremder müsse ihm das
wieder bezahlen, so bekunde er eine große Einfalt. Auch die
93
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übrigen Atteste seien
nicht geeignet, das Bestehen einer »Gewohnheit« zu erhärten. Dazu komme, daß
drei Atteste von Pastoren ausgestellt seien, die unter der Herrschaft von
Grafen und Edelmann stehen, wo andere Gesetze und Bräuche herrschen als im
Königlichen Gebiet. Der eine bezeuget, daß er die Zäune selber beschwerlich
unterhalten müsse und ihm dazu ganz und gar keine hülfliche Hand vom Kirchspiel
gereichet werde. Darin sehe er - Hartnack - nur einen Beweis von der
Eigensinnigkeit und Unbarmherzigkeit dasiger Gemeine gegen ihren Seelsorger.
Ein zweites Attest bekundet, daß zwar die Konstitution des Königs in Geltung
sei; der Prediger aber sehe aus Liebe zu seiner Gemeine davon ab, sie für den
Zaun in Anspruch zu nehmen. Hartnack meint, was ein andrer aus Liebe tue, sei
für ihn kein Zwang, und die Meinung dieses Zeugen schaffe nicht für Bramstedt
ein Gesetz. Auch möge die dortige Gemeine wohl seine Gütigkeit auf andere Weise
ersetzen.
Die Bramstedter Gemeine
aber sei verführet worden. »Gleich bei meinem Antritt habe ich unter der Hand
vernehmen müssen, wie man mich, weil ich von Seiner Majestät hierher berufen,
ängstigen und alle accidentien mir nehmen wolle. Man läßt mich dies jetzt
würklich fühlen. Niemand wird mir verdenken, daß ich mich hiebey am besten zu
verwahren suche. Man rühmt sich, daß man einem andern woll 20 Thaler zu seiner
Planke bald verehret habe. Es ist eine große Unbarmherzigkeit, mir, als einem
alten Mann anmuthen zu seyn, den Pastorat Zaun zu machen, da ich nur noch
geringen Nutzen davon haben kann.« Er bittet, die Deputierten mit ihrem
ungereimten und ganz nicht begründeten Gesuch abzuweisen.
Hartnacks
Verteidigung wegen der Rasur
Die vier Deputierten haben
ihn mit harten und unfreundlichen Worten einer nicht erlaubten Rasur im
Kirchenbuch bezichtigt und dabei angedeutet, daß er dadurch der Gemeine einen
Schaden habe zufügen wollen. Wenn sie auch einen Antrag damit nicht verbinden,
so liege doch klar die Absicht vor, ihn vor der Behörde und der Kirchengemeine
in gefährlichem Maße herabzusetzen. So sei er genötigt, hierauf einzugehen und
Klarheit zu schaffen.
»Der seel. Pastor H.
Detleff Galenbeck hat in den letzten drei Blättern des einen Kirchenbuchs denen
successoribus etwas zur Nachricht von des Priesters und Küsters Hebungen
einschreiben wollen. Da er aber selbst von vielen nicht die rechte wißenschaft
gehabt und dieser Unkenntnis noch ein Mangel an Rechtskunde gekommen, hat er
vieles seinen Nachfolgern als verbindlich sowoll hingesetzt als übergangen.
Sein Sohn, als mein Vorgänger, hat selbst hernach hie und da in dem Buche
verschiedenes geändert, und ist ihm solches unternehmen dazumahl nicht übel
ausgelegt worden. So bin ich in der Meinung gestanden, es könte mir eine solche
freiheit ebenmaßen zukommen, zumahl da ich gesehen, daß dasjenige, so mein
Vorgänger aufgesetzt, zu meinem großen Schaden wolte ausgelegt werden, da er
nicht Macht gehabt, zugleich mit seinen über meine acci-
94
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dentien zu bestimmen. Und
zum höchsten Nachteil zu setzen, daß die accidentien keinen gewißen Nahmen
hätten, sondern müße sich Pastor deshalb mit der Gemeine vergleichen. Nun weiß
ich nicht, was das damahls vor ein Vergleich muß gewesen sein, und worinnen der
Vergleich eigentlich bestanden, ob er mit der Gemeine überhaupt wegen der
accidentien sich verglichen oder nicht. Und zudem widerspreche ein solcher
einseitiger Vergleich denen Königl. Hohen Rechten, sonderlich dem juri vocandi
(Recht der Berufung), welches die Bramstedter noch immer zu behaupten gedenken
und meinen, sie hätten so zu sagen den Knopf auf dem Beutel und könten dem
Pastori an accidentien so viel zukommen laßen, als ihnen beliebe. Wie denn auch
ein solcher anzumuthende Vergleich zu dieser Zeit, da Se. Königl. Maj. mir in
der Vokation alle dieselben, so mein Vorgänger gehabt, allergnädigst
versprochen, itzo nicht mehr in Betracht kommen könte, daß ich deßen ohngeachtet
von dem gewißen auf was ungewißes mich mit ihnen vergleichen könte. Da aber
nichts destoweniger die Gemeine auf die Ungewißheit der accidentien bestunden
und solche mit der Schrift des Vorgängers aus dem Kirchenbuche allezeit
nachweisen wolte, muß ich endlich solche worte, als die wegen der offenbahren
unwahrheit keine Billigung haben könten, hinweg thun und interlineiren. Da ich
nun an stat des Falschen die rechte Wahrheit gesetzt, vermeine ich ganz nicht,
hierunter gesündigt zu haben, welches selbst die 4 Deputierten erkant, indem
sie mich keines criminis zu beschuldigen vermocht, ich mich auch nicht deswegen
zu verantworten habe, weil von mir kein dolus, sondern nur ein Studium, die
rechte Wahrheit zu melden, gewesen, ferner auch von meiner Persohn kan nichts
widriges vermutet werden.
Nicht einmahl zu gedenken,
daß die letzten Blätter hinter dem Kirchenbuch nur ein scriptura privata und
wegen der vielen interlineaturen nur als eine Kladde zu betrachten ist. Wie
denn auch bekannten Rechtens ist, daß ein solch confusum Chaos, so aus vielen
eigenen Notizen besteht und von keinem Visitatore jemahlen unterschrieben
werden, nicht wie das Kirchenbuch als vollgültige Urkunde gegenüber Dritten
gelten kann. - Nun möge Excellenz selbst urteilen, ob denn eine solche
interlineatura eine so unerhörte sei, daß dadurch die Folgerey entstehen müsse,
als heiße dieses, die vertraute Gemeine nicht recht lieben und es mit derselben
nicht treulich meine. Wer diese ungeschickte Folgerey erdacht, hat gewiß schon
dazumahl beabsichtigt, den Prediger und die Gemeine gegen einander zu verhetzen
und dazu die Gelegenheit so zu sagen vom Zaun zu brächen. Wie redlich
ich es jemahlen mit hiesiger Gemeine gemeint, weiß mein Gott. Habe auch, so
viel mir möglich gewesen, gern nachgegeben, wie Ew. Excell. selber wißen, daß
ich mir itzt geringere Accidentien wegen der Braut-Krohn und Tauf-Ornats nehme
und gefallen laße, ohngeachtet ihrem eigenen geständniß, daß meine Vorgänger
mehr davor bekommen. Daß ich nun aber in allem solte mit geringerem
vorlieb nehmen, ist in wahrheit so woll ein ungütiges als ungerechtes und
dahero nimmer verantwortliches Ansinnen. Was habe ich gesündiget, daß ich nun
eben der erste sein solte, bey dem sie ihre vermeintliche unvernünftige
freyheit betätigen, da sie den vorigen mehr gegeben, mir itzt weniger
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geben wollen, um
anzuzeigen, daß es bei ihnen stünde, mehr und weniger zu geben? Auf solche Art
würde ich bey meinem alter nebst den meinigen sehr (bald) crepiren müßen.
Allein diese ihre Absicht haben Se. Maj. ihnen in meiner vocation benommen und
ausdrücklich gesagt, daß ich die accidentien, so mein Vorfahr gehabt, eben auch
genießen solle; daß also die accidentien so sie vorher aus freyem willen
gegeben, mir itzo von rechts wegen gebühren. Das entspricht auch der Lüneburg.
Kirchenordnung, wo es sub D. 2 heißt: So aber in einer oder mehr Städten und
Örtern gebräuchlich, in itzt Berührten Fällen dem Priester mehr zu geben, daßelbige
soll fortan gegeben werden und hiemit nicht geringert seyn. - Nun
scheint es zwar im Anfang etwas der einbildung zu wieder zu sein, wenn ein
freyer wille mit der Zeit zum Zwang soll werden. Allein wenn solches die Hohe
Herrschaft begehrt, so geschieht es in Wahrheit aus gutem Grund. Denn es könte
ein und ander successor der Gemeine, bewußter Ursachen wegen, nicht so Beliebt
seyn wie der vorige, oder er führte sein straf Amt schärfer als der Vorige,
oder er beobachtet auch dasjenige, was sich etwa nach seinem sowoll als auch
des Nachfolgers Urteil mit gutem gewißen nicht thun ließe, etwas genauer als
der vorige: solte er deswegen, weil er nicht mit dem vorigen gleich schmeicheln
und ein vieles von seinen Rechte unverantwortlich vergeben könte, an seinen
accidentien, so ein Teil seines salarii sind, eigenmächtig geschmälert werden?
Zumahl da auf der Welt nichts unbeständiger ist, als der Leute Gunst. Es könte
passieren, daß einer sich wider vermuthen Beleidiget befände; der würde gleich
mehr an sich ziehen, um wider den Pastor ein Complot zu machen, daß sie ihm
nichts geben wollten.
»Auf solche Art«, so
schreibt der Gesetzgeber in der Lüneburgischen Kirchenbede, »würden viel Leute
so grob und unvernünftig seyn, wo Keine Ordnung oder Satzung derhalben gemacht
würde, daß sie die armen Pastores und Kirchendiener woll gar nicht bedenken und
aus gutem Willen nichts mehr geben würden.«
»Und was noch mehr: So
haben mir die H. Visitatores selbst durch Urtheil und Rechtspruch zuerkant, auch
H. Averhoff (Kirchspielvogt) mir dazu behülflich zu seyn versprochen. Habe ich
denn also unrecht gethan, daß ich in dem Kirchenbuch die erweißlichen
accidentien nahmkündig gemacht, oder kan solches ihrer freywilligkeit den lauf
hemmen?
Wollen sie: freygebig
können sie ohnedem noch sein. Und wollen sie nicht mehr geben, so geben sie nur
das, was sie meinem Vorfahren gegeben; das soll mir genug seyn. Wiewoll ich
noch hie und da viele gutthäter habe, die mir gern ein mehreres bei
vorfallender gelegenheit reichen möchten, wenn sie nur nicht von denjenigen,
die sich einer freygebigkeit rühmen, nichts weniger aber als die freygebigkeit
ausüben und mir darüber das wenige entziehen, zurückgehalten würden, wie denn
würklich einige guten Hertzen, die mir mehr, als sie schuldig sind, geben,
bitten, daß ich's ja nicht den andern sagen sollte, sonsten sie dieser ihrer
gütigkeit wegen allerhand ungelegenheiten von den andern sich vermuthen müßen.
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Ew. Excellenz wolte (ich)
noch weiter vorstellen, wie der seel. Detl. Galenbeck ein vieles, sowoll aus
Unkenntniß des Gesetzes, als auch die Gemeine zu gewinnen, damit sie seinem
succedirenden Sohn nicht entgegen seyn möchte, seinem Nachfolger zum Nachteil
vermuthlich ex persuasione1) noch weiter außgesetzt und daneben sehr
vieles ausgelaßen, als unter anderem die Nachricht, wie die metamorphosis wegen
des Beichtstuhls passiret, daß der vorige und lichte Beichtstuhl denen
Kirchgeschwornen überlaßen und hingegen dem Prediger ein engerer und ganz
finsterer Sitz gemacht worden; weile es aber heißet: de mortuis nihil nisi bene2),
so will (ich) alles mit stillschweigen übergehen und Ew. Excell. unterthänig
bitten, dieselbe geruhe dieses der 4 Deputirten ihr Anbringen in keine
consideration zu ziehen, sondern ihnen alles ernstes anzubefehlen, daß sie mir
dasjenige, was Sr. Maj. mir allergnädigst zugesprochen und Ew. Excell. durch
urthel und recht in letzter Visitation gnädig zuerkant, ohnweigerlich reichen
solten.«
(Unterschrift)
Ärgernis
im Dienst, Irrtum in der Lehre ?
1. Der Pastor sei
vor dem Altar in Confusion gewesen und habe das Vaterunser abgesungen, wo er
die Collecte hätte singen sollen. Gewiß, aber wer hat die Confusion gemacht?
Joachim Wulff, des Kirchspiel Vogts Diener, der da was von seinem Herrn
vorzubringen hatte, das er wohl des Tags vorher oder vor der Predigt im
Pastorat hätte tun können. Aber er pflege solches aufzusparen, bis er in die
Kirche gehe; nun sei er auf »das altar« neben den Pastoren während des
Gottesdienstes hingetreten und habe einen langen Discurs gehalten über Sachen,
die ihm zu vermelden aufgegeben worden. Wiederholt sei ihm diese
Unschicklichkeit zu verstehen gegeben; aber um dem Pastor noch mehr Unwillen zu
machen, sei er abermals in »das andere kleine Thür nach dem Altar zu angebautes
Häußlein getreten und gewartet, bis der letzte verß des Liedes: Allein Gott in
der höh sey ehr... beinah in der mitten und da erst zum Pastore kommen, hat
sich neben ihm beym Altar vor der gantzen Gemeine gestellet« und weitläufig
seine Sache vorgebracht. Das habe freilich eine Beunruhigung gebracht, die am
wenigsten dem Pastor gefallen. Er erinnere sich wohl, das Wort: »Der Herr sei
mit euch«... vergeßen zu haben; es sei aber eine »vermeßentliche Unwahrheit«,
daß er statt der Collecte das Vaterunser gesungen habe.
Mit Wissen des
Amtsverwalters sei dem Störenfried Joachim Wulff solches Verhalten ernstlich
verboten worden.
2. Zweimal solle er
auf der Kanzel das Vaterunser zu beten vergessen haben.
Er weist darauf hin, daß
auch bei jedem Wochen-Gottesdienst das Vaterunser einmal vor dem Text und zum
andernmal nach dem Vorbitten gebetet werde.
__________
1)
durch Überredung.
2)
den Toten nicht Übles nachreden!
97
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Er halte es für sehr
unwahrscheinlich, das je versäumt zu haben, und macht darauf aufmerksam, daß
auch die Anklage nicht zu nennen weiß, an welcher Stelle die Auslassung erfolgt
sei.
3.
Pastor hätte am großen Buß- und Bettage beinahe vergessen, den Segen zu
sprechen.
»Der Pastor erwarthete
nach der Litaney noch ein Schlußlied zu singen. Da aber solches nachblieb und
man es beßer aus dem Beichtstuhl, wo das Gesicht der Orgel zugewandt, als vom
Altar, den Rücken zur Orgel, bemerken könte, war die Unterbrechung nicht eines
halben Tacts lang, da so forth der Segen gesprochen ward.«
4. Pastor pflege den
Kelch nicht recht zu halten; daher Communicanten in ihrer Andacht gestört
würden, wenn sie entweder begoßen, oder vom gesegneten Wein nichts dargereicht
würde.
»Daß solches jemanden
wiederfahren, hat sich noch keiner gemeldet oder beschweret. Pastor weiß auch
bis dato noch nicht, trotz vielfältigen nachfragens, wer sich sollte beschweret
haben. Klage ist also erst durch glaubwürdiges Zeugnis zu erweisen und bis
dahin für Unwahrheit zu halten sein.« Im übrigen sei der geschickte Genuß des
Weins nicht nur vom Darreichenden, sondern auch vom Empfangenden abhängig.
»Daß aber gesagt wird, daß
etlichen Communicirenden vom gesegneten Wein nichts dargereicht werde, wird alß
eine kühne Verleumdung erst zu beweisen sein.«
5.
Pastor habe Diedrich Maahsen verweigert, für 12 Schilling sein Kind zu taufen.
Darauf sei zu antworten,
daß in dieser Sache allein die Königl. Verordnung maßgebend sei, wie schon oben
berührt.
6. Der Pastor habe
Mars Steckmestens Kind, so ganz schwach zur Welt kommen und selbigen Tages
gestorben, nicht zu Hause Tauffen wollen: sondern die Bade Mutter die Nothtaufe
verrichten müssen.
»Die Frau, so abgeschickt,
wußte weiter nichts zu sagen, alß daß das Kind zu zeitig kommen; und da sie
befragt wurde, ob sie gesehen hätte oder wiße, daß es sehr schwach, keine
Nachricht zu geben gewußt. Dieweil aber wenig Tage vorher ein Königl. gar
ernster Befehl wider die Verrichtung der Tauffe in Häusern von der Cantzel
abgelesen und das Kind am andern Pfingsttag früh morgens gebohren, ward die
Frau wieder zurückgesandt, von dem Zustand des Kindes nähern Bericht zu geben.
Man wolte inzwischen sich fertig halten, gleich sodann mit ihr zu gehen; wo
aber nicht so große Noth vorhanden, könte die Taufe, weil es Festtag, gleich in
der Kirche geschehen. Aber dem Pastori sein accidens zu entziehen und dieses
mit zur beschwerde wider den Pastorn anführen zu können, hat man ihm keine
weitere nachricht geben und sogleich durch die Wehe mutter Tauffen laßen. - Daß
aber die Tauf gar wohl nach dem inhalt des Königl. allergnädigsten Befehls in
der Kirche geschehen können, erhellet aus dem, daß es erst gegen abend um 5 Uhr
verschieden, wie durch das Geläudt der Glocken eine öffentliche anzeige gegeben
worden.
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Daß hingegen Pastor in solchen
fällen gar nicht schwierig, kan eben dieser Marx Steckmest nicht in abred seyn,
alß welchem er vorm Jahr am Werktage aber auch ein Kind im Haus getaufft, da er
klaren bericht von Zustand des damahligen Kindes durch abgeschickte Frau
erhalten und kein Königl. Befehl dawider vorlag.«
7. Klage wegen Thoms
Thomsen: Pastor habe in Bestürzung ein Buch verlanget und bey reichung des
Abendmahls die Einsegnung vergessen.
»Besagter ist bey erst
angehendem Sommer gestorben und hat sich über das gereichte Nachtmahl niemahls
jemand beschweret. Auf nachfrag hat die witwe geandworthet, sie sey der Zeit
nicht dabey gewesen, es hätte aber eine Frau ihr begläubigen wollen, ob ihr
mann nicht die einsegnung bekommen. Der Nachweis ist aber nicht erbracht. - So
viel kan ich mich wol erinnern, daß dieser Th. Th. einige Anfechtung des
Gewißens hatte, womit er aber trotz viel Zureden nicht heraus wolte; und dieses
war die Uhrsach, daß ich rieth, mit sterb- und Trostgebethen ihn zu
unterhalten, selbst auch (solche) zu senden versprochen, wenn man sie nur
abhohlen wolte; so aber nicht geschehen.
8. Pastor hätte sich
schwierig erwiesen, etlichen Leuten das Nachtmahl im Haus zu reichen.
a) Er habe, als
Caspar Hennings seines Schwagers Knecht in Wymerstorff, ihn mit deßen Wagen
habe holen wollen, Schwierigkeiten gemacht und Aufschub verlangt.
»Der Knecht kam an einem
Sonnabend, da es eben Zeit, da schon in der Kirche vorhandenen vielen Beicht
Kindern ihre Beicht zu hören. Die könte er nicht auf etliche stunden warten
laßen, biß er wiederkäme; nachdem aber die absolution bei allen verrichtet, kan
man nicht sagen, daß Pastor gesäumet, alsforth nach W. zu fahren.«
b) Pastor habe übel
empfunden, daß, da des Küsters Mutter in Wymerstorf das Nachtmahl verlanget,
noch andere aus dem Orte dazu gekommen und solches begehret.
»Daß sei richtig, und er
habe dazu uhrsache gehabt: da er den Fuhrmann um die umstände der Persohn
gefragt, hat er mehr nicht denn eine Persohn angegeben, die in letzten Zügen zu
bette läge. Er habe aber unvermuthend drei Persohnen vor sich gefunden, er habe
allerdings 2 Oblaten mit sich genommen; als er die zweite unter die beiden
andern Persohnen teilte, haben selbige ein scheel Gesicht gemacht. Auf einen
kleinen verweiß des Fuhrmanns, daß dieser die Zahl nicht richtig genannt,
entschuldigt sich dieser, er habe nur von einer Frau gewußt. -Zudem was
man itzt hinzutuet, wie die Frau, so den andern Weynacht-Feyertage (da man auf
die Predigten zu meditiren hat, und des Tages so ungestüm Schnee Treiben, daß
auch der Fuhrmann mit dem Wagen nicht wol fortkonte) zu sich hohlen ließ, so
wenig bettlägerig ist alß die andern beiden, und saßen alle drei um den ofen
herum, gaben auch für die Mühewaltung der Priester Witwe im Gnaden Jahr mehr
nicht als 3 Schilling, wovon doch nichts gesagt worden, wiewol einige vermuthen
wollen, daß es den Pastoren zu versuchen ein abgelegter Handel gewesen.«
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c) Daß man der Hartmannin
im Flecken die privat Communion versaget.
»Ein falsch angeben, daß
die H. es gefordert, sondern ihr Sohn, der dem Pastori das Pastorat-Haus, da er
nach vollendetem Gnaden-Jahr auf schriftlichen Vergleich mit der Witwe
einziehen sollen, verriegelt gehabt, hat es für seine Mutter verlanget, um nur
den Pastoren zu versuchen. Denn als die alte H. in den Beichtstuhl kommen, hat
sie kein privat C. verlangt, ja, als des folgenden Sonntags der Pastor durch
die Leichfrau ihr solches antragen laßen, hat sie ihr verlangen bezeuget, so
lange sie immer könte, mit der Gemeine zu communiciren, welches denn auch
wirklich geschehen. Neulich aber - sie ist noch am Leben - hat sie gebethen,
Sonntags in dem Pastorat-Hause es zu nehmen, womit ihr hertzlich gern gewilfahret
worden.«
9.
Pastor habe in unterschiedlichen Fällen in der Trauung nicht die Ringe
gewechselt.
»Laut den Formalien in der
Kirchen Agende ist das Wechseln der Ringe nicht ein werk des Pastoren, sondern
der zu copulirenden Personen. Bei dem Vorgänger hat man die Ringe abgehohlt und
ihm einige Schilling zur Discretion gegeben, welches man seit Antritt des neuen
Pastoris nicht weiter gethan, sind sogar vorher nicht in sein Haus kommen, daß
er wißen können, ob sie Ringe haben. Welche aber Ringe ansteckend gehabt, daß
man sie offenbar an ihren Händen erkennen können, denen hat man die Ringe
wechseln laßen.«
10. Bei der Tauffe werde
in der Formel: Nim hin das Zeichen des Heiligen creutzes... von mir das
Wort »Heiligen« ausgelassen.
»Dessen kann man sich nie
besinnen, daß es geschehen; weil aber bei allen Tauffen die erfahrung vor der
gantzen Gemeine das Gegentheil bezeuget, so wird Ankläger noch durch
unpartheiische Zeugen zu erweisen haben, welches Tages und in welchem Falle
solches geschehen sei. Bis dahin stehe diese Behauptung als Unwahrheit da. - Im
übrigen bekünde der Schreiber nur seine Einfalt, wenn er meine, daß berührte
Formel zum Wesen des Sakraments zähle.« Hierüber gibt Hartnack weitere
Belehrung, die hier entbehrlich ist.
11. Bei Darreichung des
Abendmahles aus der Formel: Der erhalte euch im wahren Glauben das Wort »wahren«
fortgelassen.
»Bei seiner Einführung
hierorts habe er diese Formel gebraucht: Der stärke und bewahre euch im rechten
Glauben zum ewigen Leben. Der anwesende Herr Präpositus habe dagegen nichts
erinnert, und so habe er diese Formel beibehalten. Nachdem aber bei der
Visitation dem Probsten die Klagepunkte ausgehändigt worden, sei Pastor am
nächsten Tage zu seinem Vorgesetzten gegangen, um Belehrung zu erlangen. Der
Probst habe ihn aus einer Konstitution Friedrichs des Dritten (1650)
abschreiben lassen:
Der Leib Jesu Christi, für
deine Sünde gegeben,
der stärk und erhalt
deinen Leib zum ewigen Leben.
Als er vernommen, daß dies
noch nicht das rechte sei, habe er sich an Pastor Ratcken zu Kellinghusen
gewandt und durch ihn erfahren, daß die schleswig-holsteinische Kirchenordnung
von 1542 diese Formel bringe:
100
--------------------------------------------------------------------------------------
Nim
hin, das ist der Leib Christi, für deine Sünden in den Tod gegeben,
der
stärk und erhalte dich im wahren Glauben zum ewigen Leben.
Hartnack weist nach, daß
im deutschen Lande diese Formel teils mit, teils ohne >Glauben< in
Gebrauch sei und im übrigen der >rechte< dem >wahren< Glauben gleich
gewertet werde.«
12. Pastor habe in der
dritten Predigt von der Geburt Christi gesagt: Christus sei nicht vom Heiligen
Geist empfangen. Das widerspreche dem andern Artikel in Luthers Catechismo.
Unser Kämpfer zitert
zunächst aus der Niederschrift seiner vidimierten Predigt den in Frage
stehenden Teil des Textes:
»Das Werk des Heil.
Geistes betreffend, hat derselbe den Teil des weiblichen Saamens, so zu
der menschlichen Nathur Christi deputirt (beigetragen), von dem andern
abgetheilet, dasselbige geheiliget, an den Orth der Geburth gebracht, daß also
die Jungfrau, dieses empfangende, billig eine Gottesgebährerin genannt werden
mag, wiewohl der Hl. Geist nicht empfangen, sondern Krafft der sogenannten
überschattung allein die Maria empfangen, und was sie empfangen, gebohren hat.
Ob nun aber der Hl. Geist diß alles bei der empfängnis gewirket, ist er
doch nicht ein Vater Jesu nach der Menschheit zu nennen, da er die Menschheit
nicht aus seiner Person, sondern aus des weibes saamen gebildet.«
»In diesen worthen,« so
fährt er fort, »wird dem Hl. Geist bei der Empfängniß die 'Krafft und Wirkung
zugeschrieben. - Daß aber gesagt wird: daß nicht der Hl. Geist, sondern allein
die Maria empfangen habe, dabey erweiset der Ankläger seine Dum- oder
Boßheit.«
»Die empfängnis Jesu
beschreibt selbst der Hl. Geist Lucas 1,35: daß sie der Jungfrau Maria durch
den Engel Gabriel mit diesen Worten angedeutet worden: Tu concipies in utero.«
»Wenn der Schreiber ein
Mann, solt er verstehn, daß in diesem geheimniß von keiner andern empfängniß
geredet wird, alß die in utero (Gebärmutter) geschehen, wie denn auch die Hl.
Schrift von keiner andern weiß. Nun ist aber der Hl. Geist ein Geist und hat
keinen uterum: so derselbe Christum empfangen hätte, müßte er dessen parens
(Erzeuger) sein.« Stelle sich der Gegner etwa vor, daß der Heilige Geist der
Empfangende und Maria die Gebärende sei, dann könne man über diesen Ehemann nur
seine Verwunderung aussprechen. Oder solle man sich gar zweene Erlöser und
Seligmacher einbilden?
Hartnack weist nun aus den Schriften von me