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Fassung; Fehlerbereinigung noch nicht abgeschlossen / Bearbeitungsstand:
23.03.2005
HANS HINRICH HARBECK
CHRONIK VON BRAMSTEDT
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HANS HINRICH HARBECK
Chronik
von
Bramstedt
BROSCHEK VERLAG . HAMBURG
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Entwurf
des Schutzumschlages: Atelier Broschek
Alle Rechte, einschließlich der Übersetzung und
der Rundfunksendung, sowie die fotomechanische Wiedergabe und die
Mikroverfilmung, vorbehalten
Printed
in Germany
©
S. J. Walter Hardebeck, Johannesburg 1959
Gesamtherstellung: Broschek & Co., Hamburg
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INHALTSVERZEICHNIS
Seite
Verzeichnis der
Abbildungen........................................................................................
. . . . --- 5
Dank...........................................................................................................................................
8
Vorwort......................................................................................................................................
9
I. Kapitel Der
Siedlungsraum nördlich der
Elbe..................................................................... 11
II. Kapitel Der
Ortsname.......................................................................................................
18
III. Kapitel
Die Kirche...........................................................................................................
21
IV. Kapitel Der
Flecken.......................................................................................................
153
V. Kapitel Das
Gut Bramstedt
..........................................................................................
258
VI.
Kapitel Die alte Bramstedter
Mühle.............................................................................
297
VII. Kapitel
Gut
Gayen......................................................................................................
309
VIII.
Kapitel Jürgen Fuhlendorf, der
Befreier.....................................................................
313
IX. Kapitel Der
Roland........................................................................................................
328
X.
Kapitel Vom Schulwesen des Kirchspiels
Bramstedt.................................................... 335
XI. Kapitel Von
der Apotheke und den ersten
Ärzten........................................................ 371
XII. Kapitel
Bramstedt als
Kurort.......................................................................................
375
XIII. Kapitel
Von Lagemännern und Landausschuß............................................................
406
XIV. Kapitel
Hohe
Besucher...............................................................................................
415
XV. Kapitel
Industrie..........................................................................................................
418
XVI. Kapitel
Verkehrswesen...............................................................................................
423
XVII. Kapitel
Chausseebau 1832 und Einnahme aus Chaussee- und
Brückengeldern. 436
XVIII.
Kapitel Seuchen bei Mensch und
Vieh................................................................... 445
XIX.
Kapitel Gemeinnützige
Einrichtungen.......................................................................
452
XX.
Kapitel Gottlieb Carl Christian Freudenthal
............................................................ 473
XXI. Kapitel
Anhang: Geld, Maße und Gewichte in Bramstedt................................ 477
Quellenverzeichnis.............................................................................................................
484
VERZEICHNIS
DER ABBILDUNGEN
Abb.Nr. |
|
Seite |
1.
Stadtsiegel
von 1869-1910.......................................................................................
233
2.
Stadtsiegel
von
1910—1938....................................................................................
234
3.
Stadtsiegel
ab 1938...................................................................................................
234
4.
Bad
Bramstedter
Notgeld........................................................................................
235
5.
Ein
Bramstedt-Lied...................................................................................................
483
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BILDANHANG
Abb. Nr. |
|
|
6.
Die
Kirche (Photohaus Hoffmann, Bad Bramstedt)
7.
Maria Magdalena (Photo Diedrichsen,
Bad Bramstedt)
8.
Altar
(Photo Diedrichsen, Bad Bramstedt)
9.
Triumphkreuz
(Photo Diedrichsen, Bad Bramstedt)
10.
Das
Taufbecken (Photohaus Hoffmann, Bad Bramstedt)
11. Älteste
bekannte Urkunde über Bramstedt aus dem Jahre 1448 (Stadtarchiv Kiel, Nr. 112
a). Original durch Kriegseinwirkung verloren gegangen (Photo Diedrichsen, Bad
Bramstedt)
12. Älteste
bekannte Bestätigung der Fleckensgerechtsame von 1533 (Landesarchiv Schleswig,
Urkundenabteilung 131a Nr. 1) (Photo-Vahlendieck, Schleswig)
13.
Ältestes
Bramstedter Siegel (Photohaus Hoffmann, Bad Bramstedt)
14.
Bramstedter
Wappen (Photohaus Hoffmann, Bad Bramstedt)
15.
Bramstedter
Fleckenssiegel
16.
Siegel:
Schusteramt 1523 (Photo Stadtarchiv, Bad Bramstedt)
17.
Amtshaus-Rathaus
(Photohaus Hoffmann, Bad Bramstedt)
18.
König
Christian IV. von Dänemark (Photo Diedrichsen, Bad Bramstedt)
19.
Wiebeke
Kruse (Photo Diedrichsen, Bad Bramstedt)
20.
Das
Bramstedter »Schloß« (Photohaus Hoffmann, Bad Bramstedt)
21.
Der
Roland von Bramstedt (Photo Diedrichsen, Bad Bramstedt)
22. Gottlieb
Carl Christian Freudenthal (Photo im Besitze der Tochter, Frau Kiel)
23.
Neues
Kurhaus (Photohaus Hoffmann, Bad Bramstedt)
24.
Bramstedt
um 1820
25.
Hans
Hinrich Harbeck (Photo im Besitze der Tochter, L. Harbeck)
-------------------------------------------------------------------------------
In Verehrung
meines Vaters
und in Liebe zu
meiner Heimat
übergebe ich
dieses Buch
der Öffentlichkeit.
S.
J. WALTER BARDEBECK
BUENOS
AIRES, IM NOVEMBER 1959
-------------------------------------------------------------------------------
DANK
Für Überlassung von
Aktenmaterial, von alten Schriften, Urkunden und Protokollen sei noch besonders
gedankt dem Landesarchiv Schleswig-Holstein, dem Stadtarchiv Kiel, dem
Stadtarchiv Bad Bramstedt, dem Kirchenvorstand Bad Bramstedt, der freiwilligen
Feuerwehr, der Turnerschaft, dem Männerchor von 1858 und den Gilden in Bad
Bramstedt.
LISBETH
HARBECK
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VORWORT
Nach dem Tode meines
Vaters im Jahre 1950 übernahm seine Frau und langjährige Helferin, Susanne
Harbeck, die ihr als ein Vermächtnis zugefallene Aufgabe, das noch unvollendete
Werk des Verstorbenen für die Herausgabe druckfertig zu machen. Als dann auch
meine Mutter im Frühjahr 1958 für immer die Augen schloß, hinterließ sie ein
Vorwort zu dem Gesamtwerk, das hier folgen möge:
»Seit dem Jahre 1936 ist
an der Bramstedter Chronik gearbeitet worden. Es wurde mit unermüdlichem Fleiß
gesammelt, gewandert und geforscht. Wo auch nur etwas von alter Zeit zu
entdecken war, wurde sorgfältig nachgegraben. In den Häusern der Bramstedter
lag aus vergangenen Tagen noch dieses und jenes. Da waren alte Leute, die aus
ihren Erinnerungen Wertvolles zu berichten wußten. Alte Dokumente, die in den
Schubladen halb vergessen aufbewahrt wurden, und alte Briefe kamen wieder zum
Vorschein. Im Bürgermeisteramt stand eine große Truhe, und im Archiv der Kirche
lagen wertvolle alte Bücher und Schriften. Vor allem aber gab es das große
Staatsarchiv in Kiel. In einigen Abständen wurde wochenlang von morgens bis
abends alles Wissenswerte aus den alten Akten ausgeschrieben. Das Sammeln des
Stoffes war aber nur die Vorarbeit. Dann begann die eigentliche Mühewaltung des
greisen Chronisten, das sorgsame Auswählen und Auswerten der gesammelten
Einzelheiten. Über 10 Jahre war er damit beschäftigt. Es kam der Krieg und mit
ihm alle Erschwernis des täglichen Lebens. Oft verzögerten die ungewöhnliche
Kälte des Winters und der Mangel an Feuerung jegliche Arbeit. Auch das
Interesse der meisten Menschen war jetzt von anderen, im Augenblick
lebenswichtigeren Dingen in Anspruch genommen, so daß leider wenig
Unterstützung von fremder Seite zu erhoffen war. Schließlich trat der Tod an
den rastlosen Schreiber heran und nahm dem 87jährigen die Feder aus der Hand,
die er mit so viel Liebe und Eifer für seine Heimat geführt hatte. Die Chronik
war so gut wie beendet; es fehlte nur noch die nicht geringe Arbeit des Ordnens
und Sichtens der vielen, fertig vorliegenden Artikel und Abhandlungen. Niemand
vermag die letzte Feilung einer solchen Arbeit so gut abzuschließen wie der
Urheber und Schreiber des Ganzen selbst. Und doch mußte nun die Arbeit ohne ihn
getan werden. Der Famulus mußte einspringen, der in all den Jahren schon
Handlangerdienste geleistet hatte und immerhin mit allem vertraut war. Er tat
es zaghaft und schweren Herzens, aber er war schließlich der einzige, der
versuchen konnte, es im Sinne des Verstorbenen zu vollenden. Denn ihm lag
daran, daß dies Werk, in dem die ganze Liebe und Sorgfalt eines treuen alten
Mannes, eines aufrechten und geraden Holsteiners steckte und das ein Stück
seines Wesens und seiner eigenen Lebensweisheit war, nun auch wirklich so
erhalten blieb, wie es von ihm gedacht und geschrieben worden war: Ich hab's
gewagt! Möge die Chronik nun vielen Freude machen, die Liebe zur Heimat wecken
und stärken und auch späteren Generationen noch nützen, wenn wir auch nicht
fordern und glauben wollen, was in dem alten Fleckensbuch am Anfang steht: »Wat
hier geschrewen ist, is alles ewig duernde!«
Ich habe weder an den
handschriftlichen Aufzeichnungen etwas geändert, noch wurde das Werk bis in die
Gegenwart weitergeführt. Nur einige Fußnoten sowie kleine Ergänzungen zu den
Aufzeichnungen über Verkehrswesen, Feuerwehr, Turnverein und Chorwesen bis etwa
1930 sind hinzugefügt worden. Mein Vater hatte es dereinst aus guten Gründen
abgelehnt, das Jahr 1933 in seinen Berichten zu überschreiten. Es bleibe
späteren Chronisten überlassen, eine Fortsetzung zu schreiben.
Denjenigen, die meinen
Eltern und zuletzt auch mir geholfen haben, die Chronik über das alte Bramstedt
bis zur Druckreife gelangen zu lassen, sei an dieser Stelle herzlicher Dank
gesagt.
Möge das Werk sowohl in
den alteingesessenen als auch in den neu hinzugezogenen Bürgern unserer Stadt
das Verbundenheitsgefühl zu Bad Bramstedt vertiefen und festigen!
Gut
Gayen 1958
Lisbeth
Harbeck
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I.
DER SIEDLUNGSRAUM NÖRDLICH DER ELBE
Die
ersten Nachrichten über die Sachsen
(Niederdeutsche
Warte V 2)
»Auf dem Nacken der
zimbrischen Halbinsel«, so schreibt der Alexandriner Ptolomaios um 150 nach der
Zeitwende, »wohnen die Saxones«. Diese Bemerkung des griechischen Forschers ist
das älteste schriftliche Zeugnis über die Sachsen. Es enthält zugleich einen
Hinweis auf deren engere Wohnsitze, die Gaue Holstein, Stormarn und
Dithmarschen. Nach der Ansicht verschiedener Forscher haben die Bodenfunde die
Richtigkeit der überlieferten Anmerkung bestätigt.
Hofmeister in
»Urholstein«: »Das gesamte Sachsenvolk entströmte dem Gebiet nördlich der Elbe,
und hier war es kein anderer Platz als der Gau Holsaten, der das Ausgangsland
der gewaltigen sächsischen Kolonisation darstellt.« Mit ihren »klinkergebauten«
Booten setzten sie um 200 nach der Zeitwende über die Elbe. In der Stammessage
heißt es, daß die Sachsen auf dem jenseitigen Ufer »Thüringer« angetroffen
hätten und dann auf die Chauken gestoßen seien. Auch hier ergänzen die Funde
die überlieferten Berichte. Im Gebiet zwischen Elbe und Weser entdeckte man
bisher 60 sächsische Friedhöfe, unter denen der von Westerwanna mehr als 6000
Gräber und über 1300 Urnen besaß. Mit Hilfe römischer Münzen hat man eine
weitere zeitliche Stütze für die behauptete Übersiedlung vom Nord- zum Südufer
erhalten. Man fand die fremdländischen Geldstücke u. a. in den Urnenfriedhöfen
von Perlberg, Issendorf, Wenden und Altenwalde. Zur selben Zeit stießen die
Sachsen über See an die Nordseeküste vor. Der Streifen von der Scheide bis zur
Bretagne wird zu jener Zeit »Sachsengestade« genannt.
Zeitpunkt
der Siedlung
Schon vor der Zeitenwende
haben die Zimbern und Teutonen in großen Scharen die zimbrische Halbinsel, also
auch Holstein, verlassen, um im Süden, auf römischem Boden, günstigere
Bedingungen für dauernde Siedlung auszunutzen. Frühere Nachrichten über unser
Heimatland und seine Bewohner liegen nicht vor. Zwar sind auch in der
Bramstedter Gemarkung Altertumsfunde gemacht worden, besonders unter der Lieth,
die auf die Stein- und Bronzezeit zurückweisen. N.F. Paustian hat auf diesem
Gebiet sich eifrig betätigt und dem Kieler Museum für Altertümer einen
wertvollen Schatz solchen Gutes zuwenden können. Auch das Bramstedter
Gemeindehaus hütet solche Funde. Aber, abge-
11
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sehen davon, daß des
Genannten Sammlung zu einem guten Teil nicht der hiesigen Feldmark entstammt,
ist im ganzen zu sagen, daß Nachweise über eine frühere Siedlung an hiesigem
Orte nicht beigebracht worden sind. Mit dem Gedanken, an des heutigen Bramstedt
Stelle habe einst ein größeres, mächtigeres gestanden, ist nichts anzufangen,
solange jedes handfeste Zeugnis dafür fehlt. Unbestritten bleibt aber, daß
Bramstedt in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts durch den Erzbischof Ansgar
zu einem der ersten Kirchorte Holsteins geworden ist; genaue Feststellung des
Jahres fehlt.
Von
Urholstein und Holstein
Das Kirchspiel Bramstedt
wird von Geschichtsforschern als ein »urholsteinisches« angesprochen. Sofern
damit gesagt sein soll, daß es zu den ersten Kirchspielen zählt, die im Gebiete
des heutigen Landes Holstein gegründet worden sind, handelt es sich um einen
unbestreitbaren Tatbestand. Will man aber hinweisen auf ein »Urholstein«, aus
dem ein anderes Holstein sich entwickelt hat, so liegt die Sache nicht so
einfach. Die Bramstedter werden ziemlich restlos der Meinung sein, ihre
Ortschaft sei ganz bestimmt ein Bestandteil von »Urholstein« gewesen, ohne
allerdings die Grenzen dieses Landes angeben zu können. Auch ist der
Entwicklungsgang zum heutigen »Holstein« wenigen vertraut. Wer das bedauert,
dem möchten folgende tabellarisch gefaßten Angaben willkommen sein.
113-101
vor der Zeitwende: Der germanische Stamm der Kimbern verläßt seine Heimat, die
Halbinsel nördlich der Elbe; Wanderung nach Gallien und über die Alpen;
Untergang nach tapferstem Kampfe.
5.
Jahrhundert, Mitte: Sachsen und Angeln, auch Jüten, siedeln über das Meer nach
Britannien, nachdem König Vortigern sie um Beistand gegen die Urbewohner, die
Pikten und Skoten, gebeten hatte; sie machen sich zu Herren des britischen
Landes.
Um
800 Karl, der Frankenkaiser, schließt Frieden mit den Sachsen; der nördlich der
Elbe wohnende Teil dieses Stammes wehrt sich noch; Karl bezwingt sie unter
Beistand der östlicher wohnenden Wenden (Slawen) und fügt 811 das eroberte Land
seinem Reiche ein; es hatte bis dahin unter Herrschaft des Dänenkönigs
gestanden und trägt nun den Namen Nordalbingien (Albis/Elbe).
834
Ansgar wird zum Erzbischof von Hamburg ernannt, dem auch Nordalbingien
unterstellt ist; in die Zeit von 834-40 ist die Gründung der Bramstedter Kirche
zu verlegen.
961
Kaiser Otto der Große betraut den energischen Hermann Billung mit der
Lehnsherrschaft über das Herzogtum Sachsen mit Einschluß der Nordmark. Die
Billunger haben sich behauptet bis 1106. (Dithmarschen und die Haseldorfer
Marsch von Wedel bis zum Rhin waren der Grafschaft Stade einverleibt.)
12
-----------------------------------------------------------------------------------
11.
Jahrhundert, zweite Hälfte: Adam von Bremen, Domherr daselbst, schreibt
Nachrichten über Nordalbingien nieder. Danach sind drei sächsische Stämme dort
angesiedelt: die Dithmarscher (Meerleute) im Westen; die Stormarn (am
Störfluß Wohnende), im Süden durch die Elbe, im Westen und Norden begrenzt
durch die Sturia und deren unweit Neumünster einmündenden Zuläufe; die Holsaten
(Waldbewohner) nördlich der Stör, südlich der Eider bis zum südlichsten
Punkt ihres Mittellaufes, im Westen an Dithmarschen und im Osten an Wagrien,
das Grenzland der Wenden, stoßend. - Damit sind die Wohngebiete Ditmarsia,
Stormaria, Wagria und Holsatia zum erstenmal geschichtlich festgelegt. Und
in diesem Holsatia ist doch wohl das eingangs berührte »Urholstein« gegeben.
Aber das Kirchspiel Bramstedt liegt südlich und östlich der Stör, durchaus in
Stormaria. Denn der Domherr berichtet sonder Gnade: eos Sturia flumen interluit
— zwischen ihnen (den Holsaten und den Stormarn) fließt der Störfluß. Siehe
auch unter 1428.
12.
Jahrhundert Bis in dieses Jahrhundert, zum Teil noch später, haben die
Holsaten und Stormarn manchen harten Strauß gegen die Wenden ausfechten müssen.
Letztere sind zeitweise bis über Hamburg und im Norden bis nach Rendsburg
vorgedrungen. Sie haben die Hammaburg zerstört, das Land gebrandschatzt und die
Einwurzelung und Ausbreitung der christlichen Lehre stark behindert.
1110
Graf Adolf I. von Schauenburg übernimmt die Herrschaft über Holstein und
Stormarn, nicht wie die Billunger als beauftragter Beamter, sondern als
erblicher Fürst. (Lehnsherr war Herzog Lothar von Sachsen.) Das Schauenburger
Wappen, ein Schild mit drei Ecknägeln aus Silber und dazwischen drei gezackten
Zierleisten, wird von Holstein übernommen, nicht von Stormarn. Die
Schauenburger Grafen haben, von geringen Unterbrechungen abgesehen, bis zum
Jahre 1460 sich behauptet, also für das Schicksal unserer Heimat eine große
Bedeutung gehabt. Der erste Adolf residierte in Hamburg und richtete dort die
Domkirche wieder auf. Er förderte in seinem Bereich die christliche Lehre und
den Wohlstand seiner Untertanen. + 1130
1127
Vicelin, der Apostel der Wenden, gründet in Wippendorf das »neue Münster«. Man
hatte ihn dorthin gerufen, um in der alten Kapelle aus Ansgars Zeit zu
predigen. Ihm wird nachgerühmt vom Prediger Helmold in Bosau, er habe durch die
Kraft seiner Predigt »die unbändigen Waldesel zu Menschen herangebildet«. Auch
in Bramstedt, Barmstedt, Stellau und Kellinghusen sei er bemüht gewesen, dem
Evangelium (wieder) Eingang zu verschaffen. (Man beachte 300 Jahre nach der
Einführung von Ansgar.)
1130-1164
Graf Adolf II. - Lothar, inzwischen (1125) deutscher Kaiser geworden, hatte das
Herzogtum seinem Schwiegersohn Heinrich dem Stolzen übergeben. Lothars
Nachfolger aber setzte 1138 den Markgrafen Albrecht
13
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den Bären zum Herzog über Sachsen ein. Dem versagt Adolf II. die
Anerkennung, kann sich aber nicht behaupten und muß das Land räumen.
1138
Heinrich von Badewiede tritt auf des Markgrafen Anordnung an Adolfs Stelle.
Dieser, ein hervorragender Krieger, nimmt den Kampf gegen die Wagrier auf und
bereitet ihnen eine entscheidende Niederlage, die der Herrschaft der Wenden
innerhalb Albingiens ein Ende macht. - Heinrich der Stolze stirbt 1139. Sein
Sohn, Heinrich der Löwe, bekommt Sachsen zurück. Albrecht der Bär tritt ab, und
sein Freund Badewil wird mit Lauenburg abgefunden.
1143
Graf Adolf II. führt wieder das Zepter. Holstein, Stormarn und Wagrien werden
unter dem Namen Holstein zu einem Staatsgebilde vereint.
»Urholstein« ist nicht mehr (siehe unter 11. Jahrhundert). Aber noch stehen
Dithmarschen (seit 1062 dem Erzbischof von Bremen Untertan) und die Haseldorfer
Marsch (siehe 961) außerhalb.
1143-1164
Viele Adelige, auch Bauern, werden in Ostholstein, das nun nur dünn bevölkert
war, mit Gütern und prächtigen Hufen ausgestattet. Auswärtige Siedler kommen
ins Land, z. B. Friesen nach Süsel, Westfalen nach Ahrensbök, Holländer in die
Eutiner Gegend. - Auch Vicelin hat sich in dieser Hinsicht verdient gemacht.
Auf seinen Ruf kamen holländische Kolonisten in die Kremper Marsch, in die
Wilster und Haseldorfer Marsch. Sie haben den vielfach noch urwüchsigen Boden,
der oft eine wahre Wildnis darbot, in fruchtbares Ackerland umgewandelt. Und
das war auch seinem Kloster nicht nachteilig; denn dies wurde mit dem Rechte
ausgestattet, beiderseits der Ciester (Seester) den »Zehnten« zu heben.
Anerkennend hat Adolf II. ihm auch das Bistum Oldenburg übergeben,
identisch mit dem Bistum Lübeck, aus dem später das Fürstentum Lübeck
entstanden ist.
1164-1203
Adolf III. - Herzog Waldemar von Schleswig (Südjütland), Bruder des
Dänenkönigs, dringt in Holstein ein, besiegt Adolf bei Stellau (1202);
letzterer wird bei Hamburg gefangen genommen. - Im nächsten Jahr wird Waldemar,
nun auch König von Dänemark, zum Herrn über Schleswig und Holstein. Adolf wird
gegen sein Ehrenwort freigegeben, dabei aber aus seinem Lande verbannt.
1203
Waldemar ist Beherrscher der ganzen kimbrischen Halbinsel. Graf
Albert von Orlamünde, Neffe Waldemars, wird Statthalter über Nordalbingien.
1214
Der spätere Staufenkaiser Friedrich II. verzichtet zugunsten Waldemars (des
Siegers) auf alle Rechte in Nordalbingien. Der Papst bestätigt den Vertrag
(wegen des Bremer Erzbistums).
1225-1239
Adolf IV., des verbannten Schauenburgers Sohn, tritt hervor, verbündet sich mit
Heinrich von Schwerin und dem Erzbischof von Bremen. Dem Schweriner war es
vorher gelungen, mit List den mächtigen Waldemar als Gefangenen nach Mecklenburg
zu führen. Der vereinigten Macht gelang es, den zum Reichsverweser Dänemarks
eingesetzten Albert
14
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von Orlamünde vollständig zu schlagen. - Adolf nahm das väterliche Erbe in
Besitz, nachdem er den Hamburgern wertvolle Vorrechte zugestanden hatte. -
Waldemar erlangte durch feierlichen Eid, künftig Frieden halten zu wollen,
seine Freiheit.
Waldemar wird vom Papste seines Eides ledig gesprochen, besetzt überraschend
Rendsburg und Itzehoe, und der Kampf lodert abermals auf. An Stelle des
Erzbischofs von Bremen ist diesmal Herzog Albrecht von Sachsen der Dritte im
Bunde.
1227
Nach allerlei Wechselfällen kommt es zur Entscheidungsschlacht bei
Bornhöved. Die Dithmarscher Bauern waren während der Schlacht auf Adolfs
Seite getreten. Ergebnis:
Die Dänenherrschaft ist beendet. Die von Friedrich II. aufgegebene Nordgrenze
des deutschen Reiches und die Selbständigkeit der holsteinischen
Grafschaft sind wiederhergestellt. Lübeck wird völlig freie Reichsstadt.
Hamburg bleibt noch unter holsteinischer Hoheit, ist indessen praktisch
fast selbständig. Dithmarschen, schon 1202 von der Grafschaft Stade
getrennt, bleibt Freistaat unter unmittelbarer Hoheit des Bremer Erzbischofs.
Adolf
gründet, seinem Gelübde gemäß, eine Reihe von Klöstern: Johannis- und
Maria-Magdalenen-Kloster zu Hamburg, Nonnenkloster in Reinbek, desgleichen in
Ivenstedt (1272 nach Itzehoe verlegt), Kloster zu Cismar, Marienkloster zu
Preetz wird ausgestattet mit der Propstei, wohin Kolonisten gerufen werden;
Adolf geht 1239 ins Maria-Magdalenen-Kloster zu Hamburg, gründet später noch
das Marienkloster zu Kiel, wo er die letzten Jahre gelebt hat und gestorben ist
(1261).
1239
Abel, Herzog von Schleswig, Sohn Waldemars II. und Schwiegersohn Adolfs IV.,
wird von letzterem zum Vormund seiner noch unmündigen Söhne Johann und Gerhard
bestellt. Also lag nun die Regierung Schleswigs und Holsteins in einer Hand. -
Abel kommt in Streit mit seinem Bruder, dem Dänenkönig Erich; er läßt diesen in
der Schleimündung ermorden, und es gelingt ihm, auch die dänische Krone zu
gewinnen, d. h. praktisch die ganze Halbinsel zu beherrschen. Indessen starb er
schon nach zwei Jahren.
1252
Die Friesen hatte er ebenfalls gefügig machen wollen. Diese waren
ohne einen eigenen Verband. Sie duldeten keine Adeligen und keine Sklaven unter
sich. Als König Abel ihre seitherige Freiheit mit Gewalt unterbinden wollte,
hat der Rademacher Wessel Hummer ihn mit der Streitaxt erschlagen. - Doch haben
sie den dänischen Königen ein »Landgeld« dauernd entrichtet.
Johann und Gerhard werden beide als Regenten
anerkannt. Sie fordern die Herausgabe Rendsburgs, das 1227 noch bei Schleswig
geblieben war, und setzten sich durch. Sie haben das volle Erbrecht für
Holstein eingeführt, wonach jeder männliche Erbe ihres Hauses das gleiche
Anrecht auf die Herrschaft haben sollte. Nach ihrem Tode wurde demnach das Erbe
auf-
15
------------------------------------------------------------------------
geteilt, und so gab es nun
zwei Hauptlinien unter den regierenden Grafen: die Kieler oder ältere
Linie, von Johann I. abstammend, und die Itzehoer oder jüngere Linie, von
Gerhard I. abstammend.
Um
1300 herrschten bereits fünf Grafen im Lande:
Kieler Linie: Adolf V. zu Segeberg und Johann II. zu Kiel; Itzehoer: Heinrich
I. zu Rendsburg, Gerhard II. zu Plön, Adolf VI. zu Schauenburg; letzterem
unterstand in Holstein nur die Grafschaft Pinneberg, die dadurch zum Anhängsel
des Stammlandes wurde.
Es ist klar, daß diese Zersplitterung, die auch noch Erbstreitigkeiten im
Gefolge hatte, dem Lande nicht förderlich sein konnte.
14.
Jahrhundert, erste Hälfte:
Die Kieler Linie erlischt. Gerhard III. oder der Große und Johann der Milde
haben die Regierung in Händen. Der Stand der Adeligen trotzt ihren Befehlen. In
der Wilstermarsch kommt es zur offenen Auflehnung. Dithmarscher Bauern
schließen sich an. Gerhard zeichnet sich als Kriegsheld aus. Persönlich packt
er den Führer der Dithmarscher und schleudert
1306
ihn zu Boden. Sein Ansehen stieg gewaltig: der Adel fügte sich. Doch war sein
Gebiet, auch nachdem sein Mitregent verzichtet hatte, gering: Amt Rendsburg,
Stadt Itzehoe und ein paar kleine Distrikte.
1315
Adolf VI. zu Segeberg wird von dem Grafen Reventlow, den er schwer beleidigt
hatte, in seinem Schlosse überfallen und erschlagen. Gerhard nimmt den Anteil
Segeberg an sich. Man kann mit großer Wahrscheinlichkeit annehmen, daß darunter
Praefectura Segebergensis, die sich mit dem späteren »Amt Segeberg« ziemlich
genau deckte, zu verstehen ist. Mit anderen Worten: ein erheblicher Teil von
Stormarn, darunter die Kirchspiele Bramstedt und Kaltenkirchen, ist nun mit
urholsteinischem Gebiet vereinigt worden. - Übrigens zeichnet die Geschichte
Adolf VI. als einen hartherzigen, bei seinen Untertanen verhaßten Bedrücker.
1317
Schlacht bei Bramstedt (auf dem Strietkamp). Des Erschlagenen Verwandte und
Freunde erkennen das Verfahren Gerhards nicht an. Es kommt zum Kampf. Der
Schauenburger Graf wird bei Bramstedt, die ihm verbündeten Dithmarscher werden
bei Bünzen besiegt.
Gerhard einigt sich mit seinem Vetter Johann dem Milden, der von Plön
nach Kiel übersiedelt.
So hatte Holstein zwei Regenten, abgesehen von dem kleinen Pinneberger
Anteil.
1319
Gerhard versucht vergeblich, die Dithmarscher unter seine Herrschaft zu zwingen.
1324
Er dringt in das Gebiet des Bischofs von Lübeck ein. Dieser schleudert die
geistliche Waffe des Bannstrahls gegen ihn. Gerhard fügt sich: zahlt
Entschädigung, macht eine Bußwanderung nach Lübeck und tut fußfällig Abbitte.
Gerhard hat in der Folge erreicht, daß er zum Vormund über den jungen Herzog
von Schleswig, zugleich Erbprinz von Dänemark, berufen worden
16
-----------------------------------------------------------------------------
ist.
Der junge König trat das Herzogtum Südjütland an Gerhard ab mit der
Bestimmung, »daß es nie wieder mit Dänemark zu einem Staate vereinigt werden
sollte«.
1340
Aber als Vormund und Reichsverweser in Dänemark hat er sich unbeliebt gemacht.
Der dänische Edelmann Niels Ebbesen hat ihn im Krankenbett erstochen. - Kein
anderer Schauenburger hat eine solche Machtstellung innegehabt wie Gerhard der
Große.
1340-1386
Heinrich (Isern Hinnerk) und Klaus, des Ermordeten Söhne, waren kluge und
tapfere Regenten. 1375 haben sie sich als Erben in Besitz Südjütlands
(Schleswigs) gesetzt.
»Isern Hinnerk«, der Name ist von Heinrichs Rüstung hergeleitet. Als Gast des
Königs von England soll er einen wilden Löwen, den man gegen ihn losgelassen
hatte, durch seine Ruhe und seinen festen Blick gebändigt haben. Seither hat er
zwei goldene Löwen im blauen Schild seines Wappens tragen dürfen.
1386
Die dänische Königin Margarete (de swatt Greet) belehnt Gerhard VI. mit dem
Herzogtum Schleswig. Gerhard war ein Sohn des »Isern Hinnerk«.
1404
Die Landesfürsten Gerhard VI. und Albrecht sind gestorben,
letzterer ohne Erben, beide gefallen im Kampfe gegen die Dithmarscher. Gerhard
hinterläßt drei Söhne: Heinrich 7 Jahre alt; Adolf 3 Jahre; Gerhard nach des
Vaters Tod geboren. Heinrich wird im Hause der Königin Margarete, Adolf in dem
des Hohenzollerngrafen Friedrich, der 1415 zum Kurfürsten von Brandenburg
ernannt wurde, erzogen.
1420
Als Achtzehnjähriger kehrt Adolf VIII. in die Heimat zurück, um mit Heinrich
zusammen das väterliche Erbe anzutreten. Bischof Heinrich von Osnabrück, Bruder
von Gerhard VI., hat die Vormundschaft geführt. Der Dänenkönig wollte Schleswig
zurücknehmen. Die Dithmarscher standen auf des Königs Seite. - Aber die jungen
Herzöge, von den Holsten, den Friesen und einigen Hansestädten treulich
unterstützt, bereiteten den Gegnern bei Immerwad eine entscheidende
Niederlage.
1435
Adolf VIII. alleiniger Landesherr über Schleswig und Holstein,
Nordfriesland, Helgoland und Haseldorf er Marsch eingeschlossen.
1448
Ihm wird die dänische Krone angetragen. Er verzichtet und schlägt dem dänischen
Reichsrat den Grafen Christian von Oldenburg, den Sohn seiner Schwester, vor.
Dieser wird, nachdem er in aller Form dem Herzog Adolf und den
schleswig-holsteinischen Ständen die Versicherung gegeben hat, daß »Schleswig
niemals wieder mit Dänemark vereinigt werden solle«, zum König gewählt.
1459
Adolf VIII. stirbt, beweint von seinen Untertanen.
1460
Die Personalunion mit Dänemark tritt in Kraft.
17
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II. DER ORTSNAME
Unsere Stadt teilt ihren
Namen mit fünf anderen Ortschaften im deutschen Reiche. Allesamt liegen sie im
Gebiet der plattdeutschen Sprache. Bad Bramstedt überragt die übrigen in der
Volkszahl so sehr, daß es für sich allein 50 Prozent Häupter mehr zählt als die
übrigen zusammen. Anders gesprochen: es handelt sich um fünf Dörfer. Die
Ortsnamen stimmen im Lautklang überein; in der Schreibweise sondern sich die
zwei in Pommern gelegenen ab als Bramstädt, was hier unbedenklich als
orthographische Zufälligkeit zu verbuchen ist. Die restlichen drei liegen in
Schleswig bei Leck, im Kreis Wesermünde und bei Bassum, also die letzten beiden
in Hannover.
Die älteste bekannt
gewordene Niederschrift unseres Ortsnamens von eines Hiesigen Hand lautet:
»bramstede«. In der Folge begegnet man in regellosem Wechsel den Formen Brame-,
Brahm-, Bramb-, Brahmb-, verbunden mit dem Grundwort: sted, stede, stedt, auch einmal
städt. Niemand bezweifelt, daß beide Teile des Ortsnamens niedersächsischen
Ursprungs sind, ebensowenig, daß der zweite Teil die Bezeichnung einer Stelle,
einer Stätte, eines Platzes, eines Ortes ist. Dieses Wort findet sich innerhalb
des früheren und des heutigen Wohngebietes der Niedersachsen als geradezu
typisch immer wieder: in Schweden in der Form »stad« (Halmstad), in Dänemark
als »sted« (Ringsted), in England als »stead« (Halstead in. der Grafschaft
Essex-Ostsachsen). Bramstedt wird allein durch seinen Namen als
niedersächsische Siedlung ausgewiesen. Beachtenswert ist, daß sich im Lande
Oldenburg die ursprüngliche Form »stede« erhalten hat (Rastede, Westerstede).
Nicht ganz so einfach
steht es um die Deutung des Bestimmungswortes »Bram«. Es wird kein Zufall sein,
daß auch unser Flüßlein durch das gleiche Merkmal bestimmt wird. Bramau, früher
kurz Brame, Brahme (siehe Stielers hochgeschätzten Atlas, 19. Jahrhundert) und
Bram (Mathias Seutter, Karte von Holstein, Mittelalter). Wir stehen vor der Frage,
ob die Siedlung oder die Aue zuerst mit diesem Namen Bram bedacht worden
sei. Mir ist einmal folgende Meinung begegnet: Die Insel zwischen Osterau,
Hudau und Kaffeegraben sei von den ersten Siedlern an ihren Ufern bebaut
worden. Die so geschaffene Verbrämung (Umrandung) habe zu dem Namen Bramstedt
geführt. Mir fehlt der Glaube. Einmal, weil im Sprachschatz der
Niedersachsen dieses Wort gänzlich unbekannt ist, und zum andern auch deswegen,
weil ich den Kaffeegraben nicht als natürlichen, sondern als von Menschenhand
geschaffenen Wasserlauf ansehe (siehe auch Mühle).
Der natürliche Ablauf der
Dinge gestaltet sich doch so, daß der Fluß oder die Aue, an deren Ufern man zu
siedeln sich entschließt, bereits seinen Namen vorher
18
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erhalten hat. Bei
Ortsbezeichnungen wie Störkathen und Eiderstedt sieht man als ganz
selbstverständlich an, daß hinsichtlich des Namens dem Fluß die Erstgeburt
zukommt. Der Hinblick auf die genannten Karten bestärkt unsere Ansicht, daß
unser Fall bedenkenlos an die berührten beiden Fälle anzuschließen ist, d. h.
daß unser Ort seinen Namen trägt nach dem Gewässer, an dem unsere Ursiedler
ihre Hütten gebaut haben. So ist unser Ort einfach und natürlich als stede an
der Bram legitimiert.
Wer dem Ortsnamen die
Erstgeburt zuschreiben wollte, der müßte folgerichtig unsere Aue an die
Bimöhler, die Schmalfelder und die Lentföhrder als »Bramstedter Au«
anschließen. Wer das nicht als todsicher anerkennen will, der wird immer noch
in aufgezeigtem Gedankengang den Regelfall dargestellt sehen müssen.
Und doch ist die
Wißbegierde nicht befriedigt. Sie fragt: Was hat es mit dem beiden Täuflingen
zuerkannten »Bram« auf sich? Wie kommt die Aue zu diesem Merkmal?
Nun, es steht eine Antwort
zur Verfügung, die wohl befriedigen mag. Fügen wir den eingangs gegebenen
Ortsbezeichnungen ein paar hinzu: Brahmkamp bei Heide, Bramkamp bei Rendsburg,
Brahmsee bei Nortorf, so haben wir insgesamt neun Erdenflecke vor Augen. Der
Verfasser hat von jedem Orte schriftlich Erkundigung einziehen wollen, was nur
einmal nicht gelungen ist. Wahrheitsgemäß ist zu berichten, daß genannte
Gegenden übereinstimmend mit trockenem, sandigem Boden reichlich ausgestattet
sind, wo dürre Heide und der Besenstrauch prächtig gedeihen und erhebliche
Flächen für sich in Anspruch nehmen, wenn auch infolge der fortschreitenden
Urbarmachung in schwindendem Ausmaß. (In Bramfeld, einem Hamburger Stadtteile,
wird es ehedem nicht anders gewesen sein). Der Besenstrauch, auch Ginster, in
der Wissenschaft Sarothamnus vulgaris genannt, ist dem Plattdeutschen - und
genannte Gegenden werden ausnahmslos von solchen bewohnt - unter dem Namen
Bram, Braam, Brahm, das »a« allemal recht dunkel gesprochen, aufs beste
bekannt. Dieser Strauch, auffallend durch seine etwas absurde Gestalt und durch
die reiche Fülle goldgelber Blüten, besetzt, solange er nicht gestört wird,
weitgestreckte Flächen und verleiht ihnen im Sommer ein prächtiges Aussehen. So
ist es kein Wunder, daß gerade der »Brahm« recht oft seinen Namen hat hergeben
müssen zur Bezeichnung seines Standortes, es möge sich handeln um Siedlungen,
um Gewässer oder Feldflur. Hinsichtlich der Flurnamen seien noch genannt:
Brahmberg, Brahmloh, Brahmhorst, Brahmviert, Brahmmoor.
Daß unseres Ortes
Gemarkung in Urzeiten in sehr erheblichem Umfange mit Brahm geschmückt gewesen
ist, bedarf keines Nachweises. Immerhin sei in Erinnerung gebracht, daß N. F.
Paustian, Bramstedts erster Freimüller, allein zehn Tonnen (mindestens fünf
Hektar) Ginsterland, besetzt mit Gesträuch von einem Zoll Dicke durch
Feuersbrunst zur Urbarmachung vorbereitet hat (siehe Kähler, Stör-Bramautal,
Seite 110). Verfasser ist selbst Zeuge gewesen, wie auf den Gayen eine Tannenpflanzung
von etlichen Hektar einen vieljährigen Da-
19
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seinskampf mit dem
Urwüchsigen hat führen müssen auf der ganzen Anbaufläche. Hier sei
eingeschaltet, daß eine Äußerung der Bramstedter Nachrichten (8. November
1937), wonach der Brahmstrauch eine ausgesprochene Randpflanze sei, nicht
stichfest ist. Der Brahm behauptet durchaus das ganze Feld, in der Lüneburger
Heide sowohl als auch in der hiesigen Feldmark, solange er nicht durch den
tiefgreifenden Pflug auf den bescheidenen Platz an Wall und Weg zurückgedrängt
wird.
Die Bramstedter Bramfelder
werden nach Ortslage in Richtung Bimöhlen - Hitzhusen in untadeliger Entfaltung
geprangt und auch sonst sich nicht versteckt haben. Wahrlich, die Benennung von
Ort und Gewässer paßt sich völlig den naturgegebenen Verhältnissen an, ist
mithin ganz natürlich. Orts- und Flußname verweisen auf eine Gegend, wo
jedermann mit Sand und Heide, Brahm und Buchweizen bekannt ist und ehedem
reichlich zu tun hatte. Die Aue aber kündet zugleich ausgleichend das
segenspendende Tal der grünen Wiesen an.
Bleibt noch zu bedenken,
daß wir ja heute in »Bad« Bramstedt leben. Von unserem Sol- und Moorbad weiß
man sogar über Berlin hinaus. Daß wir unsern Ort danach nennen, das hat die
Reichspost veranlaßt, und zwar nicht nur im Hinblick auf die übrigen
»Bramstedts«, sondern auch wegen der nicht seltenen Vertauschung mit Barmstedt.
Am 12. Mai 1910 hat die Regierung dem Wunsch der Post Folge gegeben.
20
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III.
DIE KIRCHE
Wenn man eine Chronik
schreibt, so möchte man mit den Berichten aus ältester Zeit anfangen. Da halten
wir wohl die reichste Ernte im Archiv der Kirche. So wird es sich empfehlen,
mit der Kirche und ihrer Geschichte anzufangen. Sie ist eine uralte Gründung;
freilich nicht das auch schon recht ehrwürdige Gebäude, das wir heute kennen,
sondern eine hier vorhandene christliche Kirche überhaupt. Bestimmt hat Ansgar,
der schon im 9. Jahrhundert hier gepredigt hat, nur eine Kapelle zur Verfügung
gehabt. Der Name Capellenberg am östlichen Ausgang des Ortes, auch in dem alten
Fleckensbuch vorkommend, weist darauf hin. Die geschichtlichen Berichte melden
in der Zeit von Ansgar und Vicelin dauernde und heftige Kämpfe zwischen Sachsen
und Wenden, unter denen natürlich auch die Entfaltung des Kirchenwesens
gehindert wurde. Vicelin, der Apostel der Wenden, der 1125 die Priesterweihe
erhielt und der in Neumünster 1154 starb, soll der Überlieferung nach in
Bramstedt, Stellau, Kellinghusen, Nortorf, Barmstedt, Hohenwestedt und vor
allen Dingen in Neumünster seines Amtes gewaltet haben. Ein Gebäude, wie wir es
unter Kirche verstehen, war wohl noch nicht vorhanden.
Das feste Zugreifen Adolf
I. von Schauenburg war günstig für die Entwicklung der neuen Religion hier im
Norden. Nachdem er in Hamburg die Domkirche wieder hatte aufrichten lassen,
sorgte er nachdrücklich für die Wiederherstellung zertrümmerter und die
Errichtung neuer Gotteshäuser. Nicht gering ist die Zahl der Klöster, die
derzeit in unserm Holstein ins Leben gerufen und reichlich mit Landbesitz
ausgestattet wurden. Dazu gehört das uns naheliegende von Vicelin gegründete
Kloster zum heutigen Neumünster (nova monasterium). Aus unserm Kirchspiel haben
einem Kloster zugehört: Bimöhlen restlos; Gayen-Mönke Gayen (wohl zu Reinfeld),
Mönke ist gleich Mönch zu setzen; und ganz überwiegend Armstedt (zu Itzehoe).
Wie es in dieser Hinsicht um die zehn Fuhlendorfer Hufen steht, ist mir nicht
bekannt. - Gewiß ist, daß Vicelin auch in Bramstedt gepredigt und überhaupt
wieder wohl geregelten Gottesdienst zuwege gebracht hat. Das ist geschehen in
den ersten Jahrzehnten des zwölften Jahrhunderts. Vor allem handelte es sich um
die nötigen Gebäude, die, meistens aus Holz gezimmert, so einfach gestaltet
wurden wie nur möglich. Feldsteine wurden hier und da mit verwendet; aber der
gebrannte Mauerstein war derzeit hier noch unbekannt.
Ungefähr in der Mitte des
alten Fleckens liegt der älteste Friedhof Bramstedts. Ein Kranz blühender
Linden umrahmt ihn. Inmitten liegt die alte Kirche unserer Vorfahren, über 600
Jahre alt. Ihr Bau wird von Professor Haupt (»Bau- und Kunstdenkmäler«) in die
erste Hälfte des 14. Jahrhunderts (1316?) verlegt, ge-
21
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kennzeichnet vor allem
durch die gebrannten Mauersteine großen Formats, die erst zu jener Zeit in
unserem Lande bekannt geworden sind. Demnach wird vermutet, daß der Aufbau der
steinernen Kirche zu Bramstedt in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts
erfolgt ist. Für das hohe Alter des Gebäudes sollen noch 1876 Funde Zeugnis
abgelegt haben, die bei der Erneuerung des Fußbodens, der Decke und des
Gestühls gemacht wurden, alte, bauliche Funde, die man auf sechs- bis
siebenhundert Jahre geschätzt hat. Eine ganz bestimmte Zeit läßt sich nicht
angeben. Der Erbauer ist nicht bekannt. Ursprünglich war es eine Kreuzkirche.
Kleinere bauliche Veränderungen sind im Laufe der Jahrhunderte mehrfach
vorgenommen worden. Die Kirche war der heiligen Maria Magdalena geweiht.
Bedeutende Kunstschätze
birgt unsere alte Kirche nicht, wohl aber stammt ein Teil der Inneneinrichtung
auch schon aus sehr alter Zeit. Da ist zunächst das alte Altarblatt, das zwar
nicht mehr ein Stück des heutigen Altars ist, aber wieder zu Ehren kam, nachdem
es viele Jahre verborgen auf dem Kirchenboden lag. Man hat diesen Schrein an
der Nordwand der Kirche wieder aufgestellt. Es ist ein dreiteiliger
Flügelaltar. Die Verzierungen sind zum Teil Schnitzwerk, zum Teil Malerei.
Gemalt ist die Darstellung des Heiligen Abendmahls und die des Leidensweges.
Der obere Teil zeigt geschnitzte Figuren, darunter die Apostel und eine
weibliche Figur, wohl Maria (14. Jahrhundert). Zu diesem Altarschrein gehört
noch ein Aufsatz, gleichfalls aus Holz geschnitzt und mit Malerei versehen. Er
ist an der Südwand in der Nähe des Altars angebracht worden. (Bei der
Restaurierung der Kirche im Jahre 1955 haben Altarschrein und Aufsatz wieder
ihren alten, ihnen zustehenden Platz eingenommen.) An ihm findet man unten den
Namen des Stifters und die Jahreszahl: Casper Vaget, 1625. Der jetzige Altar
ist geschmückt mit einem Ölgemälde, die Himmelfahrt Christi darstellend. (Seit
1955 ist er nicht mehr in der Kirche.) Er ist gemalt worden von dem in
Bramstedt geborenen Künstler Hinrich Wrage (1880). Wer große Ehrfurcht vor dem
Alten hat, mag sich freuen, daß der alte Flügelaltar wieder seine eigentliche
Aufgabe erfüllt. Ein anderes Stück aus alter Zeit, dem der obengenannte Haupt
künstlerischen Wert zuspricht, ist die Figur der Maria Magdalena, auch eine
Holzschnitzerei. Leider ist sie am Arm beschädigt und darum wohl nicht wieder
aufgestellt. Wie schön wäre es, wenn sich einmal die nötigen Mittel zur Renovierung
fänden und die ehemalige Schutzheilige unserer Kirche wieder allen sichtbar
würde. - Neben dem Hauptstück des alten Altars hängt an der Wand das
Triumphkreuz, das früher einmal vor dem Altar von der Decke herabgehangen hat.
Es hat seinen Platz nun zwischen den Statuen der Mutter Maria und dem Jünger
Johannes und stammt aus dem 15. Jahrhundert. Wahrscheinlich ist diese Gruppe
nun so wieder zusammengestellt, wie sie ursprünglich gedacht war.
Die Kanzel ist alt und aus
Holz geschnitzt. Die Figuren stellen von links nach rechts dar: Matthäus,
Lukas, Christus, Johannes und Markus. Darunter stehen die Namen der Geber:
Jürgen Vaget, Maria Vagdes, Casper Vaget, Magdalene
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Vagetes, Klaues und
Margareta Toetkes, Möllersche. Vermutlich stammt sie aus dem Anfang des 17.
Jahrhunderts. Anno 1680 hat der damalige Kirchspielvogt Christian Schlaff die
Kanzel renovieren lassen,
»Kernfest und auf die
Dauer« steht der Taufstein vor dem Altar. Er ist 93 cm hoch, hat einen
Durchmesser von 69 cm und ist aus einem Metall gegossen, das der Glockenspeise
ähnlich ist. Sein Gewicht wird auf 600 bis 800 kg geschätzt. Drei
Menschengestalten tragen ihn. Am Außenmantel findet man fünf erhaben gegossene,
bronzierte Figuren, den lehrenden Christus in sitzender Haltung darstellend.
Zwischen je zwei Christusfiguren befinden sich vier hervortretende Medaillons,
in jedem Falle dieselben. Die zwei oberen enthalten die Attribute der beiden
Evangelisten Matthäus und Johannes: den lesenden Engel und den fliegenden
Adler; darunter die Attribute der Evangelisten Markus und Lukas: den Löwen und
den Opferfarren. Außerdem sind am Mantel noch zwei nicht zu enträtselnde
Figuren. Über diesen Figuren trägt der Mantel den Anfang der in katholischen
Ländern üblichen Gebetsformel in lateinischer Sprache. (Ave Maria gratia,
plena, Dominus tecum benedi[cta]). Auf dem Taufstein stehen zwei Becken, eins
im andern. Die größere Schale hat folgende Inschrift: 1669, 9. Junius, Otto
Siemen; die kleinere Schale trägt die Inschrift: Christian Slaph, Katrina
Slaphs. Anno 1663.
Das Alter des Taufsteins
ist nicht exakt zu bestimmen (13. Jahrhundert). Jedenfalls diente er schon
katholischer Zeit. Die Tiefe läßt vermuten, daß er schon benutzt wurde, als das
Taufen durch Untertauchen vollzogen wurde.
Wissenswert ist, daß das
Taufen bis 1771 nur in der Kirche erfolgte. Die Haustaufe wurde erst im
genannten Jahr zugestanden. Beispiel: Friedrich Leopold von Stolberg, der
bekannte Dichter, wurde am 7. November 1750 geboren in Bramstedt; desgleichen
getauft in der Kirche dorten. (Sein Vater war Amtmann des Bezirks und wohnte in
dem nun nicht mehr vorhandenen Schloßgebäude.) 1782-1793 unter Pastor von Einem
taufte man am 3. Tage. Unter Pastor Kark waren 7 bis 8 Tage üblich, und bei
Pastor Kall, 1825-1830, waren es 1-3 Wochen. In den vierziger Jahren waren 4-6
Wochen gesetzlich vorgeschrieben. Heute hat man Freiheit. Die Taufe wird nicht
erzwungen.
Der Altar (Kirchentisch)
ist aus Mauersteinen gebaut. Eine Decke aus feinem Tuch ziert ihn. Diese
rotscharlachene Altardecke mit silbernen Fransen wurde der Kirche 1732 von Hans
Mohr und Wiebke Mohr aus Bramstedt geschenkt. (Heute [1957] ist die Kirche im
Besitz von Altar- und Kanzelbekleidung in allen liturgischen Farben.) Die
Kirche besitzt drei Altarleuchter, von denen zwei ständig benutzt werden. Der
dritte wurde früher am Tage der Ernte alljährlich von der Frau Pastorin mit
einem Kranze von reifen Ähren und Rispen geschmückt und auf den Altar gestellt.
Woher stammen die Leuchter? Einer derselben trägt diese Inschrift: »Anno 1681
den 1. Juli ist Lorenz Jessen, Königl. Provinzial-Verwalter in Glückstadt,
durch den Gebrauch des Wassers vom Quartan befreit. Verehrt diese Leuchter zum
Gedächtnis.« Diese Leuchter sind 10-20 kg schwer und bestehen aus Messing mit
einem Zusatz.
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Im Hauptgang der Kirche
hängen zwei Kronleuchter. In früheren Tagen dienten sie bei Frühpredigten und
bei Nachmittagsgottesdiensten wohl regelmäßig. Sie stammen aus 1700 und 1732.
Beide sind der Kirche gestiftet worden. Hier die Widmung:
»Soly Deo Gloria. Gott zu
Ehren und der Kirche zur Zierde hat Jürgen Fuhlendorf aus Bramstedt und seine
Frau Anna gebohrene Henniges diese Krone der Kirche Bramstedts verehrt. Anno
1700.«
Die Kugel der zweiten
Krone hat diese Inschrift:
»Sehl. Max Lahanns tochter
aus Föhren schenkt diese Krone der Kirchen Gott zu Ehren. Worzu Hinrich Stöker
und Elsabe Stökers gebeten. Sie möchten den Tempel Gottes mit der Verehrung
betreten. Anno 1732, 24. Dezembris.«
Außer den Ehrentafeln für
die Gefallenen ist noch ein Epitaphium in der Kirche an der Wand neben der
Kanzel. Gerdt Steding, der einst Besitzer des adeligen Gutes Bramstedt war, hat
es für seine kleine Tochter gestiftet.
»Anno 1586 den 29. Juni
ist gestorwen
Christina, des Ehrenwert Gerdt Stedings und Elisabeth,
seiner Hussfrowen, Eheliche Dochter. Der Godt gnedich sei.
Hat gelewet 28 Wochen 3 Dage und Dorttein Stunde.«
Von
den Orgeln in der Bramstedter Kirche
Wir lesen in den alten
Kirchenbüchern, daß 1573 eine Orgel angefertigt wurde, die mit Lohn und Zehrung
147 Mark gekostet hat. Ob diese Orgel nun die erste war, muß bezweifelt werden,
denn in einem Rechnungsbuch wird 1568 erwähnt, daß Hans Hinnerken für das
Bälgentreten zwei Hümpen Roggen bekommen hat. Nachdem diese 1573 erbaute Orgel
fertig geworden ist, ist »anstatt des gewesenen ersten Küsters, Caspar
Röhlfink, ein Organist angenommen.«
Im Schwedenkrieg zogen
1659 Polen durch unsern Ort und haben in der Kirche »wüste gehauset« und die
Orgel zerstört und auf dem Rückmarsch 1660 »die übriggebliebenen Pfeifen
völliget verderbet.« Im Jahre 1667 wurde für Ersatz gesorgt. Man kaufte ein
Positiv von sechs Stimmen aus der Glückstädter Stadtkirche für 360 Mark,
welches am 1. Adventsonntag zum ersten Male »geschlagen« worden. Bis dieses
Werk aber spielfertig war, ist es mit allen Unkosten auf 510 Mark zu stehen
gekommen. »Hierzu ist eine Anlage gemacht und eingehoben vor jede Feuerstätte
2,80 Mark; davon sind damals 206 gewesen.«
Weshalb nun in den Jahren
1695-1701 ein drittes Werk gebaut werden mußte, ist nicht ersichtlich.
Vielleicht reichte das Positiv nicht aus. Es wurde der Orgelbauer Johann Werner
Klapmeyer aus Krempe beauftragt, ein Werk mit 24 Stimmen und Rückpositiv für
1750 Mark zu bauen. Nach jüngerer Lesart soll diese Orgel nur 16 Stimmen gehabt
haben. Für die Aufbringung des Geldes lesen wir, »wozu Commisair Awerhoff nicht
nur eine gute Summe von guten Freunden kollektieret, sondern auch selbst zur
Bezahlung 40 Mark gegeben.«
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1844 wurde diese Orgel
wegen Altersschwäche abgebrochen, und die Orgelbaufirma Wohlin, Altona, baute
für 2400 Mark das heute noch stehende Werk. Bei dieser Gelegenheit wurde auch
die Orgelempore vergrößert. 1845 wurde die Orgel eingeweiht. 1934 wurde sie von
der Orgelbaufirma Furtwängler und Hammer in Hannover gründlich überholt. Dabei
wurde sie teilweise durch Umbau nicht mehr gebrauchsfähiger Register um fünf
Stimmen erweitert.
Maria
Magdalenen
Solange die Bramstedter
Kirchengemeinde den Satzungen der katholischen Konfession unterstellt war, hat
sie den Namen »Maria-Magdalenen« geführt. Kein Wunder, daß von alters her das
Maria-Magdalenen-Fest hier ganz besonders feierlich begangen worden ist. Als
aber durch Luthers Reformation aller Heiligendienst und im besonderen der
Marienkult keinen Platz mehr hatte in der Religionsübung, da konnten die
Gemüter der Pfarrkinder, im besonderen wohl die Frauen, nicht allemal mit der
erwünschten Raschheit die Umstellung zuwege bringen. 1542 ist hierzulande
amtlich die lutherische Kirchenordnung eingeführt worden. Ist es nicht doch
verwunderlich, daß fast zwei Jahrhunderte später sich noch ein Aufzucken gegen
das Neue im hiesigen Gotteshaus bekunden sollte? Wir berichten nach einer im
Kieler Archiv aufbewahrten Niederschrift aus dem Jahre 1733.
Der in genanntem Jahre
hier eingeführte Seelenhirte Magnus Crusius will von einer Feier dieses Tages
nichts wissen; das sei papistisch, er kenne ein solches Fest nicht, und es
komme ihm vor, als habe die Sache bei den Bramstedtern einen abergläubischen
Hintergrund.
In der Folge ist dennoch
ein Teil der Kirchleute aus den Dörfern gekommen. Da gerade Handwerker im
Gotteshaus arbeiteten, sind die Leute unschwer eingedrungen, um nun eine Art
Gottesdienst abzuhalten. Eine besonders lebhafte Frau aus Armstedt hat das Amt
eines Vorsängers übernommen. Nachdem die Sache ihren Reiz verloren hatte, sind
sie abgewandert in die Krüge umher, um sich mit ihrem Werk zu brüsten. Der
überraschte Crusius wendet sich an das Visitatorium. Dieses will in der
althergebrachten Sache ungern etwas tun und zieht sich hinter den breiteren
Rücken des Königs zurück. Dieser verschafft sich durch den Oberkonsistorialrath
und General-Superintendenten Conradi die genaueste Information über Grund und
Ablauf des Vorfalles. Dann entscheidet er:
1. Dem Pastor Crusius sei ein Verweis zu erteilen
wegen der eigenmächtigen Aufhebung des Festes.
2. Die Hauptschuldigen aus der Gemeinde seien in
eine gelinde Geldstrafe zu nehmen, weil sie ebenso eigenmächtig gewesen wären
wie der Pastor, anstatt auf weg Rechtens ein Gesuch einzureichen.
3. Die Bramstedter seien bei der Feier dieses
Festes nach uralter Gewohnheit zu belassen.
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Am Schluß dieses etwas
brenzligen Kapitels noch im Auszug einige Ausführungen der Hauptbeteiligten.
Denn dadurch gewinnen wir wertvolle Einblicke in Stimmung und Empfinden der
Menschen jener Tage.
Also
Crusius an den König:
»Die Gemeinde feiert das
Fest, weil angeblich an diesem Tage der Bau der Bramstedter Kirche soll
vollendet worden sein. - Es ist aber nicht möglich, in den hiesigen
Kirchenbüchern eine Spur von Nachricht dieser Art zu finden. Es handelt sich um
eine leere Tradition der lieben Alten. Auch in dem Kirchenbuche, welches von
den Zeiten der Reformation selbst anfänget, ist nicht ein Buchstabe von diesem
Feste aufgezeichnet. Daher ganz falsch und ungegründet, was zur Bemäntelung und
Verteidigung dieses Festes möchte angewandt werden, als ob dasselbe zum
Andenken der Reformation in diesem Orte gefeiert werde.
Vielmehr ist aus der
Historie dieses Landes erweislich, daß die Ursache des erwähnten Festes in
hiesigen Gegenden einen ganz abgöttischen und abergläubischen Grund habe. Denn
so bezeuget eine alte und unverwerfliche Chronik mit klaren und ausdrücklichen
Worten, daß Anno 1227, als der König von Dennemark Waldemarus II. eben in
dieser Gegend am Tage Maria Magdalena vom Grafen Adolf von Schauenburg totaliter
geschlagen worden, so habe die heilige Maria Magdalena in derselben Stunde, da
die Schlacht bei Bornhövet sollte gehalten werden, nebst dem Kreuze Christi
sich praesentiret und sichtbarlich mit erhobener Hand die Feinde des Königs
Waldemar gesegnet und ihnen die victoria erhalten. Worauf denn Graf Adolph zum
Andenken dieses Sieges aus Dankbarkeit sollte verordnet haben, daß nun die
dasige Mörder-Grube solle in ein Haus des Gebets verwandelt und dieser Tag
feierlich gehalten werden. Aus diesem Fabuleusen und fraglichen Grunde kommt es
lediglich, daß das Maria-Magdalenen-Fest im holsteinischen Lande nur allein zu
Bornhövet und Bramstedt noch heutiges Tages gefeiert und an solchem Tage
öffentlich gedanket wird für die erhaltene victoria wider einen benachbarten
Potentaten.
Er, Crusius, habe das Fest
abgelehnt 1. als evangelischer Prediger und 2. als dänischer Prediger. Er
bittet um Bescheid, wie er sich zu verhalten habe, wenn nun das Fest wieder
herankommt. Damit er außer aller Verantwortung sein könne, weniger auch, damit
das unruhige Volk, welches ohnedem bekannter maßen in dieser gemeine gern ihren
Predigern verdrießliche Händel machen gewohnt ist, nicht ihrer caprice
gestärket und durch ferneres Nachsehen gegen das Amt ihres Predigers und
Seelsorgers aufsässig gemacht werde.«
Und nun Conradi, der
General-Superintendent:
»Die
Maria-Magdalenen-Feier in der Kirche zu Bramstedt sei uralt. Nie haben Fürsten
oder Geistliche derselben bisher widersprochen. Wenn alle Feste, die bei uns
aus dem Papischen übriggeblieben sind, beseitigt werden sollen, dann müsse eine
noch recht große Reihe verschwinden. Man könne auch das Maria-Magdalenen-Fest
sehr herrlich und erbaulich gestalten. In Wahrheit wisse weder der Pastor Cruse
noch irgendein Bramstedter über den Ursprung dieser Feier.
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Aus
der Kirchenverwaltung
Es soll hier berichtet
werden über die Verwaltung des irdischen Gutes, dessen natürlich auch die
Kirche nicht entbehren konnte, auch dann nicht, als Martin Luthers Lehre hier
den Sieg errungen hatte. In den Jahren des Übergangs von der katholischen zur
protestantischen Gotteslehre hat die Kirchenverwaltung durch Jahrzehnte etliche
Wirrung und Irrung durchlaufen müssen, die selbstverständlich in den Gemeinden
in unterschiedlichem Maße zutage getreten sind. Auch nach 1542, wo Johannes
Bugenhagen, Luthers Freund, eine schleswigholsteinische, wesentlich aus dem
Dänischen in das Plattdeutsche übersetzte Generalordnung geschaffen hat, war
noch viel Unruhe und Unfertigkeit zu überwinden, bis die Neuordnung der Dinge
überall auf sicherem Boden stand. Aus der Zeit der katholischen Verwaltung ist
unserer Gemeinde schriftliche Urkunde nicht erhalten geblieben; die
katholischen Priester haben zwar Meßbücher führen müssen, indessen bei ihrem
Abtreten davon nichts zurückgelassen. Ein blinder Zufall hat es gewollt, daß
mit einiger Sicherheit Nikolaus Möller als der Priester genannt werden kann,
der um 1400 im Kirchspiel Bramstedt seines Amtes gewaltet hat. Zwei hiesige
Bürger haben solches Anno 1448 durch Eid feierlich bestätigt, wenn auch der
Schwur nicht gerade auf solche Bestätigung hinzielte. Die Evangelischen haben
die Verwaltung des Kirchengutes in die Hand von vier, durch die Eingepfarrten zu
wählenden Männer, die man dann als Kirchschworene oder Juraten bezeichnete,
gelegt und zwar auf je drei Jahre. Sie hatten Buch zu führen und jährlich
Rechenschaft abzulegen. Anno 1568 ist, soweit erkennbar, zum erstenmal diese
Wahl erfolgt.
»Van wegen des kaspels
(Kirchspiels) sind gekoren:
dirich Rolefinch tho bramestede
hanß schacken tho wymerstorpe
junge hinrich krusen tho
barle
Jasper mertenß tho
armestede.«
Gewissenhaft
wird hinzugefügt: »Dith boek steith (kostet) 7 Schilling.«
In Gegenwart des
Kirchspielvogts Vageth wird der Kassenbestand der Kirche aufgenommen. Man
findet 60 Mark in Gold, 19 halbe Dhaler und ein Goldstück von 30 Mark (1
Portegleser-Ehrenschmuck); dazu einiges Kleingeld.
Es folgt in denkbar
einfachster Form die Abrechnung über das Jahr 1568.
Einnahme
Is de roggen uthgemeten, jeglicher schepel vor ene Mark |
|||
Timke ßchulte |
10
Himten |
jasper brockstede |
4 Himten |
hartich röpke |
2
Himten |
hanß gnuth |
5 Himten |
marquart wischmann |
2
Himten |
|
|
hanß brockstede |
4 Himten |
|
|
davor hefft he gearbeith up den altar |
27
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markuß kruse |
5 Himten |
johann
schulte |
8 Himten |
fabian
schomaker |
4 Himten |
dirich
rolefinch |
4 Himten |
hanß gnuth |
4 Himten |
harmen horn |
8 Himten |
hanß ruge |
6 Himten |
franß horn |
4 Himten |
hanß henneke (vor dat belge treden) |
2 Himten |
dirich
slüter |
2 Himten |
|
|
|
|
lorenz gosow |
4 Himten |
disse
baben schrewen |
roggen ys |
albert birck |
6 Himten |
betahlt. |
|
Ausgabe
De karksworen hebben
vorthereth, alse de roggen worth utgemeten 21 Schilling de karkherr hefft
entfangen vor wyn unde broth 9 Mark
noch hefft de karkherr
entfangen, wat de prauwsth (Propst) verthereth, alse he nha segeberge reisede 6
Mark
Casper rolefinch hefft
entfangen 7 schepel roggen, welkenen roggen he scholde up vastelawende
entfangen hebben,
noch Casper rolefinch
gegewen 1 Mark vor dat meßkleth (Meßgewand, eine katholische Erinnerung)
waschende.
noch hebben wy karksworen
dem karkherren gemethen 10 Himten roggen van der hür (Pacht) wegen von dem
bostel, dar de karkherr up gespraken (aufgekündigt) hefft.
noch hebben de achtmänner
vorthereth, alse se de holtinge (Holzteil) besegen, so thor karken gehört 24
Schilling,
hans hinnerk is noch
schuldich 2 Himten roggen.
Begründung
der Kornlieferung
Voraus nehmen wir zur
Kenntnis, daß durchaus nicht jeder Grundbesitzer im Kirchspiel zu solcher
Lieferung verpflichtet war, nicht einmal, wie wir sehen werden, in jedem Dorf
ein Pflichtiger zu finden ist.
Das Kirchenbuch gibt aus
Anno 1569 folgende Nachrichten:
Bramstedt. Henneke
Dyrk tho Hiddeshusen hefft gegewen einen reep (Stück) des Asbroke, de hefft
belegen gewesen tho hartich Bramstedes Katstelle, dar want nu thor tidt Jung
Hans Stamer Johann up und gifft den Karksworen jahrliches grund für 3 Mark.
Noch hefft de Kark Maria
Magdalenen ein Sadt (Acker), dor up Isern hinnach nu thor tiedt wanet, gifft
jarlikes auf lütt Fastelawendt 1/2 Drompt roggen.
Clawes
Jnuth hefft von dem Karkenherren eine Wische, genannt die Bornwische, darvor
jarliche renthe 6 Mark. Wen he datt geldtt nich lenger will uthgewen, so ys die
wische der karken.
28
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Hiddeshusen: De
Karsworen tho Bramstede entfangen jarlich uth eren sade, dor nu thor tidt
henneke Schacht up wanet, 20 Himten roggen up lütte vastelabendt. -ys nicht tho
Lösen.
Carsten Volscher ys der
Karken 240 Mark höwetstoell (Höftstuhl-Kapital) schuldig; die renthe ys 16
Himten roggen up lüdtke Vastelabend. - Is nicht tho lösen.
Borstel (gesprochen:
Basl): Henrich Kruse wanet up der Karken Bramstede Stede; davor methet he
jarliches up lüdke vastelabend 20 Himten roggen; wenn uns dat Sadt will
upseggen, schall dat eyn Jhar tho vooren geschehen.
Hagen: Timme
Sibberth thom Hagen gifft der Karken jahrlich lütke V. 2 Himten roggen. ys nich
tho lösen.
Hartich Mußfelds
nhagelatene Frau, de jetzigen dat Sadt noch bewanet, metet jarlichen 16 Himten
roggen; is nicht to lösen.
Brockstede: Junge
Timme Lindemann metet jarlichs der karken 3 Himten roggen; ys nicht tho lösend
uth dem Erwe (Erbe); »synd noch tho allen tiden gemetet worden.«
Hasenkrog: Clawes
Vischer gifft vor höwetstoell jarliches an rente 6 Himten roggen.
Hardenbeke: Timme
Stöcker alle Jhar vor einer Wische 6 Schilling up 1. V. Noch metet Timme
jarlich der karken 3 Himten roggen. Is nicht tho lösend.
Wiemersdorp: Hartich
Ordt von der karken Saedt jarliches up 1. V. ein Drompt roggen.
Jasper Stöcker alle 4 Jahr
4 Himpten roggen; is nicht tho lösend. Jasper Stöcker noch für hövetstoell
jarlichs 4 Himten roggen tho meten.
Fulendorp: Clawes
Musfeld gifft von der Karken Sadt jarlichs up 1. V. 20 Himten roggen.
Olde Timme Verst gifft den
Karksworen jarliches up 1. V. 2 Himten roggen; ys ewig uth dem Erwe tho gewen
und by der karken tho bliwen.
Itzehoe: Christoffer
Elers is der karken jarliches rente schuldig 5 Mark wegen hundert Mark hövet
stoell.
Dieser Nachweis der
kirchlichen Einnahmen belehrt uns, daß Anno 1568 weder die Gemeinden noch die
Eingepfarrten nach einer bestimmten Skala eine Kirchensteuer zu bestimmtem
Termin zu entrichten hatten. Soweit es sich um die Unterhaltung des Predigers
und seiner Familie handelt, hatte man durch die Zuweisung einer Vollhufe eine
gesunde Basis geschaffen; hinzu kamen die Gebühren für die mancherlei Dienste,
für welche die Geistlichen in Anspruch genommen wurden, sei es im Gotteshaus,
im Privathause oder auf dem Friedhofe. Immerhin fügte man freie Wohnung und
Wirtschaftsgebäude und deren Instandhaltung hinzu, auch noch »eiserne Kühe«,
für deren Beschaffung und Wiederverkauf zur rechten Zeit die Kirchschworen zu
sorgen hatten. Man darf sich den lutherischen Geistlichen jener Tage vorstellen
als einen Mann, der Kutschpferde zu zügeln wußte und mit landwirtschaftlicher
Hantierung vertraut war. Ein Seelsorger wird schon derzeit mehr erreicht haben,
wenn er unter seinen Pfarr-
29
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kindern lebte und wirkte,
statt über seiner Gemeinde seinen Platz zu wählen. Wer pflügen, säen und ernten
will, tut gut, sich an den Erdboden zu halten. Wer hat nun die Vollhufe
hergegeben? Sämtliche Ortschaften des Kirchspiels? Nein, allein der Flecken.
Wir sahen, wie die Kirchenverwalter einzelnen Hufnern und Kätnern in den
Gemeinden Geld aushändigten und dabei das Recht der Kirche sicherten durch
Verpfändung von Grund und Boden, sei es auf kürzere oder längere Zeit, auf
Zeit- oder Erbpacht oder auch, und nicht selten derart, daß eine Lösung für
immer ausgeschlossen wurde. Auf diesem Wege hat die Kirche 1568 und auch früher
schon und später noch in den Dörfern bald geringere, bald größere Parzellen
ihrem Eigentum eingefügt. Von einem Verfahren, das ein Stück Land in verhältnismäßiger
Größe und Güte aus den verschiedenen Gemarkungen dem Kirchenlande rechtlich
anschließen sollte, verlautet nichts.
Unsere Aufzeichnung aus
Anno 1568 nennt nicht Bimöhlen, Armstedt und Förden. Das ist wohl darin
begründet, daß B. bis zur Reformation Klostergut (Reinfeld) gewesen ist, A. zum
größten Teil desgleichen (Itzehoe).
Verpachtungen aus der Hufe
des Pastoren waren auch möglich, doch war auch dabei die Mitwirkung der
Kirchgeschworen nötig, ferner die Zustimmung des Visitatoriums.
Auffallen mag es, daß die
Grundpacht und die Vergütung für Anleihen in so erheblichem Umfange durch
Roggenlieferung gedeckt wird. Das ist aber nur einem Zustande gemäß, der in
jenem Zeitalter und noch durch ein paar Jahrhunderte weiter in Holstein
allgemein im Schwange war; dem entspricht ja auch, daß man den Pastor in der
Hauptsache auf die Nutzung seiner Hufe anwies; auch die Entlohnung der
Tagelöhner (besonders beim Dreschen), der Knechte und Mägde wurde wesentlich
durch Hergabe von Naturalien erledigt. Die Einführung der Geldscheine ist ja
auch nur eine beschränkte Verbesserung; gerade das 20. Jahrhundert hat uns
eindringlich belehrt, daß ein Sack Korn mehr bedeuten kann als eine Handvoll
Geld.
Anders steht es um die Art
und Weise, wie die Lieferung des Roggens, dat Utmeten, sich vollzog. Dafür
wurde ein Termin festgesetzt, Ort war die Grotdäl in der Scheune, wohl auch im
strohgedeckten Wohnhaus des Pastoren; die Kirchschworen hatten das Messen zu
besorgen oder wenigstens zu überwachen, wobei auch die Qualität des Korns in
Betracht kam; die nötigen Maße hatte die Kirche bereitzuhalten. Der Pastorin
fiel es zu, den liefernden Bauern, die zum großen Teil einen langen Weg zu
machen hatten, und zwar in der winterlichen Fastnachtszeit, gastlich mit einer
erquicklichen Mahlzeit aufzuwarten. Dazu tranken auch diese Deutschen ein Glas
gutes Bier, wohl auch mehr. Das Getränk ging zu Lasten der Kirche, und die
Kosten, welche die Geschworenen dafür zu verbuchen hatten, standen oft in einem
nicht unbedenklichen Verhältnis zum Werte des Kornes.
In diesen bedenklichen
Zugaben zur an sich erfreulichen Kornlieferung lag der Keim zu späterer
Änderung; zuerst wurde die pastörliche Küche von der Beköstigungspflicht
befreit, und im 19. Jahrhundert haben die Kornlieferungen.
30
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überhaupt aufgehört. Im
Jahre 1875 sind auch die Verpflichtungen zu »nicht zu lösender« Grundrente
durch Landesgesetz aufgehoben worden; an ihre Stelle trat eine im Laufe von 56
Jahren zu bewerkstelligende Ablösung durch gleichbleibende Jahresraten. Das
Wort »Kanon«, als welchen man die »unlösbare« Belastung des Grundbesitzes gern
bezeichnet hatte, ist inzwischen ein seltener Gast in unserer Sprache geworden.
Noch möchte ein Wort
angebracht sein zu der Feststellung, daß, soweit erkennbar, der Flecken allein
die Hufe für das Pastorat hergegeben hat, ohne also die Dörfer heranzuziehen.
Einmal stand es im Rechtsbereich des Landesherrn, in solchem Sinne Entscheidung
zu treffen, wie Christian IV. viel später fünf Hufen aus der Bramstedter
Gemarkung seiner Wiebke zugewendet hat, ohne Entschädigung dafür geleistet zu
haben. Zudem wird man glauben dürfen, daß schon die Bramstedter jener
fernliegenden Zeit, wo hier die Kirche gegründet und ihre Ausstattung
vorzunehmen war, nicht blind gewesen sind hinsichtlich der wirtschaftlichen
Vorteile, die der zu erwartende Kirchenbesuch aus zwölf Dörfern manchem
Fleckensbewohner, nicht allein den Gastwirten, in Aussicht stellte. Man
übersehe nicht, daß durch Jahrhunderte der Kirchenbesuch nicht Ergebnis der
freien Entscheidung, sondern gesetzlichen Zwanges gewesen ist. Auf festlichem
Stuhlwagen mit gepolsterten Sitzen rückte der Bauer mit seiner Familie, auf
Leiterwagen mit quer aufgelegten »Sitzbrettern« und Stroheinlage zum Schutz
gegen Kälte und Wind rückte das Gesinde am Sonntage heran zum Gottesdienste,
und die Gelegenheit zu dieser oder jener Besorgung wurde gern benutzt. Die groß
angelegte schützende »Durchfahrt« in der nahe gelegenen Gastwirtschaft war
geradezu eine Notwendigkeit.
Bei dargebrachter
Beschaffenheit der Einnahmequellen der Kirche hat eine vom »Stadtholder« dem
Propsten aufgetragene Revision 1569 ergeben:
1. De Kark hefft an Roggen in tho kommende 8 Drompt
21 Himten
2. an Gelde von liegendem Erwe und Renthen 11 Mark
3 Schilling 6 Pfennig.
3. Noch hat sich ein Barbestand von 88 Mark
ergeben; dieses Geld sollen die Geschwornen zugunsten der Kirche auf Rente don
(tun, geben).
4. Bei Casten Tiedke tho wymerstorppe syn etliche
Johr alle Jor 4 Himten Roggen untstendigk; dat scholen se inmanen un denn up
Renthe don.
5. Wegen 1 Drompt Roggen, die Casten Fülscher
jährlich geben sollte in Auswirkung einer Erbschaft, hat der Statthalter
(Ranzau) mit Fülscher verhandelt und vereinbart, daß gegen Erlegung von 170
Mark genannte Verpflichtung entfällt. Darüber wurde »besegelder Brief«1)
ausgefertigt und dem Pastorat aus gehändigt. - Auch dieses Geld wird den
Karksworen gegeben, daß sie es auf Renten »don« und die Rente jährlich dem
Pastor geben. (Hier handelt es sich offenbar um Vermächtnis zugunsten des
Pastorats. Es braucht kaum gesagt zu werden, daß ähnliche Legate auch für die
Kirche gestiftet worden sind; sogar ein Knecht in Wiemersdorf hat sich dessen
nicht enthalten wollen.)
Es ist nicht unauffällig,
daß die Kirche nicht nur aus »ewigen«, nicht zu lösenden
________
1)
Vertrag
31
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Verträgen, sondern auch
zeitlich bedingten keine Zinsen, statt dessen aber Rente zieht. Wir haben es
hier mit einer Auswirkung des katholischen Zinsverbotes aus dem Mittelalter zu
tun; jeder Zins sei Wucher, also strafbar. Da sich dieses Verbot länger
erhalten hat, als man seine Richtigkeit und Zweckmäßigkeit anerkennen konnte,
so schlug man diesen Seitenweg ein, der freilich nicht dem ursprünglichen
Begriff einer Rente gerecht wurde. - Die Kirche forderte damals für jede
Kurantmark ausgeliehenen Kapitals 1 Schilling Rente, d. i. 61/4
vom Hundert.
Noch ein Blick in die
Schatzkammer unserer Kirche. Man fand in geschlossener Kiste: eine silberne
Monstranz, zwei vergoldete Kelche, eine silberne Büchse und einen silbernen
Löffel, ferner zum alltäglichen Gebrauch bei den Kranken einen kleinen
silbernen Kelch; endlich noch eine silberne und eine irdene Patene: zierliche
kleine Schalen, worauf die Oblate dargereicht wurde.
Hiermit ist das Tor zum
Arbeitsbezirk der Kirchgeschwornen geöffnet. Sie nun an Hand der jährlich
abzuhaltenden »Rekenschop« zu begleiten, immer nur das Lesenswerte beachtend,
soll unsere nächste Aufgabe sein. Das alte Kirchenbuch gibt aus einem vollen
Jahrhundert die Gelegenheit dazu.
Anno 1573 finden wir zur
Rechnungslegung versammelt: Ehrwürden Herrn Probst Johannes Vorstius,
Borsfleth, Nikolaus Winterberg, Pastor Isaak, Detlev Wolders, Diener des Herrn
Statthalters Hinrich Rantzau, Jürgen Karspelvagt, die »Olden und nien
karksworen« und die acht deputierten Männer.
Was lag vor?
»Derwile de olden
Karksworen sick beklaget, dat se an roggen bestalen und das auch etzliche
schuldt bei den Leuten, als Jasper Titken nahstendigk, so haben Inen de Nien
karksworen und die Acht deputirten solche 10 Mark 13 Schilling nachgegeben und
die Rechenschaft als klar und beschlossen angenommen; jedoch soll man von Jasper
Titken die schuldt fordern.«
»Ferner ist zu vermerken,
daß künftige Zeit Jasper T. vor die 12 Mark, davor he gegeben 4 Himten, schall
geben 12 Schilling. Demnach fällt die Roggenrente um 4 Himten und beträgt nun 8
Drompt 5 Himten, dagegen steigt das Rentegeld um 12 Schilling.
Die Kiste in der
Garve(Schatz)kammer zeigt einen Zuwachs: »alte Krallen (Korallen) und
Bernstein, foffeken mit sülwern Ringe«.
Im nächsten Jahre werden 8
Drompt und 5 Himten umgerechnet mit 147 Mark 12 Schilling. »Derwyle awerst in der
methe an roggen gefelet 6 Himten, to gelde gerekent 4 Mark 8 Schilling, so is
de Summe in Wahrheit 143 Mark 4 Schilling«. (Die Mark ist 16 Schilling; danach
läßt sich hier berechnen, daß 1 Drompt = 24 Himten ist. - Der Verfasser.)
1577 ist auch Pastor Nicolai
aus hilligenstede anwesend bei der »Rekenschop«. In welcher amtlichen
Eigenschaft er hier waltete, ist schwer festzustellen. »Wyle die Karke dit Jar
mit niger Decke gedecket und dortho geldes bedarwett, is de Monstrantz (ein
Erbteil aus katholischer Zeit), weleke beth tho her by der Karken erholden,
vorkofft; woch 55 loth, dat loth tho 14 Schilling, sünd in Summa 59 Mark 8
Schilling.«
32
-----------------------------------------------------------------------------------
»Darvor de Karksworen im
thokünftigen Jar rekenschop dhon scholen.« Anno Domini1) vyffhundert
Acht und Söwentich den ersthen July fand diese Abrechnung statt. Ein
anspruchsvolles Jahr war verstrichen. Die ordinäre Einnahme reichte entfernt
nicht, auch der Erlös der Monstranz verschlug nicht.
Man schaffte noch herbei
Vor kalk und olden Kinderhus upgeböret |
52 Mark |
8 Schilling |
|
So ock eine gemeine tholag (Umlage) von dem Bleke
und Kaspel tho den Klocken |
306 Mark |
8 Schilling |
|
durch Aufkündigung von Kirchenkapital |
109 Mark |
4 Schilling |
|
Alles in allem brachte man zusammen |
830 Mark |
7 Schilling |
6 Pfennig |
Demgegenüber die tatsächlichen Ausgaben: |
466 Mark |
15 Schilling |
|
Vor de beiden Torme, den klenen nye tho bauen und
den groten uttobetern |
282 Mark |
7 Schilling |
|
Vor de beiden Klocken, desülwen tho geten, thosamen |
365 Mark |
4 Schilling |
|
So schließt diese Aufrechnung mit einem Unterschuß
von |
284 Mark |
2 Schilling |
6 Pfennig |
Zur Abdeckung haben die
Karkschworen hundert Gulden aufgenommen, wofür die Kirchenkasse die Rente
aufzubringen hat, bet se ganz bethalet hett.
Wo ist der kleine Turm
geblieben? Was hat es mit dem Kinderhause auf sich? (Das Kinderhaus war ein
Anbau, in dem die Täuflinge mit ihren Angehörigen warteten, bis der Pastor sie
abholte.)
1580. Ehrsamer Herr
Winterberg, dessen Wohnort nicht genannt wird, und der Kirchspielvogt Vageth
nehmen immer teil an der »Rekenschop«.
Aus Anno 1593 wird
traurige Kunde gemeldet. Die in der Kirchenkiste schlummernden Schätze: der
Geldüberschuß vom vorigen Jahr, 75 Mark 6 Schilling, der Überschuß von 1593, 57
Mark 3 Schilling, und die noch vorhandenen Abendmahlsgeräte lagen
eingeschlossen. Durch Diebstahl gingen die Geräte zum Teil, das Geld aber
restlos verloren.
An Stelle des Herrn
Nikolaus Winterberg war diesmal Johannes Vorstius, Pastor zu Borsfleth, anwesend.
Das Jahr 1595 machte
wieder eine »tholage« nötig, weil die Kirche mit weiteren zwei Glocken
ausgestattet werden sollte. Es waren ja zwei Türme vorhanden, und bis dahin
waren auch nur zwei Glocken eingebaut. Die Kosten stehen zu Buch mit 555 Mark 2
Schilling 9 Pfennig. Die »tholage« erzielte 343 Mark 13 Schilling, also fast 40
Mark mehr als die erste Einwerbung von 1578.
Es offenbart sich hier
eine erfreuliche Bereitschaft der Eingepfarrten, die auch in harter Zeit nicht
versagte. Doch fehlte es nicht völlig an gegenteiliger Haltung; sie fand sich
dort, wo man sie am wenigsten vermuten möchte. Der Statthalter
__________
1)
Das Jahrtausend wurde nicht selten ausgelassen.
33
-----------------------------------------------------------------------------------
Rantzau war damit so wenig
einverstanden, daß ihm eine Brandmarkung angebracht erschien. Das Kirchenbuch
gibt darüber folgende Kunde:
»Tho gedenken, dat der
Statthalter (der Herzogtümer) Hinrich Ranzau befalen, alhir thor gedechtnisse
her tho setten, dat Gert Steding sich geweigert, tholage tho don tho düssen
klocken.«
Die Kirchenglocken haben
auch so unverdrossen ihren Dienst geleistet, und die Gemeinde hat die kleine
Unterbilanz des Jahres - rund 80 Mark - bald überwunden ; im Jahre 1599 war
bereits ein Guthaben von nahezu 500 Mark eingespart. Das neue Jahrhundert nahm
für die Finanzen der Kirche einen guten Anlauf. Propst Matthias Clodius führte
eine feste, sichere Hand. 1605 verabschiedete er sich unter Hinweis auf die
überschießenden 681 Mark 10 Schilling 1 Pfennig von den Kirchgeschworen mit der
Mahnung, dies Geld zu wahren und zum Besten der Gemeinde zu verwenden.
Im nächsten Jahre - 1606 -
wird unter den Einnahmequellen zum erstenmal das Klockengeld genannt,
allerdings mit einem Betrage = Null. Da ist wohl anzunehmen, daß das Läuten den
Leuten bislang keine Kosten verursacht habe; denn daß vorher überhaupt nicht
geläutet worden sei für die Hochzeiten und für die Toten, das ist wohl nicht zu
denken.
1607 hat dann ein
Klockengeld aufzuweisen: 7 Mark 2 Schilling. Der Herr Pastor Hamerich hat zu
dieser Buchung einen vielseitig strahlenden Stern hinzugefügt, als wolle er
eine schöne, neue Zeit begrüßen.
Anno 1609 bringt Matthias
Clodius, der inzwischen nicht versäumt hatte, seine Mahnung an die
Kirchgeschwornen alljährlich in melodischem Gleichklang zu wiederholen, eine
Neuerung in die Handhabung der geldlichen Angelegenheiten, die ihn als
sorglichen Verwalter kennzeichnet. Ihm gebührt, eigenen Bericht zu erstatten:
»Derwyle befindlich ut
vorigen Rekenschöppen, dat de Karke etliche mahl den Karkschworen iß schuldig
geblewen, also dat keine Reste bliwen mögen: Nu awerst thom Rentegelde von den
Resten, na Jaren thogedan und vermehret, alse (wie) uth dissen Rekenschöppen
tho sehende: So hefft man nunmehr, umb betern narichtinge willen, den
hovetstoll (Grundkapital) nicht wollen mit in de Jarliche Inname setten,
sondern alleine de Rente, dormit man erkennen möge, effte (ob) de Karkschworen,
mit der jarlichen hewinge (Hebung, Einnahme) können thokamanen (ausreichen) und
voröweren (erübrigen): Befindet sick demna, dat de Inname disses Jhares gewesen
211 Mark 11 Schilling. - Wenn nu hier affgetagen wart de uthgawe alse 157 Mark
4 Schilling 6 Pfennig, So bliwen de Karkschworen der Karken schuldig 54 Mark 5
Schilling 6 Pfennig. - Hiervon hebben de Karkschworen up Rente gedan 50 Mark;
darvon dat thokamende Jhar de Rente schall folgen: ock wat se sonst utgedan von
folgender hewinge: Is nu veraffschiedet (abgemacht, beschlossen), dat de
Karkschworen alle Jhar den Rest in einer schöttel (Teller, Schüssel) schölen
dar leggen und tellen laten.«
Mit dem Klockengeld wollte
es nicht vorangehen. Statt der erstmaligen Einnahme von gut 7 Mark Anno 1607
folgen in den nächsten Jahren: 3 Mark,
34
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2 Daler; 2 Mark 1
Schilling; 8 Schilling; 2 Mark 6 Pfennig; -; -; 2 Mark; 1 Mark 13 Schilling -
und erst das Jahr 1618, Beginn des Dreißigjährigen Krieges, zeigt eine
Steigerung auf 5 Mark.
Von
Spenden
Anno 1606 am 16. September
ist dem Kirchenbuche folgendes Vermächtnis einverleibt worden, und zwar durch
mehrgenannten Propsten Matthias Clodius: »Tho gedenken, dat in bywesende
vorgedachten Erwürdigen, Erbaren und Ersamen Herrn Pastorn, Caspelvagt und
Karkschworen, huden dato (heute) na vollendinge der Rekenschop, by nüchterem,
wolbedachten freyen mode (Zumutesein, Gesundheit) und Willen Marten Mertens
(derzeit Kirchgeschworner) der Karken tho Bramstede verehret 100 Mark lubsch,
welkere 100 Mark itz stan alhir tho Bramstede by Hanß Fulendorp, de den
Karkschworen na sinen Dode scholen vullen kamen ane Jennige (irgendeine)
Inspringe (Eingreifen, Hindern) tho fernerer Rekenschop thogestellet werden.«
Anschließend ist am 11.
Juni 1616 eingetragen worden:
»Tho gedenken, dat de 100
Mark von Marten Mertens Anno 1606 gegewen, nicht alleine in voller Rente gan
und von hanß vulendörpe Jarlikes entrichtet wart, besonders (sondern) datt ock
Hans Mertenß huden dato, up disser geholdenen Rekenschop der Karken tho
Bramstede verehret und gegewen 50 Mark lubsch, welkere he uth orsaken gegewen,
dat em sin Endt angegewen worden, alse he in Delinge (Aufteilung) der geerbten
güder recht gehandelt: wo he denn ock der orsaken halber vor den Armen tho
Segeberge 30 Mark lübsch gewen schall.« Im Jahre 1620 ist die Kirche ihrerseits
Spenderin, indem sie »thor Glückstadt möten gewen 150 Mark«. Die Ausdrucksform
deutet hin auf Zwang, auferlegt durch Christian IV., der damals viel Geld für die
Gründung und Ausgestaltung dieser Stadt verbraucht hat. Von Überschwemmungsnot,
die diesem »künstlich geschaffenen« Orte allerdings reichlich widerfahren ist,
weiß Glückstadts Chronik aus genanntem Jahre nichts zu berichten.
Im nächsten Jahrzehnt sind
nur drei Jahresberichte abgelegt worden: 1622, 1625 und dann wieder 1631. Es
ist ein Merkmal dafür, wie schwer der unglückselige Religionskrieg in die
gewohnte Lebensordnung unserer Vorfahren eingegriffen hat. Schon die Rekenschop
von 1622, die letzte, die der wackere Matthias Clodius geleitet hat, ist nicht
ohne Störung geblieben. Darüber soll berichtet werden. Wirkende, neben
Genanntem, waren: Erwürdige und Wohlgelerde Herr G. Nikolaus Winterberg, Pastor
tho hilligenstedt, Convisitator, und Herr Johannes Hamerich, Pastor
hieselbst, sehr krank, und wolgeachte Erbare Casper Vaget, Caspelfagt, und
sämtliche Karkschworen, alse Markus Losemann, Hanß Hardebecke, Tewes Hardebecke
und an des Seligen Albrecht Stamerjohans Stelle erweldter Jochim Westphale.
Die Revision ergibt, daß
die Einnahme mit Einrechnung des Bestandes vom vorigen Jahre 888 Mark 13
Schilling beträgt. Eine Sorge um die Deckung der laufenden
35
-----------------------------------------------------------------------------------
Ausgaben lag noch nicht
vor. Auch nach Verlust von 2 Mark 4 Schilling, den die Verausgabung der bislang
von der Kirche gehüteten Daleren (Taler) verursacht hatte, hatte nicht
gehindert, dem Sohn des Pastoren 3 Mark 6 Schilling zu verehren. Aber es fehlte
die rechte Ordnung. Möge noch einmal Clodius das Wort nehmen. Wiederum ist Geld
»up Rente gedan«. -
»De wile awerst de Rente
dat folgende Jhar wart erst thor Rekenschop kamen, so is de hövetstol als eine
Uthgawe mit gesettet, nademe de Selige Albrecht Stamer Johann em by sick
beholden und solke grote Inname gesettet wegen Schwachheit seines Verstandes;
Solches wedder in richtigkeit tho bringende hefft de nottorft (Notlage)
erfordert, de gelder, so up Rente gedan, besondrigen tho settende, und befindet
sick, dat, wenn einß vone andren affgetogen wart, dat also der Selige Albrecht
Stamer Johann noch öwrich gehat 6 Rickesdaler, Iß 18 Mark und noch 4 Schilling.
- Wenn nu disses 1622. Jahres Hewing (Einnahme) dor tho gedan wart, befindet
sik, worvon de Karkschworen scholen kunftig Jar Rekenschop dhon.«
Die nachfolgende
Aufstellung ergibt einen Betrag von 282 Mark 14 Schilling. Solches Geld wird
Jochim Westphal »thogestellt«, womit auch ihm an erster Stelle die
Verantwortung zufallt.
Clodius unterläßt nicht,
um restlose Klarheit zu schaffen, folgenden Nachtrag niederzuschreiben:
»Noch
sint by dem Herrn Pastoren 100 Mark ane Rente.
Noch sint by Hans Hardebecke 100, de künftig Jhar 5 Mark Rente bringen.
Noch sint ohne de 100 Mark, so by Albrecht Stamer Johan im Register stan, noch
100 Mark, de nicht tho Register gebracht: darvan künftig Jar wardt ein beter
Register in guder richtigkeit
folgen.«
gez.
Matthias Clodius
Es ist anders gekommen,
als Clodius gedacht und geplant hatte. Erst nach drei Jahren gab es eine Rechenschaft
abzulegen, woran er nicht beteiligt sein konnte. Dethlevus Meyer war an seine
Stelle getreten. Es wurde im wesentlichen nur festgestellt, daß die Bramstedter
Kirche nach allen Ausgaben noch 322 Mark 8 Schilling in Besitz hatte, die ihr
auch zu weiterer Verfügung blieben. - Ferner wurden die 100 Mark, so bei Stamer
Johan im Register standen laut letztem Bericht, gänzlich kassiert, und zwar
»dewile man keinen >Hauptbrief< hatte, damit sie bescheinigt werden
konnten«.
Wir lassen die Möglichkeit
offen, daß in vorliegendem Falle erwähnte »Schwachheit des Verstandes« dem
Inhaber keineswegs zum Schaden geworden ist. Die nächsten Abrechnungen
beschäftigen sich mit rückständigen Leistungen und kommen zu befriedigendem
Ergebnis - Nur die Vikarie, ein Nebengebäude gegenüber der Kirche, wo in
katholischer Zeit die Vikare, Hilfsgeistliche, ihren Unterschlupf hatten, nun
aber Mietsleute wohnten, machte Sorgen. »Wegen vorfallender Strittigkeit« ließ
man diese Sache vorläufig ruhen. - Auffällig ist, daß fortan statt einer Unterschrift
deren vier vorzufinden sind. Für 1634 unterzeichnen: Vitus Barbarossa, Propst;
Henricus Wichenius, Pastor zu Wilster; Henricus Galenbecius, Pastor zu
Bramstedt; Johann Vagett, Kirchspielvogt.
36
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Anno 1636 gestaltete sich
die Abrechnung besonders umfangreich und schwierig. Der Amtmann von Buchwald,
erbgesessen zu Pronstorf, hatte wohl deshalb seinen Amtsschreiber von Lange
delegiert. Umfängliche Reparaturen in der Kirche, dazu der Wiederaufbau eines
Turmes, hatten ungewöhnliche Kosten gezeitigt. Kirchenkapital wurde eingezogen,
eine erhebliche »Zulage« im Kirchspiel erhoben. Einer Gesamtausgabe von 5615
Mark stand eine Einnahme von 5605 Mark gegenüber. Glücklicherweise stand
derzeit kein Feind im holsteinischen Lande. So konnte die Umlage zum
überwiegend größeren Teile eingezogen werden; der Betrag des restant
gebliebenen Geldes belief sich auf 190 Mark 9 Schilling und verteilte sich wie
folgt:
Armbstede |
5 Schuldner mit je |
6 Mark |
|
|
Hiddershusen |
6 Schuldner mit zusammen |
42 Mark |
9 Schilling |
Diese Gelder |
Vörde |
1 Schuldner mit |
6 Mark |
|
einzutreiben |
Brambstede |
9 Schuldner mit zusammen |
28 Mark |
|
war Sache der |
Brambsteder Pflegegeld |
30 Mark |
|
Geschwornen. |
|
Von der Vikarie |
54 Mark |
|
|
Dieser ungewöhnlichen
Rekenschop wird noch angefügt:
»Zu wissen, daß bey dieser
gehaltener und dorch Jochim westfahlen und seiner mitgehülfen abgelegter
Kirchenrechnung berürter Jochim westpfal altershalben resigniret und
abgedanket, daraus seines aufrichtig geführten Kirchenvorsteher-Amptes halber
nicht zu beschuldigen gewesen. So sein auf beliebung des Königl. Herrn
Amptmannes zu den beiden vorigen Kirchgeschwornen, alß Tewes Hardtbeke und Hans
Mohr, noch zwene andre, alß Johann Bartels zu Bramstede und Marx Mohr zum
Borstell als jetzt neue erwehlet und eingesetzet, auch danach alle Viere in des
Herrn Prowstes Gegenwart mit eyde belegt (vereidigt) worden, der Kirche Bestes
zu wissen und zu befördern, dagegen aber allen schaden besten Vermögens zu
verhindern.
Bramstedt,
den 15. Okt. 1636.«
Nach der Art, wie die
Beeidigung durchgeführt wurde, ist zu vermuten, daß solche früher nicht erfolgt
sei; sie hätte sonst im gegebenen Zeitpunkte nur für die Neugewählten noch
einen Sinn gehabt.
1636 bringt noch eine
weitere, vom Amtmann bestätigte Verordnung:
»Wenn die Kirchgeschwornen
des Kirchengeldes oder der Zulage halber pfänden, so sollen sie berechtigt
sein, wofern die einlösung innerhalb 6 Wochen nicht geschieht, dieses pfandt
unparteilich aufs höchste als möglich zu verkaufen, umb daraus der Kirchen rest
zu erlangen und das übrige dem Schuldner zurück zu geben.« Im Jahre 1637 ergibt
die Einnahme rund 100 Mark mehr als die Ausgabe. Aber die Zahl der Restanten
ist noch nicht ganz auf die Hälfte gesunken. Dabei ist zu beachten, daß eine
neue Zulage von 600 Mark eingestellt werden konnte. Von diesem Jahre an werden
von der Roggenheuer 4 Tonnen eingestellt als Ausgabe für den Coster und
Belgentreder.
Anno 1640 gibt es einen
Auftrieb zu verzeichnen: Für Kirchenstände gehen 5 Mark ein, auch das
Klockengeld wird mit 3 Mark sichtbar. Dazu kommen 100 Mark von Christine
Nyemann, anscheinend als Spende.
Das nächste Jahr hat eine
hohe Zulage - 1275 Mark - nötig gemacht. Die nächste
37
-----------------------------------------------------------------------------------
Abrechnung erfolgte
vollgültig erst Anno 1646; inzwischen hatte der schwedische General Torstenson
das holsteinische Land schwer heimgesucht. Aus dem Jahre schallt es herüber:
»Weill bey weylandt des
wollwürdigen, andechtigen und wollgelarten Herrn Praepositi Matthiae Clodii
inspektion und dessen Vorgängern die Kirchenrechnung die Einnahme und Ausgabe
zu Buche geführt, daß da die Kirchschworen einnahme und außgabe eingeschrieben,
In dat andere de Herr Probst aber die Kirchen-Revision der Rechnung bestätigt,
unterschrieben und die Kirchschworen wegen richtiger Rechnung quitiret, Als
hett Herr Probst Virus Barbarossa löblich verordnet, das hinfüro von den
Kirchschworen solches alles observiret und wieder zu richtigem stand gebracht
werde, Wie solches auch in diesem Jahre geschiett. Und sind die Kirchschworen
gewesen:
Johann Bartels aus
bramstede, Tewes Hardebeck von WymerstorfF, Hans Mohr von Hardebeck, Marx Gryp
von Bostel.«
Die große Revision,
umfassend die Jahre 1643-46, bringt auf der Ausgabeseite etliche Ausgaben, die
noch heute nicht durchaus der Beachtung unwert sind.
Gebühr für den Herrn Probsten, berechnet für 4 Jahre |
12 Mark |
|
Dem Fuhrmann, der den Probsten gefahren |
3 Mark |
|
Zu dessen Pferde Haber |
1 Mark |
|
Da der Herr Probst von Ihro Königl. Majestät nach
Rends- |
3 Mark |
|
Auf des Königs allergnädigsten Befehl zur reparirung
der Rendsburger Kirche gegeben |
12 Mark |
|
Dem Pastor vor wein und Brot |
30 Mark |
|
Wegen der vierjährigen Rekenschop für Kost und andere Ungelegenheit |
12 Mark |
|
Vor Bier |
3 Mark |
|
Noch, da die Visitation gehalten, wegen Kost, Bier,
Rauch |
24 Mark |
|
Dem Organisten wegen seiner Hebung (Lohn in Korn) |
28 Mark |
|
Dem Belgentreder |
5 Mark |
|
Johan Bartels Schreibgeld |
2 Mark |
|
Den Heuerleuten (Roggenpflichtigen) und was die
Kirch- für Kost, Bier und andere Ungelegenheit |
36 Mark |
|
Hans Wulff, Gleser, für Fenster in der Kosterey und
der Kirche |
7 Mark |
3 Schilling |
Tytke Lose, de Lede (Schwelle) in der Kosterey
geleget, die und gezeunet mit Schachten |
3 Mark |
6 Schilling |
Hans Boye für Steinbrügken in des Pastoren Hoff |
2 Mark |
|
Johann Bartels ausgegeben den Reep zum Seiger
(Zeiger) |
3 Mark |
4 Schilling |
38
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Der Leser wird diesem
kleinen Register nicht nur entnehmen, daß vor drei Jahrhunderten das
Bramstedter Organisten- und Schulhaus ein Fachwerkbau mit eingeflochtenem
Zaunwerk und aufgestrichener Lehmwand war, sondern ein Vorbild dafür abgibt,
wie es um die Häuser des Fleckens überhaupt stand in jener Zeit. Vermutlich
sind noch einige andere Daten für nachdenkliche Beachtung geeignet. Anno 1647
gewann die Hoffnung auf baldige Beendigung des grausamen, unerhört langen
Krieges mehr und mehr an Kraft. Aber unserm Kirchspiel waren noch neue, harte
Schicksalsfälle zugedacht. Bedrückt schreibt Henricus Galenbeck, des
Kirchspiels Seelenhirte, in sein Buch:
»Ist durch Gottes Gewitter
am Tage Jubilate großer Schaden an der Kirche Turm geschehen. Zu dessen
Reparation ist von den Hufnern zugelegt 1 Reichstaler, von den Kätnern ½
Reichstaler und von den Insten 12 Schilling.« Er schließt eine willkommene
Aufstellung an, die mühelos einen klaren Überblick über die damalige
wirtschaftliche Struktur der Bevölkerung gibt. Danach sind zahlungspflichtig in
Bramstedt |
13 Hufner |
20 Kätner |
40 Insten |
mit zusammen |
33 Reichstaler |
Hitzhusen |
11 Hufner |
|
7 Insten |
mit zusammen |
12 3/4 Reichstaler |
Förden |
8 Hufner |
|
1 Inste |
mit zusammen |
8 ¼ Reichstaler |
Hagen |
10 Hufner |
|
3 Insten |
mit zusammen |
10 3/4 Reichstaler |
Borstel |
3 Hufner |
|
3 Insten |
mit zusammen |
3 3/4 Reichstaler |
Brockstedt |
8 Hufner |
2 Kätner |
|
mit zusammen |
9 Reichstaler |
Hasenkrug |
5 Hufner |
|
|
mit zusammen |
5 Reichstaler |
Hardebeck |
4 Hufner |
3 Kätner |
|
mit zusammen |
6 ½ Reichstaler |
Armstedt |
13 Hufner |
|
8 Insten |
mit zusammen |
15 Reichstaler |
Wymerstorp |
20 Hufner |
|
|
mit zusammen |
20 Reichstaler |
Bomohlen |
9 Hufner |
|
|
mit zusammen |
9 Reichstaler |
Fulendorp |
10 Hufner |
|
|
mit zusammen |
10 Reichstaler |
Von den 125 insgesamt zu
hebenden Reichstalern entfallen nur 33 auf den Flecken, der somit rund den
vierten Teil der Gesamtlast trägt; anders gesehen: Die 73 Zahler des Fleckens
zahlen zusammen 33 Taler = 99 Mark, Durchschnitt 1 1/3 Mark, die 128
Zahler der Dörfer bringen auf 92 Taler =276 Mark, Durchschnitt 2 1/6
Mark. Hält man das Verhältnis, nach welchem die Kirche ihre Umlage verteilte,
für richtig, so kommt man zu dem Ergebnis, daß die Kirchdörfer, im ganzen
genommen, wirtschaftlich erheblich besser standen als der Kirchort. Damit wird
denn auch verständlich, daß die Ratmänner so beharrlich darauf bedacht waren,
die Gründung neuer Feuerstellen, den Zuzug weiterer Insten, zu unterbinden. Was
uns als hart erscheint, war wohl doch einer Notlage zuzuschreiben. Es wird
angebracht sein, auch ein wenig davon zu vernehmen, was der Turmbau mit sich
brachte.
Erstlich Meister Benardt,
so den Turm gebauet,
Arbeitslohn |
58 Reichstaler |
|
Schmidtlohn Johan Bartels |
42 Reichstaler |
16 Schilling |
Holz und Breder |
8 Reichstaler |
12 Schilling |
39
-----------------------------------------------------------------------------------
Marx Lindemann vor einen Baum Mäckler |
5 Reichstaler |
|
Vor Botenlohn und Spornnagel |
4 Reichstaler |
|
Noch da de Contract in Johann Wolters Hus mit abwesende (Abwesenheit) vorzehret |
2 Reichstaler |
|
Zum Gottes Pfennige (an Benardt) |
3 Reichstaler |
|
Noch Marx Gryp (Kirchschwor) bey dem Turm aufgewartet 7 Tage |
7 Reichstaler |
|
Noch Hans Mohr 3 Tage, thut (macht aus) |
3 Reichstaler |
|
Noch Tewes Hardebeck 3 Tage |
3 Reichstaler |
|
Noch ist in allem bei dieser Arbeit vorzehret in
auf- |
3 Reichstaler |
|
Ungelde (Unkosten) wegen kleiner Münze, dar dor Reichstaler vor
eingewechselt zur Bezahlung an Herrn Amptschreiber |
1 Reichstaler |
|
Marx Gryp und Johan Bartels das Geld geholet von Segeberg verunkostet |
3 Reichstaler |
|
Hans Mohr, daß Er mitt dem Herrn Probst nach Rendsburg gewesen und 6 Tage dar gelegen, is |
9 Reichstaler |
|
Neues
Ungemach
bringt das Jahr 1648. »Am
Montag nach Esto mihi in der Nacht umb 11 Uhr (ist) ein groß Erdbeben
entstanden von datt Sturmwindt, wodurch der Kirche Turm herunter geschlagen und
dadurch die Kirche großen Schaden gelitten, daß 6 Nye Balken müssen wieder
darin sampt dem Sparrenwerk gebracht werden. Und ist zu erbauungh von dem Herrn
Amptmann Casper von Buchwalt beliebet worden, wyle die eingepfarrten sampt und
sonders gleiche Gerechtichkeit In der Kirche (haben), als an Kirchstenden,
Klocken und Begräbnis, daß Sie erste Zulage gleich (viel) geben, hernach aber
nach Advenant: die Howener den gantzen, die Kotener den halben und die Insten
den vierten Teil, und ist gegeben worden von jedem 2 Reichstaler.«
Die Wirklichkeit stimmt
nicht völlig mit dem Bericht überein, indem tatsächlich nicht »jeder« mit dem
Doppeltaler belastet worden, dessen Pflichtigkeit nach dem schönen
Grundgedanken des Herrn Amtmannes unbestreitbar sein mußte. Man entdeckte neben
den Hufnern, Kätnern und Insten noch zwei andere: Inste bei Inste (wohnend) und
alleinstehende Frauen. Erstere sind mit 1 ½ Mark, letztere nach Befinden in die
Liste eingestellt worden.
So kam folgende Liste
zuwege:
Bramstedt: |
13 Hufner, 19 Kätner, 33 Insten je 6 Mark |
390 Mark |
|
|
9 Bey Insten je 3 Mark und 2 ½ Mark für |
29 ½ Mark |
|
40
-----------------------------------------------------------------------------------
Hitzhusen: |
11 Hufner und 7 Kätner oder Insten, dazu 1 Inste bei
Insten |
109 Mark |
|
Förden: |
9 Hufner |
54 Mark |
|
Hagen: |
9 Hufner und 2 Kätner, dazu 3 Insten bei Insten |
72 Mark |
|
Bostel: |
3 Hufner und 3 Kätner |
36 Mark |
|
Brockstede: |
8 Hufner und 2 Kätner |
60 Mark |
|
Hasenkroge: |
5 Hufner |
30 Mark |
|
Hardebeck: |
5 Hufner und 3 Kätner |
42 Mark |
|
Armstede: |
11 Hufner und 8 Kätner, dazu
1 Inst bei Insten mit 3 Mark 14 Schilling |
117 Mark |
14 Schilling |
Wymerstorp: |
17 Hufner und 2 Kätner, dazu 2 Insten bei Insten und
2 Frauen |
124 Mark |
|
Bohmohlen: |
10 Hufner und 1 Inst bei Insten |
61 Mark |
8 Schilling |
Fulendorp: |
10 Hufner |
60 Mark |
|
Die
Kirchgeschworen, nun auch wohl Juraten genannt, haben nicht alles herein
bringen können. Am Tage der Rechenschaft wurden als Restanten verbucht:
in Bramstedt: 2 Hufner, 8 Insten, 3 Insten bei Insten,
in Armstedt: 3
Hufner,
1 Inste bei Insten,
in
Hagen: 1
Hufner,
1 Inste bei Insten,
in
Hitzhusen:
2 Insten bei Insten,
in
Brockstede:
2 Insten bei Insten,
in
Hasenkrog:
2 Insten bei Insten.
Es läßt sich nicht
verkennen, daß auf dieser Liste der Flecken sich überragend den ersten Platz
gesichert hat. Wer aber will sagen, daß sich darin etwa Feindschaft gegen die
Kirche offenbare? Konnte nicht das vom adeligen Herrn Amtmann erdachte System
der Zahlungsweise verletzend wirken auf die »kleinen Leute«? Hat ihm daran
gelegen, sich bei den Besitzenden beliebt zu machen? Vielleicht auch fehlte ihm
die Kenntnis des Bibelwortes, wonach es dem reichen Manne maßlos schwer sein
wird, Eintritt in das Himmelreich zu erlangen? Hätte er diesem Gedanken Raum
gegeben, so hätte er als mitberufener Schutzherr des Kirchendienstes nicht der
Pflicht ausweichen dürfen, in dem gegebenen Falle gerade die Wohlhabenden daran
zu erinnern, daß die Stunde gekommen sei, Opfer zu bringen, um Gunst zu
gewinnen nicht nur bei den Mitmenschen, sondern auch bei ihrem himmlischen
Vater.
Der Preis für pünktliche
Pflichterfüllung wäre im gegebenen Falle den Ortschaften Bohmohlen, Förden,
Fulendorp, Bostel, Hardebeck und Wymerstorp zuzuerkennen, da dort niemand
restant geblieben ist. Armstedt dagegen hat sich recht zurückhaltend erwiesen.
Liegt es daran, daß es auffallend viele Kätner beherbergte? Darf man den
überraschend großen Ausfall auffassen als einen Hinweis auf den Namen dieses
Dorfes?
Doch folgen wir noch
einmal dem Wiederaufbau der Kirche, der unter der Aufsicht der Juraten
bewerkstelligt wurde.
41
-----------------------------------------------------------------------------------
Vor Holz aus der
Segeberger Heide, mit des Holzvogtes
Zehrgeld........................................................................................
66 Mark
Jochim
Steiner für einen Balken ...............................................
6 Mark
Clawes
Maes für einen Balken...................................................
6 Mark
Hans
Finck wegen Verdingung laut Vertrag............................
60 Mark
Für
Trinken und Essen wegen der Börung..............................
3 Mark
Noch
der Finkeschen für Bier gegewen, da die Tymmer-
leute verdinget, das Sporwerk samt Balken auf die Kirche
zu bringen, ferner da mit Meister David wegen Erbauung
des Turmes, ingleichen mit den Mauerleuten in Gegenwart
der
Juraten.....................................................................................
11 Mark 1 Schilling
Meister
David zum Gottesgeld gegeben..................................
4 Mark
Meister
David auf seinen bedungenen Arbeitslohn (Rest 33) 347 Mark
Zehrung
wegen Börung des Turmes........................................
9 Mark
Meister
David, das Beinhaus zu verfertigen, und daß er
wegen Mangelung der Sporn-Nagel von der Arbeit gehen
Müssen..........................................................................................
3 Mark
Noch
Hans Fink, daß er die Latten abgenommen und
wieder
aufgenagelt, da das Holldach gelegen.........................
5 Mark 8 Schilling
Noch
daß er mit Johan Hohn am Spyker gearbeitet . . .
. _ 5
Mark 8 Schilling
Noch
daß er die Schechte zum Spyker des Pastoren aus
getan (geliefert)............................................................................
1 Mark
Johan
Hohn, die Latten mit Hans Fink aufgeschlagen und
am
Spyker gearbeitet 7 Tage
....................................................
7 Mark
Für
Bier, da M. David seine Arbeit verfertiget und Hans
Fink
mit ihm Rechnung zugeleget..............................................
3 Mark
M.
David, Schlapgeld
................................................................
3 Mark
M.
David, im Turm die Klocke ausgenommen u. eingebracht 7
Mark
Vor
Spornagel, mit Botenlohn....................................................
3 Mark 6 Schilling
Noch
Dirich Rosenow laut seines Zettels................................
2 Mark 1 Schilling
Max
Boye wegen des Meklers, da der erste heruntergefallen
12 Mark
Jochim
Hebell, vor des Pastoren Spyker, Bohl und Lede
darunter
to
leggen........................................................................
2 Mark
Clawes
Lendförden, an des Pastoren gearbeitet mit Johan
Hohn...............................................................................................
1 Mark 1 Schilling
De
Sagers (Säger) vor die Latten zu schneiden.......................
1 Mark 2 Schilling
Dem
Boten, so unterschiedlich ausgesandt, die Zulage
einzubringen..................................................................................
1 Mark 6 Schilling
Noch
selber die Juraten wegen Mangelung der Gelder im
Kirchspiel gehen müssen mit Androhung der Execution;
verzehret
.......................................................................................
2 Mark 14 Schilling
Für
1000 Blaffert Nagel (breitköpfige eiserne) von de
Glückstadt......................................................................................
12 Mark 8 Schilling
42
-----------------------------------------------------------------------------------
Den
Sagern: Gerdt Westphal und Casten Hein........................
37 Mark 5 Schilling
Den
Sagern: Junge Gloy und Hinrich Gerdes .........................
39 Mark 6 Schilling
Den
Mauermann, daß er Überschlag gemacht, wieviel
Kalk
und Pannen...........................................................................
8 Schilling
Dem
Handlanger Hans, daß er die Pannen abgenommen
und gereinigt, auch zerfallene Däl (Diele) in der Kirche
gebessert........................................................................................
4 Mark
Vor
Pannen, so von Peter Junge bekommen............................ 180
Mark
Noch
hat Hans Mohr
geholet..................................................... 174
Mark 4 Schilling
Den
Mauerleuten die Kirche verdinget für .............................
110 Mark
Noch
für das Beinhaus gegeben................................................
2 Mark 4 Schilling
Noch
dem Mauermann, daß er die Pannen wieder auf die
Kirche
gehangen, so der Meckler herunter geschlagen
8
Mark 8 Schilling
Wegen
Kalkhauen und Drankgeld ...........................................
15 Mark
Dem
Kalkbrenner..........................................................................
4 Mark 14 Schilling
Vor
den Hahn und Knop..............................................................
12 Mark
Bei
Verdingung der Pastor und Hans Mohr in Itzehoe
verzehrt...........................................................................................
1 Mark
Noch
wegen des Predigtstoeles und Arbeit in der Kirche:
Clawes
Wischmann 6 und Jakob Röver 12, macht ......
18 Mark
Für
Nägel zu der
Orgel..................................................................
2 Schilling
Noch
verzehrt, da die Kirchschworen den Uhrmacher von
Itzehoe bescheiden und den Seyer (Zeiger) vordreyet und
Meister David auf seinen Arbeitslohn 29 Reichstaler ge
zahlet: vor
Bier...............................................................................
9 Schilling
Noch
da Ich (Pastor) nach Itzehoe gereiset, nötig mit dem
Herrn Probste von unser Kirch und Schole zu sprechen,
vorzehret.........................................................................................
1 Mark
Weil
Hans Fink sich beklaget, daß er bei der Verdingung
der
Arbeit verkürzet, ihm gegeben..............................................
3 Mark
Dem
Knechte Drankgeld .............................................................
1 Mark 8 Schilling
Noch
wegen der Kirchschworen Kostung, da sie gereiset
nach
Segeberg, Itzehoe, in der heyde und weyde....................
17 Mark 11 Schilling
Noch
ist bei Erbauung dieses Turmes wegen veelfeltiger
Gelegenheit bey Mir vorzehret bey Börung des Turmes,
der Kirche die Zimmerleute, Mauerleute, Gevollmächtigte
des
Kirchspiel................................................................................
50 Mark
Noch
ist eingehoben ein groß bleyern Kopfstück, so ein
bedreglicher Mensch gegeben. Daher zu verbuchen ein
Verlust
von.....................................................................................
10 Schilling
In den nächsten Jahren
machten noch die Restanten allerlei Sorgen. Die Kirche verkaufte altes Holz und
eine alte Kanne. So gelang es, den Itzehoer Uhrmacher abzufinden, restlichen
Arbeitslohn, darunter 33 Mark für Meister David, auszu-
43
-----------------------------------------------------------------------------------
händigen. Recht übel
wurden zwei Juraten von einem hartnäckigen Restanten behandelt. Sie hatten sich
angemeldet, fanden aber keinen Eingang zum Hause, warteten vergebens und nahmen
dann auf ihre Rechnung anderswo Nachtquartier.
Wir dürfen hier ein Bild geben über die Roggenlieferung und was damit zusammenhing. Das Jahrzehnt von 1648-1657 mag dafür wohl geeignet sein; es führte wieder in friedliche Tage hinein.
Jahr |
Liefermenge |
Preis für
die Tonne |
Gesamteinnahme |
Unkosten wegen Speis und Trank für Heuerleute und Juraten |
1648 |
40 Tonnen |
5 Mark |
213 Mark |
Keine Angabe darüber vorhanden |
1649 |
39 Tonnen |
— |
238 Mark |
Der Vögtin, in deren Haus die Hebung erfolgte: 36 Mark 12 Schilling |
1650 |
39 Tonnen |
9 Mark |
362 Mark |
wie 1649 |
1651 |
39 Tonnen |
— |
277 Mark |
In der Vogtei bei der Hebung verunkostet 36 Mark |
1652 |
39 Tonnen |
— |
216 Mark |
Zehrung bei Einnehmung in der Vogtei 35 Mark 4 Schilling |
1653 |
39 Tonnen |
7
Mark |
294 Mark |
Der Frau Vogedinnen, so die Heuerleut und die Karkschworen bewirtet 37 Mark |
1654 |
39 Tonnen |
4 Mark |
157 Mark |
Heuerleute u. Juraten, als diese die Intraden der
Kirche eingekommen |
1655 |
39 Tonnen |
2 Mark |
108 Mark |
In der Vogtei in allem verzehret |
1656 |
39 Tonnen |
3 Mark |
143 Mark |
Wie 1655 |
1657 |
39 Tonnen |
4 Mark |
157 Mark |
Wie 1655 |
44
-----------------------------------------------------------------------------------
Diese Tabelle bedarf
einiger Bemerkungen, um nicht zu zweifelhaften oder schiefen Resultaten zu
führen: die zweite senkrechte Rubrik führt nicht allemal zu absoluter Genauigkeit,
weil nicht immer alles Korn verkauft worden ist. - Die Tonne ist mit 100
kg einzusetzen, bestimmt nicht höher. - Daß die Hebung des Kornes regelmäßig in
der Vogtei ihren Ablauf nahm, gibt ihr durchaus nicht den Charakter einer
königlichen Angelegenheit, sondern beweist nur, daß die Vogtei geräumig gebaut
war und unter ihrem schützenden Dache eine offenbar nicht unbeliebte
Gastwirtschaft, mindestens aber Schankwirtschaft barg; dies ist nicht etwa eine
Sage, sondern exakt zu beweisende Tatsache. - Will man die Bedeutung der
Tabelle recht erfassen, so lohnt es sich, die gegebenen Ziffern untereinander
zu vergleichen; aber auch ihre Beziehung auf heutige Verhältnisse ist nicht
unfruchtbar. Sagen wir noch im voraus, daß die derzeitige lübsche Mark gleichwertig
war mit 1,20 Reichsmark im Handel mit preisgebändigter Ware.
Schauen wir in das Jahr
1657. Für die 34 Mark, die in der Vogtei blieben, hätte man 8 ½ Tonnen Roggen
haben können, d. h. der fünfte Teil des Jahr-Roggens und noch mehr ist an einem
Abend verjubelt worden. In dem gewählten Jahrzehnt entlohnte man Arbeiter mit
3/4, Handwerker, die am Kirchenbau sich betätigten, mit 1 Mark, ebenso den
Kirchgeschworenen, der einen Tag die Aufsicht führte. Unsere Leute haben
demnach in der Vogtei den 45 fachen Tagelohn des Holzhauers verpraßt. Im
erwähnten Jahrzehnt haben die Juraten dem Pastor zwei eiserne Kühe gekauft, die
eine für 30, die andere für 24 Mark. Was für ein vortreffliches Vieh hätten sie
wohl für die 34 Mark erwerben können! - Was aber hätte ich heute auszulegen,
abgesehen davon, daß solches überhaupt nicht ausführbar wäre, wenn ich 8 ½
Tonnen = 17 Zentner Roggen kaufen wollte? Sind es nicht 17 mal 10 = 170
Reichsmark?
Mit guten Gründen darf man
glauben, daß die Frau Pastorin, die ehemals die Kornlieferanten in ihrem Hause
zu bewirten hatte, nicht ungern von der Erledigung des »Kornhebens« sich
befreit sah.
Anno 1647 wird zum
erstenmal die Entlohnung des Organisten mit 28 Mark für das Jahr genannt;
seinem Helfer, dem »Belgentreder«, wurden 5 Mark zugebilligt.
1648 betrugen diese
Posten 29 Mark und 5 Mark 4 Schilling.
1649 finden wir 32
Mark (Schul-, Wasch- und Maygeld)1) bzw. 6 Mark.
1650: Dem Organisten für
16 Himten Roggen............................. 30 Mark
Dem
Organisten für Schul-, Wasch- und Maygeld
.. 12 Mark
Dem
Belgentreder für 4 Himten Roggen..........................
7 Mark 12 Schilling
Noch
demselben..................................................................
1 Mark
Der Harmlose möchte
denken, innerhalb dreier Jahre sei dem Organisten eine
__________
1)
Für das Waschen, das dem Organisten und Küster oblag, kamen in Betracht: 1
Meßgewand, so noch aus katholischer Zeit ererbt; die Taufkleider verschiedener
Qualität, die gegen abgestufte Gebühr den Täuflingen angezogen wurden; ferner
die Altardecke. - Das May- oder Mayengeld erntete der Küster dafür, daß er zum
Maytag die Kirche ausschmückte mit Maybusch (Birkenreisern). Der Busch wurde
geholt aus dem Maienbaß, einer Hölzung, wo Weichholz reichlich wuchs. - Der
Maienbeeck erinnert deutlich daran.
45
----------------------------------------------------------------------------------
Gehaltserhöhung von 28 auf
42 Mark, also 50 Prozent, dem Belgentreder von 5 auf 8 3/4 Mark,
also gar 75 Prozent, zugefallen. Doch das wäre arge Täuschung. Hermanus hatte
Anspruch auf jährlich 16 Himten Roggen als Organist, und an Jahrgeld 12 Mark
für sonstige Dienste; seinem Helfer standen 4 Himten und 1 Mark zu.
Den Roggen machten die
Juraten zu Geld oder rechneten ihn bei Abgabe um. So ist Hermanus, so hieß
derzeitiger Organist, 1657 auf ein Gesamteinkommen (aus Kirchenmitteln) von 24
Mark 12 Schilling, und auf 23 Mark 8 Schilling in Anno 1666, dem abschließenden
Jahr unserer Nachrichtenquelle, gekommen. Die rund 20 Jahre, die es noch zu
durchwandern gilt, bringen einige besondere Ereignisse, die im Vorwege zu ihrem
Rechte kommen sollen.
Schenkungen
»Donativgelder, so
eingehoben wurden«: so benennt unser Buch die Sache. Anno 1653: »Sehl. Claus
Toetke und seine Frau, Beide in Godt ruhende, der Kirche gegeben 100 Mark.«
»Sel. Jürgen Muchner von
Kurzhagen aus Mecklenburg, so aus der Kremper Marsch gekommen, allhier
Bettlägerig geworden, nach Empfahung des Abentmahls der Kirche gegeben 50 Mark.«
»Vor alte Gretke Versten
ihren Sarck: die 6 Himten jährliche Heuer der Kirche verehret 4 Mark, dem Herrn
Pastor 4 Mark, dem Küster 8 Schilling, den Hausleuten ihre gewöhnliche Tonne
Bier, dem Totengräber 1 Mark.«
»Daß vor uns
Endesbenannten und in gegenwart der Vier Kirchengeschworenen: Hans
Fuhlendorffen, Hans Mohren, Marx Grippen und Jürgen Gloyen Jacob Brockstede
erschienen und ausgesagt, daß Hinrich Wischmann freiwillig und ungezwungen der
Kirche Bramstede Vier Himten klein Maß, so in Hartig Fersten zu Wimerstorff
Erbe stehen, Vorehret, bekennen wir in des Herrn Pastors Henrici Galenbeci
löblichem Beisein mit unserer Nahmen eigenhändiger Subscription.
Bramstedt, den 3. Juli
1662.«
Folgen die Unterschriften
des Propsten, des Pastoren und des Kirchspielvogts.
Kirche
und adeliges Gut
Die
Jahresrechnung für 1666 vermerkt am Schluß folgendes: »Von den Rentegeldern,
damit Steffen Kühl und Titke Rungen der Kirche Verhaftet gewesen, und die
sonsten dieses Ortes spezificirt worden ist, ist unten Nachricht zu finden.«
Diese
»Nachricht« folgt alsbald in nachstehender Form: »Demnach die Frau
Commissarische1) sich erklärt, daß die zum Hofe (adel. Gut)
__________
1)
Als Kommissar wird vielfach der Kirchspielvogt bezeichnet. Diesmal ist
sicherlich an die: Frau des Gutsbesitzers gedacht, d. h. des Herrn von Ahlefeld.
46
-----------------------------------------------------------------------------------
gehörigen Unterthanen
Steffen Kühl und Titke Rungen hinführo der Kirche die schuldige Haur Jährlich
richtig abtragen sollen, als haben mit Consens des Herrn Probsten und des Herrn
Ambtschreibers die Kirchgeschwornen mit deroselben (Frau Com.) sich derogestalt
Verglichen, daß Sie solte für alles zahlen 100 Mark, womit die alten
Restirenden Gelder völlig bezahlet und die Kirche nichts eher als Anno 68 am
Donnerstage Vor Fastnacht volente Deo (so Gott will), die gewöhnliche Jährliche
Haur fordert.«
Die Stimmung zwischen Gut
und Pastorat war durchweg gespannt. Es hat der Kirchenverwaltung Mühe und Zeit
und Geld gekostet, bis vorstehendes Übereinkommen zustande kam. Erst das
Eingreifen des Königs ist herausgefordert worden, bis das erreicht war. Davon
zeugen zwei »Nachrichten« des gleichen Jahres.
a) »Hans Fulendorffen und Marx Grippen, daß die
Frau Commissarische 3 Tage in Kirchengeschäften nach Klein Nordsee (bei
Achterwehr) zum General Claus von Ahlefelden gewesen; dafür genannten
Kirchgeschwornen 6 Mark.«
b) »Für das Königliche Monitional (Mahnung) an den
Herrn Claus von A. (ehemaligen Gemahl der Frau Comm.) wegen der Schuld mit
Steffen Kühl und Titke Rungen der Kirchen verhaftet, gegeben 36 Mark.« - So
waren gut 2/5 der vereinbarten Abtrags-Summe bereits verduftet.
Zwei
Verträge
Der erste sichert den
Kirchenjuraten einen Kirchenstand (Stuhl) als Anerkennung ihrer Leistung. Der
andere zeigt uns, daß das Glockenläuten grundsätzlich gegen Gebühr erfolgt.
a)
»Was vor den verhäuerten Kirchenständen bisher berechnet worden, kombt nicht
(in Betracht) bei den 4 Kirchgeschwornen; denen sollen Stände auf Zeit ihres
Amtes verschrieben werden, die aber nach ihrem Abgang an die Kirche wieder
heimfallen.« - Anno 65.
b)
Johan Finkenbrink geht vorsorglich folgenden Vertrag wegen der Kirchenglocken
ein: er zahlt 2 Mark ein,
»Wofür Er und seine
Kinder, so lange Sie unbefreyet (unverheiratet) bei Ihm sein, die Klocken zu
gebrauchen frei haben sollen.« Anno 1662.
Von
den Kirchengebäuden, und was für sie geschehen
Wir berichteten bisher vom
Kirchengebäude, das dem Gottesdienste geweiht ist und durch Sturm und Wetter schwerste
Schädigung erlitten hat. Auch von des Pastoren Haus und seinem Spyker (Scheune)
und von der Küsterei und von der Vikarie ist beiläufig gesprochen worden. Aber
damit sind die Baulichkeiten des alten Pastorats nicht erschöpft; auch ein
Backhaus war vorhanden, wie wir sehen
47
-----------------------------------------------------------------------------------
werden. Noch ein weiteres
Gebäude folgt, das sich mit folgendem einführen möchte:
»Anno 1616 hefft johan
hamerich by dem woledlen und gestrengen Herrn Riddern Maquart Pentzen, Amptmann
tho Segeberge utgebeden und erlanget, und by dem gantzen Caspel tho Bramstede
uthgebeden und erlanget, dat Ick vor miner frowen und kinder und Erwen up dem
karken Acker ein huß by dem wege na Kellinghusen belegen, gebauet, woraus se
mit hebbendem howe (Kohlhof, Garten) den folgenden Pastoren schölen grunt hure
gewen tein Schilling lübsch.«
Hierzu sei nur bemerkt,
daß der Weg nach Kellinghusen ehemals südlich der Bramau lag und erst in
Föhrden-Barl über den Fluß ging. - Ob dies neu eingeführte Gebäude von der
Kirche instand zu halten sei, bleibt verschwiegen.
Der Chronist hat zu
notieren:
1651. Hartig Stöcker an der
Cüsterei gedecket .......................
10
Schilling
Martin
Schult für Fensterbeschlag zu des Pastoren
Kammer
14 Schilling
Claus
Wichmann Schnitker (Schnitzer) Lohn ...........................
4 Mark
Holz
für die Kirche eingekauft......................................................
15 Mark
Muschelkalk
für die Kirche u. des Pastoren Schornstein...
4 Mark 8 Schilling Der
Wind Pfannen von der Kirche gerissen und für des
Pastoren
Schornstein gearbeitet..................................................
6 Mark 12 Schilling
Wegen
des blinden Schornsteins vor dem Backofen............... 3
Mark 13 Schilling
Hans
Boye im Kirchengestein gebrügget...................................
1 Mark 8 Schilling
Marx
Steckemes Busch gehauen für Cüsters Haus u.
Kohlhof
6 Schilling
Jochim
Hebell, so an das Cruzifix gearbeitet, Schnitkerlohn
7 Mark 8 Schilling
Dem
Maler, so es wieder verfertiget............................................
60 Mark
1652.
Kleinschmit
in der Schule ein Fenster
beschlagen
8 Schilling
Hinr.
Wischmann an Orgel und Thorntreppe Klocken
gearbeitet.........................................................................................
2 Mark 1 Schilling
Diedrich Maes für 2
Klockenhenge (Seile?)............................... 5 Mark
Holzvoigt
für einen Baum aus der Weide .................................
9 Mark
Den
Sagern......................................................................................
32 Mark 7 Schilling
Hans
Wulf für Fensterflicken in des Pastoren und des
Küsters
Haus
................................................................................
2 Mark 4 Schilling
Marx
Stekemes, des Küsters Zaun verfertiget...........................
1 Mark
1653. Johan
Wolters, des Organisten Planckwerk gemacht
um
seine Hofstede, dazu die Phäle gedan (gegeben)................ 20 Mark 10
Schilling
Den
Sagers vor Bretter zu schneiden ........................................
16 Mark 4 Schilling
2
neue Pforten am Kirchhof gemacht........................................... 16
Mark
Hans
Isern Hinnerk, des Pastoren Sot gebessert......................
10 Schilling
Jasper
Stüfen, eine Wand hinter dem Backofen, in des
Pastoren
Hause gemauert .............................................................
8
Schilling
Bretter
zu Herrn Pastors Haustür und Schlagfenster................ 12 Mark
2 Schilling
Claus
Wischmann vor den Stohl in der Kirchen, da die
Kirchspiel-Vagede sollen sitten
.................................................. 13 Mark
48
-----------------------------------------------------------------------------------
Noch
Martin Schulte für das Schloß (zu dem Stuhl).................
2 Mark
Hartich
Stöcker bei des Organisten Dach gearbeitet, bei
eigener
Kost
...................................................................................
1 Mark 4 Schilling
Albrecht
Bartels, Schmied, an der Kirche gearbeitet ...............
7 Mark 13 Schilling
Hans
Wulf, Gläser, Fenster im Pastorenhaus ausgebessert.
2 Mark 12 Schilling
Hans
Fölster, für 2 Klockenhenge.____
............................... 5 Mark
Claus
Wischmann, in des Pastoren achterstube ein stücke
zur
Bettestette gemacht.................................................................
5 Mark 4 Schilling
Noch
einen Tag an die Schlagfenster gearbeitet.......................
12 Schilling
200
Pfannen zu beiden Pforten am Kirchhofe.............................
6 Mark
Den
Kirchgeschwornen, so vielfältig »an die Kirche gerüh-
ret«,
auch Bretter, Pfannen und andere Dinge angeschaffet
12 Mark
1654.
Claus
Wischmann, vor des Pastoren Haustür:
Fensterrahmen
und Gatterwerk an den Backofem..................... 10 Mark
Hans
Ordt für 3 Bretter zum Plankwerk des Organisten
1 Mark 14 Schilling
Hartig
Stöcker, wegen Ausstopfung des Daches beim
Pastoren
Haus1)
............................................................................
8
Pfennig
Den
Sagers für Arbeit bei dem Gatterwerk des Kirchhofes ....... 2
Mark 6 Schilling
Antonius Winterstein, da der Wind das Kirchendach zer
schmettert hatte, für 4 Tage
Arbeit.............................................. 4 Mark
Noch
einen Bock zur Stellasche (Stellage) gemacht..................
1 Mark
Noch
das Dach 2 Tage mit Kalk unterstrichen...........................
2 Mark
Für
2 Tonnen Segeberger Kalk.....................................................
4 Mark 8 Schilling
Für
2 Tonnen Muschelkalk
........................................................
2 Mark 2 Schilling
Noch
zur Kirche 12 Bretter gekauft..............................................
6 Mark 12 Schilling
Diederich
Maß für Klocken Henge..............................................
3 Mark
Hans
Folster für eine Klocken Henge
....................................... 2
Mark 8 Schilling
Martin
Schulte, für Beschlag zu des Pastoren Fensterrahmen 2
Mark
Albert
Bartels, Schmied, Nagel und Henge zu des Pastoren
Tür.....................................................................................................
7 Mark 8 Schilling
Hans
Wulf, für Ausbessern von Fenstern im Pastoren- und
Küsterhaus
....................................................................................
4 Mark 6 Schilling
Den
Kirchgeschwornen zu Aufwartung
der Kirchen
gebäude
...........................................................................................
3 Mark
1655. Claus
Wischmann für ein Fack stekens
Boens
(Boden)
in der Kirchen über der Tauff.........................................
3 Mark
200
Pannen zum Thun des Kirchhofs..........................................
6 Mark
Marten
Schulte vor das Schlot zur Kirchhofs Tür nach
Giselers
Haus
.................................................................................
6
Schilling
Antonius
Stein vor die 3 Gatter des Kirchhofs die Pannen
aufzuhengen und mit Kalk einzulegen ........................................
3 Mark
_________
1)
Also Strohdach; nur dieses konnte man ausstopfen; 1655 neu gedeckt: von
Dachpfannen keine Rede.
49
-----------------------------------------------------------------------------------
Dem
Decker, des Pastoren Haus zu decken................................ .. 24 Mark
Für
Holz, den Gebell (Giebel) des Pastorenhauses auszu
bessern
............................................................................................
... 20 Mark
Den
Zimmerleuten, so des Pastoren Haus gebessert und die
Leden
(Schwellen) gelegt, Arbeitlohn, ohne die Schrauben
14 Mark
1656.
Hans
Fink wegen der restierenden Schrauben für
die
Lede............................................................................................
9 Mark
Ausbesserung
der Kacheln in der Costerey ..............................
1 Mark
Arendt
Wulff für Ausbesserung der Fenster in Kirche und
Costerey,
so der Hagel ausgeschlagen, auch einige Ruten
in
des Pastoren
Haus.....................................................................
9 Mark
Casper
Steffens, die Stein Rönne an des Pastoren Haus
gemacht............................................................................................
6 Schilling
Vor
einen Baum zu des Pastoren Haus, daran die Henge
gesetzet
auf das Sommerhaus.......................................................
5 Mark
Noch
ein Klein stück Holtzes........................................................
2 Mark
Den
Sagers für Bretter zum Hausgebell, und für Sägen der
Bretter
zu den Hengen...................................................................
9 Mark
Hartig
Stöcker und Jasper Stüven, die alten Henge auf dem
Hause
angebracht, dafür gegeben .............................................
1 Mark 10 Schilling
Antonius
Wyterstein und Jasper Stüven, daß sie neuen
Hange
auf dem Sommerhaus angebracht....................................
3 Mark
Noch
für ein Fuder Heidt unter die Henge..................................
1 Mark
Für
Kalk und Pannen zum Kirchendach ....................................
4 Mark 8 Schilling
Antonius,
daß er die Pannen aufgelegt (Windschaden) . . . .
2 Mark 8 Schilling
Derselbe,
daß er in der Costerey einen Backofen geleget ......
4 Mark
Dydrich Folster und Johan Wolters, die große Klocke aus
gewunden, wieder befestiget und in gang gebracht.................
7 Mark
Albrecht
Bartels, Schmiedelohn...................................................
19 Mark
1657.
Albrecht
Bartels wegen Nagel und Henge in der
Costerey...........................................................................................
2 Mark 11 Schilling
Hartig
Stöker, an der Costerey gedecket ...................................
3 Mark
Antonius
Witerstein, in der Costerey beide Kachelöfen
umbgesettet
und in des Pastoren Hues de achterste stuwe
uthgewittet und den Schwipbogen des Füerherdes mit der
Muer
uthgebetert...........................................................................
7 Mark
Breder
vor den Pastoren sin Spyker ...........................................
3 Mark
Noch
dem Kleinschmidt für 1 Schlot zur Pforte des Kirch
hofes
................................................................................................
6
Schilling
1658-61.
Die
Rechnungen der Kirchgeschwornen liegen nicht vor.
1662.
Albert
Bartels für Schmiedelohn.....................................
9 Mark
Casper
Steffens, daß er in der Küsterei gesteinbrücket
...
12 Schilling
50
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Hartig
Stöcker, Deckerlohn............................................................
4 Mark
Hans
Isern Hinrich, großes Gatter um des Küsters Soth
gemacht............................................................................................
6 Mark
Claus
Wischmann, daß er im Pastorenhaus an der Bettstätte
gearbeitet..........................................................................................
2 Mark
Für
ein Fenster in des Pastoren Küche........................................
1 Mark
Barthold
Gieseler vor Glockenhengen.........................................
2 Mark
Arend
Wulf im Pastoren- und Küsterhause...............................
6 Mark
Vor
2000 Pfannen .........................................................................
... 72 Mark
Berend
Jnuth an Arbeitslohn, wohl das Kirchendach be
treffend
............................................................................................
... 38 Mark
Hartig
Stöcker Deckerlohn, da er den Schof (das Deckstroh)
von
der Kirche
genommen.............................................................
4 Mark
Für
die Streichung des Kirchenbodens.......................................
2 Mark 4 Schilling
1663.
Arend
Wulf für Fenster in der Kirche, Wedem
(Pastorat)
und Küsterei..................................................................
... 19 Mark
Vor ein Schloß im Wedem an
die innerste Tür in der
Kammer.............................................................................................
10 Schilling
Dem
Mauer Man, daß er in Pastorei und Küsterei gearbeitet
3 Mark
Vor
den Zeiger an der Kirchenuhr................................................
... 27 Mark
Albert
Bartels auf seine Rechnung (Schmiedearbeit)............... ... 39 Mark
Dem
Botticher vor 2 Ammer und 1 Balje, die der Maurer
Gebraucht.
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
...............
12
Schilling
Marx
Gryp, Jurat, daß er wegen Pannen und Kalk nach
Itzehoe
gewesen..............................................................................
2 Mark
Für
Busch zu des Küsters Zaun.............................................
14 Schilling
Dem
Mauermann, der an den Kirchentüren gearbeitet,
auch
das Dach unterstrichen hat..................................................
79 Mark
Die
Kirche
auszuweißen.................................................................
15 Mark
Noch
46 Tonnen Muschelkalk...................................................... ...
46 Mark
Dem
Kalkbrenner, daß er alten Kalk gebrannt............................
10 Mark
Noch
vor
Pannen............................................................................
28 Mark
Albert
Bartels und Hermannus, den Seyger zu repariren
22 Mark
Noch
vor Pannen und Segeberger Kalk......................................
14 Mark
Dem
Potker, daß er den Ofen im Küsterhause umbgesetzt
3 Mark
1664.
Claus
Wischmann, vor das Schlagfenster in der
untersten
Kammer in der Pastorei................................................
12 Schilling
Vor
Holtz zum Heck vor des Pastoren Haustür..........................
10 Schilling
Dem
Schnitker vor solches Heck zu machen..............................
1 Mark
Vor
pfannen und
Kalk....................................................................
8 Mark
Den
Sagers, die die Bretter um des Pastoren Soth gesaget .....
24 Mark
Dem Zimmermann, den Soth zu bauen und dabei zu Stein
brücken
............................................................................................
4 Mark 8 Schilling
51
----------------------------------------------------------------------------------
Johann
Wolter für eine Tür in der Küsterei................................
14 Schilling
Hartig
Stöcker, der auf der Küsterei gedecket...........................
8 Schilling
Dem
Mauermann von Itzehoe, der die Pfannen auf die
Kirche
gehengt...............................................................................
4 Mark
Arend
Wulf für Fenster
..............................................................
15 Mark
1665.
Vor
Kalk zur Kirchen .........................................................
2 Mark 4 Schilling
Schmiedelohn
.................................................................................
5 Mark 10 Schilling
Hans
Finken, Arbeitslohn an dem Beinhause, auch in der
Pastorei............................................................................................
8 Mark
Claus
Wischmann, für Arbeit am Seyerwerk..............................
12 Schilling
Johann
Wolter und Hans Röwer, daß sie auf dem Kirchen
boden gestrichen
.........................................................................
4 Mark 8 Schilling
1666.
Vor
eine kleine Tür in des Pastoren Küche .................
8
Schilling
Hartig
Stöcker, daß er auf des Pastoren Haus gedecket ...
1 Mark
8 Schilling
Vor
Steen in des Pastoren Stube, Kammern und Gehöft,
auch
pannen und Kalk zum Kirchendach ................................
8 Mark
Am Schluß dieses Jahres
wird aufgerechnet, daß die Kirche ein Kapital von 1100 Mark besitzt, das sich
auf acht Schuldner, alle im Kirchspiel wohnhaft, verteilt.
Dagegen ist sie
verschuldet gegen zwei ihrer Geschwornen, Hans Fuhlendorf und Hans Mohr, mit
zusammen 700 Mark. Das siebenundsechzigste Jahr, das letzte des vorgesetzten
Jahrhunderts, beschränkt sich auf die lakonische Meldung, daß die
Kirchgeschwornen 36 Mark, 6 Schilling und 6 Pfennig mehr ausgegeben als
eingenommen haben.
Uns hat die Wanderung
durch die letzten 20 Jahre überzeugt, daß das Wedem, das Pastorat, einem
wohlerhaltenen bäuerlichen Gehöfte gleich gestaltet ist; der hohe Giebel, das
solide Strohdach, der gepflegte Kohlhof entsprechen durchaus dem Bilde des
derzeitigen holsteinischen Bauernhofes. Der hohe Schornstein aber und das
Sommerhaus im Garten, von denen wir hörten, weisen darauf hin, daß die
Eingepfarrten ihrem Seelsorger einen kleinen Vorsprung zu behaglicher
Beschaulichkeit gern gönnten, zumal wenn er an seinem Teile dazu beitrug,
solche zu schaffen. Auch die mehrfach erwähnten Schlagfenster in des Pastoren
Wohnräumen waren wohl damals noch keine Selbstverständlichkeit; die fest im
Bleirahmen stehenden kleinen Scheiben sind dem Chronisten noch in deutlicher
Erinnerung. Und Tapeten? Man »weißete die Räume aus«.
Das Organistenhaus ist
ganz ohne Zweifel über seine lehmwandigen Flechtmauern um 1667 nicht hinaus
gewesen, auch der Schornstein bleibt im Fragezeichen. Wohl aber erfuhren wir,
daß zwei Kachelöfen und ein Backofen die Küsterei wohnlicher machten, vielleicht
gar zierten. Für den Heimatforscher ist es von Interesse, daß die
Instandhaltung des Organistenhauses durchaus und restlos aus der Kirchenkasse
bezahlt worden ist. - So ist dies Gebäude von Hause aus Eigentum des
Kirchspiels gewesen. –
Das Beinhaus und das
Kinderhaus sind genannt worden; daß es sich um An-
52
----------------------------------------------------------------------------------
hängsel des
Kirchengebäudes handelt, steht wohl fest Genaueres darüber ist bisher nicht
mitgeteilt worden. (Das Kinderhaus, Anbau, in dem die Eltern mit dem Täufling
warteten.) Das Abschiedshaus, so darf man wohl sagen, das Anno 1616 Pastor
Hamerich den Seinigen gesichert hatte, hat den Kirchgeschwornen keinen Anlaß zu
irgendeiner Äußerung gegeben; schließen wir uns diesem Schweigen an.
Anders steht es um die
Vikarie. Sie ist einmal auf unserm gegenwärtigen Gange als Gegenstand der
Strittigkeit beiseite geschoben worden. Das war um 1650. Wie sich dieser Streit
gestaltet und zu welchem Ziele er geführt hat, das soll Gegenstand einer
besonderen Darstellung sein. Doch fallt es nicht aus dem Rahmen gegenwärtiger
Zielsetzung, wenn die geldliche Seite dieser Angelegenheit schon an dieser
Stelle ans Licht gebracht wird. Unsere braven Juraten wurden recht sehr in
Anspruch genommen und mehr noch die Kasse des Kirchspiels Bramstedt.
Von
der Vikarie
Anno 1639 steht Friedrich
Moyelke, der Mieter der Vikarie, mit 54 Mark als Restant im Buche. 1647
vernehmen wir, das »streitige Haus, genannt Vikarie«, sei der Kirche mit 9 Mark
Grundhauer jährlich verhaftet. Nutznießer ist noch Moyelke. Nachfolger Rotker
Lindemann, ein Verwandter des M., nimmt das Eigentumsrecht für sich in Anspruch
und wird darin vom Hamburger Dompropst bestärkt. Unser Buch berichtet:
»Dem
Kirchspielvogt, daß er nach der Glückstadt gewesen
und den großen
Bescheid ausgebracht, mit Hans Mohr
verzehret, mit den
Gerichtskosten
76 Mark 4 Schilling
Noch
Hans Mohr damahlen ausgegeben...................................
15 Mark 15 Schilling
Noch
den andern bescheid ausgewürket, an den Amtmann,
das erkannte Decretum zur exequirung (Befehl zur Exe
kution)
.............................................................................................
17 Mark 6 Schilling
Dem
Fuhrmann, so Hermann Schlaf von Glückstadt auf
Bramstedt
geführet.........................................................................
7 Mark 8 Schilling
Demselben
für Zehrung unterwegs.............................................
2 Mark 2 Schilling
Dem
Boten, so an den Advokaten nach Glückstadt geführet
1 Mark 9 Schilling
Noch
Hans Boyen, daß er die Kirchgeschwornen aus dem
Kirchspiel
geholet...........................................................................
6 Mark 6 Schilling
Frenz
Hardebecken, daß er den Notarium, so die 9 Zeugen
beeydiget,
geholet und nach Haus geführt................................
5 Mark
Noch
haben die Kirchgeschwornen, nach beygelegter
Rechnung
unter des Kirchspielvogts Hand Anno 651 und
652
wegen Gerichtsunkostung an denselben bezahlet.............
69 Mark 14 Schilling
Hinrich
Isern Hinrich, den Kirchspielvogt mit Hans Mohr
nach
der Glückstadt geführet und wieder zu Haus....................
6 Mark 4 Schilling
53
-----------------------------------------------------------------------------------
Noch
Marx Grip und Hans Mohr mit dem Kirchspielvogt
nach
der Glückstadt gewesen laut beigelegtes Zettul...... ___ 61
Mark 2 Schilling
Noch
nach Flensburg auf ihro Königl. Maj. gnädigsten
bescheidt
mit Hans Mohren vor Wagenfuren hin und her
12 Mark
Daselbst
verzehret mit dem Gerichtlichen bescheide ...............
12
Schilling
Noch
die Kirchgeschwornen nach erlangtem bescheide sich
nach der Königl. Cantzley Angaben, mit den Gerichtl. Un
kosten
..............................................................................................
9 Mark
Kurz
darnach der Kirchspielvogt mit Hans Fulendorff nach
Glückstadt
gereiset.........................................................................
2 Mark 10 Schilling
Hans
Pohlmann den Herrn Kirchspielvogt Paul Blancken
mit
Hans Mohren, weil der Advokate Dr. Hermannus
Schlaef
Sie beschieden nach Itzehoe .........................................
4 Mark
Hans
Fuhlendorff den Kirchspielvogt mit den Kirch
geschwornen nach Glückstadt
....................................................
6 Mark
Hinrich
Isern Hinrich Anno 1652 kurz vor der Ernte den
Pastoren
und Marx Grippen nach der Glückstadt geführt,
mit
dem Advokato zu sprechen....................................................
6 Mark
Folgends
den Kirchspielvogt mit einem der Kirchge
schwornen dahin geführet............................................................
6 Mark
Hans
Fuhlendorff den Pastorn nach der Glückstadt ge-
führet,
weil der Advocatus mit Tode abgangen, einen
andern,
als (nämlich) Dr. Bünsow von Meldorf wieder zu
bestellen
6 Mark
Dem
Advocato Anzahlung gegeben...........................................
9 Mark
Noch
in der Harbarge verzehret mit Wagen und Pferden
tags
und nachts..............................................................................
3 Mark 4 Schilling
In
der Canzlei pro citatione an Rötger Lindemann.....................
4 Mark 12 Schilling
Hans
Lindemann, den Kirchspielvogt Christianum Schlaef
und Hans Mohr nach Meldorf gefahren mit dem Dr. Bünsow
wegen der Kirchen Sache zu reden, weil das Oberamts
gericht sollte gehalten werden, und ferner nach der Glück
stadt geführet
.................................................................................
15 Mark
Herrn
Dr. Bünsow mit Zehrung und aller unkost gegeben
83 Mark
Noch
da die Sache ihre endschaft erreichet, der Kirchspiel-
vogt
und die Kirchgeschwornen zur Glückstadt einen
Wagen
bis auf Bramstedt genommen.........................................
6 Mark
Hinrich
Ahrens Botenlohn nach der Glückstadt, zum
halben
Teil mit dem Kirchspielvogt.............................................
8 Schilling
Hans
Isernhinrich, Botenlohn, zum Advokaten in Glück
stadt .................................................................................................
1 Mark 4 Schilling
Alles in allem ist der
Kirche eine Kostenrechnung in Höhe von rund 350 Kurantmark erwachsen; was
Rotger Lindemann, der Gegner, an Geld hat opfern müssen,
54
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wird man nie erfahren. Was
hüben und drüben an ärgerlichem Verdruß hinzunehmen war, dafür gibt es kein
geeichtes Maß. Aber eins bekundet sich in strahlender Herrlichkeit: Wie
vorteilhaft es für Dritte werden kann, wenn Zweien die Vernunft abgeht, ihre
Angelegenheiten in friedlichem Entgegenkommen untereinander zu schlichten. War
Rotker der Starrköpfige, so hat er übel dafür büßen müssen. Körperlich schon im
vorangegangenen Verfahren unter »Ding und Recht«, wirtschaftlich sehr durch den
Spruch des Obergerichtes zu Glückstadt: ihm wurde die Schankgerechtigkeit für
immer entzogen; die friedliche Kirche hatte sie ihm vergönnt, auch in
freundlicher Nachbarschaft den Wein, dessen Herr Pastor von Amtes wegen
benötigt war, von ihm bezogen. Der Bramstedter aber soll dem etwas rauhbeinigen
Rotker für eins seine Anerkennung nicht versagen: ihm bleibt zu verdanken, daß
durch sein Verhalten der einzige Fall geschaffen worden ist, der für die
tatsächliche Handhabung von »Ding und Recht« innerhalb unseres Weichbildes
unwiderlegliches Zeugnis gibt. - Frieden seiner Asche!
Von
der Visitation
Bevor wir das
Rechnungswesen verabschieden, wird es angebracht sein, Kenntnis zu nehmen von
der Gestaltung der Visitation.
Unsere Juraten nahmen auch
teil an der Kirchenvisitation, sofern sie sich zu einem festlichen Mahl
gestaltete. Diese Angelegenheit bedeutete, abgesehen von Ausnahmefällen, für
das Pastorat ein volles Haus und im besonderen für die Frau Pastorin einige
Unruhe und Sorge. Hier nur eine Aufstellung über die gesamten Kosten, die die
Kirchgeschwornen wegen einer solchen Visitation im Namen der Gemeinde zu Buch
zu nehmen hatten. Anno 1657:
Dem Herrn Probst
gegeben wegen der Visitation und
Kirchenrechnung............................................................................
9 Mark
Dem
Herrn
Amptschreiber.............................................................
6 Mark
Des
Herrn Probstes Diener
.........................................................
6
Schilling
Dem
Fohrmann................................................................................
3 Mark
Vor
Heu und Haber........................................................................
3 Mark 3 Schilling
Noch
des Herrn Probstes Bote.....................................................
3 Mark 12 Schilling
Vor
einer Tunne Hamburger Behr................................................
9 Mark 4 Schilling
Noch
wegen der Visitation und Kirchen Rechnung dem
Herrn
Pastor....................................................................................
12 Mark
(Dieser Gegenstand wird an
anderer Stelle ausführlicher verhandelt werden.) Hier darf eingefügt werden,
daß für Calande d. i. amtliche Zusammenkunft der Geistlichen einer Propstei
jährlich 1 ½ Mark zu entrichten waren. Steigerung in besonderem Anlaß war
zulässig.
55
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Verträge,
das Kirchengut betreffend
1. Anno 1632 am Tage Johannis Baptistae hefft die
Er- und Vieltugendsame Agneta von Hatten, weiland Selig Cristian von Hatten
hinderlaten Wedewe von der Karken Bramstedt up Rente genahmen in einer Summe
Veerhundert Mark lübsch, dat Hundert jahrlichs mit 5 Mark 1. tho vorrentende up
Johannis dage. Und is darfor Borge geworden Herr Johann Vagett, Königl.
Karkspell Vagett. »Dütt bawen geschrewene Bekenne Ick Johann Vagett.«
2. »Anno 1620 hefft Hinrich Nymann, Schmidt tho
Hitzhusen, van der Karken Bramstedt gelehnett und up Rente genahmen Hundert
Mark lübisch. Wyll he awerst darfor gesettet einen Borgen, als Tyttke Rungen,
dasülwes Buhr Vagett, und de Borg mit dode afgangen, hefft he der Karken wegen
vor wißerung (Sicherheit) des Capitals mit wethen siner Frau gesettet syn
Schmiedetueg (Handwerkszeug) und alle er bewegliche und unbewegliche güeder,
Kisten- und Beddegewandt (?), in Summa nichts buten bescheden (ausgeschlossen),
an watt Orde und Ende Se (die Eheleute) sich werden damit upholden, tho einem
Sekern underpande vor höwetstoel und Rente sich darmitt betalet tho maken. Tho
mehrer bestedigung, datt ditt also geschehn, hefft Hinrich Niemanns Fruwe bawen
(oben) Johan Vagetten, mitt erer eigen Hande und nahmen undergeschrewen.«
Der
K.-Vogt bestätigt, daß Christina selbst unterzeichnet habe.
3. »Anno 1584 up Lütteke
Fastelawent is ein vordracht und kop geschehen twischen Herrn Casper pastor tho
Bramstede und Clawes Teden, ock wannaft tho Bramstede, und Bywesende der achbar
Jürgen vaget und de feer Karkswaren, alse hans schacke, dirik Roelefinck,
Markert mertens, hinrik kruze, alse derwyle Herr Casper oder syne vorfahren (im
Amt) nichtes van dem sülwigen Rep, welcher licht in dem asbroke up dem Bramstedter
felde und gehört tho der weddem, können bekamen oder tho Netende (Nutzung,
Genuß) krigen, so hefft der pastor mit Jürgen vaget und de feer karksworen
ehren weten und willen (und sind einverstanden): Den Rep (Landstreifen)
vorkofft an Clawes Teden. De schall jarliken dem pastorn gewen 26 Schilling,
oder Clawes Teden oder syne Fruwe den hauptstoll uthgewen, also 26 Mark, so
schall dat sülwige dem Pastorn thom Besten up Rente gedan werden. Wo awerst de
Rente oder de stoell nicht von Clawes Teden oder van synen Erwen worde uth
kamen, so schall de Rep wedderumb by de weddem gelecht warden.«
Unterschriften
fehlen diesmal.
4.
Anno 1632 entsteht noch ein Vertrag, mit dem Herrn Seelsorger gezeitiget: »Die
Karkschwornen sind mit dem Pastoren eins geworden wegen Beddesteden, als eine
in der stuwen (Stube) vor dem Huse, dor die Kinder in slapen, und denn in der
groten Kamer bey der achtersten Doensen (Zimmer), dor man kann von der Deele
einstygen benewen dessen Fotschemel, und die beyden benken in den achtersten
Doensen, Ingeliken die Bokryge (Bücherbord) und andere Rygen im ganzen Hus, so
der Pastor darin hefft maken laten; dor hebben Sie dem Pastoren
56
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und synen Erwen erleget
und betalet Achtig mark, dat solches alles nach synem affscheydt schall by der
Wedem bliewen und nicht daruth gebraken werden. Wat sonsten syne andern
Beddesteden und deren thobehörigh (Zubehör) anbelanget, hefft mit düssen koop
nichts tho doende. Und daß solches alles wahr und die Kerke darin nicht moege
vorkortet (zu kurz kommen) werde, hebbe ich Henricus Galenbecius, Pastor tho
Bramstede, ditt mitt eigener handt geschrewen.«
Noch
Zuwendung und eine Ablösung.
1. »Anno 1601 up Stillefriedach hefft Tyttke
Roepken tho Bymoellen der karke tho Bramstede gegewen nha synem Dode 16 Daler.
Desülwigen stan up 3 stück ackers, genömet de Ruwyden stücke, welcken he
gekofft hefft, do he noch knecht war, vom olde hartich kampen tho wiemerstorp;
hyr By an und awer (gegenwärtig, anwesend) synt gewesen de achtbar Casper vaget
und de 4 kark Swornen. - Anno 604 des sondages vor Borgerdach (?) is dyt gelt
den Karkschwornen entrichtet und schal der Karke thom Besten up Rente gedan
worden.«
2. »Anno 1632 up Johannis hefft Abelke Hardebeken
wegen ihres Sel. Mannes bethalet 17 Daler und blifft der Karken in allem
schuldigh Hundert Mark l. Diße Resterende Summe samt einer Jahres Rente hefft
Hans Mohr wegen Abelke Hardebeken den Karkschworen in des Pastoren hus erleget,
welche alsofort thom Karkengebäud, nämlich zum Hahn und Knope, desgleichen tho
Vormahlinge (Anstreichen) der Schienen und tho Vorguldinge (Vergoldung) von des
Königs Krone und Namen.«
3. »Anno 1626, den 31. Augusti, hat der Ehrenfeste
und wohlgeachte Casper vogd durch seine hinterlassene wittwen Magdalen vogds
mit consens und volbort (Zustimmung) seines vielgeliebten Bruders Johan vogds
nunmehr ihrer Königl. Mayt. zu Dennemark wolbestalten Caspelvagdes zu Bramsted,
der Kirchen zu Bramsted zu einem ewigen Memorial für seine grabstett verehret
und gegeben - ein hundet Mark lübisch. Dessen Seele in gottes Hand ruhe. Welche
100 Mark l. die Kirchgeschworen in einer unzertheilten Summen Anno und die ut
supra (an oben bezeichnetem Tag) entfangen hebben.
quod contestor (was
bestätigt wird):
M. Dethlevus Meyer,
Probst; Nicolaus Winterberg, Visitator; Henricus Galenbecius, Pastor.<
Memorial
Anmerkung. Im Jahre 1649
unterschreibt zum letztenmal Vitus Barbarossa, Propst zu Heiligenstedten
(Itzehoe) den Rechenschaftsbericht; ihm folgt Johannes Hudemann, Propst zu
Segeberg. Seitdem sind weltliche und geistliche Obrigkeit unseres Kirchspiels
dort geblieben, bis 1876 die Parochie zur Propstei Neumünster abgezweigt wurde.
Wobei zu beachten ist, daß Kirchspielvogtei und Parochie Bramstedt nicht
räumlich und rechtlich sich deckende Begriffe waren, indem Quarnstedt nur in
weltlichen Dingen mit Bramstedt zu tun hatte, während andrerseits Brockstedt
lediglich in Angelegenheiten der Kirche (und der Schule)
57
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an Bramstedt gebunden war.
Eine weitere Änderung ist nach langem, nicht allemal erbaulichem Hin und Her im
Jahre 1904 eingetreten, indem die Ortschaften Borstel, Brockstedt, Armstedt,
Hardebek und Hasenkrug aus der Kirchengemeinde Bramstedt abgetrennt worden sind.
Die
Juraten auf umstrittenem Boden
Aus dem Jahre 1574 wird
berichtet, wie folgt:
»De Karksworen tho
Bramstede hebben gekofft der karken thom besten 8 himpten Roggen, welkene 8
himpten sin tho Wiemerstorp yn Jasper Tydtken (sin) Sadt (Hufe), vann Jasper
kröger thor Stellow vor 63 Mark 2 Schilling, Welkenes geldt Jasper kröger thor
Stellau thor noge (restlos) Endfangen hefft.«
»Und den Karksworen (ist)
stol (das Geld) und winkop wedder geben alse na Landrecht. - Den stol hefft
gestaweth (ausgelegt) Marquart Mertens (vermutlich aus Wiemersdorf) un ock den
wyn kop.«
»Hir an und awer syn
gewesen dyse frame lüde, alse (wie) folgeth: Hammerich und Stamerjohan yn dem
blecke (Bramstedt), Frantz, Jürgen Wischmann, Marquardt Lindemann tho
Brockstede, Marquart Volster und Eggerdt Jorrk tho Hiddeshusen.«
»Dyser kop ys geschehen yn
Dirick Rolefinken hus, un dat geldt hefft Jasper kroeger dor ock Entfangen In Dirick
synem Huse, Und is geschehen up S. Martini Dach (Tag).«
Dieser Bericht ist
offensichtlich nicht eingetragen worden von einer direkt an den Vorgängen
beteiligten Person; er stammt aus der Kirchenkanzlei. Der Sachverhalt kann
einfacher dargestellt werden:
Jasper Kröger aus Stellau
ist Inhaber einer Roggenhypothek mit einer Belastung von jährlich 8 Himten
Roggen, wahrscheinlich kleines Maß. Schuldner ist Jasper Tydtken in
Wiemersdorf. Irgendwie ist dem fernen Stellauer diese Hypothek etwas unbequem.
Als sich die Gelegenheit bietet, verkauft Kröger seine Rechte an die
Bramstedter Kirche, wohl vertreten durch ihren Juraten Marquart Mertens, und da
der Preis für den Käufer günstig stand: jährlich 8 Himten Korn für ein Kapital
(Stol) von reichlich 60 Mark, so wäre weiter nicht an der Sache gerührt worden.
Nun störte aber wohl der »winkop« (Weinkauf) an sich, und besonders deshalb,
weil Wiedererstattung der dadurch verursachten Kosten gefordert wurde. Ob die
Höhe dieser Kosten mit zur Frage stand, steht dahin. Beim »Weinkauf«, dem
bestätigenden Siegel des Kaufabschlusses, mußte nicht durchaus Wein getrunken
werden; auch Bier oder Grog standen voll im Kurse, und die rechtlich bindende
Kraft des Verfahrens litt nicht, wenn auch der Wein verschmäht wurde.
Entscheidung zu treffen,
rief man eine Reihe »frommer« Männer aus dem Kirchspiel herbei, und damit
stehen vor uns Männer, die bei »Ding und Recht« das Urteil zu finden hatten.
Meistens nannte man sie »Achtmänner« oder auch »fromme Holstenmänner«. Hier wirkten
sie als Friedensrichter, und das daneben bestehende »Landrecht« zeigte keinen
Anlaß zum Tadel für die oder den Juraten.
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Kurzer
Blick auf die Unterbeamten der Kirche
Diese Frage wurde
angeschnitten am 14. Oktober 1636 bei oder nach Ablegung der »Rechenschop«.
Christian Hamerich, der
Kirchendiener, der 22 Jahre lang bereits der Kirche gedient hat, besinnt sich,
ein Guthaben bei der Kirchenkasse erworben zu haben, an dessen »Erstattung«
oder Auskehrung ihm nun gelegen ist. Die vom Protokollführer gewählte
Schreibart gestattet nicht, zu erspähen, um welchen Betrag es geht. Es wird ihm
aber zugestanden, daß er in allen Jahren eine Dienstleistung ausgeführt hat,
ohne dafür entlohnt zu werden, ohne auch eine solche gefordert zu haben. Der
Herr Propst wählt den Mittelweg: es wird ihm Nachzahlung für n Jahre
zugesprochen und fortan eine Lohnsteigerung von 2 Himten Roggen jährlich
festgesetzt.
Es
folgt ein Zusatz, der hier noch Platz finden möge:
»Ebenmäßig ist dem
Kirchendiener zugesagt und versprochen worden, ihm jährlich einen Reichstaler
zuzukehren, dafür er schuldig sein soll, das ganze Jahr durch auf allen Fest-
und Sonntagen mit der »behte« (Klingelbeutel) umbzugehen und der Kirche zum
Besten sich dafür unweigerlich und unwiderruflich gebürend gebrauchen zu
lassen.«
Christian Hamerich hatte
seitdem eine Entlohnung von 4 Himten Roggen und 1, wohl auch einmal 2 Mark
Zulage.
Der Versuch, etwas zu
erschauen vom Stand der Schule um 1570, also ¼ Jahrhundert später, als
Bugenhagens Schulordnung herausgekommen ist, bleibt überraschend wenig belohnt.
Gewiß, das Schulhaus, meistens Organistenhaus genannt, trat gleich in unser
Blickfeld: wir lasen von Reparaturen dieses Gebäudes, und das Buch verschweigt
nicht, daß es galt, ein »altes Haus« zu bessern, ein Zeichen dafür, daß die
Schule, für welche es gebaut war, schon recht lange bestanden hatte.
Aber die Namen der Männer,
die hier eines würdigen Amtes gewaltet haben, nennt niemand! Das wenige, was
sich bietet, sei an den Tag gebracht: Anno 1573 zahlen die Kirchgeschwornen
»dem scholmestern, de fan Segebergh quam (kam), die gleiche Summe, welche der
forige gehabt hadde«, nämlich 6 Mark.
1575 wiederholt sich das
gleiche; es wird wieder einer »angenommen« und gar noch ein Gottespfennig von 8
Schilling zur Festigung des neuen Bundes geopfert. Ähnliches mag sich noch
recht oft ereignet haben. Doch das Kirchspiel brauchte »Schollehrer, Küster und
Organist« in einer Person, die, was den Organisten betrifft, auch im Winter zur
Stelle sein sollten. So trat dann das Küstergehalt sehr in den Vordergrund:
Hebung von 16 Himten Roggen, dazu ein Jahrgeld für »Schol Waschen und
Kirchenschmuck zu Maitag« zusammen 12 Mark; und als 1656 noch der »Seyer«, das
Stellen des Turmuhrzeigers, hinzukam, blieb das Jahrgeld total unberührt. - Ein
Anno 1663 eingetretener Organist erlebte die Ehre, seinen Namen ins Kirchenbuch
eingeschrieben zu sehen: Hermann Einbauten
59
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beim Eintritt, danach
dauernd Hermannus. Auch für ihn blieb die bewährte Entlohnungsform in Kraft: 16
Himten Roggen und 12 Mark Jahrgeld. So kam er in den ersten Jahren zu 28 ½, 17,
11 Kurantmark des Roggens wegen, ergänzt jedesmal durch 12 Mark Jahrgeld.
Kleine
Notizen, die der Beachtung wert sind
1. Anno 1651 werden einem aus Ungarn
vertriebenen Manne auf Befehl des Königs 2 Mark ausgehändigt.
2.
Dem
Bischof aus Zypern 1 ½ Mark.
3.
Einem
Juden, der sich zum Christentum bekehrt hat, werden auf Sr. Majestät Befehl 3
Mark zuteil.
4.
Auffällig
ist die Nachricht, daß Hans Fulendorf, der Vater unseres Jürgen F., in seinem
Hause den Kirchenroggen »meten« läßt und dafür in Rechnung stellt: »Vor 1 Tonne
Bier, 8 Pfund Speck, 9 Pfund Brot, 7 Pfund Butter, wofür zu entrichten 18 Mark.«
Es ist schon unbedenklich,
anzunehmen, daß Frau Pastorin den Tumult in ihrem Hause vermeiden, aber die
Wirtschaft in der Kirchspielvogtei umgehen wollte, wo man ja, wie wir gesehen haben,
das Vergnügen mit 34 Mark berechnete.
5.
.Wir
lesen: »Als Hans Folster Korn gemayet und eingeerntet, verzehrt 4 Mark 8
Schilling.« Hier liegt die Frage nahe, ob etwa die Eingepfarrten verpflichtet
waren, solche Dienste für die Kirchenhufe zu leisten. Die Antwort ist ein
klares Nein. Hier liegt ein Fall freier Vereinbarung vor; von Pflichten dieser
Art weiß das Kirchenbuch nichts zu melden, wie ja auch der Mäher Hans Folster
entlohnt worden ist.
6.
Hans
Mohr und Jürgen Gloyen, daß sie im Umbschlage dieses Jahres (1666) vier Tage in
Kirchengeschäften nach Kiel gewesen.
Hier zeigt sich, welch
große Anziehungskraft der Kieler Markt schon damals hatte.
Die Wanderung durch die
hundert Jahre des Kirchenbuchs ist vollendet. Aber es ist noch ein zweites Buch
vorhanden, das dem hier bearbeiteten recht ähnlich ist. Es wäre
Pflichtversäumnis, wollte man es nicht nutzen als willkommene Ergänzung und zur
Festigung der bereits gewonnenen Kunde.
Zur Aufmunterung möge der
freundliche Leser zur Kenntnis nehmen, daß das wüste Gebiet der Ziffern in den
Hintergrund treten soll.
Observata
des Pastoren Galenbecii
1627: In der Ernte des
Röm. Kaisers Kriegsmacht über die Elbe nach Holstein und darin verblieben bis
1629 (Johanni). 1628 ist am 3. Tag zu Ostern der Flecken angesteckt worden;
alles, was zwischen den drei Brücken gestanden, von dem
60
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Hohen Tore über die Hudau
und Mühlenstrom, ingleichen die Mühle, des Pastoren Haus und die zwei, so dabei
stehen.
1643: Am 2. Advent sind
die Schweden unvermudlich in Holstein eingefallen, haben das Land hart
gepresset bis 1645 um Michaelis und nach erlangtem Frieden das Land verlassen.
1644: Kirchspiel Kaltenkirchen
von ihnen verbrannt in den Ostertagen.
1645: Friede geworden.
Dreijährige
Kriegszeit 1657-1660
1657: König von Schweden
kam zur Zeit, da der Roggen eben eingebracht, mit seinem unansehnlichen Heer
aus Polen hierher und ist durch Holstein nach Jütland gezogen, und nachdem er
die Festung Friedrichsoer (?) mit Sturm genommen, diese besetzt. Ist endlich um
Lichtmeß in Anno 1658 über das Eis nach Fünen, Seeland, Laaland, Falster usw.
gangen, bis der König von Dänemark mit ihm Frieden geschlossen. - Aber der
Schwedenkönig brach sein Wort; die Dänen haben Holland, den Kaiser, den
Kurfürsten zu Brandenburg und den König von Polen zu Hülfe gerufen. Ein
erschrecklicher Kriegsherr hat ein ganzes Jahr Dänemark und Holstein
heimgesucht, daß das Land jämmerlich verzehrt worden. -Im Zuge der Ereignisse
ist der Kurfürst von Brandenburg mit der Kur-Brandenburgischen Armada durch
Bramstedt gegangen und sind im Flecken und im Kirchspiel einquartiert worden.
Der Kurfürst ist am 29. August 1659 hier einquartiert gewesen auf dem Hofe. Dem
Kurfürsten sind die Polen auf dem Fuße gefolgt. So geschehen am 1. September
1659. - Schon im Jahre vorher um Michaelis waren sie hier einquartiert gewesen
und hatten den Leuten, die sie übereilten, die Pferde geraubt. 1659 blieben sie
hier bis zum 4. des Monats. Sie haben übel, übel haus gehalten; die Orgel und
das Uhrwerk in der Kirche haben sie ruiniert, ja, sie haben die Toten, die in
der Kirche begraben waren, nicht verschont, sondern, wohl weil sie hofften,
Schätze zu finden, deren etliche ausgegraben und die Särge in Stücke zerhauen.
So haben sie auch im Altar etwas vermauert gefunden. Was es gewesen sei, ist
unbekannt. In wahrhaft barbarischer Weise haben sie im Gotteshaus gehaust.
»Gott wolle alle frommen Christen vor solcher Tyrannei bewahren.« - Und ist zu
wissen, daß dies polnische Kriegsheer von General Granetzki kommandiert und
geführt worden. - Gegen Ende des Jahres 1659 ist ein polnisches Regiment,
nachdem es mitgewirkt hatte an der Rückgewinnung der Insel Fünen, von dort nach
Hause geschickt worden. Wieder ging der Weg über Bramstedt. Zuerst wurde am
heiligen Weihnachtstage die Leiche des gefallenen Obersten Raskinsky durch den
Ort geführt.
Anno 1660 am 1. Sonntag
nach Epiphanias folgte das Regiment und blieb hier bis zum 13. Januar. Diese
Tyrannen haben bei ihrem Ausmarsch mit den Bramstedtern den Rest geteilt. Die
annoch übrigen wenigen Orgelpfeifen haben sie völlig verderbet, ja, hätten wohl
gerne, wenn sie nur könnten, den Garaus gemacht. Sie sind weit und breit geritten,
und hat, weil es gefroren gewesen,
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nichts in Büschen und
Morästen, so wenig in benachbarten als an diesen Örtern können vor ihnen
verborgen bleiben.
Post mortem Caroli Gustavi
Regis Sueciae, Anno 1660 im Mai, ist unter den nordischen Königreichen Friede
geschlossen worden. - Die acht Regimenter der Alliierten sind, als man mit der
Nachmahd oder Etgrön beschäftigt gewesen, fortgangen. Kirchspiel und Flecken wieder
mit dänischen Völkern belegt. (Von den Schweden zuerst in Bramstedt gelegen
Oberst Stolzenberg; dann Oberst von Osten, haben die Leute hart gepreßt. Von
den Brandenburgischen: Oberster Hille, dann gefolget Elias von Kanitz, Oberster
der Dragoner, wie auch Oberst Greve, dessen Reuter zu Wiemersdorf und Hardebeck
gelegen, welche auch dem Flecken und Kirchspiel Großes gekostet.) - Gott wolle
den armen Leuten ihren Schaden mit reichlichem Segen wieder ersetzen, sodann
uns All solche und denselbigen pressuren gnädiglich behüten um Christo Jesu
willen.
Anno 1658 ist Obrist
Alexander vor der Kirche gewesen zu Bramstedt, ist Pastor Henrikus Galenbeck in
die Kirche gangen, Armenkiste erbrochen gefunden, darinnen nur noch 10 Mark.
Anno 1668, 16.4.: morgens
zwischen 9 und 10 große Feuersbrunst im Flecken, 7 Wohnhäuser abgebrannt:
Jasper Wulf, Hinrich Fölster, Martin Schulten samt der Schmieden, Metta
Hartmann samt dem Stall, Johann Krützfeldt, Johann Hardebeck, Bartelt
Gieselers, aufgegangen, da dann der Wind Südwest gewesen, und bei Jasper Welser
das Feuer auskommen.
Anno 1676 in
Maria-Magdal.-Nacht um 1 Uhr im Flecken Feuersbrunst entstanden, darinnen die
Häuser der Bartelt Gieseler, Joh. Hardebecken und Gerdt Wulfs aufgegangen,
auskommen bei G. Wolf.
1677 große Feuersbrunst, 8
Häuser: Hans Schacken, oldt Hans Wolfen, Abschiedshaus, Jasper Wulfen, Hans
Steckmessen, die Küsterei, Hinrich Lindemann und 2 Ställe, als Klaus Blunck und
Hinrich Lindemann aufgegangen. Der Schaden kam daher, daß aus einem
Ammunitionswagen der Hessischen Auxiliarvölker Pulver auf die Straße gestreut,
worauf das Wagenrad Feuer gebracht.
Anno 1692, 30.10.,
nachmittags um ½ 2, da die Leute eben aus der Kirche kamen, sind im
Flecken abgebrannt: Klaus Vossen, Arend Wulfen.
1699 in der Nacht von
Freitag und Sonnabend vor Dom. 14 p.Tr.: ein gottloser Mensch in die Kirche
eingebrochen, auf einer Totenbahre ins Fenster gestiegen, und Armenkasten
ausgeleert, zum wenigsten 80 Mark darin; man hat vom Armengeld, so auf Rente
gestanden, aufnehmen müssen. Es ist zu merken, daß von jeher und noch lange
nach 1670 nur einmal im Jahr, in der Woche vor Fastnacht, der Armenkasten
ausgenommen und das Geld ausgeteilt wurde. Die Kirchschwornen haben nur einmal
im Jahr gesammelt.
Zur Zeit des Amtmanns v.
Buchwaldt ist beschlossen: der Organist sammelt jeden Sonntag (um 1650) gegen
eine Jahresgebühr.
Zu dieser Zeit: Vitus
Barbarossa Präpositus, Henricus Galenbeck Pastor, Johann Vaget Kirchspielvogt,
Christian Hamerich Organist, Kirchschworen: Joh. Bartels
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im Flecken, Tewes
Hardebeck in Wiemersdorf, Hans Mohr in Hardebeck, Marx Gripp in Borstel.
1592: Neuer Kelch
angeschafft: in Hamburg, mit Vergoldung 25 Rthr. Und 1 Ort. Mark.
Orgel fertig 1573: Casper
Röhlfinck erster Küster bis 73, nun ein Organist angenommen, 1 Rtlr.
Gottespfennig; dabei Geschworner verzehrt 3 Mark 7 Schilling. -Prozeß Rötger
Lindemann! 450 Mark Kosten.
1667: Orgel: An Stelle der
zerstörten Orgel ein Positiv und Orgelwerk von der Glückstädter Stadtkirche
gekauft, 6 Stimmen; am 1. Advent-Sonntag zum erstenmal erklungen. Von 260
Feuerstätten je 2 Mark 8 Schilling erhoben = 515 Mark.
1669: Anno 1635
aufgeführter Turm und Mauer baufällig geworden, weil das hineingemauerte Holz
vergangen, dadurch Kirche und Turm in größter Gefahr. -Den Kirchgeschwornen
wurden 4 Gevollmächtigte zugeordnet: Klaus Steckmest und Gerdt Wulf für den
Flecken, Titje Hardebeck aus Wiemersdorf, Hinrich Titgen aus Hitzhusen.
Vereinbart: 7 Mark für jede Feuerstelle = 206 mal 7 = 1442 Mark. - Weil auch
die Insten und Bei-Insten die Glocken frei gehabt, haben diese beitragen müssen
3 Mark und 1 Mark 8 Schilling. - Gesamtkosten 1387 Mark 3 Schilling.
1674: Backhaus im Pastorat
gebaut: 140 Mark 12 Schilling; Kirchenlade, für die Bücher, mit Schmiedearbeit
und Anstreichen 5 Mark 8 Schilling.
1677: Küsterei, so bei dem
großen Brande zerstört, wieder aufgebaut: 535 Mark 11Schilling.
1678 am Freitag vor
Palmarum: Sturm hat den Mächler mit Hahn und Knopf heruntergeweht, auf die
Kirche gefallen. 362 Mark 7 Schilling.
1683: Mit Erlaubnis der
Kirchenvisitation (Amtmann und Propst) sind aus den Brunnengeldern 300 Mark für
Turmbau verwandt worden.
1678/88 hatte die Kirche
mehr Ausgaben als Einnahmen. - Unterschuß insgesamt 1568 Mark; gedeckt worden
aus den Brunnengeldern, dazu die 300 Mark; Anno 1688 konnten noch 250 Mark zu 5
% auf Zinsen gegeben werden.
1689: Einige aus
Kirchenholz gesägte Bretter, so ihrer Nässe wegen zum Boden im Pastorhaus nicht
können gebraucht werden, sind gehoben 17 Mark 8 Schilling. Von Hinrich Meinert
in Hagen für einiges, zur Ungebühr gehauenes Kirchenholz, so bei seinem Erbe,
empfangen 9 Mark.
1691: Von Heinrich Meinert
dito 10 Mark 8 Schilling. Kirchenmauer an der Westseite baufällig, Einsturz
drohend, niedergebrochen, von Grund auf neu: 9 Mark für jede Feuerstätte. 2038
Mark 3 Schilling.
1686: Begräbnis für 1
Leutnant aus Cap. Koes Companie, der sich selbst erschossen, in der Kirche
begraben, 12 Mark. Vor das Geläut 3 Mark. 1688: Vor Begräbnis nur Geläut bei
Beerdigung des Herrn Auditors von dem Obersten Aderkehs (kass) 12 Mark.
1692: Vor Aderkahs für
sein Söhnlein in der Kirche 9 Mark. 1688: Beichtstuhl neu gebaut, Tischlerlohn
12 Mark. 1693 ist vor die Eröffnung des sel. Friedr. Müllers und dessen
Erben zu-
63
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ständigem Begräbnis, als
die Frau Majorin Cramersch darin beigesetzt worden, gehoben 20 Mark. - Der 1677
wegen dieses Begräbnisses wegen errichtete Contract:
»Kund und zu wissen sei
hiermit männiglich, daß der Herr Major Kramer für seinen seligen Herrn
Schwiegervater Herrn Hinrich Müller, gewesenen Proviant-, Ammunition- und
Bauverwalter in Krempe, wie auch für sich selbst und seine Frauen und Erben ein
ewiges Erbbegräbnis von der Kirche zu Bramstedt erkauft hat, an der Südseite in
gedachter Kirche neben dem Altar bis an die Kirchenmauer, 11 Fuß breit und acht
Fuß lang und soll der Herr Major und seine Erben freie Macht, die erkaufte
Begräbnis auf vorbeschriebene Größe, mit Mauern aufzuziehen, und mit einem
Leichsteine zu belegen, und ein Epitaphium an einem bequemen Orte in der Kirche
setzen zu lassen, um und vor 60 Reichstaler baren Gelde und eine silberne,
übergoldete Kanne, auf 40 Rtlr. geschätzet, welche er der Kirche zum ewigen
Gedächtnis seines sel. Hr. Schwiegervaters verehret, und ist den sämtlichen
Kirchgeschwornen erwähntes Geld und die silberne Kanne zu selbst eigenen Händen
von Hrn. Majoren überreichet und bezahlet und solches in dem Kirchenbuch
verzeichnet worden. Wie sich die Kirchgeschwornen für sich und ihre Successoren
verpflichtet, nimmer zuzugeben, daß sel. Hrn. Müllers Erben noch sonst jemand
den Leichenstein, über des sel. Hinrich Müllers Körper liegend aufzunehmen oder
daselbst einen andern zu begraben Macht haben, besonders bis zu ewigen Tagen
solche Begräbnis uneröffnet bleiben soll. Das übrige von dem Platze, unter dem
Gestühl, mögen die Erben nutzen und zu brauchen haben, jedoch mit dem Bedinge,
daß allemal bei deren Eröffnung der Kirchen dafür ihre Gebühr gegeben werde,
wie zu Segeberg, Oldesloe und sonsten allerwärts gebräuchlich. - Zu Urkund der
Wahrheit und festen Haltung ist dieses von dem Herrn Pastor zu Bramstedt und
den Juraten eigenhändig unterschrieben, auch wegen Ihrer Königl. Majestät
unsers gnädigsten König und Herrn, als einzigen Patron der Kirche dem Kgl.
Regierungsrat und Amtsverwaltern zu Steinbürg und Segeberg Herrn Nicolaus
Brüggemann corrobiret und bekräftiget. - So geschehen den 20. Juli 1677. -
N. Brüggemann, Dethlevus
Galenbeccius, Pastor Eccl. Bramst; Jürgen Gloye, Hinrich Lindemann, Claus
Wischmann, Jasper rieng.«
Anno 1694. Für des
hochsel. Hrn. Obristen Otto Heinrich von Aderkahs in der Kirche gekaufte
Erbbegräbnis sind gehoben 90 Mark, worauf dessen hinterbliebenen hochadlichen
Frau Wittwen folgender Contract ausgehändiget:
»Kund und zu wissen sei
hiermit männiglich, daß der Witwe, die wohlgeborene und hoch-Tugendsame Frau
Hypoleyta Hedwig für Ihren hochseligen Eheherrn, sowohl als auch ihr selbst,
dero Kindern und andern Erben unter dem Gehäge hiesiges Altars ein Erbbegräbnis
vor 30 Rtlr. soweit als der darauf liegende Leichstein sich erstreckt, erkauft,
wie auch die Zahlung dafür wirklich erfolgt. Wogegen sich die Kirchschworen für
sich und ihre Successoren verpflichten, nimmer zuzugeben, solch Begräbnis zu
ewigen Tagen zu eröffnen, es sei denn, daß dies für jemanden der Erben nötig
sei, da solches gegen Erlegung
64
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der gewöhnlichen Gebühren
frei sein soll.« - Unterschrift des Pastoren und Juraten am 13. Mai 1694.
1695: Am 1.
Osterfeiertag haben Tim und Ties Langhinrich einen großen silbernen vergoldeten
Kelch auf dem heiligen Altar verehrt.
1698: Hochsel. Hans von
Bähren Begräbnis. 72 Mark darüber ein Contract. »Kund und zu
wissen , insonderheit denen, so daran gelegen, daß wir
Endes benannt, als jetziger Zeit Administratores der Bramstedtischen
Kirchengüter, nomine jetzt gedachter Kirchen, eines beständig, ewig und
unwiderruflichen Erbkaufs verkauft haben, verkaufen auch hiermit nochmalen in
bester, beständigster Form und Weise rechtens an die hochwohlgeborene Charlotta
Olgard Hedwig geb. von Ahlefeldt anjetzo verwitwete von Bähren, eine zwischen
dem Altar und Beichtstuhl nebst den Steding'schen und Vagdischen Begräbnissen
gelegenen andere Begräbnis, 9 Fuß lang und 5 Fuß breit, zu Beerdigung ihres
sel. Eheherrn, des weiland auch hochwohlgebornen Hr. Hans von Bähren um und vor
24 Rtlr., welche sie bar entrichtet hat und wir vor hoch bemeldete Frau
Käuferin und ihre Erben zugleich hiermit quittieren, als an dergestalt, daß
besagte Begräbnis deroselben und ihren Erben ewigen Tages soll erb- und
eigentümlich zustehen, doch mit dem Vorbehalt, wenn selbige, ausgenommen etwa
bedürfender Reparation heute oder morgen, nachdem nun die hochselige Leiche von
dem Herrn Hans von Bähren beigesetzet, auf einen andern, gebe Gott noch lange
außen bleibenden Sterbefall sollen wieder öffnen wollen, der Kirchen die in
solchem casu gewöhnliche Gerechtigkeit geschehe. Hingegen verpflichten wir uns
und unsere Succ, im Namen unsrer Hohen Kirchen-Visitatoren, als welche diesen
Contract sämtlich consentiret, namentlich Sr. Excellenz des Hrn. Geheimen Rats
Andrae Pauli von Liliencron als jetziger Zeit Oberamtmann zu Segeberg, desgl.
Sr. Magnificenz Hrn. Justizrats Reimer von Rheder, Viceamtmann daselbst, sowohl
als auch Sr. Hochwürden Hrn. Vice-Praepositus Petri Antoni Burchardi, daß die
Kirche werde jetzt noch künftig einige Praetensiones ex quo capite vel causa
sie auch immer herrühren möchten, auf mehr gemeldete Begräbnis zu machen befugt
sein, dieselbe auch von derselben und außer Geheiß und Vorwissen der Frau
Käuferin und ihrer Erben zu ewigen Zeiten uneröffnet bleiben sollen. Alles
sonder List und Gefährde. - Wie wir denn auch diesen Contract zu mehrerer
Sicherheit nicht nur mit eigner Hand unterschrieben, sondern ihn auch wirklich
von Wort zu Wort unserm Kirchenbuch einverleibet.
So geschehen Anno 1697 zu
Bramstedt den 7. Januar.
Unterschrift: Conrad
Henricus Galenbeck, Ecclesiae patriae Pastor; Joh. Bartels, Jürgen Hardebeck,
Marx Gripp, Hinrich Mohr.«
Anno 1699: Vor des
Rittmeisters Weisern Begräbnis (nicht Erb-) 24 Mark.
1700: Vor des
Regiments-Feldschers von Herrn Obristen Bernstorffs Kind, so in der Kirche an
einem abgelegenen Ort begraben, 6 Mark.
1701: Turm neu gedeckt,
470 Mark. Orgel in der Kirche gebaut. Dafür hat Kommissär Averhoff von guten
Freunden einen erheblichen Beitrag geworben; hat auch zur Bemalung 40 Rtlr.
verehrt. Ferner eine silberne Kanne versprochen
65
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im Wert von 40 Rtlr. -
Dafür ist ihm in der Kirche von den Visitatoren ein Platz für 2 Leichen
vergönnt worden; auch ein Kirchenstand an der Wand neben dem Kinderhaus
überlassen. Die Silberkanne ist 1714 von der Frau Kommissarin geschenkt worden:
200 Mark 12 Schilling. Sie sind aber beide in Segeberg beerdigt worden.
Successor in officio Wulf hat des Vorgängers Häuser und Jura erworben, auch den
Begräbnisplatz erhalten; er liegt unter der Orgel begraben.
1704, 05 und 06 hat der
adelige Hof zu Bramstedt für vier wüste Hufen in Hitzhusen und eine Hofstelle
die Anlagegelder a 7 Mark 4 Schilling und 2 Mark 8 Schilling nicht zahlen
wollen: solches ist durch Exekution (Wegnehmung des Korns vom Felde)
eingetrieben worden, dreschen lassen und verkauft: davon die Kirche erhalten
das erste Mal 29 Mark, dann 15, dann 12 Mark.
1725: Feuersbrunst, große,
im Flecken.
1726: Neuer Klingbeutel,
von Harm Harbeck aus Hamburg geschenkt. Verordnung: An hohen Festtagen sollen
die Becken an der Kirchtür stehn; Betrag für Reparation der Kirche bestimmt.
1731: Hans Meier den Turm
angestrichen. Arbeitslohn 47 Mark; Farbe 44 Mark. Töpfe und Feuerung 2 Mark 10
Schilling.
1733: Im Sommer der ganze
Kirchenboden gestrichen; Farbe haben gute Freunde geschenkt, die blaue ein
unverheirateter Schmied. - Große Glocke geborsten. -Strahlborn aus Lübeck hat
sie umgegossen; Gießerlohn 728 Mark, Trinkgeld für Gesellen 9 Mark, für ein
neuer Glocken-Hövel 12 Mark, Eisenzeug 14 Mark, Zimmermann 4 Mark, Zehrung für
Meister und Gesellen 20 Mark; Unkosten in Lübeck 23 Mark 2 Schilling, Fuhrlohn,
die Glocke herzuschaffen 30 Mark.
1735: Mit Zustimmung der
Visitatoren: Pastoratholz in der Ah verkauft für 200 Rtlr. Pastor loci soll die
Jahreszinsen genießen.
1738: Ganze Turmmauer an
der Westseite abgebrochen und neu aufgebaut; Turm aufgeschroben, mit Holz mehr
befestigt und verbunden, statt der Leden große Steine unter die Pfeiler. Kosten
1407 Mark.
Die
streitbare Kirche
Das Archiv der Bramstedter
Kirche bietet dem Geschichtsforscher neben den im strengen Sinne des Gesetzes
als amtliche Dokumente anzusprechenden Kirchenbüchern noch etliche Urkunden,
teils verstreut, teils in solider Heftung dar, die in mehr als einer Hinsicht
verdienen, der Chronik des Ortes und des Kirchspiels dienstbar gemacht zu
werden. An erster Stelle steht in dieser Hinsicht eine Sammlung, die auf mehr
als 100 Blättern in Groß-Folio recht verschiedene Gegenstände berührt, indessen
in der großen Mehrzahl der Fälle sich im Kern als Verhandlung einer Streitfrage
darstellt. Damit rechtfertigt sich der Titel, unter dem das Sammelwerk
überliefert worden ist:
»Allerhand zur Bramstedter
Kirchen und Pastorate gehörige Schrifften, sonderlich Original-Akta in
Streitsachen des dasigen Pastoris Daniell Hart-
66
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naccius mit dem
General-Superintendent D. Josua Schwarz, dem Kirchspiel-Voigte, Juraten und
sämptlichen Gemeine.«
Die Wiedergabe erfolgt
natürlich mit Auswahl und starker Kürzung. Soweit genaue Hinweise auf die
Quelle gegeben werden, zeigt eine eingeklammerte Ziffer auf das entsprechende
Blatt der eben bezeichneten Schriften-Sammlung hin.
I.
Materielle Angelegenheiten
I . Die strittige Vikarie
Dieses kleine Anwesen der
Kirche stammt aus jener Zeit, wo auch unsere Gemeine noch unter dem Krummstab
des katholischen Bischofs stand. Es sollte den friedlichsten Zwecken dienen:
Behausung sein für die Hilfsgeistlichen (Kaplane, Vikare) des mit geistlichen
Dienstpflichten reichlich bedachten Priesters, daneben Raum bieten für
unterrichtliche Betätigung der Vikare. Das Haus, ausgestattet mit einem
Kohlhof, lag gegenüber dem westlichen Eingang der Kirche in nächster
Nachbarschaft des Organistenhauses (Küsterei) und war natürlich im Besitze der
Kirche. Mit der Einführung der Reformation waren die Vikare überflüssig
geworden. Schon aus den Jahren 1546, 1547 und 1548 (Bl. 47) vernehmen wir
übereinstimmend:
»Dem Karckherren gegewen
von der vicary vor brodt und win 14 Mark.«
Diese Buchung läßt
vernünftigerweise nur diese eine Deutung zu: Die Vikarie war zu einer
Nährquelle geworden mit einem Jahresertrag von 14 Mark lübsch. Diesen Betrag
kassierten die Kirchenjuraten ein und überwiesen ihn dem Prediger - Hermann
Burtfeld - zur Deckung der Jahreskosten für Wein und Brot zur Feier des
Abendmahls.
Das
Jahr 1606 verkündet im Kassenbuch unter Einnahme:
»Die
grundt und Vicary heur ... 10 Mark 11 Schilling.«
Alle Wahrscheinlichkeit
spricht dafür, daß 1546 wie 1606 die Vikarie mit zugehörigem Wiesenland von der
Kirche in Pacht vergeben war, wobei ungeklärt bleibt, ob Zeit- oder Erbpacht
vorlag. Da im Jahre 1573 die Kirchenkasse für »reparirung des vicary hauses« 1
Mark 2 Schilling auslegte, ist wohl Zeitpacht, also volles Eigentumsrecht der
Kirche, zu vermuten.
Trotzdem hat Seelsorger
Burtfeld, der 1570 Abschied nahm nach 36jähriger Amtsverwaltung, nacheinander
mindestens drei Gehilfen, nunmehr Diakone genannt, beschäftigt, von welchen der
letzte zum Amtsnachfolger berufen wurde, während die beiden andern ein
trauriges Ende nahmen (siehe Verzeichnis der Geistlichen). Diese Diakone der
lutherischen Kirche dürfen mit den Vikaren der katholischen nicht verwechselt
werden; letztere standen in einigermaßen gesicherter Stellung neben dem Priester,
während jene fast nur dann gerufen wurden als Aushilfekraft, wenn Schwachheit,
Krankheit oder sonstige Behinderung des Predigers das erforderlich machten. Die
Gemeinden waren meistens wenig geneigt, dafür ein Opfer zu bringen, und so
dürften die genannten Vertreter Burtfelds
67
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fern von dem Fetten der
Erde gewandelt sein. Ob sie etwa aus milder Hand noch Nutznießer der Vikarie
gewesen sind, ist nicht zu entscheiden. Es sei nur noch daran erinnert, daß
Graf Stolberg, als er hier als Amtmann waltete, dem Diakon Tobias Mentzel durch
ein Stipendium hier zu wirken ermöglicht hat.
Soweit ist die Geschichte
unserer Vikarie einfach und klar. Aber das 17. Jahrhundert brachte mit dem
Dreißigjährigen Kriege auch noch erhebliche Unruhe wegen dieses Besitztums für
Flecken und Kirchspiel. Es wurden Rechtsansprüche angemeldet, von denen bislang
nichts verlautete. Eine vom derzeitigen Pastor Henricus Galenbeck gefertigte
Copie einer vom Dompropsten zu Hamburg am 2. Oktober 1628 unterzeichneten
Urkunde belehrt uns:
»Ich Dettleff Rantzow,
Ritter, Thumb-Probst zu Hamburg, holsteinischer Raht, Amptmann zu Steinburg und
in Dithmarschen, zu Pankow Erbgesessen, Thu kundt und bekenne hiermit, was
maßen ich die vicarie zu Bramstede, so unter der Thumbprobstey zur Hamburg
gehörig, Als welche Herr Gerhardt Rantzow Sel., weiland Königlicher Majest.
Stadthalter in dem Fürstenthum Schleswig-Holstein, (dem) Sel. Hans Meulken,
derzeit Barbier zu Bramstede, besage (laut) seines am 14. Juni 1604
aufgerichteten brieffes (Vertrages), welchen ich in original gesehen und
vorlesen, verheuerdt gehabt: nun anjetzo gedachten Hans Meulkens nachgelaßenen
Erben und in specie demjenigen unter ihnen, dem die vicarie auftragen
(überlassen) werden, wiederumb verheuert habe. - Thue auch solches nachmalen
hiemitt und in krafft dieses derogestalt und also, daß der ernante Besitzer
oberwente (oben erwähnte) vicarie seine und seiner Frawen Lebenszeit behalten
und davon jährlich der Kirchen zu Bramstede oder den Kirchschworen daselbst 9
Mark und eine Mark mir, alsdem Thumbprobst zu Hamburg, geben und entrichten
soll. Jehne (die heuerleute) sollen auch dieselbe (Vikarie) in beßerung und
bauwung (baulichem Zustand) halten, und bei der Krug gerechtigkeitt, wie
von Alters hero geschehen ist, gelaßen werden; aber der Thumbprobstey an ihrem
rechte und gerechtigkeitt unverfencklich (unbeschadet).
Weilen auch in Anno 1589
das Hauß der vicarie auf 60 Mark werdierett (gewertet, taxiert) worden und
bawfellig geweßen, daß Sel. Hans Meulcke es damalen (hat) bawen müßen - wie
auch von ihme soll geschehen sein, daß ers in einen beßern stande gebracht - So
soll künfftiglich, wan der besitzer, seine Frau oder Erben werden abziehen, es
also (wie der vom Sel. Herrn Hinrich Rantzow 1589 den 20. Martii darüber
außgegebene Brieff vermeldet) damit gehalten werden, wie auch noch
geschriebenen Punkten halber; In fall dem Hauße durch Gottesgewitter schaden
wieder führe oder sunsten von ander her kheme (käme), Sol der, dem dan der
grundt zugehörich, darvor hafften. Da aber der Schade von ihme oder den
seinigen herkehme, Sol er denselben stehen und beßern. Wofern auch nach seinem
und nach seiner Frawen todtlichen Abgange sie Leibeserben nachließen, so daß Hauß
behalten wolten, Sollen diese, wenn sie, was andere thun (zahlen) wollen, (auch
bieten), vor andern dabei gelaßen werden. - Es haben auch obgedachte Sel. Hanß
Meulckens erben mir eine Verehrungh gegeben, damit es auch also künftiglich
solle gehalten werden.«
(Eigenhändige
Unterschrift und Siegel)
68
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Diese Beurkundung des
hochangesehenen Detlef Rantzau, die offenbar für die in der Vicarie wohnhaften
Erben des Sel. Barbiers Hans Meulcken bestimmt war, brachte die aufregende
Neuigkeit, daß die Vikarie Eigentum der Hamburger Dompropstei sei, daß ferner
weder die hiesige Kirche noch die Dompropstei frei über die Nutzung des
Grundstücks bestimmen könne, weil ein bindender Vertrag mit der Familie
Meulcken sehr im Wege stand. Und der Leser wird mit Interesse zur Kenntnis
genommen haben, daß ausgerechnet mit der Vikarie »von altersher« eine Krug-, d.
i. Schankgerechtigkeit verbunden war und fernerhin bleiben sollte.
Zunächst ist klarzulegen,
aus welchem Anlaß gerade im Jahre 1628 diese Dinge zur Sprache kamen. Nun, es
war die Schwedenzeit: eine Feuersbrunst hatte den Flecken schwer heimgesucht
und auch das Pastorat hart mitgenommen. Man suchte nach einer vorläufigen
Wohnung für den Prediger und fand die Übersiedlung in die Vikarie für das
natürlich gegebene. Der Widerstand der dortigen Häuersleute veranlaßte sie
dazu, sich vom Dompropsten die obige Urkunde als brauchbare Waffe zu
verschaffen.
Die Kirche konnte
demgegenüber nicht einfach auf ihre wohlbegründeten Rechte verzichten. Doch
erst nach Ablauf von neun Monaten treten die Vertreter des Kirchspiels den
durch berührte Beurkundung offenbar gewordenen Rechtsansprüchen mit einer
Erklärung entgegen. Sie bewahren dabei, wohl beeinflußt durch die machtvolle
Stellung derer von Rantzau, eine beachtliche Ruhe. Wir werden ihrer Darlegung
Raum gönnen wollen.
»Wy Endsbenanten bekennen
hymitt, dat, nadem ein strydt twischen Moelkens Erwen und der ganzen gemeine
des Kerchspels Bramstedt entstanden wegen der Vikari, eines Teills, Moelckens
Erwen, so vermeinen, datt Sie wegen des Doehmbs Confirmation schriuende, alß
der Woll Edlen herren Thomprövste Heinrich und Gerdt Rantzowen weiland Sel.,
wie denn ock des Herrn Ridders Dettleff Rantzowen, so Jehrlich empfangen von
Moelckens Erwen einen halben Reichstaler, die höchste Gerechticheit in der
Vicari hebben vor andern herrenlüden und der Karcken Bramstedt, Andern Teills,
auerst alß die Kercke und die incorporirten1) vermeinen, Datt Sie
solcher vicari mechtig syn wegen Ihro Kgl. May. jurisdiction und Hoheit, im
Falle der Noth als itzige Tydt, da die Wedem, des Pastoren Hues, mitt in der
Füersbrunst upgegangen, oder ock, wenn Sie diesülwige thor Scholen oder tho
eren Capellahn tho gebruken nödig. Wadt Sie (die Erben) den Dohmb geven, watt
Marx Mertens und Moelckens Erwen dorhin gebracht, da Sie darin underrichtet
worden, datt idt ein uhrolden gebruck, ist in der Karcke boek nicht tho finden,
ock keine Wetenschop darumb hebben, wo datt gelde dorhen gekamen, und uth
folgenden Puncten des Pastoren darin gewyset:
1. Datt idt bewießlich,
datt die Cappelähne in der Vicary gewohnt: Herr Lucas, H. Wasmohr und H.
Friedrich;
___________
1)
Kirchdörfer.
69
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2. Datt
die liewe Jugend dorin underrichtet worden; noch sind Lüd am Lewende, die
dartho in die Schole gegangen: Johann Vagett, Jochim Westphal (Kirchschwor), Hans
Brockstedt und Michell Wilcken von Brockstedt;
3. Datt
1546 und also bett up disse stunde de Karcke uth der Vicary wyn und Brodt up
den Altahr hollt und dem pastorn de erstadung darfor don (gegeben). (Siehe dazu
Einleitung dieses Themas.)
4. Datt
Anno 1573 die Kercke de Fensters dorin hefft maken laten;
5. Unter
den Ausgaben der Kercken is nicht tho finden, datt jährlich Geld an den Dohmb
gegeven worden (daß die Heuerlinge Marx Mertens und Hans Moelcken dahin bezahlt
haben, bestätigt ja die Urkunde des Wohledlen Herrn Propsten);
6. Datt
hues ist wohl mit 60 Mark gesettet, aber dat geld nicht geven worden;
7. In
der Confirmation des Dohmprobsten wird gedacht, datt wenn de Vicary dorch
Gottes Wedder in Fuer upginge, de Karcken Bramstedt scholde wederrümb upbauwen.
(Also wolde Sie diesülwige ock mechtig syn, und wenn die Kercke erer nottorft
na nicht bedrofftich, so kann sie hues und grundt verheuern.)
8. Uth
obgenannten gründen vermeint Rechtens, datt gantz Karkspell Bramstedt die
Vicary mechtich tho syn vor anderen, schon in Rücksicht auf das Herkommen,
entscheidend aber deshalb, weil im Falle der Instandhaltung und der Zerstörung
durch Feuersbrunst ihm, dem Kirchspiel, Recht und Pflicht der Wiederherstellung
zuerkannt und auferlegt werden.
Damitt nuhn disse strydt
möchte upgehawen (beseitigt) werden, hefft datt gantz Kerckspell etliche
Persohnen verordnet, ohne na Lübeck tho reisen, um den Wolledlen Herrn Dettleff
Rantzowen ere Noth tho erkennen tho gewen, wyll man den Pastorn kein hues hefft
buwen können, und Moelckens Erwen solches laten anmelden. Diesülwigen Erwen
awerst hebben thom bescheide gegewen, man scholde solches laten anstahn und
keine wydeläffticheit mehr dartho maken. Sie wolden 8 Dage na Ostern dem
Pastorn guttwilligh datt hues rühmen; hei mücht heuw und Korn darin leggen. Sie
hedden er (ihr) eigen hues, darin wolden Sie intehen (einziehen). - Darumbwegen
sich die Kirchschworn wedder vorpflichtet, Sie scholden datt hues beholden,
wenn Sie (die Kirchschworn) den Pastorn eins wedder gebuwet. - Darup datt
schriwendt; so Johann Vagett de Kerchschworn mittgedeelet. Also is dorch Er
(ihr) güttlich anbeden und vorpflichtung dem Dinge ein anstandt (Halt) gegewen
worden. - Actum den 11. März!« »Datt Solches also geschehen, syn hier gewesen
thor Tüchnisse der Her Pastor Henricus Galenbeccius und Johan Vagett, die 4
Kerchschworen: Jochim westphall, Marx Lohmann, Tewes Hardebeck und Hans Mohr.
Item Daniell Boye, Hans Langehinrichs, Jasper Lindemann, Eggert Jorck, Clawes
Mucksfeldt, Tyes Boye und wir obgenannte Tygen erbeden uns by unsern guden
geweten, da wy ock Rechtens genödiget werden, an Eydessteedt allewege solche
güthliche beliebung und vergleich dartho donde und mit der warheitt tho
erholende. Und tho mehrer Vorwisserungh hebbe wy gebeden denn H. Pastorn, Johan
Vagett
70
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(Kirchspielvogt)
und Jochim Westphalen, Kirchschworn, mitt erer handt und Siegel tho bevestigen
(befestigen, sichern). Aktum Bramstede, den 22. August Anno 1629.«
(gez.) Henricus
Galenbecius
Johann Vagett
Jochim westval
Past. Ecl.
Bramst.
(Siegel)
min handt
(Siegel)
Der Wunsch der
Kirchspielvertreter auf eine baldige und friedliche Vereinbarung wegen dieser
Sache hat sich nicht erfüllen wollen. Man hat gar den allerhöchsten Bescheid
des Landesherrn herbeiführen müssen. Königliche Urkunde vom 18. Juli 1631
bestätigt dem Rötger Lindemann, einem Erben des Hans Moelcken, daß er gegen
Zahlung einer jährlichen Heuer von 10 Mark lübsch »Zeit seines Lebens«
ungestört in »Bewohnung und Brauch des Hauses« verbleiben kann.
Man erkennt, daß der springende
Punkt, die Feststellung des Eigentumsrechtes, nicht geklärt wird, und
hinsichtlich dieser Kernfrage droht neue Verwicklung. Offenbar ist der
streitbare Inhaber der Vikarie keineswegs ungestörter Nutznießer geblieben. Ihn
plagten seine scheinbar recht zahlreichen Gläubiger. Als sie mit ihren
Ansprüchen Ernst machten und zur Pfändung geschritten werden sollte, tauchte
die Randfrage unter den Kreditoren auf. Die Sache wird verhandelt vor »geholtem
Ding und Recht zu Bramstedt.« (Bl. 3) Entscheidung: »Dem Möller
(Mühlenpächter), dem die Kathe in specie hypoteciret und unter dessen
Schuldverschreibung die Unterschrift des Kirchspielvogts vorhanden ist, ist im
Vorrecht; doch stehen ihm andere gleich, sofern sie die »gleiche gerichtlich
Pfändung« vorzeigen können. Die übrigen Verschreibungen auf des Schuldners
»Haab und güter« insgemein sollen unter sich gleichberechtigt sein und pro rata
befriedigt werden. Soweit die Gläubiger dieser Gruppe sich mit dem Ergebnis
nicht beruhigen wollen, steht ihnen frei, »Rotgardt Lindemann ins Künftige
weiter Ihrer Forderung halber zu belangen«.
Diese Entscheidung ist
veröffentlicht worden unter dem 21. Juni 1633 durch den Amtmann Caspar von
Buchwald.
Nach diesem Bericht nimmt
es nicht wunder, wenn bald auch die Kirchenkasse darüber zu klagen hat, daß die
Heuer für die Vikary nicht eingehen will. Damit steht es wohl im Zusammenhang,
wenn unter dem 8. Januar 1640 Henrich Ranzow zu Schmoel noch einmal bestätigt,
daß die Domprobstey seit alten Tagen Besitzerin des umstrittenen Grundstücks
sei (Bl. 8).
Damit steht denn auch im
Einklang, wenn 1646 der Propst Vitus Barbarossa im Namen des Consistoriums zu
Segeberg genötigt ist, den Kirchschworen des Bramstedter Kirchspiels Anweisung
zu geben, wie sie dem Rotker Lindemann ans Magere kommen können.
Letztgenannter, von den Juraten vor Gericht gefordert, hatte es vorgezogen,
einfach nicht zu erscheinen, auch nicht für nötig erachtet, sein Ausbleiben
irgendwie zu begründen oder nur zu melden. Dieses Verhalten wird im Bescheid
des Propsten auch mit dem Dompropsten zu Hamburg in Beziehung gebracht. Der
Herr Praepositus schreibt, man »könne nicht
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absehen, wie der Herr
Thumprobst zu Hamburg befugett sey, Ihro Königl. Majestät Unsers Gnedigsten
Königs Unterthan zu gebieten, die im Nahmen und an statt hoegstgedachter Ihro
Kgl. May. am selbigen (Unterthan Lindemann) abgegebene Citation vor dem Königl.
Segebergischen Consistorio als wohin laut der Anno 1542 publicirten
Kirchenordnung solche und dergleichen Sachen gehören, nicht zu erscheinen.
Zumahlen unstreitigh von unnachdenklichen Jahren her die einhaber dieser Vicary
je und allewege auf ergangene Citation in civilibus und politicis vor Bramstedtische
Ding und Recht, in ecclesiasticis et matrimonialibus (Kirchen- und
Eheangelegenheiten) vorm Segebergischen Consistorio haben müßen erscheinen und
Ihres Rechtes abwarten«. Nach der Landgerichtsordnung habe der Angeklagte die
Kosten des versäumten Termins zu erstatten und dem Kläger seine Auslagen.
Ferner sei der Beklagte schuldig, innerhalb 6 Wochen seine Gründe gegen die
vorgebrachte Klage vorzubringen und zu verhandeln.
(Unterschrift
des Propsten)
Unsere Urkundensammlung
bringt nunmehr (Bl. 10) eine etwas abseits gerichtete Darstellung des
Ungemachs, von welchem die Vikarie umdämmert wird. Sie ist in Form eines
privaten Briefes gekleidet und nach Inhalt und Tonfärbung so eigenartig, daß
sie hier unverkürzt festgehalten wird.
»Ehren vester Herr
Nachtbahr.
Insunders hochgeerter Herr
Gefatter, demselben seien Meine willige Dienste jeder Zeit zu fohr.
Demnach ich von meinem
Schwager, Rotker Lindemann, mündlichen Bericht Empfangen, daß der Herr Gefatter
durch Seinen Knecht, auff Johan Bartels (Kirchenjurat) Sein Begehren, meinem
Schwager auf 3 Thaler hat auspfenden lassen, welche ich der kirche solte
schuldigh geblieben sein: Habe ich notwendigh, Ihn mit diesem meinem schreiben
müssen besuchen. Nun stehet im Gülden ABC: Du solt nicht gelauben, auch nicht
Richten fordt (schnell), Söndern hören erst des andern wordt. Johan Bartels
Seinen Worten Ist also baldt gelauben beigemessen, und wider meinen Schwager
Ist die Exekution, In Stadt meiner Verantwortung für (vor) die Handt genohmen
worden. Gelanget derowegen an den Herrn Gefatter mein freundt fleißiges bitten,
ehr wolle Johan Bartels für sich bescheiden lassen und meinetwegen Ihm noch
folgens forlesen und zu gemüthe führen, daß ehr auff eine Zeit zu mir in meine
behausungh komen und gesaget, Ich solte Ihm die Heuer geben, es würde keine
kirchen Rechnung gehalten werden. Welches ich auch thate und bis zu meiner
Lade, welche mit einer Eisen kette wahr am stender fest gemacht, gegangen, den
beutel mit Gelde da aus genohmen und Ihm die 9 Mark kirchen heur, alß ehr bei
meinem Großen dische in der stuben saß, und hatte den Rücken nach der Kirche
gewendt, zu gezählet. Ich habe auch solches also baldt in mein Buch
geschrieben, wie ich es denn alle Jahre habe angeschrieben, wan Ich die Haur
habe außgegeben. Weill aber meine bücher in Hamburgh, kan Ich Itzunder den
Datum nicht wissen. Es ist auch meine Gelegenheit nicht, daß Ich kan hinunter
Reisen, will aber, offt godt will,
72
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diesen kumpstigen Sommer
kommen, undt wenn das Nötigk ist, will ich es mit meinem buch beweisen. Undt
wehre billigh, daß Johan Bartels solches auch Richtigh verrechnet hatte. Ich
habe mirs auch nicht zu Ihm versehen, daß ehr es solte vergessen. Bin der
Zuversicht zu dem Herrn Gefatter, ehr würde mir die hülfliche Handt leisten,
daß mein Schwager sein Pfandt so gudt wiederumb zu gestellet wirdt, als es von
Ihm ist genohmen worden. Imwidrigen aber soll mir Johan Bartels meinen schaden
erlegen und bezahlen, der mir deswegen darauf entstehet. Und Ich verbleibe des
Herrn Gefattern dienstwilliger allzeit
Ditrich
Moyelke.«
Nützen,
den 10. Februar 1648.
Anm.: Nachträglich habe
ich feststellen können, daß vorstehender Brief an den Kirchspielvogt Johan Vaget
gerichtet worden ist. Unter dem 19. Dezember 1650 bestätigt Herr Johann Adolf
Kielmann, Dompropst zu Hamburg und Inhaber anderer hoher Ämter, noch einmal,
daß die Dompropstei Eigentümer der Vikarie zu Bramstedt sei und zur Zeit unter
unveränderten Pachtbedingungen Rotker Lindemann Inhaber des Hauses. Er zählt
als bisherige Heuerleute auf: Hans Meulken, Diedrich Meulken (Moyelke) und
Rotker Lindemann.
Aus dem folgenden Jahre,
1651, liegt eine sehr gründliche Klageschrift der Geschworen und Ephori der Kirche
vor, gerichtet an die Königl. Majestät zu Kopenhagen. Ziel: Feststellung des
Besitzrechtes.
Das Kirchspiel habe 80-100
Jahre lang neben dem Pastoren einen Vikar unterhalten. Wegen durch die
Zeitläufte verursachten Schmälerung des Einkommens der Fleckensleute habe man
nicht mehr einen Vikar besolden können. Man habe das Haus verheuert und die
Heuer »fürnehmblich« für Brot und Wein zum Abendmahl verwendet. Die Juraten
haben aus Kirchenmitteln das Haus instand gehalten, wie es auch auf
Kirchengrund nächst der Küsterei situirt sei. - Der erste Pächter (Conductor),
Hans Moyelke, habe von 1588-1629 darin gewohnt und sei dann beim Einfall der
Kaiserlichen in Neumünster erschlagen worden; ihm sei sein Eidam Rötger
Lindemann gefolgt. Da im Flecken des Pastoren Wohnhaus durch die Kriegsleute in
Brand gestecket, habe man den Prediger in der Vikarie unterbringen wollen.
Darob heftige Opposition des oecupanten, der das Eigentumsrecht der Kirche
abstritt. Er habe sich berufen auf ein Schreiben des Dompropsten, »das den
Kirchschwornen und der gemeinde gantz befremblich fürkommen«. Kein Mensch habe
von Besitzrecht und Ansprüchen der Hamburger Dompropstei gehört und gewußt.
Stets sei ja auch die Heuer an hiesige Kirche gezahlt worden. Nach Abzug der
Kaiserlichen haben die Verantwortlichen die Sache »zur Glückstadt fürgetragen«,
um solche schädliche Eingriffe in Kirchen und Gotteshäusern zu verhindern. Nach
erteiltem Königl. mandato habe der Herr Amtmann den Herrn Pastoren wieder in
das vicari hauß introduciret und denselben im Namen des Königs zum Besitzer
erklärt. Trotzdem habe der Häuerling Lindemann nicht räumen wollen, und sei per
force in dem Haus geblieben. Er habe zwar einen betrüglichen außtritt getan,
sei dennoch detentor -
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Inhaber - der Vikarie
gewesen wie zuvor. Eine Citation vor das Consistorium habe er nicht beachtet
und nur schriftlich die Dompropstei als Besitzerin hingestellt, sich dabei auf
zwei Königl. decreta beziehend. Durch Treubruch sei der Schwager Ditrich
Moyelke Mitbesitzer geworden. Aber bald sei das Haus mit Schulden überlastet
gewesen. Doch vergeblich haben sich die Gläubiger bemüht, die (oder den)
Schuldner »durch Exekution des Hauses zu entsetzen«, was aber, weil es
Kirchengut, vom Amtmann pure abgeschlagen. Um endlich Klarheit und Gewißheit zu
schaffen, haben sich 1646 die Vertreter der Kirche an das Oberamtsgericht zu
Rendsburg, wo letzmalig Königl. Majestät selbst präsidierte, gewandt, um mit
Hilfe des Itzehoer Propsten Vitus Barbarossa den königlichen Schutz über die
Kirchengüter zu verwirklichen. Der König habe sich gnädigst und willfährigst
bezeiget und »dahmaligen Thumbprobsten zu Hamburgh, jetzo Königl. Stadthalter
Herrn Christian von Rantzau, durch Herrn Secretarium Philippum Bornemann, nach
Bericht des Herrn Propsten anbefohlen lassen, sich aller angriffe, turbationen
und anderer attentaten gegen die Bramstedter Kirchengüter hinfüro zu enthalten,
oder Gründe für gegenteiliges Verhalten einzubringen. Es sind aber bisher so
wenig Gründe eingebracht, als daß wir über hochangeregte Königliche decreta
solten in contradictorio gehöret worden sein.« Dabei habe es bisher sein
Bewenden gehabt. Ja, gegenwärtig habe die hamburgische Propstei, vertreten
durch Herrn Kielmann, das Recht der Vorgänger restlos in Anspruch genommen und
den Einwohner der Vikarie sogar als seinen Lausten (dienstpflichtigen
Grundpächter) hingestellt. »Unser jetziger Heurmann Lindemann ist so kühn und mutig
geworden, daß er nicht allein unserer Kirche die jährliche heur von deroselben
hauße fürenthält, das Kirchengeld verweigert, sondern auch sich erlauben laßen,
Er erkenne im Fürstenthumb Holstein keine Obrigkeit an, sondern nur den
jeweiligen Thumbprobsten zu Hamburgh.« Er habe noch im verwichenen Jahre die »rechts
und dingsfolge« verweigert. »Nun laßen wir zwahr solche unartige und
unbesonnene wiedersetzlichkeit der schuldigen gerichtsfolge unserer
mittelbahren Obrigkeit zu ahnden, befohlen sein.« Aber als Vertreter der Kirche
seien sie durch Eid und Pflicht gebunden, nicht länger zuzulassen und
schweigend zuzusehen, daß Genannter fortgesetzt die Kirchengemeine schädige.
Sie meinen: »Wer göttlichem Gesetze diene, der befreie die eigene Brust.« Am
Schluß wird gebeten, der König wolle, gleich seinem Vater, als Protektor der
Kirche deren Rechte wahren und im besonderen dem Amtmann befehlen, daß der
widersetzliche Hauerling ausgesetzt und zur Zahlung seiner Schulden und der
durch ihn verursachten Kosten gezwungen, daß ferner auch die gegen den
hamburgischen Dompropsten ausgefertigten Dekrete nach langer Zeit des
Schweigens zur Geltung gebracht werden.
»Solches
gereicht der Kirchen zur aufnahmb, auch dero Amptregister und gemeinen Fleckens
Besten, und wirts Gott Allmechtiger mit reichem Segen williglich belohnen.«
Bramstedt,
den 22. Februar Anno 1651.
(Unterschriften)
74
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Überraschend schnell,
nämlich schon unter dem 24. Februar 1651, teilt Friedrich III. aus Glückstadt
den Bramstedtern mit, daß ihrem Ersuchen Folge gegeben wird. Nicht zu übersehen
ist aber, daß die Hamburger Domprobstey zwar nicht etwa als Mitbesitzer
anerkannt wird, indessen den Anspruch des Propsten auf 1 Mark jährlich bis auf
weiteres behält.
Aber auch diese Königl.
Entscheidung schafft noch keine endgültige Ruhe. Das entnehmen wir einem
weiteren Reskript Friedrichs III. vom 18. März 1651, worin es heißt:
»Ob nun zwahr Beklagtem
Lindemann woll gebühret, auf voriges mandatum geziemender maßen zu pariren, Alß
(da) es aber von demselben hintangesetzet, So stellen wir solches zu seiner
Verantwortung.« (Bl. 21) Im übrigen wird dem Amtmann nochmals anbefohlen, der
Kirche beizustehen.
Eine Akte aus des Amtmanns
Hand, ausgefertigt am 11. April 1651, bekundet, daß von Buchwald dem Befehl
seines Königs folgt. Wir lesen (Bl. 23): »Dem Königl. Kirchspielvogt zu
Bramstedt, Paul Blancken, wird hiermit befehliget, Rötger aufzulegen, daß er
seinen Haus Contract in originale, wormit Ehr den Besitz des Vicary Hauß
daselbst zu beweißen gedenket, innerhalb dreien Wochen Bey peen (Strafe)
Sechzig Mark lübsch herauß gebe. Worvon er, Paul Blancken, alßdann Copiam
nehmen und solches Original Limdemann wiederumb zustellen soll.
Neumünster
(gez.) Casper von Buchwald.«
Unter dem 13. April hat
Paul Blancken folgendes zu berichten: »Mit diesem bescheidt habe Ich Vier
Männer, nachdem er nicht alhir in der Voigtey erscheinen wollen, mit dem
Vorwand, man hette ihn vor seine Obrigkeit zur Besprechung (zu laden):
Der Haus Brieff were al dahin, wo er sein solle. (Bl. 24).), alß nemblich Hans
Wulff und Jochim Stüven aus Bramstedt, Titche Harbeck von Wiemerstorff und
Jürgen Gloyen von Fulendorff zu ihm, Lindemann, geschicket und ihm dies
vorzulesen befohligen. Worauf der Bräutigamb Christian Toth als anmaßendender
possessor (Besitzer) des vicaren hauses mit Vielen ehrenrürigen Worten heraus
gefahren und einen Degen und Büchse ergriffen und ihnen damit zu Leibe gewollt.
Welches die an ihn abgeordneten Zeugen an eydes stat vor mich ausgesaget.«
Geschehen
Bramstedt.
(Unterschrift der 4 Männer).
Am
10. Mai 1651 berichtet Paul Blank weiter:
»Diese Copey (Abschrift)
habe ich Rotger Lindemann durch hanß Lindemann und Jasper Hennings zugeschicket
und fragen lassen, nachdem die 3 Wochen verflossen, ob er nicht des Herrn
Ambtmanns befehlig zur folge den Haur Contract einschicken wolle. Worauff seine
Frauwe geantwortet, Ihr Man were nicht zu hauß; sie wüßte nicht, wen er
heimbkehme, und wan er schon heim were, würde er doch keinen Brieff mitbringen.
Der were schon an seinen Orth. Mit meinen Brieffen hetten sie nichts zu thun.«
(gez.)
Paull Blancke.
75
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Inzwischen ist Rötger
Lindemann keineswegs untätig geblieben. Nehmen wir zur Kenntnis, was er laut
Urkunde vom 9. Mai 1651 unterthänigst und gehorsambst den Magnificenzen und
Herligkeiten vorzutragen beliebte. »Ich armer Mann kann nicht ungeklagt laßen,
wie an dem besitz meines Wohnhauses zu Brambstede und dabei hergebrachten
gerechtigkeiten, zuwider königlichen decreten und dero von den Thumbfürsten zu
Hamburg auf meine Vorfahren und mich ertheilten Verschreibungen vom
Kirchspielvogt und von den Kirchgeschwornen zu Bramstedt fast vielseitig
bedrenget und angefochten werde. Der Vogt hat sich uniengster Zeit
unterstanden, einen Zaun und Secret (?), so bei meinem hauße mehr denn 30 und
40 Jahr gestanden, nieder zureißen und zu zerschlagen, dan auch in meinem Hauße
mir ein Tonne Hamburger Bier auf dem Blocke zu zerhauen und das Bier auf die
Erde zu verschütten. Und die Kirchschworen haben vor, mich aus dem Hauße zu
vertreiben.« Ihm geschehe Gewalt; man habe ihm auch nicht das Gesuch der
Kirchjuraten bekannt gegeben. Er bittet, ihn in seinen verbrieften Rechten zu
schützen.
(Unterschrift.)
Der Erfolg ist eine
Ankündigung der Königlichen Regierung, daß alle Beteiligten »am ersten
Künftigen unserm Oberamtsgerichte, an waß (welchem) Ohrt und Zeit wir solches
halten lassen werden, entweder in der Persohn oder durch einen genugsamb
bevollmechtigen Anwalt gewiß und unausbleiblich zu erscheinen haben«, ... »wozu
wir auch sambt und sonders citiren, heischen und laden.«
(Darunter
die Spuren eines großen, leider abgerissenen Siegels.)
(Secret.)
Aber die damit in Aussicht
gestellte Verhandlung hat noch Weile, wie folgendes Schreiben der Regierung uns
belehrt.
»Auff Unterthänigst
Supplicizen der Kirchgeschwornen zur Bramstet umb Verschiebung ihrer Kirchen
Sache wieder Rötger Lindeman, bis Ihre Königl. May. glückliche Überkunft in
dero hiesigen Fürstenthümber, wirt in solch gesuch gewilliget und diese Sache
bis dahin verschoben. Jedoch daß es dem Impetrato in Zeiten notificiret und
kund gethan werde.
Glückstat
unterm Kgl. Regirungs-Secret, 17. February 1652.«
(Siegel)
Unter dem 9. Juli gleichen
Jahres wird dem Hochgelarten Herrn Johann Adolf Kielmann, dem Bestalten
Geheimen Raht und Hoff Canzler der Regierenden Fürsten zu Schleswig-Holstein,
aufgetragen, den Herrn Thumbprobsten zu ersuchen, einen Bericht über seine
Rechte und Interessen an den König zu schicken, während dieser im Fürstenthum
anwesend sei.
Unter dem 12. berührten
Monats übermittelt Rotger L. in seiner Sache einen Schriftsatz mit zehn Anlagen
an den König (Bl. 32-41). Wesentlich Neues bringt er nicht, vor allen Dingen
nicht die wichtige, oft erwähnte Vertragsurkunde von 1589. Doch werden etliche
Daten und Darlegungen das Interesse der Leser finden.
So erfahren wir, daß von
1587 her das Amt des Hamburger Dompropsten laufend
76
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in der Hand derer von
Ranzau gelegen hat: Kay, Gerhardt, Detlef, Heinrich und Christian,
letztgenannter um 1650.
Unsere Vikarie hat
nachweislich 1587 in Haur genommen Marquart Mertens, der sie bald dem Barbier
Hans Meulken überlassen, dem sein Sohn Dietrich und danach dessen Schwager
Rötger (Rotker) Lindemann gefolgt ist; von dem wir nun vernehmen:
1589 sei der Wert des
Hauses mit 60 Mark abgeschätzt worden. Nun rühmen die Juraten, es sei gewiß
1000 Mark wert. Die Wertsteigerung sei doch aber durch seine und seiner
Verwandten Mühe und Aufwand erzeugt worden und könne keineswegs der Kirche
zugewendet werden.
Noch 1631 habe Christian
IV. entschieden, daß die Erben nach dem alten Stande für 10 Mark Jahresheuer
ungestört weiter wohnen könnten. Er sei, so klage man, nicht der Zitation des
Propsten gefolgt und habe die universale Jurisdiktion des Königs damit
verletzt. - Letzteres habe ihm fern gelegen. Indessen wohne er auf Grund eines
Hamburger Vertrages und müsse die Freiheit und Gerechtigkeit, die er und seine
Verwandten unter diesem Zustand ersessen, wahren, und stütze sich daher auf den
Dompropsten und hoffe, nicht des Königs Rechte dadurch zu schmälern.
Man stelle ihn als
hinterhältig hin, weil er alte Papiere nicht vorzeigen wolle. Er habe doch auch
nicht die angeblichen Beweismittel der Kirche gesehen.
Die Juraten berufen sich
auf die Wissenschaft und das Zeugnis des Pastoren. Der sei indessen in
gegenwärtiger Sache sein offenbarer Feind und adversarius, der sich
unterfangen, ihn und die seinigen an ihrer Ehre und guten »Leumuth« ganz
gröblich zu schmähen, »auch seinen gegen uns gefaßten Haß und Widerwillen sich
übernehmen laßen, daß er nicht gescheuet, in passierter Kaiserlicher Kriegszeit
diese sache auch bei des feindes Bedienten (nicht ohne Hindansetzung der
Königl. Autorität und ansehens, welche von ihm als einem Prediger vor andern
billig hoch zuhalten und ästimirt werden sollen) anhängig zu machen. Was
vermittelst eines von dem Kaiserlichen Commissario Hans Metzger erhobenen executions
befehls sofort in originaliter belegt werden kann. (Anlage 10).« Der Pastor
wolle, so viel an ihm liegt, ihn aus seinem rechtmäßigen Besitze drängen.
Die Kirchgeschwornen
schämen sich nicht, ihn »vor einen öffentlichen banquerottirer auszurufen, da
er doch nimmer an eines banquerottirers stelle gestanden und keiner seiner
creditoren sich über ihn zu beschweren habe.« Er fährt fort:
»Zwahr ist nicht ohne, daß durch die vielfachen processe und Verfolgung, so die Juraten und der Pastor zu Brambstette, und auff derselben Antrieb woll andere Leutte mehr balt vor dem Ober-Ambtgerichte, balt vor dem Segebergischen Consistorio, balt vor Königl. May. Canzlei nunmehro viele Jahre her gegen alles recht und Jury wider mich angestellt, sothane processe auch theilß auß dem großen Beuttell des Kirchspiels getrieben.« .. .»Ich bin in solche Unkosten, schaden und nachtheill gesetzet, daß Ich umb den größesten antheill meiner wolfarth dardurch gerahten, und mit allem meinen vermögen und Krefften zu arbeiten habe, mich gegen meinen Gegner zu behaupten.«
77
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Und all dies Unheil sei,
das erkennen wir, nach Rotgers Meinung darauf zurückzuführen, daß die Mitwelt
seiner Überzeugung nicht zustimmen wolle, daß sein Pachtgrundstück als ein Teil
des hamburgischen Dompropsteibesitztums nicht unter die Verwaltung des
Amtes oder der Propstei Segeberg falle. - War denn sein »Glaube« echt?
Eine vom Amtschreiber
Daniell Hussmann unter dem 27. Juli 1652 ausgefertigte, in Copie noch
vorhandene Beurkundung (Bl. 43) läßt uns Einblicke in sein Verhalten tun.
Es wird zunächst bekundet,
daß seine Vorweser ihren Verpflichtungen in ecclesiasticis und civilibus1)
nachgekommen seien, er aber »vorsetzlich sich angemaßet, sich dem zu entziehen.
Nicht allein der Herr Pastor und der Kirchspielvogt, sondern noch mehr als zehn
andere des Kirspels Brambstete Untergeseßene haben solches angehöret, daß
gedachter Lindemann, wie ich einen halben Reichstaler Verbittelgeldt vohn ihm
gefodert, mir selben ganz und gar geweigert und vorgegeben, er gebe sein ver
Bittelgeld nach Breitenberg und hette sein Vohr Weser einen ganzen Thaler vor
das Vorbinden2) geben.«
Der Schreiber hätte diesen
Worten nicht geglaubt und nicht leiden wollen, daß L. das Königl. Register (zu
Segeberg) schmälern solle. Er habe daher »also baldt im 1650. Jahre wider ihn
die Pfändung vorgenommen, worauf Lindemann nicht allein mit seinem
Verbittelgeld eingekommen, sondern nachgehend bei mir nach Segeberg sich
verfüget und begehrt, ihm nachzuweisen, daß er dieses Geld zu zahlen
verpflichtet sei. Wie denn auß dem Ampt Register solches sattsamb geschehen
ist. Er ist mit den worten von mir gangen, er hette vermeint, daß der
Reichstaler bloß für das Verbinden wehre. Hat auch Anno 51 den halben Thaler
willig erleget und gelobt, sich hierinnen nicht mehr zu sperren, und leugnet,
daß er sich dem unter gericht (Ding und Recht 1650 zu Bramstedt) habe entziehen wollen. Bei dem im
1651sten Jahre gehaltenen Ding und Recht hat der Amptmann dem Kaspel
Voigt daselbst anbefohlen, daß er - Paull Blancken - gedachten Lindemann durch
seinen Knecht Vohr Ding und Recht zu erscheinen citiren laßen solte. Wie er
sich nuhn dessen verweigert, hat hochgedachter (Amtmann) weiter befelich
erteilet, daß der K.-Voigt ihn - Lindemann - mit zween oder mehr Knechten solte
herbei schleppen lassen. Worauff er den entlich sich sistiren müssen.«
(Petschaft
und eigenhändige Unterschrift)
Daniell
Hußmann.
Endlich
Entscheidung durch das höchste Gericht
Der eigenartigen Fassung
wegen sei hier die Ladung zum Schlußtermin in gekürzter Form wiedergegeben.
__________
1)
Kirchen- und bürgerliche Sachen.
2)
Als Hinweis auf das von den Vorwesern und ihm betriebene Gewerbe des Wundarztes
zu deuten.
78
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Friedrich
der Dritte
»Lieber getreuer ... Alß
Citiren, heischen und laden wir dich eins für alle und peremptorie
(Rechtsverlust bei Nichterscheinen), daß Du am 9. des schierst kommenden Monats
Martii morgens früe alhier for Unserm Ober Ambtgericht, entweder in der persohn
oder durch einen genugsamb bevollmächtigten Anwalt, ohnauspleiblich
erscheinest, deine angestelte Klage ... mündlich Vohrbringest, Vollführest und
auff deroselben … rechtlichen Spruchs gewertig seyest. Du erscheinst demnach
oder nicht, soll nichts desto weniger auff ferner anruffen ergehen, was recht
ist. -
Wornach
du dich zu achten.
Geben
Glückstadt, den 16. Febr.
1653.
Königl. Dennemarksche
An
verordnete Stadthalter,
Rötger
Lindemann.
Cantzler und Räthe.«
Das
Urteil (Bl. 50)
»In Sachen Rötger
Lindemanns, Klägern und Besitzern deß vicarey haußes zur Brambstedt, entgegen
und wieder die Kirchgeschwornen daselbsten, sodan deß Jüngst verstorbenen
Kirchspiel Voigts Paul Blancken hinterbliebener wittibe und Erben, Beclagte
eineß andern und dritten theilß, in puncto streitigen dominii, deß deselbst
belegenen vicarey haußes und geklagten turbationis in der Kruegners
gerechtigkeit ... Erkennen wir Friederich der Dritte, von Gottes gnaden ...
sambt bey sitzenden unsern Stathalter, Cantzler und Richter, auf hinc inde
producirte original Contracte, Kirchenbücher und anderer documenta, auch dabey
gehaltener außführliche mündliche recesse, für recht, daß daß Thumb Capitull
zur Hamburgh und der pro tempore Ehre Thumbprobst daselbsten bey dem Dominio
und possession der verhäurung besagten Bramstedtischen vicarey haußes von
langer Jahren hergebrachter maßen geruhiglich zu laßen und darin von Beclagten
nicht zu turbiren, noch von denselben die Jährliche hauer ohne des Ehrn
Thumbprobsten Consens zu steigern, gleichwoll der jetzige und künfftige
conductores (Inhaber) und Besitzer desselben den Kirchgeschwornen zu Bramstede
jedes Jahres die aus der Vicarey der Kirchen daselbsten gebührende Neun Mark
lübsch und Ehrn Thumbprobsten seine Jährliche 1 Mark in gewohnlicher rechter
Zeit ohn weigerlich allemahl auch entrichten und in specie, was davon der
Kirchen vom jetzigen Conductore Rotger Lindemann erweislich annoch restiret und
bereits fällig ist, innerhalb einer halben Sächsischen frist sub poena
executionis bahr abgetragen werden. Ingleichen Jetziger und künfftige der
vicarey besitzer und conductores sich des Wein-, Brandtwein-, Meth- und Hamburger
Bierschenkens und Aus Zapfens, womit wir unsere Kirchspielvoigte allein
gnedigst privilegirt undt begnadiget, gentzlich und allerdings sub poena
confiscationis des ingelegten wein, brandtwein, Meeth und hamburger Bierr, auch
Vermeidung anderer arbiter Bestraffung, enthalten, auch sonsten unser Obrigkeitlichen
Jurisdiction sich keinesweges frevelmütig entziehen, sondern gleich unsern
andern
79
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Unterthanen Unseren
Segebergischen Beambten zu gebott und gehorsamb stehen, und wiedrigenfalls mit
gehörigen Zwangsmitteln dazu constringiret werden sollen. Maßen dann daß
Thumb-Capitull und der pro tempore Thumb Probst unserer Stadt Hamburgh darbey
nachmalen geruhig gelaßen und die Jetzige und künftige Conductores und Besitzer
des vicarey haußes darzu schuldig ertheilet werden Compensatis expensis.
(Ausgleich der Kosten)
Von
Rechtswegen Publicatum Glückstadt, den 24. Martii 1653.«
(Siegel und Unterschrift
fehlen. Es handelt sich offenbar um eine sorgfältig gefertigte Abschrift.)
Man erfaßt mühelos, daß
weder die Kirche noch Lindemann Ursache hatten, sich eines Erfolges zu
erfreuen. Letzterer verlor, was ihm wohl am besten »Nahrung« verschafft hatte:
die Schankerlaubnis. Und die Kirche bezog zwar wiederum 9 Mark Grundheuer jährlich;
aber womit war das erkauft? Aber wie stand es um die Prozeßkosten? Das alte
Kirchenbuch weist auf Seite 240 allein für das Jahr 1652 an Kosten wegen der
Vicarey rund 100 Mark auf. Wir lesen z. B.: »Marx Grip und Hanß Mohr mit dem
Kirchspiel Voigt nach der Glückstat gewesen, laut beygelegtes Zettuli 61 Mark 2
Schilling.« Insgesamt sind rund 360 Mark verunkostet worden. Ja, ja, Prozesse
müssen sein. Und ein linder Trost lag ja in der Tatsache, daß die Kosten sich
auf viele Taschen verteilten. Gilt es nicht auch heute noch, daß es dem
Leidtragenden eine Erleichterung wird, Gefährten des Leides zu haben?
Um nun berechtigter
Wißbegierde zu dienen, soll noch ein Schriftstück herangezogen werden, in dem
wir den von Rotger L. so oft berührten ältesten Vertrag über die Vikarie zu
erblicken haben. Es fehlen zwar Siegel und Unterschrift; doch ist zu würdigen,
daß allem Vermuten nach der getreuen Hand eines Seelenhirten das Vorhandensein
dieser Abschrift zu verdanken ist.
»Anno (15)88 up Johanni is
ein fründliker vordragt und hürbit gesehen Twischen Marckert Mertens
(Kirchschwor) und hanß Moeyelken in nach folgende gestalt: Idt hatt der Ersame
Markert Mertens dene fiekarie, de he von den hern stadtholder angenommen hefft,
desulwige wedder vorhüret dre Jahr lank sunder upsage und schal ehm Jahrliken
tho hüre geben 12 Mark und einen Daler in den kop, welken hans Moeyelken hefft
strackes uth gegewen und schall in de 12 Mark nicht mit gereket werden; ock is
beliebet und vordragen, daß, so dat huß up güng dörch füers Noht - dat Gott
gnedigliken affwende - und idt queme (käme) von sinem egnen füre tho, dat idt
binnen hußes werde erst brennen, so will Hanß Moeyelken dar so ein hus wedder
up der stede vorschaffen, also dit nun ist. Wers (wäre es) wo de schade her
queme von sinen Nabers behüsinge, edder (oder) füer oder ock von den Wilden
füer (Blitz), edder idt möchte von bösen Minschen angesticket werden, so schal
hanß de schade nicht tho gerekent werden. Vor den schaden hefft Hanß Moeyelken
Markert Mertens veer Börgen gestellet, alse Tymme Westvalen, Markert schulte,
Markert stekmest und Clauß Folster. Ock sind in die fiekerie 23 glaßefenster,
welker hanß dar in gefunden hett, ock de sülwigen wedder levern schall.«
80
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Es ist in Erinnerung zu
bringen, daß der obgenannte »stadthalter« identisch ist mit dem vielgenannten
Dompropsten zu Hamburg. Von ihm hat hiernach Bramstedts Kirchschwor die Vikarie
»angenommen«. Was ist das? Es mag zusammenhängen damit, daß das Kirchspiel
Bramstedt schon unter seinem Gründer Anscharius ein Bestandteil des Bistums
Hamburg gewesen ist. Wiederum weiß der alte Vertrag von einer Vergütung an den
»Thumbprobsten« nichts zu melden.
Ebensowenig ist
nachzuweisen, wann das vielumstrittene Anwesen der geistlichen Hand und
Herrschaft entglitten ist. Es mag vor langer Zeit gewesen sein, was deshalb
vermutet werden muß, weil tatsächlich seit langem im Flecken und in den
Kirchspieldörfern das Gedächtnis an ein derartiges Gewese völlig ausgelöscht
ist.
Sicher aber ist, daß an
der Stätte, wo einst Rottgardt Lindemann ohne Segen sich bemüht hat, den Durst
seiner Mitbürger zu stillen, heute ein Mehrfamilienhaus steht.
2.
Kampf um das Vermächtnis eines Knechts
Die darüber vorliegende
Urkunde möge für sich selbst reden. »In Sachen der Kirchgeschwornen zu
Bramstette contra Eines zu wiemerstorff, vor dießem verstorbenem knechtes, Hans
Prünß geheißen, Negste Erben, Anderntheils, 30 Mark donirte (geschenkte) gelder
der Kirchen sambt deroselben Rentten, betreffende, welcher berhürter Hans Prunß
auß seynen Freyesten güttern der Kirche zugeltten, vor seynem Todte angeordnet,
deme aber die Erben nicht parieret und gleichwoll die Erb- und bahrschaft
untter Einander getheilett; Ist zu Rechtte Erkannt: Beklagte, des Knechts
Erben, sollen zur Donation der 30 Mark und deroßelben Rentten, a tempore
Donationis (vom Tage der Schenkung) der Kirchen gehaltten (verpflichtet), die
andere Lorentz Prunßen Erben aber nach Anteil, weßen sie von der Erbschaft
genoßen, den anderen des Knechtes Erben dazu zu schießen und zu hilff zu
kommen, hyn wieder schuldig sein, von Rechts wegen.
Urkundelig unter Herrn
Caspar von Buchwalts, konnigligen Landt Raths und Ambtmanns uff Segeberge, zu
Pronstörff Erbgesessen, eigener Handt Subscription.
Datum Bramstedte, den 21.
Juny, Anno 1633.«
(Unterschrift)
3.
Daniel Hartnaccius, der streitbare Pastor
(1702-1707)
Vergleichsweise kurz ist
die Amtszeit dieses Bramstedter Seelsorgers gewesen. Aber es war eine Zeit der
Unruhe, um nicht zu sagen: des Unfriedens. Gegenstand des Kampfes bildeten
weltliche Angelegenheiten in ungewöhnlichem Ausmaße; doch auch Fragen der
geistlichen Amtswaltung machten hier im Kirchspiel und
81
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darüber hinaus ein nicht
geringes Aufsehen. Wenden wir uns zunächst den weltlichen Dingen zu.
Die Schriftsätze, die dem
Chronisten in diesem Falle zur Verfügung stehen, sind zum Teil Entwürfe oder
Abschriften und daher nicht allemal mit Datum versehen, in der Hauptsache aber
Originalakten des hiesigen Pastorats. Die Echtheit auch der datenlosen Papiere
kann nicht wohl angezweifelt werden.
a)
Hartnack findet das ihm zustehende Zehrgeld nicht ausreichend.
Er wendet sich an das
Konsistorium und sagt, daß er unumgänglich vorstellen müsse, wie er wirklich
verspüre, daß der halbe Reichstaler, der ihm zu seiner Zehrung in währendem
hiesigen Konsistorio zugewiesen werde, unmöglich ausreichen wolle, zumal, »da
es einen Abend vorher und drei voll Tage, wegen der Menge der Sachen, währe.«
Die Zeiten und Mahlzeiten seien nicht mehr so wohlfeil als die vor 40 und mehr
Jahren, wo genannter ½ Taler in Bramstedt »gesetzet worden«. Vermutlich bekomme
keiner seiner Amtsbrüder heute von seiner Gemeine oder Kirche eine so geringe
Zehrung. »Hingegen meine Kirchgeschwornen, wenn sie eine Reise nach Segeberg
machen, um ein Gewerbe zu bestellen, zur Zehrung 6 Mark, so ihnen auch gerne
gegönnet und gezahlt werden.«
»So geschieht an Ew.
Excellenz und Ew. Hochehrwürden, wie auch den Herrn Seniorem (ältesten
Prediger) und sämtliche Mitglieder des Konsistoriums mein respektive
unterthäniges, gehorsamstes und dienstliches Bitten, Höchst- und Hochgeneigt
hierunter zu erkennen, wie viel Zehrungskosten, in der Hin- und Herreise, auch
verweilung in den Tagen des Konsistoriums von nun an zu dem bisherigen halben
Reichstaler noch hinzugelegt werden solle.«
(Unterschrift)
Anm. Dieses für die
Pflichtversammlungen der Geistlichen vorgesehene Zehrgeld, im Kirchenbuch meist
als Calande verzeichnet, wurde, wie Hartnack äußert, aus königlichem Fonds
ersetzt.
b) Der
Prediger gegen die Kirchgeschwornen
Den
Klingelbeutel angehend
Daniel Hartnaccius wendet
sich in einem geharnischten Schreiben, von dem im Kirchenarchiv eine nicht
datierte Abschrift vorliegt, an die hohen Herren des Visitatoriums, um die aus
dem Geleise geratene Tätigkeit der Kirchenjuraten wieder auf die rechte Bahn zu
leiten. Er hat folgendes zu melden. »Ew. Excellenz und Hoch Ehrwürden
unümbgänglich vorzustellen, kan (ich) nicht umhin, welcher gestalt ich bißher
mit großem Ärgerniß ansehen müßen, was von den Kirchgeschwornen zu Bramstedt
mit den Arm Geldern so woll bei der einsamblung als Austheilung vorgenommen
worden, dazu ich als Pastor mein Gewissen rein zu behalten, nicht
stillschweigen kan.
82
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1.Wenn der organist das Geld im Klingbeutel
gesamlet, und auf dem Altar vor dem Pastore deponiret wird, so schüttert es
nach geendigtem Gottesdienst der Claus Steckmest im Flecken, dann und wann auch
ein andrer unter ihnen, gantz ungezehlet in das tuch, welches er bei sich
trägt, und geht damit in der stille nach Hause, wider die Ermahnung des
Apostels, daß bey solcher samlung es nicht allein ehrlich für (vor) Gott,
sondern auch für den Menschen zugehen solle, auch alle andern Kirchen, die
insgemein dazu eine mit eißen fest Beschlagene Lade mit Ketten fest in der
Kirchen angemacht haben, dahin also gleich geschüttert wird, wozu der Pastor
und jeder Kirchgeschworne ein jeglicher seinen besonderen Schlüssel hat, und
keiner ohne den andern dazu kan: daß also bitte Ew. Excellence und
Hochehrwürden geruheten, die Verfügung zu thun, daß dergleichen in Bramstedt
geschehen möchte.
2.Halten auch die Kirchgeschwornen bey austheilung
derselben Armen Gelder ein zweitägiges convivium, dabey es splendide zugehet,
indem sie zwei gantzer tage, auch woll länger beysammen bleiben und aufs
Herrlichste sich von den Armen Geldern zu gute thun.
Diesem vor zu bauen und
den ärgerlichen, je Länger je mehr zuwachsenden Gewohnheiten vor zu kommen,
thue ich diesen ohnmaßgeblichen Vorschlag: daß man in dem Pastorath Hause zu
sammen kommen, vormittags das Geld zählen, abgetheilet in den Kasten lege,
mittags jeder nach Hause gehe, und nachmittags sodann austheile.
3. Daß ich als
Pastor bei der außtheilung und Zahlung, wie gewöhnlich, mit dabey sein muß, daß
mir acht Tage vorher von Bewandniß und Zustand aller derer, die von denen
Armgeldern bekommen, eine Designisation (Verzeichnis) von den Kirchgeschwornen
eingereicht werde, einige Erkundigung der Ohrsachen vorher ein zu ziehen, daß
es nicht bey der austheilung nach Affecten zu gehe, oder unwerthe oder die es
nicht bedürffen, nicht bekommen oder andern vorgezogen werden mögen. Sie auch
nicht befugt sein sollen nach ihrem Sinn, in die Zahl der Armen jemand zu
recipiren (wieder einzureihen), sondern dem Pastori vorher die sache zu seiner
Erkäntnis stellen sollen, da ich mich denn also dabey zu verhalten gedenke, daß
ich es bey Gott und denen Hochpreißlichen Herren Visitatoribus zu verantworten
gedenke.«
(gez.)
Unterthäniger und
gehorsamster
Daniel Hartnaccius
Das erste Ergebnis der
pastörlichen Beschwerde ist natürlich eine Aufforderung des Visitatoriums an
die derzeitigen Kirchenjuraten, zu den gegen sie erhobenen Beschwerden sich zu
äußern. Sie tun das in furchtloser Weise, wobei nur zu bedauern ist, daß ihr
offenbar von dritter Seite herrührendes Schriftstück überreichlich mit
lateinischen Brocken belastet ist. Es möge für sich selbst sprechen.
»Alß Ew. Excell. und
Hochehrwürden uns des Herrn Pastoriis Hartnaccii so rubricirte unterthänige und
gehorsamste Anzeige und Bitte wegen der Armen Gelder und deren Außtheilung
Höchst- und Hochgeneigt communiciret (mitgeteilt), so statten wir zuförderst
deroselben dafür Unterthänig Gehorsamsten Dank ab und berichten
83
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Zu Punkt I: das
wir leider an unserm Ohrte so unglücklich gewesen, daß die Armenlade hiebevor
in der Kirchen zu verschiedenen mahlen bestohlen, dannenhero man genötiget worden,
dieselbe außer der Kirchen zu bringen und nebst dem Armen Gelde außerhalb der
Kirchen nunmehro im Hause eines Kirchenjuraten zu verwahren, allwo sie dann
auch bißhero für Dieben sicherer und unbestohlen befunden worden. Gleich nun
dieses aus Noht, der Armuth zum Besten geschehen, auch würklich biß dahero zum
Besten gereichet, hingegen niemand einen rechtmäßigen Verdacht auf unß bringen
wird, wir auch denjenigen, der sich unterstehen würde zu sagen, daß wir unserm
Eyde zuwieder mit solchen Gelde nicht aufrichtig und Ehrlich ümbgehen sollten,
so lange für keinen redtlichen Mann halten, biß er uns deßen überführet. So hat
der Herr Pastor keine Ursache, mit Ärgerniß anzusehen, daß einer von uns, die
wir auf unserm Eyd sitzen, die gesammelten Gelder ungezehlet vom Altar in der
Stille, wie es sich an solchem Ort gebühret, mit nach Hause nimmt und in die
Armen Lade bringet. Ob wir nun bey so Bewandten ümbständen wohl Ursache hätten,
uns des H. Pastoren Vorschlag hierin zuwider zu setzen, so können wir doch gerne
geschehen laßen, daß eine mit Eisen wohlverwahrte Lade in der Kirche angemachet
und darin die gelder verwahret werden, wann nur jemand als Gevollmächtiger des
H. Ambtmanns so wohl, als wir und der Herr Pastor einen besonderen Schlüßel
dazu haben, so daß einer ohne den andern dazu nicht kommen könne, und der H.
Pastor genugsahme Bürgen stellen wird, daß hinkünftig solche Lade nicht
bestohlen werden solle, im widrigen Er daß gestohlene der Armuth aus seinem
Eigentum ersetzen, auch da (wenn) wir dergleichen Dieb haben solten, Er die
Untersuchungs- und Peinlichen Prozeß Kosten der Gemeine abhalten wolle. Maßen
im widrigen, und da in entstehung dessen der Armuth und Gemeine hinkünftig
Schade und ungelegenheit zuwachsen sollten, wir für männiglich ganz und gar
entschuldiget sein wollen.
Zu Punkt II: soll
der H. Pastor nimmer wahr machen, daß wir bey außtheilung der Armen Gelder
davon ein convivium, dabey es splendide zugehet, halten und unß von den Armen
Geldern aufs herrlichste zu Guthe thun, inmaßen wir jeder seine im Kirchenbuche
S. 151 zugelegten 10 (16?) Schilling verzehren und selbige der Kirche zur
Rechnung bringen, daß also, weil den Armen nichts von den Armen Geldern
abgehet, es Hirbey keines Neuerungs-Vorschlages bedarf, zumahlen wir der
Entfernung unserer Häuser halber nicht des Mittages nach Hause gehen und
allesamt Nachmittages zur Außtheilung der Armen Gelder wieder kommen können.
(Drei wohnten in den Dörfern.)
Zu Punkt III: Der
Herr Pastor hat einmahl anführen können, daß es jemahls bey außtheilung der
Armen Gelder nach Affecten zugegangen sey; jedennoch sehen wir gerne, daß eine
solche Verfügung hierin ergehen möge, daß andere zugleich dahin sehen, damit
die Allmosen Gelder desto gefälliger außgetheilet und uns dadurch die
Verantwortung leichter gemacht werde. Zu allem aber, was der H. Pastor desfalß
in Vorschlag bringt, wird auch des H. Ambtmanns Gevollmächtiger
(Kirchspielvogt) mitwirken neben dem H. Pastor, und gleich bey der
84
--------------------------------------------------------------------------------------
nächsten
Kirchen-Visitation ist zu verordnen, daß der Herr Commissarius Averhoff auch
einen Schlüßel zu der Armen Lade habe und der Pastor ohne dessen vorweißen und
Zustimmung kein Armen Geld aushändigen solle.« Die Juraten erklären am
Schlüsse, daß sie einer Neuordnung gern zustimmen werden, wenn dabei die von
ihnen gemachten Vorschläge berücksichtigt werden. Anmerkung. Weiteren Bericht
über den Ablauf dieser Angelegenheit zu geben, bleibt dem Chronisten versagt
mangels einschlägiger Dokumente.
c)
Heftiger Streit wegen eines Zaunes
Konrad Henrich Galenbeck,
der dritte und letzte Pfarrer dieses Namens in der Reihe der hiesigen
Seelsorger, ist zu seinen Vätern versammelt worden. Seine Witwe, mit Recht um
ihre Zukunft besorgt, nimmt im Gnadenjahr für sich in Anspruch, was sie nach
ihrer Meinung beanspruchen kann. So verkauft sie auch die Einfriedigung des
Pastorats, die der erste Galenbeck einmal gegen Geld von der Witwe seines
Vorwesers Hamerich im Jahre 1623 übernommen hatte. Pastor Hartnack verlangt nun
von den Kirchgeschwornen, daß sie eine neue Einfriedigung schaffen. Diese aber
lehnen das ab, weil sie dazu weder berechtigt noch verpflichtet seien. Der
Prediger ruft den »Gnädigen Geheimbten Rath und Ambtmann Hanneken« an. Die
Juraten werden zum Bericht in dieser Sache aufgefordert, ihre »etwa dawider
habende nothurft einzubringen«. Indem sie, »desfals geziemenden und
gehorsamsten Dank zuvor abstatten«, finden sie sich »gemüßiget, darauf in
Unterthänigkeit anzuzeigen, daß sie mit des Herrn Pastoren seine etwa zu machen
habende Knicks und Zeune gar nichts zu schaffen haben«. So erweislich, hätten
die Kirchgeschwornen niemalen Hand an solche geleget, auch nicht sich darum
gekümmert, ob sie gut oder schlecht gewesen. Die successive hier gewesenen
Pastoren hätten »ihre Zeune« selbst instand gehalten und verfertigen lassen,
»wie das auch dem gegenwärtigen H. Pastoren gar nicht unbekannt sei.«
»Allermaßen da die wittibe
Pastorin solchen Zaun als Ihren eigenen verkaufen wollen, Sie demselben davon
vorher Nachricht gegeben, ob er solchen Zaun vor den Preiß, so Ihr andere
bieten würden, behalten wolte, so solte er der nechste dazu sein.«
»Unser Commissarius und
Kirchspiel Voigt hat gedachten Herrn Pastoren durch 2 unserer Kirchgeschwornen
andienen lassen: wan er verheißen würde, den Zaun künfftighin, wie seine Herren
Vorweser gethan, zu unterhalten, so wolte er (Voigt) uns dahin bereden, daß wir
solchen der wittibe abkauffen und ihm wieder schenken solten, welches wir auch
auf dessen Begehren und Zureden gerne würden gethan haben. Hierüber haben
obgedachte beyde Kirchgeschwornen sich noch anheischig gemacht, Er solte den
Zaun obangeführtermaßen annehmen, Sie würden ihn bei der Schenkung in solchen
stand setzen, daß er in 10 bis 20 Jahren nichts daran machen laßen solte.
Welche Vorschläge derselbe aber durch aus nicht annehmen wollen.
85
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Woraus Ew. Excellenz hell
undt Klar ersehen Können, daß mehr besagter Herr Pastor selber schuldig, daß
der Pfarr hoff unbefriediget lieget. Und da mit Ewer Exzellenz mehr licht
dieser Befriedigung halber erlangen mögen, so haben wir sämbtlich aus unsern
Mitteln Vier gevollmächtigte, alß Dirck Brammer aus dem Flecken Bramstede, Hans
Mertens, Königl. Unterthan auß wiemerstorff, Jasper Runge, Königl. Unterthan
aus dem Kirchspiel Kellinghusen, und Marx Dammann, Clösterlicher Unterthan aus
armstede einhellig erwehlet und Ihre Vollmacht durch den Herrn ambts Verwalter
Snell in der Kirchspiel Voigtey aufsetzen und in Unserm Nahmen von Ihm
unterschreiben und untersiegeln lassen. Welche anbefohlener maßen einige der
ältesten Kirchspielleute vor dem Herrn ambts Verwalter und Commissario
gebührlich abhören und deren außsage Ew. Excellenz Unterthänig einliefern laßen
sollen, mit unterthäniger Bitte,
Uns die Befriedigung mehr
alß oft Besagten Pfarrhauses Zaunes wegen der glaubhaften Zeugschafft nicht
mehr anzumuthen, Besondern uns ... gäntzlich davon zu befreyen,
dem
Herrn Pastoren aber dahin zu befehlen, daß Er uns die dießerhalben wider
besseres wißen veruhrsachten Unkosten wieder erstatten müße. Wir wollen dagegen
leben und sterben
Ewer
Excellenz
getreueste und
unterthänige, gehorsambste, sämbtüche Königl. Bramstedische, Königl.
Kellinghusische und Clösterliche Itzehoische (exclusive aber
adel. Bramstedische) Untertanen des Kirchspiels Bramstede. Bramstede, den 28.
Martii 1703.«
Das Streitverfahren nimmt
den üblichen Fortgang, und der Geistliche hat den Erfolg auf seiner Seite. Doch
die Unterlegenen können und wollen sich dabei nicht beruhigen. Nach Ablauf
eines guten Vierteljahres greifen sie aufs neue zu den Waffen, um nun
allerdings den Angriff auf ein ganz anderes Gebiet hinüberzuleiten. Das
geschieht in nachfolgendem, an Amtmann und Propsten gerichtetem Schreiben.
II.
Geistige und geistliche Angelegenheiten
1. Vorwürfe gegen die
Amtsführung
Besagtes Schreiben
verkündet den bittern Ernst des Streites.
»Ew. Excellenz werden sich
sonder Zweifel annoch gnädig erinnern, welchergestalt denen Bramstedischen
Kirchen Juraten auf des Herrn Pastors Hartnaccii ersuchen und anklage befohlen
worden, umb den Pastorat-Garten einen Zaun zu führen, wie solches die Copey des
Befehls im anschluße erweiset. Dieselben sindt auch dem Befehl gehorsambst
nachkommen. Inmittelst haben wir gleich wohl bey neulich gehaltenen Dinge
und Recht einiger maßen dargethan, daß wir solches onus (Last) zu tragen,
dem alten und gewöhnlichen Herkommen nach nicht verpflichtet und unschuldig
sindt. Vorjetzo haben wir durch die zweite Anlage
86
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weiter erweisen wollen,
daß dieses uns nicht zukomme. - Nechst diesem wir die 3 Beylagen, daß die
Herren Prediger anderer benachbahrter ohrte ihre Zäune ebenfals Selbsten vor
ihre Kosten müßen machen laßen: dannenhero. ergehet unsere Unterthänige und
gehorsambste Bitte an Ew. Excellenz und Hochehrwürden, den Herrn Pastoren dahin
anzuweisen, daß Er denen Juraten ihr vorlegtes Geld zu dem Zaune sambt Unkosten
erstatten müsse. –
Hierauß können Ew. Excell.
und Hochehrwürden unmaßgeblich ersehen, daß der Herr Pastor keine Bedenken
träget, Neuerungen seiner Gemeine auf zudrengen. Dieses hat Er nicht allein in
voriger Sache zu thun getrachtet, sondern hat sich auch gar unterstanden, in
des Kirchspiels Kirchen-Buche hinter pag. 3 dasjenige, was Pastor Herr Detlevus
Galenbeck mit eigener Handt geschrieben, auf die 3 finger breit, un erhörter
weise, vor sich alleine und aus eigener angemaßter Macht zu radiren, davor hat
Er hingegen mit eigener Handt zum praejuditz der ganzen Gemeine propria
authoritate (eigenmächtig) wieder eingeflicket, was zu seinem Nutzen dienet. Ob
nun dieses heiße, seine anvertraute Gemeine recht lieben und mit derselben es
treulich meinen, laßen wir Ew. Excell. und Ew. Hochehrwürden selbst
unbeschweret entscheiden.
Nechst diesem müßen wir
auch, wiewohl ungerne wehmütigst klagen, daß er seiner Gemeine auf der Cantzel
und sonst in seinen ambts Verrichtungen aller Handt Ärgernissen und Verirrungen
in ihrem Christenthumb durch Lehren und unbedachtsame proceduren gebe.
Zum Exempel:
1.Da seine Seeligen Antecessores (Vorgänger)
gewohnt gewesen sein, den dazu bestimmten Kelch vor die Kranken, selben zu sich
zu nehmen, wenn sie zu selbigen gefordert wurden, um ihnen das heil. Abendmahl
zu reichen, so pfleget der jetzige allemahl derjenigen Persohn, sie mag sein,
wer sie will, solchen zu geben; dannenhero ist es auch geschehen, daß solcher
verlohren worden. Denn alß Er neulich den Kranken Friedrich Vogt zu berichten,
außen gewesen, hat er auf dem Knickwege, alß er baldt bey seinem Hause gewesen,
diejenige Frau, so Ihn abgeholet hat, gefraget, ob sie den Kelch bey sich
hätte, worauf sie mit Nein geantwortet, sintemahl Er ihr denselbigen nicht
gegeben hätte; darauf hätte Er jemandt von Seinen Leuten, alß er nach Hause
gekommen, in des Patienten Hauß geschicket, allwo derselbige nicht angetroffen
gewesen.
2.Alß die Collecte vor der Predigt geschehen
sollen, hat Er davor vor dem Altar gesungen: Laßet uns alle beten: Vater
unser u.s.w. Doch hat Er sich baldt wieder recolligiret und die Collecte in
halber Confusion abgesungen. Deß gleichen hat Er auch zweimahl auf der
Cantzel das Vaterunser zu beten Vergeßen, ja auch an dem großen Buß- und
Bet-Tage hätte Er fast den Seegen nach der Predigt zu sprechen unterlaßen, wan
nicht sein Sohn auß dem Beichtstuhl getreten und Ihm solches erinnert hätte. -
Wann Er auch daß heilige Abendmahl administriret, so werden offtermahles einige
Communicanten in ihrer andacht gestöret, indem er entweder den Kelch nicht
recht zu halten pfleget, daß Sie begoßen werden, oder denselbigen von dem
gesegneten Wein nichts darzureichen pfleget.
87
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3.
Alß
Dierck Maahs dem Herrn Pastoren 12 Schilling geschicket, sein Kindt zu tauffen,
so hat er diese nicht annehmen wollen, sondern hat 1 Mark lübsch gefordert, da
doch diese weder nach dem Kirchen Buch, noch nach der einmahl eingeführten
gewohnheit mit recht gefordert werden kan.
4.
Bey
der Tauffe läßet Er daß Wort: »Heilig«, welches der Herr Lutherus in seinem
Catechismo gesetzet hat, außen und saget bloß: nimm hin daß Zeichen des
Creutzes. Ebenfalß da unsere vorige Herren Prediger, wie anderswo auch
gewöhnlich, die Worte bei der außspendung des heiligen Nachtmahles gesprochen:
Nehmet hin ... erhalte Euch in wahrem Glauben .., saget Er bloß: in Eurem
Glauben zum Ewigen Leben.
5.
Alß
Er Marx Steckmest sein geborenes Kind, welches ganz schwach gewesen, daß
man sich stündlich seines Todes versehen, welcher
auch den Tag darauf erfolget
ist, hat zu Hause taufen sollen, so
hat Er dieses nicht thun wollen, Besondern die Bade Mutter hat die Noht Taufe
verrichten müßen.
6.
Als
Thombes Thombsen auf seinem Todtbette das heilige Nachtmahl verlanget, so hat
Er bey großer Bestürtzung nach einem Buch gefraget und hat er daneben die
Einsegnung vergessen also daß sich auch der Todt kranke Mann darüber geärgert.
7.
Als
Casper Hennings Knecht in Wiemerstorf an einem gewißen Freytag mit einem Wagen
bey dem Herrn Pastor ankommen, Ihn zu seines Schwagers Knecht zu holen, daß Er
demselben auf dem Kranken Bette das h. Abendmahl reichen möchte, so hat Er
lange Zeit mit demselben verhandelt und allererst Sonntags Mittags kommen
wollen: obschon selbiger Berichtet, daß der Patient sehr schwach war und dazu
den Wagen für sein Geld häuern müsse; jedoch hat Er sich endlich erbitten
lassen, alß er vernommen, daß des Knechtes Vatern der Ihn abholen sollen, ein
stück Land gepflüget hätte; item als er in demselbigen Dorff gefordert worden,
einer betagten Frauen daß h. Abendmahl zu reichen, so hat Er übel empfunden,
daß sich noch etliche alte Frauen, die altershalber nicht wohl zu Fuße sindt,
nach vorigem Gebrauch so gleich bey dem h. Abendmahl in selbigem Dorffe
eingefunden hatten. - Deß gleichen, alß eine stein alte Frau aus dem Flecken
mit Nahmen Hartmaninnen wegen ihres großen alters und stetes Zittern der
glieder daß h. Nachtmahl vor sich alleine hat empfahen wollen, so hat der Herr
Pastor Sie allererst über 8 Tage dazu laßen wollen, dieweil Er nicht Zeit dazu
hätte, da doch diese Frau alle Tage sich ihres Todes wegen großer Schwachheit
versiehet, mit beygefügter Uhrsache, ihr Sohn hätte es mit Ihm nicht danach
gemachet.
8. Hat er über dieses auch bey unterschiedlich angehenden Ehe Leuten in der Trauung die Ringe, wie sonst gebräuchlich, nicht gewechselt. Wie Er sich aber in seinen ambtsverrichtungen ärgerlich und nachläßig aufführet, so hat Er auch unterschiedliche mahle in seinen Predigten viele in ihrem Glauben irre gemacht. Zum Exempel:
1. Am letzten Christtage saget er im Eingange: Christus sei nicht von dem
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Heiligen Geiste empfangen;
da wir doch dieses in unserm Catechismo und zwar im andern Artikel bekennen.
2. Am ersten Sontag nach
Epiphanias, führete er unter anderm von der Beichte an: Wenn einer seinem
Beicht Vater die groben Sünden, nemblich Hurerey, Ehebruch und dergleichen
nicht ausdrücklich und specifice (im einzelnen) offenbahrte oder Dieb gestohlen
Guht an den vorigen Besitzer nicht wieder brächte oder bezahlete, dem helfe
keine absolution oder Nachtmahl, wenn auch schon 1000 Christi vor ihn gelitten
und gestorben.
3. Alß am ersten
Christtage in der Nachmittags Predigt, etliche Persohnen zu späte gekommen, hat
Er über die maßen darüber geeifert und gesprochen: So ferne keiner die Thür zu
machte, wolte Er nicht weiter Predigen, sondern von der Cantzel gehen, mit
beygefügten Worten, es were eine Sünde im Heiligen Geist, die nimmer könnte
vergeben werden, sintemahl sie Gottes Auge apfel antaste.
4. Endlich hat er auch von
der Heiligen und Keuschen Jungfrau Maria pro Concione (soll wohl heißen:
Conceptione) gesaget: Joseph sei Ihr zum Hüter der Jungfrauschaft gegeben
worden.
Letztlich so
hat Er auch in unterschiedlichen geistreichen und alten Psalmen und gesängen
uns irre zu machen gesuchet, zum Exempel:
1. In dem uralten schönen
Liede: Ein Kindelein so Lobelich etc. hat er den letzten vers zu singen
untersaget.
2. In dem Weihnachtes
Liede: in dulci jubilo hat er die Worte getadelt: »Da die Schellen klingen«,
alldieweil wir in dem Himmel keine Schellen haben würden. Dem aber ungeachtet,
hat Er selbst am Palm Sontage mit dem Verse beschlossen, an welchem Er aber
dafür daß Vaterunser zu beten vergessen.«
Das vorstehende, sicher in
mehr als einer Hinsicht ungewöhnliche Schriftstück wird durch vier Deputierte
der sämbtlichen Königlichen, Klösterlichen und ' Gräflichen, ausgenommen des
Hochadeligen Gutes Bramstede, Gemeine dem Herrn Geheimbden Rat und Ambtmann von
Lenten, wie auch dem Herrn Präpositus Burchardi übergeben.
Die genannten Herren
Visitatoren befinden für gut, es dem angegriffenen Seelenhirten bei Gelegenheit
der nächsten Visitation am 11. Juli 1703 zur Beantwortung auszuhändigen.
Die Antwort ist erfolgt an
einem im Archiv nicht angegebenen Datum. Aber eine vollständige, unantastbare
Abschrift derselben liegt vor, prächtig in Schrift und Papier, gründlich und
klar in der Darstellung, umfassend 30 Blatt in Großfolio, weitschichtig in der
Ausführung, daß sie noch heute dem Theologen wie dem Juristen als Quelle des
Wissens zu dienen vermag. Schwieriger ist die Frage, wie weit daraus auch dem
Laien anziehender Lesestoff dargeboten werden könne. Andrerseits fordert Zweck
und Wesen der Chronik, an diesem Gegenstand nicht einfach vorüberzugehen. So
soll versucht werden, auch hier zu bringen, was der Heimat angehört und ihr für
alle Zeit gebührt. Daß dabei wesentlich zu kürzen ist, versteht sich am Rande;
doch vollständig präsentiere sich hier die Überschrift.
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Abgenöhtigte
Rechtliche
Verandwortung
und
Bitte
absehen
Danielis
Hartnaccii
Pastoris
der Christl. Gemeinde zu
Bramsted un E. E. Segebergischen
Consistorii Assessoris
contra
das
von denen Deputirten der Bramstedtschen
Gemeine
eingebene Memorial.
Mit Beylagen sub A.B.C.D.E.F.G. et H. |
in puncto |
Sachgemäß ist zunächst
wieder die Angelegenheit des Pastoratzaunes zu verhandeln. Da nunmehr die
Vertreter des ganzen Kirchspiels und nicht mehr die Kirchenjuraten als Bittende
und führende Kläger hervortreten, richtet der Pastor sich geziemend an den
»Hochgebietenden Herrn Amtmann«.
»Ob ich gleich der guten
Meinung gewesen, es würden die 4 Deputirte, so sich im Namen der Bramstedtischen
Gemeine der hiesigen Kirchschworen angenommen, endlich ihren Ungrund wegen der
so frivole strittig gemachten Unterhaltung des Zaunes von selbst erkennet und
also von ihrer vorhin angestellten Klage abgestanden haben: so habe ich in
Wahrheit sonder allen meinem Vermuthen vernehmen müßen, daß sie nicht nur
weiterhin klagen, sondern mich sogar deneben mit so vielen unnützen Beschwerden
herabzusetzen allermöglichst bedacht gewesen.« Er danke für die Zustellung der
Beschwerdeschrift vom 11. Juli und bitte, bei der Wichtigkeit der Sachen um
»hochgeneigtes Gelieben«, wenn seine gerechte Verantwortung etwas weitläufig
ausfallen müsse.
Was den ersten Teil, die
strittige Zaunfrage, anbelangt, so protestiere er feierlichst und werde nicht
im geringsten abgehen von der Königl. Constitution, »alß welche nicht allein
die Erbauung, sondern auch reparirung der Kirchen Gebäude und was dem anhängig,
ausdrücklich im Munde führe. Die Königl. Kirchenordnung von 1542 verkünde: »De
Kärckeschworen in Städen und Flecken schölen verschaffen bequeme und ehrlicke
Waninge vor ern Pastoren Prediger und andere Kärcken Dener, desälven beteren
und bowen an allem wat da feylen mag, dat thor Hußholding und Nothdurfft
des studerens dienstlich ist.« - Der Zaun sei zwar nicht genannt. Doch niemand
sei so einfältig, zu verneinen, daß er diene zur Beschützung dessen, was im
Garten der Haushaltung wegen gesäet ist. Die Vernunft gebiete, den Gartenschutz
als einen Bestandteil der Haushaltung zu erachten.
Um aber dennoch
aufgetretenen Zweifeln zu begegnen, habe Christian IV. unter dem 22. August
1642 zu Glücksburg eine Constitution erlassen, die im Art. 7
90
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den Kirchschwornen
auferlegt: »Alle und jedes Jahr sollen sie miteinander die Kirchwedeme und
andere Kirchen Gebäude, die Kirchhöfe und Zäune der Kirchendiener fleißig
besichtigen und was schadhaft und baufällig werden will, anmelden und die
versehung thun, daß es bey Zeiten repariret und gebessert werde.«
Bleibt zu erörtern, was
unter einem »Wedem« zu verstehen sei. Hartnack weist hin auf Meichsner. Decis.
Cameral. tom 4. Decis. 1.1.10, wo derzeit zu lesen:
»Durch die Kirchenwedeme
wird allhie verstanden alle dasjenige, woraus die Kirche oder deren Diener
einen usus fructum (Nutznießung) haben können.«1)
Absonderlich sei zu
beachten, daß Se. Majest. die Wörter Kirchen Gebäude, Kirchhof, Zäune zusammen
füget, um in gegebenem Sinne deren untrennbare Einheit zu betonen.
Ferner sei nicht zu
denken, daß der König durch den Ausdruck »Kirchendiener« etwa zwischen Prediger
und Küster habe eine Scheidewand aufrichten wollen; vielmehr handle es sich um
eine generelle Anwendung des Wortes, die als Zusammenfassung beider zu deuten
sei. Als Zeugen dafür führt er an: Everhard in loc. General. r. Z. Man könne
daher nicht etwa geltend machen, der eine oder der andere habe mehr Holz und
könne somit sich selber helfen.
Zu diesem Punkte sei dem
Chronisten erlaubt, das alte Fleckensbuch aufzurufen. Es meldet: »Anno 1698
haben im Fastelabend samptliche Fleckens einwohner dem Herrn Pastor Conradt
Hinrich Galenbeck das Buschtheill von dem Teich an biß soweit die Rohrwiese
nach dem Flecken zu den Redder lang gehet, verehret, auch einhellig beliebet
worden, daß besagter Buschtheill hinkünftig bey wohlgedachten Herrn Pastoris
abscheid oder sogenannten kleinem Hause ungekränkt verbleiben soll.«
Dem Gedanken, daß etwa um
1642, wo Christian IV. die hier in Rede stehende Constitution herausgab, das
Bramstedter Pastorat mit Hölzung gesegnet gewesen sei, wird damit der Boden
entzogen.
Hartnaccius bringt in
Erinnerung, daß vor drei Jahren die Kirchgeschwornen zu Kellinghusen in
ähnlicher Weise hätten opponieren wollen. Der Amtmann zu Rendsburg habe sie
dieserwegen durch Mandat vom 15. April strenge verwiesen; auch habe sich dasige
Gemeine nicht gleich hinter sie gestellt. Im ganzen Amte Segeberg stehe
genannte Constitution in Kraft, so auch in Kaltenkirchen. Viele vornehme
wackere Leute seien verwundert, daß sich die Bramstedter dagegen legen.
Die hiesigen Juraten
folgen ja auch sonst der Observanz der Constitution und haben noch letzhin,
ihrem Eide gemäß, das Pastorat-Haus bessern lassen. Der Zaun sei dergestalt
bewant, daß er nicht allein den Garten, sondern auch das ganze Pastorat samt
den Ställen umbschließen und versichern soll; er sei ein Bestandteil des
gesamten Wedems.
Die hiesigen
Kirchgeschwornen haben vorhin schwören müssen, daß sie auf Gebäude und Wohnung
und was dem anhängt, achtung geben sollten. Jetzund
__________
1)
Die ursprüngliche Bedeutung ist gewesen: Wittum = Witwenversorgung bis zum
Tode, im Gegensatz zum Leibgedinge, das sich vererbt auf die Blutsverwandten.
91
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fehle zwar in dem Eide das
Wort »anhängig«. Aber damit sei nicht der Sinn und Rechtsbegriff der Königl.
Verordnung aufgehoben. Hartnack weist dann auf die Tatsache hin, daß die
Juraten den Zaun des Küsters instand halten und es damit rechtfertigen
wollen, daß dieser ja nicht Holz und Gesträuch habe wie der Pastor. Damit sei
von ihnen grundsätzlich ihre Verpflichtung auch gegen das Pastorat anerkannt.
Die Constitution aber wisse davon nichts, daß Holzbesitz des Pastorats Einfluß
auf diese Verpflichtung haben könne. Im übrigen sei derzeit das Gehölz des
Bramstedter Pastorats ganz verwüstet und kein Busch zum Zaun vorhanden. Es
komme hinzu, daß grade die Äcker und Wiesen des Pastorats nächst dem Flecken
und nach der Vogelstange hin durch vielfältiges Überfahren gefährdet und zuvörderst
des Schutzes bedürftig seien.
Ferner, so fährt der
Geistliche fort, werde von den Gegnern auf das »alte und gewöhnliche Herkommen«
hingewiesen. Es sei zwar wahr, daß in diesem Herzogtum gute ehrbare Gebräuche
und rechtlich hergebrachte gute Gewohnheiten »müssen observieret und die
Richter jedes Ortes sich danach zu richten angehalten werden. Landgerichts- und
Kammergerichtsordnung stimmen darin überein, setzen indessen wohlerwogene
Schranken.«
1. Es muß ein alter
kundbarer Landsgebrauch sein.
Die Bramstedter tragen
aber einen Einzelfall vor, davon ihre Nachbarn kaum wissen; kundbarer
Landsgebrauch sei, wie er nachgewiesen, im gegenwärtigen Fall die Observanz der
Königl. Konstitution von 1642.
2. Ein solcher Brauch soll
nicht der Vernunft und Billigkeit zuwider sein. Böse Beispiele,
aus Eigensinn und Widersetzlichkeit
entsprungen, können nicht gesetzliche Kraft erlangen.
3. Die Landgerichtsordnung
sage ferner, daß ein solcher Brauch nicht der Heiligen Reichsordnung und
Konstitutionen entgegen sein solle. Im gegenwärtigen Falle sei maßgebend,
daß die Konstitutionen der Fürsten in ihrer Rechtswirkung über dem
Landsgebrauch stehen. (Erst wenn in einer Streitsache eine Konstitution nicht
vorliege, komme »der alte kundbare Landsgebrauch, danach das alte
Sachsenrecht und schließlich die gemeinen beschriebenen Rechte«, sofern sie
nicht der Heiligen Reichsordnung und einer Konstitution zuwider sind, als
maßgeblich in Betracht. - So in Holstein, wo ein einheitliches Recht fehlte.
Anders in Schleswig, wo das Lowbuch, ein königl. dänisches Gesetz, allgemein
grundlegend war.)
Nach dieser Feststellung
könne niemals der in Rede stehende Bramstedter Einzelfall gesetzliche Wirkung
erlangen, sondern müsse als Irrgänger oder Mißbrauch abgewiesen werden.
Dies leitet Hartnack
umständlich auch aus dem kanonischen Recht und aus den Reichsabschieden von
1548 und 1551 her. Er führt dazu noch ein Beispiel an, daß ihm durch Herrn
Lincker bekannt geworden. »An seinem - Linckers - Ort haben einige vom Adel
ihre Todten Abends ohne Gesang und Predigten bey zu setzen sich unterstanden
und sich deswegen auf eine alte Gewohnheit berufen. Das dasige Ministerium aber
habe unter Hinweis auf die Kirchenordnung
92
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dies unterbunden.« Wenn
nun allein die Singularität, also der offenbare Mangel des »Kundbaren«, dem
Verfahren der Bramstedter jegliche rechtschaffende Kraft versage, so ändere das
von den vier Deputierten herbeigeführte Abhören einer Reihe von Zeugen, die das
hohe Alter besagter Gewohnheit bestätigen sollen, daran nichts. Es seien unter
ihnen zitierte und freiwillig erschienene Leute, auch solche, die in
vorliegender Sache mit geraten und getatet haben. Zudem liege ein Verstoß gegen
die Landgerichtsordnung p. 3. tit. 1832 vor, der das ganze Verhör hinfällig
mache.
Die Deputierten weisen
darauf hin, wie es die Galenbecks in Sachen des Zauns gehalten haben und
meinen, deren Verhalten sei für ihn, den Amtsnachfolger, maßgebend. Nun sei
einmal geschehen, daß der Pastor Galenbeck einen »stecken Zaun« habe setzen
lassen. Könne das ihn zu gleichem Tun verpflichten? Und gesetzt den Fall, es
wären seit der Hammerich (Witwe) 10 Zäune nacheinander gesetzet worden. Könnte
das ihn irgendwie verbindlich machen? Man wisse aus den Rechten: quod
Sacerdotes in rebus Ecclesiae nullum, nec dominium habeant, nec possessionem,
sed tantum sint Domini usus fructus, possessionis et fructuum. (Daß die
Geistlichen weder die Herrschaft noch das Besitzrecht am Eigentum des
Kirchenguts haben, sondern lediglich dessen Nutznießer sind.)
Priester können demnach
nicht das geringste mit Bindung ihrer Nachfolger von der Pfarre veräußern noch
dieselbe irgendwie mit Auslegung einer Servitut oder sonst beschweren.
Hartnack gibt zu, daß ein
Priester aus irgendwelchen Gründen auf Pflichtleistungen seiner Eingepfarrten
verzichten könne; aber rechtlich führe des Priesters Abschied vom Amte ohne
weiteres zur Wiederherstellung des früheren Zustandes.
Er äußert sich ferner
dahin, daß gegenwärtig die Juraten nicht gebunden seien, einen Stecken-Zaun,
wie ihn Galenbeck zu seiner Freude habe setzen lassen, um das Pastorat zu
liefern, sondern eben einen Busch-Zaun, wie ihn die Sel. Witwe Hamerich einmal
veräußert habe zu ihren Gunsten.
Doch geht unser
schreibfreudiger Seelenhirte an der Frage vorbei, aus welcher Quelle sotane
Witwe das Recht geschöpfet habe, überhaupt jenen, für vorschriftsmäßig
erachteten Zaun zu versilbern. Zürnen wir ihm nicht, sondern folgen wir ihm
weiter unverdrossen.
Er setzt folgenden Fall:
Ein Priester möchte gern ein recht ansehnliches Haus haben. Die Gemeine will
ihn nicht unterstützen darin. Er käme hernacher vielleicht her und ließe das
Haus nicht allein mit Ziegeln decken, sondern auch gar viele Gemächer darin
bauen und alles, was ihm nur zum Ansehen dienen möchte, darinnen machen. Läßt
die Gemeine solches geschehen, so mag der Tag kommen, wo das Haus im Verfall
ist, die Gemeine aber nicht dem Nachfolger zumuten kann, die großen Kosten für
den sonst so trefflichen Bau herzugeben.
So stehe es auch um den
Zaun; ein Attest bezeugt, daß er solchen habe machen müsse», also nicht
freiwillig. Und wenn er den Gedanken gefaßt habe, ein Fremder müsse ihm das
wieder bezahlen, so bekunde er eine große Einfalt. Auch die
93
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übrigen Atteste seien
nicht geeignet, das Bestehen einer »Gewohnheit« zu erhärten. Dazu komme, daß
drei Atteste von Pastoren ausgestellt seien, die unter der Herrschaft von
Grafen und Edelmann stehen, wo andere Gesetze und Bräuche herrschen als im
Königlichen Gebiet. Der eine bezeuget, daß er die Zäune selber beschwerlich
unterhalten müsse und ihm dazu ganz und gar keine hülfliche Hand vom Kirchspiel
gereichet werde. Darin sehe er - Hartnack - nur einen Beweis von der
Eigensinnigkeit und Unbarmherzigkeit dasiger Gemeine gegen ihren Seelsorger.
Ein zweites Attest bekundet, daß zwar die Konstitution des Königs in Geltung
sei; der Prediger aber sehe aus Liebe zu seiner Gemeine davon ab, sie für den
Zaun in Anspruch zu nehmen. Hartnack meint, was ein andrer aus Liebe tue, sei
für ihn kein Zwang, und die Meinung dieses Zeugen schaffe nicht für Bramstedt
ein Gesetz. Auch möge die dortige Gemeine wohl seine Gütigkeit auf andere Weise
ersetzen.
Die Bramstedter Gemeine
aber sei verführet worden. »Gleich bei meinem Antritt habe ich unter der Hand
vernehmen müssen, wie man mich, weil ich von Seiner Majestät hierher berufen,
ängstigen und alle accidentien mir nehmen wolle. Man läßt mich dies jetzt
würklich fühlen. Niemand wird mir verdenken, daß ich mich hiebey am besten zu
verwahren suche. Man rühmt sich, daß man einem andern woll 20 Thaler zu seiner
Planke bald verehret habe. Es ist eine große Unbarmherzigkeit, mir, als einem
alten Mann anmuthen zu seyn, den Pastorat Zaun zu machen, da ich nur noch
geringen Nutzen davon haben kann.« Er bittet, die Deputierten mit ihrem
ungereimten und ganz nicht begründeten Gesuch abzuweisen.
Hartnacks
Verteidigung wegen der Rasur
Die vier Deputierten haben
ihn mit harten und unfreundlichen Worten einer nicht erlaubten Rasur im
Kirchenbuch bezichtigt und dabei angedeutet, daß er dadurch der Gemeine einen
Schaden habe zufügen wollen. Wenn sie auch einen Antrag damit nicht verbinden,
so liege doch klar die Absicht vor, ihn vor der Behörde und der Kirchengemeine
in gefährlichem Maße herabzusetzen. So sei er genötigt, hierauf einzugehen und
Klarheit zu schaffen.
»Der seel. Pastor H.
Detleff Galenbeck hat in den letzten drei Blättern des einen Kirchenbuchs denen
successoribus etwas zur Nachricht von des Priesters und Küsters Hebungen
einschreiben wollen. Da er aber selbst von vielen nicht die rechte wißenschaft
gehabt und dieser Unkenntnis noch ein Mangel an Rechtskunde gekommen, hat er
vieles seinen Nachfolgern als verbindlich sowoll hingesetzt als übergangen.
Sein Sohn, als mein Vorgänger, hat selbst hernach hie und da in dem Buche
verschiedenes geändert, und ist ihm solches unternehmen dazumahl nicht übel
ausgelegt worden. So bin ich in der Meinung gestanden, es könte mir eine solche
freiheit ebenmaßen zukommen, zumahl da ich gesehen, daß dasjenige, so mein
Vorgänger aufgesetzt, zu meinem großen Schaden wolte ausgelegt werden, da er
nicht Macht gehabt, zugleich mit seinen über meine acci-
94
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dentien zu bestimmen. Und
zum höchsten Nachteil zu setzen, daß die accidentien keinen gewißen Nahmen
hätten, sondern müße sich Pastor deshalb mit der Gemeine vergleichen. Nun weiß
ich nicht, was das damahls vor ein Vergleich muß gewesen sein, und worinnen der
Vergleich eigentlich bestanden, ob er mit der Gemeine überhaupt wegen der
accidentien sich verglichen oder nicht. Und zudem widerspreche ein solcher
einseitiger Vergleich denen Königl. Hohen Rechten, sonderlich dem juri vocandi
(Recht der Berufung), welches die Bramstedter noch immer zu behaupten gedenken
und meinen, sie hätten so zu sagen den Knopf auf dem Beutel und könten dem
Pastori an accidentien so viel zukommen laßen, als ihnen beliebe. Wie denn auch
ein solcher anzumuthende Vergleich zu dieser Zeit, da Se. Königl. Maj. mir in
der Vokation alle dieselben, so mein Vorgänger gehabt, allergnädigst
versprochen, itzo nicht mehr in Betracht kommen könte, daß ich deßen ohngeachtet
von dem gewißen auf was ungewißes mich mit ihnen vergleichen könte. Da aber
nichts destoweniger die Gemeine auf die Ungewißheit der accidentien bestunden
und solche mit der Schrift des Vorgängers aus dem Kirchenbuche allezeit
nachweisen wolte, muß ich endlich solche worte, als die wegen der offenbahren
unwahrheit keine Billigung haben könten, hinweg thun und interlineiren. Da ich
nun an stat des Falschen die rechte Wahrheit gesetzt, vermeine ich ganz nicht,
hierunter gesündigt zu haben, welches selbst die 4 Deputierten erkant, indem
sie mich keines criminis zu beschuldigen vermocht, ich mich auch nicht deswegen
zu verantworten habe, weil von mir kein dolus, sondern nur ein Studium, die
rechte Wahrheit zu melden, gewesen, ferner auch von meiner Persohn kan nichts
widriges vermutet werden.
Nicht einmahl zu gedenken,
daß die letzten Blätter hinter dem Kirchenbuch nur ein scriptura privata und
wegen der vielen interlineaturen nur als eine Kladde zu betrachten ist. Wie
denn auch bekannten Rechtens ist, daß ein solch confusum Chaos, so aus vielen
eigenen Notizen besteht und von keinem Visitatore jemahlen unterschrieben
werden, nicht wie das Kirchenbuch als vollgültige Urkunde gegenüber Dritten
gelten kann. - Nun möge Excellenz selbst urteilen, ob denn eine solche
interlineatura eine so unerhörte sei, daß dadurch die Folgerey entstehen müsse,
als heiße dieses, die vertraute Gemeine nicht recht lieben und es mit derselben
nicht treulich meine. Wer diese ungeschickte Folgerey erdacht, hat gewiß schon
dazumahl beabsichtigt, den Prediger und die Gemeine gegen einander zu verhetzen
und dazu die Gelegenheit so zu sagen vom Zaun zu brächen. Wie redlich
ich es jemahlen mit hiesiger Gemeine gemeint, weiß mein Gott. Habe auch, so
viel mir möglich gewesen, gern nachgegeben, wie Ew. Excell. selber wißen, daß
ich mir itzt geringere Accidentien wegen der Braut-Krohn und Tauf-Ornats nehme
und gefallen laße, ohngeachtet ihrem eigenen geständniß, daß meine Vorgänger
mehr davor bekommen. Daß ich nun aber in allem solte mit geringerem
vorlieb nehmen, ist in wahrheit so woll ein ungütiges als ungerechtes und
dahero nimmer verantwortliches Ansinnen. Was habe ich gesündiget, daß ich nun
eben der erste sein solte, bey dem sie ihre vermeintliche unvernünftige
freyheit betätigen, da sie den vorigen mehr gegeben, mir itzt weniger
95
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geben wollen, um
anzuzeigen, daß es bei ihnen stünde, mehr und weniger zu geben? Auf solche Art
würde ich bey meinem alter nebst den meinigen sehr (bald) crepiren müßen.
Allein diese ihre Absicht haben Se. Maj. ihnen in meiner vocation benommen und
ausdrücklich gesagt, daß ich die accidentien, so mein Vorfahr gehabt, eben auch
genießen solle; daß also die accidentien so sie vorher aus freyem willen
gegeben, mir itzo von rechts wegen gebühren. Das entspricht auch der Lüneburg.
Kirchenordnung, wo es sub D. 2 heißt: So aber in einer oder mehr Städten und
Örtern gebräuchlich, in itzt Berührten Fällen dem Priester mehr zu geben, daßelbige
soll fortan gegeben werden und hiemit nicht geringert seyn. - Nun
scheint es zwar im Anfang etwas der einbildung zu wieder zu sein, wenn ein
freyer wille mit der Zeit zum Zwang soll werden. Allein wenn solches die Hohe
Herrschaft begehrt, so geschieht es in Wahrheit aus gutem Grund. Denn es könte
ein und ander successor der Gemeine, bewußter Ursachen wegen, nicht so Beliebt
seyn wie der vorige, oder er führte sein straf Amt schärfer als der Vorige,
oder er beobachtet auch dasjenige, was sich etwa nach seinem sowoll als auch
des Nachfolgers Urteil mit gutem gewißen nicht thun ließe, etwas genauer als
der vorige: solte er deswegen, weil er nicht mit dem vorigen gleich schmeicheln
und ein vieles von seinen Rechte unverantwortlich vergeben könte, an seinen
accidentien, so ein Teil seines salarii sind, eigenmächtig geschmälert werden?
Zumahl da auf der Welt nichts unbeständiger ist, als der Leute Gunst. Es könte
passieren, daß einer sich wider vermuthen Beleidiget befände; der würde gleich
mehr an sich ziehen, um wider den Pastor ein Complot zu machen, daß sie ihm
nichts geben wollten.
»Auf solche Art«, so
schreibt der Gesetzgeber in der Lüneburgischen Kirchenbede, »würden viel Leute
so grob und unvernünftig seyn, wo Keine Ordnung oder Satzung derhalben gemacht
würde, daß sie die armen Pastores und Kirchendiener woll gar nicht bedenken und
aus gutem Willen nichts mehr geben würden.«
»Und was noch mehr: So
haben mir die H. Visitatores selbst durch Urtheil und Rechtspruch zuerkant, auch
H. Averhoff (Kirchspielvogt) mir dazu behülflich zu seyn versprochen. Habe ich
denn also unrecht gethan, daß ich in dem Kirchenbuch die erweißlichen
accidentien nahmkündig gemacht, oder kan solches ihrer freywilligkeit den lauf
hemmen?
Wollen sie: freygebig
können sie ohnedem noch sein. Und wollen sie nicht mehr geben, so geben sie nur
das, was sie meinem Vorfahren gegeben; das soll mir genug seyn. Wiewoll ich
noch hie und da viele gutthäter habe, die mir gern ein mehreres bei
vorfallender gelegenheit reichen möchten, wenn sie nur nicht von denjenigen,
die sich einer freygebigkeit rühmen, nichts weniger aber als die freygebigkeit
ausüben und mir darüber das wenige entziehen, zurückgehalten würden, wie denn
würklich einige guten Hertzen, die mir mehr, als sie schuldig sind, geben,
bitten, daß ich's ja nicht den andern sagen sollte, sonsten sie dieser ihrer
gütigkeit wegen allerhand ungelegenheiten von den andern sich vermuthen müßen.
96
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Ew. Excellenz wolte (ich)
noch weiter vorstellen, wie der seel. Detl. Galenbeck ein vieles, sowoll aus
Unkenntniß des Gesetzes, als auch die Gemeine zu gewinnen, damit sie seinem
succedirenden Sohn nicht entgegen seyn möchte, seinem Nachfolger zum Nachteil
vermuthlich ex persuasione1) noch weiter außgesetzt und daneben sehr
vieles ausgelaßen, als unter anderem die Nachricht, wie die metamorphosis wegen
des Beichtstuhls passiret, daß der vorige und lichte Beichtstuhl denen
Kirchgeschwornen überlaßen und hingegen dem Prediger ein engerer und ganz
finsterer Sitz gemacht worden; weile es aber heißet: de mortuis nihil nisi bene2),
so will (ich) alles mit stillschweigen übergehen und Ew. Excell. unterthänig
bitten, dieselbe geruhe dieses der 4 Deputirten ihr Anbringen in keine
consideration zu ziehen, sondern ihnen alles ernstes anzubefehlen, daß sie mir
dasjenige, was Sr. Maj. mir allergnädigst zugesprochen und Ew. Excell. durch
urthel und recht in letzter Visitation gnädig zuerkant, ohnweigerlich reichen
solten.«
(Unterschrift)
Ärgernis
im Dienst, Irrtum in der Lehre ?
1. Der Pastor sei
vor dem Altar in Confusion gewesen und habe das Vaterunser abgesungen, wo er
die Collecte hätte singen sollen. Gewiß, aber wer hat die Confusion gemacht?
Joachim Wulff, des Kirchspiel Vogts Diener, der da was von seinem Herrn
vorzubringen hatte, das er wohl des Tags vorher oder vor der Predigt im
Pastorat hätte tun können. Aber er pflege solches aufzusparen, bis er in die
Kirche gehe; nun sei er auf »das altar« neben den Pastoren während des
Gottesdienstes hingetreten und habe einen langen Discurs gehalten über Sachen,
die ihm zu vermelden aufgegeben worden. Wiederholt sei ihm diese
Unschicklichkeit zu verstehen gegeben; aber um dem Pastor noch mehr Unwillen zu
machen, sei er abermals in »das andere kleine Thür nach dem Altar zu angebautes
Häußlein getreten und gewartet, bis der letzte verß des Liedes: Allein Gott in
der höh sey ehr... beinah in der mitten und da erst zum Pastore kommen, hat
sich neben ihm beym Altar vor der gantzen Gemeine gestellet« und weitläufig
seine Sache vorgebracht. Das habe freilich eine Beunruhigung gebracht, die am
wenigsten dem Pastor gefallen. Er erinnere sich wohl, das Wort: »Der Herr sei
mit euch«... vergeßen zu haben; es sei aber eine »vermeßentliche Unwahrheit«,
daß er statt der Collecte das Vaterunser gesungen habe.
Mit Wissen des
Amtsverwalters sei dem Störenfried Joachim Wulff solches Verhalten ernstlich
verboten worden.
2. Zweimal solle er
auf der Kanzel das Vaterunser zu beten vergessen haben.
Er weist darauf hin, daß
auch bei jedem Wochen-Gottesdienst das Vaterunser einmal vor dem Text und zum
andernmal nach dem Vorbitten gebetet werde.
__________
1)
durch Überredung.
2)
den Toten nicht Übles nachreden!
97
--------------------------------------------------------------------------------------
Er halte es für sehr
unwahrscheinlich, das je versäumt zu haben, und macht darauf aufmerksam, daß
auch die Anklage nicht zu nennen weiß, an welcher Stelle die Auslassung erfolgt
sei.
3.
Pastor hätte am großen Buß- und Bettage beinahe vergessen, den Segen zu
sprechen.
»Der Pastor erwarthete
nach der Litaney noch ein Schlußlied zu singen. Da aber solches nachblieb und
man es beßer aus dem Beichtstuhl, wo das Gesicht der Orgel zugewandt, als vom
Altar, den Rücken zur Orgel, bemerken könte, war die Unterbrechung nicht eines
halben Tacts lang, da so forth der Segen gesprochen ward.«
4. Pastor pflege den
Kelch nicht recht zu halten; daher Communicanten in ihrer Andacht gestört
würden, wenn sie entweder begoßen, oder vom gesegneten Wein nichts dargereicht
würde.
»Daß solches jemanden
wiederfahren, hat sich noch keiner gemeldet oder beschweret. Pastor weiß auch
bis dato noch nicht, trotz vielfältigen nachfragens, wer sich sollte beschweret
haben. Klage ist also erst durch glaubwürdiges Zeugnis zu erweisen und bis
dahin für Unwahrheit zu halten sein.« Im übrigen sei der geschickte Genuß des
Weins nicht nur vom Darreichenden, sondern auch vom Empfangenden abhängig.
»Daß aber gesagt wird, daß
etlichen Communicirenden vom gesegneten Wein nichts dargereicht werde, wird alß
eine kühne Verleumdung erst zu beweisen sein.«
5.
Pastor habe Diedrich Maahsen verweigert, für 12 Schilling sein Kind zu taufen.
Darauf sei zu antworten,
daß in dieser Sache allein die Königl. Verordnung maßgebend sei, wie schon oben
berührt.
6. Der Pastor habe
Mars Steckmestens Kind, so ganz schwach zur Welt kommen und selbigen Tages
gestorben, nicht zu Hause Tauffen wollen: sondern die Bade Mutter die Nothtaufe
verrichten müssen.
»Die Frau, so abgeschickt,
wußte weiter nichts zu sagen, alß daß das Kind zu zeitig kommen; und da sie
befragt wurde, ob sie gesehen hätte oder wiße, daß es sehr schwach, keine
Nachricht zu geben gewußt. Dieweil aber wenig Tage vorher ein Königl. gar
ernster Befehl wider die Verrichtung der Tauffe in Häusern von der Cantzel
abgelesen und das Kind am andern Pfingsttag früh morgens gebohren, ward die
Frau wieder zurückgesandt, von dem Zustand des Kindes nähern Bericht zu geben.
Man wolte inzwischen sich fertig halten, gleich sodann mit ihr zu gehen; wo
aber nicht so große Noth vorhanden, könte die Taufe, weil es Festtag, gleich in
der Kirche geschehen. Aber dem Pastori sein accidens zu entziehen und dieses
mit zur beschwerde wider den Pastorn anführen zu können, hat man ihm keine
weitere nachricht geben und sogleich durch die Wehe mutter Tauffen laßen. - Daß
aber die Tauf gar wohl nach dem inhalt des Königl. allergnädigsten Befehls in
der Kirche geschehen können, erhellet aus dem, daß es erst gegen abend um 5 Uhr
verschieden, wie durch das Geläudt der Glocken eine öffentliche anzeige gegeben
worden.
98
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Daß hingegen Pastor in solchen
fällen gar nicht schwierig, kan eben dieser Marx Steckmest nicht in abred seyn,
alß welchem er vorm Jahr am Werktage aber auch ein Kind im Haus getaufft, da er
klaren bericht von Zustand des damahligen Kindes durch abgeschickte Frau
erhalten und kein Königl. Befehl dawider vorlag.«
7. Klage wegen Thoms
Thomsen: Pastor habe in Bestürzung ein Buch verlanget und bey reichung des
Abendmahls die Einsegnung vergessen.
»Besagter ist bey erst
angehendem Sommer gestorben und hat sich über das gereichte Nachtmahl niemahls
jemand beschweret. Auf nachfrag hat die witwe geandworthet, sie sey der Zeit
nicht dabey gewesen, es hätte aber eine Frau ihr begläubigen wollen, ob ihr
mann nicht die einsegnung bekommen. Der Nachweis ist aber nicht erbracht. - So
viel kan ich mich wol erinnern, daß dieser Th. Th. einige Anfechtung des
Gewißens hatte, womit er aber trotz viel Zureden nicht heraus wolte; und dieses
war die Uhrsach, daß ich rieth, mit sterb- und Trostgebethen ihn zu
unterhalten, selbst auch (solche) zu senden versprochen, wenn man sie nur
abhohlen wolte; so aber nicht geschehen.
8. Pastor hätte sich
schwierig erwiesen, etlichen Leuten das Nachtmahl im Haus zu reichen.
a) Er habe, als
Caspar Hennings seines Schwagers Knecht in Wymerstorff, ihn mit deßen Wagen
habe holen wollen, Schwierigkeiten gemacht und Aufschub verlangt.
»Der Knecht kam an einem
Sonnabend, da es eben Zeit, da schon in der Kirche vorhandenen vielen Beicht
Kindern ihre Beicht zu hören. Die könte er nicht auf etliche stunden warten
laßen, biß er wiederkäme; nachdem aber die absolution bei allen verrichtet, kan
man nicht sagen, daß Pastor gesäumet, alsforth nach W. zu fahren.«
b) Pastor habe übel
empfunden, daß, da des Küsters Mutter in Wymerstorf das Nachtmahl verlanget,
noch andere aus dem Orte dazu gekommen und solches begehret.
»Daß sei richtig, und er
habe dazu uhrsache gehabt: da er den Fuhrmann um die umstände der Persohn
gefragt, hat er mehr nicht denn eine Persohn angegeben, die in letzten Zügen zu
bette läge. Er habe aber unvermuthend drei Persohnen vor sich gefunden, er habe
allerdings 2 Oblaten mit sich genommen; als er die zweite unter die beiden
andern Persohnen teilte, haben selbige ein scheel Gesicht gemacht. Auf einen
kleinen verweiß des Fuhrmanns, daß dieser die Zahl nicht richtig genannt,
entschuldigt sich dieser, er habe nur von einer Frau gewußt. -Zudem was
man itzt hinzutuet, wie die Frau, so den andern Weynacht-Feyertage (da man auf
die Predigten zu meditiren hat, und des Tages so ungestüm Schnee Treiben, daß
auch der Fuhrmann mit dem Wagen nicht wol fortkonte) zu sich hohlen ließ, so
wenig bettlägerig ist alß die andern beiden, und saßen alle drei um den ofen
herum, gaben auch für die Mühewaltung der Priester Witwe im Gnaden Jahr mehr
nicht als 3 Schilling, wovon doch nichts gesagt worden, wiewol einige vermuthen
wollen, daß es den Pastoren zu versuchen ein abgelegter Handel gewesen.«
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c) Daß man der Hartmannin
im Flecken die privat Communion versaget.
»Ein falsch angeben, daß
die H. es gefordert, sondern ihr Sohn, der dem Pastori das Pastorat-Haus, da er
nach vollendetem Gnaden-Jahr auf schriftlichen Vergleich mit der Witwe
einziehen sollen, verriegelt gehabt, hat es für seine Mutter verlanget, um nur
den Pastoren zu versuchen. Denn als die alte H. in den Beichtstuhl kommen, hat
sie kein privat C. verlangt, ja, als des folgenden Sonntags der Pastor durch
die Leichfrau ihr solches antragen laßen, hat sie ihr verlangen bezeuget, so
lange sie immer könte, mit der Gemeine zu communiciren, welches denn auch
wirklich geschehen. Neulich aber - sie ist noch am Leben - hat sie gebethen,
Sonntags in dem Pastorat-Hause es zu nehmen, womit ihr hertzlich gern gewilfahret
worden.«
9.
Pastor habe in unterschiedlichen Fällen in der Trauung nicht die Ringe
gewechselt.
»Laut den Formalien in der
Kirchen Agende ist das Wechseln der Ringe nicht ein werk des Pastoren, sondern
der zu copulirenden Personen. Bei dem Vorgänger hat man die Ringe abgehohlt und
ihm einige Schilling zur Discretion gegeben, welches man seit Antritt des neuen
Pastoris nicht weiter gethan, sind sogar vorher nicht in sein Haus kommen, daß
er wißen können, ob sie Ringe haben. Welche aber Ringe ansteckend gehabt, daß
man sie offenbar an ihren Händen erkennen können, denen hat man die Ringe
wechseln laßen.«
10. Bei der Tauffe werde
in der Formel: Nim hin das Zeichen des Heiligen creutzes... von mir das
Wort »Heiligen« ausgelassen.
»Dessen kann man sich nie
besinnen, daß es geschehen; weil aber bei allen Tauffen die erfahrung vor der
gantzen Gemeine das Gegentheil bezeuget, so wird Ankläger noch durch
unpartheiische Zeugen zu erweisen haben, welches Tages und in welchem Falle
solches geschehen sei. Bis dahin stehe diese Behauptung als Unwahrheit da. - Im
übrigen bekünde der Schreiber nur seine Einfalt, wenn er meine, daß berührte
Formel zum Wesen des Sakraments zähle.« Hierüber gibt Hartnack weitere
Belehrung, die hier entbehrlich ist.
11. Bei Darreichung des
Abendmahles aus der Formel: Der erhalte euch im wahren Glauben das Wort »wahren«
fortgelassen.
»Bei seiner Einführung
hierorts habe er diese Formel gebraucht: Der stärke und bewahre euch im rechten
Glauben zum ewigen Leben. Der anwesende Herr Präpositus habe dagegen nichts
erinnert, und so habe er diese Formel beibehalten. Nachdem aber bei der
Visitation dem Probsten die Klagepunkte ausgehändigt worden, sei Pastor am
nächsten Tage zu seinem Vorgesetzten gegangen, um Belehrung zu erlangen. Der
Probst habe ihn aus einer Konstitution Friedrichs des Dritten (1650)
abschreiben lassen:
Der Leib Jesu Christi, für
deine Sünde gegeben,
der stärk und erhalt
deinen Leib zum ewigen Leben.
Als er vernommen, daß dies
noch nicht das rechte sei, habe er sich an Pastor Ratcken zu Kellinghusen
gewandt und durch ihn erfahren, daß die schleswig-holsteinische Kirchenordnung
von 1542 diese Formel bringe:
100
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Nim
hin, das ist der Leib Christi, für deine Sünden in den Tod gegeben,
der
stärk und erhalte dich im wahren Glauben zum ewigen Leben.
Hartnack weist nach, daß
im deutschen Lande diese Formel teils mit, teils ohne >Glauben< in
Gebrauch sei und im übrigen der >rechte< dem >wahren< Glauben gleich
gewertet werde.«
12. Pastor habe in der
dritten Predigt von der Geburt Christi gesagt: Christus sei nicht vom Heiligen
Geist empfangen. Das widerspreche dem andern Artikel in Luthers Catechismo.
Unser Kämpfer zitert
zunächst aus der Niederschrift seiner vidimierten Predigt den in Frage
stehenden Teil des Textes:
»Das Werk des Heil.
Geistes betreffend, hat derselbe den Teil des weiblichen Saamens, so zu
der menschlichen Nathur Christi deputirt (beigetragen), von dem andern
abgetheilet, dasselbige geheiliget, an den Orth der Geburth gebracht, daß also
die Jungfrau, dieses empfangende, billig eine Gottesgebährerin genannt werden
mag, wiewohl der Hl. Geist nicht empfangen, sondern Krafft der sogenannten
überschattung allein die Maria empfangen, und was sie empfangen, gebohren hat.
Ob nun aber der Hl. Geist diß alles bei der empfängnis gewirket, ist er
doch nicht ein Vater Jesu nach der Menschheit zu nennen, da er die Menschheit
nicht aus seiner Person, sondern aus des weibes saamen gebildet.«
»In diesen worthen,« so
fährt er fort, »wird dem Hl. Geist bei der Empfängniß die 'Krafft und Wirkung
zugeschrieben. - Daß aber gesagt wird: daß nicht der Hl. Geist, sondern allein
die Maria empfangen habe, dabey erweiset der Ankläger seine Dum- oder
Boßheit.«
»Die empfängnis Jesu
beschreibt selbst der Hl. Geist Lucas 1,35: daß sie der Jungfrau Maria durch
den Engel Gabriel mit diesen Worten angedeutet worden: Tu concipies in utero.«
»Wenn der Schreiber ein
Mann, solt er verstehn, daß in diesem geheimniß von keiner andern empfängniß
geredet wird, alß die in utero (Gebärmutter) geschehen, wie denn auch die Hl.
Schrift von keiner andern weiß. Nun ist aber der Hl. Geist ein Geist und hat
keinen uterum: so derselbe Christum empfangen hätte, müßte er dessen parens
(Erzeuger) sein.« Stelle sich der Gegner etwa vor, daß der Heilige Geist der
Empfangende und Maria die Gebärende sei, dann könne man über diesen Ehemann nur
seine Verwunderung aussprechen. Oder solle man sich gar zweene Erlöser und
Seligmacher einbilden?
Hartnack weist nun aus den
Schriften von mehr als einem Dutzend angesehener Kirchenlehrer aus alter und
neuer Zeit nach, daß von diesem Geheimnis, das hier zur Verhandlung gestellt
wird, »unterschiedlich geredet« worden ist. Die protestierende evangelische
Kirche habe »die redensarth des Augustinus behalten und sich dann und wan auf
seine worthe bezogen«. Augustinus habe in seinem »Euchiridio« für junge
einfältige Leute auch dieses Mirakulum zum Gegenstand der Belehrung gemacht und
das »vom« Heiligen Geist als »aus« dem Heiligen Geist hingestellt, allerdings
nicht, ohne zu betonen, daß eins dem anderen nicht gleich sei.
101
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Hartnack schließt seine
Ausführungen zu diesem Punkt wie folgt:
»Nun laßen einige sich
noch vermerken: Ob es nicht wäre wohl gethan, diesen glaubens articul sogar
eigens dem Volk auf der Cantzel und in Predigten vorzutragen. Diesen dienet zu
wißen, daß nicht zu leugnen, es sey ein articul, darauf kleine Kinder getaufft
und daher auch folgends unterrichtet werden müßen, daß sie nicht allein die
worth hersagen, sondern auch die Sach verstehen lernen, die aber in den
worthen: durch kraft und Wirkung des heil. Geistes sey unser Heiland Jesus
Christus von der Mutter Maria empfangen und gebohren, ganz nicht undeutlich
fallt, und solcher Form hat man sich allein in der Predigt gebraucht. Daß nun
das wörthlein >von< einen zwiefachen Verstand habe, ist ebenfalls
offenbahr, nemlich vom heil. Geist als einer wirkenden Kraft und von Maria als
einer Mutter; diß wird ja kein redlicher Christ streiten, daß das Volk
unterrichtet werden möge von Sachen, die also einen unterschiedenen Verstand
haben. Wie denn Augustinus das Beispiel gegeben. Wie auch in der Protestirenden
Kirche haben treue Lehrer in Predigten diesen Punkt also mit dem wahrhaften
unterschied vorgetragen.«
13. Am 4. Sonntag nach
Epiphanias sei von der Beichte gelehrt worden: Wenn einer seinem Beichtvater
die groben Sünden, nehmlich Hurerey, Ehebruch und dergleichen nicht
ausdrücklich und specifice offenbahrte, so helfe demselben keine absolution.
»Hier zeigt sich eine
bößliche Verdrehung der Worte, die im Concept der Predigt lauten: Was die Sünden
betrifft, sind derselben so viel, daß man sie nimmer alle bemerken oder
derselben sich erinnern könnte; daß nicht ihrer viel einem entfallen solten,
zumahl wenn man in langer Zeit nicht zum Beichtstuhl kommt. Daher David
spricht: Herr, wer kan merken, wie oft man fehlet, verzeihe mir auch meine
verborgenen Fehler. Aber viele sünden werden auch einem beichtenden vorkommen,
die sein gewißen drücken, wenn er nur daselbe durchforschen und nicht so rohen
Gemüts zum Beichtstuhl gehen will. Hie wäre wohl guth, daß ein Beichtkind sich
seines Seelsorgers alß eines geistlichen Artztes gebrauchte, und welche sünden
insonderheit sein gewißen drückten, dieselben ihm in vertrauen offenbahrte,
rath und Trost dawider bäthe, auf daß der Trost in der absolution nicht insgemein,
sondern auf dieselben gewißen Fälle gerichtet werden könte.«
Pastor fügt hinzu: Hier
werde nicht von »groben« Sünden, sondern von solchen geredet, »die insonderheit
das Gewißen drücken«, und zwar nicht von einer absolution nöthigkeit, daß
sonst die absolution nichts hülfe, sondern von einer nutzbarkeit, daß es
guth wäre, damit der Trost auf solche besondern Fälle gerichtet werden
könte.
Wolle denn der Ankläger
den ohnehin rohen Gemüthern der Leute beibringen, daß es nicht gut sei, die
Fälle berührter Art in der Beichte zu offenbaren?
Hartnack ruft nun noch 13
Zeugen auf zur Bekräftigung seiner Darlegung, beginnend mit Johannes
Crysostomus und Ambrosius, abschließend mit der Schleswig-Holsteinischen
Kirchenordnung von 1542. Ein paar dieser Beispiele mögen hier passieren.
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a) Ehe wird die Wunde nicht geheilet, ehe sie von
Blut und Eiter gesäubert ist.
b) Da ich's wollte verschweigen, verschmachteten
mir meine Gebeine durch mein täglich Heulen (Ps. 32,3).
c) Eine verhehlte Sünde ist ein gewißen wie ein
Wurm im Apfel: nagt immer und läßt keinen Frieden; klagt und bittet man sie
aber ab, wird schon der Schmerz gelindert und das Gewissen ruhig.
d) ».... daß auch etliche stück, welche, die
Gewissen beschweren, erzählet werden, das ist sehr tröstlich.«
(Schleswig-Holsteinische Kirchenordnung.)
14. Wenn ein Dieb
gestohlen Guth an den vorigen besitzer nicht wiederbrächte oder bezahlete, dem
hülffe keine absolution oder Nachtmahl, wenn schon Tausend Christi vor ihm
gelitten und gestorben.
»Aus dem sofort vidimirten
Text der Predigt: Andern Theils muß reu und Leyd über die Sünd recht hertzlich
sein, wie wir singen: Mein sünd sind schwer und übergroß und reuen mich von
hertzen, so daß wir uns für Sünden wie für einer schlang entsetzen und
derselben wie dem bösen Feinde von Hertzen feind werden. Geschieht dies, so
wird man sich wol beßer hüten, daß man nicht leicht wieder in die vorigen
Sünden verfalle. Ist es nun mit diesem Punkt richtig, daß alle Sünden von
hertzen leid, so wird es mit dem andern Punkt des Glaubens, der sich tröstet
der Gnad und Barmhertzigkeit Gottes und des Verdienstes Jesu Christi zwar bald
zur richtigkeit kommen. Denn diese stück sind eben die algemeinen mittel der
Seeligkeit, die von Gott herstammen. Aber der Glaube kan dieselbe nicht
ungezweifelt ergreifen, so lange reu und leid über die Sünde nicht hertzlich
und rechtschaffen ist. Zum Exempel: Es hat einer dem andern Schaden gethan,
hat's auch wieder zu ersetzen, wil aber das entwendete nicht gern wieder
abstehen; oder wil auch nicht von dem Gelde hergeben, den schaden zu büßen: wie
kan ein solcher Gnad von Gott hoffen, der nicht gegen seinen Nechsten der
billigkeit sich bezeigen wil? Sonst was anlanget die Gnade und Barmhertzigkeit
Gottes, ist selbige eine Gnade aus liebe.«
»Wer siehet nun nicht, wie
das von 1000 Christen und deren leyden und sterben bößlich hinzugeflickt? Aber
ein jedes christlich gemüth kan leicht erachten, wie Beschuldiger ein böß gewißen
habe, entweder daß es mit haab und Güthern nicht so bewand, wie billig solte,
oder er sonst der unschuldigen nechsten redlichen Namen vielmahl weit und breit
verkleinet und an solchem allen wohl sein gewißen einzuschläfern meinet, daß es
nicht unrecht gethan: ja was noch mehr einer gantzen christlichen Gemeine die
meinung beybringen darf, daß der Pastor hieran unrecht gelehret, sie wol einem
andern das seinige entwenden, die Gebühr seines Soldes ihm entziehen, heimlich
belügen und verlästern dürften. Denn diß alles sey durch Beicht und Nachtmahl
schon wieder so gut gemacht, daß es keiner Wiedererstattung des entwendeten, so
die möglich, oder des ehrlichen Nahmens ferner bedürfte. Es ist schrecklich,
daß eine ganze christliche Gemeine auf anregung eines so gottlosen Mannes diß
gegen die Herrn Visitatoren durch ihre Deputirten in einer schriftlichen Klage
von sich und ihrem Gewißen dermaßen ungescheut zur Beschuldigung ihres
Seelsorgers ausgeben darf.«
103
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Der Beschuldigte zeigt
nun, wie schon der Heide Cicero, ferner die alte christliche. Kirche,
desgleichen die protestierende evangelische Theologie einhellig seine
Auffassung vertreten habe. Auch haben diese Lehre ebenmäßig vornehme Prediger
unter Königlicher Majestät ihren anvertrauten Gemeinden treulich vorgetragen.
Unter den verzeichneten 17
Zeugen möge noch einer zu Worte kommen, weil der Pastor auf ihn das Wort
»tausendmahl« zurückführt, das allerdings nicht auf den Heiland bezogen werden
könne, da es nur einen Heiland und Erlöser gebe. Johann Jacob Otto
schreibe im »Tugendsteg und Lasterweg« auf Seite 1069: »Findestu einen solchen
beschwerten und beschwerenden Zolgroschen, so laß dir meinen Rath gefallen und
mache dich loß von solchen Sünden durch gerechtigkeit und ledige dich von
deiner Missethat durch Wohlthat an die Armen. Wer wissentliche ein ungerechtes
Guth in Händen hat und giebt's nicht wieder, wo es hingehöret, der hat keine
Vergebung seiner Sünden zu hoffen, und wenn er Tausendmahl zur beicht
gegangen wäre. Ist ein hartes Worth, aber doch ein wahres Worth.«
15. Alß am ersten
Christtag in der Nachmittags Predigt etliche Persohnen, zu Späth kommen, hätte
der Pastor in seinem Eifer dermaßen sich erregt, daß er solches eine Sünd wider
den Heil. Geist genand.
»Was Ankläger sonst von
Augapfel anstoßen, Drohung, von der Cantzel zu gehen, anfänget, sind solche
Verfälschungen und Verdrehungen, wie davon im vorigen deutliche exempel zu
sehen, daß sie ihm nicht ungewöhnlich.
Nicht an dem ersten
Christtage, sondern schon vor dem ersten Advent gingen diese Handel an, uhrsach
deßen, daß schon bekand, wie man zu dem erweiterten Gnaden Jahr und zu der Last
des Zauns sich nicht bequemen wolte. Und da im ausgehenden Januario sich alles
äußern mußte, so suchte man gegen angehenden Januarium dem Pastori allerhand
unwesen zu machen, wie aus dem zu merken, daß alle Punkte übel aufgenommener
Glaubens Lehr aus denen Christ Predigten und 4. Epiphanias genommen. Hinzu fiel
den aufgehetzten Gemüthern die kürtzeste Kürtze der Winter Tage bequem und
kamen nach und nach je länger in mehr größeren und großen Partheien, bis zur
mitten der Predigt, mit stärkern und stärkern Tumult und Platzen des
Hereintretens in die Kirch. Nun hatte man es leicht schon in der Advent Zeit
merken können, daß dem Pastori es nicht allerdings annehmlich, da aber sogar
des ersten Christ Tags nicht geschonet. Dennoch hat Pastor in der Vormittags
Predigt, des spät angehenden Tages wegen, die Verspätungen übersehen. Aber als
in der Nachmittags Predigt, da die Gemeine noch im Flecken und späten Tages
halber niemand zu entschuldigen war, über all die maßen fast die gantze Predigt
hindurch mit größeren und öfters eintretenden Hauffen das Übel ärger und ärger
ward, so ist zwar mein concept zu selbiger Predigt, wie darzulegen, im
geringsten nicht auf solch unwesen eingerichtet.
Doch ist nun wohl noch
eingedenk und nicht in abrede, daß man sich der Worte Stephani
(Apostelgeschichte 7,51) gebraucht: Ihr Halsstarrigen und unbeschnittenen an
Hertz und Ohren wiederstrebet noch immerforth dem Heil. Geist. Darnach aus
etlichen Geschichten, die beigefallen erinnert, wie merklich der
104
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Satan, dem dieß Fest der
Geburth unsers Heilandes höchst zuwider, allerhand unheil in christlichen
Kirchen in solchen Tagen anzurichten gesucht. Stellete vor, wie nicht ein
unwißentliches, sondern vermerktes muthwilliges widerstreben der Predigt
göttlichen Worts eine schwere Sünde sey, und schloß darauf mit denen Worthen
des Gesanges: O wär der nie geboren, der Gottes Wort veracht. -Hieran aber solt
man nicht meinen, unrecht gethan zu haben.«
Folgen noch einige
Hinweise, wie anderswo derartige oder ähnliche bewußte Störung des
Gottesdienstes beurteilt wird. Es liegt kein Anlaß vor, sie hier noch
darzustellen.
16. Pastor habe von der
heiligen und keuschen Jungfrau Maria gesagt: Joseph sei ihr zum Hüter der
Jungfernschaft gegeben.
»Welche Predigt es
gewesen, hat Ankläger, wie billig von ihm geschehen sollen, nicht angezeiget.
So ihm die vergeßen, kan er auch leicht die Form der Worthe nicht eigent und
genau beobachtet haben.
Ich erinnere mich aber,
daß am ersten Christtag in dem erweiß, daß Jesus Christus der versprochene
Heyland der Welt, unter andern diesen Grund beygebracht, daß er, wie vom Esaia
cap. 7 angedeutet, von einer Jungfrau gebohren worden; nachdem ich solchen Grund
ausgeführet, finde ich im einem sofort vidimirten concept meiner Predigt in dem
beschluß diese Worthe:
Diß war nun auf seiten
Gottes und dem Gewißen Mariae so weit richtig. Aber es mußte auch die
Jungfrauschaft Mariae bei den Menschen ofenbahr worden; aber sie war verlobet
an den Zimmermann Joseph und war diß von dem höchsten Gott also gefüget, daß
damahl auch Menschen Zeugniß ihrer Jungfrauschaft haben möchten. Niemand war
mehr daran gelegen als dem Joseph, welcher sie hernacher ehelichen solte. Joseph
aber hatte sie keineswegs berühret, welches daraus erscheinet, daß, da er
vermerket, Maria wäre schwanger, wolte er sie zwar nicht rügen, wie es beym
Matth. 1 Lutheri gegeben, oder ruchtbar vor den Leuten machen; doch aber hatte
er heimlich bey sich schon den Schluß gemachet, sie zu verlaßen. Indem er nun
mit solchen gedanken umging, kam auch der Engel Gabriel und sprach: Joseph, du
Sohn Davids, fürchte dich nicht, Mariam, dein Gemahl zu dir zu nehmen; denn das
von ihr gebohren ist, das ist vom heiligen Geist. Dieses wird nun daher noch
weiter bestätiget, daß unser hochverdienter Heyland in heiliger Schrift nirgend
ein Sohn des Joseph, sonder allein ein sohn Mariae genannt wird, und sogar auch
in der ersten Weissagung Genesis 3: des Weibes saamen sol der Schlangen den
Kopf zertreten. Daß nun Jesus Christus von einer Jungfrau gebohren und also der
wahre Messias sey, ist ein Glaubensartikel und ist derselbe hiemit bewießen.«
Hartnack meint dargelegt
zu haben, daß der Ankläger auch hier sich als Wortverdreher erweiset; denn der
Pastor habe nicht von einem »Hüter«, sondern von einem »Zeugen« der
Jungfrauschaft gesprochen. Und hätte er auch dieses Wort gebraucht - so
schreibt er weiter - so wäre solches nicht eben zu viel geredet. Bosheit und
Unerfahrenheit im Glauben habe den Anschuldiger dazu geführt, die Lehre der
Kirchen eines Irrtums zu beschuldigen.
105
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Eine lange Reihe von
Kirchenlehrern wird noch angeführt, um nachzuweisen, daß der Zimmermann Joseph
als Zeuge und als Hüter der Jungfrauschaft seiner Maria in die
Kirchengeschichte eingegangen ist. Es erübrigt sich, diesem Mysterium hier
weiter nachzuspüren.
17. Beschuldigung, daß
Pastor in Weihnachten den letzten verß des Liedes: Ein Kindelein so löbelich -
und das Lied: In dulci Jubilo wegen der Worthe: »Da die Schellen klingen«, so
im Himmel alß Regis curia wirklich nicht vorgingen, nicht habe wollen singen
laßen.
»Wie insgemein anderswo
zumahl vor der Predigt allein der Vers: >Ein Kindelein so lobel.<
gesungen wird, so wahr auch dem Küster in Bramstedt vorm Jahr zu halten
angedeutet, es zu halten. Und zwar aus uhrsachen, daß viel Zeit der Predigt an
den folgenden drei versen abginge, und ferner, weil in dem letzten verß in den
gedruckten gesangbüchern bei etlichen in der Gemeine unterschiedliche lectiones
(seien), woraus zu besorgen, daß beim singen eine confusion entstehe. Denn
etliche hätten die alte Form, so nach den Zeiten Lutheri dazu kommen: »für
falscher Lehr und bösen wahn, da wir so lang sind in gestahn, Gott woll uns das
vergeben<; andere aber hatten diese worte: »für falscher Lehr und bösen
wahn, der unser Seelen schaden kan; Gott woll all sünd vergeben<.«
»Das Lied in dulci jubilo
aber ist darum zu singen unterlaßen worden, weil niemand in der Gemeinde das
Latein darin verstehet.«
»Pastoren versprechen in
einer ihnen an eydes Staat vorgelegten Formel in Kirchen gebräuchen nichts zu
ändern. - Es ist aber ein unterschied zu machen zwischen Gebräuchen, die in der
Kirchenordnung vorgeschrieben sind, und Gewohnheiten, die hie und da üblich
geworden. - In der holsteinischen Kirchenordnung steht allein am ersten
Christtag: Ein Kindelein so löbelich ..., aber doch eben nicht, daß alle
versicul gesungen werden müssen.
Nach Luthers Zeit ist der
letzte Vers in vielen Gesangbüchern geändert worden. Daß sei sicher geschehen,
weil man nunmehr nicht geglaubt, noch in »falscher Lehr und bösem Wahn« zu
stehen. »Es ist für eine einfalt zu halten, um Vergebung deßen zu bitten, weßen
man sich nicht für schuldig hält.« So wie die Gebräuche soll ja nach des
Apostels Mahnung auch unser Gottesdienst in seinen Liedern nicht der Vernunft
widersprechen. Obwohl die 1665 zu Schleswig durch Joh. Gölwein gedruckte Agende
nicht für die Königlichen verbindlich sei, so habe doch das Glückstädtische
Gesangbuch daher den Vers entnommen: »Das Öchslein und das Eselein erkannten
Gott den Herren sein.«
Der Vernunft wegen habe er
ein lateinisches Lied, das etwa von Herrn von Grote (Gutsbesitzer) und im Predigtstuhl
verstanden werde, sonst aber von niemand, in der Bramstedter Kirche nicht
singen lassen. Andacht setze doch eine Sprache voraus, die man verstehe.
Das Lied sei ins Deutsche
übertragen, und der Übersetzer habe recht empfunden, der, statt vom Klingeln
der Schellen zu reden, diese Reime setzt: Da die Engel singen mit den Gläubgen
all und die Psalmen klingen im hohen Himmels-Saal.
»Wenn denn nun alles
deducirter maßen hell und klar erhellet, daß ich auf der
106
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Canzel und sonst in meiner
Amtsverrichtung keine ärgernisse und Verirrung in ihrem Christentum durch Lehre
und sonsten gegeben, ich also dermaßen unschuldig angegriffen, daß (ich)
darüber im ganzen Lande eine unverantwortliche Blame haben muß, da mir doch
nicht das geringste irrige erwiesen worden;
Als habe mir auch daher
solche unerweißliche gravamina sehr schmerzlich zu gemühte gezogen, und gelangt
also an Eure Excellenz mein unterthäniges Bitten und suchen, Sie geruhen denen
4 Deputirten anzubefehlen, daß sie nicht allein nebst erstattung aller so
temere causirte Unkosten sothane unerwiesene gravamina wieder zurücknehmen und
abfordern, sondern mir auch eine solche öffentliche abbitte und Erklärung thun
möchten, daß Sie mir hierunter sehr zu nahe gethan, und ich ihnen auf der
Cantzel und sonst in meiner Amtsverrichtung keine ärgerniß und Verirrung in
ihrem Christentum durch Lehre und sonst gegeben, sondern sie vielmehr der
Concipient, der von ihnen zu nennen sei, in ihrem Memorial zu solchen Dingen
(habe) verleiten wollen, dardurch sie an ihrer Seeligkeit würden schaden
gelitten haben.
Möchte ihnen alles, was
sie mir aus nicht genugsamer Überlegung und aus anderer Verführung beygemessen,
von Hertzen vergeben.«
Unterschrift
Wiederum vermag uns das
Archiv nicht klar zu berichten, wie denn nun durch das Konsistorium diese weit
über das Kirchspiel hinaus die Seelen beunruhigende Angelegenheit zur
Entscheidung gebracht worden sei. Die durch das hiesige Kirchenbuch verbürgte
Tatsache aber, daß Hartnack noch bis 1707 als Pastor seines Amtes gewaltet hat,
hier am Orte, gibt den Beweis dafür, daß die aus 1703 stammende Anklageschrift
nicht alsbald für ihn zum Verhängnis geworden ist. Aber der ins Rollen
gebrachte Stein ist nicht mehr zur Ruhe gebracht worden, wie in folgendem
bezeugt werden soll.
FRAGEN
So
der General-Superintendenten Doctor Schwarten wegen dem Pastori in Bramstedt,
Ehren Daniel Hartnacken fürzutragen und seine Antwort daraufzugehen sei
Unter dem Datum des 5.
Februar 1706 hat Josua Schwartz aus Rendsburg dieses nicht gewöhnliche
Schriftstück gerichtet an die Pastoren in Kellinghusen und Breitenberg, mit dem
Ersuchen, die 12 Fragen dem Pastorn Hartnack in Bramstedt fürzutragen und seine
Antwort des Superintendenten wegen zu begehren.
Schon am 9. Februar sind
die beiden in der Lage, die Frage-Akte mit folgendem Vermerk zurückzugeben.
»Daß die in Margine
befindliche Schrift des Herrn Hartnacks schrifftliche Antwort auf die Ihnen von
dem Herrn General-Superintendenten fürgelegte Fragen sei, wird von unß
untergeschriebenen Eigenhändig attestiret.«
(gez.)
Friedrich Ratekens. Detlef Reimers.
107
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Wenn nicht alle Anzeichen
trügen, stammt von den soeben angeführten Pastoren auch folgender, der
Frage-Akte angefügte
Extract
aus Herrn Pastor Str. Schreiben de dato 11. January 1704.
»Wir haben damahls in dem
Gerichte hieselbst oder bey der Commission seine eigene handt, die von dem Hrn.
Stenger dem Herrn Mag. Rötscher, als seinem Landsmann, communiciret worden,
produciret (vorgezeigt), welche Er zwar anfangs läugnen wollen, aber nicht
können. Er hatte in einem Brieffe geschrieben an den Churfürstl. Hoff-Prediger
zu Berlin, daß Er sich hertzlich freue, daß Er nun einmahl das Nachtmahl auff
der rechten ahrt und Weiße genießen könte. Er war auch dabey, den Anfang einer Dissertation,
darin Er sich bemühete, das Musaei argumenta wider der Reformierten
Praedestination umbzustoßen, mit seiner eigenen handt geschrieben.«
(Ohne Unterschrift).
Nun
zu den Fragen und ihrer Beantwortung
1. Ob wahr sei, was nach
vorstehendem Extract ihm zur Last gelegt werde?
Antwort: Es
hat zwar mein alter Bekanter Verleumder solche Lästerung vielfältig verbreiten
wollen. Da ich aber über 30 Jahre in rechtlichen Lutherischen Ohrten im Amte
gelebt und orthodoxe Schriften in Druck gegeben, hat man mit solchen
Verleumdungen mich nicht weiter gesetzt (?) und ich nicht weiter zu beantworten
gewürdiget, geschweige daß in Zeit von wenig stunden auf alles mich wieder zu
antworten entsinnen könte. Meine Historia Ecclesiastica, so Kgl. Maj.
Allerunterthänigst übergeben, zeiget auf vielen Blättern ein anderes und weit
gründlicheres.
2. Ob er an unßeren
Weihnachts- und andern Liedern, in unsrer Liturgie und Kirchenbuch enthalten,
öffentlich etwas getadelt habe und annoch dafür halte, daß etwas unrichtiges
darin enthalten sei?
Antwort: Welches
Jahres Weihnachtsfest gemeint, wird nicht gemeldet, daß ich die Concepte
nachsehen oder suchen könte. Daßelbe aber weiß ich mich zu entsinnen, daß ich
die lateinischen Lieder und andere des Dreßdener münchs sehr wenig, dagegen
aber gute Lutherische der Christlichen Gemeine altersher stets bräuchlich in
teutscher Sprache zur erbauung dienende singen laßen. Die Worte im Liede: Ein
Kindelein so löbelich: »für falscher Lehr und bösen Wahn« sind dahin erkläret,
daß wir in solchen itzt, Gottlob, nicht mehr stünden, sondern bethen, daß wir
darin ja nicht verfallen möchten.
3. Ob nicht wahr
sei, daß er ohne General-Superintendenten Censur besondere Catechismus-Fragen
in die Schuel und Kirche zu Bramstedt eingeführt habe? Sintemahl dieselben, so
Er eingeführet haben solle, an einem und andern Punct nicht approbirt werden
können.
108
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Antwort: Deßen
weiß ich mich nicht zu entsinnen; allen Schulmeisters unser Kirchen sind die
teutschen Fragen meiner Vorgänger bekant, die sie in information und ich im
jährlichen examina treibe; das Büchlein ist im Druck und jederman bekandt.
4. Ob nicht wahr, daß Er,
wie berichtet, die Monaths-Predigten zu keiner gewißen Zeit halte; ferner da es
Bueß-Predigt sein solle, keine Buß-, sondern andere Texte erkläre, als zum
Exempel unlängst das Evangelium von der Schiffart Christi; auch nicht die
Litaney, wie es sich gebühret singen laße: kein Buß- noch das ordentliche
Kirchen Gebet nach der Predigt an solchem Tage verrichte?
Antwort: Monahts-Predigten
werden, wenn Mittwochen und selbige Tage ein fallende Monahts-Anfange
einfallen, ordentlich gehalten, und derselbe der letzt die Evangelische
Tractation und in derselben die Schiffarth Christi, so dieses Jahr in den
Calendern übergangen, ich aber zu der Lehre von Vergebung der Sünden, zumahl in
Worten: Herr, hilf uns, wir verderben! behandelt, hat nicht völlig, noch wohl
berichtet; daß aber die Litaney und ordentlich Gebeth dabey nie vergeßen, noch
versäumt, wird dem Küster und auch der gantzen Gemeine bekant seyn.
5. Ob nicht
wahr, daß Er in solcher Predigt von der Schiffart Christi, da ein Schulknabe
auf der Orgel an eine Bank gestoßen, gesaget: »Was gil's, es wird ein Bösewicht
auf der Orgel sein, der für seine Mißethat nicht genug gebüßet hat. Ich wolte
ihn baldt nennen.« - Da der Herr Commissarius (Kirchspielvogt) aus bewegenden
Uhrsachen vom Ober Consistorium freyheit erhalten, einen andern Beicht Vater
als Ihn zu erwehlen; Er in solcher Predigt gesaget: Wie übel solche daran
wären, die aus dem Schifflein Christi treten, sich von der Christi. Gemeine
absondern und in ein benachbartes Kirchspiel laufen und daselbst das Heil.
Abendmahl empfangen.
Antwort: Wer
dieses und voriges vielleicht dermaßen ungleich angebracht, wird der Herr
General-Superintendent am besten wissen; solche Läuscher und falsche angebers
kan ich von der Cantzel nicht absehen, bleibet aber in gleicher Beantwortung
mit dem vorigen, und konte dabey wohl suchen zu vernehmen, ob ihm in allem,
geschweige zu solchem jetzigen procedere (Vorgehen) auf verschiedene Punkte in
wenig stunden außführlich und so deutlich, alß man es itzo begehret, zu
antworten.
7.
Ob
nicht wahr, daß er am vergangenen Mariae-Reinigungs Tage auch also anzüglich
geprediget: Wen die Obrigkeit zur Kirche käme, käme sie nur zum Schand-Deckel
und gebe der Gemeine nur ärgerniß und anlaß, daß sie gegen den Priester falsch
Zeugniß führen müßen, und gehe anderwärts zum Heil. Abend mahl: Ist das nicht
Schande? Item, daß die Obrigkeit sich von seiner Gemeine abgesondert und zu
Kellinghusen anitzo consistire und dadurch der Gemeine ein ungemein ärgerniß
gebe. Item, was sind daß für Priester, die solches thun?
8.
Antwort:
Probetur,
Erscheinet abermahl daß ungleiche concipienten, die dem Pastori abgeneigtes
Gemüth führen, hierzu gebraucht werden, die nicht die Sachen, so vorgetragen
werden, etwa verstehen und daher so ungleich berichten,
109
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ümb nur dem Pastori
Verdrießlichkeiten zu verursachen. Sonst die Sache betreffend, dienet hirvon
der alte Krakewitz, General-Sup. in Pommern, Tractat vom Beichtstuhl pag. 220,
232, 236 etc. und folgends auch im Anhange desselben Büchleins das judicium der
Rostocker Theologen zu lesen.
7. Ob nicht wahr,
daß er mit Mons. Johann Hornemann, Königl. Schreiber auf dem Adel. Hofe
Bramstedt einmahl im Beichtstuhl von einer Wiesen gehandelt und begehret, daß
Er Ihm dieselbe zuschreibe, ob Er gleich gewußt, daß dieser weder Macht noch
Recht dazu hätte?
Antwort: Daß
einer nahmens Hornemann nächter Zeit zur Beichte gewesen, oder ich ihm etwas
von einer Wiesen, bei der absolution zumahl, vorgeschlagen hätte, kan mich gar
nicht besinnen, wol aber, daß Er auf anstiften viel Dinges bisher sich habe
unterfangen, darüber bey Königl. Regierung, weil er Königl. Verordnung zuwider,
Klage geführet werden mäßen. Mir ist kein Wort von Wiesen bekandt, weis auch nicht,
was Er in seiner Administration habe, wohl aber kein so genandter Administrator
mit bestande Rechtens nichts zu geben noch zu veräußern Macht haben kann, uns
ist offenbahr, daß ich nie etwas wider recht dem Pastorat zuzuwenden jemahls
begehrt habe und genug an dem habe, was entzogen worden, wieder herbey zu
bringen.
8. Ob nicht wahr,
daß Er diesen Joh. Hornemann, nachdem Er denselben etliche mahl im Beichtstuhl
absolviret gehabt, und da ein Mann, der sein Kind am Neu Jahrs Tage tauffen
laßen wolte, Ihn alß Gevattern vorher bei Ihm angegeben gehabt, demselben,
indem Er das Kind zur Tauffe gehalten, und Ihn unter dem Vorwand, daß keiner
zum Gevatterstand gelaßen werden müßte, der seinen Catechismum nicht verstünde,
Ihn da öffentlich zu Examiniren angefangen, und alß Er bestürtzet, nur etwas
weniges geantwortet, zu seiner großen Beschimpfung, tumult und ärgerniß der
Gemeine, von der Tauffe abgewiesen, daß Er das Kindt von sich abgeben müßen?
Antwort: Daß
Kind, so getaufft worden, ist eines Lumpen Händlers aus Hitzhusen gewesen.
Weder derselbe noch jemand im Flecken könne sagen, daß wider Königl. Verordnung
eigenmächtig vors Altar 5 Gevattern, bei mir ihren Platz nahmen und Persohn
nach jemahl, wie gewöhnlich, bekannt, ins Kirchen-Buch zu schreiben, vorher
angebracht worden, wird kein aufrichtiges Gemüht angeben können, und, weil er
sonst ein vagirender Schuh-Knecht, wann er gleich sonst zu Beichte gewesen zu
sein, vorgeben wollte, so ist bekant, das Tauff und Abendmahl weit
unterschieden, die Wissenschafft eines der zur Beicht, und als Zeuge zur Tauffe
tritt, mehrere Stücke erfordert; jener bekennet seine Sünde und Glauben zum
Verdienst Christi, dieser aber verspricht, was er künftig tun wolle etc. Daher
wan ein Taufzeuge sogar nicht auf die erste Frage zu sagen weis, was das
Waßer Tauffen bedeutet, zumahl wan er vorher nicht angegeben worden, Pastor
nicht übel gethan, daß er den selbst abtretenden gehen laßen. Über diesem ist
dieser Hornemann ein im Kirchspiel so bekandter Mensch, der zum Gevatternstande
auch sonst nicht zuzulassen, als der unlängst ein armes Mensch geschwängert,
noch nicht Kirchen Buße gethan, mit den Bauren sich vielfaltig
110
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herumb schlaget und sich
an der geistlichkeit mit tätlichkeit zu vergreifen nicht schämbt.
9. Ob nicht
wahr, daß er denselben Johann Hormann (Hornemann) negsten Sontag darauff auf
der Cantzel also hönisch und schimpflich durchgezogen, daß Er gesaget: Eine
hohe Persohn, so Gevatter stehn sollte, hätte sich bei ihm vorher nicht
angegeben, noch den Catechismum verstanden; derentwegen solche hohe Persohn
abgewiesen worden, und den Schimpf haben mußte?
Antwort: Das
Laster hat müßen berühret werden, daß aber dabey eine Persohn mit nahmen
genannt oder durchgezogen worden, muß erwiesen werden.
10. Ob nicht wahr,
daß Er eine Wittib nahmens Ahlheit Hassens, so Herberge hält, aus Verdacht in
ziemlicher Conversation mit Einem, der bey Ihr eine Stube gemietet, ehe und
bevor Er Ihr deßwegen vorher zugesprochen, im angesicht Vieler anderen aus dem
Beichtstuhl weg gewießen und vom Heil. Abendmahl abhalte?
Antwort: Daß
die Wittibe Hassen und Horn unter dem bekandten Vorwandt vorhabender Ehe in
einem Hause unter einem Dach beysammen gewohnet, hierob auch viel ärgernis bei
der gemeine entstanden, ist unläugbar. Habe auch dem Herrn Praeposito im
Schreiben noch vor dem Consistorio part gegeben, was dabey zu thun, aber keine
antwort erhalten, auch im Consistorio daran erinnert, aber keine Entscheidung
erhalten. Da ich die Hassensche im Beichtstuhl ferner befragen wollen, ob sie
dieselbe Persohn, ist sie mit dem ersten Wort davon und fort aus dem
Beichtstuhl getreten. Nechster Tage aber, da sie mit schwerer Krankheit
befallen, selbst das heil. Abendmahl begehret, ich alsofort fertig gewesen und
ihr nach bezeugter Buße also gleich daßelbe gereichet mit dem bedinge, daß,
wenn das löbliche Consistorium weiteres von ihr erfordern möchte, sie sich
darin finden wolte.
11. Ob nicht wahr, daß Er
von des Magnifici Rectoris in Kiel und meinem Attest, das sie einem
Neubekehrten gegeben, schimpflich gesprochen und seine Fraw den Conversen, da
er die Schimpfworte übel aufgenommen, mit einer Fleischgabel blutig geschlagen,
Er, Pastor, ihn auch mit einem bloßen Degen bis auf den Kirchhof verfolget habe?
Antwort: Allen
Bettlern kann man hier aus dem Kirchen Kasten nicht helfen. Daher die aus Kiel
oder sonst Fürstlichem kommen und mit Königl. Vorschrift nicht instruiret sind,
nicht respectiret werden. Diese zumahl haben vor dieser ganzen Gemeine sich
übel, auch vor andern Predigern in unserm Consistorio verhalten und sind
endlich wieder ins Pabstthum gangen. Daher was Ew. Magnificenz wider mich
anhero auf sollicitation (Ersuchen) des Kirchspiel-Vogtes geschrieben und etwa
noch in Händen sein wird, vom Hochpreißlichen Consistorio verworffen und in
Consideration (Betracht) nicht komme. Daß ich aber auf dero attestatum geschimpfet,
ist erlogen, wie auch, daß ich denen selben mit einem bloßen Degen
nachgelauffen. Kurtz, ich habe jederzeit respect vor dero attestata gehabt und
noch heute; diese aber haben mir von dero attestatum nichts gemeldet.
111
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12. Ob Er mit Wahrheit
sagen könne, wie Er und die Seinigen dem Bericht nach gesaget haben sollen, ein
Pasquillant (Schreiber einer Schmähschrift) auch schreibet, daß Er mir in
meiner außgegebenen Schlifft wider Dr. Mühlum geholffen oder Ich solches von
ihm begehret habe, ohne daß Er mir einige von Dr. Mühlum angeführte loca
(Stellen), weil ich die Bücher nicht hatte, nachschlagen und Notas über des
Kratonis Schrifft machen möchte, und ob er solches gethan?
Antwort: Daß
ich weder Kratonem noch andere so genannte Pasquillanten so wenig kenne, alß
die meinige davon zu reden gewußt, kan ich offenbahr bezeugen, und weil ich
sehe, daß durch mich auch die Meinigen verunglimpfet werden solten, so möchte
gern näher Bericht haben, wer aus meinem Munde sagen wollte, daß ich mich des
Herrn Doctoris Joh. Schwartze Magnif. jemahl gerühmet, noch ihm geholfen haben
sollte. Habe schon ruhm genug aus dem beystande des Seel. Catory wider Mühlum
aus verschiedenen Schriften, die im Druck vorhanden und mit solcher Modestie
(Bescheidenheit) geführet werden, daß ich unter der Zahl keiner pasquillen je
gebracht, sondern von andern scribenten noch allemahl gerühmet worden. Summa,
was ich in diesen Controversien gethan, was ich in Schlesewig dabey erlitten,
davon auch wohl selbst Ew. Magnificenz Schreiben vorhanden, wan sie ausgesuchet
werden solten und solche inquisition (Untersuchung) bedürfften, Daß ich mir
daher aber keinen Ruhm bey gemeßen, wird jederman bey der Sache selbst
erkennen. Wann ich womit mir Ruhm beymeßen wolte, könte es mit den Schriften
pro Catorio contra Mühlum und Zeugnis deßen handt und Werke, so dafür mir
offeriret worden, deutlicher geschehn. Die gradlinige Darlegung des Fortganges,
den dieses Streitverfahren genommen hat, ist nicht angängig wegen Mangels der
dafür nötigen Unterlagen. Nur ein einziges Blatt aus unserer Sammlung
»Allerhand Schriften« gewährt uns noch einen Einblick in die Lage des gequälten
Seelenhirten. Auch dieses Blatt kann als vollwertiges Dokument nicht gelten: es
fehlen die Unterschriften und deren Vidimirung; doch sprechen viele Umstände
dafür, daß es in der Kirchspielvogtei seinen Urheber hatte und bestimmt war für
zwei Kirchgeschworne, die bei der Verteilung milder Gaben mit dem Pastoren zu
entscheiden hatten. Sachlich ist unser Bericht ein Anhängsel der unter Frage
Nr. 11 verhandelten Angelegenheit.
Wir vernehmen:
»Wir Endesunterschriebene
bezeugen hiermit, daß, als wir auf Befehl des Herrn General-Superintendenten
mit dem Studioso Monsier Brunnemann nach unserm Herrn Pastori Hartnack in
gewißer Verrichtung abgesandt worden, nachdem derselbe sein Gewerbe an die Frau
Pastorin und deren Herren Söhne, weil Er, der Herr Pastor selbst, nicht
gegenwärtig gewesen, angebracht, unter anderm dieses in Antwort erhalten: Der
Herr Pastor Ratjens von Kellinghusen wäre der größeste Urheber von aller
Verdrießlichkeit, so anjetzo wider ihren Ehe-Mann und Vater geführt wärde, und
hatte Ihn schon umb seine gantze Memorie (Gedächtnis) gebracht, sodaß er sein
Ambt fernerhin zu verrichten incabel (incapabel) wäre.
Actum
... Juni 1706 zu Bramstede.«
112
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Die Memorabilia des
Pastoren Dethlevus Chemnitius aus Dem Jahre 1752 melden kühl und kahl, daß
besagter Daniel Hartnaccius Anno 1707 aus dem Amte geschieden ist. So sei denn
auch unsere Forschung nach Ausgang und Wirkung des unfruchtbaren Streites, der
ihm den Lebensabend umdüstert hat, hiermit verabschiedet.
Aus:
Memorabilia des Pastoren Dethlevus Chemnitius
Anno 1752 hat Dethlevus
Chemnitius, derzeitiger Pastor zu Bramstede, offenbar aus freiem Entschluß
damit begonnen, über ihm wichtig erscheinende Vorgänge innerhalb seines
Wirkungskreises und darüber hinaus schriftlich Nachricht zu geben für die
Nachwelt. Memorabilia nennt er die auf solchem Wege entstandene Chronik,
deren Wert gesteigert wird durch die Tatsache, daß ihr Urheber etliche Berichte
aus älteren Tagen beigefügt hat. Die letzten Eintragungen von seiner Hand
tragen das Datum 1773. Sein Büchlein, ein bescheidenes Quartheft:, ist erhalten
geblieben und zeugt überzeugend davon, daß die Amtsnachfolger in gleichem Sinne
zu wirken nicht geneigt gewesen sind.
Wohl aber ist die noch
unbeschriebene Hälfte des Heftes nunmehr in streng amtlichem Dienst verwertet
worden, indem man es für die Registrierung der vorhandenen Kirchenbücher und
für die laufend eingehenden mancherlei Schriften, die den Seelsorger amtlich
angehen, in Anspruch nahm. Anno 1789 ist der letzte Federstrich gezogen worden.
So ergibt unser Amtsregister einen Nießbrauch von ¼ Jahrhundert, gerechnet vom
Abgang des Herrn Chemnitius. Groß ist die Zahl der Eingänge: Gesetze,
Verordnungen, Reskripte, Befehle, Zirkulare, Erklärungen, Memoriale usw., die
sich auf recht verschiedene Gebiete des irdischen Handelns und Wandeins
beziehen, recht oft Dinge betreffen, mit denen heute der Geistliche nichts zu
tun hat, gleiten an unserm geistigen Auge vorüber. Doch wir haben ja nur das Register
über die genannten Dinge, die Sachen selbst sind zum größten Teile nicht
vorhanden. Manche Bekundung, wie das Verzeichnis sie gibt, regt noch heute zu
fruchtbarem Betrachten an, erweitert unser Wissen über die eigenen Vorfahren
und deren Geschick. So soll eine Auswahl getroffen werden, von der erwartet
werden darf, daß auch der nachdenkliche Leser sie für beachtlich halten wird.
1753
Die Kollekte zum Armenkinder-Hause ist auf Neujahr ständig zu
halten.
Personen,
so anticipatum concubitum gestehen, sind beim Aufgebot von der Kanzel nicht als
Junggeselle und Jungfrau zu bezeichnen; wohl aber ist ihr (bei der Trauung) der
Brautschmuck zu geben.
1757
Vor der Copulation eines Lutherischen mit einer Katholischen ist Dispensation
einzuholen; die Kinder sind lutherisch zu erziehen. Das Geläute abends ist als
eine Solemnität anzusehen.
1759
In secundo genere affinitatis ist keine Dispensation zu suchen, es
komme denn respectus parentelae in Betracht d. h. der Onkel kann die Nichte,
der Neffe die Tante heiraten, ohne Genehmigung einzuholen, es werde
113
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denn
das Achtungsverhältnis, in dem die jüngere Person zur älteren steht, als ein
Hindernis erachtet. Entscheidung liegt dem Konsistorium ob.
1762
Verlobten ist nicht gestattet, vor der Copulation beisammen zu wohnen.
Die Verordnung über Lediggänger und Deserteurs ist jährlich von der Kanzel zu
verlesen.
In 12 Wochen nach Entbindung ist die Kirchenbuße abzuleisten.
Die Verordnung über heimlich gebärende Weibspersonen ist am 3. Sonntag nach
Trinitatis abzulesen.
Gnadenjahrsfuhren sind den Predigern, die nicht eigene Pferde haben, von
der Gemeinde zu leisten. (Das Jahr nach dem Ableben eines Pastors nannte man
das Gnadenjahr; während desselben stand das Gehalt des Verstorbenen zum Teil
oder auch ganz der hinterbliebenen Witwe und den Verwaisten zu.)
1763
Die Kirche hat bei der Herstellung der Listen zur (neu
eingeführten) Kopfsteuer mitzuwirken.
1764
Die Schulen haben auf Michaelis zu beginnen.
Die Erlaubnis, den Beichtvater zu ändern, ist bei dem Visitatorium zu suchen.
(Weit über 200 Jahre nach Einführung der lutherischen Lehre.)
1764
Todesfälle von Unteroffizieren und Gemeinen, die auf Pension sitzen, sind dem
Kriegsdirektor zu melden.
1766
Todesfälle der in Entbindung sterbenden Frauen sind dem Amtmann zu melden.
Die Küster sollen das Taufwasser einschenken.
Schreiben wegen Leichenpredigt für König Friedrich und Veränderung im
Kirchengebet.
Formular wegen Huldigungseid für den neuen König. (Der König war der höchste
Beamte der Kirche.)
Auf Anordnung Bettag für den verstorbenen und Danksagung nach Vermählung des
nachfolgenden Königs.
1767
Ein Verzeichnis über ermittelte heimliche Kopulationen ist nach Vorschrift zu
führen und zu verlesen.
In allen Fällen von gradibus probitis (Ehehindernissen) soll der Geistliche vor
Empfang eines Dispensationsscheins nicht kopulieren.
Probst Ahlmann erinnert an den abzustattenden Bericht über dürftige
Schulmeister.
1768
Die Zollverordnung bestimmt, daß Geistliche von Zoll und Licenten befreit sind.
Die Geistlichen werden aufgefordert, in Ansehung der Landausschußleute
(Wehrpflichtigen) bei Ausfertigung von Beicht- und Taufscheinen sowie andern
Attesten sich aufs genaueste nach der Verordnung (über Wehrpflicht) von 1739 zu
richten;
im besonderen ein Verzeichnis der konfirmierten Knaben einzureichen an den
Amtmann. Die Prediger haben Bericht zu geben über die Einkünfte der
Schulmeister.
114
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1769
Königliche allerhöchste Oberkonsistorial-Verordnung verlangt, daß die
Geistlichen sich aller Kontroversien und Anzüglichkeiten wider die Herrenhuter
enthalten sollen.
Während
des öffentlichen Gottesdienstes sollen Leichen nicht in die Kirche gestellt
werden.
Der
Prediger ist verpflichtet, dem von der Obrigkeit zur Aufstellung des
Kopfregisters bestellten Manne behilflich zu sein.
Desgleichen
den Eingepfarrten eine gute Gesinnung vom Hebammenwesen einzuflößen.
1770 Amtmann
fordert auf zur Beobachtung des Königlichen Erlasses, betreffend die Verbrechen
wider das 6. Gebot.
1771 Juraten
sollen dem Kirchenboten nichts aushändigen, es sei denn, daß er einen Schein
vom Prediger vorzeigt.
Der
Prediger wird aufgefordert, aus den Dörfern Leute zu Schulvorstehern
vorzuschlagen.
Das
Visitatorium berichtet, daß die bei Ehescheidungen dem schuldigen Teile
auferlegte Strafe des Zölibats (Verbot der Wiederverheiratung) aufgehoben sei
und von keinem Gericht mehr auferlegt werden solle. Probst Hasse übermittelt
ein Schreiben des Medizinal-Kollegiums, worin den Predigern Maßnahmen zur
Bekämpfung einer derzeit grassierenden Krankheit - Name leider unleserlich -
bekannt gegeben und sie zur Hilfeleistung aufgerufen werden.
1772
Sammlung des Schulgeldes in adligen Gütern betreffende Anfrage des
Visitatoriums.
Das
lateinische Singen beim Gottesdienst ist laut Befehl des Königs abzuschaffen.
(Und das 2 ¼ Jahrhunderte seit Luthers Abscheiden!)
Der
Maria-Magdalenen-Tag ist fernerhin nicht zu feiern (siehe unter
»Maria-Magdalena«).
Die
Prediger sollen der Vormünderordnung nachleben und den Todesfall eines Vaters
melden.
Die
Prediger sollen sich nicht einmischen in persönliche Angelegenheiten der
Schulmeister, möge es sich um Streitigkeiten oder um Stellenbewerbung handeln.
- So der Probst, der sich damit diese Dinge vorbehält.
1773
Königliches Reskript: »... daß Eine Persohn, die von einem andern
geschwängert, vor der Entbindung mit ihrem breutigam copulirt werden solle.«
Die
Juraten haben einen Bau, der über 100 Taler kosten wird, mindestens drei Monate
vorher beim Visitatorium zu melden.
1774
Für Atteste zum Behuf der Vormundschaften, sollen die Prediger keine Gebühr
erheben, wenn sich der Pupille Vermögen nicht über 200 Mark beläuft.
Den
Geistlichen wird ein Regulativ über die Titulatur des Königlichen Hauses
überreicht. - (Es handelt sich um ein veritables Labyrinth.)
115
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1775
Deklaration, betreffend poenam coelibatus, insonderheit die Zeit
der Wiederverheiratung sowohl des unschuldigen als des schuldigen Teils.
1777
Die Regierung zu Glückstadt übermittelt durch Probst Hasse die
Forderung, »daß über die Singestunden in der Schule ein sorgfältiges Aufsehn
gehalten werden soll.«
Die
Regierung zu Glückstadt übermittelt durch die General-Superindentur, »daß blos
die Ritterschaft selbst, keineswegs aber ihre Bedienten und Pächter sich ohne
speciale Concession im Hause copulieren lassen dürfen.«
1777
Dieselben an denselben: »wegen Haus-Copulation der Räthe und Professoren zu
Kiel (Universitätsstadt seit 1665), ... auch daß die Conzession zur Copulation
vorher produzirt werden müsse und keine Caution stattfinde.«
Es schließt sich noch zu rechter Zeit ein Schreiben an, wodurch untersagt wird,
daß die »Verfügung in Hinsicht der Hauscopulation der Schleswig-Holsteinischen
Ritterschaft von der Canzel publizirt werde.« - (Eine nachdenkliche Sache!)
Die
deutsche Königliche Kanzlei zu Kopenhagen verfügt, »daß, wo nachmittags
Gottesdienst ist, die Gewehre von den Landausschußleuten nicht eher in die
Kirche weggesetzt werden sollen, bis der Gottesdienst aus ist.« -So hat wohl in
diesem Falle der Kirchenraum die fehlende Kaserne vertreten müssen.
Im
Namen des Visitatoriums mahnt der Probst, darüber zu wachen, daß die Anordnung
wegen des Schulgeldsammelns genau beachtet werde. Abweichungen von der
Sabbaths-Verordnung sind anzuzeigen. Die Prediger haben jeden Fall, da ein
unehelich oder ex concubituantic gezeugtes Kind getauft werde, nicht nur dem
zuständigen Oberbeamten, sondern auch dem Hebungsbedienten am Ende des Jahres
durch Attest anzuzeigen.
1778
Schreiben der Glückstädter Regierung, welche Kenntnisse ein universitätsfähiger
Schüler haben solle. (Dabei ist wohl besonders an Kandidaten der Theologie
gedacht, deren Vorbereitung zum Universitätsstudium auch auf dem Wege des privaten
Unterrichts zulässig war.)
Regierung
zu Glückstadt: »inwiefern es den Klöstern und den Gutsbesitzern erlaubt sei,
mit Zustimmung des Ortsgeistlichen Neben-Schulmeister anzunehmen oder
abzusetzen. (Also war in diesem Falle der Propst grundsätzlich ausgeschaltet.)
1779
selben: »daß die in Criminalacte zu Traventhal wider den Pastor Ganss zu Warder
vorgebrachten boshaften Aussagen für nichtswürdige und lügenhafte
Beschuldigungen erklärt werden.«
1780
Visitatorium fordert Bericht: »An wieviele Arme und Unvermögende
in jeder Gemeine das (neue) Gesangbuch halb oder ganz unentgeltlich auszuteilen
sein möchte? ob auch die Kosten des Transports und Einbundes am füglichsten von
den Kirchenmitteln oder der Armenkasse jedes Ortes abgehalten werden könne?«
116
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1781
Schreiben der Regierung zu Glückstadt: »daß die Deprekanten-Register
wieder geführt werden sollen.«
1781
einem Schreiben des Amtmannes zu Segeberg: »daß die Prediger
weiter keinen Schein wegen Anpflanzung junger Bäume vor der Copulation zu
fordern haben.«
1782
Die Regierung zu Glückstadt teilt mit: »daß die Adligen ihre
Kinder nicht im Hause, sondern in der Kirche konfirmieren lassen, aber doch
dabei an
keine Tage des öffentlichen Gottesdienstes gebunden sein sollten.«
Das
Visitatorium beauftragt die Prediger der Segeberger Diöcese: »ihre Gemeinen zu
vernehmen, ob sie zur Unterhaltung eines 3ten Lehrers adj. Ministerii zu
Segeberg was beitragen wollen.« - Es handelt sich um einen Hilfsgeistlichen.
1783
Die Regierung zu Glückstadt wünscht: »Bessere Verwaltung der Armengelder an den
Orten, wo nicht bereits darüber eine spezielle Rechnung geführt wird.«
Das
Visitatorium verkündet: »daß die Verfügung wegen Entdeckung unehelicher
Schwangerschaft nächstens und künftig alle 3 Jahre zu publiciren ist.«
Schreiben
des General-Superintendenten betreffend: Sittenbuch für Bürger und Landmann. -
(Leider nicht aufgefunden.)
1784
Einführung des neuen Katechismus in Kirche und Schule.
1787
Vom General-Superintendenten wird verfügt: »daß jährlich am 2. Pfingsttage eine
Kollekte für arme Soldatenkinder der Rendsburgischen und der Glückstädtischen
Garnison stattfinden soll.«
1788
Schreiben
vom Visitatorium: »daß Prediger für Publikation der bei der Zollstätte
konfiscierten und zu verauktionierende Ware keine Gebühren fordern sollen.«
1789
erhöchstes
Reskript: »daß an Orten, wo gestempeltes Papier eingeführt ist, die Prediger
auch den Untergehörigen adeliger Güter auf solchem Papier Atteste auszufertigen
haben.«
PASTORENCHRONIK
(PASTOR GERBER UND NACHFOLGER)
1.
Eintragungen von Pastor Gerber
1848: Nachdem sich am 18.
März aus eigenem Antriebe die Deputierten der Schleswig-Holsteinischen Stände
zu Rendsburg versammelt hatten, um zu beraten, was unter den gegenwärtigen
Umständen für das Vaterland zu tun sei, und nachdem daselbst die Absendung
einer Deputation nach Kopenhagen beschlossen war, ward am 20. März nachmittags,
zur Feier dieser Begebenheit von einer großen Menge Fleckens- und
Kirchspielseingesessenen ein solenner Umzug durch den ganzen Flecken gehalten.
An der Spitze des Zuges ward eine schwarz-rotgoldene Fahne getragen. - In
diesen Tagen war denn auch die gedachte Deputa-
117
--------------------------------------------------------------------------------------
tion mit verschiedenen,
das Landesrecht betreffenden Anträgen nach Kopenhagen abgezogen. Als man
erfuhr, daß sie abgewiesen und die Inkorporation der Herzogtümer beschlossen
war, konstituierte sich am 24. März zu Kiel die provisorische Regierung der
Herzogtümer und erließ eine Proklamation an die Schleswig-Holsteiner. Am
gleichen Tage zog abermals eine große Zahl hiesiger und auswärtiger Personen
mit der deutschen Fahne und mit Musik, aber in größter Ordnung durch den
Flecken. Auf dem Sockel des Rolands wurde die Proklamation verlesen und von
einem hiesigen Patrioten eine Ansprache gehalten. Mit großer Entschiedenheit
erklärte sich die ganze Bramstedter Gemeinde für die neue Ordnung der Dinge und
die Erhebung gegen den Feind des Landes. -Am 25. März zog eine kleine Schar
Freiwilliger nach Rendsburg, sich zum Kriegsdienste anzubieten, »unter ihnen
auch mein ältester Sohn Hermann Wilhelm Maximilian Rudolf Theodor, welcher in
das aus Kieler Studenten und Turnern sich bildende Korps, dem auch
schleswig-holsteinische Jäger beigefügt waren, eintrat.« Da gleich am 24. März
die Festung Rendsburg besetzt war und sich mit ihrer Garnison für die Sache der
Herzogtümer erklärt hatte, so ging auch aus hiesigem Ort und Kirchspiel eine
überaus reiche Sendung an Proviant, wozu unaufgefordert auch alle
Minderbegüterten beitrugen, nach Rendsburg ab. - Zur Sicherung von Ruhe und
Ordnung bildete sich hier eine freiwillige Bürgerwehr, welche, nachdem sie aus
Rendsburg 25 Gewehre erhalten hatte, nachts auf den Straßen patroullierte. -Am
9. April war die unglückliche Schlacht bei Bau, wo viele Studenten (mit ihnen
mein Sohn), Turner und Jäger, im ganzen etwa tausend Mann, in Gefangenschaft
gerieten und bald auf zwei Schiffen nach Kopenhagen geführt wurden. »Das
Unglück geschah Dom. Judica, vormittags 10 Uhr, in den Stunden, wo ich zum
erstenmal mit meinen Konfirmanden eine abgesonderte Prüfung vor ihrer Konfirmation
hielt.« Am 18. April rückten hier die ersten deutschen Truppen ein; ein
Bataillon braunschweiger Infanterie, dessen Major von Specht im Pastorat lag.
Am 20. zog es weiter nach Rendsburg. Andere Truppen aus verschiedenen deutschen
Staaten sind gefolgt. -
Nach Abschluß des
Waffenstillstandes zu Malmö sind wieder viele Truppen durch den Flecken und das
Kirchspiel gezogen, darunter ein Bataillon vom Kaiser Franz (preußisches
Garde-Infanterie-) Regiment. Auch unsere Bramstedter, darunter mein Sohn
Wilhelm, kehrten heim. - Eine wohltätige Verordnung der provisorischen
Regierung sei hier erwähnt, die Aufhebung der Kopfsteuer, die 1762 eingeführt
worden war.
1848: Am 9. August ein
heftiger Sturm im Orte; mehrere der stärksten Bäume zerbrochen oder entwurzelt.
Umgeweht wurde auch der untere Teil der Lindenallee am Bleek, nach der
Kirchvogtei hin.
Bürgerverein am 15.
Oktober gegründet durch oben erwähnten Sohn (Wilhelm), 70 Mitglieder aus dem
Flecken. Lesezimmer mit den wichtigsten Zeitungen; wöchentliche Abendversammlung
in der Hauptknabenklasse, wo Vorträge gehalten und Zeitungsartikel vorgelesen;
Zusammenwirken intellektueller Kräfte soll zu politischer Bildung führen.
118
--------------------------------------------------------------------------------------
1849: Ruhiger
Winter. Im Kantonnement eine Abteilung schleswig-holsteinischer Artillerie mit
mehreren Kanonen, welche in einer Scheune der im Norden des Fleckens liegenden
Gutsziegelei lagen. Am 12. März fortgezogen ins Feld. Einquartierung: nach
altem Brauch das Pastorat davon frei; nunmehr belastet mit dem dreifachen jeder
Drittelhufe, mehr als der vermögendste Einwohner und so gut gestellte Beamte
des Orts, die kein Land besitzen. Dagegen hat Pastor Gerber protestiert.
Durchmärsche deutscher
Truppen nach Ablauf des Waffenstillstandes, aus allen deutschen Stämmen und
Ländern.
11. März: ein Bataillon
Badenser; der katholische Feldprediger war bei Pastor Gerber einquartiert:
»sehr angenehme Unterhaltung.«
25. März: Verordnung der
Statthalterschaft: Feier der Erhebung vor einem Jahr und Hinweisung auf den
Wiederbeginn des Krieges, nach Schluß des Gottesdienstes vor dem Altar mit
bezüglichem Gebet.
20. April: Jürgen Mohrs
Haus, hart an der Kirchhofsmauer, wo von Süden her der Weg nach dem Pastorat
geht, gänzlich abgebrannt, bei östlichem Winde sonst kein Schaden. - Beim
Aufbau wird ein Raum zwischen Haus und Kirchhofsmauer gelassen als neuer Weg
zum Pastorat. Vorher mit Stroh gedeckt, jetzt mit Dachziegeln.
14. Mai: Alte Wassermühle
mit zwei in perpendikulärer Bewegung laufenden Rädern abgebrochen, nachdem
etwas oberhalb, wo der Kanal aus der Heidmühler in die Schmalfelder Aue
anfangt, eine Notmühle von Brettern zum interimistischen Gebrauch erbaut war.
Am 31. Juli die neue Mühle
gerichtet mit einem im Innern befindlichen vertikal liegenden Rade (Turbine).
24. April: Ein Bataillon
Waldecker Infanterie durchmarschiert. - Vor- und nachher sind viele andere
Truppen durchgezogen.
19. Mai: Auf mehreren
ungeheuren Frachtwagen eine Taucherglocke mit Apparaten durch nach Eckernförde,
um die Kanonen von Christian VIII. aus dem Meere zu heben.
Im Juli neuer
Waffenstillstand. Rückmarsch. Am 26. Juli und 2. August starke Einquartierung
in Flecken und Kirchspiel: Braunschweiger und Oldenburger. Im Pastorate (2.
8.): 2 Offiziere, 6 Bediente, 8 Pferde, 10 Gemeine. Letztere wurden für 1 Mark
2 Schilling ausquartiert.
1849: Durch Bramstedt fuhr
nach Eröffnung der Eisenbahn eine Zeitlang noch eine Dilligence für Personen
und Pakete nach und von Altona. Wurde aber nun aufgehoben, angeblich der Kosten
wegen.
Jetzt nur noch jeden
Morgen eine Fußpost für Briefe nach Wrist, von wo der Bote angekommene Briefe
mitbringt. Dieser kann natürlich nur kleine Geldpakete tragen, und eine
Frachtpost von und nach dem hiesigen Flecken existiert zur großen Beschwerde
der hiesigen Einwohner gar nicht mehr.
Auswanderung einzelner
Personen und ganzer Familien nach Amerika macht sich im Flecken auch in diesem
Jahr bemerkbar.
119
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In den letzten 6-7 Jahren
herrschte alljährlich eine Kartoffelkrankheit, durch welche oft die ganze Ernte
zerstört wurde.
1850: Zu Neujahr
Postfuhren für Personen und Fracht, zweimal wöchentlich für Bramstedt-Wrist
eingerichtet.
Einquartierung: Seit 10.
Juli 1849: ein Teil des 2. schleswig-holst. Dragoner-Regiments bis zum 1.
Oktober; dann die zwölfpfündige Batterie, die besonders Friedericia bombardiert
hatte bis Mai 1850; dann vom 24. Mai ab: die 2. zwölfpfündige Batterie bis zum
13. Juli.
Am 19. April errichtete
der Bramstedter 1/3 Hufner auf seiner Wiese, hart an der Pastorat-Wiese, vor
dem Hause eine neue große Scheune, wodurch dem Pastorathause die Aussicht auf
die Brücke ganz abgeschnitten wurde.
Im Oktober wurden in der
Scheune des Pastorats zwei kleine Stuben und eine Küche eingerichtet, um die
Einquartierung unterzubringen, da die Ausquartierung gar zu kostspielig wird.
20. November: Verlosung
zugunsten der bei dem Bombardement von Friedrichstadt unglücklich gewordenen.
328 Arbeiten eingeliefert. 1280 Lose à 6 Schilling. Ergebnis 483 Mark.
1851: Am 11. Januar
Proklamation der Statthalterschaft, Krieg sei nicht fortzusetzen. Hier zog die
erste 24-pfündige Granat-Batterie ein unter Hauptmann Gleim, der mit drei
Bedienten im Pastorat logierte; in den Dörfern andere Batterien. Hiesige
Batterie bleibt bis 30. März. Es folgt eine Schwadron holsteinischer Dragoner.
- Von meinen sechs Söhnen hatten zwei am Kriege teilgenommen; beide kehrten
unversehrt zurück. Die Ortsgefallenen sind ins Totenregister eingetragen.
Nach den Dragonern war von
Mitte Oktober bis Mitte Februar eine österreichische Batterie unter Hauptmann
von Bonz, auch in den Dörfern österreichische Kavallerie. Vom Mühlendamm bis
zum Pastorat war bisher ein sehr niedriger Sumpf, für Fußgänger oft sehr
unbequem. In diesem Jahre der erhöhte Weg mit Sand hochaufgefahren.
1852................................
1853. Ein Teil des
Gutsholzes zwischen hier und Hitzhusen abermals abgeschlagen. Links von der
Rendsburger Landstraße fast alles rasiert.
Eine neue dauerhafte
Brücke über die Au auf dem Wege nach Weddelbrook bei der Kirchspielvogtei
gebaut.
Telegraph von Norden nach
Hamburg bisher fertig gelegt.
Pastor Gerber erhält seine
Bestätigung im Amt nebst Verweis für Unterschrift eines Aufrufs an die
schleswig-holsteinischen Prediger in der Kriegszeit.
Ohne Mißwachs hohe Preise,
für Brotkorn 20 Mark Curant und das bis ins nächste Jahr. Fleisch und Butter
desgleichen. Wohl eine Folge des Krieges der Westmächte gegen Rußland.
1854: Wiesenfläche des
Gutes westlich vom Flecken in letzten Jahren geebnet und erweitert; jetzt
hinter dem Gutshof von der Au sich trennender Kanal zur Überrieselung, läuft
neben der Au her und liegt höher als das Auwasser.
120
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Am 5. Oktober der Pastor
und der Kirchspiel-Vogt zur Kur nach Segeberg (Nothaus), wo Friedrich VII.
seine Beamten begrüßte.
Paustian baut auf dem
Mühlendamm, da, wo der Garten aufhört, eine neue massive Mühle von drei
Stockwerk. Soll Lohe mahlen. Ein abgeleiteter Kanal, der den Garten zur Insel
macht, treibt sie, die nicht nur Lohmühle ist. Am 7. Oktober wurde das
Sparrenwerk aufgerichtet.
1855: Sehr strenger Winter
und anhaltend von Mitte Januar, bis zu 20 Grad Reaumur. Am 1. Januar ein
heftiger Sturm, der hier und da Dächer fortriß. Noch bis Ende Mai blieben die
Bäume ohne Laub. Noch am 4. Mai lag der Schnee den ganzen Tag 10 cm hoch. Dazu
hohe Preise: Korn 15-18 Mark, Rindfleisch 6—7 Schilling.
Dänische Reichsmünze
aufgezwungen: 1 Taler = 96 Schilling; Reichsmünze = 30 Schilling Kurant; 1
Schilling Kurant = 3 1/5 Schilling dänische Reichsmünze. Vogelschießen am
Dienstag nach Pfingsten, Ball aber erst am Mittwochabend. (Später wieder am
gleichen Tage.) - Bisher hat der Prediger von der Gilde nach dem Vogelschießen
3 Mark Kurant erhalten und von der Fleckenspfannengilde 8 Mark lübsch. In der
Kriegszeit habe das aufgehört. Rücksprache mit dem Hauptmann der Gilde: das sei
nur ein Geschenk gewesen, vielleicht aber infolge Verjährung zur Pflicht
geworden. Gerber hat nicht Klage erhoben, doch tue das vielleicht ein
Nachfolger. Es sei, so meint Gerber, wohl die Frucht einer gewissen Frivolität
gegen das Evangelium, die sich nach dem Kriege wachsend offenbare. Das
Materielle sei ja hier gering und gleichgültig, aber der Sinn nicht gut; er
werde wohl bald aus der Gesellschaft austreten.
Taufkleid. Noch
eins: Mehrere Einwohner wollten den Kindern eigene Taufanzüge anziehen, andre
nur das billigste (12 Schilling = 38 Schilling Reichsmünze), das sie auch wohl
abholten, aber eben dem Kinde nicht anzogen. Und dann betrüglicherweise
durchschlüpfen wollten.
Brautkrone komme
ebenfalls immer mehr ab, und Brautkränze treten an die Stelle. Einige Bräute
behaupten, selber ihren Kranz hergestellt oder ihn als Geschenk erhalten zu
haben. In beiden Fällen wollten mehrere dann nur die Krone zum billigsten
Preise (3 Mark = 1 Reichstaler 58 Schilling) bezahlen. G. hat sich deswegen an
das Visitatorium gewandt. Dieses sandte eine zu verlesende Entscheidung d. d.
10. Juni 54, wonach, wenn kein Taufzeug oder keine Brautkrone verlangt werde,
das beste Taufzeug 1 Mark 8 Schilling und die beste Krone zu 6 Mark zu
bezahlen, wider Renitente aber mit Kirchenpfändung durch die Juraten vorzugehen
ist. Dieses Publicandum, Archiv VI Nr. 59, ist "bekanntgegeben worden.
Danach haben einige freiwillig bezahlt; von andern ist es eingetrieben worden.
»So wird es von mir auch ferner gehalten werden.«
Auch in diesem Verhalten
bekundet sich die Abneigung mehrerer gegen die Religion, welche sich dann auf
ihre Diener erstreckt (überträgt). Das gilt aber, so meint G., für etliche
Fleckensbewohner, wie denn überhaupt in religiöser Hinsicht die Landgemeinde
durchweg höher stehe als die Fleckensgemeinde, in welch letzterer sich mancher
Sauerteig der Falschheit und der Bosheit finde.
121
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In diesem Sommer ließ ich
eine neue Pforte zum Garten und Eingang in das Haus machen, wie schon früher
zweimal eine Pforte zur Hofstelle. In diesem Fall hat das Pastorat die Kosten
für das Holz zu tragen, weil ihm die Zinsen von 200 Talern für ehemals
verkauftes Gehölz zustehen. Die weiteren damit verknüpften Kosten fallen der
Gemeinde zu.
Am 21. September d. J.
laße ich alle Pastorat-Ländereien durch die Kirchspielvogtei aufs neue
verpachten, und zwar auf 10 Jahre; die ganze Pacht, abgesehen von der
jährlichen Grundheuer, beträgt jetzt zirka 1050 Mark lübsch und ist mithin um
rund 350 Mark gestiegen. Hierin ist nicht inbegriffen die kleine Wiese vor dem
Hause, trägt 11 Mark jährlich, und die Koppel bei der Scheune, die ich selbst
benutze.
Am 3. September abends 11
Uhr brannte im Maienbeck das Haus des Stellmachers Holm, der sich einige Tage
danach ertränkte; es stand etwas zurück, Neubau in die Linie eingerückt.
1856: Chaussee nach Wrist
durch Barlt gebaut und 1857 bis Hitzhusen mit einer Allee junger Kastanienbäume
bepflanzt.
1857: Da Gutsholzung bis
links der Rendsburger Landstraße bis Hitzhusen nun ganz abgeschlagen war, wurde
das Stück rechts von der Landstraße mit Gängen und einigen Bänken versehen, und
man hört die angenehme Versicherung, daß das kleine Stück werde erhalten werden.
Am 13. Mai ist das Haus,
welches oben im Bleck lag, rechts hart an der Straße, die über die Brücke auf
die Landstraße führt, in der Nacht abgebrannt. Es war ein Wirtshaus.
Am
19. Juni geht das Haus des Hufners Hans Reimers in Fuhlendorf nebst Kate und
Scheune in Flammen auf. Es herrschte große lange Dürre. Neues zweckmäßiges
Schulhaus in Barl an der Chaussee gebaut. Das Umziehen nach jedem Quadriennum
hört auf. Das Los hatte entschieden. Soweit Pastor Gerber.
3.Eintragungen von Pastor Rolfs
1876: Die Kirche ist
ziemlich durchgreifend restauriert worden: neues Gestühl, neuer Fußboden und
mit Gipsdecke versehen: Arbeit von Pfingsten an durch den ganzen Sommer.
- Gottesdienst fand in dem damals noch ungeteilten Klassenzimmer im 1. Stock
des neuen Schulhauses statt. Ab 1. Advent wieder in der Kirche. 1877: Der
Begräbnisplatz mußte erweitert werden. Es gelang nicht, eine Parzelle zu
erwerben, von welcher der alte Platz ein Stück war. Aber eine Koppel gegenüber,
auf der Südseite der Landstraße, stand zum Verkauf und wurde für 1440 Mark erworben.
Hier wurde ein neuer, der dritte Friedhof angelegt. Die Einweihung fand statt
bei der Einbettung der ersten Leiche, der Witwe Hahn aus Weddelbrook, am 19.
Juni 1877.
1880 hat die Kirche ein
neues Altarbild erhalten (Auferstehung Christi), darunter Stiftung des heil.
Abendmahls, beides von Maler Wrage, z. Zt. in Gremsmühlen
122
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wohnhaft, geschaffen. Das
frühere, teils Gemälde, teils Schnitzwerk, wird auf dem Kirchenboden
aufbewahrt. Die Kosten, 3000 Mark, sind teils durch freiwillige Gaben aus der
Gemeinde, teils durch zinslose Anleihe bei der Fleckens-Sparkasse gedeckt
worden.
1886: Der bisher mit
Schindeln gedeckt gewesene Turm ist mit einer Schieferdecke versehen worden.
Die Spitze der Pyramide mußte renoviert werden. Dabei stellte sich heraus, daß
etliche umhüllte tragende Balken gänzlich angefault waren, mußten auch diese
erneuert werden. Diese sowie eine im nächstfolgenden Jahre vorgenommene
Reparatur der Mauer an der östlichen Giebelseite verursachte erhebliche
unvorhergesehene Kosten. - Auch mit Blitzableiter, sowie mit Heizeinrichtung,
freilich nur Füllofen, ist das Gotteshaus ausgestattet worden. Letztere erwies
sich als sehr verbesserungsbedürftig.
1892: Im Sommer sind auf
dem alten Kirchenhof um die Kirche herum, nachdem in den nächstvorhergehenden
Jahren die Einfassungsmauer größtenteils neu aufgeführt worden, neue
Anpflanzungen gemacht, von denen man hofft, daß sie gedeihen und zur
Verschönerung beitragen werden.
Zum 1. Oktober wird Pastor
Rolfs emeritiert. Er schenkt beim Abgang der Kirche eine silberne
Altar-Weinkanne im Werte von 300 Mark. (Gestorben: 4. Dezember 1893 in Meldorf.)
4. Eintragungen von Pastor Bruchs
1894: Ein neues
Pastorat-Gebäude wird errichtet. Kosten 14 000 Mark inklusive rund 2000 Mark
Wert des Altmaterials.
Abtrennung des Kirchspiels
Brockstedt setzt ein. Bramstedt dagegen. Pastor Bruchs will alle drei Wochen
dort in der Schule predigen. Die Parochie Bramstedt hatte das Gehalt für den
Hilfsprediger zu leisten. Protest bis zum Ministerium. Heftiger Streit zwischen
Behörde und Gemeinde. Die Kirchenältesten Zimmer, Danielsen, Barth und Schümann
weigerten sich, ihr Amt weiterhin zu führen. Sie wurden ihres Wahlrechts
verlustig erklärt. Das Konsistorium zahlt das Gehalt für Zechlin. Pfarrhaus
wird erbaut. 1904 endgültige Abtrennung.
Von altersher wurde an den
drei ersten Festtagen eine Kollekte zum Besten der Kirche gehalten. Mit
Genehmigung des Kirchenvorstandes hatte Bruchs das Geld zur Schmückung der
Kirche gesammelt, auch zwei gute Leuchter für die Leichenhalle und einen
Altarteppich angeschafft und gehofft, demnächst ein Kruzifix für den Altar
anschaffen zu können.
Das kirchliche Leben läßt
viel zu wünschen übrig, soll vor etwa 30 Jahren viel besser gewesen sein und
nach Aussage der Gemeinde sich in den letzten Jahren gehoben haben, obwohl ich
das gerade nicht finde. Am besten sind noch die Abendmahlsgottesdienste
besucht. Die sittlichen Anschauungen sind sehr besserungsbedürftig. Uneheliche
und nach der Eheschließung frühzeitige Geburten, die sehr häufig sind, werden
von den meisten mehr als Unglück denn als Schande
123
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betrachtet. Die vielen
Wirtshäuser, noch mehr die vielen Tanzvergnügungen, verführen das Volk. Wie
soll's anders sein, da Christus nicht in den Herzen wohnt! - Als Zeichen der
herrschenden Anschauung führe ich an, daß es vom Kirchengehen heißt: »Ist bei
uns nicht Mode«; daß ein angesehener Mann der Gemeinde, wie mir noch vor meinem
Amtsantritt hinterbracht wurde, äußerte: »Wir gehen in Bramstedt nicht in die
Kirche, wenn auch ein Engel vom Himmel predigte!« Freilich soll nicht
verschwiegen werden, daß dennoch gerade dieser mit seiner Familie den
Gottesdienst besucht.
Zur Hebung des
christlichen Sinnes ist die neue Gottesdienstordnung eingeführt, wird an den
ersten Festtagen und bei besonderen Gelegenheiten Chorgesang eingeschaltet und
am Weihnachtsheiligenabend eine gutbesuchte liturgische Feier veranstaltet;
auch müssen die Konfirmanden, was zuvor nicht der Fall, den Gottesdienst
besuchen.
Am 1. August 1898 erhielt
Bramstedt Bahnverbindung mit Altona. Dadurch wird das Leben viel beeinflußt
werden. Am Bahnhof liegt Pastoratland neben Fleckensgebiet. Dort wollen
Kirchengemeinde und Flecken eine neue Straße anlegen. Auf diese Weise dürfte
die Pfarr-Einnahme, wenn der Pastor gut aufpaßt, was in diesem Jahrhundert
nicht immer geschehen ist, wieder steigen. In den letzten Jahrzehnten ist diese
durch die standesamtliche Gesetzgebung, Sinken der Pacht, die noch lange
währenden Ausgaben für die Wiesen-Melioration und anderes mehr erheblich
gesunken, von etwa 4000 auf 3400-3500 Mark, wofür noch einige Lasten zu tragen.
- Die Einführung des neuen Gesangbuchs ist trotz Anlaufs nicht gelungen.
PREDIGER,
ORGANISTEN UND LEHRER
I.
Die
Prediger des Kirchspiels Bramstedt
1. Johannes von der Lippe.
2. Hermannus Burtfeld, Amtszeit nach dem Leichenstein 36 Jahre.
3. Diaconi zu Burtfelds Zeit:
a)
Friedrich
N., so weggezogen und elendiglich, wie die Alten berichten, soll vor Lübeck
gestorben sein.
b)
Johann
Wasmohr, so in dem Fastelabend (Fleckensversammlung) bey Hinrich Ordes Haus von
Eggert Bulten erschlagen, und der Thäter geköpfet zu Segebergh.
c)
Isaac
von der Burg.
3.
Isaac
von der Burg ist nach Hermanni Burtfeldten Todt Pastor geworden und (hat) der
Kirche von Anno 1570 gedient bis 1579, wie die Kirchenrechnungen ausweisen, und
darnach in der Wilster Marsch vor einem Pastoren gefordert zu Broktorff.
4.
M.
Casparius Ludolphi 1580, 5 Jahr Pastor geworden und gewesen, danach nach
Hamburg vociret (berufen).
124
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5. Johannes Hamerich,
gewesener Diaconus zu Segeberg, 1585 Pastor geworden und gedient der Kirche zu
Bramstedt bis 1622 (37 Jahr).
6. Henricus
Galenbecius, Neobrandenburgensis Megapolitanus, 1623 in Die Bartholomaei von
Hochehrw. Dn. Praep. (Propst) Matthio Clodio und seinen Collegen ordinirt zu
Itzehoe und von Ihro Königl. May. Amtschreiber Matthia von Langen auf Befehl
des Hochedlen Herrn Marquard von Pentzen, Bittern, Obersten und Amtmann auf
Segeberg introduciret.
Anno 1659 Dom. Exaudi ist
der Ehrwürdige und Wollgelehrte Henricus Galenbecius, nachdem er vorhero seines
Amtes gewaltet, Abends um 6 Uhr sanft und selig von dieser Welt abgeschieden,
als er der Christlichen Gemeine zu Bramstedt ins 36. Jahr treulich gedienet.
Gott sei seiner Seele gnädig und verleihe ihm am jüngsten Tage eine fröhliche
Auferstehung.
7.
Dethlevus
Galenbecius, Anno 1660 an seines Vaters Stelle gekommen, am Freitag in der
Osterwoche in Crempe ordinirt, und folgends Dom. Mis. Dom.
von dem Hochehrw. H. M. Hudemann, damahls Probsten und nachgehends
General-Superintendent introducirt worden. Dessen Zeit steht in Gottes Händen.
8.
Conrad
Henrich Galenbeck, Sohn des vorigen, welcher von Anno 84 an der Kirche zu
Bramstedt gedient als Pastor Adjunkty, bey seines sel. H. Vaters
Absterben aber völliger Pastor worden Ao. 87.
9.
Mag.
Daniel Hartnaccius ab Ao. 1702-Ann. 1707.
10.
Johannes
Petrus von Kriegbaum, Darmstedio Hassus (Hesse), ab 1707-1725.
11. Johannes Joachim Peper, Segebergo
Holsatus, ab 1725.
Hat
eingeschrieben ins Kirchenbuch:
zhl...en alhdeia eneka offizio
pulsus
1729. Ingreata patria ne
ossa quidem mea habebis Parum est judicari a die humano.
In freier Übertragung:
Um seines Suchens nach der
Wahrheit willen aus dem Amte gestoßen 1729. -Undankbares Vaterland, nicht einen
Knochen von mir wirst du haben (beherbergen). Es ist ein Geringes, von einem
menschlichen Tage gerichtet zu werden.1)
12. Magnus Crusius, Slesvicencis, ab Ann. 1731 usque ad 1733.
Vocatus deinde ad Pastoratum Rendsburgensem. Fausta quaevis ecclesiae
Bramstedtensi cum omnigena benedictione divina adprecatus.
Fuerat ante Crusius Pastor legationis Danicae Parisis apud
Weddenkoppium. Hinc Bramstedam, inde Rendesburgum vocatus, munere ecclesiastico
ad aedem... dii (Garnisonkirche) functus est. Post a Rege Britanniae Gottingam
accessitus, ut Theologiae in nova academia Professor esset. Denique
Harburgi Superintendens Generaiis constitur. Ao. 1751 vita excessit.
Übertragen:
Magnus Kruse, ein
Schleswiger. Von 1731-1733 hier. Wurde dann nach gesegneter Tätigkeit an der
Bramstedter Kirche mit allseitigem Lobe nach Rendsburg berufen.
____________
1)
1. Kor. 4,3.
125
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Er ist früher Pastor der
dänischen Gesandtschaft zu Paris gewesen bei dem Gesandten Weddenkop (Wedderkop). Von dort nach Bramstedt, danach nach
Rendsburg als erster Pastor an der Garnisonkirche berufen worden. Später hat
ihn der englische König für die neue Universität zu Göttingen verpflichtet,
dort als Professor der Theologie zu wirken. Zuletzt hat er in Harburg das Amt
des General-Superintendenten bekleidet und ist 1751 aus dem Leben geschieden.
13. Johann Georg Messarosch, Hungarus, ab Anno 1733 usque ad Ao. 1747. Er
selbst, sich als dritte Person einführend, berichtet:
»et summa Dei misericordia
excitatus abscessit ad ecclesiam Fratrum Moraviensium.. Dno. Successori et auditoribus Suis
dilectis gratiam Semotoris et pacem in cruce ejus et misericordiam ex animo
precatus, nec precari desistens ad mortem Pleurae gloria et memoria.«
Übertragen:
Veranlaßt durch die
höchste Gnade des Herrn, ist er übergetreten zur Kirche der mährischen Brüder,
nachdem er für den Herrn Nachfolger und seine lieben Hörer die Gnade des
Erlösers, den Frieden unter seinem Kreuze und seine Barmherzigkeit erfleht
hatte, nicht unterlassend, bis zum Tode zu beten zum Ruhm und Gedächtnis
(wessen?).
In deutscher Sprache fügt
er noch hinzu:
»Die Andern deucht es
Schade, mir aber deucht es Gnade. Unsern Ausgang segne Gott ... (bis zum Ende
des Verses). Und nachdem eine allergnädigste Königliche Ordre eingelaufen, daß
ich alle meine Habseligkeiten hier im Lande lassen und nicht einmahl das Reise
Geld von dem meinigen nehmen soll, so wurden meine meubles (Möbel) den 16. und
17. Oktobr. allhier öffentlich verauctionirt, und ich (habe) davon nicht einen
Pfennig bekommen, sondern die meinigen Anverwandten sowohl dies Geld, als auch
mein Capital zu sich genommen, und ich als den 23. Oktobr. mit Freuden davon
gezogen.
Der Nahme des Herrn sei
gelobt.«
Noch berichtet das
Kirchenbuch:
Tempore Dn. Messarosch Catecheta constitus a Rege
est Tobias Mentzel, Hungarus, Functus eo officio per 6 Annos usque ad 1752. Ita
tamen ut non a Parochianis nec a pastore, sed a Dn. Comite
de Stolberg praefecto regio solueretur ei Stipendium. Verum se praebuit probum,
integrum et in officio diligentem. Hinc vocatus Wansbeckam primus adjucti
vicibus functus est.
Auf deutsch:
Zur Zeit des Herrn
Messarosch wurde als Katechet vom König eingesetzt Tobias Mentzel, ein Ungar,
der seines Amtes sechs Jahre hindurch waltete bis zum Jahre 1752, doch so, daß
ihm weder die Kirchengemeinde noch der Pastor eine Vergütung zahlte, sondern
für seinen Unterhalt gesorgt wurde durch ein freiwilliges Stipendium des
Königlichen Amtmannes Grafen Stolberg. Er bewährte sich als wahrhaft rechtschaffen,
makellos und fleißig im Amte. Er wurde von hier nach Wandsbek berufen und
wirkte dort abwechselnd mit dem ersten Helfer des Pastoren.
126
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14. Dethlevus
Chemnitius, Holsatus, Gicoviae in Wagria 1720 D. 8. Oktobr. natrus patre Mattheo, Pastore
primo Gikoviensi, post Schönbergensi. Redux ex Hispania (ubi apud Comitem de
Dehn, Regis Danici ad Catholicum legatum, munere ecclesiastico functus erat in
annis 1746, 47, 48) Bramstedam a Rege vocatus, atque Dom. 24. p. Tri. 1748 in
officium ingressus est introducentibus eum Dno. Comite de Stolberg, Praefecto
Reg., Segeberg et Dn. Krück, Pastore Leetzensi, quem Praepositus Henricus Anton
Burchardi sibi.
Ao. 1749 uxorem duxit Charlottam Mariam, Blukmii, Praedicatoris Antici
primarii, Filiam ritu solenni ipsi collocatum et
Ao.
1750 D. 5. Oktobr. acerbo fato, uxore puerperio poi natus, postquam ex
dysenteria grassante 10 dies laborasset. Übertragen:
Dethlef Chemnitz, am 8.
Oktober 1720 zu Gikau im Lande Wagrien geboren; sein Vater war dort erster
Pastor, später in Schönberg. In den Jahren 1746, 1747 und 1748 ist er unter dem
Grafen von Dehn, dem katholischen Gesandten des Dänenkönigs, in Spanien mit dem
Kirchendienst betraut gewesen. Danach hat der König ihn nach Bramstedt berufen,
wo er am 24. Sonntag nach Trinitatis ins Amt eingetreten ist. Die Einführung
erfolgte durch den Amtmann Grafen Stolberg und den Herrn Pastor Krück aus
Leezen, den der Propst Heinr. Anton Burchard als seinen Stellvertreter
beauftragt hatte.
Im Jahre 1749 heiratete er
Charlotte Maria Blunk (?), die Tochter des alten ersten Predigers, nach dem
alten Ritus - von dem selbst vorgenommen - und am 5. Oktober 1750 hat ein
herbes Schicksal ihm die Gattin genommen, die im Kindbettfieber starb, nachdem
sie zehn Tage lang die Qual einer grassierenden Ruhr erlitten hatte.
Dethlef Chemnitz amtierte
hier von 1748-1773.
15.
J.
J. von Einem 1773-1793.
16.
C.
H. Stössiger 1794-1811.
17.
Marcus
Karck, geboren in Heiligenhafen. 1812-1825 hat er hier als Pastor gewirkt und
ist hier am 19. Juli 1825 gestorben. Er hatte viel Unglück in der Familie. Er
ist viermal verwitwet und hat fünfmal geheiratet. Eine achtköpfige Kinderschar
beanspruchte den Vater.
18.
Johann
Gerhard Feddersen Kall, von 1825-1835 in Bramstedt.
19.
Otto
Christian Gerber, geboren am 8. Dezember 1787 in Heiligenstedten, Sohn des
dortigen Hauptpastors Joachim Hinrich Gerber. In Bramstedt vom 27. April 1836
bis zu seinem Tode, dem 9. März 1858. Er schrieb die erste ausführliche
Chronik. Sein Grab ist noch erhalten.
20. Georg Heinrich
Kroymann, Doktor philosophiae, geboren am 22. Januar 1808 in Herzhorn als Sohn
des dortigen Hauptpastors Georg Heinrich Kroymann. In Bramstedt von April 1859
bis zu seinem Tode, dem 24. März 1872.
21. Detlef
Friedrich Rolfs, geboren am 14. Mai 1827 in Wöhrden als Sohn des dortigen
Einwohners Reimer Rolfs. In Bramstedt vom 25. März 1873 bis 1. Oktober 1892. Er
starb in Meldorf am 4. Dezember 1893. Während seiner Amtszeit
127
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wurde das Innere der
Kirche renoviert, der Schrankaltar auf den Boden gebracht und das jetzige
Altarbild aufgestellt, die Bäume auf dem Friedhof bei der Kirche angelegt und
der Friedhof links gekauft. Bei seinem Fortgange schenkte er der
Kirchengemeinde eine silberne Altarweinkanne im Werte von 300 Mark. Rolfs hat
als Junggeselle gelebt.
22. Emil
Heinrich Gustav Brucks, geboren am 15. Dezember 1862 in Bärwalde in der Neumark
als Sohn des Lehrers Heinrich Brucks und der Auguste, geborene Kriofsky. In
Bramstedt vom 23. Oktober 1892 bis 31. Juli 1898. Von hier nach Berlin an die
seinerzeit neuerbaute Samariterkirche gewählt. Während seiner Amtszeit wurde
das Pastorengehalt auf die Kirchenkasse übernommen, das heißt der Pastor bekam
nun sein Gehalt in Geld ausgezahlt. Das war 1892. Von da an nahm der Pastor an
allen Beerdigungen teil, während bis dahin der Pastor nur mitging, wo eine Rede
verlangt und bezahlt wurde.
1894 ist das neue Pastorat
gebaut - 14000 Mark. Im gleichen Jahr erfolgte die Abtrennung Brokstedts und
der zugehörigen Dörfer und Errichtung einer selbständigen Kirchengemeinde, was
einen großen Streit verursachte.
23.
Georg
Heinrich Friedrich Erdmann Möhlenbrinck, geboren am 5. Februar 1868 in
Göttingen als Sohn des Zugführers Möhlenbrinck. In Bramstedt vom 1. Februar
1899 bis 1. Oktober 1900. Von hier als Seminaroberlehrer nach Eckernförde, dann
als Seminardirektor in Segeberg und Rendsburg und schließlich (1915)
Regierungs- und Schulrat in Schleswig.
24.
Johann
Ernst Ludwig Hümpel, Licentiat, Dr. phil., geboren am 29. Mai 1867 in Borstorf
(Lauenburg) als Sohn des dortigen Landmannes Franz Joachim Nicolaus Hümpel und
der Maria Margaretha Sophia, geborene Hardkop. In Bramstedt vom 20. Januar 1901
bis zu seinem Tode 1918. Sein Streben war, kirchliches Leben zu wecken. Er
baute das Gemeindehaus und rief damit eine umfangreiche Gemeindearbeit ins
Leben: Kirchliche Frauenhilfe, Gemeindeschwesternstation, Warteschule,
Posaunenchor, Männer- und Jünglingsverein, Jungfrauenverein, Kindergruppen für
Knaben und Mädchen. Auf seine Anregung hin wurde am 12. Januar 1908 ein Verein
zur Begründung einer Höheren Privat schule gegründet.
25.
Felix
Jakob Hermann Paulsen, geboren am 27. Januar 1890 in Sterley als Sohn des
Pastors Adalbert Paulsen und Henny, geborene von John. In Bramstedt vom 24.
Oktober 1917 bis zum 14. November 1923. Von hier als Missionar im Auftrage der
Breklumer Missionsgesellschaft nach China gegangen.
26.
Friedrich
Paul West, geboren am 29. Mai 1880 in Altona als Sohn des Kaufmannes Ernst
Peter Christian West und der Klara, geborene Mann. In Bramstedt vom 23. März
1924 bis Juni 1937. Von hier in die dritte Pfarrstelle der Altonaer Hauptkirche
berufen.
27.
Martin
Christiansen, geboren am 28. Februar 1907 in Ellhöft bei Süderlügum. In
Bramstedt seit dem 7. November 1937.
128
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2.
Organisten, so auf einander gefolget
von
Ao. 1640 an:
1. Christian
Hamerich.
2. Hermannus
Einhausen.
3. Simon
Tühck, erwählt 1672.
4. Arnoldus
Böhm.
5. Christian
Gottlieb Büttner.
6. Wilhelm
Struve aus Oldesloe, 12. 7. 1731-1781 (gest.).
7. Wilhelm
Christian Warnholz, 1781-1789.
8. Daniel
Rick (auf Fehmarn) 1789-1797 (gest.).
9. Johann
Christopher Hermann Carstens (Borsfleth), 1797-1829 (gest.).
10. Georg Heinrich Prüssing (Burg auf Fehmarn), 1829-1855 (gest.).
11. Christian Sibbert Feddersen Quitzau, 1855-1888.
12. August Kühl, 1888-1924.
13. Johannes Daniel, ab 1924.
3.
Fleckenslehrer (nach Pastor Bruchs)
Organist und Küster Joh.
Christopher Hermann Carstens, alleiniger Schullehrer, gest. 15. Januar 1829.
Georg Heinrich Prüssing,
aus Fehmarn, Kieler Seminar, hielt einen Gehilfen als Elementarlehrer, nachdem
im Organistengarten ein Haus für die Elementarklasse erbaut war. 1838 wird ein
Seminarist als selbständiger zweiter Lehrer angestellt.
1841 werden vier Klassen
mit getrennten Geschlechtern eingerichtet. Prüssing wurde Oberlehrer der
Mädchenschule. Gest. 27. April 1855.
Christian Sibbert
Feddersen Quitzau. 20. August 1855 - Oberknabenlehrer.
Joh. Christoph Hamburg,
aus Tondern, bis 1841 Lehrer in Schönhorst, hier gewählt vom Schulkollegium 18.
Januar 1841; gest. 13. Juli 1855 nach langer Krankheit.
Gottlieb Friedrich Schnack
aus Schlamersdorf, hier erst Mittelklassenlehrer, am 3. Dezember 1855 an
Hamburgs Stelle ernannt; Obermädchenlehrer.
Kay Friedrich Hansen aus
Föhr, wurde hier alleiniger Elementarlehrer, zur Zeit der Errichtung einer
Elementar-Knabenklasse.
Karl Porath aus Rendsburg,
Seminarist,
Clausen, von Alsen,
Seminarist,
Thomas Jensen aus
Langenhorn, Seminarist, waren hier die ersten alleinigen Elementarklassenlehrer
nach Errichtung einer Mittelklasse.
Heinrich Christian
Ferdinand Leptin, Autodidakt, eingeführt 12. November 1855 (1855 Jensen wird
nach Fuhlendorf versetzt). In diesem Jahre wurden demnach alle vier Klassen
vakant und erhielten neue Lehrer.
1855
Siegfried Bock, Kieler Privat-Seminarist, wird Elementar-Mädchenlehrer.
129
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1848 Fedder Jensen aus
Rosenberg bei Tondern, dortiger Seminarist: Mittelklasse mit vereinten
Geschlechtern geschaffen, war der erste Lehrer, ist 1848 nach Wiemersdorf
gekommen.
1848 Bernhard
Christian Marius Schlotterbeck aus
Schleswig, Seminarist, Michaelis angestellt.
1854 Gottlieb
Friedr. Schnack kam nach Alt-Steinrade bei Lübeck zu Ostern.
1854 6. Juli Christian
Sibbert Feddersen Quizow eingeführt.
1855 Am 12. November Mumme
Aug. Heinr. Petersen, Seminarist, aus Dagebüll introduziert.
1851 Emil Theodor Wolff,
5. Mai erwählt, nachdem Petersen Lehrer zu Iserbeck geworden.
4.
Lehrer in den Dörfern
1. Hitzhusen
a)
Paul
Delfs, Emeritus wegen Altersschwäche, 1839.
b)
Johann
Matthias Paulsen, kam nach Schmalfeld. 24. November 1840 ein neues Schulhaus
gebaut.
c)
Hermann
August Fick, Seminarist, früher Substitut in Hagen, hier seit November 1842.
d)
Hans
Hinrich Böge aus Wulfsmoor, introduziert 15. November 1853, nachdem Fick nach
Hagen versetzt war.
2. Föhrden - Barl
a)
Dem
unfähigen Harder wird ein Substitut gegeben, im Jahre 1845. Bei dieser Schule
ist die größte Unzuträglichkeit, daß sie vier Jahre in Föhrden und nach Umzug
vier Jahre in Barlt, in zwei schlechten Schulhäusern gehalten wird und daß die
schlechte Passage über die Brahme oft den Schulbesuch stört.
b)
Hans
Lindemann wird Substitut, 20. Oktober 1853. Das Substitutenwesen dauert fort
von 1845-1856.
c)
Marx
Diederich Reimers aus Barmstedt, Seminarist, bisher Lehrer in Henstedt, Kreis
Segeberg, introducirt 13. November 1856.
3. Hagen
a)
Der
unfähige Lehrer Peter Harder, Bruder des Harder in Föhrden, erhielt zuerst auf
einige Jahre einen Substituten in der Person des Fick und muß danach abgehen.
Es wird bestellt:
b)
Nicolaus Christiansen, Seminarist, 5.
Januar 1844 introducirt. Dieser sonst nicht
unfähige Mensch wurde seines Verhaltens als in vielfacher Hinsicht des
Schulamtes unwürdig am 16. Januar 1853 entlassen, und ihm am 24. Januar sol-
130
---------------------------------------------------------
ches angekündigt in
Gegenwart des Schulvorstehers. Er ging darauf nach Amerika oder Australien.
c) Hermann August Fick zu
Ostern 1853 von Hitzhusen nach Hagen versetzt und 11. April eintrat.
4. Hardebeck –
Hasenkrug
a)
An
die Stelle des altersschwachen und unfähigen Schullehrers Fölster ist hier
Friedrich Ferdinand Busch, Seminarist, seit 1835 Substitut und als Schullehrer
am 26. März 1837 eingeführt. 1841, 23. November, ward hier ein neues Schulhaus
gebaut. (Die alten Schulhäuser zu Brockstedt, Hitzhusen und Hardebeck wurden
verkauft und die neuen an anderen Stellen erbaut.) Der tüchtige Busch wird
leider wahnsinnig und im Oktober 1853 ins Irrenhaus versetzt. Ein Substitut
angenommen. Nachdem hier mehrere Substituten fungiert hatten und es mit Busch
sich leider nicht besserte, wird er 1856 pensioniert und
b)
Hansen,
bisher in Gladebrügge bei Segeberg, im Herbst 1856 introducirt.
5. Armstedt
a) Marius (Max) Bollin,
seit 1827 ernannt an Stelle des Marx Warnholtz, gestorben 23. Oktober 1827.
Hier ward vor einigen Jahren das Schulzimmer sehr erweitert und verbessert.
6. Wiemersdorf
a)
Joachim
Wittmaak, starb im Februar 1848.
b)
Fedder
Jensen, vorher Lehrer in Bramstedt. Hier seit Michaelis 1848.
7. Fuhlendorf
a)
Peter
Gloy, welchen ich vorfand, legte sein Amt nieder wegen Unlust und Unfähigkeit.
Ihm folgte
b)
Rickert,
welcher nach Kükels Kreis Segeberg kam.
c)
Joachim
Lüthge, am 19. Oktober 1847 introducirt, starb am 14. Mai 1855.
d)
Hans
Thomas Jensen, Seminarist, bisher Elementarlehrer in Bramstedt,
angestellt 1855.
5. Bimöhlen
a) Hans Gehrt, Autodidakt,
fand ich hier vor, nachdem er schon viele Jahre Schullehrer in Bimöhlen
gewesen. Pensioniert zufolge Schreibens des Königlichen Ministeriums für
Holstein und Lauenburg. 11. Dezember 1860 zu Michaelis 1861 mit einer Pension
von 110 Taler, welche zu 3/4 als Reallast und ¼ als Personallast aufzubringen
ist, zu welcher letzterer Häuerlinge und Abnahmeleute, welche keine
schulpflichtigen Kinder haben, nicht hinzuzuziehen sind.
Weitere
Daten aus der Geschichte der Kirchengemeinde
1850
Gesuch Prüßings in Bramstedt um Gehaltserhöhung, das 30 Reichstaler beträgt,
wird auf 50 Reichstaler erhöht. In dem Gesuch seine Einnahmen, darunter: Als
Organist und Küster.
Hebung im
Flecken................................................ |
17 Mark |
8 Schilling |
Fastnacht aus der
Kirchenkasse......................... |
94 Mark |
2 Schilling |
Hebung im
Flecken................................................ |
23 Mark |
|
Landheuer...............................................................
|
36 Mark |
8 Schilling |
Hebung in den
Dörfern......................................... |
93 Mark |
12 Schilling |
Assedentien...........................................................
|
130 Mark |
|
Umtragung des
Klingelbeutels............................ |
9 Mark |
. |
|
404 Mark |
8 Schilling |
1864
Die Bramstedter Kirchen Commune ist kontraktlich verpflichtet, die Straße nach
den neuen Friedhöfen von ungefähr 18 laufenden Ruthen pflastern zu lassen. Auf
dem alten Friedhof sind Grabungen gemacht, weil man die Kirche restauriert und
die Mauer wieder freigelegt hat. Der Kirchhof wurde seit sechs bis sieben
Jahren nicht mehr benutzt. Große Aufregung, weil der Friede des Kirchhofs
gestört wird. Gesuch um Einstellung der Grabungen. Kann nicht bewilligt werden.
Es ist eine unangenehme Streiterei, die polemisch und persönlich wird.
Schümann, Lindemann, Schamnagel und Genossen sind gegen die Kirchenjuraten, der
derzeitige Pastor Kroymann ganz für sie.
1841
Pastorenland am Schlüßkamp wird verkauft.
1760
Der Orgelbauer hat dieses Jahr wegen der vielen Mäuse, die durch das auf dem
Kirchenboden aufgeschüttete Magazin Habers entstanden sind,
die Orgel nicht durchstimmen können.
1761
Kirchturm muß repariert werden, es wird eine Anleihe aufgenommen. Das Geld wird
später durch allgemeine Umlage zurückerstattet, fehlendes
muß Kirche zulegen. Uhrzeiger zu Westen ist ganz rettlos befunden. Er soll aus
Kupfer neu gemacht und auch der Weiser zu S. soll neu angestrichen werden.
Sämtliche Ziffern sollen aus echtem, durablem Golde verfertiget werden, mit
welchen auch die Weiser zu belegen sind. Es sollen neue Emporstühle angelegt
werden.
Gestühl soll Fußboden bekommen, die Eigentümer der Plätze sollen zu einer
gesetzten Zeit Bretter legen lassen.
Der
p. t. Organist und Küster soll verpflichtet sein, dafür zu sorgen, daß in den
letzten Tagen vor den Oster-, Pfingst- und Weihnachtsfesten, desgleichen kurz
vor Michaelis die Kirche durch eine ausdrücklich anzuschaffende und
beizubehaltende Uhle an Fenstern, Ständen, Epitaphten gründlich gesteubet,
sodann das Chor samt den Haupt-Gängen der Kirche gescheuert werden, sämtliche
Stühle besenrein gefeget, sodann aber mit Sand ausgestreuet werden.
132
---------------------------------------------------------
1761
Neue Kirchenstände gebaut.
1764
Orgel repariert von Orgelbauer Schreiber, probiert von Organist Lilienthal aus
Kaltenkirchen.
1765
Kirchhof soll geebnet werden, hohe hölzerne Kreuze müssen entfernt werden, denn
so, wie es ist, könne man bei Brandgefahr nicht mit Pferd und Wagen auf den
Kirchhof kommen. Das an der Kirche befindliche sogenannte Kinderhaus erfordert
um und um eine Reparation.
1766
Leichenpredigt für Friedrich V. 24 Ellen Flohr zu den Trauer Lichtern auf dem
Altar. Wachslichter auf den Armleuchtern, Geläute, 20 Schulknaben haben
gesungen.
1768
Uhr schlägt nicht richtig, soll untersucht und repariert werden. Fußboden soll
für Rechnung der Kirche mit roten steinernen Floren belegt werden.
Zwei ganz neue Kirchentüren unterm Turm sind nötig. Schneider Krüger hat das
rote Altartuch ausgebessert.
1769 kommen 31 000 Fliesen und 1600 Mauersteine aus
Brockstedt. Es wird in der Kirche gemalt, getischlert, geschmiedet, geglasert.
Uhr wird repariert.
1773
werden Reparationen im Organisten Haus gemacht. Während einer Vakanz muß
Organist Struve die fremden Herren Prediger bewirten (wird erstattet).
1774
Glockenstuhl wird baufällig.
1775
Reparation des Turmes.
1780
Reparation des Pastorenhauses.
1783
Pastoratsscheune erbaut.
1784
Ein neues Chor soll gebaut und dann vermietet oder verkauft werden. Immer noch
Sprechen und Schwatzen auf dem Kirchhof während der Predigt. - Neues
Pastoratshaus erbaut.
1786
ist das neue Chor fertig.
1787
Turm muß repariert werden. Noch ein neues Chor soll gebaut werden, da es gut
einbringt. Antrag, daß man etwas außerhalb einen neuen Gottesacker errichtet.
Lawetz, adl. Gut erklärt, daß er dann auf das dem Gut zustehende gemauerte
Begräbnis in der Kirche gänzlich verzichten soll.
1788
Reparation der Kirche fertig.
1789
Neues Chor soll noch nicht erbaut werden, wegen Widerspruch der darunter
Sitzenden.
1790
Orgel repariert von Orgelbauer Strove, Neumünster.
1791
Viele Pfannen müßten von Brockstedt geholt werden, da der Wind auf dem
Kirchendach viele zerstört hat.
1793
Einbruch im Pastorenhause, Altargerät gestohlen, müssen neu angeschafft werden.
1794
geschieht es, und Kirche wird repariert.
1797
Ausgabe für Kupfer zu Scheiben und Zeigern der Uhr und Vergoldung.
1798
Reparation der Orgel.
1800
Reparation in der Kirche.
1806
Kirche repariert, neue Uhr.
133
---------------------------------------------------------
1807
Reparation der Glocken und Orgel. Begräbnisse nun nicht mehr
unter Aufsicht des Nachtwächters, sondern Juraten sollen Oberaufsicht haben. Es
soll auch eine Karte angefertigt werden.
1809
Reparation der Kirche und des Pastorats. Kirchturm mit Schiefer gedeckt.
1812
Reparation des Pastorats. Zwei Altarleuchter angeschafft.
1813
Am Weihnachtsfest war kein Gottesdienst in der Kirche, weil feindliche Truppen
hier waren. Vermessung des Kirchhofes.
1814
Organisten- und Schulhaus ist einer Reparation gar nicht mehr fähig; es soll
ein neues gebaut werden.
1815
Reparation der Kirche.
1816
Organistenhaus und Scheune gebaut.
1819
Reparation der Orgel.
1820
Reparation des Pastorats.
1823
Reparation an der Orgel.
1826
Turm repariert.
1829
Ausgaben für Reparation des Pastorats und des Organistenhauses.
1830
Ausgaben für die gleichen Zwecke.
1832
Reparation der Kirche; des Pastorats, des Organistenhauses.
1833
wie 1832, dazu Reparation des Kirchturmes (letzteres sehr hohe Summe).
1834
Eine Ausgabe an den Orgelbauer Möller mit noch vielen Ausgaben für die
Kirchturmreparatur.
1835
wird eine Erweiterung des Kirchhofes nötig.
1836
Reparation der Kirche und des Pastorats.
1838
Reparation des Pastorats.
9.
April 1904 Triumphkreuz (aus dem 15. Jahrhundert) auf dem Boden soll erneuert
werden. Kosten 800 Mark, 400 Mark hat Provinzialverein für Kunst und
Wissenschaft und Denkmalspflege bewilligt.
3.
September 1904 Kirchturmrenovierung. Inseln aus Granitstein mit Bibelsprüchen.
17.
August 1907 Direktor des Flensburger Kunstgewerbemuseums, Herr Dr. Sauermann,
besichtigt den Schnitzaltar. Die Gemeinde hat im Jahre 1879 den alten Altar,
der ein Marienaltar ist, außer Gebrauch gesetzt und dafür eine Schöpfung des
Malers Wrage, die die Auferstehung Jesu darstellt, an die Stelle gesetzt. Der
alte Schnitzaltar, ein sogenanntes Triptychon, stammt aus dem 14. Jahrhundert.
21.
September 1907 In der Kirche wird eine neue Dampfheizung angelegt. Als man den
Boden für den Heizkeller aushebt, werden viele menschliche Gebeine ans
Tageslicht befördert. Man sieht deutlich, wie früher die Leichen übereinander
gelegt worden sind, die letzten haben kaum einen halben Meter Erde über sich.
26.
Oktober 1907 Fest der Einweihung des Triumphkreuzes.
13.
Januar 1912 Kirche bekommt Kokosläufer. Am 17. Januar soll die Gedenktafel für
die 1870-1871 Gefallenen enthüllt werden.
30.
März 1912 Am Kirchturm sind Reparaturen vorgenommen worden.
20.
Juli 1925 Kirchturm instand gesetzt, Zifferblätter der Uhr neu hergerichtet,
Ziffern und Zeiger neu vergoldet. Orgel hat neue Pfeifen erhalten: das
Prinzipal, dessen schöne Zinnpfeifen dem Kriege zum Opfer fielen, ist jetzt
wieder eingebaut. Seine vollen und dabei weichen Töne bedeuten eine erfreuliche
Verbesserung des Orgelwerkes. Außerdem ist im Oberwerk ein nahezu unbrauchbares
Register durch ein solches von außerordentlicher Weichheit des Tones ersetzt
worden.
1.
September 1928 werden zwei Glocken heruntergenommen, um in Lübeck umgegossen zu
werden, weil sie schadhaft geworden waren.
Vom
Rechnungswesen der Kirche
Auf diesem Gebiet hatten
in der Hauptsache die vier Kirchschworen Mühwaltung und Verantwortung zu
tragen. Sie hatten darüber jährlich Rechnung abzulegen. Vom Jahre 1573
her sind darüber die Berichte vorhanden, von denen aber auch ein restlos
Wohlwollender nicht sagen kann, daß sie irgendwie kaufmännischen Geist
verraten. Propst Vitus Barbarossa hat darin um 1647 Wandel geschaffen. Das im
Kirchenarchiv noch vorhandene »Reglement«, ohne Datum, ist ohne Bedenken auf
ihn zurückzuführen. Als Ziel stellt es die Behebung der bislang herrschenden
Confusion hin, um dann zu schreiben:
1. Die Kirchenjuraten
haben ihre Kirchen-Rechnung, so sie ein Jahr umbs andere wechselweise führen
sollen, in Einnahme und Ausgabe unter klaren Rubriken aufzustellen, nemlich
Einnahme
1.
An
Rezeß vom vorigen Jahr.
2.
Beständige
Einnahme an Abgiften an die Kirche.
3.
Von
verkauften, gelösten oder verheuerten Kirchen-Stühlen.
4.
Von
verkauften oder eröffneten Begräbnissen.
5.
Von
Glocken Geldern.
6.
Von
Sammlungsgeldern in und für die Kirche.
7.
Von
Umlagen über das gantze Kirchspiel.
8.
Von
Verehrungen.
9.
Von
aufgeliehenen Geldern.
10. Einnahmen insgemein.
Ausgabe
1.
Auf
ungezahlte Rezesse und Vorschüsse vom vorigen Jahr.
2.
Auf
jährliche Salarien und Deputaten.
3.
Auf
Reparation der Kirche, Priester- und Kirchenhäuser.
4.
Auf
Bedienung des Altars und der Cantzel.
135
---------------------------------------------------------------------------------------------------
5.
Auf
Reisekosten, Post und Botenlohn.
6.
An
Visitations-Kosten.
7.
Auf
Bestellung neuer Prediger.
8.
Auf
Reparatur der Orgel, Glocken und Uhren.
9.
An
bezahlten Capitalien und Zinsen.
10.
Ausgabe
insgemein.
2.
Die
Kirchenjuraten haben fleißig dahin zu sehen, daß jeder in dem Jahre seiner
Rechnungsführung alle fälligen Gelder fleißig und unverzüglich samle und ein
treibe, damit er den etwa folgenden Überschuß auf das künfftige Jahr baar und
ohne Restanden überliefern könne an seinen Collegen.
3.
Sollte
aber über vermuhten, aller angewandten Mühe ungeachtet dennoch etwas in
Restanden zum Ausgang des Jahres bleiben, so soll derjenige, der solche
Restanden hat, selbige ordentlich und genau von der Stadt oder jedem Dorfe
eingeben und Liquidation denen Herren Visitatoribus präsentiren, damit solche
bei Ablauffung des Jahres vermittelst Vorforderung der restierenden möge
liquidiret werden.
4.
Solche
liquidirte Restanten soll dessen College und Nachfolger in der Rechnungsführung
gehalten seyn, in seine Einnahme vom folgenden Jahre unter der
Rubrik »An Rezeß« unter Abteilung »an liquidirten Restanten« als Baargeld
nehmen und sich befleißigen, dieselbe in seiner Jahresrechnung ferner möglichst
beyzutreiben, daferne aber ihme ebenfalls alle Restanten beyzutreiben unmöglich
wäre, überliefert er solche wiederum seinem Nachfolger auf obgesetzte maaß und
weise.
5.
Solten
die Kirchgeschwornen bey denen Kirchspiel-Leuten mit der Kirchen-Pfändung und
Execution über verhoffen nicht fort kommen können, sonder wiedersetzlichkeit
finden, also das schärfere Mittel zu gebrauchen nötig wäre, haben Sie jeden
orts respective Königl. Fürstl. oder Adel, obrigkeit ohngesäumt deswegen
anzurufen, welche dan nicht ermangeln wird, denen selben die hülffliche starke
Hand mit nach druck zu leisten.
6.
Wegen
der einkommen an Glocken-, Begräbniß- und anderen Geldern von dergleichen Natur
sollen die Kirchgeschwornen acht haben, daß weder die Glocken gezogen, noch
Begräbnisse eröffnet werden, ehe und bevor solche gelder baar Ihnen erleget und
bezahlet seyn, widrigenfals sie selbst davor gehalten und Ihnen solche zu
restanten passiret werden.
7.
Solten
der Küster und Kuhlengräber sich gelüsten laßen, den Thurm oder einige gräber,
sei in der Kirchen oder auff dem Kirchhoff, ohne gebührliche vorhergehende
Anmeldung bei dem Kirchgeschwornen, so selbiges Jahr die Rechnung führet,
eröffnen oder von andern eröffnen zu lassen, so sollen sie solches stets selber
zu bezahlen gehalten seyn.
8.
Damit
auch die Begräbniß und Glocken gelder um so richtiger einkommen und nichts
davon versäumt werden möge, so wollen die Herrn Prediger verbindlich niemanden
zur Leichen-Bestattung zulaßen, ehe sie einen gewissen Schein von dem Rechnung
führenden Kirchgeschwornen eingebracht, daß solche Gebühren richtig und baar
bezahlet.
136
--------------------------------------------------------------------------------------------
9.
Wenn
auch von dem Ambte konsentiret werden solte, daß jemand ohne ordentliche
Leich-Ceremonien des Abends oder sonsten in der stille seinen Todten beysetzen
möchte, soll nichts desto weniger Artikel 8 gelten und sowol die glocken und
Begräbnißgelder als der Herrn Prediger gebür völlig Bezahlet werden.
10. Wegen der Stuhlhauer in der Kirchen sollen die Kirchgeschwornen ebenfals
nicht länger solche einzumahnen anstehen als biß ausgang des Jahres, und
andersolche zu bezahlen säumig wäre, sollen sie den Stuhl mit einem stück Holtz
übernageln und die Execution und Pfändung darauf thun.
11. Wegen der samlungsgelder haben Sie zu observiren, daß solche an den
hohen Festtagen oder wann sie sonst gesamlet werden, sofort nach geendigter
Predigt von ihnen im Beisein der Herren Prediger gezählet, darüber von diesen
ein schriftliches artest genommen und damit ihre einnahme bescheiniget werde.
12. Sollen die Kirchgeschwornen, was die ausgaben anbelanget, dahin
sehen, daß die jährl. Salarien und Deputatgelder denen Herrn Predigern und
Kirchendienern auf die fälligen Termine und längstens bis zu ausgang jeden
Jahres richtig bezahlet werden, inmaßen demnach dem Rechnungsführer nichts
davon in seiner Jahresausgabe passieret werden soll.
13. Gleichmäßige Verordnung soll auch wegen der von Kirchen jährlich zu
bezahlenden Interesse-Geldern (Zinsen) gehalten werden.
14. Wie denn die Kirchgeschwornen mit aller macht sich dahin zu
bestreben haben, daß von den Überschüssen nicht allein die jährlich fälligen
Renten, sondern auch die bereits aufgenommenen Capitalien nach und nach
abgetragen und ferner ohne die allergrößeste noth, auch Consens der Herren
Visitatoren keine Capitalien mehr aufgenommen werden mögen.
15. Haben die Kirchgeschwornen auch fleißig ferner dahin zu sehen, daß
bey dem Altar und der Cantzel es an Wein, oblaten, Wachslichtern und andern
benöthigten Sachen nimmer zu rechter Zeit fehle, dieselben auch mit bester
Menage eingekauftt werden, insonderheit aber, daß die jährlich überbleibende
alte wachs Lichter zu Verfertigung der neuen wieder verwendet und nicht von
Händen gebracht werden.
16. Sollen die Kirchengeschwornen keine Reparation über 2 Reichstaler
ohne Anmeldung bei den Herren Visitatoribus und deren Zustimmung thun. Inmaßen
alle der gleichen, worüber mehr als 2 Reichstaler werden, zu keiner Ausgabe
passieren sollen.
17. Wenn auch würklich etwas reparirt wird, haben Sie dahin zu sehen,
daß solches alles aufs genaueste bedungen werde und insonderheit acht zu haben,
daß diejenigen, so bey Tagelohn daran arbeiten, nicht die Kirche mit unnützen
Tage dieben in Kosten und Schaden bringen.
18. Auch haben Sie aufs allerfleißigste sowol bey dem Kirchen-Thurm als
deren Häusern jährlich ein oder zweimahl Visitation vom Dach und Fach zu thun
und dahin zu sehen, daß solche zu rechter Zeit im Vorjahre und Sommers vor dem
Herbst repariert werden, damit die Kirche an den Gebäuden hiedurch keinen
Schaden erleiden möge.
19. Daferne auch der Küster oder auch andere in der Kirchen und dem thurm,
137
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wie auch diejenigen, die
die Kirchen Häuser bewohnen, oder gesinde, einigen Schaden und ruin an den
gebäuden muthwillig verursachten, haben sie auff ihr Eyd und Pflicht solches
sofort bey den Herrn Visitatoren anzumelden und zu sorgen, daß solches von den
Schuldigen reparirt und bezahlet und der Kirche desfals nicht zur ausgabe
gebracht werde.
20.
Sollen
die Kirchgeschwornen, zwar jeder in seinem gewöhnlichen antheil, ihre Hebung
und Sammlungen verrichten. Es soll aber nicht ein jeder für sich selbst eine
rechnung von eben selbigem Jahre fuhren, sondern es soll nur eine
Kirchenrechnung von jedem Jahr gehalten werden, welche von Jahr zu Jahr von den
Kirchgeschwornen wechselweise geführet werden soll, alß dann der
rechnungsführende auch nur allein die Ausgabe haben und alle einnahme zu
rechnung führen soll; die übrigen aber sollen dasjenige, so sie jeder von ihrem
antheil heben, bei demselben einliefern und von Ihm Quittung darüber
nehmen.
21.
Die
Kirchenrechnungen sollen allezeit mit endigung des Jahres geschlossen und von
neu Jahr zu neu Jahr geführet werden.
22.
Die
Einnahme wird (soferne es nicht außerordentliche Einnahmen seyn) ohne Datum in
anschlag gesetzet; die ausgaben aber sollen allezeit mit Verzeichnis des Tages
und Monats angeführet werden, wie auch mit Berührung dessen, wozu ein jedes
verwendet worden.
23.
Zu
Verfertigung der Kirchenrechnung mach der Rechnungsführer jährlich einen
Reichstaler zur Ausgabe führen, dafür er aber alsdann dahin sehen soll, daß
solche jährliche Rechnung nach oben vorgeschriebener maaße ordentlich und
deutlich verfertiget werde, und daferne er selber solche nicht einzurichten
vermag einen Rechnungskundigen verständigen Menschen dazu bemühen, damit bey
der abnahme denen Herren Visitatoribus durch Confusion und Unrichtigkeit keine
unnötige Bemühung verursacht werde.
Welches alles und jedes
also fleißig zu beobachten ist, widrigenfals die Kirchgeschworene dafür
angesehen und bestrafft werden sollen.
Die
Juraten klagen Pastor Peper an wegen Waldfrevels
An
den Herrn Etatsrath und Ambtmann.
»Ew. Excell. haben wir
hierdurch unterthänigst hinterbringen sollen, was gestalten der Herr Pastor P.
gestrigen Tages ohne unser Wissen 4 Bäume aus der Kirchen-Hölzung hauen laßen,
unter dem Vorwandt, daß Ihm jährlich 3 Bäume gehörten und dahero vor 2 Jahre
haben müsse - ob wir nun solchen Anspruch, bevor Ew. Excell. hoher Consens uns
geworden, dem Herrn Pastor nicht zustehen können, so müßen wir Excell. gnädige
ordre hierüber sowohl, als wie es mit dem von den 4 Bäumen abgerißenen Borgcke
und 2 so noch stehen, welches letztere der Herr Pastor schon verkauffet, wir
aber es von unserm H. Kirchspielvogt auf dem Felde mit arrest belegen laßen, gehalten
werden solle, unterthänigst gewärtigen.
Wir ersterben |
Ew. Excellence unterthänige Knechte |
138
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Bauverträge
wegen Erneuerung des Turmes
I.
1634
»Anno 1634 den 16.
November Is wegen des gantzen Caspells dhe Karckhern dorch dhenn pasthoren und
Johann Vagett (Kirchspielvogt) unde dhe veer Karcksworen, wegen des gantzen
Caspels Hans Bulte, Clawes Steckmest, Hinrich Rungen, Hans Hardebecke, Jasper
Rungen, Jasper Lindemann mit Hans Selmers tho buwen Ihnn allen Stücken unde
punkten verenigett:
Ehrstlinck dhen
olden Thorn dhall tho Nhemen, de Klocken unfeilbhar ahne Jennigen (jeden)
Schaden op de Ehrde tho bringen. Item dhen Klockenstoll tho hengen up dhenn
Karckehoff, beth dhe Neye Thorm ferdich und whenn de Thorm ferdich Is, widderum
Ihn dhen Neyen Thorn tho hengen, datt dhe Klocken keinen Schaden kriegen.
Darvor schall Hans Selmers vor allen Schaden Stahn und hafften.
Thom anderen dhar
dhe Thorn up Sthan Schall, datt Fundament tho Leggen und ferdich Maken. Dartha
Schall dhe gemenhe Stehne und Baken (Balken?) und Ellheren hollt schaffen. Hans
Selmers Schall Idt ferdig Macken bei Seiner Unkostinge.
Thom drudden Nha
dhen affreis dhen Thorn bhouwen und datt Sporndack houwen. Dhe Spitz ganz
ferdich decken, dhenen Spornnagell (Mehrzahl) dartho verschaffen sovell thom
Thorn nhödig Is, Wath Sonsten de Stange mith dem Flügell (Wetterhahn) und
andern Isern, als Nhagell und ancker Scholen dhe gemende dorch de 4 Karcksworen
dartho verschaffen.
Thom veerden dhe
olde Mhur des geweis (Giebel) dhall tho Nhemen, damit dhe Sthen nichtt allen
tho braken warden, und dhen Kalck dorch unse Lüde uth lesen werde und dhe
Sthene ahnn Einen Ortte hen gesetteth werden. Thom vofftens whenn dhe
olde gevell dhall genhommen Is, Kalck und Sthene vhon Flick (Fleck, Ort)
gelesenn worden Is, Sho schall Meister Hans dhenn olden Kalck up Seine
unkostinge Bhrenn (brennen?) laten, dhe Caspellüde scholen datt gellt dartho
verschaffen.
Thom Sosthen dhe
Mhur des gantzen Thorm Twe Sthen dick vhon Neddenup beth ahn dhe Spitz up allen
Sieden den Thorn tho Mhuren. Dhe gemenhe Schollen Sthen und Kalck dartho
verschaffen. Hans Sellmers Schall dhen Thorn gantz verferdigen, datt
unstrafflich Is. Hans Sellmers schall uth den Caspel hebben Ein hundert und twe
Mhan (Mann), scholen Ihm datt holtt Bhehouwen Edder who he She (sie) tho
vhonnöden hefft. Dhe Bleckes Lüde scholen Ehren hantt denst thom Thorm dhon
nehmlich Ehres Brewes (vom König) datt She hebben, als She Schuldich Sein.
Thom Schouen dhe
Caspellüde Scholen den Mhurmhan Stellinck holtt und Wheden und Sovell Sele (?)
up als tho den Stellinck vhon Nödhen, verschaffen Jochim westvalen
Vörantworden. Thom achten when dhe Thorn mith gottes help schall
gerichten werden, Scholen dhe gantze gemehne dar Sein, Khemannt (niemand) buten
Bescheden. Wher nichtt thor Stede des Morgens gegen Tein, scholen Stracks
ghepandett werden. Thom negen vor datt Arbeidt schall Meister Hans
Selmers ahn Rhedenn gelde hebben Twe dusentt und fiefhundert Marck und den
olden Thorn dhre hundertt Marck upnehmen, Is dhe summe 28oo Marck und Seine
frouwen Ein Rhosen Nobell1), Hans Selmers tho gottes penninck
2 Ricks gulden. Thom Teyen Hans Selmers vhon alle den Caspellüden und
Bleckes Lüden, datt hoveners (Hufner) Sein, hebben Ein Mettwurst und Ein Roggen
Brott.
|
Johann Vagett (Doppelsiegel). |
Jochim westvalen hanß Mhor |
Weitere Anmerkungen. Im
letzten Teil von Abschnitt 6, wo die Handdienste verhandelt werden, ist es
sicher so gemeint: Die Kirchspieldörfer stellen Leute zum Behauen des Holzes,
sind im übrigen gegen Zahlung von 100 Mark von Diensten am Turmbau frei. Die
Fleckensleute leisten unverkürzt diese Dienste gemäß bekannter königl.
Verordnung.
Die Zahlung der
vereinbarten Bausumme erfolgt in Raten, wie folgt:
Am 21. November 400 Mark,
die Hans Fulendorp »gelenet«.
Von einer zweiten Rate
wird bestätigt, daß Hans Sellmers das Geld »getellet«.
100 Mark werden durch
Hergabe von Karken Roggen abgedeckt.
»Am 26. February wird Hans
Sellmer vor den Thorn Richtich Betalett Ihn Beiwesende dehr 4 Karck Sworen und
Johan Vagett.«
Und der Baumeister
quittiert:
H. XX S
und
dazu der Kirchspielvogt: »Dütt Is Selmers Sein Mark«.
2
. 1668
»Im Nahmen der
hochgelobten Dreyeinigkeit. Amen.«
»Kund und zu wissen sey
hirmit Jeder Männiglichen, bevorab denen, welchen daran gelegen, daß an Endesspezifirten
dato zwischen den Vier Kirchschworen zu Bramstede, alß Hans Fulendorff, Hans
Mohren, Marcus Grippen und Jürgen Gloyen wie auch den Vieren vom Flecken und
Kirchspiel verordneten Bevollmächtigten, alß Clauß Steckmesten, Gerd Wulffen,
Titke Hardebeck und Hinrich Titken, einentheils, und Johan Spreen, wohnhaft in
Hamburg und ambts Bruder daselbsten, wie auch Johann Hegermann, ambts Bruder zu
Schwerin, anderen theilß, wegen des Baufälligen Mauerwerkes an der Kirche zu
Bramstede an der Westenseite dieser unwiederrufliche Contract geschlossen
worden. Es haben besagte Mauerleute, auch besagte Kirchen und Thurm Mauer auff
glauben zu repariren angenommen und sich verobligiret, selbe von unten biß oben
in der Breite, darin sie stehet, herunter zu nehmen, ein neues Fundament zu
legen und von unten biß oben eine neue Mauer, so hoch und breit die alte
___________
1) Rosennobel: Goldmünze
mit eingeprägter Rose auf jeder Seite. Wert reichlich 20 Reichsmark. Oft mit
Öse versehen, da Frauen ihn als Anhänger schätzten, auch als Amulett
betrachteten.
140
----------------------------------------------------------------------------------------
gewesen, wieder
aufzuführen, einen Kalckschläger und Zurichter, so lange die arbeit wird
währen, auf ihre eigenen Unkosten zu halten, die alten Steine, so zum gebrauch
wieder dienen sollen, selbst ohne einige hülffe der Gemeine reinzumachen, und
soll die zu bauende neue Mauer unten fünf, oben aber Vier Steine Dicke gemacht
werden. Dafür gibt Ihnen die Kirche und Gemeine an arbeitslohn Zwei Hundert
Neunzig Mark l., schaffet daneben unsträffliche Handlanger, so viel sie
begehren und nötig haben; würde einiger Mangel an solchen Pflegern sich eräugen
und also die arbeit nicht fortgehen können, haben die Mauerleut vor ihre Versäumniß
ihr Tagelohn zu fordern. Die Kirche und Gemeine schaffet alle Materialien, so
vonnöthen, zu allerzeit, damit die Arbeit nicht werde aufgehalten. Mit der
arbeit soll im Vorjahr (Frühling) deß obhandenen (kommenden) 1669sten Jahres,
und zwar auf Fastnacht der anfang mittelst göttlicher Hülffe gemacht werden.
Die Mauerleute alimentiren und versehen mit dem Nachtlager sich Selbsten, womit
die Kirche und Gemeine nicht hat zu schaffen. Sie verpflichten sich darneben,
daß, wenn zu dieses Bau- und Mauerwerkes besten etwaß von Verständigen leuten
erdacht und beygebracht werden könte, Sie dasselbe für genehmb und eben so
woll, alß wen es mit in diesem Vergleich spezifiziret wehre, zu verfertigen
gebunden sein wollen.
Uhrkundlich und ohne arge
list und gefährde diesen Contract zu halten, ist er von beiden theilen
unterzeichnet, und sind zwey Exemplar aufgerichtet, davon einß den Mauerleuten
übergeben, daß andere aber bei den Kirchgeschwornen und Bevollmächtigten
verblieben.
So geschehen zu Bramstede
am Sechßzehenden Sontage nach Trinitatis Anno Eintausend sechßhundert acht und
Sechßzig.«
(Folgen noch die
Unterschriften der eingangs genannten zehn Männer, von denen nur Titke
Hardebeck nicht formgerecht unterzeichnet hat.)
Die
Kirchenvisitation als finanzielle Angelegenheit
Nachstehende wortgetreue
Wiedergabe einer vom derzeitigen Kirchspielvogt ausgefertigten Rechnung samt
Empfangsvermerk unterrichtet uns getreulich, was für Kosten im Jahre 1699 eine
solche Visitation verursacht hat. »Waß ich zu tractirung der Herren
Visitatoren, alß Ihr. Excell. Herr geheimbter Raht von liliencron, Herr Justice
Raht von Reder und herr vice Prepositus Burchardus, ungleichen der Hr.
ambtschreiber und deren Bedienten, die beden orgenisten, auch samplichen alten
und neuen Kirchgeschworn, Welche die Visitation am 22. May hirselbst,
angekaufet und verunkostet.
vor
2 lämmer
................................................................................
4 Mark 8 Schilling
vor
2 Capaunen .........................................................................
1 Mark 12 Schilling
vor
1 (?) haasen (einige?)
...........................................................
2 Mark
vor
7 Schnepfen à 3 Schilling
..................................................
1 Mark 5 Schilling
vor
30 Junge spreen
...................................................................
..................... 15 Schilling
141
---------------------------------------------------------------------------------------
vor
6 Junge huner.........................................................................
1 Mark 8 Schilling
vor
Fisch und Krebse
................................................................
3 Mark 8 Schilling
vor
Eyer ..............................................................................................................
8 Schilling
vor
weiß
brodt..............................................................................
2 Mark 8 Schilling
vor
ausgesicht Rocken brodt.....................................................
4 Mark
vor
weitzen
Mehl..........................................................................
1 Mark 8 Schilling
vor
Butter......................................................................................
6 Mark
vor
30 pfund rindtfleisch à 3 Schilling......................................
5 Mark 10 Schilling
vor
1 viertel von
Kalb..................................................................
2 Mark
vor
1 ochsen Zunge..........................................................................................
12 Schilling
vor
rediß und Rettich
........................................................................................
4 Schilling
vor
fransch brantwein.................................................................
5 Mark
vor
wein, darvon nach des hr. Pastoren hauß gekommen
16 Mark
vor
geringen
wein........................................................................
2 Mark
vor
1 Tonne bier in hamburg bezalt...........................................
11 Mark 8 Schilling
vor
6 Pfd. asperges à 9 Schilling................................................
3 Mark 6 Schilling
vor
Petersilienkraut .............................................................................................
4 Schilling
vor
Morgeln (Morcheln).............................................................
1 Mark 8 Schilling
vor
stikel bern ................. ..................................................................................
8 Schilling
vor
krobb
Sallat..................................................................................................
12 Schilling
vor
gewurtz und Zucker..............................................................
4 Mark 8 Schilling
vor
Fracht, die Sachen von Hamburg zu bringen....................
3 Mark
vor
Holtz und
Kohlen..................................................................
4 Mark
vor
der Frauen, so in der Küche geholfen................................
2 Mark
vor
2 Tonnen
haber.....................................................................
12 Mark
vor
10 pferde rauh futter
........................................................... 2
Mark
Summa
107 Mark
(gez.)
Detlef Averhoff.
vor
meiner Mühe auch licht und betten rechne nichts,
brambestedt
den 25. May 1699.
Mit
107 Mark zu danck bezahlt,
(gez.)
Detl. Averhoff.
(Anmerkung. Dem
nachdenklichen Leser wird die Mitteilung willkommen sein, daß in jenen Tagen
der königl. Kirchspielvogt zugleich konzessionierter Inhaber einer offenbar in
gutem Ansehen stehenden Gastwirtschaft gewesen ist.)
Die vorstehende
Kostenrechnung hat noch einigen Staub aufgewirbelt, da sie diesem und jenem
denn doch zu hoch erschien und auch anderer Mängel bezichtigt wurde. Was die
Höhe des Betrages anlangt, so mag der Leser sich selber ein Urteil bilden. Das
Pfund Rindfleisch ist eingesetzt mit 3 Schilling = 22 ½ Pfennig deutscher
Reichsmünze. Nimmt man daher seinen Maßstab für den gesamten Aufwand, so kommt
man zu einer Summe, die über 500 Reichsmark in heutiger Währung hinausgeht.
Der erste, der sich hierzu
zum Worte meldet, ist Pastor Hartnaccius, der ins Feld.
142
---------------------------------------------------------------------------------------
führt, daß derartige
Gastmahle nach altem Brauche im Hause des Predigers abzuhalten seien; und
ferner, daß bei seiner Einführung nicht entfernt ein ähnlicher Aufwand gemacht
worden sei. Zu offenem Streit ist es demnach erst 1702, dem Einführungsjahr des
Genannten, also mindestens drei Jahre nach bewußtem Mahle gekommen.
Hartnackens Gesuch und
Beschwerde in dieser Sache liegt urkundlich nicht vor. Es steht aber fest, daß
er die Juraten beschuldigte, und aus dem Antwortschreiben werden die
springenden Punkte des Angriffe hinreichend klar.
Die Juraten bedanken sich
zuvörderst bei dem Visitatorium, daß der Inhalt der Anklageschrift ihnen
bekannt gegeben wurde. Sie nennen es »irrig und unerweißlich, was der Pastor
vorgegeben, nämlich daß die Kirchgeschworen von Hardebeck und Föhrden die
Speisung in seinem Hause für all und jeden, den er erwähnt, bestellt haben. Wie
denn auch der H. Pastor sich zur ungebühr über den Herrn Kirchspielvogt einer
bey voriger Visitation unternommenen Speisung wegen beschwert und sich auff die
damahlige, ingleichen auff die bey seiner Introduction verwandten Kosten gahr
vergeblich beruffet.« Der Kirchspielvogt habe bey gedachter Visitation auf des
Sel. H. Pastoren Galenbeck Vorstellung, daß seine Frau sich nicht wohl fühle,
solche Mahlzeit auszurichten, und auf vielfältiges Bitten der Frau Pastorin,
wie auch der Juraten die Mühe der damaligen Speisung ungern auf sich genommen.
Was derzeit in drei Tagen die Herren Visitatoren und der H. Amtsverwalter mit
Dirnen, Knecht und Pferden, imgleichen die Kirchgeschwornen »verzehrt und
sonsten«, sein auf etwas über 100 Mark zu stehen gekommen. Damit sei aber nicht
gerechtfertigt, daß der Pastor seine einzige Mahlzeit (bei letzter Visitation)
mit 75 Mark berechne. Auch die Zehrungskosten bei der Einführung, die nach
Angabe der Gegenseite ebenso hoch kommen sollen, belaufen sich nur auf 53 Mark
12 Schilling.
»Hätte also der H. Pastor
darnach, daß die Herren Visitatoren nur eine Mahlzeit bey Ihm, die
übrigen aber in Ihrem logiment bey dem Herrn Kirchspielvogt speisen, seine
Maßnahmen treffen sollen, damit Er die nachgebliebenen Speisen mit seinem Weibe
und Kindern allein verzehren können und nicht nötig gehabt, uns und unsere
Weiber, denen Er die Mahlzeit wieder aufrücket, dazu zu invitiren
(einzuladen).« Demnach machen die Kirchenvertreter geltend:
a)
Es
ist nicht anzunehmen, daß einer von ihnen gegen das alte Herkommen die Mahlzeit
anders als in des Pastoren Haus bestellt habe und daß solche auf 2 Tage
anzurichten sei; das Gegenteil werde nimmer zu erweisen sein.
b)
Dem
Herrn Pastoren, der die Kirchenbücher durchgesehen, muß bekannt sein, wie »hoch
in außrichtung solcher einzigen Mahlzeit zu gehen sei«.
c)
Wenn
der Herr Pastor zu viel angeschafft und daraus einen Schaden haben sollte, so
fällt das allein auf seine Verantwortung.
d)
Wir
haben deswegen nur 12 Reichsthaler für die Speisung bezahlt, weil wir die
Rechnung als zu hoch erachtet und demnach pflichtgemäß um Ermäßigung
nachgesucht haben.
Auf weitere unerhebliche
und überflüssige »Einwände« der Gegenseite sich hier einzulassen, erscheint
ihnen nicht würdig; selbstverständlich aber bedeute ihr Schweigen nicht im
geringsten ein Einräumen.
Ihre Bitte an die
Visitatoren geht dahin, besagte Rechnung zu moderieren und alle durch
gegenwärtige Verhandlung entstehenden Kosten dem Gegner aufzubürden.
Das Gesuch des Pastoren
spricht noch den Wunsch aus, die Kirchenvisitation und die damit verknüpfte
»Traktierung« künftig allein im Pastorat abzuhalten. Dazu nehmen die Juraten in
folgender Weise Stellung:
Gegen die Unterbringung
und Bewirtung der Visitatoren in des Predigers Hause haben sie grundsätzlich
nichts einzuwenden. Es würde indessen gegen alle Zivilisation verstoßen, wollte
man den Herren Visitatoren solches aufzwingen; es müsse auch der vorgesetzten
Obrigkeit freistehen, den ihr untergeordneten Geistlichen in das Haus des
Kirchspielvogts zu rufen. Man solle solche Dinge in das freie Entscheiden der
Obrigkeit stellen. Weiteren Bericht gibt das Archiv nicht.
Von besagtem Pastor
Hartnaccius, wie er selbst unterschreibt, liegt eine Quittung vor, was bei
seiner Einführung alles zu leisten war. Wir lesen: »Daß die Christliche
Gemeinde zu Bramstäd so wohl im Flecken alß auch dahin eingepfarrten
Dorfschaften, mir endes benahmten die Tentamens- und Ordinations-, Reise Kosten
und dafür erlegte Gebühren, die überfahrt meiner und folgends auch meiner
Sachen und Bücher von Wandsbeck und Rendsburg, aus guthem freyen willen wieder
vergolten, solches thue ich danckbahrlichst hirmit alß verlangter maßen
bescheinigen.
Bramstäd, den 5. August
1702.
(gez.) Unterschrift
Die Unstimmigkeiten
zwischen dem Pastor H. und seiner Gemeinde scheinen nicht zur Ruhe gekommen zu
sein. Doch auch sein Verhältnis zu Propst und Kirchspielvogt ist nicht das
beste.
Dem Blatt, dem folgende
Nachrichten entnommen wurden, fehlt das Datum. Doch ist es Pastor Hartnack, der
folgende Beschwerden seinem Vorgesetzten vorträgt.
Der Herr Probst lasse ihm
gegenüber nicht die Königl. Kirchenordnung als Richtschnur in Sachen des
Gnadenjahres gelten. Das gereiche ihm, dem P., zum Schaden. Hinsichtlich seines
Einkommens sei er überhaupt ungünstig gestellt. Er sagt:
»Der Herr Pastor zu
Kaltenkirchen hat seine pfarr unbezwackt (unangetastet) und im wohlstande
gefunden. Meine Amtvorgänger aber haben durch Kirchspielvoigt und
Kirchenvorsteher die nahesten, besten acker, die Königl. Majestät zur Kirchen
verordnet, Schäuer und anderes verwüsten lassen.«
Dazu finden wir folgende
Entgegnung:
»(das) ist nicht wahr,
weil die vor vielen Jahren vorhanden gewesene kleine Schäuer von dem damahligen
Priester aus eigenen Mitteln erbauet und nachgehends wieder verkauffet worden
und die wenigen kleinen Blöck Landes sind
144
---------------------------------------------------------------------------------------
auf der damahligen Herrn
Pastore ansuchen und Begehr mit Konsens der Kirchspielvoigte und
Kirchenvorsteher, weil keine andern Visitatoren gewesen, mit einigen Häusern
gebaut und bey andern Häusern als Kleingärten geleget, davor die Pastoren
Jährlich ein gewisses bekommen, und sind der Kirchen noch ewig einverleibet,
wie Ihm (Pastor) bey der visitation vorgeleget.«
Die Hauptsache steht an
anderer Stelle.
Das
Einkommen des Bramstedter Pastoren
Auf
Anforderung des Visitatoriums geschätzt von den
vier
Juraten des Kirchspiels 1706
Die Kirchgeschworn hatten
bestimmte Fragen zu beantworten, die hier beibehalten werden. Anlaß war die von
Pastor Hartnack vorgetragene Ansicht, daß er finanziell schlechter dastehe als
seine Amtsbrüder in der Propstei. Nach Sachlage ist zu vermuten, daß die
Juraten nicht abgeneigt gewesen seien, Unterschätzung zu vermeiden. Die
Wiedergabe erfolgt wörtlich.
»Frage 1: Wieviel ungefehr
dem Pastorn gegeben werde als Beichtpfennig, gegliedert in 6 Stufen: Hausmann
oder Wirth; dessen Frau; Kätner oder Inste; dessen Frau; Knecht oder Magd.
Antwort: Solches ist uns
unbekannt, stehet in eines jeden freyen willen, und wir glauben, daß der Herr
Pastor selbst nicht weiß, wieviel das Beichtgeld jährlich einträgt. Wir
vermuten, daß es nicht viel über 200 Mark bringen wird. Falls der Herr Pastor
es anschreiben, kann er die beste nachricht davon geben.
Frage 2: Wieviel ungefehr
zum gewönlichen Opfer? Abstufung wie bei 1.
Antwort: Jede Persohn, so
zum Tisch des Herrn geht, giebt jährlich zum Opfer 6 Pfennig, der Herr Pastor
in allen Dörffern Hauß bey Hauß selber sammeln muß, und ist uns unmöglich
bekannt, wieviel Persohnen davor sein. Doch vermeinen wir, daß solches Opfer
nicht über 24 Mark einträget.
Frage 3: Wieviel für ein
Kind zu Tauffen?
Antwort: Dieses ist kein
Gesetz; einige geben 16, andere 12, 8, auch mal 6 Schilling, je nach Vermögen;
nach unsrer meynung kann nicht über 36 Mark gerechnet werden.
Frage 4: Wieviel für
Berichtung eines Kranken?
Antwort: Ist ebenfalls
kein Gesetz; einige geben 6 oder 8 Schilling, die höchsten 12 - 16 Schilling.
Dieses Kömbt aber selten und bringt wenig.
Frage 5: Wieviel für eine
Leich Predigt in der Kirchen? Wieviel für einen Leich Sermon beym Grabe?
Antwort: Der itzige Pastor
hat uns aufgedrungen, daß die gemeine vor eine leicht Predigt von der Cantzel 1
Reichstaler, vor einen Sermon vorm altar 2 Mark und am grabe 1 ½, auch 1 Mark
geben müßen. Kan ohngefehr 90 Mark austragen.
Frage 6: Was sonst für
Accidentien ein fallen.
145
---------------------------------------------------------------------------------------
Antwort:
Ist dem Pastoren am besten bekant, weil er gegen uns nichts davon erwehnet. Die
Copulations können etwa 20-25 Mark bringen.
Frage
7: Wieviel Jährliche Heur für ein mittelmäßiges Hauß in Bramstede gegeben wird.
Antwort:
Wan ein Klein abbescheids Hauß dann und wann zur Hauer ist, wird Jährlich davor
6, 7, 8, 10 und wohl 12 Reichstaler bezahlet; die übrigen Häuser stehen alle
vor 1/3 Pflug und werden von Ihro Kgl. Maj. unterthanen bewohnet und die
monatliche Contribution bezahlet und sind davon gar keine zur Haur.
Frage
8: Wieviele Jährliche Heur für eine gantze Huffe Landes des Ohrtes gegeben
werde.
Antwort:
Es ist in Bramstede nicht mehr als des Pastoris und Kirchspiel Voigts Beyde
ganze Huffen, die andern bestehen in drittel Pflügen, und ist von Beyden Huffen
noch niemals eine verheuret worden, Wan wir aber unsere meinung sagen sollen,
so schätzen wir des Herrn Pastoris Huffe für alles auf 20-25 Reichstaler
Jährlich.
Noch
hat der Herr Pastor Jährlich 32 Tonnen Heuer Rokken, so ohngefehr 128 Mark
außtragen können.
Bramstede, den 16. Dezember
1706.«1)
Was
ist ein Kirchenstuhl wert?
Ein Kaufvertrag des
Branntweinbrenners Hinrich Micheels möge in etwas gekürzter Form hierüber
Auskunft geben
Zwischen
der Ehefrau Caroline Silberbaum geb. Wulfhagen und den Vormündern der
unmündigen Kinder des weiland 1/3 Hufners Marx Fölster und dem Altenteiler
Kröger, als Verkäufern und dem bereits genannten Käufer ist wegen des in der
Bramstedter Kirche befindlichen unter Lit. F aufgeführten Kirchenstuhls
nachstehender Kaufbrief vereinbart worden.
1.
Die
Ehefrau Silberbaum und oben benannte Vormünder verkaufen den der ersteren und
dem weiland Peter Fölster gemeinschaftlich zu eigen gewesenen, bereits
bezeichneten Stuhl, wie er heute beschaffen und von den bisherigen Besitzern
genutzt worden ist oder rechtmäßig hätte benutzt werden können, mit allen daran
klebenden Rechten, aber auch Lasten und Beschwerden für die auf der
Versteigerung am 28. September zu höchst gebotenen Summe 340 Mark Kurant.
2.
Die
Kaufsumme ist bereits berichtigt. Die Tradition des Stuhls ist schon am 4.
November vorigen Jahres erfolgt. Der Adjudikationsbrief, den Anteil des weiland
Peter Fölster angehend, wird dem Käufer hierneben überliefert.
____________________________
1)
Anmerkung. Um den Wert dieses Einkommens auf heutige Verhältnisse abstimmen zu
können, sei hinzugefügt, daß man derzeit eine gute Kuh mit 30 - 40 Mark
bezahlte, wie den Kirchenrechnungen zu entnehmen ist. Dabei offenbart sich noch
ein weiterer Teil vom Einkommen des Pastoren: die Gemeinde hatte ihm dauernd
zwei »eiserne Kühe« zu halten auf ihre Rechnung.
146
---------------------------------------------------------------------------------------
3.
Die
Kosten des Kaufbriefes mit Einschluß des Stempelpapiers und ½ Prozent
Abgabe fallen einseitig dem Käufer zu.
4.
Beide
Kontrahenten verpflichten sich, unter Verpfändung ihrer Habe und Güter diesen
Vertrag in allen Teilen zu erfüllen und auf jegliche Einrede und Ausflüchte zu
verzichten.
Dieser Kontrakt ist auf
dem Königlichen Akturiate ausgefertigt, vorgelesen und demnächst von den
Kontrahenten unterzeichnet worden.
So geschehen Bramstedt,
den 8. März 1853.
(Folgen die Unterschriften
der Beteiligten, dazu des Kirchspielvogts Laudan zu Bramstedt.)
Noch lesen wir:
Vorstehender Kaufbrief wird hierdurch obervormundschaftlich approbiert.
Segeberger Amtshaus, den
10. März 1853.
gez.
Rosen
Nachtrag: Die Unkosten
belaufen sich auf 18 Mark 1½ Schilling Kurant. Am 13. Juni 1882 gibt Micheels
selbigen Kirchenstuhl käuflich ab an Witwe Berta Reimers für 600 Mark, wobei er
sich das Mitbenutzungsrecht auf Lebenszeit vorbehält.
Von
der Armenfürsorge
Mitleid mit den Armen und
Hilflosen und tatbereites Eintreten für sie ist eine der wesentlichen
Forderungen, die die christliche Lehre an ihre Bekenner stellt. Daher ist es
selbstverständlich, daß auf diesem Gebiet, dem mit wachsender Bevölkerung die
private Bereitschaft immer weniger gerecht werden konnte, die Kirche sich an
erster Stelle verpflichtet fühlte und auch dafür in Anspruch genommen wurde.
Die dafür erforderlichen
Mittel sind in unserm Kirchspiel seit unbekannten Tagen als freiwillige Gaben
eingeworben worden, sei es in Anlaß besonderer Schicksalsschläge einmalig oder
regelmäßig als Begleiterscheinung gottesdienstlicher Handlungen. In letzterer
Hinsicht ist dem Klinge- oder Klingelbeutel, geweiht durch Ort und Stunde, wo
er in Funktion trat und tritt, durch sein vielhundertjähriges Bemühen, die
Andächtigen zur rechten Zeit an irdische Gebundenheit zu erinnern durch fromm
verhaltenes Klingen eines ihm angehängten Glöckleins, endlich auch durch die
tröstlich erfreulichen Früchte seiner Anregungen, ein ehrenvolles Plätzlein
einzuräumen. Wann er zum erstenmal die Reihen der Kirchengäste erfreut hat, das
weiß niemand. Aber noch aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges liegen
bestimmte Nachrichten vor.
Die vier Vertreter der
Kirchengemeinde Bramstedt, die Kirchschworen Johann Bartels, Tewes Hardebeck,
Hans Mohr und Marx Gryp, der erstgenannte zuständig für den Flecken, die
übrigen für die Bezirke Wiemersdorf (nebst Fuhlendorf und Bimöhlen), Hardebeck
(nebst Hasenkrog und Brokstedt) und Vom Borstel (nebst Hagen, Föhrden-Barl und
Hitzhusen), haben 1641 dem Gedanken
147
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ihres Geistlichen und des
Propsten Vitus Barbarossa zugestimmt, daß zur Abwehr der gesteigerten Not
anstatt des bisher üblichen viermaligen »Umbganges« im Jahre der
»Armen-Beuttel« an jedem Sonntage künftighin die Runde machen solle. Da auch
der Hochgebietende Amtmann Casper von Bockwold, erbgesessen auf Pronstorff,
seinen Consens gab, so schien dem Plane nichts im Wege zu stehen. Doch fanden
die Kirchschworen noch ein Haar in der Sache. Diese hatten, darin offenbar
ihren Vorgängern folgend, den bisherigen viermaligen Umgang in höchsteigener
Person in Ehren bewerkstelligt. Sonntäglich aber mit der »Bede« umzugehen, das
lag außerhalb der Grenzen ihres Ehrgeizes. So einigte man sich denn, dieses für
die Erweckung der Gemeine als nötig befundene Werk dem Organisten
anzuvertrauen, nun allerdings gegen eine Vergütung, die mit 3 Mark jährlich
angesetzt wurde und am Ende des 17. Jahrhunderts auf 6 Mark angestiegen war.
Wir stehen an der
geschichtlich nachweisbaren Quelle der hiesigen Armenpflege. Dem Prediger und
den vier Juraten lag die Pflicht ob, die eingesammelten Gelder zu verwalten und
nach Bedarf und Befinden zu verteilen, soweit es die Mittel gestatteten. An
einem nicht genau bestimmten Tage des Jahres wurde der »Gotteskasten ausgezählt«
von den Genannten. Gelegentlich kamen noch kleine Summen hinzu, sei es in Form
von Rente für kleine Kapitalien, die man angesammelt hatte, oder in der Gestalt
besonderer Zuwendung. So gliedert sich zum Beispiel 1692 die Einnahme folgendermaßen:
Von Michel Ordt Rentgeld
auf 13 Mark. Kapital für 2 Jahre 1 Mark 10 Schilling
Hans
Hinrich Finder hat an die Armen verehrt........................
3 Mark
In
den Klingebeutel gesammelt..................................................
182 Mark 13 Schilling
Noch
an hartem Geld
................................................................... 11
Mark
Summe
198 Mark 7 Schilling
Die Höhe der Einnahme
schwankte erheblich und hatte wenig Neigung, über 200 Mark hinauszukommen;
1641, im ersten Buchungsjahr unserer Quelle, betrug sie 63 Mark 15 Schilling.
Die Ausgabe beschränkte
sich nicht völlig auf milde Gaben. Zunächst mußte jährlich dem Organisten seine
bereits bekannte Sammelgebühr ausgehändigt werden. Recht oft wurde auch dem
»Belgentreter« 1 Mark jährlich dafür gegeben, daß er, wenn auf dem Kirchhof
Leichenpredigt gehalten wurde, die Tür zum Kirchhof zu öffnen und wieder zu
schließen hatte. Auch mußte gelegentlich für die Instandhaltung des
Gotteskastens (der Armenlade) ein kleines Opfer gebracht werden.
Im übrigen erfolgte die
Verteilung, in jenem Jahrhundert noch Distribution genannt, nach ziemlich
festen Richtlinien. Man unterschied Hausarme (Ortsarme) und Exulanten d. i.
Heimatlose, Vertriebene und Wandernde. (An ein Armenhaus wurde noch nicht
gedacht.) Wie schon angedeutet, war der Begriff des Exulanten nicht starr
umschrieben, sondern hierin ein gewisser Spielraum gelassen. Endlich liegen
auch Fälle vor, wo auf Wunsch oder Befehl hoher Persönlichkeiten gehandelt
wurde. Ein besonderes Merkmal erhalten die Buchungen aus den Jahren
148
---------------------------------------------------------------------------------------
1641-1698 (so der Bereich
unserer Urkunde) dadurch, daß in der zweiten Hälfte die Zahlungen sich
ansteigend und bis zu erheblichem Umfange darstellen als Deckung des
Schulgeldes für die Kinder mittelloser Eltern.
Die Fälle der Exulanten
forderten naturgemäß sofortiges Handeln oder doch aisbaldiges. Daß diese Fälle
fast nur im Flecken vorkamen, das war durch die Verkehrslage bedingt. Die
Behandlung dieser Fälle lag in der Hauptsache in der Hand des Predigers, in
geringerem Maße in der des Fleckens-Juraten. Nach welchem Grundsatze die beiden
etwa die Fälle gesondert haben, das wird nicht sichtbar. Jedenfalls bezeigt das
alte Kirchenbuch, daß der eine wie der andere Geld für Exulanten »vorlegen«
durfte, das ihnen wieder ersetzt wird; auch werden beiden für genannten Zweck
Vorschüsse ausgehändigt, mit der Pflicht späterer Abrechnung.
Was die Hausarmen
anbelangt, so hat jeder sich zu wenden an den Kirchgeschworen, in dessen Bezirk
er wohnt. Dem Anschein nach sind diese Fälle, von einzelnen Ausnahmen
abgesehen, in gemeinsamer Beratung am Tage der Jahresversammlung erledigt
worden. Wir erkennen, daß es sich hier um einmalige jährliche Zuwendung
gehandelt hat. –
Wir dürfen die älteste
Jahresrechnung von 1641 folgen lassen.
»Erstlich
dem Organisten seine Gebühr.......................................
3 Mark
Johan
Bartels, so Er vorschossen an die Exulanten..................
8 Mark 3 Schilling
des
Pastoren vorleggt
gellt...............................................................................
12 Schilling
Ferner
zu der Exulanten Nottorft Johan Bartels entfangen 20 Mark
Distribution in Johan Bartels
Quartier Bramstede (I)
Olde
Marx
Stekemis.............................................................................
3 Mark
Hennicke
Lohmann.............................................................................
2 Mark
Geseke
Gosauen..................................................................................
1 Mark
Kattrina
Ordes......................................................................................
1 Mark 8 Schilling
Olde
Marx Folster................................................................................
1 Mark 8 Schilling
Olde
Mettke
Westphalen................................................................... 1
Mark
By
Diedrich Folster eine arme
Frau................................................... 1 Mark
In
Hans Mohrs Quartier (II)
Wypeke
Mertens.............................................................................
3 Mark
Olde
Mohrsche................................................................................
2 Mark
Olde
Wilsche....................................................................................
2 Mark
In
Tewes Hardebeckes Quartier (III)
De
Blinde Knecht Lindemann........................................................
3 Mark
De
Olde Mohrsche, so vorlembdet (gelähmt)..............................
3 Mark
149
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In
Marx Gryps Quartier (IV)
Henneke
Tees..................................................................................
1 Mark
Hans
Schmalefeldt..........................................................................
2 Mark 8 Schilling
Pöttkersche,
so verlernet...............................................................
3 Mark
Grypsche..........................................................................................
1 Mark 8 Schilling
Nur Hausarme sind genannt;
die Exulanten sind überhaupt nicht namhaft gemacht. Den sieben Bedachten des
Fleckens stehen neun aus den drei Landbezirken gegenüber.
Dieses Verhältnis der
Inanspruchnahme schwankt natürlich; doch im ganzen wächst der Bedarf im Flecken
ungleich mehr. Das Jahr 1698 bietet folgende Ziffern (für die Hausarmen):
Quartier
I: 57 Fälle, davon 28 Schulgeld betreffend.
Quartier II:
12 Fälle, davon 4 Schulgeld betreffend (Bimöhlen).
Quartier
III: 8 Fälle.
Quartier IV:
6 Fälle.
Diese starke Verschiebung
der Lage zuungunsten des Fleckens, soweit man nach diesen Ziffern den Wohlstand
beurteilen will, ist darauf zurückzuführen, daß in Bramstedt die Zahl der
Insten verhältnismäßig viel höher war als in den Dörfern. Eine ähnliche
Abschätzung der Landgemeinden untereinander vorzunehmen, verbietet sich schon
deshalb, weil die Armenlisten in den Quartieren II - IV nicht den Wohnort der
Unterstützten nachweisen oder doch nur ausnahmsweise. Es sei erlaubt, noch ein
paar Einzelfälle anzuschließen.
1646
Dem Pastor sine arme gebrechliche Magert Eva, so
von dem Böhn gefallen, datt Sie ein Stywen Arm
gekregen
5 Mark
Dem Schweineharder, so die
Schweden geschossen,
...........
daß Er darüber verlembdet.................................................. . 1
Mark 8 Schilling
Einem Armen Frauens Bilde,
so die Schweden mit
Gewalt aus des Pastoren
Haus genommen und ge-
...........
schwengert............................................................................
. 2 Mark
...........
Dem Man zu Kellinckhausen, so in dem Haupte
verwirret..................................................................................
1 Mark
1647
Dem Armen Scholmeister in Förden................................... 1
Mark
1652
Dem Schoellmeister Zacharias in Armstede...................... 3 Mark
1686
Der alten Kuhhirtin im Flecken............................................ . 1
Mark 8 Schilling
1691
Hinrich Gloyen dem Schulmeister (II. Quartier)...._____ 1 Mark
8 Schilling
1695
Der Schweine Hirtin in Fulendorf.......................................
1 Mark
Dauernd wurde unterstützt
die Witwe des Pastoren Hamerich; auch Predigerwitwen lebten karg. Die
Getreueste aller Schützlinge war Cattrina Kloenhamers, so im Quartier II zum
erstenmal 1647 verzeichnet wurde, um dann als »Kloenharmsche« bis 1682 niemals
im Register zu fehlen.
150
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Nicht allemal wurde
Bargeld ausgehändigt. In einzelnen Fällen verabfolgt man aus ungenanntem Grunde
die Hilfe in natura.
1651
gibt Quartier II drei Mark für ein pahr Scho und Strümpfe für den
Stum Mensch (stummen Menschen) aus.
1654
ein heden Hembd (Hemd aus Hede) angeschafft für
...........
Michel Schack......................................................................
1 Mark 8 Schilling
...........
Ein Grab graben lassen für eine arme
Frau........................................... 8 Schilling
Noch
mögen ein paar Exulantenfälle hier erwähnt sein.
1654
Zur Erbauung einer Kirche in Westfalen........................... 3 Mark
1666
Einem Prediger, der in der Mark Superintendent
...........
gewesen.................................................................................
3 Mark
...........
An zwei Bürger aus Itzehoe ...............................................
1 Mark
1692
An Catharina; so katholisch gewesen............................... 3 Mark
...........
An die abgebrannte Stadt Heiler Bach (?)........................ 1
Mark 8 Schilling
...........
Georg von Schelen, einen Edelmann, den die Fran
zosen
vertrieben...................................................................
3 Mark
...........
Zacharias Johannes, eines Predigers Sohn aus Jütland. 1 Mark
Auf Königl. Befehl zwei Oldesloischen abgebrannten
Bürgern..................................................................................
2 Mark
1695
sind fünf Personen aus Stellau bedacht worden.
Dem Mann mit dem Hohen Fuß von
Weddelbrook
12 Schilling
...........
Noch einem Handwerksburschen
...................................................... 12 Schilling
1696
Einem armen Mann von
Elmshorn......................................................... 3 Schilling
...........
Cielke Kappenbergs ein paar Schuh.................................. 1 Mark 14
Schilling
...........
Einem armen Prediger...........................................................
5 Mark
...........
Noch vor Hinrich gloyen (Gloy) zu schu1)........................
2 Mark 8 Schilling
Noch sind einige Besonderheiten
des alten Klingebeutelregisters zu vermelden.
So lesen wir: Anno 1658,
als der Obrister Alexander von der Osten zu Bramstedt gelegen, ist der sehl.
Herr Pastor Henricus Galenbeccius in die Kirche gegangen und hat den
»Armenkasten« gebrochen gefunden, darinnen nicht mehr als 10 Mark (oder Taler?)
gewesen, die er den Kirchgeschwornen gegeben, welche selbige, als die Kiste
fertig wieder gewesen, wieder hineingelegt haben. Ferner aus Anno 1669: »Weil
in der Nacht vom Freitag auf den Sonnabend vor Dn. 24 post Trinit. ein
gottloser Mensch in die Kirche (eingebrochen, so der auf einer Todtenbaar ins
Fenster gestiegen, und aus dem Armkasten allen Vorrath, darinnen zum wenigsten
achtzig Mark lübsch gewesen: als hat das gesamblete (Geld) nicht weiter reichen
können. Sind also von den auf Rente stehenden 59 Mark armgeldern 36 Mark lübsch
aufgenommen, die in genanntem Jahre mit dem gesambleten verteilt worden sind.«
____________________________
1) Anmerkung.
Nur im letzten Jahrzehnt werden die Exulanten ausführlich, wenn auch nicht
vollständig aufgezählt. Man hat wohl schon derzeit einige Rücksicht genommen
auf die sogenannten »verschämten« Armen.
151
---------------------------------------------------------------------------------------
Wir erfahren hier also,
daß der Gotteskasten ein kleines Rentenkapital hatte. Darüber gibt unser Buch
noch genauere Angaben an anderer Stelle (1659).
»Armgelder
auf Rente«
Hans
Mohr (Kirchschwor) hat auf Rente getan an Hans Hardebeck zum
Hardebeck..............................................................................................................
30 Mark
Noch
derselbe getan
demselben........................................................................
10 Mark
zusammen
40 Mark
Dazu
wurde 1669 gerechnet als Rente für zehn
Jahre..................................... 15 Mark
Jürgen
Gloye (Kirchschwor) hatte den Rest auf Rente mit.............................
4 Mark
So
ergibt sich das oben angeführte Vermögen
von........................................ 59 Mark
Unser Register bringt
endlich abschließend die etwas mystische Bemerkung:
»Das Projekt der
damahligen Bußgelder aber ist ganz ohnvermuthlich entfernt worden, sonder wißen
(Wissen) durch einen Zufall.«
Geschrieben hat dies
zweifellos der derzeit (1699) amtierende Geistliche, das ist der Zeitpunkt, wo
der Dänenkönig die kirchlichen Bußgelder - meistens wegen Verstößen gegen das
6. Gebot - aufgehoben hat. In vielen Gemeinden ist dieses Bußgeld fortlaufend
ein Bestandteil des Einkommens des Pastoren gewesen. Die Form, in welcher
berührter Geistlicher offenbar eine Enttäuschung bekundet, und der Ort, an
welchem dies geschieht, legen den Gedanken nahe, daß hierorts jenes Bußgeld
zugunsten der Armen verwendet worden sei. Für weitere Forschung fehlte die
Gelegenheit.
152
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IV.
DER FLECKEN
Fleckensgerechtigkeit
Urkundliche Nachrichten
über Bramstedts Vergangenheit benennen, soweit sie aus der Zeit vor dem 15.
Jahrhundert liegen, den Ort als »villa«-Dorf. Unter dieser Bezeichnung wird es
noch im Jahre 1364 aufgeführt in einem Vertrag mit dem Grafen Adolf von
Holstein (siehe Ursprung). Anno 1448 aber ist ein Dokument entstanden, das
untadelig erhalten geblieben ist und untrüglich nachweist, daß damals,
wenigstens rechtlich betrachtet, die Merkzeichen des Dorfes der Vergangenheit
angehörten. Die Photokopie dieses Schriftstückes verlangt vom Leser zwar einige
Aufmerksamkeit. Doch auch der weniger Geübte findet bald heraus, daß in der
linken Hälfte der zweiten Reihe von oben, ebenso der dritten Reihe von unten
und ganz rechts in der siebten Reihe von oben sich der Ausdruck: »des wickbildes
Bramstede« vorfindet. »Wickbild« aber, Weichbild, ist die damalige Bezeichnung
des Mitteldinges zwischen Dorf und Stadt, also dessen, was als »Flecken« in
unserer Vorstellung lebt. Wer noch zweifelt, der beachte, wie sich die Urheber
unseres Dokuments eingangs vorstellen: »Wir Bürgermeister und Ratmänner des
wickbildes Bramstede.« Diese stolzen Titel ziemten nicht dem Vertreter eines
Dorfes, wo in Holstein de Buervogt das Wort führte. Sie wenden sich an die
gleichnamigen Vertreter von Kiel (tom kyle), das zum Unterschied als »stad«
bezeichnet wird. Das angehängte Siegel, hier leider nicht lesbar, entspricht in
seiner Größe und Form, auch in den durchschimmernden Buchstaben, so sehr dem im
Fleckensbuche 1530 vorhandenen, daß die Übereinstimmung außer Frage steht. Die
Umschrift dieses ältesten Fleckenssiegels ist lateinisch und nennt Bramstedt
ein »opidum«, was wiederum eine kleine städtische Siedelung bedeutet. Das
Siegel bekundet zugleich den feierlichen Ernst, mit dem sich die Bramstedter
»vorständer« bekennen zu ihrem »bref, de gewen und schreven is na godesbord
(Christi Geburt) verteinhundert Jar, dar na in dem achte und vertigesten Jare
am dage aller godes hilligen (Allerheiligen).«
So muß das Jahr 1448
anerkannt werden als ein Zeitpunkt, für den die Fleckensgerechtigkeit bestimmt
nachweisbar ist.
Ein weiter zurück gehender
ist bisher nicht bekannt. Fast möchte man meinen, die in dem vorliegenden
Schriftstück dreifach wiederkehrende Ausstattung des Ortsnamens mit dem Zusatz
»wickbild« wäre ein Hinweis darauf, daß diese Rangstufe des Ortes noch wenig
bekannt und daher der Betonung bedürftig gewesen sei. Aber Meinung ist nicht
Wissen.
Um der Wißbegier des
weniger kundigen Lesers entgegenzukommen, soll der Sachverhalt unserer ältesten
Urkunde hier noch kurz dargestellt werden.
153
---------------------------------------------------------------------------------------
Die Bramstedter
Fleckensväter haben ihrem Schützling Hermen Möller eine Urkunde ausgefertigt,
womit er sich in Kiel als Erbe dort liegender Güter ausweisen will. Dort tritt
ein Mann, den die Kieler »aufgegriffen haben sollen«, benannt Hynske Teden,
hervor und bestreitet Möllers Erbrecht. Dieser wendet sich an die
Fleckensobrigkeit. So erlangt er die Urkunde, wonach zwei ehrenfeste Fleckensbürger,
Timm Schacht und Jakob Harteken (Hatteken?) Zeugnis abgelegt haben vor dem
Bürgermeister und zwar stehend, mit ausgestrecktem Arm und aufgerichteten
Fingern, daß Hermen Möller und niemand anders der rechte Erbe und des Ehrliken
presters Hern Claus Möller sel. Gedächtnisses und seiner Frau Sohn sei. Demnach
ersucht die Bramstedter Obrigkeit die Kieler mit allem Nachdruck und unter
Zusicherung jeglichen Wohlwollens und möglicher Dienste, dem Hermen Möller zu
seinem Recht und Eigentum zu verhelfen. Und der Chronist hat die Schwachheit,
dem sündhaften Hynscke Teden ein wenig dankbar zu sein. Wie stände es ohne ihn
um die so prächtige Urkunde?
Hier
der Wortlaut:
»Juwe Ersamen Vorsichtigen
Borgermesteren unde Radmanen der Stad tom kyle Enbeden wy Borgemestere und
Radmane des wickbildes Bramstede unsen fründliken denst unde wat wy lewes unde
gudes vormöge(n), tovoren - und bidden Juwer Erbaricheid (mit) fründliken
woern: dat vor uns is gewesen unse kerspelman hermen moller, heft uns
underrichted, alse wy eme unsen tügebreff gewen hadden van etliker erffgüdere
wegen bynen Juwer Stad tobemanede (?) dar mede an dem sulm brewe steit vor en
tügh Hynscke Teden, den jy updrewen scholen hebben, also dat he nicht nogastich
wesen schal to tüge. - Also Ersamen guden fründe hebben vor uns gewesen unsere
Borgere unde Inwanere des vorben (annten) wickbildes Bramstede, alse (nämlich)
byrramen Tyme Schacht unde Yake (Jakob) hatteken tüghen unde seggen, dat hermen
moller echte unde rechte baren is van vader und moder und en rechte erwe sye
des Erliken presters hern Nicolawes mollers seliger dechtnisse und anders
nemand, dar se ere recht to dan hebben stanedes (stehend) als mid
uthgestreckeden arme und upgereckten vingheren, welcken vor uns unde de vorgen
(annten) Tyme Schacht und yake hatteken willen eme dysser tüggenisse tostan,
wor und wonaken em des behoff sy, Worüme Ersamen guden Fründe bidden wy Juwe
Erbaricheide ume rechtes willen, so wy fründlikest mögen, dat jy dem vorben
(annten) hermen moller bewegaen (zur Seite stehen) unde förderlich wesen willen
an synem rechte, sodane angevallene syne güder to bemanede (?), willen em dar
to günstig förderlich unde behulpen wesen, dat eme …
van
derwegen, wo he recht ane sy«.
Die Schrift wird
undeutlicher. Die Bramstedter erbitten für Möller die gleiche freundliche
Behandlung, wie sie - die Kieler - sie auch von Bramstedt zu erwarten hätten,
wenn eine Gelegenheit sich bieten sollte. Sie schließen:
»... unde hebben des
unsers wickbildes Bramstede vorstender Ingehs (Ingesiegel) anhangen laten
wollen an dessen breff, de gewen und schrewen is na godsbord
154
---------------------------------------------------------------------------------------
verteinhundert Jar, dar na
in dem achte und vertigesten Jare am dage alle godeshilligen.«1)
Älteste
bekannte Bestätigung der Fleckensgerechtsame
1533
»Wy Christyan van gotts
gnaden Erstgename tho Norwegen, Hertoch tho Slewygk Holstenn, stormaren und der
dythmarschenn, Grave tho Oldenborch unnd Delmenhorst ... Doenn hir myt kunth
vor unns de hoichgebornne Fürsten unse Früntliche leve, unmündygenn brodere,
unse sampt erven unnd Nakamplynge, ock sust vor alswemen apenbar bekennende,
dat wy durch besundere Gunst unnd gnade denn Vorsychtigenn unsen lewen getrewen
undersaten, den gantzen unnd gemeynen Inwaneren tho bramstede Alle unnd Isliche
olde gerechticheyde, de se van oldinges her unnd by konninglicher Mayestat tho
Dennemargkenn unses früntlichen lewen herrn vaders hoichbürlichen gedechtnisse
tiden und Regimente gehat unnd gebruket hebben ... nu noch vortan desülven
geneten unnd beholden scholen unnd moghen ... ane Jemandes hetent edder
vorbedent ... Jedoch unnd by dem bescheede, dat se unns nu hir namals alle
denste unnd plichte to unsen slate Segeberge doenn, gewen unnd plegenn
scholenn, wo se betherto vann oldings her gedaenn hebben ... Gebeden hir up
allen unnd Islichenn unsen leven getrewenn, den Amptmannen, husvageden Itz undt
to Segeberge synde unnd hir namals kamende, de vorgemelten unnse leven
underdanen, de van Bramstede, Inn desser unser gegewene begnadinge gar keynn
hinder edder bewer to donde, sundern se vun unser wegen dor by getrewlich to
hantherende unnd to vorbittende ... Darann geschiet unnse toverlatige meninge
unnd erkennet mit gnaden gerne.
Dat um Segeberge na der
geborth Cristi unses herrn Im vofteinhundersten unnd dree unnd drüttigsten
Jare. Tho Orkunde myt unsen angehangenden Secret befestet.2«)
2. Konfirmation 1627
Anno 1627, den 24. Juny
hebben de Ehrsamen und vorsichtigen vier damaligen Vorstender und Rathmenner
des Bleckes Bramstede, als Hans Bulte, Claus Hardebeck, Claus Steckemest und
Marx Folster dorch ere Undertheniges und velfoldiges anholdendt by Ihro Fürstl.
Durchlaucht des Erwehlten Herrn Prinzen
______________
1)
Anmerkung. In dieser Abschrift sind die Punkte für ü und ö hinzugefügt,
desgleichen ist bei dem Worte »und« der Buchstabe u statt des v gesetzt worden,
um dem weniger geübten Leser zu dienen.
2)
Anmerkung. Die Unterschrift hat der Ritter und Amtmann Wulf Pogwisch gegeben.
Links wird bestätigt, daß dies mit Zustimmung des Herzogs geschehen ist. — Das
Geheimsiegel, dessen Befestigungsstellen sich deutlich abzeichnen, ist nicht
nachzuweisen. — Die sich in der Abschrift wiederholenden drei Punkte bedeuten
nicht eine Auslassung, sondern lediglich eine Pause.
155
---------------------------------------------------------------------------------------
Christian den Vofften tho
Segebergh als eren gnedigsten Fürsten und Herrn erlanget und bekamen
die Konfirmation und
Vorerwenung erer urolden Privilegien und Gerechticheitt, so ere Vorfahren von
eren allergnedigsten Königh und Herrn Christmilder gedechtnus Christiano dem
Drüdden im Voffteinhundersten und dree und drüttigsten Jahre na Christi unseres
heilandes Gebordt gegewen, tho mehrer nahrichtungh und erinnerungh erer
Kindeskinder, dat Se, wat er obgenannten veer Rathmenner erwarwet und erholden,
dorch ere Versümenis nicht mögen verlehren, sundern dat sulwige by einen
jeglichen Thron Antridt (des) Regierenden Königs und Fürsten laten confirmiren
und solches ock ere Nakömlinge mögen wedderümb als en Deel erer besten
2ydtlichen Wolfart erwen und verlewen (erleben, genießen).
Die
von den Ratmännern berührte Urkunde lautet:
»Wir Christian V. ...
bekennen öffentlich mit diesem Unserm Briefe, und tue kund allermänniglich,
nachdem unsere lieben getreuen Untertanen, die sämtlichen Einwohner zu
Brambstett Uns untertänigst einen pergamenen Brief unterm dato Segebergh des
Fünfzehnhundert drei und dreissigsten Jahres, welche von der damaligen Würden
zu Dänemark, Norwegen ... Christiano III., christmilder Gedächtnis, ihnen
mitgeteilet worden, vorgezeiget, des Lautes, daß sie bey allen und jeden ihren
alten Gerechtigkeiten und Gewohnten, welche sie von altersher gehabt und
genossen, hinfüro und inskünftige dieselben auch genießen und behalten sollten,
jedoch mit dem ausdrücklichen Vorbehalt, daß sie zu dem Amte und Schlosse
Segeberg alle Dienste und Pflichten tun, geben und pflegen sollten, wie sie von
altersher getan hätten, und derowegen Uns als ihre Landesfürstliche Obrigkeit
untertänigst ersuchen und bitten lassen: Wir geruhen gnädigst, obgedachten
Begnadigungsbrief in allen seinen Begreifungen, Klauseln, Punkten und Artikeln,
nichts ausgenommen, gnädigst zu konfirmieret und bestätiget. - Konfirmieren und
bestätigen ihn auch kraft tragender Landesfürstlicher hohen Obrigkeit,
wissentlich in Kraft dieses, also und dergestalt, daß alles und jedes, so der
mehrerwähnte Begnadigungsbrief im Munde hat, und sie, die Brahmbstetter,
kontinuierlich und von altersher getan und genossen, hinfüro auch tuen und
genießen sollen und mögen, ohne Gefahr. Gebieten und befehlen darauf allen und
jeden Unserer lieben, getreuen Amtmännern, Amtsschreibern, Haus-Voigten und sonsten
Befehlighabern, so jetzo zu Segeberg sein und kommen werden, daß sie diese
unsere Konfirmation nicht irren, noch dawider handeln, sondern sie dabei
getreulich schützen, schirmen und handhaben und hiewider nichts tun, noch
jemand anders zu tun gestatten sollen. - Daran geschieht unsere ernstliche
Befehlings Meinung und gereichet Uns zu Gnaden. Geben zu Segeberg den vier und
zwanzigsten Juni des eintausend sechs hundert sieben und zwanzigsten Jahres.«
L.
S.
(gez.) Christian 1)
________________
1)
Einleitend nennt er sich Christian V. Damals regierte in Dänemark Christian IV.
Der war aber 1627 durch den Dreißigjährigen Krieg behindert.
156
---------------------------------------------------------------------------------------
Der vorstehende Text ist
hier so wiedergegeben, wie ihn Friedrich III. in seiner 1652 gegebenen
abermaligen Bestätigung - der drütten überhaupt - zugrunde gelegt hat. Diese
3. Konfirmation
ist, wie ihre Vorgänger,
auf Gesuch der Bramstedter Bürger ausgefertigt worden. Sie lautet:
»Wenn nun bei uns
Supplikanten alleruntertänigste Ansuchung getan, obberührte ihre Privilegien zu
bestätigen, so haben wir diesem billigmäßigen Suchen in Gnaden stattgegeben.
Konfirmieren und approbieren demnach dieselbe in Kraft dieses dergestalt,
soweit sie berührter Privilegien ruhig genießen, dabei weiter geschützet werden
sollen; haben auch dabeneben allergnädigst eingewilliget, daß in mehrbesagtem
Unserm Flecken Brahmbstede zur Beförderung der Eingesessenen Nahrung ein
erhöhter Roland auf einem grünen Anger am offenen Wege, welcher nach Hamburg
führet, worunter die Brabandischen Kaufleute und Ochsen-Händler ihre Kontrakten
schließen und rechtlicher Entscheidung gewärtig sein, an des bei vorigen
Kriegszeiten verbrannten Stelle wiederum aufgerichtet werden möge.
Befehlen demnach Unsern
itzigen und künftigen Amtmännern zu Segeberg und andern Amtsbedienten, daß sie
die Impetranten bis an Uns dabei schützen und diesem zuwider nichts verhängen.«
Urkundlich unter Unserm
Königlichen Handzeichen und angehängeten Sekret-Insiegel. Geben in unserer
Veste Glückstadt, den andern Tag im Juli des eintausend sechshundert und
zweiundfünfzigsten Jahres.
L.
S.
(gez.) Friedrich
Hier wird also zum
erstenmal von hoher Stelle eine Besonderheit des Fleckens, und zwar seines
Erwerbslebens, berührt: der Ochsenhandel. Nichts nötigt oder leitet hin zu der
Annahme, daß dieser Handel nun erst eingeführt werden sollte. Auch nötigt die
Kürze des Königlichen Bescheides die Gewißheit auf, daß der neu zu erbauende
Roland nicht nur räumlich, sondern auch in seiner Sinndeutung lediglich
wiederholen und fortsetzen soll, was ein verunglückter Vorgänger bereits
gewesen ist und bedeutet hat: Symbol der Marktgerechtigkeit und alter
Gerichtsbarkeit.
Die
Fleckensverwaltung
I.
Abschnitt von 1448-1749
Für den bezeichneten Zeitraum
liegt eine geschriebene Satzung nicht vor. Doch sind die Unterlagen vorhanden
für den sicheren Nachweis, wie im großen und ganzen die Lenkung unseres
Gemeinwesens sich gestaltet hat. Das alte Fleckensbuch, das von 1530-1847 der
Niederschrift der Fleckensbeschlüsse gedient hat,
157
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gibt, so spärlich und
mager sie auch dem Leser unserer Zeit erscheinen mögen, immerhin einen Schatz
des Wissens, den zu erwerben jedem Heimatliebenden am Herzen liegen muß.
Die älteste Urkunde, die
unsern Ort als Flecken ausweist, spricht von Bürgermeister und Ratmännern des
»Weichbildes« Bramstedt, ohne daß sie deren Zahl und Namen kundgibt; allein das
»angehängte« Stadtsiegel ist ihre Legitimation. Aber um 1530 hilft das
Fleckensbuch einen guten Schritt weiter mit seiner ersten Eintragung:
»Anno En dusend vyfhundert
und drottich was tho Bramstede Eggert Speth Caspelfaget, Dirick Vaget
Borgemeister; Clawes steckemest, hans Bulte, Laurens stüwingk und Tymmk Schulte
Radtmenner.«
Wir sehen nunmehr sechs
Männer als Fleckensmänner; ein »Kirchspielvogt« ist hinzugetreten. Wir dürfen
den Grund wohl suchen in der Tatsache, daß bald nach 1448, dem Datum der ersten
Meldung, nämlich 1460, nachdem Adolf VIII., der letzte Schauenburger, gestorben
war, der Dänenkönig Christian I. das Regiment über, die Herzogtümer angetreten
hatte. Er oder sein Nachfolger mögen einen königlichen Beamten als Spitze der
Fleckensverwaltung eingesetzt haben. Hier darf eingefügt werden, daß in der
Folge, das ist nach 1530 durch drei Jahrhunderte, kein Bürgermeister mehr
genannt wird; dessen Stellung war durch das Amt des Kirchspielvogts aufgesogen.
Das Fleckenssiegel hatte
allem Anschein nach im Jahre 1530 noch die gleiche Gestalt wie 1448. Es nennt
die Fleckensvertreter Consules und den Ort opidum, ein Zeugnis dafür, daß auch
hierzulande das Latein als unentbehrlich erachtet wurde.
Über die innere
Einstellung unserer für 1530 genannten Fleckensmänner zu ihrem Amte gibt eine
kleine Nachschrift auf der ersten Seite des alten Protokolls Aufschluß, wo es
heißt:
»In düssen bawen schrewen
Jar ys dyth bok vom ersten angefangen, und wat hyr ynne geschrewen ys, ys alle
ewich duernde.«
Ohne Zweifel offenbart
sich in diesen Zeilen eine Ehrfurcht vor den Amtspflichten, die den
Fleckensvertretern auferlegt waren. Aber übergroß war ihre Scheu vor der
Schaffung des Gutes, von dem sie erwarteten, daß es von ewiger Dauer sein
werde. Im Laufe eines Jahrhunderts haben die braven Bramstedter Ortsvertreter
nicht mehr als dreißig Quartseiten für ihre Niederschriften in Anspruch
genommen. Erst in dem Jahr 1631 belehrt uns unser Buch darüber, auf welchem
Wege die Ratmänner überhaupt zu ihrem Amt gelangen. Wir lesen:
»Anno 1631 dhen 20.
February Hefft Ein Bleck Ehrkohren Tho forstender dhes gantzen Bleckes
disse 4 Mhenner, als Clawes Hardebeck, Hinrich Rolevinck, Marquardt stekemest,
Christoffer Hamerich.«
In den »forstendern«
erkennen wir unsere Ratmänner wieder. Der »Bürgermeister« fällt aus. Über
Wahlmodus und Amtszeit ist nichts festzustellen. Spätere Nachrichten (1749)
leiten zu der Gewißheit, daß auch in dem hier aufgezeigten Jahrhundert
unentwegt vier Ratmänner gewaltet haben.
158
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Wie eingangs gesagt,
fehlte eine geschriebene Ortssatzung. Man verließ sich auf das Herkommen
und schuf nötigenfalls eine neue »Beliebung«. Was an Überlieferung vorhanden
war, findet sich auf den ersten drei Blättern des Fleckensbuches ohne Datum,
ist demnach anzusehn als rechtsgültig im Jahre 1530. Es bleibe der Nachwelt
erhalten:
1.
Weder
ein Hufner noch Kätner soll einen Insten ins Haus nehmen, ausgenommen Vater und
Mutter. Wer dagegen verstößt, hat dem König 24 Schilling und dem Flecken eine
Tonne Hamburger Bier ohne Gnade zu geben.
2.
Alle
Insten, die in Bramstedt wohnen, haben auf Martini alle Jahr 1 Mark lübsch dem
Flecken und 1 Mark lübsch dem König zu entrichten; wenn sie beides zahlen, wird
weiteres von ihnen nicht verlangt werden.
3.
Wenn
ein Bramstedter, er sei Hufner, Kätner oder Knecht, nach Fastnacht außerhalb
des Fleckens Heu kauft, daß er auf dem Fastenmarkte wieder verkauft, ist dem Flecken
verfallen mit einer Tonne »rodes Bier«; wer sich dessen weigert, hat dem König
24 Schilling und dem Flecken eine Tonne Hamburger Bier zu geben sonder Gnade.
4.
Kein
Inste, Knecht oder auswärtiger Mann darf auf dem Fastenmarkte Heu verkaufen,
solange Bramstedter Hufner oder Kätner noch Heu zu verkaufen haben.
5.
Wenn
ein Hufner oder Kätner Heu ankaufen will, das er auf dem Markte zu verkaufen
gedenkt, so soll er dies Heu vor Fastnacht tun und nicht später.
Strafandrohung wie unter 3.
6.
Wenn
jemand dabei betroffen wird, daß er auf eines andern Wiese oder Acker Heu (sich
aneigne), der hat dem Eigentümer 10 Schilling und dem »Schütter« (Anzeigenden)
1 Schilling zu bezahlen.
7.
Wenn
die Ochsen kommen in der Fastenzeit oder später, soll jeder Hufner vier und der
Kätner zwei Wagen bereit haben, um damit dem Kaufmann das Heu zu liefern.
Zuwiderhandlung wird bedroht mit 24 Schilling an den König und einer Tonne
Hamburger Bier an den Flecken.
8.
Wenn
ein Hufner oder Kätner, der selbst kein Heu zu verkaufen hat, einem andern
seinen Wagen geben wollte, macht sich strafbar wie unter 7.
9.
Wenn
das »Bleckeshorn« geblasen wird, dann soll ein jeder »Hausgesitter«, er sei
Hufner oder Kätner, in eigener Person vor dem »Bleke« erscheinen, es sei denn, daß
Krankheit ihn behindere. Ungerechtfertigtes Fernbleiben wird bestraft nach
»oldinges pande recht«.
10. »Wol dar
befunden wörde, de hat how (Heu) up hebet, dat de Eigelink (Eigentümer) hebben
uthstrein laten, und Forde (führe) effte (oder) droge dat tho Hus, schole
(soll) sunder gnade der Herrschup mit 24 Schilling unde dem Bleke myth 1 tonne
rodes bers vorfallen syn.«
Soweit die Ortsgesetze
ohne Datum. Man erkennt ohne weiteres, von welch großer Bedeutung unsern
Vorfahren der Heuhandel auf dem Ochsenmarkt in der Fastenzeit gewesen ist. -
Ziemlich jede Gesetzesübertretung trug dem Flecken eine Tonne hiesiges oder
Hamburger Bier ein. Wohin damit? Nun, am Fastnacht-
159
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montag hielten die
gesamten Fleckensleute alljährlich eine Hauptversammlung zur Regelung der
gemeinsamen Angelegenheiten ab, und diese Versammlung
hat sich wohl niemals auf einen Tag oder gar Abend beschränkt. Was hiermit
angedeutet wird, findet seine Bekräftigung durch folgende, im Jahre 1682 am 27.
Februar in der Zusammenkunft der Fleckensleute beschlossene Beliebung:
» … daß die
Fastnachtszusammenkunft, weil es dem Herrn Pastor so gahr widerlich, nach
diesem alle Jahr 8 Tage vorher, als auf den Montag vor Fastnacht soll geschehen
und gehalten werden, wornach ins Künftige die Ratsmänner sich zu richten haben.«
Das »Widerliche«, das den
Seelsorger zu seiner Anregung geführt hat, war der Umtand, daß die bisherige
Übung einer würdigen Feier des Aschermittwochs gar sehr im Wege
gestanden hatte. Die wackeren Bramstedter aber haben die neue Ordnung für immer
behalten, solange es diese Jahresversammlung überhaupt gab. Hier sei noch
erwähnt ein Beschluß der Blekeslüde, wonach derjenige, »de den vastlawent in dem
hus hefft, schall vor alle Tage 1 Mark lübsch hebben«. Woraus zu entnehmen, daß
eine derartige Entschädigung vorher nicht geleistet worden ist. Als
Versammlungsraum haben wir uns die Hausdiele des jeweils beherbergenden
Ratmannes, der stets ein Hufner war, vorzustellen; aus späterer Zeit wird
wiederholt berichtet, daß der Kirchspielvogt, auch Inhaber einer Hufe, auf
seiner Diele die Fleckensleute versammelt hatte.
Ehe wir die Werke der
Ratsmänner zur Kenntnis nehmen, soweit das überhaupt möglich ist, scheint es
zweckmäßig zu sein, noch einiges über die Institution der Fleckensverwaltung zu
sagen.
Wir wissen bereits, daß im
Jahre 1631 zuerst von einer Wahl der vier Ratmänner durch den ganzen Flecken
Kunde gegeben wird. Die nächsten Wahlberichte gleichen Inhalts liegen vor aus
den Jahren 1661, 1664, 1673, 1676, 1679, 1682, 1694 und nun weiter in
zweijährigem Turnus bis 1712, wo eine Änderung sich anbahnt.
So kann festgestellt
werden, daß Bramstedt dauernd vier von den Einwohnern gewählte Ratmänner hatte,
die gleichzeitig ins Amt traten, um auch gleichzeitig wieder auszuscheiden; die
Dauer der Amtszeit ist anscheinend bis 1682 dreijährig gewesen, seitdem
bestimmt zweijährig.
Noch eine weitere
Klarstellung ist nötig, veranlaßt durch die Form der Niederschriften im
Fleckensbuch. Bis zum Jahre 1580 »bewilligen die Blekeslüde eindrechtig« oder
so ähnlich. Anno 1580 »hebben die Blekeslüde in der Acht gewesen und
hebben bewilligt«.
Hier taucht ein Thema auf,
das dem Leser zunächst zumutet, von einer Anzahl von Buchungen ähnlicher Form
Kenntnis zu nehmen, wobei es sich in jedem Fall um »Fleckensversammlung«
handelt. Wo das Datum nicht angegeben wird, handelt es sich um die
althergebrachte Fastnachtssitzung.
1. 1596.
Ersame Claws Maehs mit samth den ganzen Fleckenslüden in der acht
gewesen.
2. 1625.
Dirck Maehs desgleichen.
160
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3. 1633
up Allerheiligen is hans buldt mit den ganzen Blekeslüden in der Acht gewesen.
4. 1638
op Johanni Dag is Hinrich Rolevinck mit den Blekeslüden in der Acht
gewesen.
5. 1639
kefft Hans Pohlmann ... desgleichen.
6. 1642
hebben de gemenen bleklüde in der Acht gewesen.
7. 1649
den 17. März is gerdt westvalen ... wie unter 3.
8. 1650
hefft hans finck den 7. Mai ... wie unter 3.
9. 1650
hefft gerdt westvalen den 19. Mai ... wie unter 3.
10. 1650
den 16. Junius ist Jochim Stüwen ... wie vorige.
11. 1654
Jasper Hennings in der Acht gewesen.
12. 1682
hebben de Blekeslüde sik bespraken und bewilliget und sint darup thosamen in
der acht gewesen wegen Stellow Piel sin Hoffstede und ist Ties langhinrich de
acht befahlen.
Die Versammlung tagt weiter und faßt den bereits bekannten Beschluß, die
Jahresversammlung, dem Pastor zuliebe, um eine Woche vorzuverlegen. Für diesen
zweiten Teil, als Bericht für sich allein verbucht, ist von einer »Acht« nichts
vermerkt. Es werden aber an dieser Stelle als Ratmänner genannt Hinrich Bult,
Johan Rolfinck, Detlev Voss und Hans Hartmann.
13. 1690
ist Detlev Voss mit 16 Männern in der Acht gewesen. Vier Beschlüsse werden
unter seinem Namen verbucht. Aus der gleichen Sitzung wird gemeldet, daß die 16
Männer weitere drei Punkte »bewilliget« haben. »Und Ties L. Hinrichs ist
in die Acht gewesen.«
Vom gleichen Tage an folgt eine völlig selbständige Eintragung mit dem
Schlußsatz: »Tim L. Hinrichs hat die Acht eingebracht.«
14. 1691:
Bei gehaltener Zusammenkunft von sämtlichen Fleckensleuten bewilligt worden und
sind darauf 16 Männer in die Acht gewesen; Hans Steckmest hat die Acht
eingebracht.
Damit ist die Reihe der
Sitzungen, die von einer »Acht« zu melden wissen, erschöpft. Uns liegt ob,
darzulegen, was es mit dieser Acht auf sich hatte. Der Fall aus 1580 läßt keinen Zweifel, daß die Acht, in
der die Fleckensleute gewesen sind, lediglich eine Umschreibung dessen ist, was
sie stets getan haben in solcher Versammlung: beraten und Beschluß gefaßt. Man
stoße sich nicht daran, daß auch hier der Bericht noch hinzufügt: »und haben
bewilliget«. Diese Doppelung ist in alten Berichten durchaus die Regel. - Wir
werden sehen, daß später der Flecken besondere »Achtmänner« aus der
Mitte seiner Bürger erwählt hat. Der Name ist hergenommen worden aus dem alten
nordischen Volksgericht, das als »Ding« und »Göding« auch in unserm Flecken und
Kirchspiel im 17. Jahrhundert bestimmt noch seines Dienstes gewaltet hat. Dabei
hatten 16, auch wohl 18 Hufner nach Abschluß der öffentlichen
Gerichtsverhandlungen in die »Acht« zu gehen, d. h. das Urteil zu finden, die
Entscheidung zu treffen. In der Ausdrucksform »meines Erachtens« ist noch eine
deutliche Erinnerung an jene überlebte »Acht« lebendig geblieben.
161
---------------------------------------------------------------------------------------
Wir stehen vor der Frage,
ob in den aufgezeichneten Berichten etwa die Ratmänner unter Mitwirkung des
»Ding« oder »Thing« sich betätigt haben. Ist doch hier nicht von einer »Acht«,
sondern auch von Männern, die die Acht »eingebracht« haben, die Rede, ja, in
einem Falle lesen wir: »und ist Ties langhinrichs die acht >befohlen<.«
Bringt sich nicht unmittelbar der »Dingvogt« in Erinnerung, der die Beratung
der erwähnten Achtmänner zu leiten und ihren Beschluß in Form zu bringen hatte?
Gewiß ist, daß die
Ratmänner von Amts wegen mit »Ding und Recht« nichts zu tun hatten;
gewiß ist auch, daß neben den hier berührten Fleckensversammlungen in der Zeit
von 1580-1591 eine Reihe weiterer Sitzungen stattgefunden hat, die durchaus
nach altem Brauch ihren Ablauf nahmen.
Völlig neu aber und seinem
Sinne nach ungeklärt erscheint uns, was es mit dem »Einbringen in die Acht« auf
sich hat und welche Stellung zu den gemeldeten Vorgängen dem jeweils genannten
Manne, dem »Einbringer«, zukommt. Handelte es sich etwa um den übergeordneten
königlichen Kirchspielvogt? 1596 wird der Einbringer als »Ersamer Clawes Maehs«
bezeichnet, und darin könnte man sehr wohl ein Hervorheben über den Bauernstand
erblicken. Dagegen spricht aber, daß Claus als solcher nicht auszuweisen ist, und
ferner, daß die Fälle 3, 4 und 5 in einer Zeit liegen, wo Johann Vaget als
Kirchspielvogt waltete, ohne als Einbringer genannt zu werden. Auch wiederholt
sich das »Ersam« in der Reihe unserer Männer nicht. (Claus Maehs ist sehr
wahrscheinlich ein Vorgänger des im Hufenverzeichnis der Kirche aufgezeichneten
Besitzers der 7. Hufe, Dyderich Maehs, und er kann als Kirchspielgeschworner zu
besonderer Achtung gelangt sein.)
Lassen wir die übrigen
Einbringer passieren, gestützt auf die alten Kirchenregister, chronologisch
geordnet:
1625
Dierck Maehs, für diesen Zeitpunkt nicht im Register vorhanden.
1633 Hans Bulte, Hufner (Nr. 9)
1638 Hinrich Rolfinck,
Hufner (Nr. 5)
1639
Hans Pohlmann, Hufner (Nr. 15)
1649
Gerdt Westphalen, Kätner (Nr. 7)
1650
Hans Finck, Kätner (Nr. 2)
1650 Jochim Stüwen, Hufner (Nr. 13)
1654 Jasper Hennings, Kätner (Nr. 21)
1682 Ties Langhinrichs, Hufner (Nr. 1)
1690 Detlef Voss, Kätner (Nr. 24)
1690
Tim Langhinrichs, Inste (Nr. 36)
1691
Hans Steckmest, Hufner (Nr. 14).
Diese Aufstellung läßt
keinen Zweifel übrig, daß das Einbringen der Acht jedem Fleckensmann freistand,
ohne Ansehen seines Standes. Anders gesprochen: jeder hatte die Möglichkeit,
ein Anliegen vor die Fleckensversammlung zur Entscheidung zu bringen. Daß dies
grundsätzlich innerhalb der Schranken bleiben mußte, die durch die
obrigkeitlich genehmigte Ortssatzung gegeben waren, liegt auf der
162
---------------------------------------------------------------------------------------
Hand. Das gilt auch für
den Fall, daß diese Genehmigung nicht schriftlich vorlag.
Wenn wir im Falle 12
lesen: »Und yst Ties Langhinrich de acht befahlen«, so ist es eine
einmalige Angelegenheit, der schon des ungeschickten Sprachgewandes wegen
schwer ein volles Verständnis abzuringen ist.
Doch verlangt dieser Fall
genaue Beachtung, wie die nachstehende Abschrift erweisen wird.
»Anno 1682 hebben de
blekes lüde tho samen gewesen In den fastlafentt und hebben sick bespraken und
bewilligett, Als sintt se darup tho samen yn der achtt gewesen, Und yst Ties
langhinrich de achtt befahlen wegen stellow piel sin hoffstede, datt dar van
olders her de gerechtricheytt ys by gewesen.
Wenn de hogen Dohrbrügge
gebawett wardt, datt doer des bleckes gueth und ehre fohren, de se nödich
hebben, unwegerlich beneffenst fremde Reisende lud und wagen unvörhindert
fahren late.
Weil solches ys yn getüget
von olden lüden, dat de bleck de gerechticheyt alle tiedt gehadt heilt ofer de
hoffstede.«
Der aufmerksame Leser
sieht folgendes sich abspielen:
1.
Die
Fleckensleute sind in hergebrachter Weise zur Fastnachtszeit versammelt.
2.
Gegenstand
ihrer Beratung ist eine Streitfrage zwischen dem Flecken und dem Kätner Stellau
Piel, der ein vom Flecken beanspruchtes Servitut (Dienstbarkeit) auf seiner
Hofstätte nicht anerkennen will.
3.
Die
Fleckensleute »besprechen sich und bewilligen«.
4.
Darauf
gehn sie »allzusammen« in die Acht.
5.
Alte
Leute werden als Zeugen vernommen.
6.
Das
Protokoll beweist, daß der Flecken obgesiegt hat.
Wenn man annehmen will,
daß in der Beratung beide Parteien sich auf das nachfolgende Verfahren geeinigt
haben, so ist alles verständlich. Praktisch liegt dann allerdings der Fall vor,
daß der Flecken zugleich Kläger und Richter gewesen ist. Man hätte wohl gerade
hier die 16 Männer erwartet.
In der
Fastnachtsversammlung vom 27. Februar 1790 werden lauter Sachen verhandelt, die
bestimmt im Rahmen der Vollmacht der Ratmänner liegen; aber nun sind die 16
Männer da.
Für drei Punkte zeichnet
Detlef Voss, für weitere drei Ties Langhinrichs, und am Schluß liest man:
»Obgedachte Punkte haben
die 16 Männer bewilliget.«
Die letzte in Frage
stehende Versammlung (16. 2. 1691) berührt wohl stark die Grenze des
vorgesehenen Wirkungsbereichs, indem sie den Insten untersagt, eine Hökerei zu
treiben, während den »Alten auf dem Abbescheidt« solches gestattet bleibt. -
Schankstätten oder Handwerksbetriebe zu eröffnen, unterlag höherer Genehmigung.
- Aber hier walteten noch einmal die 16 Männer, um sich damit gänzlich zu
verabschieden.
Nach allem ist nicht zu
beweisen, auch kaum anzunehmen, daß die Hilfstruppe der 16 Männer in Verbindung
mit »Ding und Recht« gestanden hätte, zumal
163
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dieses Volksgericht einen
viel weiteren Wirkungsbereich hatte und die Dingvögte samt den Mannen auf den
Dörfern wohnten. Wenn das alte Fleckensbuch sich ausschweigt über Wahl und
Herkunft besagter Männer, so soll man sich erinnern, daß es ja auch durch ein
Jahrhundert nichts von Ratmännerwahl zu berichten weiß.
Veränderte
Wahlordnung für die Fleckensvertreter
Das Jahr 1717 bringt eine
solche Änderung, die nicht nur die Ratmänner, sondern auch die Achtmänner
betrifft. Bislang sind alle zwei Jahre vier Ratmänner neu gewählt worden. Von
nun an treten jedes Jahr zwei zurück, so daß alle Jahre zwei zu wählen sind.
Auch sind Acht-Männer aus dem Flecken zu wählen. Diese sind als Gehilfen der
Ratmänner gedacht, »mit welchen sie die Fleckensangelegenheiten unter Ordnung
halten können, damit nicht das gantze Flecken alle mahl dar nach die Sachen
sein dürften, zusammen komme«. Hinzu kommt die Bestimmung, daß die Ratmänner
aus dem Kreis der Achtmänner zu wählen sind; somit sind auch alljährlich zwei
Achtmänner zu wählen. Die Zahl der Achtmänner wird nicht genannt; auch findet
man keinen Bericht über deren Wahl, dagegen regelmäßig über die Ratmännerwahl.
- Das Jahr 1722 bringt noch die Neuerung, daß zur Erleichterung der Ratmänner
für die Schauung der Auen »etliche Fleckensleute erkohren werden können«.
Über
die Entlohnung der Ratmänner
gibt das Jahr 1708 die
erste Nachricht. Darüber ist folgendes zu sagen: Der »ganze Flecken« ist
versammelt. Zur Frage steht die Entlohnung der vier Ratmänner, von der bislang
im alten Fleckensbuche nichts laut geworden ist. Einhellig kommt man zu
folgenden Ent- oder besser Beschlüssen:
a)
Jeder
Ratmann bezieht für seine Mühwaltung alle Jahr 9 Reichstaler aus der
Fleckenskasse.
b)
Bei
der Fastnacht abzulegenden Jahresrechnung hat er, gleich jedem andern
Fleckensbürger, sein Zehrgeld aus eigner Tasche zu entrichten.
c)
Hat
der Ratmann seines Amtes wegen außerhalb des Ortes sich zu betätigen, so steht
ihm dafür ein Tagegeld zu, und zwar 1 Kurantenmark, wenn er seine Sache zu Fuß
erledigt, und 8 Schilling mehr, wenn er dabei ein Reitpferd benutzt.
d)
Das
»Schaugeld« und das »Schüttegeld« mögen die Ratmänner, denen beide
Einnahmequellen einige Mühe auferlegen, nach Belieben anlegen, wie schon bisher
geschehen.
e)
Das
von den Insten (Mietern) um Fastnacht zu zahlende, vom Hauswirt zu verbürgende
Verbittelsgeld in Höhe von 1 Mark lübsch ist für die Fleckenskasse zu
verrechnen, steht also nicht den Ratmännern zu.
164
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DIE
FLECKENSVERTRETER AM WERK
A
.Als Gesetzgeber
Zur eingangs gegebenen Tafel der überlieferten
Satzung fügen wir in chronologischer Ordnung die neugeschaffenen Ortsgesetze
hinzu.
1.
1566.
Ein Fleckensbewohner, dem der Heuhandel freisteht, er sei Hufner oder Kätner,
darf nach Michaelis kein Heu außerhalb des Fleckens gewinnen oder kaufen,
sondern er hat es vor Michaelis einzufahren. Wer diesen »Verdrach modtwilliglyk
öwertreden deit«, der hat ohne jedliche Gnade dem Könige 60 Mark lübsch und dem
Flecken eine Tonne Hamburger Bier zu geben, »Tho bekrefftinge der Wahrheit,
datt düth bawen geschrewene eyndrechtichlik ihngan und bewilliget is, is dar
ahn unnd öwer gewesen der Erbare Jürgen Vageth...« - Als Einbringer wird
genannt der Ersame Dyrck Rolefink.
2.
1580.
»Wenner de heysik (Buchwald) geheget (geschont) wardt, so schall kemandt
(niemand) syne perde tüdern im heysike, sundern wenner ener de plech geforret
hefft in syn stücke, so mach he dat gras dar aff hoeden, by dage, awerst nicht
des nachts darup hoeden edder tüdern.« Folgt Strafandrohung: 1 Tonne Bier für
die Herrschaft und desgleichen für den Flecken.
3.
1580.
In der Hasseloge (Haselbuschwald) darf weder Hufner, noch Kätner oder Inste
Busch hauen. Strafe: 60 Mark und 1 Tonne Bier. Zusatz: »Woll (wer) awerst
solckes seege und idt vorsweege undt idt nicht apenbarde, de schall tho gelicke
von dem Blecke in straffe genommen werden.«
4.
1591.
Der Busch »umb her bi der Schmalowe« soll geheget werden; niemand darf dort
Busch hauen. Strafe: 60 Mark und Bier.
5.
1596.
Niemand soll Heu im Slump (ohne Feststellung des Gewichts) oder in großen
Fuhren verkaufen, sondern wie vorhenne (früher) in kleinen Fudern. -
Strafandrohung: 24 Schilling und 1 Tonne Hamburger.
6.
1607.
Kein Fleckensmann soll Holz haben oder es von den Ratleuten fordern, es sei
denn, daß er ein ganz neues Haus bauen wolle.
7.
Wiederholung
von Nr. 1 der ersten Tafel. (1625.)
8.
1631.
Niemand soll auf seiner Hofstelle eine neue Feuerstätte machen. Aus genommen
ist der Fall, daß jemand für seine Eltern ein neues Abschiedshaus bauen läßt;
doch ist nach dem Tode der Eltern die Feuerstätte wieder abzuschaffen. -
Strafandrohung: 50 Mark lübsch und Hamburger Bier.
9.
1631.
Wenn das Korn gemäht ist und auf den Kampen liegt, soll sich niemand
unterstehn, dort mit Pferden, Kühen, Schafen, Schweinen oder Gänsen zu hüten,
ehe und bevor der letzte Blekesmann sein Korn im Hause hat. - Strafandrohung.
10.
1631.
Es wird untersagt, auf eines andern Kornfeld zu harken oder Ähren zu lesen;
auch ist niemand berechtigt, einem andern das Harken zu erlauben. - Strafe
etwas gelinder, nur 1 Tonne Hamburger für den Flecken.
11.
1631.
Die Bleckes Lüde verbieten solchen Insten, die mit einem anderen am gleichen
Herde wohnen, daß sie Schweine, Pferde oder Schafe halten. - Strafe: 1 Tonne
rotes Bier.
165
---------------------------------------------------------------------------------------
12.
1633-
Beschlossen up Allerheiligen: Der Hufner darf 20, der Kätner 10, der Inste 5
Schafe halten. Überschreitung kostet: 1 Tonne Hamburger Bier dem (Landes-)Herrn,
dem Flecken 1 Tonne rodes Bier.
Anmerkung: Wie solches dem
»Herrn« zu übermitteln sei, wird nirgends angedeutet.
13.
1638.
Den Hufnern und Kätnern wird untersagt, ihr Buschteil an einen Insten zu
verheuern oder Schächte darin hauen zu lassen; in gleichen macht sich strafbar,
wer einen Teil seiner Wiese verheuert an einen Insten oder Knecht.
14.
1639.
Niemand soll Plaggen hauen auf (Acker-)Stücken oder Wennigen, er habe denn
zuvor bewiesen, daß er es gepflügt hatte. - 1 Tonne Bramstedter.
15.
1649,
den 17. März. »Eindrechtig ist bewilliget, so ferne alse ein Inste sick
unerstünde, he sy hußwerdt oder sy mit einem andern by den Buer, dat he von des
bleckes gemeen holt, oder des bleckes gemeen Busch houwe, oder van ander lüde
wischen effter (oder) Korn Recke edder tunbusche nehme, so veel alse he bören
oder dregen kan, so schal he den blecke gewen ein Rickes Daller un dem Herrn
ein halven Rickes Daller ahne Gnade.«
17.
1650.
Keiner soll sich unterstehn, auf des Fleckens Auen zu fischen. - Strafandrohung
wie 14.
18.
1650.
Wenn einer befunden wird:
a.
datt
he midt der Heidlehe Plaggen meyede,
b.
datt
he Plaggentörff gröffe,
c.
datt
he sin Reddertun nicht ferdich hoeldt, datt sin Naber darvon schaden kriechet,
de schallen:
dem Flecken im Falle a)
und b) eine Tonne Bier und im Falle c) einen halben Reichstaler, außerdem dem
Herrn in den ersten beiden Fällen je ½ Reichstaler.
19.
1650.
Einleitung wie bei 18.
a.
datt
he dem Koeharder und Swinloper oder schütter vor by gan lehte,
b.
den
Koeharder oder sin folmechtigen boden (Boten, Gehilfen) nicht mitt deyet (das
Vieh oder den Lohn nicht mitgibt),
c.
dat
harde und swin loen nicht richtig gifft, de schall dem Flecken gewen 1 Mark
lübsch, im Falle c) ½ Reichstaler.
20.
1650.
Es wird schlechthin untersagt, Schweine »up der Mäste to nehmen«. (Man darf
wohl hinzufügen: für andere.) Diesmal ist wieder die Tonne Bier das
Abschreckungsmittel.
21.
1690,
den 27. Februar, fallen die Gesetzesvorschriften wie Hagelwetter auf die
Fleckensbewohner:
a.
Wenn
die Mast geheget werden sollen, dürfen Pferde und Kühe nicht im Holze weiden.
b.
Die
Pferde sollen von den Rennen und Wennen, auch aus den Mohrstücken, aus
dem Graben, wegbleiben; wenn Maitag vorbei ist, soll niemand Vieh aus dem
Kirchtor treiben und auch nicht des Nachts dort Pferde oder Ziegen hüten.
c.
Die
Knicke und Zäune auf den Lohstücken und Reepen, auf der gemeinen Weide
überhaupt, sollen unsträflich gemacht werden. Zu bestimmter Zeit soll
166
---------------------------------------------------------------------------------------
dreimal im Jahre Schauung
stattfinden: drei Wochen vor Maitag, 14 Tage vor Maitag und auf Maitag. Wer
»geschaut« wird, hat zu zahlen: zum erstenmal 2 Schilling und bei Wiederholung
4 und 8 Schilling.
d.
Nach
Maitag sollen auch keine Kühe »aus dem Kirchdohr gehen«.
e.
Die
Aue soll drei Wochen nach Maitag und 14 Tage vor Johanni »ausgemeyet« werden
und ist auf Jakobi noch einmal zu reinigen. Jeder hat für seine Wiese
aufzukommen. Nichterfüllung trägt 4, im zweiten Falle 8 Schilling Strafe ein.
f.
Der
Kuhhirt soll von Martini bis Mariä Verkündigung einen Boten, und darnach bis
Martini zwei Boten haben.
g.
Wer
sich weigert, auf die Reihe zu hüten, »wann der Kuhhirt sie ansaget«, fallt in
Strafe mit 1 Tonne Bier.
h.
»Wan
der Kuhhirt ein oder Ander vorbey gehn wollte und sie nicht ansaget,« hat er
zur Strafe ½ Tonne Bier dem Flecken zu geben.
i.
Niemand
soll mehr als 10 Schafe halten und keins für einen andern: wer gegenwärtig mehr
hält, kann sie bis Michaelis behalten und muß danach den Schäferlohn zahlen. -
»Segen und Segenböck« soll niemand halten; vorhandene sind auf Mariä
Verkündigung (25. März) abzuschaffen. - Nach Michaelis werden die Schafe
gezählt. - Von Mariä Verkündigung bis Bartholomäi darf kein Schäfer aus dem
Kirchtor hüten. Auf Korn- und Wiesenland darf der Schäfer überhaupt nicht
hüten, es sei gefroren oder nicht. Wenn aber doch jemand solches eräuget und es
den Ratmännern nicht sagt, so droht ihm eine Bestrafung mit 1½ Mark, und
der Schäfer hat 1 Tonne Bier zu bezahlen.
j.
Wer
sich untersteht, mit Gewalt den Leuten ihr Gras oder Korn abzuhüten, hat dem
Flecken 1 Tonne Bier zu geben und außerdem den angerichteten Schaden zu
ersetzen.
22.
1691.
Den Bey-Insten (s. unter 11) ist nicht erlaubt, Busch und Schächte zu hauen,
Stubben auszuroden, ingleichen Loh zu reißen oder gar Lohhandel zu treiben. -
Strafandrohung 1 Tonne Bier.
23.
1696.
Die Fleckensleute haben das Bramstedter Holz unter sich aufgeteilt und
beschließen nunmehr folgendes zum Schutze ihres Eigentums: Kein Bramstedter
Hofbesitzer darf in eines andern Holzteile, kein Einwohner des adeligen Hofes
oder des Kirchspieles darf in einem Bramstedter Holzteil einen Baum, einen
»Tilgen«, Hoch- oder niederen Busch, noch das geringste hauen oder sich mit
einer Axt oder Beil darin finden oder sehen lassen. »Allermaßen der, er sei
auch, wer er wolle, wer darin erfunden oder ertappet wird, der soll zum ersten
Ihrer Königl. Majestät 10 Reichstaler und dem Flecken 2 Tonnen Bramstedter Bier
geben, zum andern das Zweifache, zum drittenmal aus Ämbtern, Gilden und andern
ehrbaren Zusammenkünften verstoßen und ausgeschlossen werden.
Diesem Gesetze, dem offenbar
besondere Wichtigkeit beigemessen wurde, und das im Punkte der
Rechtsfolgen über das Weichbild des Fleckens hinausgreift, gibt der
Kirchspielvogt durch untersiegelte Nachschrift noch seine besondere Weihe. Wir
lesen: »Wird hiermit und Bey Vermeidung angezogener Straffe denen sämbtlichen
167
---------------------------------------------------------------------------------------
Einwohnern dieses Fleckens
Königl. antheils im nahmen Ihrer Königl. Majestät anbefohlen, denjenigen,
welchen Sie hierüber ertappen oder begehen werden, Er sey auch wer Er wolle,
bey mir zu unters Benahmten sofort anzugeben, damit der Übertreter dieses,
andern zum exempel, gebührlich davor gestrafft werden möge. Wornach sich alle
diejenigen, so es angehet, zu richten und für Schaden zu hüten haben.
Bramstedt, den 18. Februar
1696.
Detlef Averhoff
Kirchspielvogt
hieselbst.« Nachtrag in gleicher Handschrift:
»Diese Beliebung ist den
23. Febr. als am Sonntage öffentlich von der Kanzel durch unsern Herrn Pastor
gelesen worden.«
24. 1698. Es wird
jedermann verboten, »in der gemeinen weyde Plaggen zu hauen, weil der weyde
darnach abbruch und schaden erwachset.« Zuwiderhandlung wird mit einer »bütten
Tonne Beer« bestraft.
Doch wird hierbei
vergönnet, im Moor mit der Heidt Lehn Moor Bulte zu hauen (siehe Nr. 18).
25. 1717. Alle Knicks und
Zäune außerhalb des Kirchtors sollen festgemacht und in Schau genommen werden,
wie bislang schon beim Hohentor geschehen. 26.1723. Die Reinigung und die
»Schau« der Auen wird in Erinnerung gebracht. Möglich, daß einem Leser und mehr
noch einer Leserin diese Reihe von Gesetzen etwas zu lang erscheint. Wenn man
aber bedenkt, daß die lieben Vorfahren zwei Jahrhunderte ihrer Ortsgeschichte
dadurch illustriert haben, so ist jeder Zorn ausgeschlossen.
B.
Als Richter
Soweit die Fleckensleute
unter Leitung ihrer Ratmänner Ortsgesetze geschaffen haben, lag den letzteren
auch das Strafen der Übertreter ob. Nur wenig Nachricht über diesen Zweig ihrer
Betätigung liegt vor. Es berührt den Nachfahren sympathisch, zu erkennen, daß
die würdigen Herren Milde walten ließen; denn das möchte ein Zeichen dafür
sein, daß solche Übertretungen keineswegs sich gehäuft haben. Also wir lesen
Seite 44:
»Johann Stekmest hefft
Plaggen hauen up der Wege horst, dor de Börne stunden; darvor hefft he
dem bleke gewen 1 halbe tonne Bramstedter Beer; Hans Lindemann hefft Plaggen
hauen up den Botter Kamp, darvor hefft he Johan Stekmest tho helpe geben
Möethen (müssen). So geschehen im Jahre 1639.
Da nach Nr. 14 unserer
Gesetzestafel Johann und Claus mit je einer Tonne dem Flecken zu büßen hatten,
liegt die Gnade zutage. Freilich haben Ties lang Hinrich und Johan Roelfinck in
gleicher Weise den »blekesgrund« beschädigt und haben dafür Strafe geben
müssen. Doch trug sich das elf Jahre später zu, so daß von nachteiliger
Auswirkung erwähnter Milde nicht die Rede sein kann.
168
---------------------------------------------------------------------------------------
Doch konnte es geschehen,
daß auch hier die Strenge des Gesetzes zur Geltung kommen mußte.
1746 war den Anliegern der
Befehl geworden, den Au-Kamp zu befriedigen. Jochim Carstens, Karl Grim, Hans
Meyer, Witwe Bluncken, Johann Steckmest, Arend Wulff, Marx Schümann und Lorenz
Köster kommen ihrer Pflicht nicht nach. Die Sache zögert sich sechs Jahre hin.
Dann ergeht auf Königlichen Befehl durch den Amtmann Grafen zu Stollberg an
Genannte die Aufforderung,
»bei Vermeidung
willkürlicher Strafe noch heute besagte Befriedigung zu gleichen Theilen zu
machen und denen Rathmännern die ihnen deshalben angeuhrsachten Kosten zu
erstatten.«
Bramstedt, den 2. Juni 1752
In
Vollmacht H. TM.
C.
Als Verwalter von Grund und Boden
Um 1530, mit welchem
Zeitpunkt das Fleckensbuch seine Niederschriften aufnimmt, bestand die
Fleckensgemarkung noch unangetastet; von einem Gute innerhalb derselben war
nichts bekannt. Ausgelegt war aber eine Hufe für die Kirche und desgleichen für
die Kirchspielvogtei. Von Schulland und Bauervogtskoppel verlautet nichts.
Heide, Weide, Wald und Ackerland waren noch Gemeingut. Seltsam berührt es, daß
das Protokoll mit keinem Worte der um 1541 einsetzenden Abtrennung von Hufen an
das spätere adelige Gut Erwähnung tut. Doch zur Sache.
1.
1551.
Der Flecken überläßt »den Kamp baben den Weddelbrok« an Jasper Stüwen in Heur
(Pacht); er hat den Kamp so einzufriedigen, daß Pferde und Kühe nicht darauf
kommen. Soferne er das tut, hat ihm der Flecken 1 Tonne Bier wieder zu geben,
und der Kamp bleibt liegen. (Ganz klar ist nur, daß es sich um Fleckensgut
handelt.)
2.
1565
verzeichnet das Fleckensbuch einen sehr feierlichen Tauschvertrag, der
unverkürzt wiedergegeben wird:
»Ihn dem Jahre nha Christi
unseres Selichmakers geborth, alse mahn schreff Eyn dusendt vyff Hunderth viff
und Söstich, hebben sick de Blekeslüde tho Bramstede ordragen mit Marquardt
Eelers tho Bramstede also, dath M. E. den Blekeslüden gedan hefft Twe Blöcke
landes dorch den dicken Böschen, darvor hebbt ehm de Blekeslüde gedhan eynen
kyll acker dorch den dünnen Böschen, und dithsülwige eyn ewich vordracht syn
twyschen den Bl. Lüden und M. E. sampt synen nhakamelingen, de darup wanen. -
Is gescheen des Mandages nha Sankt Sebastiani Fabiani ihm Jhare alse bauen
(oben) vormeldeth.
Claues
hardebeck Markus steckmest
Hinrich
rolefinck Christoffer Hamerich.«
3.
1568.
Jürgen Vageth, derzeitiger Kirchspielvogt, bekennt mit eigener Hand(schrift):
»dat ick van dem blecke bramstede hebbe ene stede bekamen tho enen kolhawe
achter ditrich slüters huse for mich und mine erwen; ych hebbe mich
169
---------------------------------------------------------------------------------------
widder vorpflichtet, da
yck nihn (nie ein) huß wyll edder schal up de stede bawen laten. Hir pfor hebbe
ych dem pleke gewen ene thunne rodes beer.« (Also Veräußerung.)
4.
1584
pachtet Markert Elers den Bollen Rep, wofür er jährlich »up S. Nicolaye« 26
Schilling zu entrichten hat. Dieses Stück Weideland lag vor dem Assbroke; am
Fastlabend 1591 übernehmen es Claus Folster und Eggert Westphalen, und jeder
hatte 13 Schilling Pacht zu zahlen.
5. Ohne
Datum: Als Vermächtnis des Marquart Schramm und seiner Ehefrau ist dem Flecken
»de stede vor dem hogen Dore« mit der Kate zugefallen.
Die
Ratmänner überlassen das Erbe an Eggert Westphal, »dat he up scholen buwen und
dem Bleke dar vor alle Jar gewen 16 Schilling, und schole den rönnebaum (Schlagbaum)
sunder versümnisse up und tho slüten. By sodannen beschede schole he sampt
syner fruwe und kindern na em dar rowlich (ruhig) uppe bewanende bliewen.«
(Erbpacht).
6.
1589.
Die Fleckensleute geben den Alkweg in Erbpacht an Claus Wischmann für 3 Mark
jährlich. Solange er und seine Erben diese Heur richtig zahlen, sollen sie den
Alkweg ungestört nutzen.
Durch ein Jahrhundert
schweigt unser Buch von derartigen Vorgängen; aber danach werden noch einige
Fälle kund von Tausch und Verkauf, die sich mit Fleckenseigentum befassen.
7.
Der
Caspel Voigt tritt ein Stück Landes Vor den Mohrstücken, genannt das Lange
Stück, an den Flecken ab, »selbiges zu ewigen Zeiten in der Weide zu liegen
bleiben, wogegen das fleck einen orth landes gethan, bei dem Widtrehmen gelegen.«
- Dem Kirchspielvogt verbleibt von seinem Land, was an Knick und Busch daran
vorhanden ist.
8.
1712.
Claus Wulf gibt seine Achter Wiese, so zwischen Herrn Oberberghauptmann von
Grothen und Jasper Stüfen, Rademacher, belegen, an den Flecken ab, und
»soll solche Wiese hinführo zu die Bollen gebraucht werden. Dagegen gibt das
flecken an Claus Wulf die so genannte große Bollen wiese nebst die Kleinen
Bollen Wiese, so bei Hans Götschen sein Häncken Brock belegen, beide auf die
Schmalfelder Au.« Hierbei verpflichtet sich Claus Wulf, daß er »die Wiese vor
Gespante Pferde und Kühe will fest machen.« Von beiden parten ist (zur
Bekräftigung) Arm Geld ausgegeben.
9.
1713.
Das Kuhl Blick »auf der Schmalfelder Aue«, das Tim Westphalen bei Zeit seines
Lebens gebraucht und genossen hat, ist nach dessen Tod wieder an den Flecken
gefallen. Nun verkaufen es die bevollmächtigten Ratmänner »erb Eygen thümlich«
für 171 Mark lübsch und »eine bükte Tonne« Bier an Jürgen Runge und seine Erben.
10. 1722. Tausch und Kauf. Der Flecken überläßt »die Kleine Bolnwiese,
über die Bracks Höffe belegen«, an Marx Delfs als Erbeigentum. Marx D. gibt
dafür dem Flecken die sogenannte Humwehr, »zwischen die Beiden boln blicke
belegen.« Darauf resolviert der Flecken, die obbenannte (?) Wiese samt dem angetauschten
Ort, an den Meistbietenden zu verkaufen. »Den höchsten Both hat Marx Steffens
170
---------------------------------------------------------------------------------------
gethan«, und so wird er
erbeigentümlicher Besitzer für den Preis von 418 Mark und eine Bükte Tonne Bier.
»Solches wird hiemit
Unsere Nachkommende zur Nachricht diesem Fleckensbuche einverleibt und zu
Steuer der Wahrheit von den p. t. Rathmännern unterschrieben.«1)
11. 1723. In öffentlichem
Aufgebot verkauft der Flecken den Heideknüll bei der Brackshöve an Gotthardt
Lesau für 2 Reichstaler 6 Schilling lübsch. Käufer verpflichtet sich, die
Bracks Höve von nun an jederzeit untadelhaft zu befriedigen, auch den Schlagbaum
samt zugehörigen Recken über die Aue zu unterhalten. Er und seine Erben
können »quit und frei« den genannten Knüll sich nutzbar machen. Sollte aber
»etwa über kurtz oder lang die von ihm versprochene Befriedigung nicht in gutem
Stande gehalten werden, sodan (hat er) den gekauften Ohrt ohne entgelt sofort
wieder liegen zu lassen.«
Gleichzeitig ist die
sogenannte »Strietkamps Kuhl«, - zwischen die Grabens — für 27 Mark dem Detlef
Lück zugeschlagen worden; er kann damit völlig frei schalten und walten.
Auch hat der Herr Interims
Administrator Johann Wilhelm Janeke vom Flecken für 4 Mark den »Anschuss von
der Strietkamps-Kuhle, so im Norden und Osten jenseit des Grabens belegen«, zu
völlig freiem Eigentum erworben. Endlich hat Andreas Wittorf den Anschuss im
Westen genannter Kuhle, außerhalb des Grabens, für 3 Mark als völlig freies
Eigentum sich zu eigen gemacht.
D.
Als Vertreter der Fleckensrechte
Über Entstehung und Natur
der Fleckensgerechtsame wird in einem besonderen Abschnitt berichtet.
Anzuerkennen und zum Teil rührend ist der Eifer, mit welchem die Ortswalter
sich für die Erhaltung dieser »Gerechtigkeiten« eingesetzt haben. Das wird
besonders sichtbar in folgender, aus der Zeit der »Schwedischen Bedrängnis«
stammenden Bekundung. Sie folgt hier wörtlich.
1. »Anno 1627 den 24. Juni
hebben de Ehrsamen und vorsichtigen 4 dahmaligen Vorstender undt Rathmänner des
Bleckes Bramstede, als Hans Bulte, Clawes Hardebeck, Clawes Stekemis und Marx
Folster, dorch ere undertheniges undt veelfoldiges anholendt bey Ihre Fürstl.
Durchlaucht dem Erwehlten Herrn Prinzen Christian dem Vofften tho Segeberg als
ihrem gnedigsten Fürsten und Herrn erlanget und bekamen: Die Confirmation undt
Vorerwenung erer Uhrolden Privilegien und Gerechticheitt, so ere Vorfahren von
eren allergnedigsten König und Herrn Christmilder gedechtnuß Christiano dem
Drüdden im voffteynhundersten und dre und drüttigsten Jahre na Christi unsers
Heilandes Gebordt gegewen2) - tho mehrer nachrichtungh und
erinnerungh erer Kindes Kinder,
____________________
1)
Anmerkung. Leidet hat der Chronist zur Steuer der Wahrheit zu melden, daß
sotane Unterschriften nicht vorhanden sind.
2)
Hier irren sich die Ratmänner: Christian III. hat die Gerechtsame nicht
gegeben, sondern nur bestätigt.
171
---------------------------------------------------------------------------------------
Dat Se, wast er (ihnen)
von obgenannten veer Rattmännern erworben und erholden, dorch ere Versümenus
nicht mögen verlehren, sundern datsülwige bey einem Iglichen (jeden) Thron
Antridt regierenden Konigh und Försten laten Confirmiren und solches ock
erenNahkomligen mögen wedderumbalß ein Deellerer besten Zydtlichen wollfart
erwen undt vorlewen (erleben, genießen) - Fl. Buch S. 35.
2. Anno 1711
verlautet zum letztenmal von dieser Bestätigung, wenn auch in stark verkürzter
Form:
»Ihre Privilegien haben
sie bey dem itzigen Herrn Etats Rahte und Amtmann von Hannecken Confirmiren
lassen, welches ein jeden zur Nachricht dient.«
3. Als der
Gutsbesitzer Kielmannsegge die bürgerliche Freiheit der Fleckensbewohner
antastete, haben die Fleckensvertreter, an ihrer Spitze Jürgen Fuhlendorf, ihre
Rechte tapfer und hartnäckig verteidigt. Darüber gibt Fuhlendorfs eigener
Bericht hinreichende Kunde.
E.
Als Verwalter der Finanzen
Von den Jahresrechnungen,
die in der Fastnachtversammlung vorgelegt werden mußten, ist keine erhalten
geblieben. So wissen wir von den Finanzen des Fleckens wenig. Das erste Blatt
des Fleckensbuches verrät, daß die Blekeslüde jährlich »thom schatte« an den
König in Summa 14 Mark und 6 Schilling und 6 Pfennig zu zahlen haben. So stand
es im Jahre 1530.
Das alte Fleckensbuch
bedient uns noch mit folgenden Nachrichten, die Ausgaben betreffend.
Anno
1579 dem Amtsschreiber (für den König) gegeben:
Schatt.................................................................................................
10 Riksdaler
Noch
Jarliken
Schatt........................................................................
7 Riksdaler
Rüme
Geld..........................................................................................
3 Riksdaler
Anno
1623, 1624 und 1630 ebenso, dazu noch 1624: 17 Schilling 3 Pfennig und
1630:
18 Schilling (ohne Bezeichnung der Steuer).
1661
Königl.
Schatt........................................................................................
10 Riksdaler
Noch
jährlicher
Schatt...........................................................................
7 Riksdaler
Rüme
Geld.............................................................................
2 Mark 4 Schilling
Noch
gegeben.......................................................................................
18 Schilling
Bis 1664 bleibt diese
Rechnung unverändert.
Über die Einnahmen liegen
folgende Angaben vor:
Nr. 2 der ersten
Gesetzestafel weist nach, daß um 1530 jeder Inste jährlich 1 Mark
Verbittelsgeld zu zahlen
hat.
Seite 271 des
Fleckensbuches gibt die einzige Übersicht über die Verpflichtungen der
Fleckensleute, indessen ohne Datum. Aber Rotker Lindemann, über den an anderer
Stelle genau Kunde gegeben wird, hat die Ehre, hier als Einziger der
Pflichtigen genannt zu werden, und so ist es möglich, die Sache auf etwa 1650
zu datieren. Wir sehen:
172
---------------------------------------------------------------------------------------
Der Hufner gibt
alle Jahr 1 Mark lübsch, »worvon 3 Schilling tho körten hefft ahne dejenigen,
so Rüm und Bollengeldt uthgewen.«
»Noch moet de Köetner
gewen 10 Schilling.«
»Noch de Insten 1 Mark 8
Schilling.«
Danach sind die Hufner am
geringsten belastet und die Insten am stärksten, letztere dem Anschein nach
auch um 50% mehr als 1530. Dies letztere trifft sachlich nicht zu, weil im
Laufe der Zeit die Mark dem Reichstaler gegenüber sehr im Werte gesunken war.
Zum andern hatten Hufner und Kätner weitere Lasten zu tragen, der Inste dagegen
nicht.
Es stehen noch zur Frage das
Jagdgeld, das Kalkgeld, das Rümgeld und das Bollengeld.
Wir entnehmen unserer
Quelle noch folgendes:
»Wenn de hovener de 2 Mark
uth gedan dem Herrn Ambtschriewer alß Kalk und Jachtgeld, so gewen de Koetener
10 Schilling.«
Das Rümgeld ist eine
Abgabe, die der Inhaber eines Verkaufsstandes auf dem Jahrmarkte an den Flecken
zu entrichten hatte. Darüber liegen zwei Verzeichnisse vor, das älteste
bestimmt vor 1570 niedergeschrieben, das andere mit 1637 datiert.
Wir lassen beide folgen.
Rümellgeldt
so de
Bleckeslüde
tho gewen
tieß
gossow............................................................................................................
1 Schilling
Eggert
Bulte........................................................................................
1 Schilling 4 Pfennig
Hinrich
Stammerjohann........................................................................................
18 Pfennig
marten
Rower.........................................................................................................
18 Pfennig
Dirick
Rolefinck.............................................................
_________________ 18 Pfennig
lüdteke Marquart
stekemest........................................ .................... 1
Schilling 4 Pfennig
Jochim Karbs (Krebs
?)........................................................................................
18 Pfennig
Markes
Folster....................................................................................
1 Schilling 4 Pfennig
marquart
schomaker..............................................................................................
1 Schilling
Jürgen Bruns
..............................................................................................................
1 Mark
»Von dissem gewen de
Bleckes Lüde dem herren 24 Schilling alle Jar.«
Anno
1637 Rümgeld
Claves
horn....................................................................
........................................ 6 Schilling
Johan wischmann......................
1½ Reichstaler =.............................. 2 Mark 4 Schilling
Steffen Brun
............................................................................................
1 Mark 8 Schilling
hans
fers.................................................................................................................
18 Pfennig
Johan Bartels
....................................................................................
6 Schilling 6 Pfennig
hans
Röwer.........................................................................................
3 Schilling 6 Pfennig
hans
Rolfink........................................................................................
2 Schilling 6 Pfennig
173
---------------------------------------------------------------------------------------
Johan
Stekmest...............................................................................
2 Schilling 6 Pfennig
Markes
lindemann................................................................................................
18 Pfennig
Dirick
folster..........................................................................................................
18 Pfennig
De Pastore gifft vor de
Instensted............................................... 4 Schilling
6 Pfennig
hinrich
splidt....................................................................................
2 Schilling 6 Pfennig
hannes
buldt.........................................................................................................
18 Pfennig
Claves
wischmann..........................................................................
7 Schilling
Diese beiden Listen legen
Zeugnis davon ab, daß der Bramstedter Markt bereits vor der Konfirmation der
Bramstedter Gerechtsame aus dem Jahre 1652 bestanden hat. Wer Freude am Rechnen
hat, wird auch bald feststellen, daß das Rümgeld im zweiten Bericht recht
erheblich gestiegen ist gegen den ersten und älteren, obgleich der zweite aus
der Zeit des Dreißigjährigen Krieges stammt. Das Jagdgeld dürfen wir
ansehen als Ablösung der ehemals den Bramstedtern obliegenden Verpflichtungen,
Dienste zu leisten, wenn die hohen Herrschaften in hiesiger Gegend ihr
Jagdrecht ausübten.
Das Kalkgeld sollte
den Bramstedtern den Bezug von Segeberger Kalk sichern und ging daher am
meisten die Hufner an.
Das Bollengeld, nach
den ältesten Listen zwischen 3 Schilling bis zu 13 Schilling jährlich stehend,
bedarf weiterer Erklärung nicht. Hier sei nur noch hinzugefügt, daß diejenigen,
»welke den Bollen von de hoefeners hebben, alle Jar 22 Schilling kriegen.« Auch
dieses Geld ging durch die Hand der Ratmänner. Von einem Nachtwächter verlautet
bis 1749 nichts; hier darf eine Versäumnis vermutet werden. Der »Schütter« ist
wiederholt erwähnt, und es war allgemein Übung im Kirchspiel, daß man Schütter-
und Nachtwächteramt miteinander verband. Nachtwächter und Hirten waren darauf
angewiesen, sich ihren Lohn oder sonstiges Guthaben persönlich von Haus zu Haus
abzuholen. Schule und Armenpflege waren derzeit Sache der Kirche.
Am Schluß geben wir noch
ein paar Buchungen aus undatierten Tagen, die ebenfalls die Finanzen berühren;
nach unserer Kenntnis muß angenommen werden, daß die hier genannten Beträge für
Nutzung von Fleckensgut gezahlt werden.
1.
Hans
eggert, de dor want buten dem Hogen dore, dar vandages hinrik stökers up
gewanet hefft, gyft jarlikes dem Bleke tho hülpe thom Konnichschatte 7
Schilling.
2.
Tyes
plate dagleichen vor den Alkesgro1) 6 Schilling.
3.
Jasper
Stüwingh desgleichen vor de wischen vor der Brokow 4 Schilling.
4.
hinrick
Jorck desgleichen 4 Schilling.
5.
Pavel
Smyth desgleichen vor de wysch vor der kolhow 3 Schilling.
6.
Claves
stekemest desgleichen von dem kolhowe (Garten) by dem strytkampe 2 Schilling.
7.
Claves
wischmann By dem Born für den kolhoff 4 Schilling 6 Pfennig.
__________________
1)
Anmerkung. Das unter 2. genannte Gut stimmt wohl überein mit dem später als
Alkrog bezeichneten; unter 4. fehlt die Bezeichnung der Sache.
174
---------------------------------------------------------------------------------------
F.
Tafel der Bramstedter Ratmänner
Die um 1530 amtierenden
sechs Männer sind uns eingangs bekannt geworden. Hier folgen die Namen der
Männer, die nach ihnen bis zum Jahre 1749 hin die Fleckensverwaltung in Händen
hatten. Jedem Namen ist, soweit das möglich ist, das Jahr ihrer Wahl beigefügt
worden. Nur in vier Fällen - 1565, 1627, 1671 und 1693 - wird lediglich die
Tatsache des Amtierens angezeigt.
1565
Klaus Hardebeck Markus Steckmest Hinrich Rolefinck Christoffer Hamerich
1627
Hans Bulte Klaus Hardebeck Klaus Stekmest Marx Folster
1631
Klaus Hardebeck Hinrich Rolefinck Marquart Steckmest Christoffer Hamerich
1661
Hans Fulendorp Klaus Maes Frenß Hardebeck Albert Bartels
1673
Harm Götsch Hans Hardebeck Mattias Böttiger Jasper Henniges
1676
Ties Langhinrichs Jürgen Fuhlendorf Carsten Toede Jasper Wulf
1679
Hinrich Bult Johann Rölfinck Hans Hartmann Detlef Foss
1682
Jürgen Fuhlendorf Hans Hardbeck Carsten Toede, gest. Jasper Fölscher
Claus Voss (für Toede)
1690
Hartwig Fölster Johann Pohlmann
1690
Hans Hardebeck Behrnt Lechell
16901)
Ties Langhinrich Claus Mass Jasper Stüven Marx Westphalen
1693
Jürgen Fuhlendorf Detlef Voss Hans Verst Hans Steckmest
1694
Thomas Thomsen Christian Hamerich Johann Wolters Hans Langhinrichs
1696
Hans Fulendorf Hinrig Körner Arend Wulff Hinrich Stelling
1698
Jürgen Fuhlendorf Claus Steckmest Jasper Fölster Claus Maehs
1700
Tim Langhinrichs Marx Westphalen Bartelt Ditmer Hinrich
Stöcker
1702
Claus Boy Hans Stüven Jochim Stüven Marx Stekmest
1704
Peter Wischmann Johann Langhinrichs Johann Hartmann
Christian Albrecht Bartels
1706
Hans Mohr
_____________
1) Soll
wohl 1692 sein.
175
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1706
Jürgen Rungen, Andreas Harders, gest., Andreas Wolters
1708
Casper Harm, Bostel Jasper Stüven (Rademacher), Frenß Fulendörp, Dirck
Mahs
1710
Hans Wulff, Lorenz Behrens, Hans Fuhlendorf, Marx
Finkenbrinck
1712
Marx Westphalen, Hans Götsch,e Dirck Brömmer, Marx Lindemann
1714
Jochim Stüven Christian, Albrecht Bartels, Jasper Fock,
Claus Preuss
1716
Albrecht Wischmann, Marx Finkenbrinck, Marx Steckmest,
Andres Wittdorf
1717 Hans
Götsche, Claus Feerse
1718
Hans Mohr, Johann Hamerich
1719
Claus Ratgen, Casten Stamjohan
1720
Hans Fuhlendorf, Jochim Feerst
1721
Johan Hartmann, Hartig Stüven
1722
Albrecht Wischmann, Hans Fölster
1723
Johann Hartmann, Claus Boy Hogedoor
1724
Jörgen Lindemann, Casper Harm Borstel
1725 Hans
Götsch, Hans Mohr
1726 Frenß Brandt, Hans Böy
1727 Claus Böy aufen
Berg, Marx Steffen
1728
Johann Asmus Tamßen, Jochim Götsche
1729
Jasper Delfs, Hinrich Ohrdt
1730
Claus Stöcker, Hartig Stüven
1731
Andreas Wittorf, Dirck Brömmer
1732
Detlef Lück, gest., Hinrich Reimers
1733
Casper Fölster, Harmen Hinr. Hartmann
1734
Christian Hamerich, Jasper Stüven
1735
Jürgen Fulendorf, Joh. Jochim Hartmann
1736
Henning Borgert, Michel Stüven
1737
Johann Hartmann (Altenteiler), Hans Meyer
1738
Christian Hasche, Claus Harders
1739
Johann Hartmann , Hans Meyer
1740
Hinrich Behrends, Johann Langhinrichs
1741
Hans Fehrs, Asmus Dickmann
1742
Nik. Michael Schramm, Jochim Kröger
1743
Hans Hartmann Marx Boy
1744
Hans Fuhlendorf, Marx Westphalen
1745
Christ. Friedr. Thomsen, Jochim Witt
1746
Hans Langhinrichs, Marx Steckmest
1747
Hans Friedr. Götsche, Albert Löck (Lück)
176
---------------------------------------------------------------------------------------
Von
Pflugzahl und vier wüsten Hufen
(Nach
Akte B IX 3 Nr. 143 des Kieler Archivs)
Solange Steuer und andere
Lasten nach der Pflugzahl bemessen wurden, hatten die Untertanen natürlich eine
nicht geringe Neigung, diese Pflugzahl tunlichst niedrig zu halten. Man kann
den Bramstedtern nachrühmen, daß sie in dieser Hinsicht wach und rührig gewesen
sind. Darüber soll hier ein Beispiel aufgezeigt werden. Was die »wüsten Hufen«
anlangt, die dabei eine große Rolle spielen, so ist vorweg zu bemerken, daß es
sich um Bauernhöfe handelt, die von den Besitzern geräumt, also im Stich
gelassen worden waren. Solches ist in unserm Kirchspiel während der Nöte des
17. und des 18. Jahrhunderts leider nicht selten geschehen. Diese Hufen fielen
nach Landesrecht in das Eigentum der hohen Herrschaft zurück. Unser Bericht
umfaßt die Zeit von 1686-1723.
Im Jahre 1686 hat der
König vom Gut Bramstedt dem Flecken zwei Pflüge zugewiesen, »bester Hand«,
aufgeteilt in vier halbe, derer drei mit Häusern, das letzte ohne Gebäude, also
völlig wüste. Die Witwe Elisabeth Heseler, Tochter des weiland Kirchspielvogts,
berichtet auf Anforderung von den Häusern: Nr. 1 habe Christian Schlaf bewohnt
und für 1688 die Abgaben entrichtet, zusammen 25 Reichstaler.
Nr. 2 sei bis Anno 1690
als Torfhaus für das Aderkassische Regiment benutzt; darnach von Jochim
Schröder übernommen, der bis 1692 zusammen 10 Taler bezahlte; darnach von
Marten Lechmann bewohnt, der für 1693 3 Taler bezahlte und, als der Torf daraus
genommen, das Haus »neu verleeden1), bauen und decken« ließ.
Nr. 3 wird benutzt als
Wachthaus für den Obristen Aderkass Dragonerregiment. Nr. 4 »Über die
verhäuerten Wiesen und Ländereien zu den wüsten 4 Hufen findet man unter den
Sachen meines Mannes keine eigentliche Nachricht. Jochim Schröder hat sie
1690-93 einschl. in Pacht gehabt.« Als zweiter Berichterstatter erscheint
Jasper Wulf:
»Das jetzt von Aderkass
mit Einquartierung belegte Haus habe ich und nebenbei noch ½ Hufe, die
der Kirche zuständig, davor jährlich dem Pastor gegeben 24 Himten Roggen und 20
Schilling lübsch bezahlt, und anbei noch ½ Hufe, davor der Königl. Maj. als ein
Kötener kontribuiret, habe jederzeit auch richtig sowoll an die Kgl. Maj. als
an die Kirche abgetragen, so daß kein Dreier restant geblieben.«
»Während der Zeit, zwar
1677, im Monat Juni, hat mich Gott gestraft mit Feuersbrunst, von einem
Munitionswagen der hessischen hindurch führenden Auxiliar-Völker, indem einiges
im Fahren daraus auf die Straße laufende Pulver etwas aus einem Stein von einem
Pferde ausgetretenes Feuer aufgefangen und so der Wagen in die Luft gesprengt
und leider damals 8 Häuser, darunter meines auch, in Feuer
_____________________
1)
Leeden = Schwellen, auf denen Stender und Mauerwerk ruhten.
177
---------------------------------------------------------------------------------------
aufgegangen. Meine Mittel
und der Gilde Beistand reichten nicht; ich mußte Schulden machen.« Notiert 1689.
Im Jahre 1693 hat dann
Frau Heseler, Kirchspielvogteiin, wegen der vier wüsten halben Hufen dem
Amtmann von Rheder folgendes bekundet: Die Rückgabe der vier Hufen habe nach
dem Willen des Königs für 16 Jahre gelten sollen. Hier habe man angenommen, er
werde daraus eine endgültige Sache machen. Amtsverwalter Rat Reiche zu
Bramstedt habe die Hufen ihrem Vater, Christian Schlaf, damals Kirchspielvogt,
zur Aufsicht übergeben und zur Verhäurung. »Mein seliger Mann (Heseler) hat von
1688 her die Berechnung der 2 Pflüge unterlassen.« Sie könne nicht genauer
feststellen, um welchen Betrag es sich handeln möge. Ihr Vater habe auch viel
Geld auf die Instandhaltung der Häuser verwendet. Im übrigen möge sich der Herr
Amtmann wenden an Jürgen Fuhlendorf, »der die beste Wissenschaft von allem hat.«
Erst nach drei Jahren
scheint der Herr Amtmann wieder die Initiative in dieser Sache ergriffen zu
haben, indem er sich nach Kopenhagen wandte. Die Angelegenheit bleibt, soweit
erkennbar, bis 1722 im Zustand des Schwebens. Dann bringt aber Amtsverwalter
Nottelmann sie unangenehm in Erinnerung, indem er den Bramstedtern mit einer
»Verhöhung der Pflugzahl« droht.
Am 17. März 1722 gibt
Etats-Rat und Amtmann von Hanneken, seßhaft in Lübeck, den Fleckensleuten, die
eine »Erklärung« erbeten haben, zur Nachricht, daß der Beamte Nottelmann nichts
zu bestimmen habe, sondern gänzlich an die bestehenden Vorschriften gebunden
sei. Er mache aber darauf aufmerksam, daß das im Namen der Bramstedter gegen
Nottelmann gerichtete Memorial straffällig sei, da es weder vom Schriftsteller
noch von den Supplikanten unterzeichnet worden sei.
Im übrigen sei die
Pflugzahl für Bramstedt 1696 von Majestät im Umschlag festgesetzt auf 26 1/16,
ungerechnet den Pflug der Kirchspielvogtei. Durch die Remittierung der wüsten
Hufen ergebe sich ein Zugang von 3 5/48 Pflügen, die er pflichtgemäß
eingestellt und für die Jahre 1718-1721 Nachzahlung verlangt habe. - Es sei
purer Unverstand, sich darin zu weigern.
(An dieser Stelle darf die
Vermutung ausgesprochen werden, daß die 1696 neu eingesetzte Pflugzahl bislang
überhaupt noch nicht praktisch sich ausgewirkt hatte.)
Die Fleckensverwalter
säumen nicht, dem Herrn Etats-Rat zu antworten. Mit »Bestürtz- und
Verwunderung« haben sie vernommen, daß eine Erhöhung der Pflugzahl beabsichtigt
werde. Kgl. Maj. Quinti habe ihnen die Gnade1) erzeiget, daß sie
überhaupt nur noch mit 20 Pflügen contribuable sein sollen; einer mit Namen
Noack, wolle die Erhöhung durchsetzen. In die 20 Pflüge seien die wüsten
__________
1)
Es ist nicht ohne Reiz, zu erfahren, daß die Bramstedter, als sie 1695 durch
ein großes Opfer den Flecken wieder unter königliche Herrschaft gebracht
hatten, erwartet haben, Majestät werde anerkennend nur 20 Pflüge ins
Steuerregister einsetzen lassen. Von einer schriftlichen Verhandlung darüber
verlautet nichts; die Sache sollte bei mündlicher Verhandlung in Kopenhagen
unter der Hand geordnet werden. Eine schriftliche Zusage im berührten Sinne hat
Kopenhagen nicht erteilt.
178
---------------------------------------------------------------------------------------
Hufen derzeit schon mit
eingerechnet. Excellenz wolle den Hecken schützen vor dem Ansinnen des
Amtsverwalters Nottelmann, wonach sie künftig 3 5/48 Pflüge mehr versteuern und
für 1718-1721 noch nachzahlen sollen. Unter dem sel. Amtmann von Rheder sei im
Pastoratshaus zu Kaltenkirchen kundgemacht worden, daß der Flecken künftig nur
für 20 Pflüge kontribuire und im besonderen für 1/3 im Herren-Register
gesetzt werden solle. - Schon Kirchspielvogt Jancke habe versucht, rechtswidrig
die Magazin-Restanten ab 1718 für die überzähligen Pflüge einzutreiben.
Am Schluß bitten sie noch
einmal um Schutz. »Excellenz' aequanimität (?) und weltgepriesene Liebe zur
Gerechtigkeit möge ein gnädiges Einsehen haben.«
Fünf Tage später, am 29.
April 1722, sendet Kopenhagen folgende Anfrage an Hanneken nach Lübeck:
Man habe bei der
Segeberger Amtsrechnung über 1720 nur 24 1/8 Pflüge statt der nun gemeldeten 26
1/16 gefunden; nun lege man, um die völlige Pflugzahl zu finden, noch 3
5/48 dazu, von welcher wir jedoch so wenig angesetzet finden wie das
Flecken, das nur 20 anerkennt.
Der Amtmann antwortet nach
vier Wochen:
»Die dubia betreffen die
Schäfferey in Hasen-Mohr, item des Müllers zu Gimpen Grundheuer vor seinem
Hause bei der Mühle. Dazu soviel: Die Hasen-Mohrer haben einen alten contract
mit Herrn Amtmann von Bukwalt, wonach sie jedesmal bezahlt. Es sind aber noch
einige Kötener dabei, die in die Amtsregister geben. Bei der Auslegung 1665
sind diese Schäffereyen dem Grafen Wilhelm von Königsmark etwas höher angegeben
als der Schäfer ihr contract, wie in andern dergleichen Posten wohl mehr. Der
selige Raht Reiche hat wohl danach alles zusammen gerechnet. Die Grundhäuer des
Mühlenhauses hat er ohne Zweifel gehoben der Geheime Rat und Probst Blome; ob
das ihm zu disputiren, weiß ich nicht.«
Es folgen Nachrichten über
die Pflugzahl nach dem Amtsregister 1722: Von altersher hatte der Flecken 13
große Pflüge und noch 1 Pflug des Kirchspiel-Vogts Heseler, so befreiet worden;
dazu 22 halbe Pflüge und 33 Kötener oder 1/16 Pflüge, zusammen 27 7/16 - 26
1/16 sind 1665 für 15 575 Taler an Graf v. Königsmark verpfändet, desgleichen
die Schäfereien zu Falkenhagen, Fuhlenrue und Hasenmoor samt der Hölzung
Scheloe für 5684 Taler. (Die gegebenen Ziffern betreffen eine Schätzung; der
Kaufpreis betrug 14 000 Taler für alles zusammen.) Die Fleckensleute aber haben
die Gutsherrschaft, unter welcher sie sich bald sahen, mit großer Energie im
Jahre 1695 wieder abgeschüttelt, wie unter dem Kapitel »Jürgen Fuhlendorf«
eingehend dargestellt wird.
Die bei dieser Gelegenheit
durchgeführte nachbarliche Aufteilung des Fleckensareals veränderte das
Besitzverhältnis natürlich stark. Fortan gab es 60 Drittelhufner, 2
Sechzehntel-Hufner und 4 Kätner; daneben noch 3 5/48 Pflüge
oder wüsten Pflüge, die unangetastet blieben. Selbstverständlich waren die Hufe
des Kirchspielvogts und die Kirchenhufe von der Teilung ausgeschlossen. So
stand 1695 der Flecken mit 24 1/8 Pflügen im Segeberger Amt zu Buch.
179
---------------------------------------------------------------------------------------
Nun zurück zu den wüsten
Hufen. Im Juni 1722 wird ein erster Versuch gemacht, die vier halben Hufen in
öffentlicher Licitation zu verkaufen. Das mißlingt, indem nur ganz klägliche
Angebote gemacht werden. Kopenhagen ersucht den Amtmann, einen neuen Termin anzusetzen,
auch zu berichten, welche Kontribution und sonstige Abgaben auf die ½ Hufen
fallen werden.
Die Antwort ist wenig
ermutigend. Häuser auf wüsten Hufen seien hierzulande kaum zu verkaufen. Man
müsse Gott danken, wenn man sie wieder mit colonies (Ansiedlern) besetzen und
der hohen Herrschaft gerecht werden kann. Auch gebe es dabei Intrigen. Der Herr
Commissar hätte besser in actu Licitationes (bei der Versteigerung) als nachher
einen »Schleich-Both« gemacht: so werden die Licitationen geschwächt und öffentlich
decreditirt.
In einem weiteren
Schreiben berichtet von Hanneken der Rentenkammer (zu Kopenhagen): »Wulf
(Kirchspielvogt) wird nochmal heimliche Intrigen, wenn ich nicht irre, bei der
Rentenkammer ein Schleichboth tun, mit dem Plan, das bei einer oder der andern
wüsten Hufe vorhandene Holz (zu erlangen) und dadurch sich wegen seines
Kaufschillings wenigstens zu erholen.« Noch fügt er hinzu, es müsse dafür
gesorgt werden, daß die halben Hufen (Haus und Land) nicht zerrissen werden.
Am 30. Juni 1722 findet
die zweite Versteigerung statt. Der Amtmann meldet der Kammer folgende höchste
Gebote:
a) Jochim
Schröder für Hein Barkmanns Haus mit Zubehör 72 Reichstaler
b) Jochen
Hartmann für Hartig Stökers Haus mit Zubehör 5 5 Reichstaler
c) Johann
Hartmann für Heins Erbe mit Zubehör 155 Reichstaler
d)
?
? für Johann Hardebecks Haus mit Zubehör 25 Reichstaler.
Der Zuschlag sei erteilt
worden mit Vorbehalt hoher Approbation. Die Renten kammer gibt am 21. Juli die
überraschende Antwort: Der Kommissar Wulf habe laut anliegendem Schreiben vom
2. Juli wiederum ein Schleich-Both getan und biete statt gemeldeten 307
Reichstaler nun 400. Demnach sei eine dritte Versteigerung nötig, die
anzusetzen sei mit dem Vermerk, daß spätere Angebote nicht berücksichtigt
werden, unter keiner Bedingung.
Amtmann von Hanneken
stimmt der Auffassung der Rentenkammer mit allem Nachdruck zu und äußert sich
in harter Anklage, wie folgt:
»Solche Praktiken, wie
vorher erlebt, müßten ausdrücklich bestraft werden. Nicht nur die redlichen
Beamten werden unnötig bemüht, auch das Ansehen der Regierung leidet darunter.
- Der Herr Commissar Wulf hat vormahls durch unverantwortliche Connivence
(Nachsicht, Entgegenkommen) das Bondenholz des Fleckens dergestalt von den Einwohnern
verwüsten lassen, daß wenig mehr übrig ist, und wenn ein Unglück im Flecken
entstehen sollte, wären die wenigsten capabel (imstande), ihre Häuser wieder
aufzubauen. - Nun zielt er dahin, das wenige, bei den wüsten Hufen vorhandene
Holz vollends herunter zu hauen. -Hier stehen lediglich des Landes und des
Königs Interessen in Frage.«
Am 6. August 1722 gibt v.
Hanneken seinen Bericht über die dritte Licitation an die Rentenkammer. Wulf
hat sein Both nicht halten wollen ohne das Recht,
180
---------------------------------------------------------------------------------------
das Holz gänzlich kappen
zu dürfen. - Im übrigen ist ein Mehrangebot nur erfolgt auf Johann Hardebecks
Haus, für das Hinrich Frantzen 26 Taler (statt bisher 25) geboten hat. - Über
Wulf wird noch gemeldet, daß derselbe inzwischen in guter Hoffnung auf die
wüsten Hufen einen Baum von 64 Fuß (2/3 Festmeter) in dem zugehörigen
Bondenholz habe hauen lassen. »Ich habe es ihm vorgehalten; er sagt, der
Flecken habe den Baum schon seinem Vorgänger Averhoff geschenkt. Hanneken: er
sehe in keiner Weise ein Recht dafür.«
In einem Anhange
bestätigen zu größerer Sicherheit die vier derzeitigen Ratmänner, daß Wulf
besagten Baum habe hauen lassen. - Eine zweite Beilage bringt Anklagen in verschiedener
Hinsicht gegen Wulf und gegen den interimistischen Kirchspielvogt Jancke, welch
letzterer sich keineswegs das wüste Erbe anmaßen dürfe. Ankläger ist George
Noack, wohl ein Mitglied der Rentenkammer.
Am 25. August approbiert
man die dritte Licitation der wüsten Hufen, indessen mit folgenden, in den
Kaufbrief aufzunehmenden Bedingungen: in deren Holz darf nicht gehauen werden
ohne Erlaubnis des Amtmannes und Ausweisung durch die Holzbedienten; ferner
dürfen die Hufen nicht zerrissen werden durch Tausch oder Kauf. Sie sollen
wirklich mit colonies besetzt werden.
Weiterhin veranlaßt die
Rentenkammer, daß durch zwölf Männer von mehr als 60 Jahren festgestellt wird,
welche Ländereien, Wiesen, Hölzungen und Heide wirklich den vielbesagten Hufen
zukomme. Ein Schriftstück mit ihren Namen bezeugt, daß sie dieser Aufgabe
gewachsen waren. Rentenkammer und Amthaus übernehmen es, die Frage der
Pflugzahl ins Reine zu bringen.
Die
Fleckensverwaltung
II.
Abschnitt 1749
Anno 1749 am Montag vor
Fastnacht sind in der gewöhnlichen Versammlung gesamter Fleckenseinwohner zur
Erhaltung guter Ordnung und Abstellung eingerissener Mißbräuche »nachgesetzte
Artikeln einmühtiglich beliebet« und festgesetzt worden, um darnach der sich äußernden
Unordnungen vorbeugen und abhelfen zu können als: nach
Art. 1 sollen wie von
Alters her, also auch nach diesem, jederzeit vier Raths- und Acht Achts-Männer
sein, von welchen Erstere jährlich Zweene abgehen und an deren Stellen aus
letzteren Zweene andere erwehlet werden. Dieser Vier Rathsmänner Obliegenheit
ist, daß sie bei allen Vorfällen im Nahmen des ganzen Fleckens ihrem besten
Wissen und Verstande nach das Nöthige und Nützlichste besorgen, Schaden und
Nachtheil aber abzuwenden suchen, und Ein- und Ausgabe verwalten, auch sollen
sogleich an der Stelle der vorgedacht abgegangenen Acht-Männer zweene neue
erwehlet, im gleichen zweene Armenvorsteher ernannt werden, aus welchen dann
beliebig einen der p. t. (zur Zeit) der Herr Amtmann bestellet und beeidiget.
181
---------------------------------------------------------------------------------------
2.
Sollen
die Rath-Männer bey Versammlung der Fleckens-Einwohner und in der Anwesenheit
des p. t. Kirchspielvoigts als Bürgermeister von gehabter Einnahme und Ausgabe
richtige und accurate Rechnung übergeben, welche Rechnung durch den
Kirchspielvoigt in der Versammlung öffentlich verlesen, nachdem aber von denen
Achtsmännern aufs fleißigste inspiciret und nachgesehen und die gefundenen
Mängel aufrichtig angezeiget werden, um von Rechnungsführern solcherwegen
Antwort fordern zu können.
3.
Wo
Vorfälle sich äußern sollten, die durch die Rath-Männer allein nicht besorget
werden könnten und dahero das ganze Flecken berufen werden müßte, so soll ein
jeder auf bestimmten Glockenschlag erscheinen, wer aber vorsetzlich außen
bleibet, soll den Armen zum besten mit 2 Schilling bestrafet werden, und sodann
schlechthin mit dem Beschlossenen friedlich seyn, wer aber dennoch nicht wolte
und Verdruß erregte, soll der Obrigkeit zur Bestrafung angezeiget werden. Wer
aber nicht zu Hause ist, und läßt sich entschuldigen, ist zwar Straf frey, muß
aber auch das Bewilligte genehm halten.
4.
Wann
in der Versammlung des Fleckens einmahl über Sachen ein Schluß gefaßt und
Einwilligung erfolget, nachdem aber weitere Erweg- und Überlegung erforderten,
sollen Rathmänner und die Achts-Männer zusammen treten und sich besprechen, und
was auf diese Art geschlossen ist, wird vom ganzen Flecken für gut gehalten.
5.
Wenn
in der Versammlung des Fleckens oder der Rath- und Achtmänner eine Sache
vorkommet, worüber sie sich nicht vereinbaren können, soll durch die
Rath-Männer die gantze Versammlung befraget eines jeden Meinung aufgezeichnet
und nach den mehrsten Stimmen die Sache behandelt werden; wollte aber jemand
sich freventlich aus der Versammlung begeben, in Meinung dadurch den Lauf der
Sache zu hemmen, derselbe verzichtet oder begibt sich seines Spruchs und muß
zufrieden seyn, was von übrigen behandelt und beliebt worden, und da ein
solcher nachdem außer der Versammlung an einem andern Orte von dem Verhandelten
gegen Einfältige ungebührlich plaudern und schwatzen sollte, soll derselbe, den
Armen zum besten, mit 4 Schilling bestrafet werden und das Bewilligte dennoch
bestehen und in Kraft bleiben.
6.
Damit
die Plauderey und der Nachrede abgeholfen und gewahret werden könne, sollen
hinführo in der Versammlung des Fleckens alle Beliebungen und Inhalte der
memorialien kürzlich in ein Buch geschrieben und von Zeit zu Zeit aufgehoben
werden, um daraus sehen zu können, was vorgegangen und beschaffet worden.
7.
Alle
Häuersleute so sonsten keine Abgaben zu Steindämmen, Bänken oder dergleichen
haben, geben wie von Alters her, alle Jahre um Fastnacht Einen Mahl an den
Flecken. So aber der Häuersmann sich dessen zu erlegen weigerte, halten sich
die Rathmänner an den Wirth, bey dem er sich zur Häuer aufhält.
8.
Soll
1/3 Hufner nicht mehr den 10 Stück Schaafe und ein aufm Abschiedswohnender
nicht mehr den Vier Stück halten, auch keine Schaafe vor seinen Nachbaren in
die Weide treiben. Um Michaelis werden die Schaafe gezählet und
182
---------------------------------------------------------------------------------------
dem Schäfer sein Lohn
gereichet, und wird für ein Lamm so viel als für ein Schaaf gegeben, nur die
Böcke sind frey.
9.
Um
Johannis und Weihnachten wird das Hirtenlohn gefordert, da denn für alles Vieh,
welches in der Weide gehet, es sei Kuh, Quähn oder Kalb gleich viel erleget
wird.
10. Soll Niemand mit seinen Pferden aus dem Kirchthor des Sommers 1 Stunde
nach Sonnenschein vielweniger bei Nachtzeit hüten bey Strafe Ein Mark lübsch
und Königl. Brüche vorbehalten, und wer solchergestalt seinem Nachbahren, an
Korn und Graß Schaden zufüget, derselbe soll zufolge dieser Verordnung den
Schaden gedoppelt ersetzen, auch wenn jemand zur Zeit des Torfeinfahrens des
Nachts außer dem Kirchthor hütet, ist solcher oder der Eigenthümer gleichfalls
in obiger Strafe verfallen.
11. Soll Niemand länger mit seinen Kühen außer dem Kirchthor hüten als zu den
1. May, bey Ein Mark lübsch Strafe und mit Vorbehalt Königlicher Brüche, auch
soll 14 Tage nach Michaelis keiner sein Vieh ohne Hirten außer dem Kirch-Thor
treiben und gehen lassen bey ebenmäßiger Bestrafung.
12. Soll Niemand sein Vieh auf der Koppel bringen, ehe und bevor aller Rocken
und Haber aus dem Felde und soviel Raums ist, daß der Kuhhirte darauf hüten
kann, wer dawider handelt, soll dem Flecken Eine Mark lübsch erlegen mit Vorbehalt
Königlicher Brüche.
13. Wer inwendig der Befriedigung sein Vieh weidet, an und neben dem Korn, es
wäre dann daß er selbiges auf sein eigen Land tüddern könnte, und der Schütter
würde solches gewahr, der soll erstl. dem Schütter das Schüttgeld geben, sodann
soll dieser es den Rathmännern melden, welchen derselbe gleichfalls 4 Schilling
zu erlegen hat, geschieht es mehrmalen, soll er's gedoppelt erlegen und zum
3ten Mahl soll derselbe der Obrigkeit übergeben werden und dafür Königlicher
Brüche dingen.
14. Wenn einer nach der Schauung muthwillig und vorsetzlich in den Wiesen
hütet derselbe soll den Schaden gedoppelt erstatten und dem Flecken Ein Mark 8
Schilling erlegen und sogleich der Obrigkeit angezeiget werden ... ahling also
soll es mit denen gehalten werden, die ohne Erlaubniß des Eigenthümers aus
Anderer Leute Wiesen Graß oder Kraut schneiden.
15. Sollen die Rathmänner gehalten sein, drey Wochen vor den 1. May mit
Zuziehung etlicher Männer nach ihrem Gefallen aus dem Flecken zu schauen,
worunter die Schmalfelder Aue und Oster-Aue-Wischen wie auch auf der
Lentfördener Aue über die Hudau gehören.
Wer strafbar befunden
wird, gibt vor den Mangel, so in jeglichen Antheil angetroffen wird, das
Erstmahl...............................................................................................................
2 Schilling
andermahl............................................................................................................
3 Schilling
und dritte mahl
...................................................................................................
4 Schilling
und über dem ist er
schuldig Königlicher Brüche zu dingen.
Auf eben solche Weise wird
es gehalten mit Schauung der Auen und genießen
183
---------------------------------------------------------------------------------------
die Rathmänner für ihre
Mühe vorgesetzte z, 3 und 4 Schilling Schauungs-Strafe. - Auch sollen
die Rathmänner auf gleiche Weise die Rocken-Kämpe 14 Tage nach Michaelis
schauen.
16.
Soll
niemand auf gemeine Weide Plaggen hauen, noch Plaggen Torf graben bey Strafe
Ein Mark und Vorbehalt Königlicher Brüche.
17.
Soll
niemand aus freier Weide etwas zu seinen Acker oder Wiesen nehmen, und was
zugenommen werden könne, darüber solle eine Gleichheit gemacht werden. Wer aber
nach diesem was zunimmt, das soll niedergeworfen und dafür Ein Mark am Flecken
erlegt werden mit Vorbehalt Königlicher Brüche.
18.
Da
jemandes Vieh unversehener Weise Schaden verursachte, soll der Schade von
unpartheischen Männern autumirt und taxiret und darnach schlechthin der Schaden
ersetzet werden.
19.
Soll
Niemand sich unterstehen, wenn daß Graß gros ist, zu fischen auf der Aue bey
Ein Mark und mit Vorbehalt Königlicher Brüche.
20.
Soll
Niemand sich unterstehen, von andern Orten Gänse auf die Weide zu nehmen, wer
betroffen wird, daß er hiewieder gehandelt, soll in Königlichen Brüche, die
Gänse aber oder deren Werth den Armen verfallen sein.
21.
Damit
der Steindamm alle Wege im guten Stande erhalten wird, sollen desfalls die
Rathmänner ihn jährlich besichtigen, und wenn Mangel daran gefunden wird,
solches sofort gehörigen Orten es anzeigen und besondere, daß er verbessert
werde.
22.
Soll
nicht erlaubt seyn, über die Äcker zu fahren, daferne man in und dahin kommen
kann, wohin man nöthig hat, durch ordentliche Wege bey Strafe Einer Mark am
Flecken und mit Vorbehalt Königlicher Brüche.
23.
Weil
Nachricht vorhanden von 1682 daß wenn die Hohenthoresbrücke gebauet worden, der
Weg während der Bauung durch Hans Meyers Kohlgarten gegangen, so bleibet
solcher Weg auch künftig bey Bau- und Reparierung gedachter Brücken dadurch.
24.
Da
offter mahls, wenn das Korn meist aus denen Bracken weg, einige sich unterstehen,
ihr Vieh hinauf zu treiben zwischen dem Korn, so soll hinführo Niemand sein
Vieh dahin treiben bis alles Korn hinweg ist bey Strafe Ein Mark und Vorbehalt
Königlicher Brüche.
25.
Soll
niemand weder der Eigenthümer sonst oder Häuersleute aus jemandes Holz oder
Busch-Theil, Schacht oder Busch hauen, wer dawider handelt, soll dem Flecken
Drey Mark erlegen und darüber Königliche Brüche verfallen seyn. Und wer eine
Eiche hauet in eines andern Holztheil, es sey dieselbe alt oder jung, derselbe
soll dem Eigenthümer die gedoppelte Zahlung leisten.
Daß vorstehende Artikeln
von gesammten Eingesessenen dieses Fleckens Bramstedt einmühtiglich beliebet
worden, und daß selbige in meiner Gegenwart declariret, solche künftig zur
steten Richtschnur sich dienen zu lassen, auch wer dawider handeln möchte sich
darnach in allen Fällen weisen und strafen lassen woll, Solches attestire.
Bramstedt den 13. Februar
1749
gez. Basuhn
184
---------------------------------------------------------------------------------------
Demnach vorstehende 25
Artikeln vermöge des von dem jetzigen Herrn Kirchspielvogt und Bürgermeister
beygefügten Zeugnisses von den gesammten Eingesessenen des Fleckens Bramstedt
einmütig beliebet sind, und dann die Ratleute des Fleckens um Ertheilung einer
Genehmigung und Bestätigung dieser Artikel Ansuchung gethan, ich auch nicht
gefunden habe, daß deren Inhalt andern Königlichen allerhöchsten Verordnungen
entgegen sei, vielmehr dafür halten, daß die genaue Beobachtung gedachter
Artikel zum gemeinen Besten des Fleckens gereichen werde, als habe solche
freywillige Beliebung und Artikel hiedurch genehmigen und bestätigen, auch
deren Beobachtung allen Fleckenseingesessenen bey Vermeidung der benannten
Strafe und willkürlichen Königlichen Brüche anbefolen wollen.
Bramstedt, den 22. Merz
1749
gez.
Basuhn
Vorstehenden anno 1749 von
denen gesammten Eingesessenen des Fleckens Bramstedt einmühtiglich verabredeten
und von mir bey geschehener Nachsicht, weder gegen die allerhöchsten
Königlichen Verordnungen noch auch sonsten gegen einigerley hergebrachte gute
Gewohnheiten nur im geringsten streitenden, vielmehr zur Beobachtung guter
Ordnung abzielenden 25 Artikeln habe auch ich der p. t. Amtmann zu Segeberg die
von mir verlangte approbation, hiermittelß beyzufügen keine Bedenken gefunden.
Bramstedt den 24. Oktober
1757
gez.
W. Christop von Reitzenstein
In
gleichem Sinne approbiert den 15. Dezember 1759
der
folgende Amtmann Arnold
In
gleichem Sinne den 29. Juni 1772
Rathe
In
gleichem Sinne den 14. May 1773
A.
Schumacher
EIN
KAPITEL BRAMSTEDTER FLECKENSVERWALTUNG
Auszug aus den Dokumenten
und Berichten, die in den Jahren 1774 bis 1779 auf Befehl von Amtmann Andreas
Schumacher dem Fleckensprotokoll einverleibt worden sind.
Einleitung
Ein Fleckensbuch ist seit
1530 hierorts geführt worden. Es hat ausgereicht bis zum Jahre 1847; seitdem in
mehr oder minder dumpfen Archivräumlichkeiten der Dinge harrend, die nicht
kommen wollten, ist es endlich im Zuge der Forschung, die auf Gewinnung einer
Ortschronik abzielt, in das Licht des Tages gerückt. Die braven, frommen
Männer, deren Hand dem Buche die ersten Schrift-
185
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züge mühsam eingefügt hat,
bekundeten ihren Respekt vor dem so ungewöhnlichen Werk durch die Inschrift:
»wat hier geschrewen is, is alles ewig duernde.« Nun, es ist noch heute da und
insofern das Urteil der Altväter nicht zuschanden geworden.
Nimmt man aber das Buch
unter die Lupe der Kritik hinsichtlich seines Inhaltes, so entgeht man nicht
einer starken Enttäuschung. Quantum und Qualität lassen den Forscher in
gleichem Maße im Stich. Wenn im Laufe von 317 Jahren das Schriftwerk
zuwegegekommen ist, so entfällt auf jedes Jahr durchschnittlich eine Leistung
von etwa einer Seite. Manche Blätter blieben leer, manche Seite ist nur
teilweise beschrieben; auch die chronologische Folge der Eintragungen ist
mangelhaft beachtet worden.
Andreas Schumacher fand an
solcher »Buchführung« wenig Gefallen. Er sorgte ohne Säumen für Anschaffung
eines neuen Buches, dessen erste Seite diese Inschrift zeigt: »Gegenwärtiges
Protokollum des Fleckens Bramstedt, welches aus 952, schreibe neunhundert
zweiundfünfzig numerirten paginis besteht, mit einer grünen Seidenschnur
durchzogen und so wohl mit meinem als dem Fleckens Siegel auf der letzten
versehen ist, wird hiemit auf geziemendes Ansuchen von mir Amtsobrigkeitlich
autorisirt, um in vorkommenden Fällen, sowohl gerichtlich als außergerichtlich,
als in Beglaubigung des (alten) Fleckensbuches producirt und gebraucht werden
zu können. Actum im Königlichen Amthause zu Bramstedt, den 17. März 1774
gez.
A. Schumacher
p. t. Amtmann des hiesigen
Amtes«
Solange dieser Amtmann,
der auch selbst im Flecken wohnte, das Heft in der Hand hielt, geschah, was er
erstrebt hatte. In fünf Jahren seiner Amtsführung wurden 50 Seiten seines
Protokolls mit guter Schrift versehen und das bei verdoppeltem Format im
Vergleich mit dem Fleckensbuch von 1530. Doch er fand keine rechte Nachfolge.
Kein Amtmann machte noch Eintragungen: der Kirchspielvogt führte die Feder. Die
Texte wurden immer eintöniger. 1809 erfolgte die letzte Eintragung auf Seite
89. Heute sind die letzten 20 Blätter samt Seidenschnur und den beiden großen
Siegeln herausgerissen. Aber reichlich 400 Blatt besten Schreibpapiers warten
noch auf den Liebhaber.
Instruktion
nach welcher die auf sechs
Jahre bestellten Zwei Rathmänner, Nicolaus Meyer und Jochim Lohse sich während
ihres Amts schuldigst zu richten haben werden.
1. Sollen dieselben eine
Oberaufsicht und Verwaltung aller Fleckens Angelegenheiten, sie mögen bestehen
worin sie wollen, wann sie nur die Commune und das Beste derselben angehen,
dergestalt, daß sie für die Ausrichtung der Obrigkeitlichen, dahin Zielenden
Verfügungen, es mögen ihnen selbige direkte vom Amtshause oder durch den Herrn
Kirchspielsvogt zugestellt werden, zu sorgen und
186
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über deren Befolgung zu
wachen haben; dahingegen ihnen, ihrer Einsicht und Überlegung die specielle
Einrichtung und Verteilung der besonderen Aufträge, die etwa zur Bewerkstellung
der höheren Anordnungen am dienlichsten seyn möchten, gäntzlich überlassen
werden.
2.
In
allgemeinen: das Gantze des Fleckens betreffenden Sachen, sie mögen nun das
Commerz-Wesen, die Öconomie oder die Policey angehen, sollen sie die Freyheit
haben, jedoch mit Zuziehung derer beyden andern Rathmänner und dero ihnen
zugewiesenen acht Assistenten, unter dem Vorsitz des Kirchspielsvogts, der in
streitigen Sachen die Stimmen zu colligiren und durch Ertheilung der seinigen
den Ausschlag zu geben hat, im Nahmen und Vollmacht des gantzen Fleckens
Beliebungen abzufassen und Schlüsse abzugeben, welche eben die Gültigkeit haben
sollen, als ob sie mit Bewilligung aller einzelnen Mitglieder der Commüne wären
entworfen worden. Jedoch mit dem Vorbehalt, daß in Fällen, die von einiger
Wichtigkeit sind, und wo es etwa auf die Abschaffung einer alten Usance und
Einführung einer neuen Ordnung ankäme, die Approbation des Amthauses, ehe
selbige zur Wirklichkeit gebracht wird, vorhero eingeholt
werde.
3.
Was
dahingegen die zur Bestreitung der notwendigen Ausgaben erforderlichen Anlagen
anbetrifft, so haben sie sich genau nach der Königlichen desfalls emanirten
Constitution und nach der Kammer-Verordnung, in specie vom 13. Decbr. 1707 § 6
und vom 16. Juni 1717 § 13 et 14 zu richten und keine Anlagen auf die
Fleckens-Eingesessenen zu repartiren, ehe und bevor das Amthaus von der
Notwendigkeit derselben überzeugt und durch Authorisirung der von ihnen
hierüber zu tuenden Vorstellung dazu den erforderlichen Consens erteilet haben
wird.
4.
Und
wenn auch das Flecken in vorigen Zeiten durch Anlegung weitläuftiger und zum
Teil unnötiger Prozesse nicht wenig bedrückt worden: als haben sie sich in
keinen Prozeß, worzu sie Beyhilfe fremder Advocaten benötigen und der für ein
auswärtiges Forum geführt werden muß, ehe solche vorher bei ihrer Amtsobrigkeit
angezeiget worden, die sich äußerst wird angelegen seyn lassen, ihnen ohne
viele Geld spillende Weitläufigkeit zu ihrem Recht zu verhelfen.
5.
Da
der Herr Kirchspiels-Vogt durchandere ihm aufgetragene Geschäfte behindert
wird, die speciale Aufsicht über das Polizei-Wesen zum Hauptgegenstand seiner
Beschäftigung zu machen, und es nicht wohl möglich ist, daß er stets
allenthalben zur Stelle sein kann, so haben sie auch eine beständige Aufsicht
auf die Fleckens-Polizei zu halten und dahin zu sehen, daß keine grobe
Vergehungen wider die allerhöchste Sabbats-Verordnung stattfinden oder in
Schwang kommen; allen Unordnungen und Schlägereien, wan sie dabei zugegen sind,
zu steuern; wie nicht weniger auf die Nachlebung derer wider das herum
streifende herrenlose Gesindel, und wegen gäntzlicher Einstellung des Betteins
allerhöchst verhängete Verordnungen ein wachsames Auge zu haben und es dem
Amthause alsofort zur weiteren Untersuchung anzuzeigen, wann sich etwa
verdächtige Personen hieselbst einschleichen wollten. Welches alles jedoch
nicht so zu verstehen ist, als ob
187
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sie diese Sachen selbst
verrichten sollen, indem hier blos von der Ober-Aufsicht die Rede ist, die
Geschäfte selbst aber vor wie nach von denen ab und zu gehenden Rathsleuten,
wie bisher üblich gewesen, verrichtet werden müssen.
6.
Erfordert
ihre Schuldigkeit es, richtige und specificirte Rechnungen über die Fleckens
Einnahme und Ausgabe, und genaue Ordnung bei Einteilung und Ansagung der
Fuhren, der Hand- und Spanndienst-Leistungen, so wie solches bisher üblich
gewesen, fernerhin zu halten, und um mehrerer Genauigkeit willen auch über
letztere ordentliche Verzeichnisse zu halten, welche alle Jahr dem
Fleckens-Archiv anzulegen und zu ihrer Justification verwahrlich aufzubehalten
seyn werden: Was aber die eigentliche Fleckens-Rechnung betrifft, so soll
selbige alle Fastelabend öffentlich der Commüne vorgelesen und demnächst so,
wie solches vorhin gebräuchlich gewesen, nebst den dabei gemachten Monitis und
Erinnerungen zur Decision und Entscheidung wie auch zur Aufbewahrung im
Amthause abgeliefert werden; als zu welchem Ende von sothaner Fleckensrechnung
zwei gleichlautende Exemplare auszufertigen sind. - Was das eigentliche Ansagen
der Hand- und Spanndienste betrifft, wie auch das darüber zu führende Register,
so bleiben selbige eine Beschäftigung der jüngeren Rathmänner, über welche sie
aber so wie über alles die Ober-Aufsicht zu führen haben werden.
7.
Ist
es eine nicht zu verabsäumende Pflicht, auf die dem Flecken auszubessern
beykommenden Landstraßen und Wege, nicht weniger die Straßen und Pflaster des
Fleckens selbst und derer Reinhaltung fleißig Acht zu geben, und wan eine
Ausbesserung dabey erforderlich wäre, solche sofort durch die Beykommenden
veranstalten zu lassen; große etwa vorfallende Reparationes sind aber unverzüglich
in der Kirchspielsvogtei einzuberichten. Wobey zu merken ist, daß hier abermals
nur von einer Oberinspektion die Rede ist.
8.
Auch
sind sie gehalten, das Fleckens-Archiv und die gesammelten und noch zu
sammelnden Nachrichten, in genaue Ordnung, nummeriert, nach den Materien wie
möglich in Convolute gelegt und in Register zu halten, damit alle bisherige
Verwirrung, die dem Flecken bereits vielen Schaden verursacht hat, gäntzlich
abgeschafft wird und man dasjenige, was wichtig ist, ohne Weitläufigkeit und
Durcheinanderwerfung der Papiere sogleich finden könnte, wie nicht weniger für
die sorgfältige Aufbewahrung sämtlicher Papiere einzustehen.
9.
Haben
sie für die richtige Eingehung der Extra Schatzung in der Kirchspiels Vogtey,
desgleichen für die Einkassirung und Repartition anderer, auf das Flecken
gelegter Auf- und Anlagen genaue Sorge zu tragen und selbige demjenigen aus den
Rathleuten oder 8 Männern aufzutragen, der hiezu die mehrste Geschicklichkeit
habe.
10. Der mehreren
Sicherheit wegen und größeren Ordnung müssen sie auch ein ordentliches
Protokoll oder Fleckensbuch halten, worinnen alle verfaßten Beliebungen und
Rathschlüsse, desgleichen alle Obrigkeitlichen Befehle, deutlich und faßlich,
nebst andern Nachrichten, so von Wichtigkeit sein mögen, einzutragen und die
Glaubwürdigkeit und Gültigkeit derselben beym Schluß jeden Jahres durch die
Videmirung des Kirchspiels-Vogts außer Zweifel zu setzen ist; als zu welchem
188
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Ende besagtes Protokoll
behörig paginirt und mit einer Schnur, deren Enden mit meinem und dem
Fleckens-Siegel versehen sein müssen, durchgezogen werden soll. 11. Da aber die Beobachtung, aller
vorgeschriebenen Punkte und die Erhaltung der Ordnung im Gantzen sie
derogestalt beschäftigen wird, daß es ihnen vielleicht beschwerlich fallen
könnte, sich in das Detail einer jeden Sache einzulassen, als wird ihnen
erlaubt, sich aus denen sogenannten acht Männern einen oder zwey zu Gehülfen zu
wählen, welche sie zur Ausrichtung des ihnen zu übertragenden Geschäftes am
geschicktesten halten werden.
Und schließlich behalte
ich mir vor, denen Umständen und dem Befinden nach gegenwärtige Instruktion zu
verändern, zu verbessern und zu erweitern. Gegeben im Amhause zu Bramstedt, den
10. Februar 1774 Sr. Königl. Majestät zu Dennemark und Norwegen bestalter
Conferentz-Rath und p. t. Amtmann zu Segeberg
L.
S.
A. Schumacher
Der Herr Amtmann hält es
für angemessen, gleichzeitig mit der Instruktion den Ratmännern einen mahnenden
Fingerzeig zu geben, um zu verhüten, daß durch ungeschickte Handhabung der
Fleckenssatzung den Bewohnern Nachteil erwachse. Er bedient sich dazu eines
hier unverkürzt wiedergegebenen
Promemoria
»Da die sogenannten
Achtmänner größten Theils noch junge Leute sind, welche noch zur Zeit nicht die
nöthige Kenntnis von den hiesigen Verhältnissen besitzen, so kann ich es nicht
anders als gerne sehen, daß, zum Aufkommen dieses nahrlosen Orts, vorzüglich
diejenigen zu Achtmännern gewählt werden mögen, welche bereits hieselbst eine
Rathmanns-Stelle bekleidet haben, oder deren Alter und Erfahrung vermuten läßt,
daß sie durch ihre erworbenen Einsichten dem Flecken nützliche Dienste werden
leisten können. Zu dem Ende trage ich hiermit den p. t. Rathsleuten auf,
solches denen Fleckensleuten bey ihrer ersten Zusammenkunft in meinem Namen
vorzutragen und ihnen anbey kundzugeben, wie ich, des allgemeinen Besten wegen,
dessen Beförderung mir stets ein wichtiger Gegenstand sein wird, nicht umhin
könne, zu wünschen, daß bei jetzt bevorstehendem Wechsel hierauf reflektiret
und sowohl für diesmal als künftighin 4 alte und erfahrene und 4 junge Personen
mit hurtigen Begriffen und gutem Willen zu Acht-Männern gewählt werden mögen.«
gez.
A. Schumacher.
Noch
ein Promemoria
Zwei Jahre später beehrt
unser Amtmann die Ratmänner mit einem Schriftstück, in dem sich aufgespeicherte
Gewitterstimmung in nicht übertriebener Höflichkeit Luft macht, ohne die Sorgen
um den Flecken vermissen zu lassen. Wir lesen:
189
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»Wenn es gäntzlich wider
Wohlstand läuft, wie nicht weniger zu vieler, nicht zu duldender Unordnung
Anleitung gibt, daß, wie bisher geschehen, Jungens und andere unberechtigte
Personen aus dem Grunde, weil ihre Eltern eine 1/3 Hufe besitzen, sich bei den öffentlichen
Fleckens-Versammlungen einfinden und durch ihr ungestümes Poltern und Schreien,
wie nicht weniger durch ihr höchst unanständiges Saufen und Kartenspielen, die
Aufmerksamkeit der Anwesenden stören; ich aber diese eingerissene Unordnung für
die Zukunft gäntzlich abgeschafft wissen will: als haben die p. t. Rathsleute
solches sämtlich Beykommenden auf die gewöhnliche Weise bekannt zu machen,
diese Anordnung vor Eröffnung ihrer Session öffentlich verlesen und
nachrichtlich im Fleckens-Protokoll eintragen zu lassen, wie auch gebührend
darüber zu wachen, daß sowohl jetzt als pro Futuro dergleichen ungebetenen
Lärmen und Unordnung anrichtende Gäste durch den hiesigen Pflug-Vogt, falls sie
sich nicht gütlich wegbegeben wollen, durch einige gute Karbatsch von einer
Versammlung abgehalten werden, die ernstlichere Sachen zum Gegenstande hat, als
daß ihre Anwesenheit daselbst von einigen Nutzen sein könnte.«
Unterzeichnet:
Ita
Decretum im Königl. Amthause zu Bramstedt, 12. Februar 1776
A.
Sch.
Dieser offenbar
pflichtbewußte und energische Mann hat noch bis 1779 in Bramstedt gewohnt und
als Amtmann gewaltet. In dieser Zeit ist dort die Aufkoppelung (Landaufteilung)
durchgeführt worden, die im Flecken mit seinem vielköpfigen Bauernstand
ungewöhnlich viel Mühe erforderte. Darüber wird etliches zu berichten sein.
Zuvor mögen noch einige Bilder aus dem Geschäftsbereich der Ortsverwaltung
aufgezeigt werden.
Man schreibt 1774. Die
Hambrücke soll neu gebaut werden. Die Fleckenskasse hat Mangel an Überfluß. Der
Amtmann setzt sich mit ein für Zuschuß von oben her. Man erreicht folgenden
Bescheid:
»Wenn die Hochpreisliche
Königl. Rentekammer bei Approbierung der am 31. passati gehaltenen Licitation
wegen des zum Bau der Brücke erforderlichen Holzes zugleich auch genehmigt: daß
denen Bramstedter Fleckens-Eingesessenen das für die eventuelle Aptirung des
Holzes dargebotene Quantum 75 Mark lübsch bewandten Umständen nach zwar für
dieses Mal erlassen sein möge; jedoch daß solches keineswegs zur Folge gezogen,
noch dadurch der Unterthanen Verbindlichkeit zu Übernehmung der Aptirungskosten
in künftigen gleichen Fällen auf irgend eine Weyse geschadet werde; Als wird
solches denen p. t. Rathleuten des Fleckens Br. hiedurch bekant gemacht, mit
dem Auftrage, vorstehende Resolution, sowie alle andern ihnen von hieraus
zukommende dem Fleckens-Protokoll zu künftiger Nachricht zu
inceriren.«
A.Sch.
Noch ein weiterer
Schriftsatz dieses Amtmanns, der letzte von seiner Hand, gefertigt den 10.
Februar 1779, folgt hier, weil darin offenbar wird, daß er bis zuletzt in
treuer Pflichterfüllung und in redlichem Bemühen teilgenommen hat an den Sorgen
der Fleckensverwaltung. Das Protokoll meldet:
190
---------------------------------------------------------------------------------------
»Wenn der bisherige
Rathmann Jochim Lohse, der seinen Dienst mit so vieler Treue als rühmenswürdigen
Eyfer zum Nutzen des gantzen Fleckens vorgestanden, nunmehr, da er mit
liegenden Gründen nicht weiter angesessen ist, nicht wohl länger verwalten
kann, so erfordert es die Notdurft, daß statt seiner ein anderer gesetzter und
wohldenkender Mann, der die Umstände des Fleckens kennt, ihr Bestes wünscht und
an Beförderung desselben denkt, ohne Anstand wieder ernannt werde. Zu diesem
Ende wird dem heute in corpore versammelten Flecken, welches besser als jemand
diejenigen kennen wird, welche die zu dieser Bedienung erforderlichen
Eigenschaften besitzen und ihres Zutrauens würdig sind, hinmittelst aufgegeben,
ordentlich hierüber zusammen zu treten und zu diesem Behuf mir 4 Personen in
Vorschlag zu bringen, um demnächst aus selbigen denjenigen, der vor der Hand
mir dazu am geschicktesten zu seyn scheinen wird, bestallen und introduciren
lassen zu können, wobei zugleich zur Vermeidung aller Streitigkeiten angezeigt
wird, daß dem abgehenden Rathmanne auch die Ernte von dem ihm loco Salarii
beygelegten und besäeten Lande für das Jahr, worinnen er abgeht, gebühret.«
Nachrichten
über die Fleckensmärkte
a)
Vom Wochenmarkt
Schumacher läßt sich im
August 1774 darüber also vernehmen: »Da ich äußerst misfallig bemerken müssen,
daß an dem wöchentlichen Markttage der geheime Schleichhandel und das
Aufkaufen, aller meiner Vorkehrungen und Verfügungen ungeachtet, noch unter der
Hand fortdauert und insonderheit die fremden Kiepenkerls innerhalb der
ordentlichen Marktzeit, wo ihnen der Handel verboten ist, die Verkäufer
aufzuwiegeln suchen und durch ihre Eingebungen verursachen, daß die Waren zu
einem solchen Preise gelobt werden, wofür keine Käufer ohne Schaden handeln
kann; ich aber alledem, was den von mir getroffenen Anstalten irgend hinderlich
sein möchte, durchaus Wandel zu schaffen gemeint bin und nicht aufhören werde,
bis alle und jede dawiderlaufenden Unordnungen aus dem Grunde gehoben werden.
So finde ich für gut, daß
ich solches hierdurch verordne und festsetze, nicht allein die ordentliche
Marktzeit, von denen Kiepenkerls aller Kauf untersagt worden, noch auf eine
Stunde zu verlängern, mithin dieselbe bis um 1 Uhr mittags hinauszusetzen,
sondern auch denen Kiepenkerls hierdurch aufs ernstlichste zu verbieten, unter
keinem Vorwande, er sey auch welcher er wolle, sich während solcher Marktzeit
auf dem Markte zu zeigen. Im Entstehungsfalle aber und wo diesem Verbot nicht
die strengste Folge geleistet werden würde, werden sie sich Selbsten
zuzuschreiben haben, wenn ihnen die Frequentirung und Besuchung des Marktes in
Zukunft gäntzlich untersagt werden wird.
Wornach sich männiglich zu
richten.«
Schon ¼ Jahr früher hat
sich der Amtmann mit dieser wenig erbaulichen Ange-
191
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legenheit durch ein
Publicandum beschäftigt, ohne, wie wir sehen, einen rechten Erfolg zu erzielen.
Wir gönnen auch diesem Papiere Raum. »Da nach den eingelaufenen Nachrichten und
bestärkt durch den Augenschein die sogenannten Kiepenkerls oder Aufkäufer sich
wiederum häufig im hiesigen Amte blicken lassen, solches aber denen zu mehren
malen des halben ergangene Verfügungen gerade entgegen läuft und um so weniger
geduldet werden kann, als selbiges nur zu Zoll-Defraudationen abseiten des
gestohlenen Wildes und Verteurung der Lebensmittel Anlaß giebt, Als wird
solches Herumstreifen und Aufkaufen dieser Leute hierdurch nochmals aufs
ernstlichste verboten und bey Vermeidung nachdrücklicher Ahndung auch
Confiscation der Waren untersagt; als womit diejenigen Kiepenkerls, es seien
fremde oder heimische ohnfehlbar belegt werden sollen. Die an einem zum
hiesigen Amt gehörigen Ort sich blicken lassen und daselbst Wildpret, Hühner,
Eier, Butter, Feder-Vieh oder andere Lebensmittel aufzukaufen, um solches nach
frembden Orten hinzubringen sich künftig unterstehen werden. Es werden des
Endes alle Bauernvögte und übrigen Eingesessenen hiedurch befehligt, daß sie
diejenigen Kiepenkerls, welche sie 14 Tage nach Bekanntmachung dieses Befehls
im hiesigen Amte antreffen werden, nebst ihren Körben anhalten und zu den
nächsten Beamten hinbringen sollen, die ihnen alsdann das Nähere bedeuten
werden; Diejenigen Bauervögte oder Amtsunterthanen aber, so diesem Befehle
wegen Anhaltung der Kiepenkerls nicht genau nachleben, wie nicht anders
diejenigen, die nach diesem etwas an sie verkaufen möchten, werden um so viel
weniger einer nachdrücklichen Bestrafung entgehen, als eines Teils die in der
Nähe liegenden Städte und Flecken, andern Teils aber der wöchentliche hieselbst
zu haltende Markt-Tag ihnen zu einer vorteilhaften Absetzung ihrer Produkte
hinlängliche Anleitung geben werden.« Gegeben im Königl. Amthaus zu Bramstedt,
den 4. May 1774.
Zum dritten- und damit
letztenmal verhandelt Schumacher die Angelegenheit der Kiepenkerle Anno 1774.
»Obwohl ich geglaubt habe,
daß die von mir für Aufnahme des nunmehr wieder aufgerichteten wöchentlichen
Marktes, wie auch zur Abstellung des Aufkaufes und Umhergehens der Kiepenkerls
getroffene und allerseits zur Genüge öffentlich bekannt gemachte Anstalten den
Erfolg würden gehabt haben, welchen ich mit Fug hätte erwarten können, wann
Beykommende ihrer Verbindlichkeit, wie es guten Unterthanen obliegt,
nachgekommen wären, so vernehme ich dennoch nur ungerne, daß nicht nur das so
strenge verbotene Umhergehen der Kiepenkerls annoch aller Orten ziemlich
geduldet werde, sondern daß sogar die hiesigen Fleckens-Eingesessenen zum Teil
sich bereit finden, selbst Aufkäufer zu werden und ihre Häuser zu Niederlagen
von Waren und Produkten herzugeben, mit welchen demnächst die Kiepenkerls unter
der Hand, zur Defraudation des Königl. Zolls und zum nicht geringen Schaden des
hiesigen Amts und Fleckens versehen werden.
Hidurch bewogen, sehe ich
mich gemüßiget, die dieserwegen bereits ergangenen Befehle nicht nur zu wiederholen
und aufs neue einzuschärfen, sondern solche
192
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auch auf die nachdem sich
hervorgethane Unordnung und deren Abstellung zu extendiren.
Es wird dannenhero zuvörderst
das Umhergehen der Kiepenkerls und sämtlicher Aufkäufer bei nunmehro
unausbleiblicher allerhöchsten Orts darauf gesetzten Zuchthausstrafe nochmals
inhibiret und dem zufolge allen und jeden auf das ernstlichste verboten, an
irgend einen derselben außerhalb Markts und dann erlaubten Zeit Produkte zu
verkaufen und abzusetzen, zugleich aber auch männiglich, sonderlich die
Bauernvögte, zur gehörigen Wachsamkeit aufgefordert und angemahnet, daß, falls
sie einen dergleichen Kiepenkerl oder Aufkäufer ihres Orts betreten sollten,
sie denselben alsobald anzuhalten und mit der Kiepe ohne Unterschied zur
augenblicklichen Confiscation der bey ihm gefundenen Ware und weiteren
Bestrafung an den nächsten Beamten zu bringen beflissen sein.
Wie nun aber diesem nach
dem Übel nie aus dem Grunde würde gesteuert werden, falls nicht auch zugleich
der Aufkauf unter den Einwohnern selbst und das heimliche Handeln in den
Häusern gänzlich abgestellt würde, indem dadurch nicht nur im voraus bestellten
Produkte ohne Aufsehen entgegen genommen, sondern auch mit gleicher
Bequemlichkeit wieder an Fremde überlassen werden können; als werden hiedurch
sämtliche Käufer und Verkäufer befehliget, daß sie ins künftige ihren Handel
und Verkauf auf öffentlicher Straße treiben, bloß auf dem Markt ihre Produkte
feil bieten und absetzen, keineswegs aber sich unterstehen sollen, unter
welchem Vorwande es immer auch sey, Waren zum Verkauf in Häuser zu bringen, ehe
selbige auf dem Markt gewesen sind und die zur Haltung desselben bestimmte Zeit
verflossen ist. - Gleichergestalt sollen auch die Wirthe und Hausbesitzer keine
dergleichen Verordnungen als heimliches, verbotenes Handeln mit Kiepenkerls
oder sonstigen Verkäufern in ihren Häusern dulden, viel weniger selbst dabey
interessirt seyn; ebenfalls kein Käufer die Leute mit ihren Waren im voraus in
die Häuser einrücken oder den Aufkäufern große vorherbestellte Quantitäten
gleich abnehmen und zur Defraudation des Zolls und zur Verteurung der
Lebensmittel durch dazu bedungene Leute heimlich ausführen lassen, sondern
männiglich nach Bedürfnis auf öffentlichem Marktplatze kaufen, verkaufen und
Handel treiben, damit das Commercium nicht zum Nutzen weniger gewinnsüchtigen
Personen, sondern vielmehr zum Vortheil des Gantzen einschlagen möge.
Übrigens werden sämtliche
Beykommende wiederholt ermahnet und angewiesen, über die strikte Befolgung
vorstehender Anordnungen soviel möglich zu wachen, im Entstehungsfalle die
etwaigen Contravenienten ohne Nachsicht oder Unterschied alsofort zur gebührenden,
ihnen nach Befinden zuzulegenden Strafe bei mir anzugeben.
Wornach sich dann
männiglich zu achten und für Schaden und Ungelegenheit zu hüten hat.«
gez. Conferenzrath u.
Amtmann zu Segeberg.
Damit
entzieht sich das Treiben der infamen und listigen Kiepenkerle dem Blicke
193
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der Nachwelt. Über den
Wochenmarkt ist im allgemeinen zu sagen, daß er nicht zu einem standfesten
Gebilde hat werden wollen. Entstehen und Vergehen war sein Los.
b)
Von Kram- und Viehmarkt
Der vor dem
Dreißigjährigen Krieg so wichtige, weil nahrhafte dänische Ochsenhandel, kommt
hier nicht in Betracht; dessen Blütezeit war dahin. Unser Amtmann hatte es mit
den um die Mitte des 17. Jahrhunderts gegründeten Märkten zu tun.
Im März 1774 schreibt er
den Ratmännern auf deren Wünsche in Marktangelegenheiten:
»Wie es keinem Zweifel und
keiner Bedenklichkeit unterworfen sey, daß an den zwei festgesetzten
Jahrmärkten zugleich Viehhandel getrieben werden könne, sie sich aber in
Ansehung eines besonderen Viehmarktes ad Augustissimum (höchste Instanz) zu
wenden und von daher desfällige Befugnis impetriren müßten, dessen Behuf auch
in Hinsicht der bequemsten Zeit genau sich zu erkundigen und womöglich dahin zu
sehen haben, daß dazu ein Tag in Vorschlag gebracht werden könne, an dem
ohnehin das Vieh von Neumünster nach Itzehoe getrieben wird, als welches zur
baldigen Aufnahme desselben nicht wenig beytragen werde; In Ansehung derer
Kiepenkerls soll zu seiner Zeit das Nötige verfügt werden. -Übrigens kann ich
nicht umhin, ihnen bey dieser Gelegenheit eine für das Flecken noch viel
wichtigere Sache, nämlich die Instandsetzung der Schiffahrt über die Brame nach
Itzehoe als ein gar würksames Mittel zu ihrer Aufkunft aufs neue und dringend
zu empfehlen.«
Schon nach einem Monat
dient Schumacher den Ratleuten mit einem Memorandum in gleicher Angelegenheit,
wie folgt:
»Nicht nur die
Bequemlichkeit aller interessenden Personen, sondern auch andere Vorteile,
worunter die Aufnahme des Fleckens selbst eine der wesentlichsten ist, haben
mich bewogen, den Platz, worauf der bisherige Krammarkt eine Zeitlang gehalten,
zu verändern und letzteren um und bey dem Roland als dem Orte hin zu verlegen,
der ihm sowohl am angemessensten als auch eigentlich bestimmt ist dazu, und in
älteren Zeiten stets dazu gebraucht worden ist. Ich zeige den p. t. Rathleuten
des Fleckens Bramstedt diese meine Absicht des Endes an, daß sie nicht allein
bey der dessen Behuf zu treffenden Veranstaltung hilfreiche Hand leisten und
ihre Pflicht verrichten, sondern auch dafür sorgen, daß das ins Künftige zu
erhebende Stätegeld, welches bisher nur einzelnen Personen zugekommen, nun aber
der allgemeinen Kasse des Fleckens zufließen soll, blos zum Vortheil der
Kommüne berechnet und zu deren Nutzen angewandt werde.«1)
__________
1)
Anmerkung. Aus diesem Schreiben ergibt sich, daß der Bramstedter Markt
wiederholt seinen Standort geändert hat und durch unbestimmte Zeit auf dem
Boden von Privatleuten abgehalten worden, denen dafür ein »Stätegeld« bezahlt
worden ist.
194
---------------------------------------------------------------------------------------
Von
der Allee auf dem Bleek
Eine Urkunde aus Anno 1775
gibt hierüber gewisse Nachricht, die hier nicht fehlen soll.
»Ich Endesunterschriebener
Ferdinand Otto Vollrath Lawätz, Erb- und Gerichtsherr auf dem im Flecken
Bramstedt belegenen adeligen Gute Stedingshof, beurkund hiermit, wes maßen ich
zur Verschönerung der nach der großen Fleckens Straße hinausstehenden
Außenseite meines Wohnhauses und um zugleich diesen Teil der allgemeinen Straße
ein besseres und zierlicheres Ansehen zu geben, Vorhabens geworden, die gantze
Länge besagten meines Wohnhauses wie meinen in gerader Linie daran stoßenden
Garten bis an die Umbucht meiner Planke vor dem ein Drittel Hufner Johann
Langmacken Hause mit einer doppelten Reihe Lindenbäumen zu bepflanzen.
Wenn mir aber nun nicht
unbekannt ist, daß dem adeligen Gute Stedingshof an alle dem, was außerhalb dem
Wohnhause nach der Straße zu belegen ist, irgend ein Recht nicht competire,
sondern solches privative Königliche Territorium sei; dergestalt darf ich nach
dieser Seite hin etwas weiter nicht prätendiren möge als ratione meines
Wohnhauses einen dem gemeinen Rechte nach jeglichem Gebäude zuständigen Weg und
Tropfenfall; andrerseits aber doch auch dieses mein Vorhaben nicht nur gantz
unschädlich, sondern auch zur Verschönerung des hiesigen Fleckens gereichet.
Als habe ich solches dem Königlichen Amthause Bramstedt vorzustellen nicht ermangelt
und darauf zur Antwort erhalten, daß mir solches gegen Ausstellung einer
Versicherungsakte de non präjudicando erlaubt seyn und es mir nicht gewehret
werden sollte, meine Intention vorbemerktermaßen auszuführen, und danach die
erste Reihe Bäume in einer Entfernung von etwa 18 Fuß von der Außenseite meines
Wohnhauses und die andere etwa 16 Fuß weiter beinahe parallel mit besagter
Außenseite und meiner Garten-Planke zu setzen.
Demzufolge reversire mich
hidurch und Kraft dieses aufs bündigste für mich, meine Erben und Nachfolger
und declarire, daß ich aus sothaner Vergünstigung nie zum Präjudice oder zu
irgend einer Art von Beeinträchtigung der allerhöchsten Territorial Hoheit
einigen Vortheil zu ziehen gesonnen seyn werde und daß die fragliche Linden-Allee
vielmehr ein öffentlicher und freyer Spazier-Gang zum allgemeinen Gebrauch der
hiesigen Einwohner seyn und bleiben solle, dessen ich mich auf keine Weise
jemalen alleine anzumaßen, noch zu umzäumen willens, sondern wovon mir etwas
weiter nicht zustehen mag, als der Mitgebrauch, insoferne es ein öffentlicher
Platz ist, und zwar dergestalt und also, daß ich mich auch allemal anheischig
mache und verbinde, die ganze Arbeit, falls solches, wie doch nicht zu vermuten
ist, nötig gefunden werden möchte, sogleich zu demoliren und alles in pristinum
statum wieder zu versetzen.
Dessen zur Urkund und
Sicherheit habe ich vorstehende reversales eigenhändig unterzeichnet und mit
meinem Pettschaft besiegelt.«
gez.
F. O. V. Lawätz
Dazu
die Bestätigung des Amtmanns:
»Daß voranstehende Copey
sich mit dem im hiesigen Archiv befindlichen Original von Wort zu Wort
gleichlautend befinde, ein solches wird hidurch durch eigenhändige
Namensunterschrift und Beydrücken meines angebohrnen Pettschaftes bezeuget.
Actum im Königlichen Amthause zu Bramstedt, den 19. August 1775.«
gez.
A. Sch.
Der
Flecken als Wohltäter
Es sei vorausgeschickt,
daß die dänischen Könige und die russischen Großfürsten derzeit dem
oldenburgischen Fürstenhause entstammten. Man schrieb das Jahr 1774. Schumacher
verleibt dem Protokoll folgendes ein.
»Wenn Ihro Königl. Maj.
mir mittelst allerhöchsten Reskripts aus deroselben Regierung zu Glückstadt zu
erkennen gegeben, daß dieselben denen Brandbeschädigten Einwohnern der vormals
Großfürstlichen Stadt Oldenburg, woselbst außer der Kirche und Schulgebäude
nebst vielen stark angefüllten Scheunen und sonstigen Vorratshäusern 146
Bürgerhäuser abgebrannt und mehr als 600 Menschen in die größte Armut geraten,
außer der denselben unterm 12. Febr. bereits allergnädigst bewilligten
allgemeinen Kirchenkollekte in den Herzogtümern annoch auf wiederholte
Vorstellung eine Haussammlung in den Städten und Flecken in Holstein durch
zweene, von der beykommenden Obrigkeit dafür zu ernennende Männer allermildest
gestattet, und wird dessen Behuf das Nötige in Absicht des hiesigen Amts zu
verfügen, allerhöchst aufgetragen haben: Als werden zu sothaner Haussammlung im
Flecken Bramstedt die p. t. Ratmänner Nicolaus Meyer und Jochim Lohse hiedurch
mit dem Auftrage von mir comitirt, daß, so wie nicht zu zweifeln stehet, es
werde der angezogene bedauernswürdige Zustand der verunglückten Stadt auch die
hiesigen Einwohner zum billigen Mitleiden und Beystande auffordern, sie solche
nicht allein des fördersamsten bewerkstelligen, sondern auch demnächst zu
seiner Zeit von dem Ertrage der eingehobenen Collekten Gelder an mich Bericht
erstatten; Wornach sie sich zu achten.«
Soweit das Protokoll.
Schmerzlich für den Leser, zu erfahren, daß der Amtmann berührtes Ergebnis
nicht dem Papier anvertraute. Es wird wohl nicht aus Vergeßlichkeit geschehen
sein.
Von
der Auswirkung der Landesaufteilmg
Am 6. April 1774 berichtet
das Amthaus den Fleckensverwaltern: »Wann nach einer Resolution der
Hochpreislichen Rentenkammer (in Rendsburg), welche ich den p. t. Ratsleuten
bereits communicirt habe, die Käthner an der hiesigen Gemeinheit ausgeschlossen
und selbige gäntzlich den 1/3 Hufnern über-
196
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lassen wird, die von mir
im vorigen Herbst eingenommenen 4 Tonnen Landes nunmehro ein Pertinenz der
Allgemeinheit ausmachen, und ich solche vorbesagter Resolution zufolge ohne
Bewilligung des Fleckens länger zu behalten kein Recht habe, als wird den p. t.
Ratsleuten aufgegeben, noch in diesen Tagen sämtliche 1/3 Hufner
zusammen zu berufen, um deren positive und ungezwungene Erklärung darüber zu
verlangen, ob sie benanntes Stück wieder ins Freie wollen gelegt haben, oder ob
dem Amthause gegen Erlegung der davon abzuhaltenden Recognitio fernerhin und
auf beständig zu überlassen gesonnen sind. Sowohl zu dem einen als zu dem
andern bin ich gleich erbötig, und die Commune kann hierinnen ganz frei nach
Gutdünken und so wie ihr Interesse es mit sich bringt, verfahren; nur muß ich
auf eine baldige und schriftliche Antwort dringen, damit ich nicht vergeblich
mehrere Kosten an ein Pertinenz verwende, von dem ich noch ungewiß bin, ob ich
auch jemals einigen Zins davon ziehen werde.«
Der Amtmann hat die
Befriedigung, schon am nächsten Tage verbuchen zu können:
»Bei Versammlung des
gantzen Fleckens in Jochim Lohse seinem Hause ist einstimmig beliebet worden,
daß die im vorigen Herbst von dem Herrn Conferenz-Rath eingenommenen 4 Tonnen
Land fernerhin und beständig dem Amthause gegen Erlegung der davon
abzuhaltenden Recognition überlassen werden soll.« Noch im gleichen Monat
öffnet sich die Bahn zur Durchführung der vom König befohlenen Verkoppelung.
Der Amtmann teilt ihnen mit, »daß sie nunmehro allerseits Erlaubnis hätten, da
sie im Begriffe wären, ihre Gründe der Obrigkeitl. Order gemäß aufmessen zu
lassen, zur geschwinderen Beförderung der Einkoppelung jeder 2 Koppeln à 2
Tonnen unter sich einzuteilen und einzuhegen, und ich den bewandten Umständen
nach mich solchem nicht habe entlegen wollen; als wird denen selben solches
hiedurch obrigkeitlich zugestanden und jeder 1/3 Hufner des Fleckens
Bramstedt hiedurch berechtigt, zwey Koppeln besagter Größe zu friedigen, sofern
sie unter sich darüber einig sein werden und desfalls von niemandem gegründeter
Widerspruch geschehen wird.«
Eine Woche später schon
nimmt das Amthaus Anlaß, den Beteiligten mit neuer Weisung zu dienen.
»Nachdem ich vernommen,
daß nunmehro Behuf der Vertheilung derjenigen Koppeln, deren Einfriedigung aus
der Gemeinheit von mir jüngst bewilliget worden ist, ein Umlegung vorgenommen
werden soll, so finde ich für gut, daß die Koppeln 55, 56 u. 57, als welche zu
einem gewissen öffentlichen Gebrauche bestimmt sind und desfalls weiter liegen
bleiben sollen, von solcher Umlosung gäntzlich ausgenommen werden. Den
Rathmännern des Fleckens wird solche meine Willens Meinung daher des Endes
hiedurch bekannt gemacht, daß sie für deren Ausrichtung und Bewerkstelligung
pflichtmäßige Sorge tragen und angewandt seyn mögen.«
Nach vollzogener Auslosung
der abgegrenzten Koppeln zeigte sich bei den Landbesitzern mancherlei
Enttäuschung im Hinblick auf die örtliche Lage des ihnen zugefallenen
Landstückes. Die Neigung zum Austauschen offenbarte sich in un-
197
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erwartet hohem Maße, so
daß das Amthaus sich zum Eingreifen veranlaßt sah. Dies geschah durch
nachstehenden Erlaß:
»Wenn bey der im hiesigen
Flecken vorseyenden Einkoppelung öfters und viel Umtauschungen zerstreut
liegender Ländereien und Wiesen vorgenommen werden, diese an sich nützliche
Operation aber aus Mangel an Einsicht und weil partes sich sowohl der
Quantität, als Bonität wegen mehrenteils durch Geld auseinander setzen, mehrenteils
den widrigen Erfolg hat, daß einer oder der andre der Permutanten über kurz
oder lang an seiner im Besitz habenden Stelle (Hufe) Schaden leiden und
dergestalt geschwächt werden kann, daß es ihm in Zukunft schwer fallen möchte,
sich darauf zu conserviren und die auf selbiger haftende Contribuenda und
übrige Lasten davon ab zu tragen: Als wird zur Abstellung dieses Unfugs und zur
Aufrechterhaltung der hiesigen mit Land versehenen Fleckenseinwohner
nachfolgendes zur unabweichlichen Richtschnur bey künftigen Vertauschungen
amtsobrigkeitlich angeordnet und festgesetzet:
1.
Sollen
zwey landverständige Männer dazu ernannt und beeydigt werden, welche im
hiesigen Flecken ansässig sind, die Bonitirung deren zu vertauschenden Stücke
zu verrichten und darüber ihr gewissenhaftes und eydliches Bedenken dahin zu
ertheilen, ob und wieferne der eine oder der andere dadurch merklich belastet
werden möchte.
2.
Solches
ihr Gutdünken soll mir demnächst schriftlich zugestellt werden, um dem Befinden
und den Umständen nach die vorzunehmende Vertauschung entweder rein
abzuschlagen oder auch zu bestätigen.
3.
Die
eventualiter dergestalt approbirten Vertauschungen sollen demnächst zur
künftigen Sicherheit der Hufenbesitzer dem hiesigen Fleckensprotokoll
nachrichtlich einverleibt werden.
4.
Alle
und jede seit einem Jahre geschehene Vertauschungen sollen hiemit für null und
nichtig erklärt und als solche, die zur Schwächung der Hufen gereichen,
angesehen seyn, falls nicht der bevorstehende modus procedendi annoch dabei
observirt und der Permutation ein legales und gesetzmäßiges Ansehen würde
gegeben werden, wie es sich denn auch von selbst versteht, daß pro Futuro ein
jeder ohne diese Formalitäten geschlossene Tausch von keiner-Gültigkeit seyn,
sondern stets und zu allen Zeiten werden angefochten und über den Haufen
geworfen werden können.«
Ita Decretum im
Königlichen Amthause zu Bramstedt, 16. April 1775
gez.
A. Sch.
Aus eigenem Entschluß
bestimmen die Rat- und Achtmänner,
»daß bey der vorseienden
Einkoppelung alle ellernen (Erle) Busch-Theile, wie auch die Holz-Theile,
welche verhauen und nur mit einigen sprang (vereinzelten) Bäumen besetzet sind,
als gemeine Weide gerechnet werden sollen, auch alles mit eingekoppelt werden
soll. Diejenigen, welche ihre Holztheile behalten, müssen sich die Gründe nach
der Bonität in der gemeinen Weide abkürzen lassen.«
Nachdem nun auch die vom
Amtmann geforderten Landverständigen gewählt worden waren, konnten die
Tauschgeschäfte ihren Gang nehmen. Johann Stekmest
198
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und Hinrich Mohr waren die
Auserwählten, und an Arbeit hat es ihnen nicht gefehlt.
Darüber
mehr, nachdem wir zuvor einer anderen Schwierigkeit, die sich bei der
Aufteilung ergeben hatte, unsere Aufmerksamkeit zugewendet haben werden. Unter
dem 5. März 1774 verkündet Schumacher:
»Wenn die Kgl.
Rentenkammer auf das Gesuch der Fleckensvorsteher, die Ausschließung der nicht
zur Pflugzahl stehenden Käthner bei Auftheilung der gemeinen Weide betreffend,
zu resolviren für gut befunden hat: daß in diesem Falle den Umständen nach
nothwendig von der Vorschrift des § 25 der Einkoppelungs-Verordnung eine
Ausnahme gemacht, mithin die ohnehin nur eingeschränkte gemeine Weide unter den
1/3 Hufnern allein vertheilet werden müsse, dahingegen aber die Freikäthner
billiger Weise auf eine andere Art möglichst abgefunden werden sollen; als wird
solche Resolution den Supplicanten nomine camerae regiae hierdurch
nachrichtlich angezeiget.«
Damit war den Ratleuten
die Aufgabe gestellt, sich um die Einigung der Parteien zu mühen. Die Hufner
stützten sich auf das alleinige, nicht zu bestreitende Besitzrecht an dem
Allmend; die Freikätner, das sind die Kätner, die eben nur Hofbesitzer waren,
beriefen sich darauf, daß sie gegen Entgelt immer auch hätten Vieh auf die
Gemeindeweide bringen dürfen. Es vergingen - kein echter Bramstedter wird sich
darüber wundern - fast genau 2½ Jahre, bis man, des langen Haderns müde, die
Streitaxt beiseite legte.
Unter dem 28. August 1776
meldet unser Protokoll:
»Wenn die bishero zwischen
den Hufnern und Frei-Käthnern wegen verordnungsmäßiger Abfindung der letzteren
obgewaltete Streitigkeit, welche der hiesigen Feldauftheilung hinderlich
gewesen, durch nachstehenden gütlichen Vergleich geendiget und beigelegt
worden, der von Wort zu Wort folgendermaßen lautet: Kund und zu wissen sei
himit, daß die Irrungen, welche zwischen den sogenannten 1/3 Hufnern und
Freykäthnern in dem Flecken Bramstedt wegen Abfindung der letzteren in der
gemeinen Weide bey der vorwaltenden Einkoppelung der gesamten Felder entstanden
waren, durch Canzlei-Rath Ottes Vermittlung als zu dem Ende von der
Schleswig-Holsteinischen Commission Abgeordneten folgendergestalt beygeleget
und verglichen worden sind:
Es stehen die
Drittelbesitzer des Fleckens zu, daß für jede Käthner-Gerechtigkeit zwey Tonnen
Landschlag an sie abgemessen werden in dem Lande, welches »Durch den Bohm« genannt
wird, seinen Anfang nimmt bey der Koppel 38 im Risse (Karte), und so weit
hinauf gehet, als sich die Maße erstrecket; dieses Land wird den Kätnern
abgegraben und kann nachhero unter ihnen zu gleichen Theilen vertheilt werden;
Rund um dieses Land bleibt, damit sowohl die Kuhtrift als auch die Einfahrt
nach den Wiesen an der Bram Aue an der einen, und nach den Koppeln und der
Wiese Schulters Rehm an der andern Seite unbehindert bleibt; weiter als
dieses obbeschriebene Land haben die Käthner nicht zu prätendiren und
verzichten hiedurch auf alle künftige Abfindung und Gerechtigkeiten an den
Schafsweiden, Heidemähen und übrigen gemeinen Weide; indessen ist verabredet,
daß,
199
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wenn einige derer Käthner
etliche Schafe auf der Schaf weide zu haben wünschen, solche gegen Erlegung der
bis itzo gewöhnlichen 8 Schilling lübsch Weidegeld und der Hirten Kosten von
dem Flecken angenommen werden sollen; jedoch soll die Zahl der Schafe für jeden
Käthner sich nicht über 4 bis 5 Stück erstrecken, dieses auch nicht länger
dauern, als der Flecken die Schäferei behält; für obbeschriebenes Land bezahlen
die Kätner für jede Person acht Lübschilling an den Flecken jährlich; diese
Zahlung aber nimmt allererst ihren Anfang, wenn die dem Flecken allergnädigst
verstatteten Frey-Jahre expirirt sind und der Flecken an der Kgl. Casse an zu
bezahlen fängt; bis dahin genießen die Unterthanen das Land umsonst, und haben
die Drittelbesitzer von den Käthnern dieses Landes wegen niemals etwas anderes als
obbenannte acht Lübschilling à Tonne jährlich zu fordern.
Da nun diese Vereinbarung
mit beyderseitiger Bewilligung verabredet und geschlossen worden ist, so haben
wir von beyden Seiten dazu Bevollmächtigten zu desto mehrerer Festhaltung
dieses eigenhändig unterschrieben.«
So geschehen zu Bramstedt,
den 6. August 1776
Nicolaus
Meyer Jochim Lohse p. t. Rathmänner
Gerd
Westphalen Johann Friedrich Dresler, Gevollmächtigte der
Freykäthner.
»Als wird voranstehender Vergleich auf Verlangen der Contrahenten in allen
seinen Clausein und Punkten von mir genehmigt und Amtsobrigkeitlich bestätiget
und zwar dergestalt und also, daß er beiden Theilen pro Futuro zur
unabweichlichen Norm und Regel dienen soll und demzufolge nunmehro dem
Segeberger Amtsprotokoll zur künftigen Nachricht inserirt werden kann«.
So geschehen im Königl.
Amthause zu Bramstedt, den 28. August 1776.
L.
S.
A. Schumacher
Eine noch höhere Stelle
nimmt an der Vollendung des wohlgelungenen Werkes teil.
Die Königliche
Schleswig-Holsteinische Landkommission auf Schloß Gottorf bekundet unter dem
16.10.1776 ihr Urteil, wie folgt:
»Nachdem die seit
verschiedenen Jahren zwischen den Drittelhufnern und den nicht zur Pflugzahl
stehenden Käthnern des Fleckens Bramstedt obgewaltete Streitigkeit, die
Teilnahme der letzteren an der dortigen Fleckens Gemeinheit betreffend,
allendlich durch die Bemühungen des Canzleirates und Ober-Bau-Inspektoris Otte
dergestalt, wie die in beglaubigter Abschrift angeschlossene Akte vom 6. Aug.
a. c. mit mehreren ergibet, an Ort und Stelle gütlich hingeleget worden.
So wird nunmehro von
genannter Commission nach eingegangenem Bericht gedachten Herrn Canzleirates
höheren Orts gethane Anfrage und daher erfolgten Resolution in Conformität
eines Cammerschreibens vom 21. v. Mts. beregte Vereinbarung nicht nur hidurch
in allen Stücken genehmigt, sondern es werden auch zugleich beide Theile
angewiesen, sich solche in Zukunft zur unabweislichen Richtschnur dienen zu
lassen.«
Vier Unterschriften.
200
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Damit war zweifellos ein
guter Schritt vorwärts getan. Aber noch konnte keineswegs von holdem Frieden
und süßer Eintracht in der großen Sache der Landaufteilung die Rede sein. Die
Schäferei und was damit zusammenhängt, die vielen Wünsche nach Umtausch, auch
die Kostenfrage verursachten noch etliche Jahre Sorge und Unruhe, wie unser
Protokoll ausweisen soll.
Von
der Schäferei
Bescheid für die
Drittelhufner und die nicht mit zur Pflugzahl stehenden Kätner des Fleckens
Bramstedt.
»Auf die abseiten der
Rath- und Achtmänner jüngsthin wider den hiesigen Herrn Kirchspielvogt
Butenschön zur Approbation bey mir übergebene Vorstellung und Bitte, betreffend
die künftige Nutzung des Schafdüngers von den Schafen des Schäfers u.s.w. wird
nach darüber eingezogener Erklärung des Kirchspielvogts hieselbst und
Gegenvorstellung der Supplikanten und nach reiflicher Erwägung der Sache
erklärt, daß der seitherige Nutznießer in ungestörtem Besitze zu lassen und
dabei zu schützen sey, solange sothaner Schafdünger stattfindet, daß aber auch
Supplicantibus (den Ansuchenden) dagegen frey stehe, auf die Erfüllung der
Verbindlichkeit, einen tüchtigen Eber zu halten, zu dringen, wenn sie solches
für gut finden, und daß endlich nach Herrn Supplicati etwaigem Abgange in
Ansehung seines Nachfolgers es von den Supplicantibus abhängen werde, welcher
gestalt über solchen Schafmist zu disponiren sey. - Allermaßen solchergestalt
hiedurch zur Resolution ertheilt wird.«
A. Sch.
Die
Hirtenkate
ist durch die Einkoppelung
»unbrauchbar« und mit allem Zubehör nach Genehmigung des Amtmannes zur
öffentlichen Versteigerung, die acht Tage vorher von der Kanzel angezeigt
werden soll, zu verkaufen. Es handelt sich neben der Hofstelle um sieben
Parzellen, deren eine im Wiedrehm liegt, die letzte Grisselsbeck genannt
wird. Die Obrigkeit stellt dazu folgende Bedingungen:
a) Da diesem so
nahrlosen Flecken auf keine andere Weise zu helfen ist, soll das durch den
Verkauf gelöste Geld wirklich zur Zahlung der durch die Einkoppelung
entstandenen Kosten verwendet werden;
b) des Königs
Revenüen sind in keiner Weise zu kürzen;
c) die Hirtenkate
ist zugunsten des Königs in eine Freikate umzuwandeln.
Wenn wir nun noch zur
Kenntnis nehmen, daß der Flecken die Kosten der Wege herstellung, die infolge
der Einfriedigung von Pastoren- und Organistenland nötig wurden, hochherzig mit
2/3 übernahm, so stehen wir dem Punkte ganz nahe, wo Amtmann Schumacher endlich
den letzten Federzug geleistet hat, im
201
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Jahre
1779. Der Schriftverkehr zwischen Fleckensvertretern und Amthaus, wie er ihn gepflegt
und unserm Protokoll anvertraut hatte, war damit praktisch erloschen.
Die noch folgenden 20
Textseiten umfassen einen Zeitraum von 30 Jahren; niemals unterzeichnet noch
ein Amtmann; fast immer finden wir die Unterschrift des Kirchspielvogts Wohldt
und daneben diejenige der beiden beeidigten Bonitierungsmänner,
ohne deren Genehmigung ein Landtausch nicht vollzogen werden
konnte.
Die Anzahl der verbuchten
Tauschverträge deckt sich ziemlich genau mit der Zahl der seit 1695 in der
Fleckensgemarkung vorhandenen Drittelhufen. Rund 125 Grundstücke, die ihren
Bestand erst durch die Einkoppelung erlangt hatten, haben durch Tausch ihren
Besitzer gewechselt. So hat sich auch hier bestätigt, daß das Los ein
eigenwillig Ding ist und vielfach den Wünschen seines Besitzers abhold. Daneben
bringen beregte 30 Jahre noch Nachricht über ein paar Verkäufe, die einen
Bramstedter wohl interessieren könnten.
»Anno 1787 den 28. April
sind einige von denen im Bramstedter so genannten Unbrauchbaren Plätzen an
Liebhaber vor jährliche Grundhauer überlassen worden.
1.
Die
Anhöhe der kleinen A nach Westen, welche an der Norderseite das sogenannte Crutz
und an der Oster Seite nach Nr. 36 im Erdbuch an die Koppel litera B zu
grentzen hat; die Grenze gegen Süden ist der Feldweg, der durch den Husdahl hinauf
nach der kleinen A gehet; gegen Westen gehet die Scheide vor den Holztheil des Vierkantigen
Busches und die daran grentzenden Koppeln vorüber bis wieder an das Crutz,
und daß ein Feldweg, der vor dem Vierkantigen Busch und den daran grenzenden
Koppeln vorüber ins Crutz geht, bleiben muß.
2.
Ein
kleiner Platz am Landweg, der zu Osten die Capellenhöfe, gegen Süden nach
dem Erdbuch die Koppel Nr. 16 lit. C und gegen Norden die Landstraße von
Bramstedt nach Neumünster zur Grenze hat.
3.
Ein
kleiner Platz über die Hudau unweit der Brücke, der zur Norderseite die Pastoren-Wiese,
nach Westen des Herrn Kirchspielvogts Wohldt Fischteich zu grenzen
hat.«
Es folgen die Conditiones
bei der Verheurung der vorbeschriebenen, in der Gemeinheit liegenden
Fleckens-Plätze:
»Sie sollen an Liebhaber
vor jährliche Grundheuer, welche alle Jahr auf Fastnacht zu bezahlen ist, auf
beständig als ein Eigentum überlassen werden, daß er damit schalten und walten
kann, als er will, nur daß der Besitzer der Plätze die über kurz oder lang
darauf fallenden Allerhöchsten Kgl. Revenuen davon abtragen muß, und daß der
Heuerer bei dem Platz Nr. 1 einen Feldweg von Huesdahl an vor den Vierkantigen
Busch über bis nach dem Crutz muß liegen lassen.« Liebhaber haben sich bald
gefunden. Platz Nr. 1 erzielte eine Grundheuer von 5 Mark 8 Schilling, Nr. 2
von 1 Mark; Nr. 3 wurde für 10 Schilling lübsch dem Kirchspielvogt überlassen.
Anno 1793 veräußert der
Flecken durch »unwiderruflichen Verkauf« die infolge der Landaufteilung
überzählig gewordene Bullenwiese an der Osteraue. In öffent-
202
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licher Versteigerung geht
sie über in den »erb- und eigentümlichen Besitz« des Kätners Marx Boy; die
jährliche Grundrente beträgt 18 Mark holsteinisches Courant. Säumigkeit in
Entrichtung der jährlichen Recognition hebt aber alle Rechte des Käufers oder
späteren Besitzers auf mit Einschluß des etwa durch Verbesserung hinzugefügten
Wertes. - Und wie denn Käufer sich für sich und seine Erben bey Verpfändung
seiner Güter verbindlich macht, die ihm als Meistbietenden zugeschlagene Wiese
sofort anzutreten und die 18 Mark jedes Jahr um Fastnacht prompt an den Flecken
zu entrichten; So setzen Verkäufer Marx Boy und seine Erben in den wahren,
ruhigen Besitz der genannten Bullen-Wiese.
Für den Flecken
unterzeichnen:
Hans C. Bolling, Johann
Stekmest, Hinrich Lindemann, Hans Silau. Noch eine letzte Kaufangelegenheit,
die die den Bramstedtern so vertraute Vogelstange betrifft, soll nicht
übersehen werden. Der Flecken ist diesmal der Käufer. »Auf diesen Wechsel zahlt
der Flecken Bramstedt an die Erben des verstorbenen ½ Hufners Asmus Jessen zu
Bramstedt die Summe 1150 Mark, sage Elfhundert und Fünfzig Mark
Schleswig-Holsteinisches Courant, wofür der Flecken, durch die ihn heute
überlassene und Martini dieses Jahres abgetreten werdende ganze an der Vogelstange
hieselbst belegene Koppel, so wie diese im Erdbuch aufgeführet, jetzt
eingefriediget und begrenzet ist, die valutam erhalten: welche Summe (1150
Mark) jedoch dergestalt ausgezahlt wird, daß davon auf Martini dieses Jahr
Sechshundert fünf und zwanzig Mark ohne Zinsen abgetragen und dann Pfingsten
1794 fünfhundert fünf und zwanzig Mark mit ½ Jahres Zinsen zu 4% p. a.
berechnet, entrichtet werden. Zu welchem Ende dann p. t. Rath- und Achtmänner
diesen Fleckenswechsel unter Direktion der Morgensprache als des Königs
Offizialen und Kirchspielvogt Wohldt aufgestellt und mittelst eigenhändiger
Unterschrift und beigedrucktem Fleckens-Siegel unter Versprechung prompter und
richtiger Zahlung zur Verfallzeit arrestirt haben.
So geschehen zu Bramstedt,
den 6. May 1793.«
Es unterschreiben die 12
Rath- und Achtmänner:
Hinrich Lindemann, Marius
Nicolaus Lück, Hans Harbeck, Tim Todt, Hans Schröder, Carl Rumohr, Johann
Stekmest, Jürgen Michel Goldbeck, Jasper Fischer, Jochim Köster, Hans Hinrich
Ziegenbein, Johann Meyer jun.
(L.
S.)
Wohldt in fidem.
Auch der Inhalt des
Reverses, welcher genannter Koppel wegen auszufertigen war, soll wortgetreu vor
Augen gestellt werden.
»Demnach wir Endesunterschriebene Rath- und Achtmänner des Fleckens Bramstedt für uns und sämtliche Drittelhufner hieselbst von den Erben des verstorbenen Halbhufners Asmus Jessen hieselbst die bei der hiesigen Vogelstange belegene Koppel, welche in allem 4 Tonnen, 6 Schip und 12 Sechzehntel mißt, um und für eine namhafte Summe, wesfalls von uns ein Wechsel ausgestellt worden, käuflich hinwieder an uns gebracht haben, derogestalt, daß durch diesen Handel nunmehr zugleich alle kostbaren Prozesse und gerichtlichen Weiterungen, welche sowohl gegen die gedachten Erben des verstorbenen Asmus Jessen
203
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als auch gegen die Erben
des weiland Conferenzrathes und vormaligen Amtmanns Herrn Andreas Schumacher,
in Betreff derjenigen von letzterem während seiner Dienstzeit aus der
Fleckensgemeinheit zu seinem privaten Gebrauch.aufgenommenen und kultivireten,
in besagter Koppel mit enthaltenen 4 Tonnen Landes in Betreff des Eigentums,
gehabter Nutzung und desfalliger Entschädigung oder sonstigen Ansprache
abseiten des Fleckens intentiniert (beabsichtigt) werden möchten, für nun und
immer gänzlich abgethan und entfernt sein sollen: Als reversiren wir uns in
Eingangs erwähnter Qualität für uns und unsere Erben hiemittelst in bester Form
Rechtens unter Begebung aller Ausflüchte, insbesonders der Rechtsregel, daß ein
gemeiner Verzicht nicht gelte, wenn kein besonderer vorher gegangen, so wol
gegen die Erben des weiland Herrn Conferenz-Raths und Amtmanns Andreas
Schumacher, als auch gegen die Erben des Halbhufners Asmus Jessen, dahin, daß
in Betreff der gedachten Koppel und besonders wegen der darin erhaltenen 4
Tonnen, welche von Schumacher zu privater Nutzung aus der Fleckens Gemeinheit
aufgenommen wurden, so wenig in Hinsicht des Eigenthums, als bisheriger Nutzung
gehabter Kosten, Eviktionsleistung (Gewährleistung) oder wie die Ansprache
(Anforderung) sonst genannt werden möge, abseiten des Fleckens Bramstedt und
dessen Einwohner nun und nimmer einige Ansprache, weder an die Erben des
wohlgedachten vormaligen Amtmanns Herrn Schumacher, noch an die Erben des
weiland Asmus Jessen, gemacht werden soll; wie wir denn in Hinsicht des bereits
gegen die Erben des ersteren anhängig gemachten Prozesses, wesfalls wir per
decretum clementissimum sub dato Glückstadt, den 21.10.1790 ad viam juris
ordinatiam verwiesen worden sind liti et causa ausdrücklich und wohlbedächtlich
renunziren und darauf in bündigster Form Rechtens Verzicht thun.«
Dessen zu mehrer Urkunde
ist dieser Revers am 6. May 1793 von den 12 Rat- und Achtmännern unterschrieben
und durch den Kirchspielvogt beglaubigt worden.
Unterschriften
wie bei vorigem.
Dem aufmerksamen Leser
wird aufgefallen sein, daß nach den letzten Niederschriften der Amtmann
innerhalb der Fleckensgemeinheit ein privates Grundstück zu eigen gehabt hat.
Er war doch königlicher Beamter. Seite 14 und 15 des hier berührten Protokolls
geben durch ein Promemoria, wie oben schon mitgeteilt, Klarheit.
Diese der gesetzlichen
Formalität ermangelnde Nachricht über die Hergabe des Grundstücks, wobei dazu
an Stelle eines Kaufes von einem Einnehmen die Rede ist, wird wohl die Ursache
gewesen sein, daß später die Drittelhufner die Anrechte der Erben angefochten
haben.
Vom
Amtshaus zum Rathaus
Das unter einem Dache stehende große Doppelhaus am Bleek, das bis Anfang 1930 zur Linken als Amtsgericht, zur Rechten dem Bürgermeisteramt diente, hat eine bewegte Vergangenheit. Im Mittelalter standen dort drei Freikaten. Diese
204
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kaufte der Dänenkönig
Friedrich IV. und baut 1706 dort das Amtshaus für das Segeberger Amt.1)
- In den achtziger Jahren des 18. Jahrhunderts (die hiesige Kirchenchronik
meldet das Jahr 178?) ist der Sitz des Amtmannes endgültig wieder nach Segeberg
verlegt worden. - Das erwähnte Wohnhaus ist bis zum Jahre 1841 erhalten
geblieben. In ihm ist eine Gastwirtschaft betrieben worden, die unter dem Namen
»Stadt Hamburg« sich ein gutes Ansehen erworben hat. Um 1820 war der
wohlgelittene Bürger Axt der Inhaber. Ein gewisser Cohen ist Nachfolger
geworden. Ihm folgte der ehemalige Verwalter des hiesigen Gutes mit Namen
Reimers. Er legte das baufällig gewordene Gebäude nieder und erbaute in
Gemeinschaft mit dem derzeitigen Zollverwalter Herzog das erwähnte Doppelhaus.
Herzog war Eigentümer der linken Hälfte, also des Gebäudeteiles, worin bis zum
Jahre 1929 das Amtsgericht untergebracht war. Reimers, der Gebieter über die
andere Hälfte, ist nicht lange mehr am Orte geblieben; er hat seine Hälfte
verkauft an den Chausseeinspektor Kapitän Bruhn. Später ging erst die rechte,
danach auch die linke Hälfte käuflich in den Besitz des Apothekers Lindemann
über. In letztgenannter Hälfte hat lange Jahre gewohnt die Gräfin Holmer, deren
Tochter sich verehelichte mit dem Grafen von Luckner zu Bimöhlen. - Links hat
u. a. der Zollverwalter Falkenburg gewohnt. Nach der Einverleibung in Preußen
wurde hier wieder ein Amtsgericht eingeführt, es wurde untergebracht in dem
Frau Dr. Stedtfeld eigenen Hause, um später überzusiedeln in die oberen Zimmer
der Lindemann gehörenden linken Hälfte unseres Gebäudes. Die rechte
Gebäudehälfte wurde regelmäßig von dem (einzigen) Richter bewohnt, während das
Erdgeschoß unter den Gerichtsräumlichkeiten dem Postamt eingeräumt war, welch
letzteres aber in den achtziger Jahren auf die andere Seite des Bleeks verlegt
worden ist, in das Haus, wo drei Geschwister Hesebeck erfolgreich gewaltet
haben.
Dem Amtsgericht wurden die
Diensträume bald zu klein. Die Stadt kaufte nun die linke Hälfte von Herrn
Lindemann, und durch Umbau wurden die erforderlichen Räume für das Amtsgericht
hergestellt. Später kaufte die Stadt auch noch die rechte Hälfte hinzu, in die
unter Bürgermeister Rohde das Bürgermeisteramt verlegt wurde. Nachdem das
Amtsgericht ein eigenes Haus im Maienbeeck bekam, steht das Doppelhaus, das
seit seinem Bestehen mancherlei Zwecken gedient hat, der Stadtverwaltung
einschließlich Bürgermeisterwohnung und dem Arbeitsamt zur Verfügung.
So ist aus dem Amtshaus
früherer Jahrhunderte ein einfaches aber doch stattliches Rathaus geworden.
__________________
1) Es könnte so verstanden werden, als hätte das Amt damit überhaupt zum erstenmal ein besonderes Gebäude für seine Verwaltung errichtet, das wäre irrig. Es ist dokumentarisch nachzuweisen, daß zu Anfang des 16. Jahrhunderts (1517) der Pächter der Bramstedter Mühle Naturalien (Korn und Malz) an das Amtshaus nach Segeberg zu liefern hatte. Dort gab es einen Amtsschreiber und einen Hausvogt für ökonomische Angelegenheiten. Es hat niemals ein »Amt Bramstedt« gegeben, sondern dauernd ein »Amt Segeberg«, dessen Vorsteher im 18. Jahrhundert in Bramstedt residieren konnten, nachdem der Landesherr jeweilig seine bedingte Einwilligung dazu gegeben hatte. Zwei von ihnen, Hans Rantzau und Graf Stolberg, wohnten hier im eigenen Hause. (Der Chronist)
205
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Soziale
Gliederung des Fleckens und Historisches aus dem Handwerk
Die Einwohnerzahl beläuft
sich Anno 1803 auf 791, die Zahl der Personen-Haushaltsvorstände, deren
Nährquelle sichtbar wird, auf 191. Als wichtigste Erwerbsquelle erkennen wir
die Landwirtschaft, die von insgesamt 104 Personen auf eigenem Besitz betrieben
wird. Die 27 Insten, für die ein Gewerbe nicht angegeben ist, darf man als
Landarbeiter ansprechen, so daß tatsächlich dem landwirtschaftlichen
Erwerbszweige eine weit überwiegende Zahl zukommt.
Da
Bramstedt fast nur Drittelhufner und Kätner mit Landnutzung hatte, insgesamt
auch nur 23 Pflüge (Hufen) umfaßte, so kann es nicht auffallen, daß die meisten
Landwirte noch einen zweiten Beruf im Neben-, ja auch im Haupterwerb, ausübten.
Folgende Übersicht mag hierüber Klarheit geben.
Von
den 104 in der Landwirtschaft Selbständigen waren beschäftigt
a) nur
als Landwirte 43,
b)
daneben
als Gastwirte 9,
c)
daneben
als Handwerker 42, nämlich als Weißgerber 2, Schuster 10, Seiler 1, Bäcker 2,
Hutmacher 3, Drechsler 2, Tischler 2, Böttcher 1, Schmied 4, Schönfärber 1,
Schneider 2, Maurer 2, Kleinschmied 1, Glaser 1, Brauer 2, Zimmermeister 1,
Rademacher 1, Schlachter 1, Sattler 1, Essigbrauer 1, Weber 1.
d)
in
andern Berufen, nämlich als Händler oder Krämer 4, Postillon 4, Postmeister 1,
Schäfer 1, zusammen 10.
e)
noch
in einem dritten Gewerbe, nämlich 4 Inhaber einer Land- und Gastwirtschaft, von
denen 2 noch als Grobschmied, 1 als Tischler und 1 als Krämer sich betätigten.
Man wird den Müller
vermissen; der Mangel liegt wohl darin begründet, daß die Mühle immer noch
nicht dem Flecken politisch einverleibt, sondern immer noch der deutschen
Kanzlei zu Kopenhagen direkt unterstellt war. Arzt, Apotheker und
Schornsteinfeger waren derzeit hierorts noch nicht ansässig.
Beachtlich erscheint, daß
in den bisher aufgeführten, nebenberuflich geführten Betrieben 10 Gesellen und
12 Lehrlinge nachgewiesen werden, und zwar unter folgender Verteilung der
letzteren: je 2 im Tischler- und Webergewerbe, die restlichen 8 mit je 1 auf
das Handwerk der Weißgerber, Schuster, Hutmacher, Bäcker, Grobschmiede,
Tischler und Rademacher.
Hält man sich vor Augen,
daß die erwähnten 23 Hufen Landes unter 104 Besitzer aufgeteilt waren, so
leuchtet ein, daß in vorstehender Übersicht eine erhebliche Zahl von Kleinbesitzern
zu vermuten ist, deren Haupterwerb tatsächlich im Handwerk lag, und die als
wirkliche Handwerksmeister anzusprechen waren, berechtigt, Lehrlinge
auszubilden. Eigenartig mutet es an, zu vernehmen, daß die erwähnten 12
Lehrlinge dem Lebensalter nach so zu gruppieren sind: 1 = 25,. 2 = 23, 2 = 22,
2 = 20, 3 = 17, 1 = 16, 1 = 15 Jahre alt.
Selbständige Handwerker ohne
Nebenerwerb werden im Register nur 17 aufgeführt. Es sind: 1 Grobschmied, 2
Knochendrechsler, 3 Schuster, 1 Ledertauer, 1 Böttcher, 3 Schneider, 4
Leineweber und 2 Maurer. Zählt man die 45 Betriebe
206
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hinzu, die wir als
Nebengewerbler kennen lernten, so ergeben sich 6z. - Umfang und
Bedeutung dieser Betriebe werden klar durch die weitere Tatsache, daß insgesamt
nur 15 Gesellen genannt werden. Von diesen hatten wir bereits 10 den
»gemischten« Gewerben zuzuordnen. Die 17 rein handwerklichen Werkstätten hatten
somit zusammen nicht mehr als 5 Gesellen, und von hier beschäftigten Lehrlingen
weiß das Register überhaupt nichts zu melden.
Der Umstand, daß keine
Werkstatt mehr als einen Gesellen eingestellt hat, zeigt uns, daß von
Großbetrieben überhaupt keine Rede sein kann. Das Schustergewerbe mit seinen 13
Meistern sei als das jedes andere weit überragende noch besonders
hervorgehoben. Auf den »Schusterkrug«, das trauliche Heim dieses Handwerks,
kommen wir an anderer Stelle zurück.
Von der Mühle soll noch
nachgetragen werden, daß dort regelmäßig ein Geselle beschäftigt worden ist.
Von den Leitern der restlichen Haushaltungen seien noch genannt: der Pastor,
der Kirchspielvogt, der Organist und Lehrer, 1 Postillon, 1 Musiker, 1 Hebamme,
1 Abdecker und 9 Almosenempfänger.
Es erscheint zweckmäßig,
hier eine dem Kieler Staatsarchiv entnommene Aufstellung über die im hiesigen Kirchspiel
vertretenen Erwerbsstände anzuschließen. Diese Tabelle bezieht sich auf das
Jahr 1850. Sie zeigt zwar nicht, wo und ob Landwirtschaft und bürgerliches Gewerbe
miteinander verbunden sind; aber sie gibt sonst Aufschlüsse über den Stand des
Handwerks im besonderen, die festgehalten zu werden verdienen.
Demnach zählte man derzeit
im Flecken: 5 Schmiede, 10 Schneider, 10 Tischler, 5 Schlosser, 10 Zimmerer, 3
Weber, 2 Rademacher, 4 Färber, 2 Böttcher und 1 Maler und je 1 Kupferschmied,
Buchbinder, Scherenschleifer, Goldschmied, Wattefabrikanten, Jäger,
Lederbereiter, Gärtner, Töpfer, Klempner, Uhrmacher, Nadelmacher, Weißgerber,
zusammen 122 Handwerker gegen 62 Anno 1803. -»Musici« sind nicht eingereiht
worden; auch fehlt eine Angabe über Gesellen und Lehrlinge.
Als Handwerker in den
Dörfern werden aufgezählt:
In Armstedt 1 Tischler, 3
Weber, 1 Rademacher;
In Bimöhlen 1 Schmied, 1
Zimmerer, 1 Weber;
In Borstel keiner;
In Föhrden-Barl 2
Weber, 2 Schäfer;
In Fuhlendorf 3
Weber;
In Hagen 1 Schneider, 2
Weber;
In Hasenkrog keiner;
In Wiemersdorf 1 Schmied,
3 Weber, 1 Rademacher;
In Quarnstedt 1 Schmied, 1
Weber.
Hitzhusen und Weddelbrook
fehlen, da sie unter dem adeligen Gut stehen. Brockstedt fehlt, weil es nicht
zum Amt Segeberg gehört.
Die 15 Weber im Kirchspiel
(ohne den Flecken) legen ein beredtes Zeugnis dafürab, mit welchem Eifer der
Anbau von Flachs (weniger Hanf) derzeit hier noch betrieben worden ist.
Freilich darf nicht übersehen werden, daß diese Weber nur
207
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über kleine Betriebe
verfügten und meistens nur im Winter ihr Handwerk ausübten. Andrerseits haben
sie nicht bloß Leinewand, sondern auch »Beierwand«, Fiefkamm und Dreetritt,
auch sogar Buckskin gewebt. Das deutet darauf hin, daß derzeit die Schafzucht
weit lebhafter betrieben wurde als heute. Das Spinnrad und der Haspel sorgten
für Beschäftigung an den Winterabenden für die Hausfrau und die Magd.
»Selbstgemachte« Kleidung stand in guten Ehren. Und wenn wir in den
aufgezählten Dörfern nur einem Schneider begegnen, so spricht das für
sich selber. War Hilfe nötig, wofür die meist kleine, aber lebendige
Kinderschar hinreichend sorgte, so zog der Schneidermeister aus Bramstedt in
das Bauernhaus ein und nähte und bügelte dort, bis alle Wunden geheilt waren.
Ebenso etablierte sich der Sattlermeister im Bedarfsfalle, nur daß er auf der großen
Diele werkelte, während der Schneider einen Platz in der guten Stube
beanspruchte, wo ihm der Tisch zum nötigen Hockesitz zugestanden wurde.
Über die wirtschaftliche
Lage der Bramstedter Handwerker zu jener Zeit gibt ein Kieler Dokument einen
gewiß nicht uninteressanten Einblick. Anno 1830 fragt die Stadt Plön beim
Amthause zu Segeberg an, wie es dort mit den Löhnen der Maurer und
Zimmergesellen stehe. In Plön verlangen nämlich diese höhere Löhne wegen der
teuren Zeiten. - Das Amthaus will durch den Kirchspielvogt bedient sein. Dieser
wiederum wendet sich an die Älterleute der Innungen und erlangt folgende
Auskunft: Es ist hier anders als in Plön; es gibt auf dem Lande keine Gesellen,
und die Verhältnisse der Stadtgesellen in Plön passen nicht mit der Lage der
Arbeitsleute auf dem Lande zusammen. Jene müssen sich von dem baren Schilling,
der ihnen als Tagelohn zufließt, ganz und gar ernähren, wohingegen die Insten
in dieser Kirchspielvogtei meistens etwas Land, 1 Kuh, 1 Ziege, 1 Schwein besitzen
und außerdem zum großen Teil als Drescher u. s. w. für Viktualien arbeiten und
dabei sich sehr gut stehen. Diese kleinen Leute haben demnach bisher wegen der
teuren Preise der Lebensmittel keine Zulage irgendeiner Art beansprucht.
Vom
Zunftwesen
Das deutsche Handwerk hat
im früheren Mittelalter, gestützt auf die von den Landesfürsten oder sonstiger
Obrigkeit ihm eingeräumten Zunftgerechtsame, einen Entwicklungsgang zu hoher
Berufstüchtigkeit, großem Ansehen und oft recht bedeutsamer Machtstellung innerhalb
der Stadtgemeinschaften aufzuweisen. Die Blüte der großen Städte im südlichen
und westlichen Teil des alten Kaiserreiches ist zu nicht geringem Teile
zurückzuführen auf die kunstgerechte Leistung und von gesundem Ehrgeiz
bestimmte bürgerliche Haltung des Handwerkerstandes. Weitgehende Befugnisse der
Zünfte sicherten die Heranbildung eines tüchtigen Nachwuchses, andrerseits dem
tüchtigen Meister Arbeit, Verdienst und Achtung. Das Handwerk hatte im
Mittelalter in mehr als einer Hinsicht einen goldenen Boden. Aber gerade der
Anreiz des goldenen Bodens, in seiner handgreiflichsten Ausdeutung verstanden,
wurde in der Folge die Ursache
208
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zu innerem und äußerem
Verfall, noch ehe die Erfindung der Maschinen und das dadurch bestimmte
Aufblühen des Großbetriebes, der Industrie, den äußeren Abstieg unerbittlich
beschleunigte. Natürlich hat der unglückselige Religionskrieg, dessen
verwüstende Schlachten auf Deutschlands Fluren ausgefochten wurden, seinen
vollgemessenen Anteil dazu beigetragen. So ist es gekommen, daß schließlich
unhaltbare Zustände vorlagen und die Regierungen sich veranlaßt sahen, von sich
aus einzugreifen. Das hat sich auch im Amt Segeberg und speziell im Flecken
Bramstedt widergespiegelt, wie nun hier gezeigt werden soll. Christian IV. ist
es gewesen, der unter dem 27. Mai 1618 auf seinem Schlosse zu Kopenhagen in
folgender Weise dem Handwerk die erste Weisung gab:
»... Thun Kundt hiermit:
Nachdem was die zembtlichen Handwerkers der Stadt in Unseren Fürstentümben
Schleßwigh-Holstein Unterthenigst Supplicando (durch Gesuch oder Bitte)
angehalten, Wir geruhten geneigtest den sub Dato Friedrichsbergh am 23. July
dieses itz laufenden 1618. Jahres außgegebenen bescheidt, belangend die
erklerung wegen der Zunftordnungen Jedtweder Stadt absonderlich gnedigst
mitzutheilen, Und dieselbe zu extendiren (erweitern), daß die ein Kommende
(Antragsteller), so sich etwa in einer Stadt niederzulassen gemeint, sich in
derselben zuförderst ein Jhar Verhalten (aufhalten) und bei den Meistern
arbeiten sollen, und Wir Ihrem Unterthenigsten Flehen gnedigst statt gegeben:
Als setzen und ordnen wir hirmit Und krafft dieses, daß wir aus wichtigen
Ursachen es bei der am 17. Juny abgelaufenen Jahres 1615 eröfneten gnedigsten
Verordnung - kraft welcher alle Gilde- und Zunftordnung cassirt (aufgehoben)
und mir vorgelegt - Verbleiben und bewenden laßen, Jedoch mit dieser
gnedigsten Weisung und Zusatz die neuen Meisteren auf geleisteten Eytt an statt
Ihres Meisterstücks1) nach gelegenheit ein stück Zeuges
(Handwerkserzeugnis) itziger und derselben Art und Manir Unstrafbahr Und
bewehrt (untadelig) außmachen und verfertigen, nicht weniger auch Ihrer
ehrlichen geburt Und Lehre einen guten Schein (Lehrbrief) Und beweiß
fürzuzeigen Und einzuführen verpflichtet sein sollen. Ehe aber und bevohr
solche angenommen werden, sollen sie gehalten sein, ein Jhar in der Stadt sich
aufzuhalten und bei den Meistern daselbst zu arbeiten, damit man Ihres lebens und
Wandels desto beßere Kundschaft wißen und haben möge. - Amtmann und Rath haben
an dieser gnedigsten Verordnung steiff und fest sich zu halten und die
sembtlichen Meister bei dieser begnadung >biß an uns< zu schützen,
handhaben und mainteniren (zur Hand gehen).«
Diese königliche
Verordnung hält gewisse, für das Gedeihen des Handwerks wichtige alte
Zunftgedanken fest: Nur in den Städten (und privilegierten Flecken) darf »bürgerliche
Nahrung« betrieben werden, und niemand darf ohne den Nachweis bestimmter
Qualitäten sich als »Meister« betätigen. - Die Bevorrechtigten sehen sich bald
von anderer Stelle her bedroht. Eine Bittschrift der Schneider, Schuster,
___________________
1)
Die Zünfte, unbequemem Zuwachs abhold, hatten die Anforderungen an das
Meisterstück vielfach überspannt. Kostspielige und unverkäufliche Dinge wurden
gefordert. Dem sollte des Königs Gebot entgegenwirken.
209
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Bäcker und
Gewerbetreibenden aus Segeberg, datiert vom Jahre 1636, klagt dem König, »daß
zu dem auf Bartholomäi angesetzten Vieh- und Pferdemarkt durch häufige Zufuhr
von allerhand andern Wahren ein genzlich öffentlicher Jahrmarkt daraus gemacht
und dadurch ihnen ein großer abbruch an ihrer >hantir- und nahrung<
geschieht und gleichsamb das tägliche Brodt vor dem Munde hinwegk genommen
werde.« - Christian hat ein Einsehen und untersagt nach Wunsch. Anno 1670
kommen die Segeberger Schneider und Schuster dem Könige mit den gleichen Klagen
und weisen auf einen anderen Mißstand hin, »der ihr Privilegium aus dem Jahre
1600 verletze, wonach kein Loß Knecht aus Lübeck, Hamburg oder andern Städten
sich unterstehen dürften, weder in unserer Stadt noch im ganzen Kirchspiel sich
häuslich niederzulaßen und ohne deren Erlaubnis einige (irgendeine) Arbeit zu
verfertigen. Dem entgegen hätten sich hin und wieder auf den Dörfern allerlei
Loß und lediges gesindtleien und Bönhasen eingeschlichen.«
Der dänische König folgt dem
Ansuchen, indem er den Amtmann ermahnt, die Handwerker in ihren Rechten zu
schützen.
Nach diesem Ausblick auf
Segeberger Angelegenheiten, der als Bereicherung des Inhaltes unserer
Kunde vom Handwerk gedacht ist, kehren wir zurück zum Heimatsorte.
Unter den Gerechtsamen,
die von höchster Stelle dem Flecken zugebilligt sind, war der Anspruch auf
»bürgerliche Nahrung« von entscheidender Bedeutung. Damit war eine klare
Unterscheidung zwischen Kirchort und Dörfern gegeben. Fortan durften Handwerker
wohl im Flecken, nicht aber in den Dörfern innerhalb der »Bannmeile« siedeln.
Auch die Siedlung im Flecken war unter einige Bedingungen gestellt. Dafür zwei
Beispiele.
a)
Anno
1645 wendet sich Amtmann Caspar von Buchwaldt an von Reventlow, derzeitigen
Statthalter, mit der Bitte des alten Kirchspielvogts zu Brambstede, Johan
Vagets Tochtersohn, Christian Möller, der 2 Jahre als Feldscherer im Kriege
gewesen ist und sich nun in Brambstede niederlassen möchte, diese Er laubnis zu
geben und ihm behilflich zu sein, daß er ein königliches Privilegium auf solche
Stelle erlangt. - Der bisherige Balbirer sei wegen einiger Vergehungen flüchtig
geworden und (somit) die Stelle vacant. - Die prima Fürsprache wird wohl Erfolg
gehabt haben.
b)
Anno
1720 berichtet Amtmann von Hanneken an den König in folgender Sache.
Die Bramstedter Handwerker
haben ihre Berufsgenossen aus dem Kirchspiel Kaltenkirchen »gejagt« und ihnen
ihr Handwerkszeug, in einem Fall sogar das Schurzfell genommen, weil sie auf
den Dörfern innerhalb der Bannmeile wohnen und arbeiten. Letzteres verstoße
freilich gegen den Erlaß Friedrichs IV. von 1711, der solches verbietet, um die
Handwerker in Städten und Flecken zu schützen. Indessen sei diese Ordnung bis
jetzt nirgends ganz durchzuführen gewesen. Es sei auch zu beschwerlich, wenn
die Dorfbewohner bei eiligen Sachen nicht einen Handwerker im Orte finden
könnten, der Zeit hat und hilft, z. B. hätten viele
210
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Leute nur ein Kleid, und
ist dieses zerrissen, so würde es zu lange dauern, wenn sie es erst in die oft
recht entfernte Stadt bringen sollten. Wenn aber auf dem Dorf nur ein Bauernschneider
erlaubt sei, so könnte der nicht alles machen. Ebenso sei es, wenn ihnen ein Rad
am Wagen entzwei sei, so ist es nicht immer möglich, daß sie erst ein anderes
Fahrzeug mieten, um das entzweie nach der Stadt zu bringen. Er, Hanneken,
wünscht, der König möge diese Bestimmung wieder aufheben und es bei der von
seinem Vater 1686 gegebenen lassen; die sei überall durchzuführen.1)
In unserm Flecken scheinen
die Schuhmacher und die Schneider am frühesten unter Zunft-Verfassung gestellt
worden zu sein. - Akte A XXIII Nr. 451 des Staatsarchivs beschäftigt sich mit
diesem Gegenstand. Eine Confirmation Christians V. von 1693 gibt Aufschluß in
dieser Hinsicht. Deren Inhalt sei im wesentlichen hier wiedergegeben.
Die sämtlichen Meister des
Schusteramtes im Flecken haben »allerunterthänigst vortragen lassen,
wasgestallt sie ihre Amts-Privilegien, welche ihnen von des Königs Vorfahren
ehrwürdigsten Andenkens Anno 1523 erteilet, und die ihnen von Zeit zu Zeit
konfirmiret worden, in einer vor wenig Jahren daselbst entstandenen
unvermutlichen Feuersbrunst unter anderen mit verloren haben. Da ihr Amt eine
Zeithero fast öde gewesen, sie aber solches in den vorigen Stand zu setzen
gedächten, bitten sie, ihnen ihre alten Amtsgerechtigkeiten zu renoviren.«
Gemeint ist natürlich ein
neuer Ausweis über altes Recht. Majestät geben solchem Wunsch nach durch folgende
Bestimmungen:
1.
daß
keiner sich unterstehen möge, weder vor noch außerhalb des Fleckens oder in des
Kirchspiels Gebiet einig (irgend welches) Rauch-Leder oder Kalbfelle zu kaufen
noch zu verkaufen und zu gerben, außer so er mit im Amte sei.
2.
daß
ein junger Gesell, so keines dasigen Meisters Sohn, inmittelst aber das
Schuster-Handwerk in Bramstedt gelernt, wenn er begehret, in das Amt auf
genommen zu werden, vorher ein Jahr »aufs Amt« dienen oder auch ins Amt freien
solle.
3.
daß
auch ein angehender Meister, so nicht eines Meisters Wittibe oder Tochter
heiratet, zuvor ein Jahr daselbst bei einem Meister aufs Amt dienen solle.
4.
daß
ein Fremder, der allda im Amt der Schuster nicht gelernt, wenn er sich ins Amt
verheiratet, 2 Jahr aufs Amt dienen oder sich mit dem Amtmann zu Segeberg und
dem Amt der Schuster zu Bramstede deswegen mit einer billigen (angemessenen)
Einkaufssumme abfinden sollte.
5.
daß
ein Schuster-Gesell, welcher daselbst Meister gedenkt zu werden, vorher 2 Jahre
außerhalb Landes müsse gewandert haben.
6.
dann
endlich, wenn jemand das Amt heischen (Meister werden) wollte, derselbe seinen
ehrlichen (ehelichen) Geburts- und Lehr-Brief produciren müsse, andern falls er
nicht angenommen werden solle.
______________________
1)
1686 waren die für das Dorf nötigsten Handwerker zugelassen worden, indes mit
dem Zusatz, daß sie nur innerhalb ihres Wohnortes werken dürften.
211
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Soweit die von Christian
V. erneuerten Vorschriften, denen man in den wesentlichen Zügen wohl
allgemeinere Geltung beilegen darf. Schon unter dem Nachfolger Friedrich IV.
wird im Jahre 1716 eine abermalige Bestätigung der alten Rechte erwirkt.
Diesmal wird, dem Wunsche des Schuster-Amts gemäß, eine bereits 1711
herausgegebene Constitution für die in den Dörfern zugelassenen Handwerker
verkündet. Danach gilt,
1.
daß
hinführo jeder Bauer-Schuster, welchem sich in einem Bramstedter
Kirchspielsdorfe zu setzen erlaubet ist, schuldig und gehalten sein soll, zu
desto besserer Beobachtung der Innungs-Articul und Beförderung guter tüchtiger
Arbeit für die eingesessenen Unterthanen des Kirchspiels sich in das
Schuster-Amt zu Bramstedt mit zu begeben und sich denen darinnen enthaltenen
und von Ihro Kgl. May. allergnedigsten confirmirten Articulen gemäß zu bezeigen.
2.
daß
keinen fremden Umläufen erlaubt sein möge, außer den Jährlichen öffentlichen
Jahrmärkten Schuhe im Flecken und Kirchspiel Bramstedt zu verkaufen. Aus den Jahren
1817 und 1844 liegen erneute Confirmationen vor, ein Beweis dafür, daß die
Fürsten jeweils nicht endgültige, sondern mit gewissen Vorbehalten belastete
Privilegien erteilt haben.
Beachtenswert und leicht
zu Irrtümern verleitend ist die Nachricht, daß 1844 das Schusteramt in
Bramstedt 24 Schustermeister zählte. Unser Bericht über die soziale Gliederung
aus dem Jahre 1803 weist nur 10 Meister nach. Es ist zu beachten, daß dieser
Bericht sich auf den Flecken beschränkt, während das 1844 genannte Schusteramt
Bramstedt auch die Kirchdörfer mit umfaßte, wohl auch die Gesellen einschloß.
Endlich ist nicht zu übersehen, daß vor hundert Jahren das Gewerbe der
Schuhmacher seiner Natur nach ein wesentlich anderes Gesicht hatte. Es gab nur
nach Maß gefertigtes Fußzeug; Schuhfabriken gab es nicht, Schuhhandel in
knappem
Maße.
Die übrigen für Bramstedt
aus den Kieler Dokumenten nachweisbaren Zünfte (Ämter) sind, geordnet nach der
Zeitfolge:
die Schmiede und Schlosser
Zunft 1634; letzte Bestätigung 1845;
die Schneider 1739, letzte
Bestätigung 1844; anscheinend 12;
die Böttcher 1738, letzte
Bestätigung 1776;
die Bäcker (Weiß- und
Festbäcker-Amt) 1750; letzte Bestätigung 1844 (12 Meister)
die Tischler und Zimmerer
1773; letzte Bestätigung 1839;
die Schlachter 1844 (8
Meister).
Die fast in jeder Zunft
sich wiederholenden Confirmationen brachten meistens auch Änderungen des
Rechtsinhaltes, sei es wegen hervorgetretener örtlicher Übelstände, oder sei
es, um den besonders durch die französische Revolution von 1789 genährten
Gedanken der Gewerbefreiheit entgegenzukommen. Preußen hat diese Freiheit 1810
eingeführt; hier haben sich die alten Bindungen länger behauptet. Mit der
Einführung der deutschen Gewerbeordnung von 1869 hörten die Sonderrechte
einzelner Landesteile völlig auf.
Die Bramstedter Innungen
hatten ehemals eine Sonderstellung insofern, als der Kirchspielvogt ihr
Gerichtsherr (Morgensprach-Herr) war, dem die Überwa-
212
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chung ihres gesetzlichen
Verhaltens und die Schlichtung von Streitigkeiten innerhalb des Zunftrechtes
oblag.
Einige Tatsachen, die eine
oder die andere Zunft betreffend, sind hier noch zu vermelden, da sie die
Zustände in unserm Orte kennzeichnen.
Vom Schneider-Amt wurde
1761 an den Segeberger Amtmann das Gesuch gerichtet, daß ihm die Erlaubnis
erteilt werde, die nicht ins Amt eingetretenen Schneider des Bezirks »jagen« zu
dürfen. Dieses »Jagen« der Pfuscher oder Bönhasen, also von Leuten, die, ohne
Inhaber des Meisterrechts zu sein, selbständige Arbeiten übernahmen, hatte den
Zweck, besagten Personen ihr ungesetzliches Arbeiten zu verleiden. Die dabei
üblichen Methoden erschöpften sich in geeigneter körperlicher Behandlung des
Übeltäters. So wird es verständlich, daß der Herr Amtmann abwinkte.
Die Zunft der Schmiede bekundet
1817 gelegentlich eines Gesuches um Bestätigung der alten Amtsrechte, daß die
Urschrift ihres Privilegs von 1634 durch Feuersbrunst abhanden gekommen sei. -
Von Interesse wird auch die Nachschrift über die Meisterstücke sein, die 1722
für diese Zunft vorgeschrieben werden. Der Hufschmied soll eine Axt und zwei
Hufeisen herstellen. Vom Schlosser wird gefordert: Ein Stubenschloß mit zwei
Riegeln, ein Türdrücker nebst Klinke, auch behöriger Schlößel mit zweenen
Sternen, Ingleichen ein Paar Spohren.
Über die Böttcher vernehmen
wir, daß 1776 die ganze Zunft aus einem Meister und einer Meisters Witwe
besteht. Sie möchten alle Rechte bestätigt haben, stoßen indessen auf
Schwierigkeiten. Ihr Vorschlag, dem Zimmer- und Tischleramt einverleibt zu
werden, wird abgelehnt. Nun bitten sie: erstens, daß sie einen Bramstedter
Böttcher, der allerdings keine zunftgemäße Ausbildung nachweisen kann, mit
aufnehmen dürfen, und zweitens, daß ihnen die Hälfte der Confirmations-Gebühren
erlassen werde. Auch diesmal wurde das ehrbare Paar abgewiesen. Unter den
Papieren, die berührtem Ansuchen beigelegt waren, befindet sich eine Conzession
von 1752. Diese weist nach, daß 1738 die Amtsgerechtigkeit zuerkannt worden,
aber beim Regierungswechsel nicht zur Confirmation vorgelegt worden ist und
dadurch ihre rechtliche Gültigkeit verloren hat. Trotzdem wird im selben Jahre
die Conzession erneuert, und so erfahren wir, daß schon derzeit nur drei
Böttchermeister im Flecken vorhanden waren: Johann und Christian Hamerich,
sowie Claus Fock.
Die Schlachter haben
erst 1844 die Zunftgerechtigkeit erworben; es waren ihrer acht, und ihr Bereich
beschränkte sich auf den königlichen Anteil des Fleckens. Schon seit 1831
hatten sie mit den Behörden die Sache verhandelt; doch ist es ihnen nicht
gelungen, Prohibitionsrechte, das heißt in diesem Falle, für sich allein das
Recht des Schlachtens zu erzielen. Die Fleckensvorsteher wirkten ihnen entgegen
und betonten, daß es für viele Eingesessene unvorteilig sei, wenn die
Schlachter das unbeschränkte Zunftrecht hätten. Wenn beispielsweise einem
Einwohner ein Stück Vieh ein Bein bräche oder sonst verunglückte, schlachte er
es und verkaufe das Fleisch durch Hausieren, um möglichst viel
herauszuschlagen. Die armen Leute, die nur ein Schwein schlachten, müßten oft
noch ¼ oder mehr
213
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davon verkaufen, um alle
Abgaben bezahlen zu können. Mancher arme Tagelöhner endlich ernähre sich im
Winter dadurch, daß er für andre das Vieh einschlachtet.
Fleckensvorsteher
gegen Zunft
Anno 1831 haben die
Schlachter zu Bramstedt den Antrag auf Errichtung einer Zunft gestellt. Das
Amthaus verlangt ein Gutachten der Ortsverwaltung. Nach Rücksprache mit der
hiesigen Kommüne geht folgendes Schriftstück an den Amtmann:
»Bisher hat jeder hiesige
Einwohner Fleisch und Speck zum Verkaufe herumtragen lassen dürfen, was ihm
vorzüglich zustatten kam, wenn ein Stück Vieh durch Beinbruch oder sonst
tödlich verletzt ward. Der Eigentümer ließ das Tier schlachten und das Fleisch
gedachter Weise verkaufen und deckte einigermaßen den Schaden. Das Errichten
einer Schlachterzunft würde wohl dem Schlachter allein solches Hausieren
vorbehalten, und dann hätte in besagtem Falle der Eigentümer nur die
Möglichkeit, das verletzte Vieh an einen Schlächter zu veräußern, wobei er
natürlich einen erheblich geringeren Preis erzielen würde. - Etliche Eingesessenen,
die jährlich nur ein Schwein mästen können, haben bislang den vierten Teil oder
gar die Hälfte pfundweise verkaufen müssen, und das Geld für die königlichen
Abgaben anzuschaffen, das würde wohl auch aufhören. - Auch ernähren sich hier
mehrere arme Tagelöhner in den Wintertagen, wo sie sonst nichts verdienen
können, durch Schlachten, wohl auch durch Verkauf von Kleinvieh, was vermutlich
wegfallen würde. - Endlich dürfte die Errichtung eines Schlachteramtes unsers
unvorgreiflichen Fürhaltens dem Flecken deshalb zum Nachteile sein, weil die
Amtsmeister beim Schlachten unsers Viehs sich als dann das Doppelte bezahlen
lassen könnten wie jetzt, wo wir nicht an sie gebunden sind.«
Es sei noch hinzugefügt,
daß derzeit fünf Schlachtereien am Orte waren.
Verschiedenes
1739. Christian VI. ordnet
an, daß die Militär-Handwerker arbeiten dürfen für alle Militärs, auch wenn
diese nicht zu ihrem Regiment gehören, aber nicht für andre Leute.
1739. Derselbe, daß gegen
die Mißbräuche vorgegangen werden soll, die sich bei 'Einschreibung eingeschlichen
haben. Es finden dabei Gelage statt; es kommt zu Gottlosigkeiten und Roheiten.
Das soll mit der Zeit ganz verschwinden; gegen das Schlimmste soll sofort
eingeschritten werden. Der Kirchspielvogt soll bei der Einschreibung anwesend
sein.
1742. Der Markgraf
schreibt an den Grafen zu Rantzau: Den Handwerkszünften soll erlaubt sein, die
in unverbotenen Distrikten wohnenden Handwerker in den
214
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Dörfern in ihre Ämter zu
nehmen, keineswegs aber sollen ohne Königliche Dispens sich Handwerker in
verbotenen Dörfern niederlassen oder die Zunftgerechtigkeit erlangen.
1744. Verordnung des
Statthalters Markgrafen Friedrich Ernst von Brandenburg, betreffend die
Meistergebühren.
Wenn ein Handwerksmeister
in ein Amt (Zunft) eintritt, so soll die receptions-(Aufnahme)Gebühr 6
Reichstaler nicht überschreiten. Erfolgt die Etablierung außerhalb des Amtes
(in Dörfern), dann sollen an die Ortsobrigkeit 4 Taler, daneben an den
Morgensprachsherren 1 Taler entrichtet werden. Bei denjenigen, die sich in das
Amt begeben, gehen die 6 Taler nach Abzug der Gebühr für den
Morgensprachsherren (in Bramstedt) an das Zunft-Amt, um damit an erster Stelle die
Besichtigung des Meisterstücks zu decken. Eine Überschreitung dieser Gebühr ist
nicht statthaft. - (Solche Verordnung wurde an die Kirchenthüren und an die
Thüren der Gastwirtschaften geheftet.)
1745. Der Markgraf
an Amtmann Grafen Stolberg:
Die an sich heilsame
Verfügung, nach welcher für die Aufnahme in eine Handwerkszunft nicht mehr als
6 Taler Kosten entrichtet werden sollen, hat nach Meinung des Königs insofern
üble Folgen gezeitigt, als die Beobachtung der Wanderungsjahre schlechthin
unterbleibe. Jeder eben aus der Lehre kommende Gesell, sobald er mit seiner
etwanigen Braut gedachte kleine Summe zusammenbringen könne, mache sein
Meisterstück und etabliere sich. So müßten mit der Zeit die Zünfte und Ämter
mit untüchtigen Meistern und das Publikum mit unvermögenden Familien überhäuft
werden. Daher habe Majestät für gut befunden, daß die Vorschriften über die
Wanderjahre aufs genaueste beobachtet werden, einerlei, ob eine Zunft
entsprechende Vorschriften hat oder nicht. Die aus der Lehre tretenden Gesellen
haben mindestens drei Jahre, davon mindestens eins in der Fremde, ihre
Profession bei tüchtigen Meistern auszuüben. Allen und jeden Handwerks-Ämtern
wird bei schwerer Ahndung untersagt, sich auf eine Abkaufung der Wanderjahre
einzulassen, wie bisher manchesmal zu Ungebühr geschehen. Königliche Majestät
sind an Ihrem Teile nicht geneiget, als aus »höchst bewegenden Ursachen« davon
zu dispensieren.
Dem Herrn Grafen wird
aufgetragen, diese Königliche Willensmeinung den Handwerks-Zünften in Bramstedt
bekannt zu geben und nachdrücklich auf deren Befolgung zu achten.
1752. Derselbe an den
Grafen Stolberg: Die Verordnung von 1738, wonach vom Handwerksmeister verlangt
wird, daß er sich »häuslich« niederzulassen habe, wird dahin gemildert, daß
auch eine »heuerliche« Niederlassung genügen soll, bis sie sich »ein eigenes
Heim« erschaffen können.
1734, 2. September: Jasper
Fuhlendorf und Claus Stöcker, Älterleute des Schuster-Amts in Bramstedt, bitten
Amtmann Hanneken, dem Hans Steenbock in Kaltenkirchen zu untersagen, daß er
daselbst das Schuster-Handwerk betreibe. Durch Mandat vom 22. Dezember wird so
verfügt, und zwar zugleich gegen Hans Mohr.
215
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1736, 16. Januar: Paul
Junge, Färber in Kellinghusen, ersucht um ein Färber-Privilegium auf das
Kirchspiel Bramstedt. - Erfolg bleibt unbekannt. 1736. Schmied Hartig Lüders in
Armstedt ersucht um Aufnahme in die Bramstedter Zunft. - Er erhält vom
Statthalter den Bescheid, er solle ungehindert seine Profession in Armstedt
fortsetzen.
Hans
Moelke
erster nachweisbarer
Barbier und Wundarzt zu Bramstedt. »Wir Christian der Vierdte, Von Gottes
Gnaden Koning ... Thun kund hirmit, das uns unser Unterthan und Balbier unsers
Fleckens Bramstedt, Hans Moelke, unterthänigster Bitte ersuchen laßen, nachdem
weylandt der Ehrenfeste unser Stadthalter in den Fürstenthümbern, Rath und
Amptmann auff Segebergh, Heinrich Rantzauw Sel. zum Breydenburghe ihme, dem
Supplikanten, so woll wegen seiner zubesagten Balbier Ampt angewanter
allerhandt nottürftigen Unkosten, als auch zu fernerer Versicherung obgemelten
Fleckens eines gewißen zuvorloßigen und wundartzen halber, auf unsere gnedigste
beliebung und Confirmation, dergestalt privilegiret, das daselbsten ihme
benebenst niemandt solches ampt treiben, üben und ihn also an seiner Nahrung
beeinträchtigen oder abbruch zufügen möchte. Jedoch mit sothanen Conditionen,
daß er einiger nachleßigkeit unzubeschuldigen, sein Ampt und ersuchte
aufwartung niemandt zu versagen, allen schaden, von welchen der Obrigkeit brüch
gebührete, unserm Vogte anzuzeigen und den Jährlich einen Taler in unser Ambts
Register einzubringen hette, Wie solches in obgenanten unsers Stadthalters
Privilegio breiter (?) begriffen, das wir solches Privilegium nicht allein an
seiner Persohn confirmiren, sondern auch ferneres auf seiner Söhne einen,
welcher dazu ins künfftige tauglich zu gebrauchen, gnedigst extendiren und
erstrecken wollen. Wan wir dan solche bitte Hans Moyelken unterthenigste Bitte
gnädigste Stadt eingeräumet, Als confirmen und bestetigen wir hirmitt und
Crafft dieses nicht allein selbiges von mehrgedachtem unsern Stadthaltern ihme
erteiltes Privilegium allerseits in lautenden seinen allen und jeden Puncten,
Clausuln und worten, als wan dieselbe hirin wiederholet und austrucklich
eingeführet worden, Sondern wollen es zugleich auf einen seinen Sohn, der
obberürtes Ampt und handtwerks getrewlich ausgelehrnet und auch dazu seiner
erfahrenheitt, auch geschicklichkeit halber nützlich und dienlich zu gebrauchen
sey, auch oben angezeigten conditionibus nachkommen wird, extendirt, und aus
gethanen haben und wißen ahn jeniges oder Jedermennigliches beschwerungh oder
beeinträchtigungh. Daran beschieht unser gnedigster wille und meinung. Datum in
unser Stadt Itzehoe am 4. Decembris 1613.
Siegel
Christian.«
Anno 1636 wird dem Sohne
Dietrich genau die gleiche Konzession erteilt.1)
___________________
1)
Anmerkung. Hans Moelke, nach obigem im Doppelberuf, hat noch den Handel mit
Wein und Spirituosen hinzugefügt; z.B. bediente er auch die Kirche mit dem
nötigen Wein.
216
---------------------------------------------------------------------------------------
Die
Handwerker auf dem Lande
(B
IX 3 Nr. 147)
Anno 1686 gibt Christian
V. folgende grundlegende Verordnung heraus. »... Thun kund hiemit, demnach Uns
die sämtlichen Städte Unsers Herzogthumbs Holstein allerunterthänigst vortragen
lassen, welchergestalt dieselben vornehmlich daher in Abgang ihrer Nahrung
gerathen, weilen auf dem Lande allerhand Kaufleute, Brauer und Handwerker sich
in denen herumbliegenden Dörffern befinden, welche ihre Handthierung ohne
Tragung einiger Beschwerde (Abgabe) treiben und solchergestalt den Bürgern und
Einwohnern der Städte alle Arbeit und Verdienst entziehen, daß Wir zur
Abstellung dessen und Beförderung gemeiner Handthier- und Nahrung, als wovon
des gemeinen (gesamten) Landes Aufnahme und Bestes mit dependirt (abhängt),
allergnädigst zu constituiren und zu verordnen für gut befunden: daß hinführo
in allen Ämptern auf der Geest in 2 Meilen, und in der Marsch auf eine Meile
umb jede Stadt, nach Beschaffenheit derer Situation keine Kaufleute, Brauer,
Bäckern, auch keine andern Handwerker, als Grobschmiede, Rademacher, Böttcher,
Bauern-Schuster und -Schneider mehr geduldet werden, sondern da die übrigen
ihre Handel- und Handthierung fortzusetzen gemeint sind, sich in den Städten
niederlassen und bürgerliche onera (Lasten) mittragen sollen, alles bei
confiscation ihrer Bereitschaft (Werkzeuge), auch einer arbitraren
(gerichtlichen) nahmhaften Geld- und nach Befinden anderer schärfferen Straffen,
so hierwider gehandelt wird; jedoch bleibt einem jeden Haußmann unverbohten, so
viel er zu seinem und der Seinigen Unterhalt bedarf, zu brauen und zu backen,
auch was er entweder selbst oder durch seine Dienstleute von allerhand
Handthierung und Gewerbe zu seinem Dienst verrichten kann zu verfertigen oder
verfertigen zu lassen.
Befehlen darauf männiglich
den Unserigen, absonderlich unsern Amtleuten und übrigen Bedienten jedes Ortes,
über dieser Unserer allergnädigsten Verordnung festiglich zu halten und die
Contravenienten (Übertreter) alsofort ohne einigen neben Respekt mit
obangesetzter Strafe zu belegen; gestalt dan die Jenigen, somit den
Contravenienten hierunter zu geheelen (als Hehler, Helfer) befunden werden
möchten, durch Unsere Ober-Sachwalter als Übertreter Unsrer Verordnung
ernstlich angesehen, auch nach Befindung ab officio removiret (entfernt) werden
sollen.
Wornach sich männiglich
allerunterthänigst zu richten
Urkundlich
…
Christian.«
Beigegeben ist der Befehl
an Amtmann von Liliencron, dieses »sowohl von den Cantzeln als sonsten
gehörigen Orts bei den Gerichten publiciren zu lassen«. Ermutigende und
ergänzte Regelung der gleichen Angelegenheit gibt 25 Jahre später Friedrich IV.
aus Glückstadt.
» ... Thun hiermit kundt,
daß, obwohl an sich notorium, die Städte in unsern beyden Herzogthümern bloß in
Ansehung ihrer Nahrung und (ihres) Gewerbes, so sie treiben, auf eine gewisse
Pfluganzahl bei Errichtung der Landes-Matrikel
217
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gesetzet und danach von
ihnen die Allgemeine Landes onera (Steuern) abgetragen werden sollen, danach
die Tägliche erfahrung bezeuget, wie durch die auf dem Lande wohnenden
Handwerker ihnen solche ihre Nahrung und Gewerbe auf alle Arth und Weise seit
vielen Jahren dergestalt entzogen werden, daß nicht allein fast keine Stadt auf
dem Fuß, wie dieselben mit der Pflugzahl in der Landes-Matrikel angesetzet, uns
die allgemeine Landes-Contributiones abzutragen mehr im Stande, sondern auch
bey dessen Continuirung (Fortsetzung, Ausdauer), ohngeachtet der einer jeden
(Stadt) in ihrer Pflugzahl beschenen considerablen Remission (Kürzung)
gleichwohl derselben weiteren gentzlichen Ruin und Desolation (Verödung) Wir
annoch ohnzweifentlich befahren (erleben) müssen. Und wan nun dagegen die auf
dem Lande Wohnenden bloß nach ihren Hufen und Maße der Landereyen die
Landesonera entrissen und dabei wegen der Nahrung oder des Handels und Wandels
nicht in den geringsten Anschlag mit einer angesetzten Pflug-Zahl gekommen,
auch nach wie vor solchen höchst unbillig befinden, wenn (sie) gleich das
Commodium (den Vorteil) an sich ziehen, den Städten die onera dafür abzutragen
nachgesehen werden sollte, auch Wir dahero aus Hoher obliegender
Landesväterlicher Vorsorge bewogen, mit des Hertzogen zu Gottorf Liebden Uns
dahin Vereinbahren, daß nicht allein wegen derselben Abschaffung, soweit es
Prälaten- und Ritterschaft-Güter betrifft, eine gemeinschaftliche konstitution
abgefaßet und publiciret worden, sondern auch, um solches durchgehends zur
Observantz (Geltung) zu bringen, ein gleichmäßiges in denen nur beyderseits
privative zugehörigen Ämptern veranstaltet, auch, daß nach Michaelis des
laufenden Jahres keine verbotene Handwerker und bürgerliche Nahrung treibende
Persohnen weiter geduldet werden sollen:
Als constituiren und
verordnen Wir hiemit und kraft dieses, daß fernerhin auff dem Lande und in den
Dörfern innerhalb dem Bezirk von dreyen Meilen auf der Geest und von zweyen in
der Marsch, von jeder in den beyden Herzogthümern belegenen Stadt anzurechnen,
kein Hand Wandel solle getrieben, noch einige Handwerker, außer 1 Radmacher,
Schmidt, Bauernschneider und -Schuster zu eines jeden Kirchspiels selbsteigner
Arbeit und Nothdurft, ihr Handwerk zu treiben, sonsten aber innerhalb des
Landes auf Jahrmärkte nicht zu ziehen, noch außerhalb des Kirchspiels einige
(irgendeine) Arbeit zu verfertigen oder in die Städte zum Verkauf zu bringen,
sollen geduldet werden. Sondern befehlen vielmehr kraft dieses aus Hoher
Landesfürstlicher Obrigkeitlicher Macht und Gewalt, daß die jetzo auf dem Lande
und in den Dörfern in solchem vorbenahmten Bezirk sich aufhaltende Handwerker
oder sonsten Handel und Wandel treibende Persohnen, in was Gewerbe oder
Profession solches bestehen möge, sich von dannen weg und entweder in eine
Unserer Städte oder nach Benannten Flecken, als Bredstedt, Bramstedt und
Meldorf, oder in den Fürstlichen Antheil nach Neumünster, Heyde und Lunden
begeben, oder gewärtigen sollen, daß in deßen nicht gelebung (Nichterfüllung)
nach Verfließung der Frist, gegen den Übertreter ohne weiteres nachsehen mit
wirklicher confiscation und Wegschaffung verfahren werde. - Gestalt dem jeder
Orts Beamte und Obrigkeit über diese Unsere aller-
218
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gnädigste
Verordnung ernstlich und nachdrücklich zu halten und selbige zu gebührender
Execution zu bringen, auch sonsten jeder männiglich, dem daran gelegen, sich
danach zu achten und für schaden zu hüten hat.« Hierher gehört auch eine
Verordnung von Christian VI. aus dem Jahre 1733. Sie bestimmt,
»daß diejenigen Leute (von
seinen Soldaten), so dimittiret und abgedanket werden, mit ihrer eigenen Hände
Arbeit und, soferne sie keine Bürgerliche Nahrung in den Städten treiben, von
Bürgerlichen Auflagen, Schatzungen und Beschwerden und auf dem Lande von der
Erlegung des sogenannten Verbittelsgeldes eximiret (ausgeschlossen) und
befreyet sein sollen.« Noch zwei lesenswerte Berichte:
Anno
1732 sieht sich Christian VI. veranlaßt, dem Amtmann zu Segeberg mitzuteilen,
daß in Übertretung der
noch gültigen Vorschriften von 1687 annoch auf dem Lande noch viel gesündigt
werde. Sogar die Zunftämter lassen sich herbei, gegen eine jährliche »Collecte«
solche Gesetzesverletzung zu dulden. - Dagegen soll mit »schwerer
Leibes-Straffe« vorgegangen werden, dazu natürlich auch mit Confiscation. -
Aber schon nach drei Jahren sieht er sich genötigt, diejenigen von Bestrafung
auszunehmen, die schon länger in den fraglichen Orten wohnen und dort Abgaben
bezahlt haben; es würde sonst zu viele Brotlose geben. Indessen soll
Neuzulassung strenge den Gesetzesvorschriften unterworfen bleiben. Anno 1738
erfolgt eine weitere Milderung der Anforderungen an diejenigen Handwerker, die
sich in den Städten oder mit Stadtgerechtigkeit begnadeten Flecken ansiedeln
wollen. Vorzulegen ist der Geburtsschein in beglaubigter Form, ebenso der
Lehrbrief. Ferner soll eine »wirkliche« häusliche Niederlassung erfolgen und
das Bürgerrecht erworben werden. Das Meisterstück soll ein »moderner«
Gegenstand sein, nicht zu kostbar und absetzbar. Die Gebühr beträgt 4 Taler an
die Obrigkeit und 2 Taler an die Prüfungsmeister. - Diese Regelung betrifft
»einen jeden Handwerker«.1)
Bramstedter
und Segeberger Zimmerleute
Die Segeberger glaubten,
im alleinigen Besitze des Rechtes zu sein, innerhalb des Amtes Segeberg alle
Arbeiten ihres Gewerbes für sich allein beanspruchen zu können und zu müssen.
Die Bramstedter, von denen wir wissen, daß ihre Zunft erst 1773 gegründet
worden ist, sehen sie nicht für voll an. Trafen nun jene in Bramstedt
beheimatete Zimmerer, dann gab es meistens Zank und Kampf, bei dem nicht nur
die Faust, sondern oft auch Knüppel und Werkzeuge die Entscheidung
herbeiführten. Es ging nicht ohne blutige Verletzungen ab. Die Bram-
_____________________
1)
Ausgenommen werden ausdrücklich die »Balbiere«, die als gleichzeitige Bader,
Chirurgen und Wundpfleger der Medizinalordnung unterstanden. Hiesige Weber
wurden nicht voll als Handwerkermeister anerkannt.
219
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stedter sahen keine
Ursache, den Anspruch der Gegner anzuerkennen. Sie wandten sich an
die Obrigkeit und erreichten eine ihnen günstige Entscheidung. Fridericus V.
erläßt unter dem 2. Oktober 1750 in dieser Sache folgenden Bescheid:
Den Segeberger Zimmerern
gebe ihr Zunft-Privileg das Recht, im ganzen Amte die Pfuscher (nicht
ordnungsgemäß geprüfte Eindringlinge) zu jagen. Daraus folge aber durchaus
nicht, daß sie zunftgemäß ausgebildete Zimmerleute, wie es die Bramstedter
sind, stören und behindern dürfen. Auch solle es den Einwohnern des Amtes
unbenommen bleiben, aus andern Städten und im besonderen aus dem im Amte
belegenen Flecken Bramstedt zünftige Zimmerleute für die Ausführung ihrer
Arbeiten zu nehmen. Es wird demnach den Zimmerern beider Ortschaften untersagt,
sich nach bisheriger Art gegenseitig die Arbeit strittig zu machen. Soweit
ersichtlich, hat dieses Eingreifen der königlichen Hand die beabsichtigte und
erwünschte Wirkung herbeigeführt, den Zustand gegenseitiger Duldung. Sehen wir,
daß in unserer Gegend ein ganzes Amt der Bereich für das handwerkliche
Arbeitsrecht gewesen ist, so ist es in andern deutschen Landesteilen sehr wohl
vorgekommen, daß einzelne Städte sich dem Zuzug fremder Handwerker vollständig
verschlossen haben. Auch dieser Umstand hat mit dazu beigetragen, daß das
Zunftwesen sein Ansehen mehr und mehr verlor und einer freieren Gestaltung
dieses Rechtes hat weichen müssen.
Vom
Bramstedter Schusteramt
Was man schlechthin als
Innung oder Zunft bezeichnet, begegnet uns hier unter dem Namen Amt. Man wird
glauben dürfen, daß hierzulande diese Benennung allgemein üblich gewesen ist.
Aber in unserm Orte hat anscheinend allein das Schusteramt eine Urkunde mit
eingehenden Nachrichten über sein Wirken auf unsere Tage überliefert. Es
handelt sich um das Protokoll des Amtes, beginnend mit dem Jahre 1798,
abschließend 1868. Der Ursprung der Innung liegt freilich viel weiter zurück.
Lesen wir doch am Schluß unseres Buches: »Amtssiegel lautet auf 1221«. Gegen
die Verläßlichkeit dieser Ziffer spricht der Umstand, daß zu genannter Zeit
Bramstedt noch nicht im Besitze der Fleckensgerechtigkeit gewesen ist. Solange
nicht ein bündiger Nachweis für die 1221 vorliegt, muß sie als ungewiß erachtet
werden.
Das soll aber nicht unsern
Eifer mindern, den geistigen Schatz des Innungsbuches zu heben und zu hüten.
1.
Von den Lehrlingen
In siebzig Jahren der
Niederschrift sind rund 150 Lehrlinge »eingeschrieben« worden. Davon stammt nur
ein Dutzend aus den Dörfern des hiesigen Kirchspiels; das große Dorf
Wiemersdorf hat nicht einen einzigen Rekruten für das
220
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Schustergewerbe
bereitgestellt. Der Bezirk Kaltenkirchen stellte 30 Lehrlinge, rund 40 kamen
aus größerer Ferne; so bleiben Flecken und Gut Bramstedt mit rund 2/3 des
Gesamtbedarfes die überragende Versorgungsquelle. Nicht selten stellte der
Meister den eigenen Sohn ein, und in etlichen Schuhmacherfamilien ist das
Handwerk geradezu zum traditionellen Gewerbe geworden. So kündet das Buch:
»1804 ist Hans Grewe
Meister geworden.« »1811 ist Jakob Greff sein Jung ausgeschrieben den 13.
Januar.« »1864 den 1. Mai ist Hinrich Ferdinand Greve bei seinem Vater Jakob
Greve hieselbst in die Lehre getreten.«
Zwischen 1811 und 1864
sind aber noch weitere drei Lehrlinge vom Stamm Jakob Greve ein- und
ausgeschrieben worden, allemal unter der Firma des Vaters. Besondere
Anforderungen, die den Eintritt in die Lehre bedingt hätten, werden nicht
erwähnt.. Ja, in der Liste wird auch ein Taubstummer genannt. Über das
Lebensalter erfahren wir nichts. Der Tag des Antritts weist keine Regel auf. So
finden wir 1811 diese Daten: 19. Mai, 2. Juni, 27. Oktober, 14. November und
24. Dezember, und 1867 werden der 28. April, 1. Mai und 24. Juni verzeichnet.
Der Anschluß an die Konfirmationszeit wird spätern Datums sein. Für die Dauer
der Lehrzeit erscheinen drei Jahre als die Norm; doch sind Abweichungen nicht
selten: 2, 2½, 3½ und 4 Jahre, letztere sogar für einen Meistersohn.
Ungewöhnlich ist folgende Kunde:
»Anno 1842 den 30. Januar
ist dieser Lehrbursch Ahrend Mohr aus Struvenhütten, Kirchspiel Kaltenkirchen,
bey unserm Meister Jochim Lück auf 4 Jahre 19 Wochen in die Lehre getreten, hat
also ausgelernt den 12. Juni 1846.« Ungewöhnlicher indes sind zwei weitere
Eintragungen:
a) »1828 den
2. Mertz Ist dieser Lehr Borsche Jörgen Möller aus Kaltenkirchen bey den
Meister Hans J. Buck als Bundwerker auf 6 Wochen in die Lehre getreten und hat
ausgelernt 1828 den 13. Aprill.«
b) »Johann
Christian Petrich, gebürtig aus Bramstedt, hat gleich nach seiner Confirmation
seine Lehrzeit begonnen und ist am 6. Dezember nach einer siebenjährigen Lehrzeit
mit Bewilligung des ganzen Amtes als Schusterlehrling ein- und ausgeschrieben
worden.«
Das Außerordentliche des
Falles b), betont durch die einzig dastehende »Bewilligung des ganzen
Amtes«, mag darin begründet sein, daß besagter Petrich sich nicht ständig auf
dem Schusterbock betätigt hatte; sonsten wäre doch die Sache für ihn, einen
Meistersohn, betrüblich blamabel.
Nach vollbrachter Lehrzeit
erfolgte die Ausschreibung durch das Amt. Die Niederschrift ist von den
Älterleuten regelmäßig, aber auch recht oft vom Kirchspielvogt geleistet worden.
Satzungsgemäß war der
»Ausgelernte« mit einem Lehrbrief auszustatten, dessen Ausführung ebenfalls den
Älterleuten oblag. Es scheint, daß man ihnen diese Befugnis hat strittig machen
wollen. Davon zeugt nachstehende Niederschrift aus 1811:
221
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»Ich, Johann Willing, und
Christoffer Danneberg, als Älterleute in dem Königlichen Flecken Bramstedt,
Bestätigen hir mit, daß das hochlöbliche Schusteramt hat es ausgemacht, daß das
Lehr Brief Schreibend an die älter Leute Bleiben Sol und vor daß amt Siegel 24
Schilling.«
Der Gebührenpunkt wird
wohl die Ursache für die Notwendigkeit dieser kraftvollen Willensbekundung
gewesen sein.
Stumm bleibt dagegen unser
Amtsbuch auf die Frage, ob die abgehenden Lehrlinge eine besondere Prüfung abzulegen
hatten.
2.
Von den Gesellen
Sie bildeten eine
Brüderschaft unter sich und hatten auch ihr besonderes Schild und ihre Lade. So
begründet es sich, daß das Zunftbuch der Meister über diese Gruppe des
Handwerks nur ausschnittweise Bericht gibt, und zwar über Dinge, die Meister
und Gesellen zugleich angingen. Soweit dies geschieht, wird der folgende
Abschnitt uns unterrichten. Schriften oder sonstige Hinterlassenschaften
genannter Brüderschaft sind leider nicht vorhanden.
3.
Von den Meistern
Der Meistertitel fiel dem
Gesellen nicht schon dadurch zu, daß er sich selbständig
machte. Bis 1830 ist das durch Königl. Verordnung erzielt worden, die ein
entsprechendes Ansuchen mit den nötigen Nachweisen voraussetzte und mit einer
Gebühr von 18 Mark Kurant erkauft werden mußte. Die Beschreibung der
Formalitäten wird hier nicht berührt.
Seitdem nahm das Amt unter
Mitwirkung des jeweiligen Kirchspielvogts eine Prüfung vor und erteilte dann
unmittelbar das Meisterrecht. Der Bericht über den ersten dieser Fälle sei hier
wiedergegeben.
Actum Bramstedt in dem
versammelten Schusteramt, den 21. Dezember 1830. »Es erscheint der
Schustergeselle Casper Bracker und bittet unter Produzieren einer allerhöchsten
Dispensation vom Wandern und eines Blatterattestes um Ertheilung des
Meisterrechtes. Sodan wird sein ebenfalls von ihm vorgezeigtes Meisterstück,
nachdem er abgetreten, untersucht und von dem versammelten Amt dergestalt für
untadelhaft erklärt, daß der erbetenen Aufnahme als Meister nichts im Wege
steht. Dem besagten Casper Bracker wird darauf eröffnet, daß er als Meister der
Bramstedter Schusterzunft auf- und angenommen sei, worauf er die Gebühr (18
Mark) sofort entrichtet hat.«
In fidem
H.
Hartz (Kirchspielvogt)
Bis zum Jahre 1863 sind
insgesamt 45 derartige Prüfungen abgehalten worden, von denen nur eine
fruchtlos geblieben ist. Sämtliche Meister der Zunft hatten
222
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sich einzufinden. Ort der
Handlung wird das Haus des führenden Ältermannes gewesen sein, nicht der
Schusterkrug. Der jeweilige Kirchspielvogt leitete und überwachte die Vorgänge,
wie er auch stets den Bericht ausfertigte. Hatte einmal der Prüfling zum angesetzten
Termin nicht erscheinen können, so wurde baldmöglich in der Kirchspielvogtei
unter Mitwirkung der beiden Älterleute die Sache zum Abschluß geführt.
Trotz erheblicher
Eintönigkeit der Berichte geben sie doch ein recht sicheres Bild von den
Bedingungen, dem Ablauf und dem Sinn der Meisterprüfungen. Der Antragsteller
mußte mindestens vier oder fünf Jahre lang dem Gesellenstand angehört und dabei
mindestens 1 Jahr im Ausland gewandert haben. Lehrbrief und Wanderbuch waren
die Ausweise darüber. Im Notfall konnten sie durch eidliche Aussage eines
hiesigen Meisters ersetzt werden. - Das in unserm Beispiel erwähnte
»Blatternattest« war eine zufällige, sich nicht wiederholende Angelegenheit. -
Unerläßlich war das Meisterstück, von dem wir nicht erfahren, ob seine
Anfertigung unterAufsicht erfolgt ist. Es handelt sich fast unabänderlich um
ein Paar Manns-Stiefel, desgleichen ein oder zwei Paar Schuhe für Mann oder
Frau; etlichemal wird erwähnt, daß es Maßarbeit sein solle. Erfreulich, daß in
diesem Punkte der fachlichen Leistung niemand stolperte. Das Meisterrecht wurde
ferner nur dann erteilt, wenn man sich gesichert hatte, daß der »Impetrant«
sich im Flecken niederlassen werde und zwar alsbald. Unabdingbar war endlich
die Zahlung der Gebühr, immer noch 6 Taler Kurant = 21,60 RM, und nach
Einführung der dänischen Zwangswährung (1854) 9 Taler 58 Schilling Reichsmünze.
Es ist dabei zu beachten, daß nur zugleich mit dem Meisterrecht das
Niederlassungsrecht erkauft wurde.
Noch ein Wort über den
erwähnten einzigen Gestrauchelten, den Gesellen C. T. aus Hardebeck. Seine
fachliche Leistung hat befriedigt. Mit den Papieren hat es nicht klappen
wollen: der Lehrbrief wurde nicht vorschriftsmäßig befunden, und im Wanderbuch
glaubte man, ein gefälschtes Datum (zwecks Erzielung einer ausreichenden
Wanderzeit) festgestellt zu haben. Daher der Spruch: »Aufnahme als Meister ist
zu beanstanden, bis den erwähnten Mängeln von dem Gesellen T. abgeholfen worden
ist.«
So geschehen Anno 1853,
und ein weiteres ist in dieser Sache nicht offenbart worden.
Es ergibt sich, daß das
Bramstedter Schusteramt jedem Gesellen ohne Rücksicht auf seine Herkunft die
Prüfung abnehmen konnte, indessen nur dann, wenn er in dieses Schusteramt
eintreten, d. h. im Flecken sich niederlassen wollte, wozu im Falle der
Militärpflichtigkeit noch eine besondere Erlaubnis einzuholen war. Das war
freilich für den betreffenden Jungmeister nicht so gemeint, daß er nur hier
hätte Anerkennung finden können und überhaupt an diesen Ort gefesselt worden
wäre. Auch Kellinghusen und Neumünster werden im Buche als Wohnsitze eines
Schusteramtes mit gleichem Rechte genannt; in Kaltenkirchen wird es seit 1814
ebenso gewesen sein, wie die Tatsache vermuten läßt, daß seit diesem Jahre
nicht mehr Lehrlinge von Lehrmeistern aus K., Henstedt, Götzberg,
223
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Wakendorf, Örsdorf,
Ulzburg und Struvenhütten ins Bramstedter Zunftbuch eingeschrieben worden sind.
1852 ist der Amtsmeister Klaus Humfeldt zu Kellinghusen nach Bramstedt
übergesiedelt, nachdem er dort seine Mitgliedschaft aufgekündigt und hier eine
Aufnahmegebühr von 18 Mark entrichtet hatte. So wird überall dieser Weg
offengestanden haben, sofern es sich um einen ehrbaren Meister handelte.
Wir erfahren, daß die Zahl
der hiesigen Meister im Jahre 1834 sich auf 37, drei Jahre später gar auf 40
belaufen hat. Sie waren in der Zunft zwangsweise vereinigt, die natürlich
satzungsgemäß zu walten hatte. Bis 1840 treten als verantwortliche Vertreter
des Amts hervor: ein wortführender und ein rechnungsführender Ältermann. Unser
Buch nennt - offenbar aus früherer Niederschrift übertragen - eine Reihe dieser
Männer aus alten Zeiten; sei ihrer auch hier gedacht:
1748
Jochim
Meyer
1786 Christoffer Danneberg
1768
Hans Jochim
Meyer
1790 Eler Ellers
1778
Casper
Backhus
1790 Constantin Westfalen
1779
Hans
Süllau
1791 Christoffer Vielieb Stiller
1780
Hans
Böge
1793 Casper Bracker
1781
Ephraim
Westphall
1795 Hinrich Mohr
1782
Hans
Mohr
1796 Claus Brockmann
1783
Hans
Schmidt
1796 Hinrich Berens
1784
Johann
Willing
1803 Constantin Westfalen
Nun läßt uns das
Innungsbuch im Stich. Erst vom Jahre 1830 an liegen fortlaufende, stets vom
Kirchspielvogt geschriebene Berichte über die Sitzungen des Schusteramts vor.
Gegenstand der Verhandlung sind ganz überwiegend die Meisterprüfungen, fast
immer nur auf einen Fall sich erstreckend. Die Anwesenheit der beiden
Älterleute Casper Bracker und Jakob Greve wird öfters erwähnt,' sie haben treu
und bieder 30 Jahre lang ihres Amtes gewaltet. Von Wahlen verlautet bis 1830
nichts. Aber am 3. März dieses Jahres donnert nach erledigter Gesellenprüfung
der Kirchspielvogt auf seine 37 Schuster die Forderung herab, auf Grund des § 7
der Königl. Verordnung vom 15. März 1756, betreffend Abstellung der Mißbräuche
bei den Handwerkerzünften, noch in gegenwärtiger Versammlung acht Beisitzer aus
ihrer Mitte zu wählen und durch die Älterleute innerhalb drei Tagen der
Morgensprache (K.-Vogt) anzuzeigen! Die »Morgensprache« aber muß wohl zeitig
von dannen gewichen sein. Von Wählen vernimmt man jedenfalls nichts. Nach sechs
Jahren erst kommt der Gewaltige auf die Sache zurück: das Amt habe nun
innerhalb acht Tagen die gesetzmäßigen Beisitzer zu melden; Unterlassung werde
zu desfallsigem Zwangsbefehle führen. - Geschehen am 13. Januar 1840. Und am 4.
Dezember genannten Jahres werden in Gegenwart des Vogtes endlich neun Beisitzer
gewählt nach dem Grundsatz der »meisten Stimmen«. Amtsdauer drei Jahre, und
zwar so, daß jedes Jahr drei gewählt werden. Die »Morgensprache« genehmigt die
Wahl. Auch die Wahl der Älterleute unterliegt solcher Zustimmung, und hoher
Vogt versäumt nicht, gelegentlich
224
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eine Wahl als lobenswert
zu erklären. Eine Ablehnung wird überhaupt nicht gemeldet. Bei der Wahl eines
Ältermannes, die von 1844 an auf sechs Jahre erfolgt, versäumt die
»Morgensprache« nicht, den Gewählten durch Handschlag feierlich zu verpflichten.
Neben den Älterleuten hat
von altersher ein vom Amt zu wählender Meister als Gesellenvorsteher zu wirken
gehabt; seine Amtsdauer betrug ein Jahr, nach 1844 drei.
Es handelt sich
grundsätzlich um Ehrenämter. Doch waren für die Älterleute Gebühren vorgesehen
für gewisse Handlungen. Wir erwähnten bereits die 24 Schilling für Ausfertigung
des Lehrbriefes, die um 1840 schon mit 6 Mark 7 Schilling berechnet werden. In
diesem Jahr wird beschlossen, daß künftighin, wenn der Sohn eines Bramstedter
Amtsmeisters Geselle wird, eine weitere Gebühr als die eben genannte von ihm
nicht zu erheben ist. Die beiden Altmeister geben hierzu im besonderen ihre
Zustimmung, weil sie bislang die Nutznießer gewesen waren. Wir sehen, daß auch
das Ein- und Ausschreiben grundsätzlich gebührenpflichtig war. Es ist zu
vermuten, daß die Älterleute auch Anteil an der Gebühr für die Meisterprüfung
hatten. - Die zur Amtssitzung ohne hinreichenden Grund nicht erschienenen
Mitglieder des Amtes hatten eine Brüche von 75 Pfennig zu zahlen, die der
Amtskasse zuflossen.
Meister
und Geselle
In gewissen Dingen hatten
Amt und Brüderschaft gemeinsam sich zu betätigen. Das tritt bei unsern
Schustern zutage in Hinsicht auf das Wander- und das Herbergswesen.
Nach Verordnung von 1830
hatten sich die Gesellen zu beteiligen an der Aufbringung des ihren wandernden
Kollegen zu reichenden »Zehrpfennigs«. Vom 28.11.1831 liegt der Beschluß des
Amtes vor, daß der von den hier in Arbeit befindlichen Gesellen zu erlegende
wöchentliche Betrag vom 1. d. Mts. an auf ½ Schilling Kurant oder 1 5/8
Bankschilling Reichsmünze zu bestimmen sei, und zwar bis weiter, indem das Amt
sich vorbehält, den Betrag, falls die Umstände es erfordern sollten, dem
Gesetze gemäß höher bestimmen zu lassen. Bestätigt durch die Morgensprache:
Hartz.
Es bleibt unklar, ob die
Gesellenschaft in diesem Falle gar nicht mitzureden hatte; als gewiß dürfen wir
feststellen, daß die Meister an erster Stelle zahlpflichtig waren.
Der Hauch des Unfriedens
umspielt den Ablauf eines zehn Jahre später aufspringenden Zankes wegen der
Herberge. Die Meister beklagen sich, daß die Gesellen ihre seitherige Herberge
von dem Schuster Tiedje Backhaus weggenommen und nach dem Gastwirt Johann
Schmidt verlegt haben. Das Amt verlangt, daß die Gesellen schuldig erkannt
werden, die neue Herberge nach dem Hause eines Schusters zu verlegen. Sie
begründen es damit, daß vor etwa 50 Jahren
225
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infolge von
»Mißhelligkeiten wegen einer außer dem Amte stehenden Herberge ausgemacht
worden sei, die Herberge bei einem Amtsmeister zu etablieren«. Freilich liege
nichts Schriftliches darüber vor. Ferner betonen sie, daß die Amtsmeister
manche Beziehung zu der Herberge haben, daß die Gesellen mehrfach von den Amtsmeistern
abhängig seien, und namentlich, daß die Meister zu den Kosten für die
Versorgung der alten Gesellen beisteuern müßten, da doch die Mittel der
Brüderschaft nicht reichen.
Die »Morgensprache« nimmt
die Klage entgegen und läßt antreten: den Gesellenvorsteher Westphalen und den
Altgesellen nebst vier besonders dazu deputierten Gesellen.
Letztere lehnen das
Ansinnen des Amtes schlechthin ab. Sie könnten frei wählen und handeln; ein
Anspruch des Amtes sei gesetzlich nicht begründet; die Meister hätten in der
Herberge wenig oder nichts zu suchen, und der Fall, daß die
Gesellen-Brüderschaft den Zutritt der Meister wegen Aufbringung der Kosten für
kranke Gesellen bedürfe, sei jetziger Zeit kaum denkbar.
Der Vorsitzende billigt
allerdings den Meistern eine »gleiche Stimme« zu wie den Gesellen. Jede Partei
möge neun Männer wählen und den Streit zu schlichten suchen, und bei
Stimmengleichheit solle man den Ältermann entscheiden lassen. Aber dieser
Versuch scheiterte, und auch weitere fruchteten nicht. Der Kirchspielvogt kam
zu folgendem Spruch:
»Daß es in Ermangelung
einer gesetzlichen Bestimmung bei der von den Gesellen getroffenen Wahl sein
Bewenden haben müsse und demzufolge die Gesellen autorisiert seien, das
Herbergsschild nunmehr von Tietje Backhaus nach Johann Schmidts Hause zu
verlegen.«
»Gegen dieses Erkennis«,
so erklärt nach dem Verlesen der Vertreter des Amtes, werde beim Kgl. Amthaus
zu Segeberg Einspruch erhoben werden. Bis zu ausgemachter Sache müsse das
Schild an seitherigem Platze bleiben. - Dem stimmt die Morgensprache zu unter
der Bedingung, das der Rekurs innerhalb zehn Tagen erfolge.
Die beiden Beisitzer,
Jasper Rickert und Jakob Stiller werden beauftragt, die Sache durchzuführen.
Nach 16 Tagen kommt
folgender, von den ehrwürdigen Älterleuten Casper Bracker und Jakob Greve,
einerseits, und den Vertretern der Brüderschaft, Georg Drews und Franz Hass,
andrerseits, unterzeichnete Vertrag zuwege. »Die Gesellenschaft fügt sich in
den Wunsch der Altmeister, die von Tietje Backhaus
wegziehende Herberge............
für diesmal und ohne Folgen für die Zukunft nach
dem Hause eines
Amtsmeisters zu verlegen und zwar nach des Meisters Hans Lorenzen in der
Westerhinterstraße.«
Das Amt nimmt den Anspruch
zurück, zahlt die halben Reisekosten (8 Mark) und die sonst entstehenden Kosten
ganz. Bleiben 4 Mark zu Lasten der Gesellen. Nun aber meldet der seitherige
Herbergsvater eine Forderung von 55 Taler 34 Schilling, hauptsächlich
wegen Verpflegung eines kranken Gesellen. Wieder Friedenssitzung, zu welcher
der Fordernde wegen angeblicher Unpäßlichkeit
226
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nicht erscheint. Die
Amtsmeister stützen einmütig den Standpunkt der Gesellen, daß diese Forderung
unberechtigt sei. Die Beisitzer Hans Lorenzen und Hans Gripp erbieten sich, für
den Betrag, den die Gesellen zu zahlen verpflichtet werden möchten von
Rechtswegen, mit ihrem Hab und Gut einzustehen. Dann werde doch kein
Rechtsgrund mehr vorliegen, daß Backhaus die Lade und das Schild zurückhalte.
Der Morgensprachherr
erklärt sich einverstanden. Doch vergeblich bemühen sich die Älterleute zu dem
Unpäßlichen; der läßt sich auf nichts ein.
Ein paar Wochen später
produzieren die Gesellen einen mit Backhaus vor dem Amtshaus zu Segeberg
geschlossenen Vertrag, wonach dieser binnen zweimal 24 Stunden alles
herausgeben wird, sobald die Brüderschaft eine sichere Bürgschaft für seine
Kostenrechnung stellt.
Der Antrag der Gesellen,
das Amt möge hier einspringen und solchergestalt sein Interesse für ein
friedliches Zusammenleben bekunden, wird mit knapper Mehrheit abgelehnt.
Womit sich der Vorhang
senkt.
Nachschrift. Das
Protokoll, das als Unterlage für diesen Bericht gedient hat, verdanken wir der
Sorgfalt und dem Heimatsinn der Familie des Schuhmachers Claus Martin Göttsche
in Bramstedt, dem es am 20. Februar 1868 eingehändigt worden ist. Als ein
Heiligtum ist es aufbewahrt worden, so daß des Genannten Enkelin Fräulein
Göttsche es dem Chronisten unversehrt zur Verfügung stellen konnte. Weitere
Erinnerungsstücke, wie Laden, Schilder, Pokale oder sonstige Symbole
ehrwürdiger Vergangenheit sind trotz redlichen Mühens nicht greifbar geworden,
leider nichts. Um so mehr gebührt der Familie Göttsche unser Dank.
Dem Leser mag es
unwahrscheinlich vorkommen, daß eine so große Zahl von Schuhmachern im Flecken
hat Brot finden können. Eine eingehende Unterhaltung mit einem ergrauten
Meister berechtigt den Verfasser zu der Erklärung, daß immer nur kleinere
Betriebe vorhanden gewesen sind, daß in den umliegenden Dörfern keine
Schuhmacher waren, und ferner, daß Bramstedt einen guten Ruf hatte wegen der
dort gefertigten Schuhe, die in erheblichem Ausmaß nach auswärts geliefert
wurden. Auch ist nicht zu übersehen, daß Schuhfabriken nicht existierten.
Endlich darf berichtet werden, daß nicht wenige Handwerker des Fleckens neben
ihrem Gewerbe sich als Kätner der landwirtschaftlichen Tätigkeit befleißigten.
Alte Papiere deuten an,
daß der Schusterkrug hierorts sich lebhaften Zuspruchs erfreute, daß gar
die Kirche ihre Sorge wegen der Heiligung des Sonntags aussprechen mußte.
Endlich gebührt den Schuhmachern die Anerkennung, als erste und beharrlich
dafür sich eingesetzt zu haben, daß auch den Kätnern (dem Gewerbe) ein Anteil
am Fleckensregiment eingeräumt werde.
Anhang. Nicht
jedes Handwerk war im Flecken in hinreichender Anzahl vertreten, um die Bildung
eines eigenen Amtes zu rechtfertigen. Das traf beispielsweise für die Riemer
oder Sattler zu, die der Schusterzunft zugesellt wurden, wie auch im Baugewerbe
solcher Zusammenschluß vorgesehen war. Solches Ver-
227
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fahren konnte natürlich zu
Reibereien führen, wie denn auch unter den Lederkünstlern von solchen zu
berichten ist. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts wirkte hier am Orte der
Sattlermeister Wolf. Seine Tüchtigkeit im Beruf und als Charakter im
bürgerlichen Dasein führte ihn zu Ansehen und Erfolg.
Sein Kundenkreis wuchs;
denn er lieferte erstklassige Arbeit bei mäßigen Preisen. Niemand konnte mit so
haltbaren Sachen dienen wie er. Er hatte nämlich in seiner Jugend auch die
Gerberei erlernt und war geschickt darin, rohes Leder verhältnismäßig billig
einzukaufen und kunstgerecht zu bearbeiten.
Man versteht, daß die
Berufsgenossen weniger freundlich sich zu ihm stellten. Sie setzten es durch,
daß ihm das Schusteramt das Gerben untersagte, um ihm die Beschaffung des
Leders durch genanntes Amt aufzuzwingen.
Sattler Wolf gerbte
unverzagt weiter.
Das Amt wendet sich an den
Statthalter. Dieser hält sich nicht für zuständig und gibt die Sache an die
Regierung weiter. Ergebnis: Dem Grafen zu Stolberg, derzeit Amtmann, wird zu
erkennen gegeben, »daß dem Sattler Wolf unverwehret sein müsse, das Leder, das
er selbst verarbeitet, roh anzukaufen und selbst zu gerben.«
Wolfs Name hatte an
Gewicht gewonnen. Sein Ansehen wuchs in dem Maße, daß er später einstimmig zum
Ältermann des Schusteramtes gewählt wurde. Er aber hat noch vielen selbstlos
das Geheimnis der Gerbekunst beigebracht und erreicht, daß das Bramstedter
Leder in den Herzogtümern eine gewisse Berühmtheit genoß.
Meister Wolf hat fast das
90. Lebensjahr vollendet, und sein Name ist im Schusteramt nicht so bald
vergessen worden.
Die
Gilde der Rollfuhrleute gegen die Ratmänner
Anno 1763 senden die
Vertreter der Gilde dem Herrn Amtmann zu Segeberg eine Verteidigungsschrift
gegen Vorwürfe, welche die Fleckensverwalter beim Amte gegen sie erhoben haben.
Die Anklageschrift hat das Amt dem Gildevorsteher zugestellt. Die Gilde nimmt
Stellung dazu, wie folgt:
1.
Daß
die Fuhren, so von uns des Fleckens wegen sind verrichtet, ordentlich durch den
Wagen Meister sind angesagt worden, und der an welchem die Tour gewesen, solche
wegschaffen müssen, und daß die Wagenpässe allemal auf das Flecken, keineswegs
aber auf die Zunft gelautet, wie denn jederzeit solche Fuhren uns sind bezahlt
worden, da wir nicht nur dieses, sondern schon etliche Jahre her dergleichen
viele gehabt; daß wir aber vor diesmal von dem verdienten Gelde (184 Mark)
freiwillig 39 fallen zu lassen uns erboten haben, ist aus bloßer Nach
barlichkeit, mitbürgerlicher Freundschaft, nicht aber aus Zwang und
Schuldigkeit geschehen und schafft keine künftige Pflicht.
2.
Wenn
nun behauptet wird, daß wir gar keine »kleine Fleckensfuhre« geleistet haben,
so ist das ein Irrtum. Wir haben, so wie die Reihe uns getroffen, Fuhren
228
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nach Kellinghusen, nach
dem Lager bei Fuhlenrüe und sonst allerdings mit verrichtet, wie solches den
Ratleuten wohl bekannt ist, ob sie gleich das Gegenteil angeben. Haben aber die
»kleinen Fuhrleute« einige Fuhren und Ritte geleistet, die wir nicht gleich
taten, so ist es uns natürlich recht, daß solche ihnen gut getan werden.
3.
Sagen
die Fleckensleute, sie seien so willig gegen uns, daß sie nicht einmal ihr
Hornvieh auf die gemeine Weide jagen, damit unseren Pferden allein sie nutzen,
so ist zu erwidern, daß ein solcher Platz uns nicht bekannt ist. Und wäre es
so, unsere Pferde würden wenig Vorteil davon haben; viele von uns schicken ihre
Pferde überhaupt nicht auf die Weide, sondern halten sie ständig im Stall.
4.
Ob
die angeführten Orte Bürgerfuhren leisten, wissen wir nicht; daß aber in
Itzehoe, wo Rollfuhren sind, die auf Wagenpaß geleisteten Bürger Fuhren aus der
Stadtkasse vergütet werden, darüber haben wir schriftlichen Beweis.
5.
Klagt
man uns des Neides an, so wird das Bestreiten sich lohnen. Wohl keiner im
Flecken ist von viel Unruhe frei geblieben. Die starken Einquartierungen haben
Sorge geschaffen in vielen Häusern. Doch waren wohl diejenigen besser daran,
die Zuhause bleiben, Frau und Kinder beschützen und zum Rechten sehen konnten,
als viele von uns, die oft Tage und Nächte fern vom Hause bleiben und die
Ihrigen allein lassen mußten. In vorigen Kriegszeiten, so sagt man, habe die
Fuhr-Rolle gänzlich gelegen; wer irgend Pferde bei der Hand gehabt, habe mit
laufen, reiten oder fahren müssen. Man kann doch nur Gott danken, daß es
diesmal zu solcher äußersten Not noch nicht gekommen ist. Warum wollen denn
unsere Mitbürger unsere Zunft so abstrafen, daß sie den Befehl erbitten, unsere
gerechte Forderung nicht zu erfüllen. So hätten wir doppelten Schaden zu leiden.
Die Gilde sehe sich in Gefahr, gelegentlich ganz aus dem Sattel gehoben zu
werden. »Wir verharren in Zuversicht, Schutz zu finden, in tiefschuldigstem
Respekt Euer Hoch und Wohlgeboren untertänigste Knechte
Hermann
Peter Bollen
Herrn.
Hinr. Hartmann.«
Jetzt gebührt den
Ratmännern das Wort, die natürlich auch genau unterrichtet worden sind über die
Gegenschrift der Fuhrleute.
Zu Punkt 1 bekennen sie,
daß es wahr ist, was dort vorgebracht wird. Aber was von dem Fahren und Reiten
mit den »kleinen Pferden« gesagt werde, sei nicht richtig; die hätten oft im
ganzen Jahre nur zwei oder drei Fuhren verrichtet. Von der bürgerlichen
Freundschaft aber habe man bei der Abrechnung um Fastnacht nichts verspürt.
»Wir Ratmänner haben, da alles gott lob wieder still war, uns erboten, wenn
Jeder wollte eine Fuhre von 8 Mark fallen lassen, wir ihnen das übrige
auszahlen würden. Wo denn hierin der Kirchspielvogt ihr Vorgänger war, indem er
anbot, eine Fuhre von 8 Mark umsonst zu übernehmen, und bey Versammlung des Fleckens,
da beide Herren Kirchspielvögte sich viel Mühe mit uns geben, um die Sache
solcher gestalt zu vergleichen, daß jeder 2 Reichstaler sollte fallen lassen,
als dann wollten wir den Rest auszahlen; aber sie dahin zu bringen vermochten
wir nicht.«
229
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Zu Punkt 2: »Daß die
Rollfuhrleute sich berufen, daß sie auch mit denen, welche die Kleinen Pferde
halten, zugleich Fuhren verrichtet, ist etwan in den Fleckensfuhren geschehen,
welche die andern auch verrichtet und ebensowenig in ihre Rechnung eingestellt
wie die Rollfuhrleute.«
3.
Sie
bemerken spöttisch, nicht zu wissen, an welchem Platze sie im Sommer ihre
Pferde weiden. »Es sind alle Gebüsche und Kleine öhrter außer dem Kirch
tor, wo der Kuhhirt mit seinem Vieh wegen der Menge nicht hinkommen kann. Es
ist ja bekannt, daß vom 2. März bis nach der Ernte niemand sein Horn Vieh
allein weiden darf; folgt also von Selbsten, daß es den Pferden allein bleibt
aus gemeldetem Kirchtohr.«
4.
Es
ist wahr, daß unsere schwach bewohnten Nachbarorte keine Fuhren mit
bürgerlichen Pässen verrichten. Dennoch ist gewiß, daß vor Anfang des vorigen
Krieges, also 1709-1714, bis die Rollfuhr wieder aufgerichtet wurde, Keiner
Fuhren tuhn durfte. - Daß in Itzehoe die Fuhren von der Stadtkasse bezahlt
werden, mag wohl sein. »Dahin gegen auch die Stück- und Wagenknechte von der
Stadt angeworben und ebenfalls bezahlt werden; wir aber, wegen unseres
Unvermögens mußten von unsern Kindern hergeben, welche das Los dazu berufen
tähte; dieses war ein viel größerer Schade, als daß einer von seiner Forderung
2 Reichstaler möchte fallen lassen. Da etliche von denen, die kleine Pferde
halten, dieses betroffen und dennoch ihnen weder in den Fuhren, noch andern
Beschwerden konnte nachgegeben (erlassen) werden; und mancher Handwerker, der
seinen Sohn hergeben mußte, hat erfahren, was es kostet.«
5. »Sie haben es
kaum der Mühe wert erachtet, hier zu antworten. Dennoch bleibt wahr, daß, wenn
einer in seinem Hause Leute hätte, die sich des Brunnens gebrauchen (Kurgäste),
er selbst nicht wegfahren dürfte, nun Sie aber in der Zeit zur
Landes-Verteidigung, was übrig tuhn solten, wolten Sie gern andern überlassen.
Sie danken zwar godt, daß es nicht zur äußersten Not gekommen, bedenken aber
nicht, daß von unsern Kindern, die lange nicht so viel (Geld) bekommen, als
wenn sie von andern angenommen oder ihre mit Bürger die, welche die Kleinen
Pferde haben, eben so woll von Hause sein mußten wie Sie, und dennoch nichts
dafür begehrten. Dahingegen wir Ratsmänner ihnen Zahlung angeboten, wenn sie
auf 2 Reichstaler verzichteten. Nein, da wollen Sie lieber die Schuld uns
aufbürden, daß wir Schuld daran seien, daß Sie klagbar geworden sind. Ihrer
Exellenz werden aus diesem sehen, daß nicht wir, sondern Sie lust zum Streiten
haben, da allemal uns als Ratmänner der größte Teil der Mühe trifft und wir
albereits zu Zweien mahlen bei Königl. Maj. supplicando eingekommen sind, daß
wir hinführo mit den bürger Pässen nicht so hart beschwert werden möchten ...«
Die Ratmänner getrösten
sich gnädiger Erhörung, wenn sie bitten, sowohl die Rollführer als die mit
kleinen Pferden, abweisen zu wollen.
230
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Sorgen
um den Nachtwächter
Im Flecken wurde der
Nachtwächter von den Ratmännern jeweils auf bestimmte Zeit gegen eine
vereinbarte Entlohnung in Dienst genommen. Sofern nicht ausdrücklich weitere
Pflichten übertragen wurden, sei es als Feldhüter oder Armenvogt, wurde der
Wert seines Wirkens als für alle Hausbesitzer oder, genauer gesagt, Inhaber
einer Feuerstelle, gleich wichtig erachtet. Es war Sache des Nachtwächters, an
bestimmten Terminen, und zwar dreimal im Jahre, durch einen Rundgang bei der Kundschaft
die ihm zustehende Beitragsrate höflich anzufordern. So ist es geblieben bis
zum Jahre 1841, wo die Fleckensverwaltung in Verbindung mit dem Kirchspielvogt
eine zeitgemäß veränderte Ordnung der Sache beschließt. Letzterer teilt unter
dem 11. Dezember Hochehrwürdigem Herrn Pastor Gerber das Folgende mit. Die
Feuer- oder Herdstelle soll auch künftig zugrunde gelegt werden bei der
fraglichen Beitragsleistung, doch abgestuft nach folgender Norm: das einfache
Drittelhufenhaus zählt eine volle, das Katenhaus wie auch ein bewohntes
Nebengebäude als eine halbe Feuerstelle, und der Häuerling soll
herangezogen werden mit der Hälfte des Kätnerbeitrages. Für größere, nicht zur
Klasse der Drittelhufe gehörige Gewese sei die Wertung der Feuerstelle noch
vorbehalten. Der Vierteljahresbeitrag sei festgelegt worden mit 8 Schilling
Kurant (60 Reichspfennig), solle aber unter außerordentlichen Umständen erhöht
werden. - Nun sei auch in »Anrege« gekommen, welcher Beitragssatz in diesem
Falle für Hochehrwürden und die beiden Herren Oberlehrer angebracht sein möge.
Man sei zu dem Ergebnis gekommen, daß man dem Herrn Pastor die Einschätzung
selber anheimstellen wolle, und der Kirchspielvogt bitte nun, ihm »in diesen
Tagen« gefälligst diesbezügliche Nachricht zukommen zu lassen, auch die
gedachten Herren Lehrer zu veranlassen, daß sie desgleichen tun. Wie Pastor
Gerber seine Entscheidung getroffen haben mag, darüber verlautet nichts. Wohl
aber wird bekundet, daß die beiden Oberlehrer Hamburg und Prüssing, und
besonders scharf der letztere, den Standpunkt vertreten haben, daß besagte
Abgabe dem Eigentümer des Hauses, also in diesem Falle dem Flecken oder der
Kirche zufalle; auch dadurch, daß sie dem Nachtwächter freiwillig eine Gabe
gereicht hätten, würden sie zu nichts verpflichtet. - Doch erwies sich die
Persönlichkeit des Seelsorgers stark genug, die Unwilligen zu überzeugen, daß
sie in diesem Falle klüger handelten durch stilles Entgegenkommen als durch
lauten Widerspruch. Niemand zürne, wenn es dunkel bleibt, mit welchem Bruchteil
der Feuerstätten-Einheit sie sich eingereiht haben. - Freuen wir uns mit dem
Nachtwächter, daß er fortan bei der Fleckenskasse seinen Obulus abheben konnte.
Aufregung
wegen der Straßenreinigung
Am 28. Februar 1840
schreibt Kirchspielvogt Hartz in amtlichem Zorn:
»Den Fleckensvorstehern
wird hierdurch angedeutet, daß die Unreinlichkeit auf der Straße im hiesigen
Flecken nun nicht länger zu dulden, ebenso die in dem
231
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Straßenreglement § 17 und
18 desfalls vorgeschriebene Ordnung strenge und unausgesetzt zu befolgen ist.
Insofern das eine oder andere Straßenstück dem Pflichtigen Anwohner noch nicht
angewiesen ist oder über die Pflichtigkeit ein Zweifel obwaltet, haben die
Vorsteher das desfalls Nötige nunmehr förderlichst zu veranstalten oder den
Umständen nach hieselbst zu weiterer Veranlassung in Anrege zu bringen.
Hinsichtlich der neuen
Pflasterstrecke ist zwar darauf hinzusehen, daß dem neuen Pflaster nicht durch
zu scharfes Fegen Schaden zugefügt werde; wo indessen der auf das neue Pflaster
gebrachte Sand sich bereits in Koth umgewandelt hat, wie teilweise in Maienbek
und Segeberger Straße, ist auf die ordnungsmäßige Säuberung der Straße zu
halten. Hinzu gehört die gründliche Ausfüllung und Reinigung der neuen und der
alten Rinnsteine, wie auch die Wegräumung aller Grünlichkeiten auf
gepflasterten Straßen und Plätzen. Der zusammengefegte Koth und Kehricht darf
unter keinem Vorwand von einem Tage zum andern liegen bleiben, so wenig wie
irgend ein Düngerhaufen, wie namentlich jetzt bei Claus Siems Hause, an der
Straße geduldet werden darf. - Übrigens wird es ratsam sein, daß die Fleckensvorsteher
jeden Einwohner davon in Kenntnis setzen, daß, wenn er von nun an in der von
dem Fleckensvorsteher ein für alle mal zu bestimmenden Nachschauungsstunde an
jedem Sonnabend, die ihm beikommende Strecke nicht ordnungsmäßig gereinigt hat,
er sofort in die § 17 des Reglements bestimmte Brüche von 3 Schilling Kurant
verfallen und solche auf der Stelle zu zahlen schuldig ist. Die
Fleckensvorsteher haben im Laufe dieser Woche hieselbst anzuzeigen, daß und wie
sie diesem Auftrage nachgekommen sind, und in Zukunft haben sie jeden Montag
vormittags ein Verzeichnis der am Sonnabend vorher notierten und erhobenen
Brüche unter Anführung sonst zu beachtender Umstände einzuliefern, damit sodann
die etwa rückständige Brüche sofort beigetrieben oder sonstige Maßregeln
getroffen werden können.
Bramstedts
Siegel und Wappen
Mit der
Fleckensgerechtigkeit zugleich, d. i. zwischen den Jahren 1364 und 1448, wird
unser Gemeinwesen sein erstes Siegel erhalten haben. Seine Spuren sind noch
vorhanden. Der zugehörige Bronzestempel ist ein geschätzter Gegenstand im
Inventarium des Staatsarchivs zu Kiel. Der ältesten Urkunde, die unsern Ort als
bürgerliche Gemeinde ausweist, ist dieses »Ingesiegel angehänget« worden. Die der
Chronik einverleibte erste Photokopie weist dies deutlich nach in Wort und
Bild, wenn auch das Siegel bedauerlicherweise von unbekannter Hand entfernt
worden ist. Dem Zeitalter angemessen, hat dieses Siegel, dessen Lackbild im
Archiv der Stadt aufbewahrt wird, eine erhebliche Größe.
Es ist rund; der
Durchmesser beträgt 45 mm. In der Mitte zeigt es einen Schild mit Nesselblatt,
dem Wappenzeichen der Schauenburger Grafen, unter deren Herrschaft Bramstedt
zum Flecken geworden ist.
232
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Die Mitte des
Nesselblattes wird durch einen kleineren Schild überdeckt, als sollte er dem
Blatt einen Halt geben. Zwei biegsame, der Art nach nicht sicher zu bestimmende
Zweiglein zieren die Fläche zwischen Schild und Umschrift. Diese aber lautet:
SIGILLUM CONSULUM OPIDI BRAMESTEDE Also veritables Latein, ein Zeichen für das
Gewicht, das die derzeitigen katholischen Priester auch für das bürgerliche
Leben bedeuteten. Auf deutsch: Siegel der Vertreter der Kleinstadt Bramstedt.
Diesen Stempelabdruck, der
offenbar für Bürgermeister und Ratleute gemeinschaftlich gedacht war, bringt
auf seinem ersten Blatt das alte, vom Jahre 1530 datierte Fleckensbuch. Das
zweite Blatt trägt Spuren eines »entwendeten« Abdrucks in braunrotem
Siegellack. Das oben erwähnte, gleichfalls »entfernte« Insiegel zeigt in seinen
Resten einen Wachsdruck, paßt aber in Gestalt und Größe völlig mit dem
beschriebenen überein.
Wir dürfen getrost annehmen, es mit dem »Ursiegel« des Fleckens zu tun zu haben, das somit für die Jahre 1448 und 1530 als beurkundet zu gelten hat. Wann es einem andern hat Platz machen müssen, das ist nicht nachweisbar, wenn man nicht annehmen will, es habe sich bis zum Jahre 1811 behauptet. Denn erst aus diesem Jahre stellt sich ein neues Siegel vor. Es unterscheidet sich von dem beschriebenen durch bescheidenere Maße - 2/3 des Durchmessers - und die Umschrift, während der Schild, diesmal deutlich von Lorbeerzweigen umrahmt, wiederum das Nesselblatt trägt und ebenso die Kreisform gewahrt bleibt. Die Inschrift aber lautet: BRAMSTEDTER FLECKENS SIEGEL. Noch einmal sei betont, daß dieses Siegel für 1811 nachweisbar ist, seine Einführung indessen in einem früheren Zeitpunkt erfolgt sein mag. Es wird gedient haben bis 1869. Die alsdann erfolgte Einführung der »kleinen« preußischen Städteordnung machte ein neues Siegel notwendig.
Die Größe wuchs, die Form
blieb unverändert. Die Umschrift »Bürgermeisteramt Bramstedt« läßt
es unentschieden, ob Bramstedt nun Flecken oder Stadt sei. Der alte Schild mit
dem Nesselblatt hat sich behauptet; aber an die Stelle des ursprünglichen
kleinen
Herzschildes ist nun der schwerttragende Roland getreten,
allerdings in bescheidener Größe und durchaus nicht als beherrschende Gestalt
im Vordergrund stehend. Die Lorbeerzweige zwischen Schild und Nesselblatt sind
verschwunden und ersetzt worden durch einen Ring aus gotisch geformten
Bogenzacken mit symmetrischer Punktierung, welch letztere auch den
freibleibenden Raum des Wappenschildes in Anspruch nimmt.
Das
Jahr 1910 brachte für Bramstedt den beamteten, wenn auch weiterhin von den
Bürgern zu wählen den Bürgermeister, und hinzu kam die Benennung des Ortes als
»Bad
Bramstedt«.
1. Stadtsiegel von 1869-1910
233
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2.
Stadtsiegel
von
1910-1938
Ein
neues Siegel war fällig. Der Durchmesser schrumpft von 30 auf 25 mm zusammen.
Nun siegelt der »Bürgermeister der Stadt Bad Bramstedt«. Schild,
Nesselblatt und Roland sind geblieben; der obere Rand des Schildes hat die
bisherige »Gradheit« vertauscht mit Doppelschwung und abgeschrägten Ecken, und
mit leichter Einbuchtung nach innen schließen sich die Seitenränder an. Das
Ornament aus Bogenlinie und Punkt ist verschwunden ; deutsches Eichenlaub hat
den Schmück übernommen. Das Siegelbild hat an Klarheit gewonnen.
Dem vierten geschichtlich
bekannten Bramstedter Siegel ist eine Dauer von 28 Jahren vergönnt gewesen. Das
1938 eingeführte Stadtsiegel zeichnet sich vor allen seinen Vorgängern durch
seine große Klarheit aus.
Das ist erreicht worden
durch vergrößerten Durchmesser - von 25 auf 35 mm - und durch Fortlassung allen
Beiwerkes. Geblieben sind aber der Roland und das Nesselblatt, also die alten Wahrzeichen,
die tatsächlich auf die Verleihung der Fleckensrechte zurückweisen.
Bleibt noch zu berichten über das Bramstedter Wappen, und in diesem Falle handelt es sich um eine erstaunlich jugendliche Angelegenheit. 1878 wünschte die Regierung zu Schleswig sowohl für die Front des neuen Regierungsgebäudes als auch für die Aula der Kieler Universität die Wappen der Städte Schleswig-Holsteins als Ornament zu verwenden. Das führte hierorts zu der Erkenntnis, daß ein solches ganz und gar nicht aufzufinden war. So ist es gekommen, daß der von der Regierung beauftragte Baron Dr. von Weißenbach für Bramstedt den Entwurf eines Wappens angefertigt hat, der am 29. April genannten Jahres von der Fleckensverwaltung gebilligt worden ist.
Pietätvoll ist das
Urexemplar in großer Umrahmung aufbewahrt worden und noch heute ein
Schmuckstück im Aufgang zum Sitzungssaale. In größter Höhe und Breite etwa 25
cm messend, zeigt der Hauptschild am oberen Rande eine kräftig ausschwingende
Wellenlinie; auch die Seitenränder meiden die gerade Linie. Der Grund leuchtet
in kräftigem Ziegelrot. Roland und Nesselblatt sind in mattem Silber
dargestellt. Die Blattzacken halten sich, im Gegensatz zu dem Bilde der
beschriebenen Siegel, etwas fern vom Außenrand der Figur. Die Körperhaltung
zeigt im Vergleich mit der in den Siegeln vorhandenen eine belebende
Auflockerung; auch das Gewand hat der Künstler seinen Wünschen angepaßt.
Ein
paar Variationen vom Wappen und Siegel Bramstedts, die in besonderen Anlässen
hergestellt worden sind, mögen hier noch angefügt werden. Die Notgeldscheine
weisen hin auf die Inflationszeit nach dem
Weltkriege.
3. Stadtsiegel ab
234
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Als erfreuliche Tatsache sei abschließend noch einmal betont, daß deutlich sichtbar geworden ist, wie der Roland immer mehr die Herzen der Bramstedter zu gewinnen vermocht hat. Und wer könnte leugnen, daß er ein unübertroffenes Vorbild an Standhaftigkeit und ausharrender Treue ist?
4.
Bad Bramstedter Notgeld
235
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VOM
GERICHTSWESEN
I. Was Johannes Kähler in
seinem Buche vom »Stör-Bramautal« über Gerichtsbarkeit in Bramstedt sagt, ist,
wie er selbst vermutet, nicht Sache unseres Ortes, sondern bezieht sich auf das
gräfliche Gut im Kreis Wesermünde, das, wie später auch das hiesige gleichnamige
adelige Gut, seine eigene Jurisdiktion hatte, also in diesem Punkte dem
Magistrate der Städte gleichgestellt war. Schriftliche Erkundigung bei der
Verwaltungsstelle im hannoverschen Bramstedt hat in dieser Hinsicht jeden
Zweifel ausgelöscht.
Das heutige Bad Bramstedt
hat niemals das Recht eigener Jurisdiktion gehabt, so wenig wie andere Flecken.
Wohl bestimmt die
Königliche Konfirmation der Fleckensgerechtigkeiten von 1652, daß unter dem
Roland Recht gesprochen werden sollte, soweit es Schlichtung von Differenzen
anlangt, die sich beim Ochsenhandel, im besonderen unter Beteiligung der
Brabantischen (soll wohl bedeuten: ausländischen) Käufer ergeben möchten. Hier
war schnelle Entscheidung nötig, und diese zu geben, war allein Sache des
königlichen Kirchspielvogts. Es handelte sich hier um ein Sondergericht, wie
es dem gleichen Beamten in Sachen der Zünfte übertragen war unter dem
sonderlichen Namen: Morgensprache (siehe Schusteramt). Weder in dem
einen noch im andern Falle hatte ein Fleckensbeamter ein Wort mitzureden.
Eingangs genanntes Buch berichtet sodann: Hier tagte einst das wichtige
Volksgericht, das »Bramstedter Göding« unter freiem Himmel. Das hat
durchaus seine Richtigkeit. Erfreulicherweise kann heute darüber ergänzende und
genauere Nachricht gegeben werden. Vor und neben und nach dem Göding hat hier
am Orte das »Ding«, auch »Lotding«, auch einmal »Ding und Recht« genannt, seine
Tagungen gehalten; die Zeit seines Ursprungs und desgleichen seines
Verschwindens läßt sich nicht präzise angeben. Doch weist eine Urkunde aus dem
Kirchenarchiv, die in Abschrift angefügt wird, mit Sicherheit nach, daß um 1650
ein hiesiger Bürger noch in voller Schärfe den Zugriff dieses »Untergerichts«
erfahren mußte.
Es ist auch möglich, das
Vorhandensein von »Ding und Recht« in recht früher Zeit nach alten Urkunden
nachzuweisen. In Band 5 5 der von der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische
Geschichte herausgegebenen Zeitschrift lesen wir: Der Bezirk für das Lotding
ist schon im 12. Jahrhundert das Kirchspiel. In der Grafschaft Holstein lassen
sich vier Urkirchspiele für jene Zeit feststellen. Anno 1149 erscheinen unter
den Zeugen der von Heinrich dem Löwen für das Kloster Neumünster ausgestellten
Urkunde vier stormarnische Boden (legati provinice) als indices
terre, die, wie der Oberbode zum Göding, zum Lotding gehört haben
werden. Der hiermit gegebene Nachweis von vier stormarnischen Kirchspielen wird
gestützt durch eine Nachricht der Visio Godescalci. Als Heinrich der Löwe im
Jahr 1190 nach seiner Rückkehr das Schloß Segeberg im ersten Ansturm nicht
nehmen konnte, ließ er es durch die tota gens Holsatorum einschließen. Das
ganze Aufgebot war in acht Haufen geteilt; jede Abteilung umfaßte ein Kirchspiel.
236
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Die acht
Kirchspiel-Aufgebote versahen abwechselnd den Wachdienst (cum ordo
dispositionis parochianas nostras ad obsidionem castra evocaret). Die acht
Kirchspiele bildeten die Gaue Holstein und Stormarn. Schwer ist die Grenze genannter
Gaue festzustellen. Adam von Bremen berichtet nur, daß die Stör durch
das Land der Holsten fließt und deren Kirche in Schenefeld liegt. Der Presbyter
Bremensis nennt (um die Mitte des 15. Jahrhunderts) die Bewohner der
Kirchspiele Schenefeld, Hademarschen, Hohenwestedt, Bornhöved, Bramstedt und
Kaltenkirchen die veri Holsati (die wahren Holsteiner). Der Forscher Falck
weist in seinem Handbuch des Schleswig-Holsteinischen Privatrechts das Kirchspiel
Bramstedt dem Gau Stormarn zu. Das trifft nach obiger Feststellung nicht
zu. Das Bramstedter Göding ist viel später geschaffen worden als das
bereits um 1149 nachgewiesene »Lotding« daselbst.
Erst als im Jahre 1470 in
den Elbmarschen, wo viele Holländer angesiedelt waren, deren »hollisches
Recht«, soweit es sich um Angelegenheiten der zweiten Instanz handelt,
aufgehoben ward, ist Bramstedt nach Beschluß der Landesherrschaft zur
Gerichtsstätte für besagte Siedler in berührter Angelegenheit bestimmt worden.
Dieses Göding stand unter dem Amtmann zu Steinburg, in dessen Vogtei die
Eibmarschen lagen. Dem Landesherrn war daran gelegen, daß Geestmänner Recht
sprechen sollten über die Marschbewohner, die eben erst niedergeworfen waren
und noch nicht zu starken Einfluß im Lande haben sollten. Für das Kirchspiel
Bramstedt wurde dadurch nichts geändert. Es behielt sein »Lotding« im Kirchort
und sein »Göding« in Segeberg. .- Für die Marschleute hat besagter Zustand rund
90 Jahre gedauert. Um 1560 haben sie gebeten, man möge ihnen die Sache wieder
in die Hand geben, da die Geestleute mit den Verhältnissen in der Marsch nicht
voll vertraut seien. Der Wunsch ist erfüllt worden, und seitdem hat in
Bramstedt niemals mehr ein Göding ein Urteil gesprochen. Über das Wesen und Wirken
dieses Gödings, in dem Hufner als Richter sich betätigen konnten, während der
Amtmann und sein Schreiber die nötigen Formalitäten zu erledigen hatten, soll
nun berichtet werden. Falcks »Staatsmagazin« übermittelt in Band IV Seite 250
ein
Schreiben
des Diedrich Blome, Amtmann zu Steinburg,
gerichtet an Christian
III., datiert Kiel, zur Zeit des Umschlages daselbst im Jahre 1553, das als
zuverlässiger Führer dienen mag.
Diederich meldet im
Anschluß an die Übermittlung seiner fälligen Amts-Jahresrechnung, daß der
Eingang an Bröcke (Strafgeldern) gering gewesen sei. Das wäre anders
ausgefallen,
»wann Juw. (Euer) Königl.
May. Guedinge (Göding) tho Bramstede tho holden gegönnet (beliebet hätte), so
mi Juw. Königl. May. im vergangenen jare up min ansökent ingerümet (genehmigt),
awer darna wedder affschriewen laten. Und velechte (vielleicht) (is) Juw. Kön.
May. van etlichen, de sich vorhapen (erhoffen),
237
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up öhre (ihre) ahnkumpft
öhren eigen Nott (Nutzen) daruth tho sökende, vorgedragen, dat Guedinge hedde
vele Moye (Mühe), gewe grote Unkost. - Doch dat is alles erdichtet; denn ein
Guedinge kostet gar und all nicht mehr alse de andern >Dinge<, de doch
ein Ambtmann tho Segeberge umb alle sös (6) edder achte weken tho Bramstede
holden muth (muß). En Loth- und Guedinge hefft nicht mehr underscheit als den
Namen, gifft ock keenen penning mehr unkost. Woll (wer) Juw. Kön. May.
anders vorgedragen, de berichtet tho milde (sagt mehr, als wahr ist). - Ick
hebbe ock nicht erdenken können, ut wat orsake süllichem (selbigem) Guedinge
bey Juw. Kön. May. möge gestutzt (abgelehnt) syn. Nu awerst nüliges (neulich)
hebbe ick de grund erfaren, also dat einer meiner landluede sick vorhapet,
Ambtmann tho Steinburg tho werden, und weet, dat in Wüster und Kremper Marsch
woll veer edder sös geschulden ordele (angefochtene Urteile) vorhanden, dor
Juw. Kön. May. van einem jeden Ordel öwer veer edder viefhunnert Mark nicht
entstan kann (an Unkosten). Dat sick denn in de dredusent Mark ungefeer belopen
wolde. Denn eine von de beiden Marschen moth verlehren (verlieren), und welche
Marsch dat Ordel verlüst (verliert), (dor) moth ein jeder in dersülwen, de eine
Burstede hefft, Juw. Kön. May. 8 Schilling und 4 Penn gewen. Wowoll (welche
wohl) bett anher in Juw. Kön. May. Register nicht gekamen (sind), besonderen
(sondern) de Ambtluede (hefft) it in ähren Büdel gesteken, so (wie) my
berichtet. Nu können sülwige Ordele nicht gewonnen edder verloren werden,
sundern (nur) vor dem Guedinge tho Bramstede. Ut sollicher orsake hefft
desülwige, de sick vorhapet, dat Hus Steinborch tho krigen, dorch sin Anwalt
dat Guedinge by Juw. Kön. May. gestutzet (gehemmt) und gedenket, up sine
ahnkumpst (im Amtshause zu Steinburg) de dredusent Mark wegen der geschulden
ordele an sick tho bringen, wo (wie) velichte vorken (schon) geschehen. Wyle nu
Juw. Kön. May. my und andern Königl. Ambtlüden einen jeden ein jarlike
besoldung gifft, lut der Ambtvorschriwinge, wolden sick jo solliche Hinderlist
nicht gehören; is ock ahne dat den Marschlüden wegen ehrer eigen sake, so se
under einander tho donde (tun, ordnen), dat Guedinge1) tho holden,
grot nödlich (nötig).«
Der Brief schließt ab mit
einer Auseinandersetzung wegen eines Totschlages, für den eine Geldsumme
(Bröcke) als Sühne angeboten worden ist. Es mag dem Leser wissenswert sein, daß
nach Gunnar Gunnarsson auch das isländische Ting die Ahndung des Totschlages
mit Geldstrafe kennt.
II. Erneute und
anschauliche Kunde über des Kirchspiels Bramstedt »eigen Ding und Recht« und
Kriminalgericht gibt uns die Kieler Akte A. 12 Nr. 1850. Wir erfahren, daß am 25.
Mai 1723 die Bramstedter sich beim König bitter beklagt haben, daß sie
Wache halten und Kosten zahlen sollen wegen dreier Delinquenten, Dieben, die im
Kirchspiel Segeberg arretiert worden sind. Sie hätten von altersher ihr
eigenes, in der Land-Gerichtsordnung fundiertes Ding und Recht und
Kriminalgericht gehabt und jederzeit die Kosten für ihre Delinquenten ohne Zutun
der übrigen Kirchspiele getragen. Nun aber habe Amtmann von Hanneken
einen
________________
1)
Lies Güdinge, wie auch Luede zu lesen ist (Lüde = Leute).
238
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Kostenbeitrag von
Bramstedt verlangt und nach geschehener Weigerung den Flecken gepfändet.
Der in der Folge von ihnen
verlangte Beweis für die Richtigkeit ihrer Behauptung wird erbracht. Vier
Zeugen, ausgesucht alte Leute, haben bekräftiget, daß nach ihrem Wissen eigen
»Ding und Recht«, im Flecken gehalten, daß z. B. auch einer dort gehängt
worden sei. Noch jetzt - 1723 - »stehe ein Gericht und Galgen außer
(außerhalb) dem Flecken, hinter dem sogenannten Teiche oder Schleusgang, wo
man nach Grossen Aspe zu reist«. Noch wissen die Zeugen, daß, wenn sich
Übeltäter gefunden, ordentliches Ding und Recht über dieselben gehalten worden,
und zwar von dem Segebergischen Herrn Amtmann, dem Amtswalter (Sekretär), dem
Kirchspielvogt und den Dingvögten des Kirchspiels - also nicht des
Fleckens -Bramstedt, zweien Beisitzern und denen 16 sogenannten »Männern«.
Zwei Zeugen behaupten, selbst einen am Galgen hängen gesehen zu haben.
Vorstehende Aussagen werden der Kammer zu Rendsburg zur Begutachtung
überwiesen. Von dort wird dem Könige berichtet, daß es wohl so stimme, wie die Kirchspielleute
sagen. Hanneken könne ihnen diese Rechte nicht nehmen und ihnen auch keine
Kosten wegen der fraglichen Diebe aufbürden. - Noch im nächsten Monat ordnet
der König an, daß der Amtmann sie von ihrem Dienst zu befreien und die
Exekution aufzuheben habe.
So haben wir denn
handfeste Beweise, daß Bramstedt eine uralte Tingstätte gewesen ist, also ein
Ort, wo freie, nicht beamtete Männer das Recht zu sprechen hatten, im »Ding und
Recht«, auch genannt »Lotding«, über Streitigkeiten und Gesetzesübertretung,
auch in Kriminalfällen. Eine Berufung gegen das Urteil, die nur in schwierigen
Fällen zulässig war, mußte an das Göding in Segeberg gerichtet werden.
Festzuhalten aber bleibt,
daß nicht der Flecken, sondern das Kirchspiel Bramstedt Träger
der dargelegten Gerichtsbarkeit ist. Der Flecken erscheint als Stätte des
Gerichts, und diese »Stätte« war nach den Berichten aus dem Jahre 1723 nicht
der Marktplatz, sondern lag dort, wo der Weg nach Großenaspe abzweigte. Dort
»stand« das Gericht; das soll wohl sagen, daß der Gerichtsplatz durch einen
Pfahl kenntlich gemacht wurde, wie denn auch in der Literatur das Ding und
Recht einfach als »Balken« bezeichnet wird. Der »Gerichtspfahl« wird nach den
gegebenen Andeutungen sehr wahrscheinlich auf dem Kapellenberg gestanden
haben. Der eben genannte Berg ist keineswegs ein Phantom; das alte Fleckensbuch
bekundet aus dem Jahre 1716, daß »das Wasser, so aus den Düstern Hoop kömpt,
quer über den Landweg bey den Capellenberg und folglichen Hinter den Teich
durch Dieterich Maahs Wiese geloffen...« Das ist dieselbe Gegend, wo die
vorgelagerten Wiesen den Namen »Kapellenhof« geführt haben. Dort auf der Anhöhe
mag auch die Kapelle gestanden haben, die dem armen Sünder auf seinem letzten
Gange das Geläute gab. Galgenberg und Kapellenberg waren jedenfalls
benachbarte, wenn nicht identische Anhöhen.
Das uns vor Augen stehende
Gericht liebte die Geldstrafe, die vom Amte Segeberg eingezogen und registriert
wurde. Ein paar Beispiele aus dem 16. und Anfang
239
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des 17. Jahrhunderts mögen
das beleuchten. Carsten Hardebeck hafte seinem Nachbarn Tiedje Stender die Nase
zerschlagen; er mußte es büßen mit 3 Mark 6 Schilling 6 Pfennig lübsch. - Auch
Stender mußte zahlen: 6 Mark 3 Schilling, weil er Carsten mit dem Messer
gestochen hatte. Ties Hardebeck aber hatte 30 Mark 15 Schilling zu entrichten,
weil er Merten Mertens mehrfach mit Worten beleidigt hatte. Letzterer Betrag
reichte derzeit mindestens für den Ankauf einer guten Kuh und liegt
möglicherweise höher als im Regelfalle; denn der Beleidigte trug die Würde
eines Dingvogts. Alle vier waren Hufner zu Hardebeck in unserm Kirchspiel. - Im
übrigen ist uns bereits bekannt, daß sogar ein Totschläger durch Bröcke seine
Schuld abgelten konnte. Damit waren allerdings Galgen und Schwert nicht
ausgeschaltet. Nicht allgemein ist bekannt, daß unsere Ahnen mit großer Strenge
den Schuldner bestraften, der seiner Zahlungspflicht nicht nachkam:
Verstümmelung an Hand und Fuß, Nase, Ohren und Augen galten als verdiente
Strafe. Man zürne nicht, wenn Verfasser noch einmal auf die Grundfrage
zurückkommt, ob denn Bramstedt wirklich kein Göding gehabt habe. Es liegen
Ereignisse vor, die Zweifel erregen möchten. Darum das Bemühen gründlicher
Darstellung.
a)
Diedrich
von Blome, der als Amtmann waltete, spricht klar aus, daß das Göding ein Appellationsgericht
sei und sich nur dadurch vom »Lotding« unterscheide. Eine rein sachliche
Einteilung oder Aufteilung der Rechtsfalle findet nicht statt.
b)
Totschläger
gehörten doch wohl vor das Göding? - Antwort: Nein, grundsätzlich nicht. Erst
mußte die Appellation begründet werden.
c)
Das
isländische Thing gibt noch heute ein Beispiel dieser Art.
d)
Dem
Chronisten ist bei seiner Durchforschung der Bramstedter Geschichte niemals ein
Bericht über Betätigung des Gödings zu Gesicht gekommen.
Nun sind zwei Justizfälle,
die zu einer Hinrichtung führten, im Flecken vorgefallen, über deren
Vollziehung Nachricht vorliegt.
a) Die Kirchen-Chronik
meldet, am Fastelabend habe Eggert Bulte bei Hinrich Ordes Haus den Diakonus
Johann Wasmus totgeschlagen. Der Täter sei in Segeberg geköpfet worden.
Jahr und Tag der Untat bleiben unbekannt. Doch sein Chef, Pastor Hermann
Burtfeld, hat von 1534 - 1570 hier amtiert. Innerhalb dieser Amtszeit,
vermutlich im letzten Teil, wo Burtfelds Schwäche einen Gehilfen erforderte,
also wohl im letzten Jahrzehnt, hat Wasmus hier assistiert. Zu sicherer
Beurteilung der Sachlage führt die vom Pastor Chemnitz Anno 1752
niedergeschriebene Nachricht nicht. Es kommt hinzu, daß ein loses Blatt des
Kirchen-Archivs zu berichten weiß von einer Zeugen-Aussage zweier Bramstedter,
die nebenher zur Kenntnis gibt, daß Eggert Bulte in Bramstedt gehenket worden
sei. Diese Aussage entstammt dem Jahre 1629, ist also immerhin 123 Jahre näher
dem Ereignis als des Pastoren Niederschrift. Nehmen wir 1560 als Jahr der Tat
an, so war Chemnitz 192, genanntes Zeugnis aber nur 69 Jahre davon entfernt.
Muß man nicht glauben, daß dem Zeugnis mit dem viel geringeren Zeitabstand die
größere Zuverlässigkeit zuerkannt werden soll? - Und die zwei erwähnten alten
Männer, die Anno 1723 bezeugten, daß sie am Wege nach Großenaspe
240
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einen Erhängten am Galgen
gesehen haben, reden, wie ihre beiden Kollegen vom »Ding und Recht« aber nicht
vom »Göding«.
So muß es dabei bleiben,
daß unser Göding, ein Organ des Amtes Segeberg, auch dort abgehalten worden
ist; im Falle der Marschleute aber, deren Obrigkeit der Amtmann von Steinburg
war, ein besonderer Befehl des Landesherrn vorlag: die Geestleute sollten
richten über sie, mindestens in der zweiten Instanz. Um dabei übermäßig lange
Wege zu vermeiden, wurde nicht Segeberg, sondern Bramstedt als Gerichtsstätte
gewählt; als Vorgesetzter waltete der Steinburger Amtmann. Dieses Göding wird
1470 nirgends erwähnt und ist nach 1559 nicht
mehr vorhanden.
Handgreiflicher sind die
Spuren vom Wirken und Ausgang des Lotdinges oder Untergerichtes, von dem wir
wissen, daß es bereits im 12. Jahrhundert sich betätigt hat als eine Funktion
des Kirchspiels, an welcher stets nur Hufner beteiligt waren. Wir geben alten
Urkunden das Wort.
Im Jahre 1599 offenbart
sich zwischen »den Weddelbrökern und den Vördern mißverstendtnis und
Zwietracht« wegen der Weidegerechtigkeit im Grenzgebiet. Man wendet sich an den
Kirchspielvogt zu Bramstedt. Er beruft acht wackere Männer aus dem Kirchspiel.
Diese bringen einen Vergleich zuwege, der freilich von der Festlegung scharfer
Grenzen absieht. - Soweit das Verfahren eines freiwilligen Schiedsgerichtes,
dessen Spruch für ½ Jahrhundert ausgereicht hat. Aber am 11. Dezember 1649 hat
der Segeberger Amtmann Casper von Buchwaldt in gleicher Sache zu berichten:
»Demnach nun bei itzt gehegtem Ding und Recht zu Bramstedt von den
sembtlichen Interessenten abgesetzten Vergleich in allen Punkten und Clausein
zu fester und sicherer künftiger gelebung (Geltung und Beachtung) zustande
gekommen.«
b) Die schon
erwähnte Urkunde aus dem Kirchen-Archiv vom 27. Juli 1652 weist sehr
überzeugend nach, daß zu dieser Zeit das Bramstedter »Ding und Recht«, das
Untergericht, noch in voller Kraftentfaltung sich betätigte.
c) Bis zum Ende des
17. Jahrhunderts findet man in dem alten Fleckensprotokoll Berichte über
Sitzungen der Ratmänner, wo diese zunächst eine Sache unter sich verhandeln mit
dem Ergebnis, die Entscheidung den 16 Männern, auch einer geringeren Anzahl, zu
übergeben. Es handelt sich dabei um strittige Sachen, die man nicht vor das
Amtsgericht bringen wollte, sondern einem frei vereinbarten Ersatz, einem
privaten Schiedsgericht, unterbreiten wollte. Weder Amtmann noch Kirchspielvogt
waren dabei nötig.
Man geht bestimmt nicht
fehl in der Überzeugung, daß nach dem Jahr 1700 in Bramstedt kein »Ding und
Recht« mehr gewaltet hat, während dies ebenso sicher noch im Jahre 1652 der
Fall gewesen ist. Als seltsam und zugleich wegweisend dürfen wir noch einmal
hervorheben, daß schon Anno 1723 kein Kirchspielvogt, kein Amtmann und nicht
eine Hohe Kammer zu Rendsburg in der Lage waren, über diese Angelegenheit etwas
Bestimmtes aus ihren Akten zu bekunden. Man konnte dem Landesherrn nur
mitteilen, daß es wohl so seine Richtigkeit habe, wie es die Akten
bezeugt haben. Noch sei hier bemerkt, daß 1636 die Landgerichtsordnung für
Holstein heraus-
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gekommen ist, der bald
danach das Segeberger Justiz-Reglement folgte. Seitdem ist das Lotding
und wohl mehr noch das Göding eine noch »geduldete« Angelegenheit gewesen. Die
Bauern lösten sich ungern von der vererbten Form der Rechtsprechung, die doch
die »ihrige« war, und die Landesherrschaft war vielfach zu schwach, um
gleichgültig gegen die Stimmung der Untertanen zu sein. III. Im Gau Faldera, im
benachbarten Bezirk Neumünster, hat noch 1839 und 1843 je eine Sitzung des
Dinggerichtes nachweislich stattgefunden. Bei dem lebhaften Anteil, den gerade unser
Kirchspiel diesem Gegenstand entgegenbringen wird, mag es gerechtfertigt sein,
an dieser Stelle genauer darzustellen, wie es bei einer solchen Veranstaltung
zugegangen ist.
Gerichtsstätte war ein
großer Saal in einem öffentlichen Gasthause. Ehemals ist, wie man der
volksmäßigen Benennung »Tilianrecht, Tiliangericht« entnehmen darf, das Ting
dort unter einem Lindenbaum (Tilia =Linde) gehalten worden. Die am Schluß in
die »Acht« gehenden 16 »Holsten oder Holstenmanner« haben noch 1843 ihren
Auftrag vollzogen. - Als beteiligte Personen werden genannt: Der Amtmann als
Einberufer, aber ohne Stimmrecht und nicht aktiv in der Sitzung; der Aktuar des
Amtmanns als Gerichtsschreiber; ferner ein Dingvogt als Leiter, ein weiterer
als Vorsprecher und ein Dritter als Abfinder, und endlich die 16 frommen
Holsten. Der erste Dingvogt ist mit dem Kreuzschwert umgürtet; die beiden
andern Vögte führen Hellebarde oder Speer. Allen dreien liegt es ob, das
Gericht zu »hegen«, d. i. für die ordnungsmäßige Durchführung zu sorgen und
alles Ungehörige fernzuhalten. Ihre Haltung war mehr durch überlieferten Brauch
als durch geschriebenes Gesetz bestimmt. Der Gerichtstermin wird gern in den
Herbst, in die Zeit nach der Ernte verlegt und öffentlich angezeigt, auch durch
Verlesen von der Kanzel. Parteien, die ihre Sachen zur Entscheidung bringen
wollen, haben sich zu melden; sie bekommen danach ihre besondere Einladung. Die
bloße Versammlung der Gerichtspersonen zum Termin kostet 5 Reichstaler 36
Schilling; dafür sollen die Dingvögte und die 16 Holsten bespeiset werden nach
vollbrachtem Werk. Handelt es sich um die reguläre Jahressitzung, so wird
genannter Betrag aus der herrschaftlichen Kasse bezahlt; haben dagegen die
Parteien die Tagung beantragt, so fallen die Kosten zu ihren Lasten. Tagegelder
stehen nur den Königlichen Beamten zu.
Am Gerichtstage versammeln
die eben Genannten sich früh. Die Eigentümlichkeit des Schauspiels aus alten
Tagen, das Interesse an der Sache, der Ruf des einen oder andern Advokaten ruft
Neu- und Wißbegierige in großer Zahl herbei. In schicklicher Ruhe wartet man
auf die Ankunft des Amtmannes. Auf breitem Katheder sitzen im Hintergrunde des
Saales die Rechtsanwälte und ihre Schützlinge. Unmittelbar vor ihnen, den
Rücken gegen das Katheder gewendet, sitzt der leitende Dingvogt auf einem
Stuhl, ihm gegenüber »Vorsprach« und »Abfinder«. Um die Vögte schließen, auf
Stühlen und Bänken sitzend, die 16 »frommen Holsten« einen Halbkreis. Dabei
wenden sie dem mitten im Saal an einem Tische sitzenden Amtmann und seinem Schreiber,
desgleichen dem sitzenden und stehenden Publikum den Rücken zu.
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Die Sitzung wird damit
eröffnet, daß der Amtsschreiber nach einer Liste die 16 Holsten aufruft. Sind
sie alle da, so nehmen die Gerichtspersonen in eben beschriebener Ordnung
Platz. Der erste Dingvogt nimmt das Wort: »De Lüde sünd verbannt tom Ordel.«
Darauf der Vorsprach, sich erhebend: »Herr Vagt, will ju dat Ordel unde
Landrecht hegen?« Nunmehr erklärt der Dingvogt dreimal das Lotding für gehegt.
Dabei spricht er: »Dat Schwerdt, dat vör my ligt, dat thom Krütz getekent is
unde thom Schemel myner Föten is, off ick mag nich schuldig africhten hoch
effter siede (hoch oder niedrig) de Klage, as eth sick eröffnet in der Herren
Register.« - Nach dieser Zusicherung eines unparteiischen Verhaltens steckt er
das Schwert in die Scheide und setzt sich auf seinen Stuhl. Nun fordert er
dreimal die Parteien auf, ihre Streitsache vor das Lotding zu bringen. Ihm
antwortet der Vorsprach: »Herr Vagt, hier wern woll en Mann, de hadde wat tho
melden; vergönnet ju den wol?« Und so geht die Zwiesprach weiter, bis bald auch
der Abfinder in das feierlich-formelhafte Gespräch hineingezogen und als
Vertreter der Hülsten an seine Pflicht erinnert wird. Er gelobt: »Wi willen
Godt unde Obrigkeit tho hülpe nehmen unde den Gerechten bystahn mit Göttlicher
Hülpe.« - In streng würdiger Haltung spielt sich diese einleitende Zeremonie
ab. Geläufig und ungezwungen wird das Gespräch unter den Dingvögten frei nach
dem Gedächtnis durchgeführt. Keine Abweichung von dem traditionellen,
schriftlich festgelegten Text erfolgt. Darauf das Plädoyer der Advokaten.
Natürlich werden auch Zeugen vernommen.
Nach Abschluß der
Verhandlung gibt der Dingvogt dem Abfinder die Weisung, mit den Holsten
zusammen eine unparteiische »Acht« zu finden. Die Holsten, jeweils nach Lage
der Dinge in einem besonderen Zimmer oder, wie diesmal, unter einem Baum im
Freien versammelt, haben nach beschriebener Sitzung länger als eine Stunde
beraten. Sie haben sich auch den Zeugenbericht bringen lassen, bevor sie das
Urteil fällen.
Der Abfinder, Führer der
Holsten, bringt das gefundene Urteil zu Papier. An der Spitze des Zuges
marschierend, kehrt er mit seinen Leuten zurück in den Saal. Nach kurzem
Gespräch mit dem Dingvogt übergibt er den Urteilsspruch dem Aktuar. Dieser
nimmt es zu Protokoll und verliest es dann mit lauter Stimme. Endlich richtet
der Dingvogt an die Parteien die Frage, ob sie sich mit dem Entscheid zufrieden
geben wollen.
In der hier geschilderten
Sitzung, wo es um einen Streit unter zwei sehr angesehenen Personen ging, sind
mindestens 200 Bauern anwesend gewesen. Niemand, außer den Holsten, hat während
der Sitzung den Saal verlassen, und bis zum Schluß hat eine feierliche Ruhe
geherrscht.
Dieser Bericht ist einem
Aufsatze von Dr. A. W. S. Franke entnommen, veröffentlicht im Archiv von Dr. N.
Falck, Kiel 1845.
IV. Wenn wir Diederich
Blomes, des Amtmannes, eingangs angeführten Brief gelten lassen, so ist mit
Frankes Bericht das Verfahren für beide Stufen des alten Volksgerichtes
dargestellt worden, auch eine Unterschiedlichkeit hinsichtlich der
Gerichtspersonen und ihres Waltens nicht anzunehmen. Ausdrücklich wird aber
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in
vorstehendem Bericht von einem Lotding gesprochen, und dies bestätigt
überzeugend, daß dieses Ting nicht von diesem oder jenem Dorfe getragen worden
ist, sondern vom Kirchspiel. Freilich darf man bestimmt glauben, daß die
altsächsischen Gerichte früher bestanden haben als die Kirchspiele; doch
spricht nichts gegen die Annahme, daß die Kirchengründer sich tunlich gegebenen
politischen Verhältnissen angepaßt haben. Die heute wieder zu Ehren gekommene
Landeseinteilung nach Gauen wird dabei eine wichtige Rolle gespielt haben.
In
Neumünster hat es sich 1843 um ein Lotding, also um das alte Niedergericht
gehandelt. Das vermutlich früher auch vorhanden gewesene Göding war, wie im
alten Bezirk Segeberg-Bramstedt, lange schon dem Amtsgericht gewichen. Dem
Chronisten ist die Lesart begegnet, daß es sich um ein »Göttergericht« handle.
Diese Deutung ist sachlich nicht zu stützen, auch sprachlich nicht zu halten.
Ting, Thing oder Ding, so lautet das Grundwort. Durch die Voranstellung der
Silbe Go oder Gö oder Gue ist durchaus kein Hinweis auf eine Gottheit oder auf
eine Vielheit derselben gegeben. Und wenn es geschichtlich feststeht, daß
unsere Vorfahren vom Norden her in die kimbrische Halbinsel eingerückt sind,
dann darf in dieser Sache der isländische Dichter Gunnar Gunnarsson zitiert
werden. In seinem Roman »Der graue Mann« stellt er uns recht deutlich das
Rechtsleben seiner Landsleute vor Augen und führt die Richter des Ting als
»Goden« ein. Vom Goden zum Goding ist ein kurzer Weg, der wohl gangbar ist,
ohne daß der Begriff des Gaugerichts fallen müßte. Dagegen liegt uns das
Beispiel Hagens, der an Siegfrieds Sarg die Blutprobe zu bestehen, also einem
»Gottesurteil« sich zu unterziehen hat, weit ferner. Burgunden und Sachsen sind
nicht identisch.
Um
nichts zu versäumen, sei noch bemerkt, daß die alten Bauerngerichte nicht
durchaus mit ihrem Urteilsspruch das letzte Wort in strittiger Sache hatten.
Grundsätzlich stand den Parteien noch der Weg zum Königlichen Obergericht frei.
Und wie Königliche Beamte den Gang der Verhandlung überwachten, so fiel ihnen
auch die Durchführung des Richtspruches zu. Wir hatten Gelegenheit, zu
erkennen, daß auch die hohe Finanzverwaltung nicht unbeteiligt blieb. V. Von
den Dingvögten, deren würdige Rolle im altangestammten Rechtsverfahren
unseres Kirchspiels uns dargestellt wurde, ist noch einiges zu sagen. Nur freie
Männer konnten dies Amt bekleiden, wie auch die 16 Achtmänner dem freien
Bauernstande zu entnehmen waren. Aber es fand nicht eine Wahl seitens der
Bauernschaft statt, sondern der königliche Amtmann hat diese Männer berufen,
die Vögte, offensichtlich unter Zustimmung des Landesherrn, wie für sie auch
eine besondere Amtsbestallung vorgesehen war, verbunden mit eidlicher Verpflichtung.
Ursprünglich scheint eine zeitlich begrenzte Verpflichtung, wohl auf vier
Jahre, die Norm gewesen zu sein. Doch hat sich dies bald und sehr verwischt.
Die »frommen Holsten« hatten eine besondere Bestallung nicht, wurden aber vom
Amtmann coram protocollo in Eid und Pflicht genommen. Eigenartig ist, daß die
»Dingvögte« noch recht lange in den Dokumenten des
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Kirchspiels
auftreten, nachdem die alten Volksgerichte bereits der Vergangenheit
angehörten. Lassen wir die alten Urkunden reden.
Anno
1758 richten die Dingvögte des Kirchspiels, vier Männer aus Hardebeck,
Quarnstedt, Wiemersdorf und Fuhlendorf, ein Gesuch an den Dänenkönig. Sie
möchten auf Grund alter Privilegien von gewissen Lasten befreit sein.
Sie
stützen ihr Anliegen auf eine »Begnadigung«, die ungefähr 100 Jahre früher der
Dänenkönig den Dingvögten des Kirchspiels zugesichert hat und die hier
auszugsweise aufgezeigt wird. Danach soll ein jeder von ihnen »jährlich 30
Reichsthaler eins vor alles von Ihren bewohnenden Hufen« entrichten. »Thun auch
solches hiermit derogestalt Kund, daß, wenn ein jeder von ihnen sotahne
Reichsthaler jährlich auf Martini Unserem Amt-Schreiber zu Segeberg, auch
daneben die auffen Landtag bewilligte Contribution von ein Pflug jedesmahl
Richtig abführen wird, Sie alsdann bis zu weiter unser Allergnädigster
Verordnung mit Keiner ferneren Ausgifft oder Diensten beschwert werden sollen.
Jedoch daferne sie etwan vernehmen würden, daß etwas zu unserer prejudiz und
schmälerung Unser Hoheit vorfallen sollte, so sollen sie solches unserem
amts-Schreiber zu segeberg alsofort andeuten und demselben in denen, was zu
Beförderung unser Dienste gereichet, nach möglichkeit zu Handt gehen.«
Geben
auf unser Königl. Residentz zu Copenhagen den 30. Mai 1665.
(gez.)
Friedrich.
Noch
deutlicher wird die Sachlage durch folgendes, die gleiche Sache bestätigende
und erläuternde Schriftstück.
»Nach
obigem Königl. allergnädigsten Befehl und dem zu aller Unterthänigster Folge
sind die 4 Dingvögte niemahlen in keiner andern Abgift als der darinnen
benannten 30 Reichsthaler Herren-Gelder und die Contribution-Gelder gezogen,
(noch) weniger ihnen einige Einquartierungen, Ausschuß, magazin-Kornfuhren,
Nachtlagern oder dergleichen und wie es sonst Nahmen haben mag, angemuthet
worden. Solches zu Uhrkunde habe dieses eigenhändig unterschrieben.
Itzehoe,
d. 16. January
1682.
Von
Brüggemann.«
Eine
weitere Bekräftigung und Beleuchtung entstammt dem nächstfolgenden Jahre und
soll hier nicht ausgelassen werden.
»Dem
allergnädigsten Königl. Befehl allerunterthänigst zufolge Sind die 4 Ding Vögte
zu Fuhlendorf, Wiemersdorf, Hardebeck und Quarnstedte, als welche noch ein
Special allergnädigstes Privilegium haben: daß, so lange einer von Ihren
Kindern capable (fähig) erfunden wird, sie hierbey zu lassen, zu keiner andern
Abgift als 30 Reichstaler Herren-Gelder und der Contribution, bis anderweitige
allergnädigste Königl. Verordnung zu ziehen, weniger ihnen einige
Einquartierung, Ausschuß, magazin Korn-Fuhren, Nachtlager und dergleichen, wie
es nahmen haben mag, anzumuten.« Solches zu Uhrkund habe dieses eigenhändig
unterschrieben.
Itzehoe,
den 10. Febr. Anno
1683.
gez.
Joachim Reich.
245
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Wir übersehen nicht, daß
die Dingvögte des Kirchspiels nicht weniger darauf bedacht sind, ihre
persönlichen Privilegien zu sichern und womöglich zu ergänzen, als die
Fleckensvertreter um die Erhaltung der Ortsgerechtigkeiten sich bemüht haben.
Wir
sehen, wie in Hardebeck der Eifer noch sich steigert.
Friedrich
V., der teure Landesvater, möge selbst das Wort nehmen:
»Wir,
Friedrich V.... thun kundt hiemit, daß Jürgen Bolling zu Hardebeck, Kirchspiels
Bramstedt, Amts Segeberg, allerunterthänigst vorstellig gemacht, wasgestalt die
Besitzer seiner von Hans Tewes erkauften Hufe Landes von undenklichen Jahren
her mit der Ding Vogtey begnadiget gewesen und auch besagter sein Verkäuffer
annoch die damit verknüpften consecraria1) genossen, mit angehängter
allergehorsamster Bitte, Wir geruheten selbige Dingvoigthey auf ihn,
Supplicanten, zu extendieren (weiterzugeben) und mithin bey solcher seiner Hufe
fernerhin zu lassen. Wenn wir denn solchem petitio in Königl. Gnaden
Statt zu geben Uns Allerhöchst bewogen gefunden, Als conferieren wir dem Jürgen
Bolling besagte Ding-Vogthey hiemit dergestalt und also, daß er dasjenige, was
ihm in ansehung der ihm hierdurch beygefügten Qualität eines Ding-Voigtes zu
Thun anbefohlen oder aufgetragen werden möchte, getreulich beobachten und
ausrichten, dagegen Aber außer der monathlichen Contribution, Magazin-Korn,
Lieferung und Concurrence (Leistung) zum Land-Ausschuß von allen ordinären
Fuhren, Einquartierung, Hand-Diensten, Heu- und Strohlieferung gegen eine
jährliche Recognition von 30 Reichsthaler ins Segebergische Amtsregister völlig
befreyet und bis zu Unserer weiteren allerhöchsten Verordnung allgar
(überhaupt) mit keinen ferneren abgifften oder Diensten beschwert werden soll.
Wornach sich männiglich
allerunterthänigst zu richten. Gegeben auf Unserem Schloß Friederichsberg am 2.
Sept. 1754.«
gez.
Friederich.
Wir kommen zurück zu dem
Gesuch der Vier von 1758.
Sie
betonen, daß sie nun gleich ihren Nachbarn zu allen möglichen Lasten, von denen
sie laut »Begnadigung« befreit bleiben müßten, herangezogen werden, auch das
erwähnte Herrengeld noch extra aufzubringen hätten. Sie erstreben Änderung.
Die derzeitigen Dingvögte
sind:
Jürgen
Bolling zu Hardebeck, Peter Heins in Fuhlendorf, Hans Reimers in Quarnstedt und
Claus Stäcker in Wiemersdorf.
Aus
Bramstedt gibt Amtmann von Wedell darüber Bericht an den Markgrafen Friedrich
Ernst. Man habe sich durch die gegenwärtigen außergewöhnlichen Umstände
genötigt gesehen, sie mit Einquartierung und Fuhren zu belasten; man habe sonst
nicht genügend Pferde und Wagen beschaffen können. Die Einquartierung im
Kirchspiel sei so stark, daß es einfach nicht angehe, vier der größten und
besten Hufen davon auszunehmen.
______________
1)
Geheiligte Rechte.
246
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Der Statthalter macht sich
diese Gründe zu eigen. Die Privilegien seien von Anfang her zu deuten auf die
ordinären, nicht auf die außerordentlichen Fälle. Was zur Zeit für die
Sicherheit des Landes zu tun nötig sei, daran hätten alle zu tragen.
So ist denn für den
»Dingvogt« kaum noch ein materieller Vorteil in Aussicht. Der besondere Fall
des Bolling hat auch den derzeit in Bramstedt amtierenden Grafen zu Stollberg
zu einer schriftlichen Äußerung über die Dingvogteischaft im Amte Segeberg
veranlaßt. Er sagt, daß es sich um einen bloßen Titel handelt. Die damit
Begnadeten hätten überhaupt keine besondere Verrichtung mehr zu leisten. Weil
aber mit dem Titel gewisse Freiheiten verbunden seien, würden die Dingvogteischaften
immer noch begehrt. Für den König ergebe sich ja noch immer ein Vorteil dabei.
Denn er zieht das vorgesehene besondere »Herrengeld« von den Dingvögten ein,
und was diesen im übrigen an Lasten abgenommen wird, haben doch dann die
anderen mitzuleisten. Die Dingvögte als solche haben kein Amt mehr, seitdem das
Amtsgericht an die Stelle von »Ding und Recht« getreten ist.
Zum Attribut der Hufe und
zu einem Geschäft unter Wissenden ist die Dingvogteischaft im Laufe der
Jahrhunderte geworden. Stollbergs Meinung sei noch durch zwei Beispiele
beleuchtet.
a) In Wiemersdorf erfreut
sich der Bauer Stegelmann 1715 des alten guten Titels. Er muß die Hufe abgeben
und bald seine Schwiegertochter als Witwe im Besitze der Hufe sehen. Sie wird
wieder heiraten wollen. Was tun? Es wird offenbar, daß zwischen der Witwe und
ihrem Schwiegervater eine ernste Kluft befestigt ist. Der Amtmann hat keine
Sympathie für die Witwe. Streit. Beschluß: Der »Ding vogt« geht nicht mit der
Hufe der Witwe, sondern bleibt beim Schwiegervater Stegelmann, um zu gegebener
Zeit Erbteil des zweiten Sohnes zu werden.
b) Claus Mohr
ist Dingvogt zu Hardebeck. Seine Tochter heiratet Valentin Schultz. Dieser
übernimmt mit der Hufe und der Tochter die »Dingvogtei«, und Valentin hat
später die Freude, die Vogtschaft auf seinen Sohn vererben zu können.
Doch hat sich dieser
Zustand erst nach und nach herausgestellt. Um den ursprünglich so würdereichen
Titel nicht allen Glanzes zu entkleiden, gehen wir einhundert Jahre zurück auf
das Jahr 1662.
Friedrich III. hat damals
kund getan...
»daß uns Unsere zur Zeit
des Krieges gewesene General-Krieges-Commissarien, auch unser Amtmann zu
Segeberg, Herr Casper von Buchwaldt... zu verstehen gegeben haben,
welchergestalt die 3 Dingvögte unseres Kirchspiels Bramstedt, als Hans Mohr zu
Hardebeck, Tiedje Hardebeck zu Wiemersdorf und Jürgen Gloy zu Fuhlendorf im
verwichenen Schwedischen Kriege verschiedentlich und anderen darin gebrauchet,
daß sie von des Feindes Vornehmen ihne alle mögliche Kundschaft bringen und in
allem an die Hand haben gehen müssen, und weil solches ohne äußerste Gefahr
ihres Lebens nicht geschehen können, von denen selben ihnen versprochen, bey
Uns allerunterthänigst zu rühmen und einige
247
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Gnaden Bezeugung denselben
zuwege zu bringen; weilen nun bey Uns berührte 3 Ding-Vögte allerunterthänigst
Ansuchung gethan, nach ihrem Tode solche Dingvogteyen in Betracht ihrer treu
geleisteten Dienste ihren Söhnen zu conferieren, Als haben wir zur Recognition
und erkenntnis ihrer verspürten Treue, ausgestandener Gefahr und erwiesenen
guten Dienste allergnädigst eingewilliget, daß nach ihrem Tödtlichen Eintritt
die jenigen von ihren Kindern, die dazu Capabel gefunden werden, für (vor)
andern ihnen succedieren (folgen) und mit den Dingvogteyen begnadiget werden
sollen,«
Nur wer den Mut hat, die
Königlichen Kriegskommissare nicht als absolut wahrhaftig erachten zu wollen,
wird bestreiten, daß in diesen Fällen doch eine Tat vorliegt, die des Preises
wert sein mochte. Heller sicher als jemals hat der Gnadenstrahl Königlich
Dänischen Ursprungs hineingeleuchtet in die bescheidenen Strohhütten unseres
Kirchspiels. Mit rührendem Eifer haben die Väter das kostbare Gut eingeheimst,
daß es noch leuchte den Kindern und Kindeskindern. Und es hat geleuchtet. Die
Dingvögte, obwohl nicht mehr Inhaber eines Amtes, haben noch bis Ende des 18.
Jahrhunderts erhebliches Vertrauen bei ihren Dorfgenossen gehabt. Sie wurden
gerufen als Treuhänder, wenn ein Bauernhof durch Todesfall oder sonst vacant
wurde. Sie wurden als Sachkundige gerufen bei den sehr zahlreichen
Grenzstreitigkeiten unter den Dörfern. Aber sachte ist doch der Glanz
erloschen, im Amte Neumünster nicht vor Mitte des 19. Jahrhunderts, wie bereits
aufgezeigt worden ist.
Am Schlusse sei noch
einmal betont: die Möglichkeit, als Dingvogt zu wirken, stand nur den Bauern
offen; ebenso stand es um den Achtmann, der gern als »frommer Holstenmann«
bezeichnet wurde.
VI.
Vom Amtsgericht
Es ist nur das Ergebnis
eines natürlichen Entwicklungsganges, wenn dort, wo ein gesunder Bauernstand
sich angesiedelt und dauernd ansässig bleibt, im Laufe der Zeit eine wachsende
Mehrung der Volkszahl eintritt. So auch in unserm Holstenlande. Neue Berufe und
Erwerbsquellen wurden nötig, und so mußte es dahin kommen, daß es nicht mehr
gerechtfertigt erschien, die Rechtsprechung einem Berufsstande zu
überlassen.
Für unsern Bezirk ist die
nötige Änderung festgelegt worden unter dem Amtmann Hans Rantzau, der im Jahre
1742 das Segeberger ]ustiz-Reglement verkündet hat. An die Stelle des
Godings trat das Amtsgericht zu Segeberg. Ebenso wurde dort domiziliert das
Gericht für kirchliche Angelegenheiten, genannt Konsistorialgericht. Über
das Walten beider Institutionen liegen alte Dokumente vor. Ehe wir diese reden
lassen, sei noch die Zusammensetzung der neuen Gerichte aufgezeigt. Im
weltlichen Gericht sind es folgende Beamte des Königs: Vorsitzender der
Amtmann, Protokollführer der Amtsverwalter (Aktuar), und drei Kirchspielvögte
als Beisitzer, Assessoren. Im kirchlichen Gericht: Der Propst als Vorsitzender,
fünf Geistliche im Amtsbezirk als Beisitzer. Für beide war die übergeordnete
Instanz bei der Regierung zu Glückstadt, wobei natürlich im geistlichen Falle
der General-Superintendent einzuschalten war.
248
---------------------------------------------------------------------------------------
Erstes Dokument. Am
7. Juni 1746 richtet Amtmann Graf zu Stolberg ein Gesuch an den König, das in
Segeberg jährlich zweimal tagende Amtsgericht nach Bramstedt zu verlegen. Er
wohne mit königlicher Konzession dort. Bramstedt liege für die Bewohner des
Amts günstiger, ja fast in der Mitte; hier seien ohnehin vielfach die Akten;
die Anwälte, so von Glückstadt kommen, sparen Zeit, die Klienten Honorar,
selbst wegen der Brüchedingung müßten die Eingesessenen oft den weiten Weg nach
Segeberg machen.
In Anlagen bestätigen die
Mitglieder des Allerhöchst verordneten Amtsgerichts, daß sie während der
Amtszeit des Grafen Stolberg nach Bramstedt kommen wollen.
(gez.)
Stemann, Amtsverwalter.
„
J. H. Basuhn, H. Bornholdt, P. Bruhn:
Kirchspielvögte.
Der König verlangt ein
Verzeichnis der Ortschaften mit genauer Angabe des Ortsabstandes von Segeberg
und von Bramstedt. Dem wird ohne Verzug entsprochen.
Sr. Majestät Ratgeber
meinen, unter besagten Umständen den Antrag befürworten zu dürfen; deshalb auch
für die künftigen Amtmänner etwas zu bestimmen, sei nicht zu empfehlen. Wenn
sie in Bramstedt zu wohnen wünschen sollten, hätten sie königliche Erlaubnis
einzuholen, und das könne gegebenen Falles auf das Amtsgericht extendieret
werden.
Am 1. Juli obgenannten
Jahres geht des Königs Bescheid ein, er habe besagtem Ansuchen nicht zustimmen
wollen
(gez.)
von Schulenburg
Zweites Dokument: Auszug
aus einem Schreiben des Grafen Stolberg an den König Anno 1754.
Das Konsistorialgericht
besteht danach aus 7 Personen: Amtmann, Propst und den 5 ältesten Pastoren des
Bezirks. - Zur Propstei gehören die Kirchspiele Leezen, Bornhöved,
Warder und Pronstorf (nächstliegend); ferner Oldesloe, Lütjenburg,
Heiligenhafen, Bramstedt, Kaltenkirchen, Großenbrode und Wandsbek.
In der Hauptsache werden
Ehesachen verhandelt, möge es sich um Vollziehung oder Trennung handeln. Es
wird daher empfohlen, statt einer jährlichen Sitzung deren drei
anzusetzen. »Die Zehrungskosten (für eine Sitzung) pflegt der Propst vorher
einzuziehen: 5 Mark von jedem Kirchspiel.« Daher schlägt Stolberg vor: der
Segeberger und die Pastoren der nächstliegenden Ortschaften seien künftig die
assessores des Konsistoriums; jedem Mitglied, das außerhalb Segebergs wohnt,
wird 1 Taler für Zehrungskosten bewilliget; so werden künftig 3 Sitzungen nicht
mehr kosten als bisher eine. - (Zehrgeld war anfangs höher angesetzt.) (Über
den Erfolg wird bald zu urteilen sein.)
Beispiel eines Strafurteils
Hans Boye aus Weddelbrook
hat sich außerhalb seines Kirchspiels kopulieren lassen. Er sieht sich bald vor
dem Konsistorialgericht. Ihm wird eine Brüche von
249
---------------------------------------------------------------------------------------
50 Talern auferlegt, zu
zahlen in 5 gleichen Jahresraten an die Armenkasse zu Kaltenkirchen.
So geschehen am 22. Mai
1755.
Christiansborg,
1. Febr. 1762. Amtsgericht nach Bramstedt verlegt
Der König genehmigt den
Antrag seines Amtmannes v. Arnold, das Segeberger Amts- und
Consistorial-Gericht nach Bramstedt zu verlegen. Aus den Gründen: 1743 ist die
Einrichtung besagter Gerichte eingeführt und dabei festgesetzet worden, daß der
Amtmann ordentlicher Weise in S. wohnen solle. Die ihm erteilte Vergünstigung,
ein anderes Domizil zu haben, sollte nur bis auf weiteres gelten. Jetzo ist
aber zu Br. ein eigenes Amthaus, das ein jeder Amtmann von den Erben seines
Vorwesers lösen muß; so findet der König bei diesen veränderten Umständen gegen
den Antrag von Arnold nichts einzuwenden. Die Genehmigung gilt indessen nur für
die Amts-, bzw. Wohnzeit des Supplikanten in Bramstedt. Außerdem sind
Kriminalsachen auszunehmen und peinliche Sachen nach wie vor in S. zu
verhandeln, weil dort das Kriminal-Gefängnis ist. So fällt die Miete für das
Amthaus in Segeberg fort. Kriminalsachen sind in des Amtsverwalters Haus zu
erledigen. Das Amt hat auch ferner die Fuhren für den Amtsverwalter, den
Hausvogt und den Kirchspielvogt von Kaltenkirchen zu leisten (bezahlen).
Auch das Consistorium soll
für die gleiche Zeit in Br. seine Sitzungen halten und nicht mehr, wie in § 31
des Justiz-Reglements vorgesehen für Amt Segeberg, in S. Dabei soll es gemäß
Reskript vom 11. März 1754 sein Bewenden haben, indessen dergestalt:
a)
daß
statt der nächstwohnenden Prediger (auf S. bezogen) und des Kompastoren zu
Segeberg nunmehr ordentliche assessores sein sollen: der Pastor zu Br., zu
Leezen und zu Bornhöved, wie auch die beiden Pastoren zu Kaltenkirchen (und
zwar anjetzt statt des alten Pastoris Tilli dessen Adjunktus Moyen [?]), wobei
die erwähnten (Kirchspiele) das Zehrgeld (1 Reichstaler) zu zahlen und die
Fuhren in natura zu leisten haben, während die übrigen Gemeinden dem
Praepositus (Vorsitzenden, Propsten) gerecht werden sollen.
b)
daß
die bisherigen assessores auf ihre Rechnung der Sitzung beiwohnen können;
c) daß dem Propsten nicht
nur Fuhren in natura zu leisten, sondern auch doppeltes Zehrgeld (also 2
Reichstaler) von den exemten (sonst nicht beteiligten) Gemeinden zu zahlen ist.
Wenn von dem Propsten Zeugen abzuhören sind, so haben diese sich in Segeberg
einzufinden1).
Wichtige Nachricht. Anno
1782 den 2. Mai schreibt General-Superintendent Struensee aus Rendsburg an das
Oberkonsistorium zu Glückstadt: das Amthaus ist nach Segeberg verlegt. Nun geht
natürlich auch das Konsistorialgericht nach
1)
Anmerkung. Man sieht nachträglich, daß obenerwähnter Antrag des Grafen Stolberg
nicht fruchtlos geblieben ist.
250
---------------------------------------------------------------------------------------
dort zurück; nach Königl.
Reskript vom 11.3.1754 sind wieder die nächstwohnenden Pastoren die Beisitzer,
nur daß an Stelle des Pronstorfer Pastoren (alt) der Pastor zu Oldesloe tritt.
Nachtrag. Auch
des untersten Dieners des kirchlichen Gerichts sei hier gedacht. Am 6. Dezember
1796 wendet sich der Konsistorialbote Marx Kruse mit der Bitte um Erhöhung
seines Einkommens an die Kgl. Majestät zu Kopenhagen. Das Konsistorium zu
Segeberg und das Oberkonsistorium zu Glückstadt setzen sich mit geringer
Abdingung für seine Wünsche ein. Die Majestät bewilligt am 27. Februar
annähernd eine Verdoppelung des 1743 bewilligten Einkommens, das nunmehr sich
folgendermaßen darstellt: Feste Einnahmen von jeder beteiligten Kirche 1
Reichstaler, alle 2 Jahre ein neues Kleid, das 8 Reichstaler kosten soll,
Botenlohn für jede volle oder angefangene Meile 8 Schilling (60 Pfennig), freie
Wohnung,
Befreiung von Kopfsteuer
und Verbittelsgeld.
Etwa 50 Jahre später
(1844) gibt die Schl.-Holsteinische und Lauenburger Regierung die Nachricht,
daß der Konsistorialbote zum Pedell des Schullehrer-Seminars zu Segeberg
befördert worden ist, an die Höchstpreisliche Kanzlei (Kopenhagen) und bittet
um Wiederbesetzung. Seine Majestät geruhen, den zur Pension entlassenen
Sergeanten des 2. Artillerieregiments, Johann Diederich, mit diesem Amte zu
betreuen.
Von
Ding und Recht
(Loses
Blatt aus einem Konvolut der Kirche, Nr. 43.)
Demnach die
Kirchgeschworenen zu Brambstete mir klagend zu verstehen geben, daß einer der
Insten des Fleckens, Namens Rötger Lindemann in einer an die zu Dennemark,
Norwegen Königl. Majestät übergebenen Schrift gesetzet, daß sie, die
Kirchgeschworenen, wan sie in einer auch an höchst gedachte Königl. Majestät über
gegebene Supplikation gedacht, daß er, Rötger Lindemann, nicht allein
vorsätzlich sich angemaßet, diesem Foro wider alles Herkommen seiner in der
Vikarie allda wohnhaftig gewesenen Vorweser ecclesiasticis et civilibus zu
entziehen, im besonderen auch Ihrer Königl. Maj. Register und die darinnen
pflichtige Gebühr zu leugnen, nur darumb geschehen, daß sie ihn bei Ihrer
Königl. Maj. zu erniedrigen und gehässig (verhaßt) zu machen gemeint, zumalen
ihnen niemals dasselbe in den Sinn gekommen, und sie, die Kirchengeschwornen,
Lügen zu strafen gedacht, deswegen dieselben mich Endesbenannten, was darinnen
vorgegangen, in gezeugnus mitzuteilen. Wan ich nun gedachten Kirchgeschwornen
hierin die Wahrheit nicht vor (enthalten wollen, zumalen nicht allein der Herr
Pastor und der Kirchspielvogt, sondern noch mehr als zehn andere des
Kirchspiels Brambstete Untergesessene solches angehöret, daß gedachter
Lindemann, wie ich einen halben Rigsdaler Verbittelsgeld von ihm
gefordert, mir selben ganz und gar geweigert, des Vorgebens, er gebe sein
Verbittelsgeld nach
251
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Breitenburg, und hätte
sein Vorweser einen ganzen Rdlr. vor das Verbinden gegeben; wie ich nun
seinen worten billig nicht glaubt, auch von Selben nicht gelitten, daß er
Königl. Amtsregister verschmälern sollte, zumalen in selbem befindlich, daß ein
halber Rigsdaler vor das Verbinden, ein halber Rgsdl. aber jedem
Brambstetischen Insten gleich gegeben wurde, gleich wie aus den Registern der
Jahre 1632, 33, 49, auch außer Zweifel vielen älteren, wan die aufgeschlagen
(werden), zu ersehen. Als habe ich im 1650. Jahre nach gehaltenem Ding und
Recht, da ich die jährliche Haur (Pacht) angenommen, alsbald die Pfändung
vorgenommen, worauf er damaln nicht allein mit seinem Verbittelsgeld
eingekommen, sondern auch nachgehends bei mir in Segeberg sich verfüget und
begehrt, ich möchte ihm beweisen, daß er den halben Rgsdlr. Verbittelsgeld zu
geben verpflichtet wäre; wie ich ihm aus dem Amtsregister solches sattsam
dargetan, ist er mit diesen Worten von mir gegangen; er hätte vermeint, daß der
Rigsdaler bloß für das Verbinden gewesen wäre, auch gelobet, sich hierinnen
nicht mehr zu sperren. Und leugnet, daß er sich diesem Untergericht (habe)
entziehen wollen, ist's an deme, daß Herr Amptmann zu Segeberge, Herr Caspar
von Buchwaldt bei dem im vergangenen Ding und Recht dem Kirchspielvoigt daselbst,
Paul Blancken, anbefohlen, daß er gedachten Lindemann durch seinen Knecht
vor Ding und Recht zu erscheinen citieren lassen sollte. Wie er sich nun
dessen verweigerte, hat hochgedachter, hochedler, gestrenger Herr weiteren
Befehl erteilt, daß der Kirchspielvoigt, Lindemann, quaevis modo mit zween oder
mehr Knechten sollte herbeischleppen lassen. Worauf er denn endlich sich
sistieren müssen.
Zu Urkund und Zeugnis
alles obigen habe ich dieses mit eigener Hand untergeschrieben und meinen
Pittschaft befestigt.
L.
S.
Geschehen zu Bramstedt, den 27. Juli 1652.
Daniell
Hussmann Amptschreiber."
VII.
Vom Schiedsmann
Der Schiedsmann ist das
unterste Organ für die Rechtsprechung im Staate. Er kann freilich nicht als
»Richter« angesprochen werden. Denn seine Betätigung beschränkt sich in jedem
Falle darauf, durch parteilose Verhandlung und Beratung in strittiger
Angelegenheit einen Ausgleich nach Möglichkeit herbeizuführen. Er handelt nicht
von Amtswegen, sondern nur auf Antrag mindestens einer Partei; sobald dieser
Antrag vorliegt, ob schriftlich oder mündlich, hat er allerdings einen Termin
für die Verhandlung anzusetzen. Ablehnung steht ihm nur dann zu, wenn ihm die
umstrittene Sache als »zu weitläufig oder zu schwierig« erscheint. Zuständig
ist er nur, wenn der Beklagte innerhalb seines Bezirkes wohnt, doch andernfalls
auch dann, wenn Angeklagter und Ankläger stillschweigend oder ausdrücklich es
so vereinbaren und der Schiedsmann einwilligt.
252
---------------------------------------------------------------------------------------
Vom Schiedsmann wird nicht
ein Nachweis von Rechtskenntnis verlangt; man setzt bei ihm Lebenserfahrung,
gesunden Menschenverstand und strenge Redlichkeit voraus, überhaupt diejenigen
Eigenschaften, die ihm das Vertrauen der Mitbürger sichern. Er bekleidet ein
Ehrenamt, in das er infolge seiner Wahl durch die Gemeindevertretung berufen
werden kann; dem Präsidenten des für die Gemeinde zuständigen Landgerichts ist
die Bestätigung vorbehalten. Der Schiedsrichter wird von dem Amtsrichter, dem
sein Bezirk unterstellt ist, vereidigt auf seine Amtspflicht und steht in
seiner Betätigung unter Aufsicht des genannten Beamten. Personen - auch Frauen
können zum Schiedsamt zugelassen werden — unter 30 Jahren sind nicht wählbar.
Aus gesetzlich bestimmten Gründen kann die Wahl abgelehnt werden. Unbegründete
Weigerung, das Amt zu übernehmen, kann auf Antrag der Gemeindevertretung
Rechtsnachteile zur Folge haben: Verlust des Rechtes auf Teilnahme an der
Vertretung und Verwaltung der Gemeinde für einen Zeitraum von 3-6 Jahren,
verbunden mit der Verpflichtung, 1/8 - 1/4 der ohnehin zu tragenden
Gemeindelasten mehr zu leisten. Die Entscheidung steht der der Gemeinde
vorgesetzten Behörde zu.
Der Pflichtbereich des auf
3 Jahre gewählten Schiedsmanns erstreckt sich sachlich auf rein
bürgerliche und auf Strafsachen einfacher Natur. Der bürgerliche Rechtsstreit
kommt nur in Frage, wenn es sich um »vermögensrechtliche Ansprüche« handelt.
Ausgeschlossen sind die den Sondergerichten der sozialen Gesetzgebung
vorbehaltenen Angelegenheiten. »Vermögensrechtlich« ist ein Anspruch dann, wenn
er sich auf Geld richtet oder doch wertmäßig als Geldeswert abschätzbar ist.
Der Streit muß überdies wurzeln in einem Vorgang des wirtschaftlichen Lebens;
öffentlich-rechtliche Angelegenheiten gehören in keinem Fall vor den
Schiedsmann.
Indessen steht den
Beteiligten völlig frei, ob sie den Schiedsmann in Anspruch nehmen wollen oder
nicht. Ist aber eine Sache einmal dort anhängig gemacht, auch nur von einer Partei,
so handelt der Schiedsmann als Beamter. Er kann Ordnungsstrafen verhängen wegen
unentschuldigten Nichtkommens im Termin (von 1 bis zu 30 Mark); ferner steht
ihm eine Gebühr von 4 Mark für die Sühneverhandlung zu, die aber nur einmal berechnet
werden darf, auch bei mehreren Terminen; endlich unterliegen die unter seiner
Mitwirkung entstandenen und ausgefertigten Vergleiche der gesetzlichen
Zwangsvollstreckung. Zur Frage der Gebühren ist noch zu sagen, daß, wenn ein
Vergleich zuwege kommt, der Satz von 4 RM sich auf 8 erhöht. Es steht in des
Schiedsmanns Recht, die Gebühren nach seinem Befinden zu mindern und zu
erlassen. Das gilt auch für die Bestätigung des erfolgten Versuches,
auszugleichen, die mit 2 RM zu vergüten ist und dann zur Notwendigkeit wird,
wenn die Sache straflicher Natur ist und der Kläger sie vor das Strafgericht
bringen will.
In strafrechtlichen Dingen
ist überhaupt die Stellung des Schiedsmannes wesentlich anders als bei den
bürgerlichen. § 380 der Strafprozeßordnung lautet: »Wegen Hausfriedensbruchs,
Beleidigung, leichter vorsätzlicher oder fahrlässiger Körperverletzung,
Bedrohung, Sachbeschädigung und Verletzung fremder Ge-
253
---------------------------------------------------------------------------------------
heimnisse (§ 299) ist die
Erhebung der Klage erst zulässig, nachdem von einer durch die
Landesjustizverwaltung zu bezeichnenden Vergleichsbehörde ein Vergleich
erfolglos versucht worden ist. Der Kläger hat die Bescheinigung darüber mit der
Klage einzureichen.«
Nach bestehendem Gesetz
ist der Schiedsmann, von wenigen Ausnahmen abgesehen, im deutschen Reiche die
für den vorgeschriebenen Vergleichsversuch zuständige Amtsstelle. Mit andern
Worten: In den bezeichneten Strafrechtsfallen gliedert sich sein Wirken
organisch ein in das Gesamtgefüge der Rechtsverwaltung als notwendiger,
unvermeidlicher Bestandteil. Sein Wirkungsbereich deckt sich sachlich
einigermaßen mit dem Gebiet derjenigen Straffalle, die nicht von Amtswegen
verfolgt, sondern erst durch privaten Antrag zum Gegenstand richterlichen
Urteils werden. Freilich übt er niemals eine voll richterliche Tätigkeit aus,
indem ihm deren wesentliche Seite fehlt: das Suchen und Formen eines
Rechtsurteils. Er hat immer nur sein Bemühen darauf zu richten, durch Beratung
und Belehrung eine Aussöhnung herbeizuführen. Wenn man ihn als Friedensrichter
bezeichnete, so würde das dem Laien wohl eindringlicher die Wesenheit seines
Amtes widerspiegeln als die vom Gesetzgeber gewählte Benennung »Schiedsmann«.
Die deutsche Rechtsprechung kennt den Schiedsmann erst seit gut einem Jahrhundert.
Ostpreußen hat damit den Anfang gemacht, wenn man absieht von der Rheinprovinz,
die schon unter der Franzosenherrschaft ihre Friedensrichter hatte. Einzeln
haben andere Provinzen sich angeschlossen. Erst 1879 ist das Amt für das
Königreich Preußen geschaffen worden, nur, daß im Rheinland der überlieferte
»Friedensrichter« mit etwas abweichender Amtsbefugnis unangetastet blieb. 1925
ist die Preußische Schiedsmannsordnung mit zeitgemäßer Änderung in Wirksamkeit
getreten.
Es ist wohl nicht schwer
zu erkennen, welche Absichten den Gesetzgeber in diesem Falle geleitet haben.
Verminderung der Prozesse und Entlastung der Amtsgerichte überhaupt, Schaffung
einer Gelegenheit, durch ein sehr vereinfachtes und billiges Verfahren vor
einem Vertrauensmann Zwistigkeiten ins reine zu bringen. Wahrlich, der zu
friedlichem Ausgleich bereite Bürger dient nicht nur dem eigenen Wohle, sondern
auch dem Gesamtwohle ist sein Beispiel zum Segen. Denn über jedem Prozeß liegt
für den Laien mindestens ein Ungewisses, und selbst der Obsiegende macht nicht
selten die Erfahrung, daß der erreichte Vorteil den Aufwand an Zeitverlust,
Unkosten und Verdruß, der noch lange und bitter nachklingen kann, keineswegs
aufzuwägen vermag. Die aufgezeigte fortschreitende Verbreitung des Schiedsamtes
beweist ja auch, daß diese Zielsetzung von den Bürgern gewürdigt und beachtet
worden ist.
Der Bezirk des
Schiedsmanns darf natürlich nicht zu groß sein; man sollte meinen, daß eine
Einwohnerzahl von 2000 ohne Not nicht zu überschreiten sei. Denn die Bereitschaft
der Streitenden und der Erfolg der Verhandlung vor dem Friedensanwalt müssen
doch wohl an Wahrscheinlichkeit gewinnen, wenn die Rechtsuchenden vor einer
ihnen als untadelig bekannten Persönlichkeit ihre Sache verhandeln. Man müßte
es wohl beglückwünschen, wenn eine gewissenhafte Statistik
254
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den Nachweis erbringen
würde, daß die ideal gerichteten Ziele der Schiedsmannordnung in dem Bezirke
der kleinen Gemeinden die verhältnismäßig höchsten Erfolgsziffern aufzuweisen
haben. Sollte nicht auf diesem Gebiete ein Wettlauf sich lohnen? Gilt nicht
auch im Sprichwort, also im Urteil unserer Ahnen, derjenige als der Klügste,
der nachzugeben versteht? Mag der Schiedsrichter in dem der Rechtsuchung
dienenden Beamtenapparat die unterste Stufe bilden: die hohe, der gegenwärtigen
Staatsauffassung am meisten entsprechende Idee des Schlichtens, des
Ausgleichens und der Zusammenführung finden doch in seiner Funktion ihre schönste
Bekundung.
Am Schluß seien die Männer
genannt, die in Bramstedt das ehrende Amt des Schiedsmannes bekleidet haben.
1.
N.
F. Paustian, 1879 zum erstenmal gewählt,
2.
Gustav
Bassmann, 1896 zum erstenmal gewählt,
3.
Gustav
Reimers, 1919 zum erstenmal gewählt,
4.
Rentner
Friedrich Kröger, 1927 zum erstenmal gewählt,
5.
Markus
Röstermund, 1931 zum erstenmal gewählt.
VON DEN BRAMSTEDTER TOREN
Wohl jedem, dem unsere
Stadt zur Heimat geworden ist, sind die Namen Hogedor, Hudedor und Beecker Dor
geläufig. Auch verbindet man damit die Vorstellung, daß diese Tore dienen
sollten zur Abwehr feindlich gesinnter Menschen, also gegen räuberische und
kriegerische Überfälle. In Verfolg dieses letzten Gedankens schloß man auf mehr
oder weniger feste Bauwerke, die an den Furten, später Brücken, im Südosten,
Westen und Norden die Zuwege zum Orte zu schirmen geeignet waren. Dem »Hogedor«
wird dabei eine Vorrangstellung eingeräumt. Schon der Name deutet auf ein
besonders hohes Schutzwerk von entsprechender Festigkeit hin; auch habe die
Furt durch den hierbei in Betracht kommenden »Kaffeegraben«, den schwächsten
Teil der uralten Wasserfeste, den Anlaß zur Herstellung eines stärkeren
Torbaues gegeben. Eine handfeste Begründung dieses Gedankenganges liegt nicht
vor. Wie stellt sie sich dem Chronisten auf Grund der bisher möglich gewesenen
Forschung vor?
Den ersten Hinweis gibt
das alte Fleckensbuch aus dem Jahre 1573. Danach »hefft de herr stadtholder
hinrich Rantzow simon steckmesth buten dem hogendore ene stede gewiseth,
dar schall he ene Schüne up bawen...«.
Ferner lesen wir eine
undatiert, der Seitenzahl nach (13) vor 1573 erfolgte Eintragung, die sich auf
eine »stede vor dem hoge Dore« bezieht: »Düsse sülwe stede hebben de
Blekeslüde gedon (überlassen) Eggerth westfal, dat he dor up schole buwen unde
dem Bleke alle Jar darvor gewen 24 Schilling und schole den rönnebom sunder
versümnisse up unde tho sluten und by sodannen beschede schole he sampt
syner fruwen und kyndern dar rowlich up bewanende bliewen.«
255
---------------------------------------------------------------------------------------
Hier ist nun mit Händen zu
greifen, wie es im 16. Jahrhundert um das »Hohe Tor« bestellt war. Nicht ein
Tor in eingangs berührtem Sinne befand sich dort; nicht Torflügel waren zu
befohlener Stunde zu schließen oder zu öffnen, sondern lediglich ein Schlagbaum;
denn nichts anderes bedeutet das Wort »Rönnebaum«. Von diesem dürfen wir
getrost annehmen, daß er grundsätzlich zur Nachtzeit den Verkehr für Fuhrwerke
und Viehtriften abzusperren hatte. Dabei ist zu bedenken, daß Bramstedt früher
eine Zollstätte war, auch den Anspruch hatte, daß die in Massen nach dem Süden
geführten Trupps jütischer Ochsen hier im Flecken Rast zu machen hatten. Die
geopolitischen Verhältnisse, wie wir heute so schön sagen, brachten es mit
sich, daß der Verkehr über Bramstedt sehr überwiegend in der Nord-Süd-Richtung
seinen Weg nahm und noch heute nimmt. Anno 1711 sind laut Meldung des
Fl.-Buches im Anschluß eines Neubaues der »Hogendohrer Brücke« auch
»Neue Schlag-Bäume« gebaut worden. 1723 übernimmt Gotthard Lesau die
Verpflichtung gegen den Flecken, »von nun an die Bracks Höve jederzeit
untadelhaft zu befriedigen, auch den Schlagbaum sampt die Behörigen Recken
über die Auen zu unterhalten.« Nichterfüllung zieht den Verlust des »ohrts
Bracks-Höve« nach sich. -
Diese Nachrichten des
Fl.-Buches geben ihrer Form nach dem Gedanken Raum, daß mehrere Schlagbäume
vorhanden gewesen sind. Die Lage der »Bracks Höve« sicher auszumachen, hat dem
Verfasser nicht gelingen wollen; doch ist ihm wahrscheinlich gemacht worden,
daß genannter »ohrt« auf die Hambrücke hinweise. Der Annahme, daß Bramstedt in
alten Zeiten gleichzeitig zwei Schlagbäume bedienen ließ, steht nach diesem nichts
im Wege.
Dabei bleibt die Tatsache
bestehen, daß das Fleckensbuch weder die Beecker- noch die Hudebrücke jemals in
Verbindung mit einem Schlagbaum nennt und solches auch sonst in keiner Urkunde
bisher gefunden worden ist. Sehr beachtlich ist auch, daß die Fleckenssatzung
von 1749 etlichemal vom »Kirchtor« spricht, während bisherige Auszüge
aus Bramstedts Geschichte davon nichts verkünden. Man wird nicht geneigt sein,
die nachgewiesenen Schlagbäume als Stadttore im üblichen Sinne des Wortes
anzusprechen. Hochgebaute Tore, wenn auch nur aus festem Eichenholz, bestimmt
und geeignet, dem Feinde den Zutritt zu wehren, hat das liebe Bramstedt wohl
nie errichtet und erlebt. Schon mit Rücksicht auf die erheblichen Kosten für
Bau und Instandhaltung ist es recht bedenklich, das Gegenteil anzunehmen. Nicht
ohne Grund weisen in ihren Klagen beim Könige die Ratmänner darauf hin, daß die
drei Brücken über die Auen eine unerträgliche Last für sie bedeuten. Immer
wieder werden die Kostenanschläge und Rechnungen ihm vorgelegt. Aber niemals
verlautet etwas über Kosten für Torbauten. Tore als Schutzwehr hätten auch,
wenigstens für die Nacht, Wachmannschaft nötig gemacht, und nicht wenig. Die
Fleckensverwalter wählten und bezahlten nachweislich nur einen Nachtwächter,
von dem kriegerische Fertigkeit nicht beansprucht wurde.
In deutschen Städten waren
die Tore durchweg in starke Mauern eingefügt. Sollten die Auen wirklich
ähnlichen Schutz gewahrt haben? Oder der oft genannte
256
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Kaffeegraben mit seinen
doch mindestens bescheidenen Ausmaßen? Mir ist ein Schriftstück in Erinnerung,
in dem die Fleckensleute sich beklagen, daß der Müller ein Notwehr beseitigt
habe, daß bei hohem Wasserstand der Osterau geöffnet werden sollte, um einen
Ausgleich mit den andern Auen zu ermöglichen, die nicht in gleichem Sinne dem
Stauzwang unterstanden wie die östliche Schwester. Sollte nicht für solchen
Fall der Graben besser tauglich sein als zur Abwehr einer Kriegsmacht?
Nach allem kann es nicht
schwerfallen, die Bramstedter Tore als Verteidigungsmittel auszuschalten und
sich mit der Erinnerung an den Schlagbaum beim »hogen Dore« und seinem
möglichen Artgenossen zu begnügen.
Abschließend noch ein
Hinweis, daß man auch sonst im hiesigen Kirchspiel in durchaus ähnlicher Weise
die Ausdrücke Tor und Schlagbaum verwendet. In Wiemersdorf steht am Ausgange
des Ortes nach der Ostseite ein prachtvoller alter Eichbaum, der heute, wie
schon in meiner Kindheit, schlechthin »Osterdorbom« genannt wird. Auch das
Heckdor an den Ackerfeldern und Viehweiden sei in Erinnerung gebracht.
Noch ein Wort zum »hogen«
Dor. Nehmen wir gleich »Hogen Stegen« hinzu. Welcher Ortskundige
wird dabei an eine nach Metern zu bestimmende Höhe denken? Es handelt sich um
eine bildlich zu nehmende Ausdrucksform, die dem Hochdeutschen wie dem
Plattdeutschen durchaus geläufig ist. Geographisch genommen, wird damit etwas
bezeichnet, das weit ab, ferner als anderes, an der Grenze liegt. Der
Plattdeutsche setzt an Stelle von »hoch« gern das für ihn echtere »baben«.
Dafür noch ein Beispiel aus Wiemersdorf. An der Aue und an der Armstedter
»Schee« liegt ein Moorland, das alte Urkunden benennen als »de böwerste Loh«,
eben weil es an der Grenze liegt. Freilich hat reine Bequemlichkeit die
Einwohner gewöhnt, daraus eine »Bewerloh« zu machen.
257
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V.
DAS GUT BRAMSTEDT
Dargestellt nach alten
Fleckensurkunden und besonders nach den Dokumenten des Kieler Staatsarchivs.
Das Gut Bramstedt hat
durch Jahrhunderte in so enger Beziehung zum Flecken gestanden, daß dessen
Geschichte und das Geschick seiner Bewohner in ungewöhnlich hohem Maße dadurch
beeinflußt worden ist. Damit ist, abgesehen von dem rein historischen
Gesichtspunkt, die Pflicht gegeben, dem Gute an sich und wegen seiner
Auswirkung auf den Entwicklungsgang der Fleckengeschichte eine eingehende und
umfassende Darstellung einzuräumen. Darum wird hier der Versuch gemacht, nach
Möglichkeit in jeder Richtung klarzustellen, was das Gut gewesen ist und
bedeutet hat.
I.
Entstehung des Gutes
Sind wir völlig
außerstande, das Geburtsjahr des Fleckens zu nennen, so liegt es in dieser Hinsicht
merklich anders beim Gut Bramstedt. Im Jahre 1541 verschreibt der Dänenkönig
Christian III. dem Caspar Fuchs wegen der Verdienste, die er sich als
Sekretarius um das Königliche Haus erworben, auch weil er sonst dem Herrn Vater
schon »gehorsamlich gedienet« hatte, diejenigen Güter und Lansten (Landsassen,
Dauerpächter), die unter der Regierung des Königlichen Vorgängers Dirick Vageth
zu Bramstedt »von unserm Herrn Vatter innegehabt«. –
Dieser Dirick Vageth wird
uns vom alten Fleckensbuch um 1530 als »Borgimeister« des Fleckens vorgestellt.
Er scheint zu seinem Landesherrn in besonders guter Beziehung gestanden zu
haben. Denn es muß als ausgeschlossen gelten, daß ihm etwa sein Fleckensamt die
Nutzung der nun aufzuzählenden Besitztümer eingetragen hatte. Besser stellt man
sich ihn als Pächter Königlichen Eigentums vor. Die Verschreibung an Fuchs aber
zählt auf: »im Dorff Hedershausen (Hitzhusen) die vier Erbes mit Namen Henning
Cruse, Carsten Stoltmer, Hansen Ostermoor (?), Hartwig Dietter; im Dorffe Zum Hagen:
Timotes Fulendorff, im Dorffe Borstel: Andreas Grip; im Dorffe Wimersdorff:
Marquart Hinrichsen, Hansen Eggers; im Dorffe Weddelbrook: Meiner Folster und
Marquart Otte. Dazu alle andern gemeldten Dirick Vogts zu Bramstedt Güter und
Kathensteden, Häuser, Weiden, Wiesen mit allem Zubehör, Herrlichkeiten1)
und Freiheiten an Holzung, Jagden, Fischereien und Mattenfreiheit2)
nichts ausgenommen«. Alles zu vollem vererblichen Besitz. - Auch
»Gerichtsbarkeit an Halß und Handt, alle Freiheiten,
_____________________
1)
Herrschaftlichen Rechten.
2) Kostenfreies Mahlen in des Königs Mühle.
258
--------------------------------------------------------------------------------------
so alß andere vom
Adel ihre Güter in unsern Fürstentümbern Schleswig und Holstein inne haben«.
Dies alles, also 10 Hufen
in den genannten Dörfern und etliches, nicht genau bezeichnete, anher von
Vageth genutzte Grundrecht im Flecken (1 Hufe?) soll nunmehr, als Gesamtbesitz
ausgestattet mit dem holsteinischen Adelsrecht, in das Eigentum von Caspar
Fuchs übergehen. Hinzugefügt wird noch, daß einige Häuser in Weddelbrook und
die Mühle zu Campen ihm unvererblich gehören sollen.
Es drängt sich die Frage
auf, ob das beschriebene, dem Caspar Fuchs zugeeignete adelige Gut eine
Neugründung ist, oder ob dies Besitztum schon vorher mit allen Rechten eines
Adelsgutes ausgestattet war. Die Beantwortung dieser Frage kann gefördert
werden, durch eine genauere Betrachtung der Person des vorangegangenen
Inhabers. Hatte er die Rechte des »Edelmannes«? Das Fleckensbuch zeigte ihn
bereits als »Bürgermeister« des Ortes auf; also war er Träger der höchsten
Würde, die die Fleckensbürger zu vergeben hatten. Er war ihr an erster Stelle
verantwortlicher Repräsentant. Konnte er in solcher Stellung gleichzeitig
Inhaber adeliger Gutsrechte sein, die gänzlich außerhalb der Fleckensrechte
lagen? Müßte nicht solche Amtsverknüpfung im gegebenen Falle zu unleidlichen
Kollisionen führen? -
Die gleiche Quelle
berichtet, daß um 1530 der Bramstedter Hufner Eggert Speth Kirchspielsvogt des
Fleckens, also ein dem Dirick Vageth übergeordneter königlicher Beamter gewesen
ist. 1537 wird Eggert Speth im Hufnerverzeichnis des Fleckens wiederum genannt,
und zwar als erster. Vagets Name fehlt dort überhaupt. Dieser letztere Umstand
könnte die Meinung wecken oder stärken, damit wäre Vageth als Gutsbesitzer
legitimiert, der eben nicht unter dem Amte Segeberg gestanden habe. -
Wäre aber ein Edelmann
bereit gewesen, als Bürgermeister sich einem bäuerlichen Kirchspielsvogt
unterzuordnen? Wohl kaum. Man darf hier einfügen, daß gerade zu jener Zeit, wo
Luthers Lehre gegen die katholische Kirche sich durchzuringen suchte, auch die
Gegensätze unter Edelmann und Bauer besonders stark hervorgetreten sind. -
Wir überlegen: Dirick
Vaget hat das Land und die sonstigen »Güter« vom Könige »innegehabt«. Dieser
Ausdruck braucht nicht notwendig auf ein Besitzrecht hinzuweisen; es kann sich
lediglich um das zeitlich begrenzte Recht der Nutzung gehandelt haben. Dafür
spricht stark der Umstand, daß bei der Übereignung an Caspar Fuchs mit keiner
Silbe von einem Kauf die Rede ist, völlig im Gegensatz zu der etwa 100 Jahre
später erfolgenden Übergabe der Gutsländereien an Wiebeke Kruse, wie weiterhin
darzulegen sein wird. Auch die bei der Verleihung der Adelsrechte gewählte
Formulierung: »als andere vom Adel ihre Güter in unseren Fürstentümbern
innehaben« läßt vermuten, daß Fuchsens Gut bisher ohne solche Rechte gewesen
ist. Man hätte sonst doch natürlicher sich darauf beschränkt, die Ländereien
mit allen anhaftenden Rechten zu übereignen. Wir kommen zu folgenden Schlüssen:
259
--------------------------------------------------------------------------------------
a) Das
von Dirick Vaget »innegehabte« Land mit Zubehör hatte mit Gutsrechten nichts zu
tun, ganz einerlei, ob es sich dabei um den gesamten aufgezählten Besitz oder
etwa nur um die in der Fleckensgemarkung gelegenen »Güter« gehandelt haben mag.
b) Das
ganze »Gut«, im Flecken und in den Dörfern liegend, ist als landesherrliche
Domäne zu erachten, die unter unbekanntem Rechtsmodus dem Vageth zu zeitlicher
Nutzung überlassen worden war.
c) Im
Jahre 1541 sind genannte »Güter« zu einem mit adeligen Rechten ausgestatteten
Gut vereinigt, als solches vom Landesherrn an Caspar Fuchs zu unbeschränkter
Verfügung übergeben worden, dazu die Campener Mühle und zwei Häuser in
Weddelbrook zu Nutzung nur auf Lebenszeit des Beschenkten.
Am Schluß dieses Kapitels
wird der vorliegende Gegenstand noch einmal berührt werden. Hier sei nur noch
bemerkt, daß zur gegebenen Zeit es für die Fürsten nicht schwer war, ein Gut zu
verschenken. Denn damals wurden in unserm Lande die katholischen Klöster,
abgesehen von ein paar adeligen Frauenklöstern, aufgehoben zugunsten der weltlichen
Herrschaft d. i. der Landesherren.
II.
Gutsgeschichte bis zur Überweisung an Wiebeke Kruse 1633
Der genauere Nachweis über
Umfang und Beschaffenheit des Gutes, insonderheit des in der Bramstedter
Gemarkung gelegenen Teiles, ist zunächst, weil die Quellen versagen, nicht zu
führen. Doch liegen andrerseits keinerlei Nachrichten über Änderung des
Besitzstandes bis zu dem Augenblick vor, wo das Gut abermals in den Besitz des
Königs übergeht, und in dem so berührten Zeitpunkt ist auch die Möglichkeit
gegeben, unser Gut überhaupt besser zu durchleuchten. Aus Caspar Fuchsens Zeit
und Wirken ist hier nichts mehr zu berichten. Erst 1591 vernehmen wir, daß das
Gut in Gerdt Stedingks Besitz sich befindet. Er ist Angehöriger einer hochangesehenen
dänischen Adelsfamilie, und als Minister für Holstein im Dienst des Königs 1606
gestorben.
Nicht durch Kauf scheint
er Besitzer geworden zu sein. Die Nachricht, daß er sich mit Elisabeth Fuchs
verehelicht habe, läßt auf eine andere Form des Übergangs schließen.
Ob die gnädige Frau eine
Tochter oder eine Enkelin unseres Caspar Fuchs gewesen sei, muß dahingestellt
bleiben, könnte ja auch den Wert der Chronik nicht merklich beeinflussen. Die
Heirat hat den Anlaß gegeben, daß das Gut seitdem recht oft als Stedings Hüser
und bald und dauernder als Stedingshof bezeichnet wird.
40 Jahre lang hat diese
neue Firma Bestand gehabt. Dann tritt Christian IV., nachdem er die
Bauerntochter Wiebecke Kruse aus dem Nachbardorfe Förden-Bari liebgewonnen, als
Käufer auf den Plan. Er läßt durch einige Beamten recht eingehende
Bestandsaufnahmen machen, die zum guten Teil noch vorliegen und nun sichtbar
werden sollen.
260
--------------------------------------------------------------------------------------
Anno 1631 durch die
Königl. Mayest. gnedigest erkauft: Stedingkshyser (Häuser) zu Bramstedt.
Jerrliche Abgaben, so
Stedinkgs Leute zu Bramstede geben: in Bramstede die Kätener, in den Dörfern
Weddelbroke, Hiddershusen u. Hagen die Hufner u. Kätener, in Borstell und
Wimerstorf die Hufner (alle, soweit sie zum Gute gehören) Haur,
Ochsenfütterung, Schweine und Rook-Huhn:
1.
Die Summe aller stehenden (laufenden) Gelthaur = 171 Mark 11 Schilling.
Lieferschweine 11, Roockhuener 23.1)
Von obestehender Gelthaur
geht ab
für Ochsenfütterung......................
36 Mark
bei Johann Horns,
Hiddeshusen . 1 Mark 12 Schilling
bei Carsten Hardbeck,
Wimerstorff 4 Mark 9 Schilling 42
Mark 5 Schilling
bleiben an
Gelt............................................................................
129 Mark 6 Schilling
Es kommen in Abzug2)
von den Schweinen 2,
bleiben 9
von den
Huenern 3, bleiben 20
2.
Geld vor die verkauften Schwei-
ne, so die Leute gegeben ............ 60 Mark 12 Schilling
Geld vor die verkauften
Huener,
so die Leute
gegeben ................. 14
Mark............................ 74 Mark 12 Schilling
3.
Geld vor vorhaurte Wischen:
Von Faken Eitken (Titken?) vor
ein Wisch, so Arent Steding ihm
verhaurt, ehr Ihr. Mayst. den Hof
gekauft.............................................................................................
30 Mark
4.
Geldeinnahme vor verkauften Rogken:
Vermöge des hernach befindtli-
chen Korn Registers ist an Rog
ken verkauft worden, so Johann
Vaget eingesandt: vor 9 Tonnen
Roggen zu 7 Mark
ist.................... 63 Mark
vor verkauften Buchweitzen
... 50 Mark
vor verkauften
Habern.................. 4 Mark............................
117 Mark
Summa, was bei dieser
Ersten
Rechnung an gelde Dorch Jo
hann Vaget den Carspelvagt war
eingegangen
.............................................................................. 351
Mark 2 Schilling
__________________
1)
1 Huhn für jede Rauch- d. i. Feuerstelle (Feuerherd).
2)
Grund nicht angegeben; wohl Naturallohn für den Verwalter.
261
--------------------------------------------------------------------------------------
Ausgabe
an Gelde von voriger Einnamb
Dem
Vogt Arendt Ham seine Jährliche Besol-
dung
ist von Herr Casper Buchwalt, Kam-
[mer]
Rath und Ambtmann auf Segeberg mit
ihm
darüber accordiret..........................................
40 Mark
Vor
Arbeitslohn, Material- und Baukosten
wegen
Herrichtung eines Neuen vorwergks
und
gebeuw zu Bramstede .................................. 1 808
Mark 9 Schilling 9 Pfennig
Vor
eingekauftes Kohrn zur Saadt ...................
37 Mark 8 Schilling
Allerhandt
gemeine Ausgaben, entstanden
durch
Heranholen und Füttern dänischer
Ochsen..................................................................
135 Mark
In
allem.................................................................. 2
021 Mark 1 Schilling 9 Pfennig
Dieser
Ausgabe steht gegenüber eine Ein-
nahme von............................................................
351 Mark 2 Schilling
Es
verbleibt ein Manko von.............................. 1 669 Mark 15
Schilling 9 Pfennig1)
Daher ist ein Posten in
dieser Höhe von der Segebergischen Amtshebung abgetragen worden, »daher solcher
auch im Ambtregister zur Ausgabe mit eingefuert.« Das bereits angezeigte Korn-Register
für das Jahr 1631, dem ersten, wo Christian IV. als Gutsherr zeichnete,
möge den Einblick in die dem Gute innewohnende Kraft erweitern.
Die
Leute aus den Dörfern haben ihm zu
liefern 25 Tonnen 1 Himpten
Roggen
davon
nicht eingegangen...........................................
5 Tonnen
Also
empfangen...........................................................
20 Tonnen 1 Himpten
Rogken, so Anno 1631
gedroschet (auf dem Hof) von dem Einfall, so arent Steding vorgangenen Herbst
daselbst geseyet worden, ist
gewesen.........................................................................................
13 Tonnen 2 Himpten
Ist
wieder gedröschet worden wie folgt:
Am
1. Oktober ............................ 3 Tonnen
Am
6. Oktober ............................ 5 Tonnen
Am
12. Oktober ............................ 4 Tonnen 2
Himpten
Am
24. Oktober ............................ 2 Tonnen
1 Himpten
Am
12. Januar (1632).................... 3 Tonnen 4 ½ Himpten
Am
23. Januar................................ 2 Tonnen
Am
30. Januar................................ 8 Tonnen
Am
14. April................................... 3
Tonnen........................... 31 Tonnen 2 ½ Himpten
dazu
obiger von den Bauern
gel.
20 Tonnen 1 Himpten
Summarium
an Roggen.............................................................. 51
Tonnen 3 ½ Himpten
____________
l)
Als gewissenhafter Chronist bekenne ich, einen in der Rechnung gefundenen
kleinen Fehler ausgemerzt zu haben; ferner, daß für den Bau des Vorwerks noch
479 Mark als weitere Aufwendung für das Jahr 1652 vorgesehen sind.
262
--------------------------------------------------------------------------------------
Buchweitzen:
gedröschet
und an Steding zurückgegeben, weil er ihn geseyet
(gesäet)........................................................................................
4 Tonnen 1 Himpten
Außerdem
gedröschet Buchweizen......................................... 44 Tonnen 1
Himpten
Hafer ebenso
...............................................................................
12 Tonnen
Es
wird nun die Herausgabe von Korn gemeldet, wonach im Bramstedter Vorwerk ein
Vorrat geblieben von 2 Tonnen 1 Himpten Roggen, 44 Tonnen 1 Himpten Buchweizen
und 12 Tonnen Hafer.
Auch
wenn uns der Tag der Abrechnung verschwiegen bleibt, erkennen wir, dem Landbau
nicht so fern stehend, daß der Stedinghof, so wie er sich uns darstellt, dem
wiederum Besitzer gewordenen König nicht als eine würdige Morgengabe für seine
Wiebeke, die künftige Mutter von Königskindern, gelten konnte. Wir haben den
Roggenpreis von 7 Mark für die Tonne uns gemerkt und wissen, daß er, zu
Kriegszeiten gezahlt, so stand. Wir wissen, daß der mengenmäßig stark
hervortretende Anbau von Buchweizen kein gutes Anzeichen für die Bodengüte ist,
und wittern bereits Heidschnucken, die ihre knappe Nahrung suchen. Der Leser
erwartet, daß der König seine Pflicht erfüllen wird, wie ja durch den Neubau
der Gebäude im Vorwerk es sich bereits andeutet. Ein wenig Geduld. Zunächst
noch etwas über den
Kaufpreis
Amtmann von Buchwaldt und
Herr von der Meden betreuen diese Angelegenheit und was damit zusammenhängt.
Wir erfahren, daß der König zu zahlen hat
19
000 Mark Davon erhält Arendt Steding den vierten Teil = ...
4 750 Mark
Dazu eines Jahres Zinsen
(5 Prozent)............................... 237 Mark
4 987 Mark
Hiervon der Mutter
Elisabeth Stedings zuerkannt als
Alimentengelder...................................................................
800 Mark
Noch das Capital auf 109
Mark jährlich zu entrichtende
Alimentengelder,
macht...................................................... 1 800 Mark
Noch davon abgezogen
der Frauen eingebrachter
Brautschatz,
ist..................................................................... 1
500 Mark 4 100 Mark
Restet zu teilen unter den handschriftlich genannten
0Creditoren pro
rata..............................................................................................
887 Mark
Nämlich Bartels von 300
Mark........................................... 200
Mark
Westphall1) von
600 Mark.................................................
450 Mark
Weitere mit kleineren
Forderungen.................................. 237
Mark 887 Mark
Man
stellt mühelos fest, daß die Stedings auf ihrem Gute keine Seide gesponnen
haben. Den notleidenden Gläubigern wird aber testiret, daß sie beim Tode der
Mutter aus dem für diese festgelegten Kapital »zufürders« befriedigt werden
___________
1) Beide
im derzeitigen Kirchenregister des Fleckens verzeichnet.
263
--------------------------------------------------------------------------------------
sollen, wie auch dem
Steding zur Pflicht gemacht wird, ad meliorem fortunam (bei besserem
Vermögensstand) diese Befriedigung schon früher zu leisten. Und nun laßt uns sehen, wie sich Christian IV.
verhält, im besonderen gegen die von ihm ins Herz geschlossene Bauerntochter
aus unserem Kirchspiel. Uns wird zunächst verkündet, daß das mehrfach erwähnte
Wohnhaus planmäßig fertiggestellt wurde, bis, aus bestem Holz aus dem
Königlichen Segebergischen Walde, auch das abschließende Plankwerk an seinem
Orte stand.
III.
Die Übereignung des Gutes an Wiebecke
schließt sich an,
bestätigt durch Schenkungsurkunde vom 16. November 1633. Sie lautet:
»Wir
Christian der Vierdte ... thun kund hiermit, daß Wir der ehrsamen unser lieben
besondern Wiebken Krusen aus besonderer Königl. Gnade Unser zu Bramstedt
Erblich erkauftes Guht, sambt allen Pertinentien und Zubehörung, selbiges für
sich und ihre Erben künftiger Zeit zu Nutzen, zu gebrauchen und zu besitzen,
auch damit ihrer Gelegenheit nach zu schalten und zu walten genädigst gönnen
und zukommen lassen wollen. Thun auch solches hiermit und in Kraft dieses
nachfolgender Gestalt und also. Nachdem Wir auf eingenommenen Augenschein Unser
verordneten Commissarien (Beauftragten) eingekommenen Relation (Bericht) und
die darin enthaltenen unvorgreiflichen Vorschläge allerdings absonderlich
confirmiret (bestätiget) und fürgenehm gehalten, daß dem ihr zugedachten Gute
hinfüro überall (in allen Teilen) durch die Bank der fünfte Teil der
Fleckensfeldmark an Acker, Wiesen, Weyden und Holtzung und als für erst an Acker
Sechs Hufen Landes, als wovon ungefähr von ein jedweder Hufe auf Zwölf
Tonnen Winter- und Sommer-Saat gerechnet und gesäet, zwey und Siebenzig Tonnen
Saat Körner können ausgesäet werden; ingleichen nach advenant (entsprechend) Heuwinnung,
Fuder gegen Fuder gerechnet1) der fünfte Theil an Wischen
gehören und zustehen soll und zwar diese allerseits, wie sie in einem
continuirlichen (zusammenhängend) District nach einander hinter oder sonsten in
der Nähe beim Hoffe, durch dazu Deputirte Unpartheyliche, Hausleute
ausgenommen, und situirt seyn. Wegen der Holtzung aber muß alsofort und
bey Zeiten der fünfte Theil dem Guth am negsten abgetheilet und zugelegt und
dabey gelassen; die nohtdürftige Feurung und das Brennholtz soll aus der Heyde
und Weyde unsern Beambten [aus-]gefolget werden. -
Alldieweil
die Diensten (Dienstpflichtigen), so zu dem Hoffe ordinaire gehörig und
dieselben theils weit ab und doch unter gedachtes unsers Ambts Botmäßigkeit
belegen sein, haben wir die fünff Hufen, so unß in dem Dorfe Hiddershusen
zukommen, sodan annoch 2 Hufen zu Weddelbrock, als dem Gute näher und bequehmer
gelegen, mit aller Abgift, Hoch- und Gerechtigkeit erblich dazu ver-
___________
1) Die
Wiesen sollen also nicht nach Flächengröße, sondern nach Ertragfähigkeit
zugemessen werden.
264
--------------------------------------------------------------------------------------
ordnen und den vorigen, so
ohne das (ohnehin) mit dem Gute daselbst erkauft, beythun wollen. Es sollen
aber die Dienste von den Unterthanen überall gleich seyn, wie von anderen (den
bisherigen) Adelichen Unterthanen des Guts geschieht, (so auch von den
hinzukommenden) abgehalten und geleistet werden. -
Ingleichen,
als die Haushaltung viel erfordert, und wegen der Matten und ander Uhrsachen
halber schwer fallen wollte auszurichten, soll gedachter Impetrantin (hier:
Wiebecke) und ihren Erben Unsere Mühle zu Bramstede, wovon Uns sonsten Unser
Ambt Register Jährlich Siebenhundert und Fünfzig Mark entrichtet, zustehen und
gegönnet werden, daß Sie und ihre Leibes Erben ihrer Nothdurft nach deren
Einkommen zu ewigen Zeiten zu nutzen und zu genießen haben. Wir auch
nichts deroweniger den Ohrt Landes, die Mönke Gayen genannt, so jährlich 25
Reichsthaler Haur gegeben, samt allem Zubehör an Wiesen und Weyde
[gleicher-]maßen drey Zum Borstel und Hagen sonsten in der Ambt-Wechslung
abgehende Hufen wiederumb dazu geleget. Daß also in alles achtzehn Vollhufen
und neunundzwanzig Kätener hinfüro zu dem Gute Bramstedt (gehören),
sambt dem, was sonsten zuvor dazu gehörig gewesen und von (gemäß) dem
Kauf-Brief und anderen Dokumenten bekommen, soll gerechnet und genutzet werden.
Bey
diesem allen wollen nicht allein Wir, sondern auch unsere Nachkommen je und
allewege gedachte Wybke Crusen und ihre Erben allerseits geruhig und unbetrübt
verbleiben lassen, [im] besondern auch gebührlich für Uns allerseits stützen
und handhaben, auch Unsern Beambten ein Gleiches zu schuldigem Gehorsam zu
verrichten mittels diesem eingeben und Empfohlen haben.
Uhrkundlich
unter Uhreigenem Königl. Handzeichen und Secret (Geheimsiegel) gegeben auf
unserm Schloß Schandersburg im Sechzehnhundert drey und dreißigsten Jahre den
16. Tag November.« Christian.
Zu
diesem Vertrage ist einiges zu sagen, der nötigen Klarheit wegen.
a) Sein Text ist
einer der im Kieler Archiv in mehreren Exemplaren vorhandenen Abschriften des
Originals entnommen. Das Original ist möglicherweise in Kopenhagen vorhanden.
Im übrigen wird von der Baronin von Grote, einer späteren Inhaberin des Gutes,
wiederholt betont, daß die alten Urkunden durch Raub und Feuer vernichtet
worden seien. Es liegt indessen kein begründetet Anlaß vor, die Richtigkeit des
überlieferten Textes anzuzweifeln.
Die
Tatsache aber, daß wiederholt in den Akten betont wird, der König habe sein
Fünftel mit 6 Hufen zu reichlich berechnet, da doch der Flecken nur gut 28
Pflüge zählte, beweist in einem Hauptpunkte die Zuverlässigkeit.
b)
Es
ist beachtlich, daß die Königliche Donation rechtlich ein Zweifaches darstellt:
die 18 Hufen und die 29 Kätnerstellen werden als Besitztum mit unbeschränkter
Verfügungsfreiheit übergeben, während die Mühle und Mönke Gayen zur Nutzung für
Wiebeke und ihre Leibeserben bestimmt werden, somit nicht verkäuflich sind und
an den Landesherrn zurückfallen beim Ableben des letzten Leibeserben.
c)
Bei
Aufzählung der mit dem fünften Teil vom Flecken abzugebenden Flurstücke wird
das Moor nicht mitgenannt. So ist es wohl verständlich, daß in der
265
--------------------------------------------------------------------------------------
Folge Prozesse entstehen
zwischen Flecken und Gut. Hinsichtlich des Ackerlandes und der Weiden fehlt die
Bestimmung, daß auch sie als in sich geschlossene Gebiete ausgemessen werden
sollen. Ein zweiter Grund zu Streitigkeiten.
d)
Wiebeke
Kruses erbliches Gut überschritt dem Umfange nach das ehemals Stedingsche ganz
bedeutend. Während Arent Steding nach der Roggenrolle von 1631 nur 13 Tonnen 2
Himten Roggen als seine Aussaat erstattet wurden, rechnet der vorliegende
Vertrag mit 72 Tonnen für die sechs Bramstedter Hufen; danach wäre der
ursprüngliche Bramstedter Bestandteil nur mit einer Hufe zu berechnen.
Zum Nachdenken regt es an, daß der König in Hitzhusen jetzt über fünf »ihm
zukommende Hufen« verfügt, während es 1541 nur vier waren. Ferner, daß
Wiemersdorf diesmal überhaupt nicht genannt wird.
e)
Ein
kritischer Punkt ist die Tatsache, daß Christian IV. von der gesamten
Bramstedter Gemarkung nun den fünften Teil als sein Eigentum in Anspruch nimmt,
nachdem er Mühle und Gayen zuvor für sich reserviert hatte. Man könnte denken,
es handele sich um eine Gewalttat, die in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges
nicht weiter auffällig gewesen sei. Doch sprechen sehr ernste Gründe dagegen.
Zunächst stand unser Land 1631 ganz außerhalb des Krieges; denn Christian IV.,
eine Zeitlang Führer der Lutheraner, hatte 1629 zu Lübeck mit den Kaiserlichen
seinen Frieden gemacht. Zudem ist gerade er wegen seiner Gerechtigkeitsliebe
der volkstümlichste unter den dänischen Herrschern gewesen. Es steht
geschichtlich fest, daß er bereits 1634 die Leibeigenschaft der Bauern in
seinem Lande aufheben wollte und daran nur durch den hartnäckigen Widerstand
der politisch mächtigen Adelspartei gehindert worden ist. Man hat keinerlei
Recht, ihm solche Handlungsweise nachzusagen, am wenigsten im Falle Bramstedt,
wo er seiner geliebten Bauerntochter ein dauerndes, friedliches Heimschaffen
wollte. - Vielleicht ist ein Lichtblick in der Tatsache, daß von dem
obengenannten Kaufpreis - 19000 RM - nur der vierte Teil dem Arendt Steding
zustand. Es könnte daraus die Folgerung gezogen werden, daß die übrigen drei
Viertel den Preis für die fünf Bramstedter Hufen darstellten. Hätte davon aber
das alte Fleckensbuch nicht Kenntnis nehmen sollen, das doch seit 1530 geführt
wurde und Nachrichten anderer Natur aus 1631 und 1633 bringt? Und nun gar die
redseligere Kirchenchronik? - abgesehen davon, daß auch zwei Weddelbrooker und
eine Hitzhusener Hufe neu auf dem Platze erscheinen und bei Abschätzung des
Kaufpreises möglicherweise in Rücksicht zu nehmen wären, liegt ja durchaus
nicht die Annahme fern, daß bei der nachgewiesenen Verschuldung Arent Stedings
die in Frage stehenden drei Viertel haben an Pfandgläubiger ausgehändigt werden
müssen.
Geht man davon aus, daß
der fünfte Teil der Gesamtgemarkung bisher königliches Eigentum in des Fleckens
Nutzung gewesen sei, so müßte eine Folge sein, daß die Fleckensverwaltung dafür
eine bestimmte Entschädigung hätte zahlen müssen. Das Fleckensbuch kann hier
einen Fingerzeig geben. Es berichtet getreulich:
266
--------------------------------------------------------------------------------------
1530 Was
de Bleckeslüde den Kgl. Mayest. Jarlikes thom schatte schuldich tho
gewende
(geben), ys yn alle[m] 14 Mark 11 Schilling 6 Pfennig lübsch.
1630 Dem
schriewer gegewen vor den Kgl. schadt 10 Rikes Daller.
1661
Herrn Amtsschreiber gegeben Kgl. schadt 10 Rikes Daller.
Da 1 lübische Mark = 16
Schilling, 1 Reichsthaler = 24 Schilling wertete, ergibt sich schnell, daß die
Abgabe in den drei Jahresangaben kaum unterschiedlich, in 1630 und 1661 aber
völlig unverändert ist.
Es
kann nach allem mit gutem Grund behauptet werden, daß das Besitzrecht des
Königs mindestens seit 1530 bestanden hat, wie es für die Mühle an anderer
Stelle unwiderleglich erwiesen wird1). Was aber Mönke Gayen anlangt,
so muß sein Gebiet einmal einem Kloster zugehört haben, um dann infolge der
Säkularisation2) nach der Reformation an Königs Hand zurückzufallen.
Das in Frage kommende Kloster wird Reinfeld gewesen sein. Die Frage, wie denn
der König Eigentümer von Bramstedter Pflügen geworden sein möge, wird wohl
nicht mehr in voller Klarheit zu beantworten sein. Als mögliche Rechtsquellen
seien genannt:
a) Das
ursprüngliche Recht des Fürsten, über neu erobertes Gebiet nach seinem Ermessen
zu verfügen;
b) Säkularisation
von Klöstergütern, wie sie im Jahrhundert der Reformation auch hierzulande
vollzogen worden ist;
c) Inanspruchnahme
solcher Ländereien, die von einer Siedlungsgenossenschaft innerhalb des
zugewiesenen Gebiets nicht genutzt wurden. (Ödland; an der Grenze fern der
eigentlichen Siedlung gelegene Heiden und Moore: Königsmoore; Gebiet des
Bramstedter Stadtwaldes.)
d) Ein
im vorliegenden Falle etwa vorhandenes Reservat, möglicherweise von dem vor
1460 hier regierenden Schauenburgischen Grafen überkommen8).
Konnte aber Christian IV. 1633
fünf Hufen Land aus der Gemarkung Bramstedt ohne sichtbare Gegenleistung
verschenken, so steht nichts im Wege, auch die eine, die vorher schon für des
Königs Freunde Vaget und Fuchs freigestellt worden ist, ebenfalls als ein
fürstliches Geschenk anzusehen. Festgestellt sei aufs bestimmteste, daß das
Gut Bramstedt nicht eine ursprünglich mit dem Flecken (besser Dorf) entstandene
Größe ist, sondern aus dem Bramstedter Siedlungsgebiet erst dann stückweise
herausgenommen worden ist, als der Ort längst schon die Fleckensrechte gewonnen
hatte.
IV.
Das Gut unter Wiebekes und ihrer Erben Verwaltung
Zuvörderst soll es unsere
Aufgabe sein, die vorgesehene Aussonderung der Wiesen und Holzung zu
beschreiben, die ja im Vorwege aus dem Allgemeinbesitz ge-
____________
1)
Siehe unter »Alte Bramstedter Mühle«.
2)
Umwandlung geistlichen Besitzes in weltlichen.
3)
Nicht unwesentlich ist in dieser Sache eine Äußerung des Kirchspielvogts Wulf,
der 1744 in einem Bericht an den Amtmann Hans Ranzau sagt: »Mühle und Zubehör
haben immer nur unter Glückstadt (königl. Regierung) gestanden; mit den 5 Hufen
(aus der Fleckensgemarkung) sei es eigentlich ebenso.«
267
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trennt werden sollen.
Unsere Urkunde (Bericht des Amtmanns von Buchwaldt an Christian IV.) stammt aus
1637 und besagt: Er habe auf Königs Befehl mit Klefeldt, Dorn und Thomas
zusammen die Sache verhandelt. Henricus Kruse, Wiebekes Vertreter, habe
unparteiliche Männer aus dem Kirchspiel Hohfelde genannt; ferner hinzu gezogene
Männer aus dem Kirchspiel Kaltenkirche, zwei aus Fuhlendorff, ein von
Wiemersdorf, ein von Borstel. Sie haben folgenden Eid abgelegt:
»Ich schwöre einen eydt zu
Gott, daß Ich Fraue Wiebeke Krusen zum Hofe Bramstedt gehörige, in einem den
gesambten ächts Leutten übergebenen Verzeichnis aufgesetzte wischen, an einem
Theille, - und der Bramstedter N. in dem übergebenen Verzeichnisse enthaltenen
Wischen anderntheills, in fleißigen Augenschein nehmen, und meinem besten
Verstande nach aufsagen und ächten (schätzen) wolle, Wie vielle Bramstettische
große Fuder Hew (Heu) ein jedwede bey fruchtbaren nassen jahren, wie Viell
Fuhder bey unfruchtbaren truckenen Jahren ohngefehr tragen könne, item, welches
Theils Wische des andern Teil wische an Guetigkeit übertreffen und worin solche
übertreffende guete besteht, Und solches nicht umb gunst, gabe, forcht, haß,
neid, Freundschaft, Feindschaft noch sonst einiger Ursachen halber underlaßen
wolle. So war mir Gott helfen solle.« Am 17. Juni 1637 haben die beeidigten
estimatores (Schätzer) die Bramstetter Wischen nachfolgendermaßen
»geechtet«:
1. Jasper
Sturm und Hans Bolte haben eine Wische zusammen, die sie ein Jar
umb das ander gebrauchen, Hauswische genannt: gutes Jahr 12 Fuder, zwei
mal mähen, doppelt so gut wie die Hofwischen.
2. Dieselben
haben die »grote« Wische: 4 Fuder, zweimal mähen, doppelt so gut
wie Hofwischen.
3. Hans
Westphal, ein theil auf der großen Wische: 2 Fuder, sonst wie Nr. 2.
4. Claus
Hardtbeck, ein theil die Darlkampswische: 4 Fuder, sonst wie Nr. 2.
5. Johan
Steckmest, ein theil auf der Lobey (?) wischn: 30 Fuder, sonst wie Nr. 2.
6. Hinrich
Ordt, drei theil auf der Lobey wischn: 26 Fuder, sonst wie Nr. 2.
7. Hans
Polmann, Wische auf der Lobey, 4 Fuder, sonst wie Nr. 2.
Zwei Tage später in
gleicher Weise die dem Hofe Bramstett gehörigen Wischen abgeschätzt mit
folgendem Ergebnis:
1. Die
Ihlbeckswische: 3 Fuder, einmal mähen, mohrgrundt.
2. Die
Wehrwische bei der Osterowe: 1½ Fuder, zweimal mähen, ziemlich
guter grundt.
3. Die
lütte Rohrwische: 2 Fuder, zweimal mähen.
4. Die
lütge Woldtwische: ½ Fuder, zweimal mähen.
5. Die
große Woldtwische: 1½ Fuder, einmal mähen, mohrgraß.
6. Die
kleine Wiekhoft (?) wische: bei trocken Jahr 2 Fuder, bei naßen Jahr
1½ Fuder, zweimal mähen in guten Jahren; Heu muß davon getragen werden.
7. Die
Jagerswische: bei trocken Jahr 14 Fuder, bei nassen weniger, in gutem
Jahr zweimal mähen, mehrenteils mußgraß1), Heu muß davon getragen
werden.
_________
1)
Mäusegras.
268
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8. Die
große Wiekhoftwische: 8 Fuder, zweimal mähen, zumteil muß (Mäuse)
graß, in nassen Jahren Heu davon tragen.
9. Die Wische bey dem Hohenstege: 1 Fuder, zweimal mähen, fast mohrgrundt.
10. Die
Hogen övers Wische: 3-4 Fuder, zweimal mähen, zimlich guter grundt.
11. Die
Nettelkrögers Wische: 2 Fuder, einmal mähen, schlimmes Mohrgraß.
12. Die
Koehs (Goos?) Wische: 2 Fuder, zweimal mähen, aber nur die Hälfte;
halb Mohr, halb Sandt.
13. Die
Hamwers (?) Wische: 3 Fuder, zweimal mähen in guten Jahren, Heu
muß davongetragen werden.
14. Die
Striedtkampwische: 3 Fuder, zweimal mähen in guten Jahren, Heu muß
getragen werden.
Man erkennt mühelos, daß
bis dahin von einer Gutsgemarkung neben dem Fleckensareal durchaus nicht
die Rede sein konnte. Die vierzehn hier aufgeführten Wiesenstücke beweisen das
aufs beste. Erst durch diesen Austausch wurde eine zusammenhängende
Wiesenfläche aus dem westlichen Teil der Bramstedter Gemeindeflur zugunsten des
Gutes ausgesondert. Auch das war erst ein Anfang, der, obgleich im vierten
Jahre nach der Donation endlich bestimmungsgemäß in Angriff genommen, noch
nicht das Ziel erreicht hat. Denn die Bramstedter waren mit dem Austausch auf
vorstehender Basis nicht einverstanden: sollten sie doch für 82 Fuder Heu nur
49 wieder einheimsen. Doch ist eine Einigung über die Wiesenfrage anscheinend
noch 1637 zuwege gekommen. Das Gut hatte fortan die Bramauwiesen in seinem
Besitze, wie es auch bei der späteren Verhandlung über eine Schiffahrt auf
dieser Aue zutage tritt. Nebenher wird bei dem Aushandeln erwähnt, daß im
Dahlkamp noch »Busch« vorhanden sei, worunter wohl Wald zu verstehen ist. - Die
Ausweisung der einheitlichen »Holzung«, wie sie die Donation an Wiebeke
vorsieht, ist im einzelnen nicht nachzuweisen. Doch bestätigt 1649 der König,
daß er mit der Auftheilung des Holzes einverstanden sei; wobei mit Nachdruck
betont wird, daß die Bramstedter bestimmtes Holz zur Feuerung jährlich zu
liefern haben, »so lange von Frau Wibeke Krusen Leibes-Erben noch Einer das
Guth besitzen und bewohnen wird.« Die Bramstedter Bauern haben unter sich die
Holzaufteilung 1696 vorgenommen; von einer Beteiligung des Gutes ist dabei
keine Rede. Die Aufteilung von Acker, Weide und Moor fällt in spätere Tage.
Es wird angebracht sein,
nun Kenntnis zu nehmen von dem Zustande, in welchem sich das an Wiebeke
übereignete Gut befand, und zwar besonders in dem Stammteile, der in den alten
Papieren so oft als das Bramstedter »Vorwerk« bezeichnet wird. Amtsverwalter
Stemann gibt im Jahre 1740 »Ungefehrliche nachrichtung und Umbstende Arendt
Stedings zur Brambstede Hofes Ländereyen und pauren (Bauern) jetziger Beschaffenheit,
was man davon in Erfahrung bringen können, annotirt 15. Febr. 1631.« Wir
entnehmen daraus:
»Erstlich ist der Hof, so
zuvor mit einem Wonhaus und scheune bebauet gewesen, durch den Brandt ganz
gebloßet, also daß wenigh Befriedigung fast mehr vorhanden.
269
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Es liegen aber bei dem
Hofe 4 kleine Heller und Fischteiche, davon keiner besetzet, der Beste auch
nicht gestauwet. - Sonst sein darzu Belegenen, fünf Hufen Landes, daß also,
wenn die Gimpe oder Brackschlagenen1), deren 4 sein, und järlich
einer zugewonnen wird, Fünfmahll so viel Winter rogken als ein anderer Hofener
im Bleck Bramstedte kann geseyet werden; wäre, wenn erst die nötige
Mistreichung2) vorhanden, 5 Drompt Rogken, das eine Jahr mehr als
das andere, sintemahlen alles darzu gehöriges Land nicht aneinander, sondern
das eine stück umb das andere, zwischen der pauren stück undt Landt, als
gemeengutt, darauf das ganze Werk beruhet, belegenen. Wollte (man) also das
dritte Korn (als Ernte) anrechnen, würde ohne die saadt bringen 15 Drompt
Rogken, jeder
schepel
2
Mark....................................................................................................
360 Mark
Dazu
nach ähnlicher Schätzung =
Buchweitzen............................................ 144 Mark
Habern..................................................................................................................
81 Mark
Gersten.................................................................................................................
54 Mark«
Vorsichtig wird
hinzugefügt:
»Es muß gut Mist gestreuet
werden, sonst würde die Vermehrung an Wachßthumb wenig geben.«
Außerdem werden genannt
drei Koppeln, die nach allem angesehen werden müssen als das einst von Dirick
Vageth innerhalb der Fleckensgemarkung »innegehabte« Grundeigentum.
Über diese drei Koppeln
wird gesagt:
Die
größeste ist zu bemessen mit 3 Tonnen Roggen Ertrag............................
54 Mark
Die
zweite ist eine Moorkoppel, Roggen
Ertrag................................................ 27 Mark
Die dritte heißt die
Rummelß, wird nicht anders als zum grase gebraucht; auch ist das Heu, so darin
»wechst, nicht gar gutt«. An Heu können 115 Vouder im ganzen gewonnen werden.
Es können 100 Haupt-Viehes
gehalten werden, Schafe 400. Butter soll nicht verkauft, sondern vom Hofe
verbraucht worden sein. In der Hölzung werden 25 Schweine gemästet. »Sonnsten
(im übrigen) hat der Hof gerechtigkeit, an einem Bestimmten Orth, darinen
Haßeln Busch hauen magh, zu den Zeunen (Einfriedigung) zu gebrauchen.«
»Hiebey ist zum wißen, daß
Stedings Unterthanen in allen Dörfern zwischen, neben und unter den Königl.
Unterthanen, wi auch ebenmäßig seine Ländereyen das eine stück umb das andre,
zwischen den Königl. Untersaßen Acker alß mank guter (durcheinander) Belegene.«
Der Gesamtertrag wird
berechnet: An Geld 1519 Mark 6 Schilling, dazu Roggen Haur 23 Tonnen, item 11
Schweine, 23 Huener.
Am Schluß werden die zum
Hofe hörigen Hufner und Kätnerstellen genannt, wie wir sie bereits kennen; neu
ist, daß »1 Mann in Fuhlendorff« genannt und von den Kätnern zu Bramstedt
gemeldet wird, eine Katenstede sei wüst und sieben abgebrannt, und nur die
bloße »Stete« vorhanden.
__________
1)
Brachliegender Ackerschlag. 2) Düngung.
270
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Wir wissen bereits, daß
Christian IV. bald nach dem Kaufe die Instandsetzung des Wohngebäudes in die
Wege leitet. Schon 1632 wurden dafür dreißig Eichbäume aus dem Segeberger Forst
und 120 Tonnen Kalk aus Segeberg angewiesen. Auffällig erscheint es, daß
bereits nach 15 Jahren der König seinen Segeberger Amtmann von Buchwald
beauftragt, sich nach Bramstedt zu verfügen, »das Haus daselbst mit Fleiß zu
besichtigen, die Mängel festzustellen und Vorschläge zu machen, wie solche am
besten zu remedieren«. Der Befund nötigt zu umfangreichen Arbeiten. »Der
[An-]Schlag, wie viel Holtzwerk zu dem Port Hause, welches zu Bramstede für
Frau Wibken daselbst stehenden Hause soll gebauet und ferfertiget werden, nach
dem Abriß von unten bis oben muß verschaftet werden und wieviel in allem für
die Zimmerarbeit daraus verdient wird.« So betitelt sich ein Abschnitt aus dem
vom Amtmanne entworfenen Bauplan. Er betont, daß auch die Brücke, so bei dem
Hause über die Aue gehet, neu gemacht werden müsse. - Es folgen die
Vereinbarungen mit den einzelnen Handwerkern, die zum Teil von Wiebekes Bruder
Henneke (Hinrich) getroffen worden sind, in dessen Hand anscheinend die
Gutsverwaltung gelegen hat. Die vorliegenden Rechnungen geben ein ungefähres
Bild von dem Umfang der Bauarbeiten. Danach beträgt die Zahlung:
an
die
Zimmerleute....................................................................................
1 970 Riksdaler
an
die
Tischler............................................................................................
491 Riksdaler
an
die
Mauerleute......................................................................................
1 689 Riksdaler
an
die
Grobschmiede.................................................................................
461 Riksdaler
für
Mauer- und
Dachsteine.....................................................................
1 125 Riksdaler
für
Muschel-Kalk......................................................................................
403 Riksdaler
Der Schlosser leitet seine
Rechnung ein mit den Worten:
»Anno 1647 an dat olde
huuß tho bramstede gearbeitet, wo folget.« Wir sehen, daß es sich um das heute
noch stehende Tor-(Port-) Gebäude handelte, nicht aber um einen Neubau.
Der Umbau erfolgte in
einem Zeitpunkt, wo Wiebekes Abschied vom Gut bereits nahegerückt war, wo Land
und Amt und Kirchspiel eben erst die schwere »zweite Schwedenzeit« erlitten
hatten. Wer trug die Kosten des Baus? Frau Wiebeke aus ihren Ersparnissen?
»Diese Arbeit soll aus dem Amtsgefälle bezahlt werden.« So vernehmen wir's vom
besorgten Amtmann von Buchwaldt, der dem königlichen Herrn berichtet: Das Holz
ist angefahren, Plankwerk und ein gut Teil der Brücke ist fertig, und der
Zimmermeister arbeitet an dem Holz zum »Pfordthause«. - Aber die Arbeitsleute
wollen sich nicht gedulden, bis man Geld vom Amt erhebet. Stündlich fordern sie
ihren Lohn. Weil nun wegen geschehener Devastirung (Verwüstung) das Amt in
diesem Jahr außer dem, was der (Kieler) Umschlag1) gebracht, wenig
eingegangen, auch wegen der »fürgangenen, grausamen« Feuersbrunst die Leute
verstreuet, die Dörfer verwüstet darniederliegen, Armut und Elend allenthalben
zu sehen ist: so kann wenig Geld von den armen
_________
1)
Durch Jahrhunderte Hauptzahltermin in Holstein für Zins, Pacht und andere
Lasten, sonderlich für die adeligen Güter.
271
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Leuten erhoben werden.
Gleichwohl vermöge er ohne Geldmittel »dieses Bauwesen« nicht zu fördern.
So ist es mühselig
vorangegangen, indessen geschafft worden. 1652 hat Claus von Ahlefeldt, hoher
dänischer Offizier, von seinem königlichen Herrn Friedrich III. die Bestätigung
aller Privilegien erhalten, die ihm als Besitzer des Bramstedter Gutes
gebührten. Erlangt hatte der den Besitz durch seine Heirat mit Elisabeth Sophie
Güldenlöw, einer Tochter von Wiebeke Kruse. Der Tag der Übereignung liegt wohl
um 1648, Wiebekes Todesjahr. Drei Jahre später kündigt sich grollend das
Gewitter an, das später über Guts- und Fleckensbewohner sich entladen sollte.
Im Jahre 1651 wenden sich die ehemals königlichen Bauern und Kätner, die durch
Christian IV. dem Gutshofe zugeteilt worden sind, beschwerdeführend nach
Kopenhagen. Der Herr Generalmajor verlange alle möglichen Dienste von ihnen,
die sie bisher nicht geleistet haben. Sie zahlten jährliches Dienstgeld, und
zwar der Baumann (Bauer) 36 Mark und der Kätner 12 Mark. Jetzt kommen hinzu
Pferde-, Fuhr- und Wagendienste, auch Leib-, Hand- und Frohndienste. Ahlefeldt
wird vom König aufgefordert, zu berichten. Da gerät er in hitzigen Zorn gegen
die Supplikanten, fordert sie zu sich und sperrt sie einzeln ein. Mit harten Worten
fährt er sie als treulose Rebellen an und bedroht sie für den Fall, daß sie ihm
nicht Folge leisten oder wieder Klage gegen ihn führen sollten. Er hat ein
vorbereitetes Formular mitgebracht, das er ihnen vorliest, und dann fordert er
eine feierliche Erklärung, daß sie künftig nach dem Gehörten sich richten
würden. Etliche haben sich einschüchtern lassen und gehorcht; etliche sind
standhaft geblieben, ohne freilich etwas zu erreichen. Der Gutsherr verlangte
ihre Dienste wie bisher. - »Als sie nicht wollen, läßt er ihnen von seinen
Dienern das Feuer auf dem Herd ausgießen.« -
Ihre erneute Bitte an den
Landesfürsten gipfelt darin, daß sie, die ehemals freien Leute und Besitzer von
Haus, Hof und Ländereien, befreiet werden von allen Lasten, mit denen sie beim
acte translatione gravirt (bei der Übergabe beschwert) worden. - Die Antwort
hierauf liegt nicht vor. Doch ist sie praktisch ja gegeben in der oben
gemeldeten Bestätigung der dem Gute anhaftenden Adelsrechte. Der König mochte
sich wohl gebunden fühlen durch seinen Vorgänger Christian IV., von dem
urkundlich1) berichtet wird, daß er Anno 1633 aus dem Amte Segeberg
»7 Hufen zu diesem Gut gelegt mit der Condition, daß dieselben eben die
Dienste gleich wie von andern adelichen Unterthanen des Ohrts geschehen, leisten
sollten.« Daneben scheint allerdings der Gutsbesitzer beim König in guter
Gunst gestanden zu haben. Ein Schreiben Friedrich III. bekundet das. Er
beauftragt seinen Amtmann: »Demnach die Unsern General über unsere Milice
Norwegen, Claus von Ahlefeld, zustehende Mühle zu Bramstedt ganz baufellig und
unümbgänglich wiederumb repariret werden muß, so soll er Holz dazu aus den
Königl. Holzungen zu Segeberg und Rendsburg bekommen.« Bald verweigern die
Bramstedter Untertanen des Generals, ihm das »Mattenkorn«
__________
1)
Kieler Staats-Archiv Akte B IX 3 Nr. 142 Bl. II.
272
--------------------------------------------------------------------------------------
zu
fahren. Es folgt ein Vertrag, der Fleckens- und Gutsangehörige in gleicher
Weise mit Spann- und Handdiensten zur Mühle verpflichtet1). Unter
Friedrich III. ereignete sich nun das, was in der Folge zu den schweren Kämpfen
zwischen dem Flecken und dem Gutsherrn führen sollte, die für das Schicksal der
Bramstedter von einschneidendem und dauerndem Einfluß geworden sind:
Bramstedt
wird auf unbestimmte Zeit verpfändet
Der darüber ausgefertigte
Kaufbrief vom 30. April 1665 soll seiner großen Bedeutung wegen hier
vollständig bekanntgegeben werden.
König Friederich des
Dritten und Graf Königsmark über einige Pertinentien des Amtes Segeberg.
Beständiger und
unwiderruflicher Erbkauf.
Es handelt sich um »Güter«
im Kirchspiel Segeberg und im Kirchspiel Bramstedt.
a) im Kirchspiel
Segeberg die beiden Schäfereien Zum Falkenhagen und Fuhlenrühen; davon gibt
die erste jährlich 76 Riksdaler, die andere jährlich 52 Riksdaler.
Dann wohnt dabei Marx
Voss, ein Zubauer, welcher jährlich gibt: Grund-Häur 1 Riksdaler, Wisch-Häur 1
Riksdaler 8 Schilling, 2 Rauchhühner vor 16 Schilling, ein halb Herrn-Schwein
vor 24 Schilling, Dienst-Geld 4 Riksdaler, zufällige Anlage 3 Riksdaler.
Auf Hasen Mohr wohnt Hans
Mohr, ein Zubauer, welcher jährlich gibt: Grund Häur 7 Riksdaler 3 Schilling, 2
Hühner 16 Schilling, ½ Schwein 24 Schilling, Dienstgeld 4 Riksdaler, zufällige
Anlage 3 Riksdaler.
Auch Hermann Hohn,
Zubauer: 1 Riksdaler 26 Schilling, 16 Schilling, 24 Schilling, 4 Riksdaler, 3
Riksdaler. -
Die dabei liegende
Hölzung, genannt Schirlohe, Adebahrlohe, Große Stücklohe, Oldesloer Lohe,
Westerwege, Beide Wasserlohe, Schmalenbende in Pannen, Mehrlohe,
Schaup(Schap?)lohe, Westerlohe, zusammen vor 2000 Riksdaler.
b) Im Kirchspiel
und Flecken Bramstedt 13 Hufener, 22 halb Hufener und 33 Kahtener, nemlich:
Die Hufner Hans
Fuhlendorp, Harmen Götsche, Eggert Bolte, Johann Röhlfinck, Claus Steckmest,
Claus Maaß, Max Dammann, Hinrich Bolte, Frenss Harbeck, Jochim Stut, Johann
Steckmest, Hinrich Westphalen, Ties Langhinrichs geben jeder jährlich vor
Kalk-Fuhren 7 Riksdaler 24 Schilling, Grund-Hauer 13 Schilling, 1 Herrn Schwein
1 Riksdaler, 1 Rauchhuhn 8 Schilling, Dienstgeld 10 Riksdaler, zufällige Anlage
6 Riksdaler,
Die 22 Halbhufner Hans
Schack, Hans Wulf, Berend Jnuth, Johann Hartbeke, Hans Fink, Jasper Hennings,
Jacob Sebelin, Hans Fölster, Marx Lindemann, Hans Völster, Abraham Langenauer,
Claus Hohn, Claus Wichmann, Hinrich
__________
Siehe Artikel »Mühle«.
273
--------------------------------------------------------------------------------------
Körner, Albrecht Bartels,
Simon Maaß, Jürgen Pohlmann, Carsten Trede, Claus Wichmann der ältere, Röttger
Lindemann, Tim Westphalen, Casten Hein zahlen jährlich jeder: Grund Hauer 8
Schilling, ½ Herrn Schwein 24 Schilling, 1 Rauchhuhn 8 Schilling, Dienst Geld 5
Riksdaler, Anlage 3 Riksdaler.
Die 33 Kätner Hans
Brockstede, Jasper Wulff, Hinrich Fölster, Hans Steckmest, Tim Langhinrichs,
Carsten Fölster, Hans Hammer, Ahrend Wulff, Casper Harbeck, Margreta Wolters,
Gerdt Wulff, Matten Harmen, Jaspar Stüven, Hans Brokstede, Hinrich Beyer,
Bartold Giseler, Claus Bluncke, Hartig Stäcker, Timm Fehrs, Hinrich Lindemann,
Hans Westphal, Claus Brockstede, Marx Röwer, Johann Hamerich, Metje Hartmann,
Wibeke Steckmest, Gerd Wulf, Detlef Holm, Jochim Wulf, Dirik Maaß, Hans Rawe,
Röttger Lindemann, Hans Röwer zahlen jährlich: Verbittels1) Geld 1
Riksdaler, Dienst Geld 2 Riksdaler, 1 Rauchhuhn 8 Schilling. Und das alles wird
übergeben, wie solche Güter
in ihren Enden und
Endscheiden an Wiesen, Äckern, Heiden und Weiden beschaffen, begriffen und
belegen, auch mit allen Pachten, Diensten, Brüchen, Hölzungen, Fischereien und
allen übrigen Einkünften, wie sie Namen haben mögen; ingleichen mit aller
Hoch-, Frei- und Gerechtigkeiten, Hoch- und niedrich Jagten und niedrig Gericht
an Halß und Hand und gleich wie Wir sie bisher zum freiesten genutzet und
gebrauchet:
umb und vor Ein und
Zwantzig tausend, Zwei Hundert Neun und fünfzig Reichsdaler 31 Schilling, sage
21 259 Reichsdaler 31 Schilling Kauf-Geldes verkaufen und überlassen, auch
hiemit nochmahlen Vor Uns und Unsere Königliche Erb Successores, dem Käufer und
seinen Erben solch obberührte Güter samt denen dazu gehörigen Pertinentien
dergestalt und also, daß er dieselben alsofort übernehmen zu seinem und seiner
Erben Nutzen, Besten und Frommen und
gleich
andern Adelichen Dörfern und Unterthanen
genießen und gebrauchen,
auch die Verbesserung deren an Leutten, Nahrung oder wie das Nahmen haben mag,
aufs beste suchen und solche Güter mit allem Zugehörigen hinwiederum vereußern,
veralieniren2), versetzen, verpfänden und verkaufen mögen, maßen
(wie) wir dann denselben und seine Mitbeschriebenen in die würkliche und
geruhige Possession, Besitz und Gebrauch obgedachter Güter und deren
Pertinentien Kraft dieses nicht allein einführen und setzen, besonderen wir und
unsere Königliche Erb-Successoren wollen auch gehalten (verpflichtet) sein,
dafern Er, der Käuffer und seine Erben wegen Besitz, Nutz- und Gebrauchung
dieser Güter Künftig von jemand angefochten und gekränket würde, Ihm und seine
Mitbeschriebenen dieselben gebührlich zu evinciren (als rechtmäßig erworbenes
Gut ausweisen) und zu gewähren, auch in - oder außerhalb Gerichts ohne einige
seine und der seinen Kosten, Schaden wider den - oder dieselbe, so sich dessen
unternehmen würde, zu vertreten, zu entfreien und schadlos zu halten.
_________
1)
Schutzgeld.
2)
veräußern.
274
---------------------------------------------------------------------------------------
Der König behält sich sein
höchstes Gericht, Contribution und Ausschreibung des Ausschusses1)
vor. Jedoch solcher Ausschuß nicht eher, als wenn der Roßdienst in den
Fürstentümern aufgeboten oder derselbe sonsten etwan Gegen den Feind zu
gebrauchen nötig sein wird, zu Unseren Diensten allein aufgefordert2),
inmittelst (indessen) aber in Friedenszeiten von dem Festungsbau eximirt
(verschont) werden.
Will der König oder
Successores zurückkaufen, so ist der Vertrag ein Jahr vorher aufzukündigen. Die
Unterthanen sollen nicht »bemächtiget« sein, ohne Vorwissen des Käufers von
ihren Gütern auszutreten, damit dadurch keine wüsten Hufen gemacht werden. Die
Unterthanen sollen schuldig sein, nach der Mühle, dahin sie gehören, hinfüro
weiter zu fahren, auch der Kirche den Pastorn und Küstern ihre Gebühr und
Pflicht nach als vor zu geben.
Der Kauf Schilling 21 259
Riksdaler 31 Schilling ist entrichtet.
Der vorstehende Vertrag
ist, indem er die Aufkündigung vorsieht, als Verpfändungsdokument zu
bezeichnen. Übereignet werden die Abgaben und Dienste, wie sie bislang dem
König zu leisten waren, nicht das Eigentumsrecht an Grund und Boden. Nicht ist
von Leibeigenschaft die Rede. Doch wird der aufmerksame Leser zwei Punkte des
Vertrages als bedenklich, weil verschiedener Deutung fähig, nicht übersehen
haben.
a)
Der
Käufer soll die verpfändeten Güter nutzen dürfen gleich andern adeligen Dörfern
und Untertanen.
b)
Ohne
sein »Vorwissen« soll niemand seinen Besitz veräußern dürfen, »damit nicht
wüste Hufen entstehen«.
Man muß zugeben, daß
dieses »Vorwissen« nicht nur dann den gewünschten Zweck erzielen konnte, wenn
es als eine »Genehmigung« aufgefaßt und somit zu einer wesentlichen
Freiheitsbeschränkung wurde.
Jede Unklarheit in Fragen
des Rechts trägt in sich die Gefahr künftigen Unheils. Leider sollte sich das
auch diesmal bitter bestätigen, wenn auch in vollem Ausmaße erst nach zwanzig
Jahren, wo Graf von Kielmannsegge Inhaber der Pfandrechte wurde.
Freilich berichtet Jürgen Fuhlendorf, über den wir bald mehr erfahren werden,
daß schon unter Graf von Königsmark die Lage der Fleckensbewohner sich
erheblich verschlechtert habe. Denn dieser »ließ sie erst durch Cornelius
Hartog und dann durch Matias Böttger - sicherlich seine Rechtsvertreter - hart
pressen und machte sie ganz unvermögend«. Doch verlangt die Wahrheit, zu
berichten, daß gleichzeitig Christian V. durch seine Maßnahmen durchaus in
gleichem Sinne die Lage der Bramstedter beeinflußt hat. Entgegen der
Pfändungsakte hat er die »versetzten Einwohner« mit starker Einquartierung
belastet und daneben die jährliche Contribution so hoch gesetzt, »daß es fast
den Unterthanen unmöglich gewesen, dieselbe zu bezahlen«. Das Amt und seine
Bewohner, »vorhin die berühmtesten, sind unter den Königlichen
Unterthanen in Holstein fast die
__________
1)
Aufwendungen infolge von Beschlüssen der schleswig-holsteinischen Landstände,
besonders
das Kriegswesen betreffend.
2)
Der Ausschuß hat erst dann zu beschließen, wenn der König das verlangt hat.
275
---------------------------------------------------------------------------------------
aller Elendesten und
unvermögendsten geworden.« So wird es verständlich, daß die Pfandrechte bald
zum Handelsgegenstand wurden. Graf von Königsmark vertauschte sie gegen ein Gut
in Schweden, und nachdem ist das Eigentumsrecht über Copenhagener
Spekulantenhände an den Grafen von Kielmannsegge übergegangen, und zwar
im Jahre 1685, wie Jürgen
Fuhlendorf bezeuget.
Dieser Graf hatte 1684 die
Enkelin Wiebeke Kruses, Christine Sophie, nachdem diese ihre Ehe mit dem
Obersten Claus von Oertzen gelöst hatte, geheiratet. Auf diese Weise war er in
den Besitz des Gutes Bramstedt gekommen. So unterstanden nun Gut und Flecken in
wichtigen Angelegenheiten dem gleichen Herrn. War dieser Herr auch nicht in der
Lage, die Rechtsform der hergebrachten Fleckensverwaltung zu beseitigen oder zu
ändern und dem »vereinigten Bramstedt« in dieser Hinsicht ein einheitliches
Gepräge zu geben, so hat er doch nichts versäumt, was dazu dienen konnte, den Flecken
»gleich andern adeligen Dörfern« zu nutzen und zu bedrücken. Man muß bedauern,
daß das alte Fleckensbuch aus dieser kritischen Zeit nichts zu melden hat. Über
die Jahre 1683-1689 bleibt es überhaupt stumm. Dann folgen wieder die üblichen
Berichte, doch nichts, was auf den Kampf mit dem Gutsherrn hindeutet. Doch soll
man daraus nicht eilfertig Schlüsse ziehen; denn unsere Vorfahren jener Tage
führten lieber den Pflug als die Feder, so haben sie beispielsweise auch in den
Jahren von 1654-1673 nichts einzutragen beliebt, abgesehen von einer kurzen
Nachricht über ihre Steuerbelastung.
Um so erfreulicher, daß
Jürgen Fuhlendorf, der Führer der Bramstedter Bauern in jener dunklen Zeit,
einen eindringlichen, treuherzigen und wahrhaften Bericht hinterlassen hat.
Angesichts der Tatsache, daß darin nichts enthalten ist, was mit irgendeiner
Urkunde in Widerspruch stände, wird es zur Pflicht, das geistige Vermächtnis
dieser markigen Heldengestalt der Chronik einzuverleiben. Das ist geschehen im
Abschnitt »Jürgen Fuhlendorf«.
Zehn Jahre lang hat sich
der Kampf der Fleckensleute gegen Kielmannsegge hingezogen, also bis 1695. Die
Ablösung vom Gutsherrn ist teuer erkauft worden; aber die Bramstedter hatten
Ursache, sich des Sieges zu freuen: sie waren wieder freie Bauern und Bürger.
Kielmannsegge
aber hat bald das Feld geräumt, und schon 1698 ist das Gut verkauft worden an
den Oberstleutnant Baron von Grothe. Der Donationsurkunde von 1633 gemäß
konnten die Wassermühle und der »Ort Gayen« nicht mit veräußert werden, da sie
ausdrücklich den Leibeserben Wiebekes vorbehalten waren. So hat denn die
Enkelin Christine Sophie, nachdem auch ihre Ehe mit Kielmannsegge geschieden
war und sie sich zum drittenmal verheiratet hatte, als Frau Baronin von Dieden
in dem Wohnhaus der Mühle ein bescheidenes Dasein geführt. Darüber wird
berichtet unter dem Titel »Die alte Bramstedter Mühle.« Frau von Dieden hatte
aus ihrer ersten Ehe eine Tochter, Charlotte Friederike von Oertzen, Söhne
überhaupt nicht. Da diese Tochter den in Ungarn seßhaften Grafen Thomas Theodor
von Schmidegg heiratete, war am Orte nach dem Ableben der Frau von Dieden kein
Nachkomme Wiebke Kruses mehr vorhanden.
276
---------------------------------------------------------------------------------------
Die
von Schmidegg haben bis um die Mitte des vorigen Jahrhunderts als Nutznießer
der Mühle samt Gayen ihre Rechte in Anspruch genommen.
V.
Die späteren Besitzer des Gutes
Hier
beschränken wir uns auf eine tabellarische Aufstellung, um danach besondere
Ereignisse und Zustände, die für die Chronik noch in Betracht kommen, in
zusammenhängender Darstellung zu bringen.
1. Oberstleutnant
Baron von Grote 1698-1751.
2. Baron
von Printz, der das Gut nach dem Tode seiner Tante Baronesse von Grote als
Erbteil angetreten. 1751.
3. Graf
Christian Günther zu Stollberg, Amtmann des Amtes Segeberg, 1751 bis 1756.
Danach als Hofmarschall der Königin-Witwe nach Kopenhagen um gesiedelt.
4. Regierungsadvokat
Markus Nicolaus Holst, 1756-1774.
5. Ferdinand
Lawätz, Justizrat. 1774-1796. Ihm verdanken wir allerlei Nachrichten über das
Gut. Ebenso die schönen Alleebäume an der Westseite des Marktplatzes, die er im
Einvernehmen mit dem Flecken gepflanzt hat. Er hatte für 25 000 Taler gekauft.
6. Professor
Meyer, ein Hamburger, 1796-1840. Dessen Erben haben das Gut zunächst Verwaltern
überlassen, es aber nach zwei Jahren für 48 000 Taler verkauft an
7. Landdrosten
von Lütken. (Der Professor hatte es für 40 000 Taler erworben.)
8. Graf
L. von Kielmannsegge, wohnhaft zu Wunstorf in Hannover, ist der nächste Käufer
gewesen, und in seinem Auftrage hat der Mühlenbesitzer N. F. Paustian durch
eine Reihe von Jahren das Amt eines Gutsinspektors ausgeübt.
9. Im
Jahre 1857 hat Paustian das »Schloß« mit den in der Bramstedter Feldmark noch
gutseigenen Parzellen käuflich erworben; auch das Wiesengelände an der
eigentlichen Bramau gehörte dazu; ebenfalls der Hof Bissenmoor ist in seinen
Besitz übergegangen, doch recht bald gegen zwei »Erben« in Altona vertauscht
worden.
Damit ist keineswegs das
alte adelige Gut, wie es einmal Wiebeke Kruse geschenkt worden ist, sachlich
und rechtlich wiederhergestellt worden. Denn seit Wiebekes Tagen, und
vereinzelt schon zu ihrer Zeit, war inzwischen manche Parzelle durch Kauf
abgetrennt und zu freiem Besitztum geworden. Noch kurz vor Paustians Eintreten
hatte Joh. Langhinrichs eine Achtelhufe aus dem Stammbesitz des Gutes gekauft.
Da aber Paustian auch Eigentümer der alten Wassermühle und des »Land Gayen«
war, vereinigte er nunmehr in seiner Hand ein Besitztum an Grund und Boden, das
in der Fleckensgemarkung entfernt nicht seinesgleichen fand. Da das »Schloß« am
Marktplatz in seiner äußeren Gestaltung und auch in seiner inneren Einrichtung
den Schimmer alter Romantik in unsere Zeit hinübergerettet hat, so blieb diesem
Besitztum der Glanz, etwas Besonderes zu sein, noch lange
277
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erhalten, zumal N. F.
Paustian es wohl verstand, durch seine Persönlichkeit an sich, wie auch durch
seine Leistung als Landmann, sich den Respekt der Mitbürger zu sichern. Als
Fünfundneunzigjähriger ist er im Jahre 1920 heimgegangen. Heute besteht
Paustians Gut nicht mehr. In viele Hände sind seine Ländereien übergegangen.
Dem Wanderer ist das alte »Schloß« der letzte Zeuge vergangener Zustände. Und
den Forscher überzeugt die Flurkarte mit ihrer Abteilung »Hoffeld«, daß das Gut
Bramstedt mehr als ein Traum gewesen ist. Aber wie das »Schloß« bereits seit
Jahren gemeinnützigen Zwecken dienstbar ist, so liegt auch die Gemarkung
Bramstedt wieder einheitlich, wie es höchst wahrscheinlich auch ursprünglich
der Fall gewesen sein wird, in der Hand fleißiger Ackerbauern, die als
selbständige und selbstbewußte Männer, fern allem Frondienst, in gesteigerter
Kraft ihren redlichen Anteil zum Blühen des Gemeinwesens beitragen.
VI.
Wie stand es um die Leibeigenschaft auf dem Gute Bramstedt?
Im holsteinischen Lande
ist die Leibeigenschaft nicht eine Überlieferung uralter Tage. Erst nach der
Reformation ist sie hier eingeführt worden, und zwar zuerst und hauptsächlich
an der gesegneten Ostküste, wo nach Niederwerfung der Wenden (Wagrier) adelige
Güter in großer Zahl entstanden waren. Hier ist die Knechtung der
Gutsuntertanen in einem Umfange und mit einer Strenge ausgeübt worden, die zwar
den Leibeigenen nicht völlig zum rechtlosen Sklaven machte, aber ihn auch wenig
über der Stufe des »lebenden Inventars« erscheinen ließ. Die wichtigsten
Merkmale seiner Rechtslage seien hier erwähnt: Er war an den Boden seines
Gutsherrn gefesselt; er stand wesentlich unter der Gerichtsbarkeit seines
Herrn; er mußte Prügelstrafe hinnehmen; er brauchte zur Heirat die Genehmigung
des Herrn; er ging bei einer Besitzänderung ohne weiteres in das Besitztum des
Rechtsnachfolgers über; auch stand es ihm nicht frei, etwa seine Kinder
andernorts oder in anderem Berufe sich betätigen zu lassen. Andererseits konnte
er Eigentum erwerben, konnte beim Königlichen Obergericht Schutz suchen, und
endlich hatte er den Anspruch auf Gnadenbrot.
Es verdient betont zu
werden, daß nicht schon mit der Gründung deutscher Güter auf dem eroberten
Besitz der Wenden die Leibeigenschaft ins Leben getreten war. Pastor Bruhns
Chronik der Kirchengemeinde Schlamersdorf, in der Hauptsache die Entstehung
solcher Güter nachweisend, stellt fest, daß vor dem Jahre 1524 dort eine
Leibeigenschaft nicht bestanden hat. Erst die durch die Einführung der
Reformation herbeigeführte Umwandlung des klösterlichen Besitztumes in
weltliches Gut hat der Sache den rechten Boden verschafft.
In welchem Zeitpunkt diese
unheilige Rechtsordnung auf dem hiesigen Gute sich eingenistet hat, ist nicht
genau anzugeben; auch ist es nicht möglich, im einzelnen nachzuweisen, in
welchem Ausmaß die Gutsherrschaft hierorts ihre Macht ausgenutzt hat.
278
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Nachstehende Bitt- und
Klageschrift wird wohl den Leser in der Vermutung bestärken, daß schon zur Zeit
des Stedinghofes die Leibeigenschaft, wenigstens in gedämpfter Form, hier
Wurzel geschlagen hatte.
Aus
Gerhardt Stedings Zeit
Einer der Hitzhusener
Untertanen des Stedinghofes wendet sich 1586 in demütigster Weise an seinen
König mit der Bitte, ihm beizustehn gegen die Übergriffe seines adeligen Herrn.
Nennen wir ihn mit seinem Rufnamen Henneke; der Familienname ist unleserlich.
Als »Armer Alter Mhan« führt er sich ein und beteuert, er würde die Majestät
nicht belästigen, »Wo ihn nicht die gar unvorbeigehende nodt Unde große
beschwernuße so von dem Erbaren und Vesten Gerhardt Stedinge ihm wider Recht
und billichheidt aufgedrungen, dahin genötiget«. Viel mehr als von dessen
Vorfahr (Fuchs) werde er mit schweren unleidlichen Pflichten beschwert. Alle
Jahre müsse er ihm, ob mastunge (Futterkorn) vorhanden sei oder nicht, ein
Schwein geben.
»Und da Ich kein Schwein
so groß habe, alß ehrs begheret, muß Ich eines kauffen, Und Ihmen geben.« Zudem
müsse er den Winter über einen Ochsen »ausfüttern«, welches alles bei Zeiten
seines Vorfahren nicht geschehen. Er aber beschwere ihn mit neuen Lasten und
lasse sich nicht »ersweigen«. 1) Sondern »alß Ich im Jarr 84 von einer frawen,
Greitke Gryps geheißen, auch unter Ihnen wohnende, Zehende (10) Halbstücke
Ackers mit einem zugehörigen Wisch Deill gekauft, Und ich daßelbe Landt zum
theill verscheenen (letzten) Jahres mit Bookweitzen beseyet gehabt, hatt ehr
mir solchen boockweitzen auf 40 r. (Rigsdaler) gesetzet, durch seine andere
Leute in Ihre behausungen führen (lassen). Und nun den Acker, so Ich von
gedachter Greitken Gryps gekauft, wiederumb beseyhen laßen, denselben mir Also
gewaldtsamer Weyse vorentheldt. Und ob wol ich Ihmen durch 4 Leuten bitten und
anreden laßenn, er möchte mir den Boockweitzenn betzalenn Und auch die 150
Daler, so Ich der frawen vor den Ackerland« habenden Zeitten gegebenn,
wiederumb entrichten, Alsdann Ich Ihmen denselbe gerne gönnen mügte und willige
abtreten wollte.
Ich habe aber bis auf
diesen heutigen Tag doch nichts bekommen können. Derowegen Euer Könn. Mayst. als
meine Hohe Obrigkeidten solliches Underthenigst zu clagende Ich geursachet und
hardt gezwungen, Euer Könn. Mayst. hiermidt in unterthenigster dienstlichster
demuth und lauter (rein) umb Gottes willen anruffen und bittende, dieselbe
wollen gnedigstes einsehenn thuen, das Ich meinen Bockweizen von Gerdt Stedinge
bezahldt erlangen, bei meinem gekauften Acker gerüglich (ungestört) gelaßen,
Oder aber so ferne ehr den Acker wolle behaltenn, mir meinen aufgelegten Kauf
Pfenning, nemblich 150 Daler, hinwiederumb erstatten. Und auch der gemeldten
beschwerunge verschonett bleiben möge. Das wirdt der Allmächtige umb E. K. May.
reichlich vergelten. Ich bins
__________
1) Soll wohl heißen: nichts
abbitten.
279
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mitt meinem vleiß on
gebett gegen Godt zu verdienen underthenigst schuldig. Und Euer K. M. zusambt
deroselben vielgeliebtenn Frau Gemhall und Königinn auch deroselben junge
Herschaftenn, dem Allerhögsten in langer zeitlicher und Ewiger Wolfartt leibes
und der Seelen zu fristen und erhalten, underthenigst empfelen.«
Wilster, den 26. Juni 1586.
Leider fehlt die Antwort
des Landesherrn, ebenso eine Stellungnahme von Stedings Seite. Doch ist
Hennekes Schriftstück an sich so charakteristisch nach Inhalt und Form, daß es
der Leser wohl gern zur Kenntnis nimmt. - Auch stellen wir fest, daß Gerdt
Steding 1585 im Besitze des Gutes gewesen sein muß. –
Durch die Donationsurkunde
vom 15. Oktober 1633 ist Wiebke Kruse Besitzerin des Gutes geworden, nachdem
der König dieses um sieben Hufen aus dem Amte Segeberg vergrößert hatte. Es
wird ihr ausdrücklich zugesichert, daß die Dienste von den Untertanen überall,
gleich wie solches von den andern (bisherigen) adeligen Untertanen des
Landes geschieht, abgehalten und geleistet werden sollen.
Es ist die Deutung
naheliegend, daß das Pflichtverhältnis der am Orte Ansässigen nicht
übereinstimmte mit demjenigen der in den Kirchspielsdörfern angesiedelten
Gutsangehörigen. Wie diese Unterschiedlichkeit geartet war, das entzieht sich
aktenmäßigem Beweis. Auf jeden Fall wird die beglaubigte Abschrift eines von
Wiebeke mit einem ihrer Untergebenen abgeschlossenen Kaufvertrages ein wenig
Licht geben.
»Demnach ich
untergeschrieben habe Johan Hartmann in Hitzhusen vergönnet, in Meinbeck ein
Neu Haus zu bauen. Also soll er mir geben Jährlich grund Hauer vor den
Belegenen Teich Bey seinem Hause, sampt rötger1) seinen Kohl Hoff, und dann
grundt Hauer vor den Hoff, da sein Hauss stehet, so weit er's itzo aussgerotten
(gerodet) hat, und dan ein Klein Blick wischlandt, Belegen Bey des Vogts Teich,
Jehrliches 6 Mark; vorbittelgeld 12 Schilling und ein Rauch Hun, und dan 4
Reichstaler Dienstgeld damit soll (er) jährliges quitiret (frei) sein wegen
aller Hoffdienste. Sein Haus zu vor Kauffen, versetzen oder verpfänden, wann er
Jährliges nur meine Abgifft davon Entrichtet, und weilen es an Itzo noch nicht
bewonet, also habe ich ihm dass Dienstgeld zwey Jahr nachgegeben. Urkundlich
mit meiner Eigenen Handt untergeschrieben.« Datum Glücksburg, den 14. September
Anno 1643.
Wibeke
Krusen
(Lawaetz bestätigt die
Richtigkeit)
pro vera copia: F. O. V. Lawaetz
Abgesehen davon, daß es
uns nicht möglich ist, den tatsächlichen Wert des von Wibke verkauften Grundstücks
und daneben das Gewicht der dem Käufer aufgepackten Belastung zu erkennen,
sehen wir doch, daß Hartmann bisher Hofdienste hat leisten müssen. Tritt nun an
deren Stelle das Dienstgeld, so ist er wohl damit hinsichtlich der
Belastungsform in die Reihe der dörflichen Gutsuntertanen eingerückt.
__________
1) Rötger (auch Rötker),
Bewohner der Vikarie, eines früher der Kirche eigenen Hauses.
280
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Durch Kaufbrief vom 12.
Februar 1698 überlassen Wiebekes Erben das Gut mit allen leibeigenen
Untertanen, Hufnern und Kätnern, sie befinden sich daselbst (in Bramstedt) oder
nicht; die Vindikation (Inanspruchnahme derselben) wird dem Käufer - Baron von
Grothe - ungehindert gelassen.
Drei Monate später wenden
die Eingesessenen der Dörfschaften Weddelbrook, Hagen und Hitzhusen sich an die
Landesregierung zu Glückstadt mit einer Beschwerde gegen den Baron und
Oberstleutnant von Grothe. Er behandelt sie als Leibeigene, da sie doch freie
Leute wären, auch als solche ihre Kontribution zahlten und statt der
Hofdienste ein gewisses Dienstgeld entrichteten. Sie bitten zugleich, dem von
Grothe zu untersagen, daß er wider die hergebrachte Freiheit sie so
beschwere, sie und ihre Nachkommen als Leibeigene traktiere und als Sklaven
ohne Entgelt zu seinen Diensten gebrauche oder zu dem Dienstgeld auch noch
Herrendienste fordere. Der Prozeß in dieser Angelegenheit hat sich durch Jahre
hingezogen; entstehende Kriegsunruhen haben ihn einschlafen lassen. Nach
Abschluß des nordischen Krieges haben die Weddelbrooker die Sache wieder
aufgenommen. Eine Entscheidung scheint ausgeblieben zu sein. Unter der
Herrschaft des Oberstleutnants und danach seiner Witwe von Grothe war dem Gute
keine Blütezeit beschieden. Nach dem Bericht des bereits erwähnten späteren
Gutsbesitzers Ferd. Lawaetz, dem etliche alte Gutsakten zur Verfügung gestanden
haben, sind derzeit viele Hufen »wüst« geworden. Die Ursache will Lawaetz nicht
dem Kriege allein zuschieben. Die Folge dieser Gutsflucht war, daß viel freie
Leute ins Gut hineinzogen. Die Baronesse, dauernd in wirtschaftlichen Sorgen
stehend, hat die ledig stehenden Hufen und Katen erb- und eigentümlich verkauft
und die Käufer von jeder Form der Leibeigenschaft freigesprochen.
Hierzu ein Dokument in
seiner ursprünglichen Form:
»Im Nahmen der Heiligen
und Hochgelobten Dreyeinigkeit. Kund und zu wissen sei hiermit jedermänniglich,
insonderheit denen, so daran gelegen, daß heute unter gesetzten dato zwischen
der Hochwohlgeborenen Frauen, Frau Baronesse von Grothen gebohrenen von
Bülauen, Erbfrauen auf dem Hochadelichen Gute Bramstedt, an einem, sodann dem
Ehrbaren Marcus Horns in Hitzhusen am andern Theil, nachgesetzter, zu recht
beständiger und unwiderruflicher Erb-Kauf-Contract getroffen und geschlossen
worden, nemlich:
Es verkauft hochgedachte
Frau Baronesse von Grothen für sich und ihre Erben und Künftigen Successoren
dieses Hochadlichen Gutes die derselben eigenthümlich zugehörige, in Hitzhusen,
nahe bei Hans Krützfeld belegenen Kathe cum pertinentiis1) an Marcus
Horns umb und vor 50 Rtlr. - schreibe fünfzig Reichsthaler - veraccordirten
Kaufgeldes, dergestalt und also, daß sothaner Kauf und Verkauf von Niemand, er
sey auch wer er wolle, widersprochen, noch geändert, auch sothane Kathe mit
keinen Auflagen, Hoftagen und sonsten Verhäurungen beschwert werden soll. -
Sondern es mag Käufer und dessen Erben »solche Kathe« Garten, Weiden,
Holtztheil und dabei gehöriges Kornland nach belieben bewoh-
__________
1)
Mit Zubehör.
281
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nen, nutzen und
gebrauchen, auch an einen andern wieder verhäuern oder verkauffen, ehrliche
Hantierung auf alle Art und Weise, es mag Nahmen haben wie es will, darin
fortsetzen und in summa sein Bestes allwege damit suchen, wie er immer kann und
will und vermag. -
Dagegen verspricht der
Käufer Marcus Horns, abgedachtes Geld zu entrichten: 100 Mark dieses Jahr 1740,
auf Michaeli, und die übrigen 50 Mark - Geb Gott -1741 in Pfingsten; und wann
solche richtig abgetragen und bezahlet sind, so verspricht Hochgedachte Frau
Baronesse von Grothen für sich, dero Erben und Successoren hiermit, den Käufer
gänzlich wegen des empfangenen Kauf pretio (Preis) los und frei. - Was aber die
darauf haftenden jährlichen Ausgaben sind, so muß der Käufer alle Jahr auf
Wainachten 8 Reichstaler - Cronen - an Hochgedachte Frau Baronin v. Grothen
oder deren Successoren ohnfehlbar entrichten und abführen.
Schließlich geben Frau B.
v. Gr. für sich und deren Successoren dieses Adeligen Gutes dem Käufer und
seinen Erben hiermit die schriftliche Versicherung, daß er oder sie im
geringsten mit keiner Leibeigenschaft beleget, sonder mehr gemeldeter Max
Horns und seine Erben, weil sie würklich freye Leute seyn, von solcher
Leibeigenschaft gänzlich ausgeschlossen sein sollen. Alles ohne Arglist und
Gefährde. Urkundlich und zu mehrer Festhaltung obiges alles haben Ihre
Hochwohlgeboren von Grothen für Sich und dero Successoren diesen Kauf-Brief
selbsthändig untergeschrieben und mit dero Angebornen Hochadels Pettschafft
besiegelt; auch ist selbiger von dem Käufer für sich und seine Erben und
Nachkommen (Nachfolger im Besitz) zu desto gewisser Gelebung des
Vorgeschriebenen eigenhändig subscribiret worden.«
So geschehen 1. Mai 1740.
(gez.)
A. v. Grothen
pro vera copia F. O. V. Lawaetz
Man wird nicht zögern
wollen, Markus Horns als einen außerhalb der »adeligen Leibeigenschaft«
Stehenden anzuerkennen.
Schon die Tatsache aber,
daß er sich durch Kauf davon frei machen mußte, beweist, daß grundsätzlich und
praktisch diese Leibeigenschaft auf dem Gute noch bestand und weiterhin
bestanden hat. Einen Anhalt dafür, in welchem Zahlenverhältnis die Unfreien zu
den Befreiten derzeit gestanden haben, gibt es nicht. Wenn aber Lawaetz, ein
durchaus ernst zu nehmender Mann, sagt, daß viele Stellen wüst geworden sind,
so darf man schon glauben, daß nicht wenige durch Freikauf wieder besetzt
worden sind. Hochgeborne Frau von Grothen bedurfte im allgemeinen recht sehr
des fürstlich gestempelten Metalles. Freiherr Friedrich Wilhelm von Prinzen
wird im Jahre 1751 der Rechtsnachfolger gedachter Frau von Grothen. Der
Kaufbrief überläßt mit dem Gute dessen sämtliche dazu gehörigen Untertanen dem
Käufer, ohne zu erwähnen, ob sie freie Leute oder Leibeigene sind. Nach dem bei
der Übergabe des Gutes aufgenommenen Notarial-Instrumente haben sämtliche
Gutsangehörige die angefügte und ihnen vorgelegte Eidesformel durch Handschlag
bekräftigt.
282
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Hier
die Eidesformel
»Ich lobe und schwöre zu
Gott dem Allmächtigen, daß ich den Herrn Freiherrn von Printzen, Königl.
Preußischen Geheimbten Rath und Ritter des heiligen Hubert-Orden hinführo als
wahren und eigenthümlichen Herrn von dem Adeligen Gute Bramstedt, sonst
Stedinghoff genannt, erkenne, dessen Bestes in allen Stücken befördern und
allen Schaden, so viel Menschmöglich und als es redlichen und rechtschaffenen Unterthanen
eignet und gebühret, verhühten, die Contributiones, Hoff- und Spanndienste
und was mir sonst als Unterthan zu thun oblieget, getreulich und zu rechter
Zeit bezahlen, entrichten und leisten will. So wahr mir Gott helfe und sein
heiliges Wort.«
pr.
v. cop. Lawaetz
Diese Eidesformel spricht
von Untertanen, nicht von Leibeigenen. Die darin aufgeführten Verpflichtungen
sind das typische Merkmal der damaligen Adelsherrschaft gegenüber den
Untergebenen schlechthin; denn auch die freigesprochenen Bauern und Kätner
standen durchweg in einem besonders festgelegten Pflichtverhältnis zur
Gutsherrschaft, und allemal blieben sie unter deren Gerichtsbarkeit. Wir dürfen
auf keinen Fall die Fassung der Formel so verstehen, als wäre unter dem
Regiment derer von Groten mit der Leibeigenschaft bereits aufgeräumt worden,
weil doch darin von Leibeigenen nicht mehr die Rede sei. Wir werden gleich
genauer sehen. Gutsbesitzer Baron von Printz hat nicht lange Bramstedts gute
Luft geatmet. Ohne Verzug hat er weiterverkauft an den Grafen Christian Günther
zu Stolberg, den derzeitigen Amtmann des Amtes Segeberg. Bei der Übergabe wird
der gleiche, oben verhandelte Eid geschworen. Etliche werden vorstellig, sie
hätten noch nicht die von der Baronesse ihnen versprochenen Kaufbriefe über
ihre Höfe und Häuser erhalten. Hatten sie diese zu beanspruchen, so wird
bestätigt, daß es sich um losgekaufte Männer handelte.
Der erste Freikauf ist,
wie gezeigt, schon unter der Gutsherrin Wiebeke Kruse erfolgt. Die Aera von
Grote hat darin erhebliche Erfolge gezeitigt, und unter Stolbergs Regiment ist
die Aufhebung der Leibeigenschaft dann annähernd zum Abschluß geführt worden.
Es darf vorweggenommen werden, was Lawätz, der 1774 das Gut von Stolbergs Erben
käuflich übernommen hat, in dieser Hinsicht zu überliefern weiß.
Er hat noch drei
Leibeigene am Leben vorgefunden, die, wie sie gesagt haben, nebst einigen
andern wegen Unvermögenheit nicht imstande gewesen wären, das von Stolberg für
ihre Lösung verlangte Kaufgeld aufzubringen, und also Leibeigene bleiben mußten.
Lawätz hat diesen dreien
ihre Freiheit geschenkt.
Genannter hat, als er 1774
das Gut übernahm, unter den Papieren zehn von Stolberg ausgefertigte Freibriefe
vorgefunden. Es wird recht sein, auch von diesen ein Beispiel hier festzulegen.
283
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Freibrief
»Ich Christian Günther
Graf zu Stolberg wie auch des Adlichen Gutes Bramstedt Erbherr ... füge hiermit
zu wissen: welchergestalt meines leibeigen Unterthanen, des Hans Witten vier
Kinder von Hitzhusen, hiesiger Bramstedter Adeliger Jurisdiktion, untertänig
anzeiget und gebeten, wie sie aus der angeborenen Leibeigenschaft gerne
entlassen und von mir als rechtschaffene freye Leute, die da ziehen, wohnen,
das Ihrige veräußern, ungleichen sich verändern und verehelichen könnten, wie,
wann und wo sie wollen, für sich und ihre Nachkommen erkläret und erkannt seyn
mögten, und zwar dieses gegen Zahlung der Summe von zwey Hundert und fünfzig
Reichstaler für alle sothane vier Leibeigene, Nahmentlich Hans von 21
Jahren, des älteren noch lebenden Hans und der verstorbenen Becke Witten Sohn,
und Maria von 13, Jochim von 2 und Becke von 8 Jahren, alle drey des
vorgedachten älteren Hans und seiner itzigen Frau Marta Eheleibliche Kinder.
Wann nun aus verschiedenen
bewegenden Ursachen und sonderlich wegen der Eltern jederzeitigen guten
Aufführung und Betragens dem Gesuche dieser Nahmentlichen vorbenannten Vier
Leibeigenen gegen Empfang der besagten zwei Hundert und fünfzig Reichstaler von
mit deferiert (nachgegeben) worden, als habe ich solches durch diesen ihnen
ertheilten Frey-Brief hiermit für mich und meine Successoren declariren wollen;
also und dergestalt, daß selbige von mir und meinen Successoribus als freye und
mit keiner Leibeigenschaft beschwerte Leute geachtet und gehalten werden und
solchem nach (demnach) freye Macht und Gewalt haben sollen, aus dieser adel.
Bramstedtischen Jurisdiction zu verziehen, wie auch mit ihren darin erworbenen
oder ihnen sonst zugefallenen Gütern und Vermögen so zu schalten und zu walten,
als es andern freyen und nicht leibeigenen Untergehörigen dieses Gutes bisher
erlaubet gewesen. Welches vornehmlich auch von dem Hofe will verstanden und
mittelst diesem zugegeben haben, den der älteste dieser vier freygelassenen,
Hans Witt genannt, mit meinem Consens und nach einem ihm darüber von mir danach
besonders zu ertheilenden Haus- und Kaufbrief von seinen in der Leibeigenschaft
verbleibenden Eltern übernehmen wird; maßen er nebst seiner künftigen Frau, der
itzo mit ihm versprochenen und freygeborenen Christiana Schümanns, wie auch die
etwa von ihnen erzeugten Kinder oder ihre sonstige freye Erben, solchen Hof
gegen Abhaltung und Leistung der im Haus-Briefe beschriebenen praestandorum
(Lasten) eigenthümlich bewohnen oder, denselben nach ihrer besten Gelegenheit
an andere veräußern mögen.
Urkundlich sind von diesem
Freybriefe unter meiner eigenhändigen Namens-Unterschrift und vorgedrucktem
Petschaft 4 gleichlautende exemplare ausgefertiget und selbige unter die 4
freygelassenen erteilet worden.«
So geschehen Bramstedter
Hof, den 24. März 1753.
Will man glauben, daß die
erwähnten zehn Freibriefe das Maß der vom Grafen Stolberg überhaupt gewährten
Befreiungen darstellt, so müßte gefolgert werden,
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daß schon seine Vorgänger
weithin mit der Leibeigenschaft aufgeräumt hätten. Doch diesem Glauben fehlt
die sichere Fundierung. Andrerseits sieht man aus den vorgelegten Dokumenten,
daß die Lossprechung schon unter Wiebeke vorgekommen ist und unter ihren
unmittelbaren Nachfolgern durch Einkauf freier Kätner und Hufner sich die Zahl
der Gutshörigen merklich gemindert hat. Freilich ist das unter Umständen
geschehen, die mehr oder minder zwangsweise dazu geführt haben. Christian
Günther zu Stolberg hat bei dem Loskauf anscheinend aus freiem Antrieb
gehandelt. Hier ist aber die Tatsache zu vermerken, daß die Zeitströmung nicht
ohne Wirkung sein konnte. 1740 hatte der Dänenkönig die Hörigkeit durch Gesetz
beseitigen wollen, ohne den Widerstand der Adeligen überwinden zu können. Aber
die innere Ablehnung dieses unwürdigen Zustandes wuchs. Immerhin ist Gut
Bramstedt unter diejenigen holsteinischen Adelssitze einzureihen, die
aufgeräumt hatten, ehe der gesetzliche Zwang dafür vorlag. Der Name Stolberg
hat in der deutschen Geschichte einen guten Klang. Indessen liegt für den Gedanken,
daß Christian Günther wegen seiner Haltung in der Sache der Leibeigenschaft
eine besondere Würdigung zu beanspruchen habe, ein positiver Anlaß nicht vor.
Die Befreiung der vier Wittschen Kinder wurde mit 250 Reichstaler erkauft.
Das ist, auf jene Zeit
bezogen, etwa der Wert von zehn Kühen. Auf jeden der Befreiten kamen zwei bis
drei Kühe. Dabei sind drei Tatsachen zu beachten: a) das dem 21jährigen Sohn zu
übergebende Haus stand, wie wir lasen, noch unter besonderem Kaufbrief; b) der
Wortlaut des Freibriefes stellt diesen hin als wesentlich beeinflußt durch das
gute Betragen des Ehepaares Witt; c) diese wohlgelittenen Eltern blieben, was
sie gewesen: Leibeigene! Man darf annehmen, daß es ihnen in langjähriger Mühe
und eisernem Fleiße, verbunden mit karger Lebenshaltung, erst möglich geworden
ist, ihren Kindern ein unverdientes Joch zu ersparen.
Man hat es dem Grafen
Stolberg verübeln wollen, daß er die Befreiung nicht ohne Entschädigung
ausgesprochen habe. Vielleicht bedürfte es genauerer Kenntnis des Einzelfalles,
um gerecht zu urteilen. Dethlevus Chemnitius, derzeit Pastor zu Bramstedt, also
in der Lage, des Grafen Werk zu überschauen, äußert sich anders: sein Andenken
müsse den Unterthanen billig unvergeßlich sein; er habe die Leibeigenen für ein
Mäßiges freigegeben und schöne neue Häuser, teils auf seine Kosten, bauen
lassen.
Am Schluß ein Wort
besonders über diejenigen Gutsuntertanen, die innerhalb des Fleckens von
Gründung des Gutes her gewohnt haben, und diejenigen, die 1633 aus dem Amte
Segeberg dem Gute zugeführt worden sind. Lawätz meint, daß sie rechtlich
niemals Leibeigene gewesen seien. Auch die Königliche Deutsche Kanzlei zu
Kopenhagen äußert sich anläßlich des oben berührten Prozesses von 1698 zur
Sache: »daß die von dem Amt Segeberg zu dem Gute gelegten Unterthanen freie
Leute gewesen, >liberi domini< (freie Herren) des ihrigen waren und frei
wegziehen konnten.« Sie sind wohl im Laufe der Zeit unterjocht worden und
hatten das Unglück, daß von ihnen angestrengte Prozesse nicht zu Ende geführt
285
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worden sind. So dürfen wir
unsere Gewißheit, daß Jürgen Fuhlendorf, als er sich mannhaft gegen die von
seinen Fleckensleuten verlangten Frondienste auflehnte, im Recht war, auch
durch amtliche hohe Stelle bestärkt und bestätigt sehen.
VII.
Vom Schloß
Diese den Bramstedtern so
geläufige Bezeichnung des an der Westseite des Bleecks liegenden, durch Bauform
und Größe auffallenden Hauses ist, bei Licht betrachtet, verfehlt. Aktenmäßig
weist es sich aus als das »Porthaus«, also das Torgebäude eines nicht mehr
vorhandenen Gutsgehöftes, dessen Front und vornehmster Eingang sich der
heutigen Glückstädter Straße zuwandten. Dort hat einmal das herrschaftliche
Wohngebäude gestanden, das auf den Namen eines Schlosses Anspruch hatte, wie
denn auch die Memorabilia der Kirche berichten, daß 1751/52 der Eigentümer
Christian Günther zu Stolberg das »alte auf dem Hofe Bramstedt gestandene Schloß«
habe abbrechen lassen. Der Geistliche fügt dieser Nachricht den Ausdruck des
Bedauerns hinzu, und der Chronist schließt sich dem an, da ein wertvolles
Merkmal der Geschichte Bramstedts dadurch zerstört worden ist. Die Fama weiß
nur noch von der Festigkeit der Grundmauern zu berichten; man habe »die
gewaltsamsten Mittel zur Demolierung derselben anwenden müssen.« Noch zu
Paustians, des letzten Gutsbesitzers, Zeit will man bei Gartenarbeiten auf
solche Mauerreste gestoßen sein. - G. H. Mahnke, der dankbare Kurgast
Bramstedts, der vor 120 Jahren seine Erinnerungen an diesen Ort niederschrieb,
bemerkt hinsichtlich des Gutes: »Die Grafen zu Rantzau haben in früheren Jahren
auch einmal diese Besitzung gehabt.« Um einen Nachweis aber bemüht er sich
nicht. Nun ist aber Johann Rantzau (+ 1565) Statthalter und Amtmann zu Segeberg
gewesen, desgleichen sein Sohn Henricus (+ 1598); auch hat Hans Rantzau aus
Begalendorf, der Amtsvorgänger des Grafen Stolberg, sich hier am Orte ein Haus
gebaut (1638): aber keiner von ihnen konnte Besitzer des Gutes Bramstedt sein,
das, wie bereits nachgewiesen, seit seiner Gründung (1541) in anderer Hand
gewesen ist. Mein Bemühen, trotzdem auf diesem Wege zu weiterer Kunde über das
alte Schloß zu gelangen, ist ohne positives Ergebnis geblieben: Hans Rantzau zu
Breitenburg hat mir mitgeteilt, daß seine Familie keine Beziehung zur
Bramstedter Gutsbesitzerin gehabt habe. Ist denn nicht die Erbauung des alten
Schlosses in den Zeitpunkt der Gutsgründung (1541) zu verlegen?
Es steht fest, daß Dirick
Vageth, im Fleckensbuch 1530 als Bürgermeister verzeichnet, Nutznießer der Stammhufe
des neuen Gutes gewesen ist. In der Hufner-Rolle des Amtes Segeberg von 1537
wird Vageth nicht genannt, ein Zeichen, daß die Hufe nicht königliche Steuern
entrichtet hat, ihre Nutzung wohl als Dotation des Bürgermeisters anzusehen
ist. Im ältesten Hufnerverzeichnis der Kirche um 1620 finden wir die Familie
Vageth, deren Hufe aber 1654 durch Heirat in den Besitz von Tyes Langhinrichs
übergeht, demnach als Privatbesitztum zu erachten ist. Das läßt dem Gedanken
Raum, daß der Bürgermeister Dirick
286
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Vageth einmal zwei Hufen
in Nutzung gehabt habe, eine privatrechtlich vererbliche und eine zweite
(königliche) seines Amtes wegen. Letztere war dann 1541 an den ortsfremden
Sekretarius Caspar Fuchs, den ersten Gutsbesitzer, abzugeben. (Da nach Dirick
Vageth durch 340 Jahre von einem Bürgermeister Bramstedts nicht wieder die Rede
ist, mag es erlaubt sein, in der Abgabe der Hufe zugleich das Erlöschen des
Bürgermeisteramtes zu erkennen.)
Wir vernehmen, daß Caspar
Fuchs alsbald die Einrichtung von Baulichkeiten ins Auge gefaßt hat. Eine
Kieler Akte vom 9. Dezember 1541 verkündet: »Vertrag zwischen den
Fleckensleuten zu Bramstede und dem Erbaren Capar Fuxsen, der zum Zwecke eines
Baues in seiner Coppel außerhalb des Hohen Thores vor Bramstedt zwei der
Gemeine gehörende Wiesen auf der Osterau, genannt die Rorwische und die Alkesforth
erwirbt und dafür dem Flecken abtritt die Wesselwysche und twee
bleeke gegen der karck eren Brackswysche und einen helen (ganzen)
rep in den marsbroke und 2 bleke bawen (jenseits) de yegerwische.«
Ein versiegeltes Exemplar
ist jedem Partner ausgehändigt worden. Dazu ein Dokument vom 11. Januar 1546:
»Otto Seestede, Amtmann zu
Segeberch, bekennt, daß die Fleckensleute einen Platz hinter seinem Hause mit
darauf stehenden Eichbäumen erblich überlassen haben, wogegen er sich
verpflichtet, keine Schafe auf die heisek (Weide), belegen zwischen Boiemohler Feltschede
und der heddenshuser (Schede), ock by de osterawe, zu treiben, es sei denn, daß
das >gemene quick< (fleckensvieh) darup gedrewen ward.«
Wohl kein logisches oder
reales Hindernis steht im Wege, die beiden Verträge miteinander in Beziehung zu
bringen, und zwar in dem Sinne, daß der erste auf das geplante, der zweite aber
auf das fertige Wohnhaus oder Gehöft des Erbaren Fuchs hinweise. Hätte der
erste lediglich auf Stall oder Scheune hindeuten wollen, so wäre
das sehr wahrscheinlich auch klar bezeichnet worden; der gewünschte Eichenhain
sollte für Haus und Garten eine zusätzliche Zier werden.
»Rorwische« und
»Alkesforth« lautet die Bezeichnung der Parzellen, die Fuchs seines Baues wegen
erworben hat. Ein »Rorwisch« hat viel später Wiebeke Kruses Enkelin beim
Verkauf des Gutes separiert und mit der Mühle für sich behalten. Hat diese
Parzelle etwa einen Bestandteil des alten Gutsgehöftes gebildet? Ist gar das
von Caspar Fuchs neu erbaute Haus das erste Wohngebäude auf dem Hofplatz der
Stammhufe des Gutes gewesen? Hätte Fuchs ein neues Wohnhaus alsbald errichtet,
wenn er ein altes - das Schloß - vorgefunden hätte? Sein Vorgänger, der
Bürgermeister Dirick Vageth, sehr wahrscheinlich zugleich Besitzer einer
eigenen Hufe, hätte sehr wohl die Stammhufe des Gutes bewirtschaften können,
ohne ein zweites Wohnhaus in Anspruch zu nehmen; desgleichen seine Vorgänger im
Amte, die es nachweislich mindestens seit 1488 gegeben hat. Indessen tut sich
hier nur eine Möglichkeit auf; die Gewißheit, daß Caspar Fuchs, zweifellos
der erste Besitzer des Gutes Bramstedt, auch der Erbauer und Nutznießer des
alten Schlosses gewesen sei, kann bei gegenwärtiger Kenntnis der Dinge nicht
ausgesprochen werden.
287
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Zu diesem Gegenstande sei
auch der Fama das Wort vergönnt. G. H. Mahnke erwähnt in dem Aufsatze
»Bramstedt als Kurort«, mit in seinem vor 120 Jahren gegebenen Bericht:
»Vielleicht hauste im 13. Jahrhundert Henrich von Huda auf dem nun
abgebrochenen Schlosse, welches nahe an dieser Brücke lag (Hudau-Brücke).« Er
bezieht sich dabei auf die hamburgische Chronik von Dr. Reinhold, der auf Seite
151 sagt: »Besonders kühn und mächtig war eine solche Rotte (von Wegelagerern und
Raubrittern ums Jahr 1283) zwischen der Elbe und der Weser und namentlich im
Lauenburgischen. Henrich von Huda hieß der Anführer, der bald auf diesem, bald
auf jenem seiner festen Schlösser hauste, um von verschiedenen Punkten her die
wandernden Handelsleute, denen Erich V. Anno 1273 auf Fürbitte Johanns von
Schauenburg gestattet hatte, Jahrmärkte in Schwerin zu besuchen, überfallen zu
können.« - Zu gemeldeter Zeit hat es bestimmt einen Grafen Johann von
Schauenburg gegeben, der allerdings in Kiel residierte; die Praefektur Segeberg
stand derzeit unter Adolf V. Es ist schwer, eine Beziehung des wilden Grafen
von Huda, dessen Taten in das Gebiet zwischen Elbe und Weser verwiesen werden,
zu unserm Heimatsort herzustellen. Es scheint auch der Name Huda der Ausgangspunkt
zu sein, der zu solchem Versuch geführt hat: es gibt ja hier eine Hudau.
Es wird natürlicher sein, berührten Grafen, sofern er wirklich in Bramstedt
gehaust haben mag, mit dem in der Lüneburger Heide gelegenen Orte dieses Namens
zu verbinden. Unsere Hudau aber, die übrigens Mahnke noch als Westerau
einführt, kann sehr wohl ihren Namen aus dem Grunde erhalten haben, weil sie
als Anlege- und Ladestelle für Schüfe gedient hat. Nach Otto Mensing ist Hude
die ursprüngliche Bezeichnung für einen »Bergungsplatz an Gewässern«. Bei den
Verhandlungen über Bramstedter Schiffahrt hat das Gut großes Gewicht auf eine
eigene Ladestelle gelegt, und jener Ausdruck dafür mag derzeit noch lebendig
oder doch noch in Erinnerung gewesen sein.1)
Der gleiche Berichter behauptet,
Bramstedt müsse in alter Zeit eine größere Bedeutung gehabt haben. Das sehe man
schon daraus, daß Anno 1310 die Herren von Bramstedt sich haben mit dem Grafen
Adolf V. in offene Fehde einlassen können. Herr Heinrich von Bramstede, dem
wohl auch das Bramstedt im Hannoverschen gehört haben möge, habe eben keine
Seide bei dieser Fehde spinnen können.
Dem Chronisten ist es
nicht gelungen, unter den Schauenburger Grafen, um die es sich doch handelt,
einen Heinrich von Bramstede zu ermitteln. Es wird wohl so sein, daß Genannter
nicht »wohl auch«, sondern »nur« Besitzer des hannöverschen Ortes Bramstedt
gewesen ist.
Wir kommen zu dem
Ergebnis, daß eine sichere Nachricht über die Bauzeit und den Bauherrn des
alten, von Stolberg niedergelegten Schlosses heute nicht gegeben werden kann:
dafür reicht das, was hier über den ersten Gutsbesitzer Caspar Fuchs mitgeteilt
worden ist, so wenig aus wie die berührten Hinweise auf etwaige frühere Gründer
oder Nutznießer.
_________
1) Das
Fleckensbuch nennt schon 1568 die »hudow« = Hudau.
288
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Schreiten wir nun vom
versunkenen zum vermeintlichen Schlosse. Als 1631 Christian IV. das Stedingsche
Gut angekauft hat, wird ihm auf Verlangen durch seine Beamten mitgeteilt, daß
eine Aufwendung von 1808 Mark nötig sei wegen Arbeitslohn, Material und
sonstiger Baukosten für die Herstellung eines neuen »Vorwergks« und
»gebeuw« zu Bramstede. Unter »Vorwerk« versteht man heute allgemein eine vom Hauptwirtschaftsbetrieb
abgezweigte Sonder- oder Nebenstelle, oft eine Molkerei. Von dergleichen ist,
soweit das Gut Bramstedt in Frage kommt, niemals die Rede gewesen. Zwar hat
unsere Zeit ein »Gut Gayen«, »Gut Bissenmoor«, »Gut Holm« und »Gut Tannenhof« im
Munde geführt. Aber doch war das jenseits der Strafparagraphen geduldete
Falschmünzerei, weil in keinem Falle der Rechtsbegriff eines »Gutes« vorgelegen
hat. - Kein Zweifel besteht, daß die genannte Summe für Baukosten gedacht war.
Wir haben unter dem »Vorwergk« in diesem Falle bestimmt an ein Bauwerk, und
zwar an ein neu zu errichtendes, zu denken. Das hinzugefügte »gebeuw« wird man
als Hinweis auf Instandsetzungskosten an einem Gebäude, wohl am alten Schlosse,
nehmen dürfen. Jedenfalls kann mit dem Vorwerk nicht dieses Schloß gemeint
sein. In Frage kommt nur das späterhin als Porthaus oder Torgebäude
bezeichnete, heute noch vorhandene Bauwerk.
Ist nicht aber Anstoß zu
nehmen an der gemeldeten Bausumme von 1800 Kurantenmark? Ist nicht dieses
Kapital gar zu gering?
An Hand des
Kirchenrechnungsbuches läßt sich ein geeigneter Maßstab finden. Im Jahre 1647
erhält die Kirche an Miete von Diedrich Moyelke neun Mark; dafür nutzt er die
Vikarie, ein ursprünglich für einen Hilfsprediger bestimmtes Wohngebäude mit Garten
und einem Stück Wiesenland. Heute wäre eine solche Wohnung wohl kaum unter 450
RM = 360 Kurantenmark zu mieten. Das wäre das Vierzigfache. Nun wird man
einigermaßen das Richtige treffen, wenn man die Steigerung der Baukosten etwa
nach dem gleichen Maßstab bestimmt.
Wir hätten dann 40mal 1800
= 72 000 Kurantenmark = 90 000 RM heutiger Prägung. Freilich ist von den 1800
Kurantenmark noch irgendein Betrag zu kürzen für Instandsetzung. Doch braucht
auch das nicht ernstlich zu stören: Der König hatte den Baugrund frei; das
erforderliche Bauholz stand in der Segeberger Heide gratis zur Verfügung, und
schließlich hatte er als Inhaber eines adeligen Gutes Spann- und Handdienste so
billig wie nur einer.
Die Kostenfrage ist
demnach nicht zu erachten als ein Hindernis für die Annahme, daß der König der
Bauherr des alten Porthauses gewesen sei. Auch die Frage nach dem Grunde, der
Christian IV. zur Errichtung dieses Gebäudes veranlaßt hat, wirft keine
Schwierigkeiten auf. Die Aufrechnung mit dem Verkäufer des Gutes zeigt einen
Posten auf, wonach bis 1631 tatsächlich nur eine Vollhufe der Bramstedter
Gemarkung gutseigen gewesen ist. Zugunsten seiner Wiebeke hat der König weitere
fünf Hufen hinzugelegt. Es liegt auf der Hand, daß damit der Bedarf nach
wesentlich erweitertem Wirtschaftsraum dringlich wurde. N. F. Paustian schreibt
in seinen Erinnerungen, daß, als er das Haus übernahm, zwei größere Räume im
Oberstock als Kornböden gedient haben. Auch
289
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der Gedanke an Verstärkung
der Dienerschaft mag mitgewirkt haben. Nicht das Verlangen nach einem
»Porthause« ist die treibende Kraft gewesen, sondern einem stark vergrößerten
Gutswesen entsprechend erweiterte Räumlichkeiten zu verschaffen. Der hart an
der östlichen Grenze des Gutshofes liegende Bauplatz machte aber notwendig, dem
Gebäude einen den Anforderungen des wirtschaftlichen Betriebes genügenden
Torbogen einzufügen. Andernfalls würde das langgestreckte Bauwerk (40 m) den
bisher völlig freien Weg vom Gutsgehöfte zur Hauptverkehrsstraße, dem Bleek,
einfach abgesperrt haben. Hier sei die Bemerkung eingeflochten, daß nicht
einmal die schöne Allee, die der spätere Gutsinhaber Ferdinand Lawätz mit
Genehmigung der Ratsmänner angelegt hat, jemals Eigentum der Gutsbesitzer
gewesen ist. Das Recht der freien Ausfahrt quer über den Marktplatz zum
Steindamm hin ist durch ein Streitverfahren allerdings festgelegt worden.
Von auffälliger Stärke
sind die Umfassungsmauern des »Schlosses«. Zusammengefügt aus den
handgestrichenen großen »Klostersteinen«, wie sie auch in alten Mauerteilen
unserer Kirche noch vorhanden sind, weisen sie eine Dicke von fast 60 cm auf.
Wozu diese Stärke? Rücksicht auf die Sicherheit des Eigentums oder auf die
persönliche Sicherheit der Bewohner mag dabei den Bauherrn geleitet haben. Die
Tatsache, daß der letzte Besitzer des Gutes ein Gefängnis1) in
diesem Gebäude vorgefunden hat, kann ein Fingerzeig sein. Auch denkbar, daß
Christian habe dokumentieren wollen, daß es sehr zweierlei ist, ob der König
oder der Kärrner ein Bauwerk errichten läßt.
Wer dieser Darlegung mit
Zweifeln gegenübersteht, der lege sich die Frage vor, was für ein anderes
Bauwerk der Dänenkönig habe errichten lassen.
Und wer dem »Schloß« eine
frühere Entstehung zuerkennen will, der mache sich zunächst klar, daß die
Besitzer des Urgutes, die »Einhufer« Fuchs und Steding, wirklich keinen Bedarf
für ein derartiges Gebäude gehabt haben.
Nun ist freilich durch
Kuss, den ehemaligen Hilfsgeistlichen zu Kellinghusen, die Meinung vertreten
worden, das »Schloß« sei ehemals ein Marstall gewesen, ein Winterquartier für
eine große Anzahl von Stuten und Wallachen, deren Weidengründe in der
Segeberger Heide gelegen haben sollen. Es ist hier nicht der Ort, zu diesem Gegenstande
überhaupt Stellung zu nehmen. Eins aber ist gewiß: ein Pferdestall hätte eines
so fest gefügten Gebäudes nicht bedurft.
VIII.
Ein Versuch, das Gut zum Flecken zurückzuführen
Man steht nahe der Mitte
des 18. Jahrhunderts. Das adelige Gut ist im Besitze der Witwe des Barons von
Groten. Die wirtschaftliche Lage des Gutes ist dauernd schwierig. Nicht einmal
die beteiligten Kirchengemeinden, Bramstedt und Kaltenkirchen, kommen zu ihrem
Recht. Unter den Fleckensbürgern herrscht keine freundliche Stimmung gegen die
Baronesse. Denn diese läßt es durchaus fehlen
_________
l)
Ein zweites im Pferdestall.
290
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an Entgegenkommen den
Fleckenswünschen gegenüber. Die Gutsbesitzerin entschließt sich unter dem Druck
der Widerwärtigkeiten, ihren Besitz zu verkaufen. Drei Eingesessene, ein
Gastwirt, ein Holzhändler und ein Grobschmied, fassen den Plan, diese
Gelegenheit zu nutzen, das Gut zunächst in ihren gemeinsamen Besitz zu bringen.
Sie bieten 28 000 Mark Kurant bei sofortiger Zahlung. Die Inhaberin ist nicht
abgeneigt. Es stellt sich aber heraus, daß zunächst die Einwilligung des1
dänischen Königs einzuholen ist, da ihm das Vorkaufsrecht zusteht.
Die Kauflustigen tragen
nun dem Amtmann Hans Rantzau, genauer seinem Vertreter von Stemann, ihr
Anliegen vor. Dieser meint in seinem Bericht, die drei hätten gar keine rechte
Vorstellung von dem Gut und was damit zusammenhängt. Er rät ihnen, sich
zuvörderst den Kaufbrief der Baronesse zu verschaffen. Als diese antwortet, sie
habe einen solchen nicht in Händen, gibt Stemann den Rat, sich nach Glückstadt
an das Obergericht zu wenden; hier erlangen sie die gewünschten Dokumente. Inzwischen
haben sich auch Kaufliebhaber aus Hannover und aus Kellinghusen gemeldet. Frau
von Grote muntert die Bramstedter auf; ihnen gönne sie das Gut am liebsten, und
sie wisse wohl, was das für den Flecken bedeute. - So kommt Stemann zu dem
Vorschlag und Anerbieten, ein Gesuch an den König zu begünstigen. Notwendig sei
aber, daß der ganze Handel tatsächlich zum Besten des Fleckens gewendet werde
und daß das Ersuchen an den Landesherrn in aller Aufrichtigkeit diesen Gedanken
betone. So sei zu hoffen, daß, wenn die Bittsteller Eigentümer des Gutes werden
sollten, auch die für den Flecken erstrebte und diesem hochdienliche Schiffahrt
auf Itzehoe zuwege kommen werde, allermaßen doch die Frau Baronesse von Groten
dieses Werk bisher hintertrieben haben soll. Stemann verspricht ihnen sogar,
ihnen beizustehen, daß sie, selbst ohne Barmittel, das ganze Kaufgeld möglichst
nur mit vier Prozent zu verzinsen haben werden.
So hat dem Gesuche nichts
mehr im Wege gestanden, und Kgl. Majestät haben vor allergnädigster Entscheidung
genauere Auskunft verlangt. - Stemann hat hinsichtlich der Frage, ob der König
sein Vorkaufsrecht in Anspruch nehmen solle, sich des Urteils enthalten wollen,
da ihm die Verhältnisse zu wenig bekannt seien. Was aber die Frage der
Jurisdiktion, der dem adeligen Gute nahestehenden Privilegien anlange, so sehe
er keine besonderen Schwierigkeiten Diese Rechte seien denen anderer Adelsgüter
völlig gleich, und die Gemeinschaft der Gutsbesitze werde diese Privilegien
nicht ändern.
Im übrigen halte er die Käufer
für ganz vernünftige Hauswirte, die so etwas nicht blindlings ins Auge gefaßt
hätten: »sie meinen, auf ihre Art die einzelnen Teile besser ausnutzen zu
können.« Die offensichtliche Lücke dieses Berichtes füllt nun der besser
unterrichtete Kirchspielvogt Wulff aus. Er sieht nicht ein, daß durch den Plan
der drei Fleckensmänner irgendwie Nachteile und Schwierigkeiten für den König
erwachsen sollten. Die Käufer seien bereit, sich für die zu erlegende ordinäre
und extraordinäre Contribution und was sonsten für onera (Lasten) sein möchten,
in solidum zu verpflichten. Zum Kauf könne er dem König nicht raten.
291
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Denn einmal müsse er dann
auch ferner die Contributionen zur Hälfte an Ihro hochfürstliche Durchlaucht
abtragen, da das Gut unter gemeinschaftlicher Regierung (der königlichen und
der großfürstlichen Linie des Fürstenhauses) stehe. - Dann seien die Gebäude
des Hofes in größtem Verfall. Ferner sei es nicht hinreichend mit Pferden,
Kühen und Schafen besetzt. Viele Hufen seien wüst, die Äcker nicht in gutem
Zustande. Mindestens 10 000 Reichstaler seien nötig, um eine gute Ordnung
wieder zu schaffen. »Die Gebietsteile liegen mit denen des Fleckens so
durcheinander, daß immer wieder Reibereien und Prozesse entstehen.« Endlich
müsse der König einen Verwalter einsetzen, was einen erheblichen Teil der
Einnahmen verschlucken würde. Über die Einkünfte könne er nur sagen, daß sein
Vorgänger im Amte, Averhoff, der drei Jahre das Gut unter Administration
gehabt, den Ertrag auf 2000 Reichstaler geschätzt habe. Von Sonderrechten sei
auch ihm nichts bekannt geworden. - Die Käufer, so schließt der Bericht,
planen, die Ländereien des alten Stedinghofes wieder in das Eigentum der Fleckensleute
zurückzuführen.
Das sind die Grundlagen
für Hans Ranzaus Bericht. Noch einmal hat er sich vergewissert, wie sich die
Kaufwilligen den Ablauf der Dinge vorstellen. Nach Gunst der Lage sollen die
einzelnen Ländereien abgegeben werden, und die Nutznießer hätten auch fernerhin
die Herrengelder zu zahlen. - Das Bestehen einer gemeinschaftlichen
Jurisdiktion bestreitet er durchaus; davon wisse der Schenkungsbrief für Wiebke
Kruse nichts. Es handle sich um eine private Landeshoheit der königlichen Linie;
Mühle und Zubehör hätten immer nur unter Glückstadt gestanden, und
wahrscheinlich sei es mit den fünf Hufen (derzeit aus der Bramstedter Gemarkung
für Wiebeke dem Gute zugelegt) eigentlich ebenso1). Nach etlichem
Hin und Her kommt von der Rentenkammer zu Kopenhagen noch eine neue Einwendung:
Die mit dem Gutsbesitze verbundenen adeligen Freiheiten und Gerechtigkeiten
können nicht geteilt, sondern nur auf eine Person übertragen werden.
Also eine neue Sorge für
unsere drei wackeren Männer, die dann auch nicht sich haben einigen können,
welcher unter ihnen der Auserwählte sein sollte; sie haben Gleichberechtigte
sein und bleiben wollen. Im Stande dieser Unfertigkeit trifft die
grundsätzliche Genehmigung ihres Vorhabens von Christian VI. ein. Aber das
»Angedeyen« dieser Zustimmung ist im allgemeinen an die Bedingung geknüpft, daß
nichts geschehe, was Majestät zum Schaden gereichen könne. Im besonderen werden
folgende Klauseln eingefügt:
1. Sobald der Kauf
zustande gekommen sein wird, haben sie ein genaues Verzeichnis aller
dazugehörigen Teile anfertigen zu lassen und im Amtshause zu deponieren.
__________
1)
Hier kommt auch der Vergleich vom 18. August 1700, geschlossen von den
gleichnamigen, aber feindlichen Vertretern beider Linien mit in Betracht.
Dieser Traventhaler Vergleich sagt unter anderem »als hingegen hat in den
übrigen schon geteilten Landen, Ämbtern und Städten als dem Seinigen jeder
Theil die souveräne und hohe landesfürstliche Gewalt und daraus herfließende
Jura ganz allein und privative zu exerciren und soll von dem andern Theil unter
dem Pretext einiger Communion oder was sonst Vorwand sein möge, zu keiner Zeit
daran einige Behinderung noch Eintrag (Beeinträchtigung) geschehen«.
292
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2. Sie haften alle drei,
einer für alle, alle für einen, für alle realonera und praestanda, sollen auch
zusammen nicht mehr Recht haben, als einer hätte, der das Gut kaufen
würde.
3. Der König und seine
Rechtsnachfolger behalten das Vorkaufsrecht.
Auf dieser Grundlage kommt
der Kaufvertrag wirklich zustande; doch die praktische Abwicklung und die
Übergabe des Gutes stoßen dauernd auf Hemmungen. Die Baronin stirbt, ihre
Besitzrechte werden auf den Königlich preußischen Geheimen Kriegsrat Freiherrn
von Printz zediert. Dieser verweilt vom 4. Mai bis 12. Juni in Bramstedt, um
die endgültige Veräußerung des von seiner Tante ererbten Gutes zu
bewerkstelligen. Eigentümer wird nun Hochgräfliche Excellenz Christian Günther
zu Stolberg. Zuvor war mit den drei müde gewordenen Fleckensmännern eine
Abfindungssumme von 3000 Reichstalern vereinbart worden, die dann der Graf an
Hans Friedrich Gotsch und Marx Schümann ausgehändigt hat. Von dem Grobschmied
Albert Bartels, dem dritten im Bunde, lesen wir, daß er seine Freunde beim
Amtsgericht verklagt hat, weil sie ihm seinen Anteil an der Abstandssumme
verweigert hätten. Der Ausgang des Prozesses bleibt unbekannt.
Der Leser aber vernimmt
den Klang des Trauerglöckleins, klagend, daß ein guter Plan und vermutlich mit
ihm alte Freundschaft in das Nichts zerrinnen mußten.
IX.
Kirche und Gut
Die rechtliche Stellung
des Gutes zur Kirche ist von erheblicher Bedeutung für die historische
Entwicklung und Gestaltung des Gemeinwesens Bramstedt. Wenn das ehemalige Gut
ein ursprünglicher Bestand der Gesamtsiedlung gewesen wäre, oder wenn es gar
früher als die bäuerliche Siedlung gleichen Namens bestanden hätte, so müßten
die Spuren dieses Tatbestandes sich in der Rechtslage und besonders in der
Verwaltung der Kirchenangelegenheiten deutlich widerspiegeln. Das überragende
Ansehen des Gutsbesitzers, mehr noch in der Machtfülle als in seiner
Persönlichkeit an sich wurzelnd und verbürgt, würde zur Gründung einer
Patronatskirche mit allen Vorrechten des Patrons geführt, ihm den vornehmsten
Platz im Gotteshause und die führende Hand in der Kirchenverwaltung gesichert
haben, vor allen Dingen auch das Recht, den Pastoren nach seinem Befinden ins
Amt zu rufen. Von alledem ist in den geschichtlichen Dokumenten des Ortes, auch
sonst in der Literatur nichts zu entdecken. Wohl aber sind die Nachweise für
den gegenteiligen Sachverhalt vorhanden. Die immerhin in das 16. Jahrhundert
zurückweisenden Niederschriften der Kirche wissen nur von einer Berufung des
Geistlichen durch den König, von der Amtseinführung unter Mitwirkung des
königlichen Amtmannes und unter Leitung des königlichen Propsten zu künden.
Weder in dem übergeordneten Visitatorium noch in der örtlichen
Kirchenverwaltung ist vom Mitwirken eines Gutsvertreters die Rede. Die
Gutsherrschaft
293
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mit ihren Untersassen, ob
sie auf dem eigentlichen Gute oder in einem der Kirchdörfer wohnten, waren
hinsichtlich ihrer Seelsorge untereinander und mit den gesamten sonstigen
Eingepfarrten gleichgestellt. Natürlich konnte sich der Gutsbesitzer wie jeder
andre ein besonderes Gestühl verschaffen, und ebenso standen ihm Bevorzugungen
zu, die überhaupt dem Adel des Landes eingeräumt waren. Dahin zählt zum
Beispiel das Recht, eine Trauung oder eine Taufe, auch Konfirmation im Hause
statt in der Kirche vornehmen zu lassen.
Merkwürdigerweise wird in
den vorhandenen Kirchenbüchern nicht klar vor Augen gestellt, wie die
Gutsherrschaft hinsichtlich ihrer Verpflichtung zu den Kirchenlasten dastand.
Nachstehende alte Texte
mögen einige Lichtstrahlen geben.
a) Einnamb der Restanten
(1666).
»Demnach die Frau
Commissarische (Gutsbesitzerin) sich erkläret, daß die zum Hofe gehörigen
unterthanen Steffen Kühl und Titke Rungen hinführo der Kirchen die schuldige
Hauer Jährlich richtig abtragen solten, als (so) haben mit Consens des Herrn
Probsten und des Herrn Amtsschreibers die Kirchschworen mit derselben sich
derogestalt verglichen, daß Sie für alles zahlen 100 Mark, womit die alten
Restierenden Gelder völlig bezahlt (sein sollen), (die Kirche aber) nicht ehr
als Anno 68 am Donnerstage vor Fastnacht, volente Deo, die gewöhnliche Rente
fordert.«
Die Pflichtigkeit der
Untersassen kann damit als unstrittig gelten. Das Eintreten der Herrn für sie
ist damit als Zwang nicht nachgewiesen; aber für den, der über die Haltung der
Commissarischen weiter unterrichtet ist, muß der Zwang als höchst
wahrscheinlich gelten.
b) Umlage, die Turmglocken
betreffend.
Anno 1577 ist im
Kirchspiel Bramstedt eine »gemene Umlage« erhoben worden, um die recht
erheblichen Kosten für zwei neu zu gießende Glocken zu decken. Gut 300 Mark
werden dabei erzielt. Aber mit Bezug auf den Gutsbesitzer wird keine günstige
Nachricht gegeben. Wir nehmen nachdenklich zur Kenntnis:
»Tho gedenken, dat de
Stathalter hinrich Ranzow befalen, alhir (im Buch) thor gedechtnisse her tho
setten, dat Gert Steding sich geweigert, tholage tho don tho düssen klokken.«
Es ist leider nicht mit
Bestimmtheit zu entscheiden, ob es sich bei dieser »tholage« um eine
freiwillige oder um eine Zwangsleistung gehandelt hat; doch muß das erstere
vermutet werden. - Das Kirchenbuch gibt bei späteren Umlagen genau bekannt,
welcher Betrag auf die Hufe, die Kate und den Insten entfällt; bei dieser
ersten »tholage« fehlt ein solcher Hinweis, so daß es immerhin möglich ist, daß
bei den »klocken« eine Spende der Eingepfarrten vorgelegen habe. War es aber
anders, so muß Gert Steding angesehen werden als ein Pflichtiger, gegen den mit
gesetzlicher Strenge vorzugehen dem hohen Statthalter nicht angebracht schien.
Denn auch solche Justizfälle haben alle Zeiten und alle Zonen aufzuweisen.
c) In den Eingangslisten
(Heberegistern) vermißt man das Gut.
d) Graf Christian Günther
zu Stolberg hat nach Ausweis der Memorabilia der
294
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Kirche einen Vikar
jahrelang durch ein Stipendium unterhalten, was natürlich eine freiwillige
Leistung gewesen ist.
Aus der 2. Hälfte des 18.
Jahrhunderts liegt folgende, nicht datierte Abschrift einer an den König
gerichteten Beschwerde vor, deren Richtigkeit anzuzweifeln keinerlei Ursache
vorliegt. Der Ausgang der Sache bleibt freilich ungemeldet, ist indessen
unschwer zu vermuten.1)
»Ew. Königlichen Majestät
geben wir hiermit allerunterthänigst zu vernehmen, wasgestalt die p. t.
Kirchgeschworen zu Bramstete je und allerwege mit dem Rechte ausgestattet
waren, im Namen der Kirche Pfändung zu veranlassen, und dasselbe wider diejenigen,
welche in abstatung der Kirchenfuhren nachlässig und säumig gewesen, jederzeit
durchgeführt haben. Wann wir nun Kurtz vor pfingsten einige Kirchen Fuhren nach
Kellinghusen, ümb von dannen einige Fließen, so in der Kirche zu Bramstete
geleget werden solten, abzuholen, benötigt gewesen und damahlß die Reihe der
Eingeseßenen Huffner zu Hitzhusen, welche unter des Herrn Obristleutnant von
Groten Jurisdiktion gehören, mit betroffen, haben dieselben solche ihnen mit
zukommende Fuhren auß vorwandt, daß Ihnen solches von Hochwohlbemelten Herrn
Obristleutnant bei gewisser Strafe verboten war, nicht abstatten wollen. Daher
wir dem Herkommen gemäß uns (haben) entschließen müssen, die Kirchenpfändung
vorzunehmen, zu welchem Ende wir dann einen Huffner in H. 2 Kessel abgepfändet
und in Steffen Kühls Haus gebracht haben. Weil aber der Herr Obristleutnant
auch dieses nicht zugeben, sondern vielmehr belieben wollen, die pfänder durch
seinen Bau-Knecht Eggert wieder abholen zu laßen, sind wir genötigt worden, zur
Verteidigung des Kirchenrechts dieses Ew. Königl. Maj. zu vernehmen zu geben
... Maj. möge geruhen, uns bei unserm Rechte zu schützen und zu dem Ende Herrn
Obristl. Ernst von Groten auf Bramstete allen Ernstes und unter Verhängen einer
Strafe von 300 Reichstaler zu befehlen, daß solche Störung in Ausübung
kirchlicher Rechte unterbleiben und im besonderen die Kirche wegen der jüngst
verweigerten Fuhren voll zu ihrem Recht komme.«2)
X.
Vom Herrenholz
Unter den losen Papieren
des Pastorats findet sich in der Urschrift ein für Bramstedt in seinen Folgen
wichtig gewordenes Bittgesuch, als dessen Verfasser sich Pastor Gerber
ausweist, der im Dezember 1849 diesen Entwurf zuwege brachte. Ob es aus eigenem
Antrieb geschehen, ist nicht ersichtlich. Dankbar aber wird die Nachwelt von
dem so entstandenen, hier verkürzt wiederzugebenden Dokument Kenntnis nehmen.
Sr. Hochgebornen dem Herrn Grafen von Kielmannsegge in Ratzeburg. Die
_________
1)
Geringe Textänderung ist vorgenommen, um lateinische Ausdrücke auszuschalten.
2) Alle
Wahrscheinlichkeit spricht dafür, daß vorliegender Fall auf die erstmalige
Belegung mit Fliesen hinweist.
295
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Eigentümer des Gutes
Bramstedt haben von alters her unter ihren hiesigen Besitzungen eine, welche
den hiesigen Fleckenseinwohnern ein besonderes Vergnügen gewährte, mit der
freundlichen Gesinnung auch den Bramstedtern zum Mitgenuß offen gelassen: das
kleine Gehölz ganz nahe dem Flecken. Dieses gewährte nicht nur Schutz gegen
rauhe Nordwestwinde, sondern war zugleich eine Naturschönheit, wie die nähere
Umgebung nur spärlich wieder bietet. Durch die Anlage offener Spazierwege war
die Gelegenheit zu höherem Naturgenuß gegeben. Durch Jahrhunderte haben die
Einwohner besonders an Sonn- und Festtagen mit Freuden genossen, was sonst kaum
erreichbar für sie gewesen wäre. In Dankbarkeit haben Ärmere und
Nichtbesitzende genossen, was ein hochgesinnter benachbarter Mitbürger freigebig
ihnen vergönnte.
Mit um so schmerzlicheren
Gefühlen vernehmen wir, daß Ew. Hochgeboren beabsichtigen, außer dem bereits
abgeschlagenen, entfernteren Teile des gedachten Gehölzes auch den übrigen, dem
Flecken näher liegenden Rest fällen zu lassen. Dieses Gerücht stellt ein für
uns trauriges Ereignis in Aussicht und muß uns schmerzlich berühren. Freilich
steht es uns nicht zu und liegt es uns fern, Ew. Hochgeboren in der
Dispositionsfreiheit über Ihr Besitztum stören zu wollen. Doch glauben wir, die
Überzeugung haben zu dürfen, daß Sie, wenn auch nicht auf hiesigem Besitz und
nicht in unserer Mitte wohnend, dennoch nicht die Interessen des Fleckens als
Ihnen ferne liegend betrachten werden. Ja, wir hoffen, ohne Ihre Interessen zu
verkennen, daß Sie unsere ganz ergebene Bitte nicht unberücksichtigt werden
lassen:
»Sie wollen gewogentlichst
geneigen, das Gutsgehölz am hiesigen Flecken nicht weiter oder wenigstens nicht
ganz fallen zu lassen.«
296
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VI.
DIE ALTE BRAMSTEDTER MÜHLE
Ohne Murren hat seit
nachweislich mehr als vier Jahrhunderten die Osterau unsere alte Kornmühle am
Schlüskamp mit der nötigen Antriebskraft versorgt, vermutlich schon recht viel
länger. Nicht ganz so lange, praktisch bis 1856, hat dieser Mühle das Zwangs-
und Bannrecht für das Kirchspiel Bramstedt mit Einschluß des eingesprengten
Guts- und Klosterbesitzes zugestanden, d. h. die Kornerzeuger des genannten
Bezirks durften nur hier mahlen lassen, und niemand hatte das Recht, eine
weitere Mühle zu bauen oder zu betreiben. Dieses Monopol stand unter dem
Schutze der Landeshoheit. Nicht selten waren die Fürsten oder sonstige
Grundherren Eigentümer solcher Mühlen, so in unserm Falle der dänische König,
bis Christian IV. sie als Leibgedinge seiner Wiebecke Kruse übergab.
Selbstverständlich waren zum Schutze der Verpflichteten Vorschriften über die
Mahlkosten und die sachlich einwandfreie Handhabung des Monopols nötig, wie
andrerseits die »Mahlgäste« noch mit Hand- und Spanndiensten gegen die Mühle
verpflichtet waren. Wir werden sehen, daß die rechtlichen und sachlichen
Belange des Mühlenbesitzers oder seines Vertreters einerseits, und der
Zwangskundschaft andrerseits nicht allemal sich friedlich haben ausgleichen
wollen.
Völlig im Einklang mit dem
erwähnten königlichen Besitzrecht steht es, wenn die ältesten Abrechnungen des
Segeberger Amtes von Korn- und Molte-(Malz)-Lieferungen der Bramstedter Mühle
regelmäßig berichten.
Zum Beispiel für 1537:
Korn von der Mollenn tho Bramstede 3 Last, Molth uth der Mollenn tho Bramstede
2 Last 1 Drompt
oder für 1541: Molt ut der
Molen to Bramstede entfangen 6 Drompt 6 schepel. Dazu die Anmerkung: De Moller
tho Bramstede hefft by der mölen Schaden hadde an Kammrad und Welle. Daför
vergütet 1 Drompt und 9 schepel; dazu för sin egen Arbeit und Zugaben (Nägel
usw.) noch 6 schepel gemindert.
Der Inhaber der Mühle,
vermutlich Pächter derselben, ließ also seinen Betrieb auf Rechnung des Herrn
instandhalten. An andrer Stelle erfahren wir, daß der Amtskasse ein
»Jahresaustrag« von 750 Mark lübsch regelmäßig zufloß.
War der Landesherr Gründer
und Besitzer der Mühle, so wird es auch verständlich, wenn hinsichtlich dieses
Unternehmens den lieben Untertanen zu dem Mahlzwang noch einige Pflichten
aufgebürdet wurden, an die man zunächst nicht denkt.
Bei der sich
wiederholenden Bestätigung der »alten Fleckensgerechtigkeiten« durch die
Landesherrschaft wird von dieser nachdrücklich die Voraussetzung betont, daß
nun auch die Bramstedter ihrerseits ihren Pflichten gegen die Obrigkeit
nachkommen wie von alters her geschehen. Die Grenze dieser Verpflichtung liegt
nicht allemal ganz klar.
297
---------------------------------------------------------------------------------------
Im Jahre 1585 z. B. lehnen
die Bramstedter es ab, Mühlenfuhren zu tun, während sie anerkennen, daß sie,
wenn an der Mühle gebaut wird, »wohl zupflegen, zeunen und leimen (Leim =
Lehm), auch, wenn die Mühle Eises oder Wassers halber in Not komme, zur
Errettung derselben Tag und Nacht hülfliche Hand zu leisten verpflichtet sind.«
- Die am 18. Juni 1586 getroffene Entscheidung des Statthalters Heinrich
Rantzau, am 3. August vom König bestätigt, ist nicht so klar, daß sie künftige
»Irrung« hätte hindern können.
Die Bramstedter
Kirchenchronik meldet, daß 1628 die Mühle abgebrannt sei. In einem Schreiben
Christians IV. vom 25. Mai 1633 befiehlt dieser seinem Amtmann von Buchwald,
zur Vermeidung des »fast diesen Sommer vermuthlichen Ruins«, dafür zu sorgen,
daß die Mühle nach »bester müglichkeit zu ihrem standt und wesen gebracht
werde.« So muß angenommen werden, daß sie 1628 nicht völlig zerstört worden
oder aber recht mangelhaft wieder aufgerichtet worden sei. Wie hätte sie sonst
in dem beschriebenen kläglichen Zustande sich befinden sollen!
Wie bereits erwähnt, ist
1633 nicht die völlige Ablösung der Königlichen Hand von der Mühle erfolgt.
Wiebeke hat sie als »Leibgedinge« erhalten; danach fiel beim Ableben ihres
letzten Leibeserben das Besitzrecht in vollem Umfange an die dänische Krone
zurück.
Als 1661 der »General der
Milice im Reiche Norwegen«, Claus von Ahlefeld, Schwiegersohn genannter
Wiebeke, dem Könige Friedrich III. meldete, die Mühle sei »ganß baufällig und
müsse unumgänglich wiederumb repariret werden«, da läßt ihm der König ohne
Umstände das nötige Holz aus den Segeberger und Rendsburger Waldungen zukommen,
weil »ihm die Mühle zustehe«.
Unter Ahlefelds Regiment
wachen - wohl nicht zum erstenmal - Streitigkeiten wegen des
Rechtsverhältnisses der Mahlgäste zur Mühle auf. Die Bauern weigern sich, das
»Mattenkorn« (Entgelt für das Mahlen) zu fahren. Der Amtmann bringt einen
Vergleich zuwege, wonach »hinführo des Kirchspiels Brahmstedt Königliche und
adelige Unterthanen, Hufners, halbe Hufners und Kätners sollen schuldig sein,
insgesamt zu dem Mühlen Gebäu nach advenant (Befinden) mit Fuhren und
Handdiensten zu helfen. Fürs andere, daß das matten Korn, so gemelte Mühle
jährlich aufbringt, Königliche und Adeliche zugleich auf drey meile weges
wegfahren über sich nehmen, ausgenommen das vom Müller gekaufte Korn, womit er
Königliche und adeliche Unterthanen nicht bebürden« (soll). Der Kirchspielvogt
soll die nötigen Listen führen, damit die genannten Pflichten ordnungsgemäß
erfüllt werden. Den pro tempore Kirchspielvögten soll für ihre Mühe mattenfrei
soviel Korn gemahlen werden, als sie für ihre Haushaltung brauchen. Doch sollen
sie keine Gerechtigkeit an der Mühle sich anmaßen, sondern dies als ein
Salarium für obgedachte Mühe betrachten. - So geschehen 1653.
Im gleichen Sinne, also
zur Sicherung der Mühlengerechtigkeit, erläßt Friedrich III. 1667 einen Befehl,
der noch den Zusatz bringt, daß den Mahlpflichtigen die Benutzung von Quiren
(Handmühlen) im eigenen Hause untersagt wird. Als Urheber dieses Erlasses gilt
der vielvermögende Claus von Ahlefeld.
298
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Im Jahre 1696 erfolgte
formell und praktisch die Ablösung der Mühle mit ihrem gesamten Zubehör, also
auch Gayen und Roddenmoor, von dem adeligen Gut. Eine Enkelin Wiebckes,
Ahlefelds Tochter Christine Sophie Amalie, verkaufte zu genannter Zeit das Gut,
nachdem 1684 ihre erste Ehe mit dem Obersten Claus von Oertzen geschieden und
1686 ihre zweite Ehe mit Johann Gottfried von Kielmannsegg für nichtig erklärt
worden war. Der König genehmigt den Verkauf mit der ausdrücklichen Bedingung,
daß Mühle und Gayen unveräußerlich im Besitze der bekannten Erben verbleiben,1)
ebenso, daß, falls die Erben aussterben, die Mühle in das Eigentum des Königs
zurückfalle.
Kielmannsegge versucht
nun, die Benefizien der Mühle seiner früheren Gemahlin zu entwinden; unter dem
Vorwande, sie schulde ihm 6000 Gulden, verlangt er, daß die Mühlenpacht - 416
Taler jährlich - zum Abtrag seiner Forderung ihm ausgekehrt werde. Er hat
nichts erreicht, aber erst nach seinem Tode (1724) kam die Sache zur Ruhe.
Frau von Kielmannsegg
erscheint nach einem Bericht unter den Kieler Akten im Jahre 1712 als Baronesse
von Dieden und als Tochter von Frau Sophie Güldenlöw. Somit steht fest, daß
Wiebckes Enkelin zum drittenmal geheiratet hat. Sie sucht eine Anleihe auf die
Mühle zu machen in Höhe von 1000 Spezies (Doppel-Taler); denn der restierende
Kauf-Schilling (Käufer: von Grote) gehe nicht ein. Man könne auch »Mönkegeyen
und das Rohte Moor gern verkaufen«, da sie doch keinen Nutzen davon
ziehen könne, weil keiner es »heuern« wolle. Es stand mithin nicht gut um die
wirtschaftliche Lage der Wiebke'schen Erben. Ein Bericht des Amtmanns von
Hanneken stellt 1732 fest, daß die Baronin von Dieden mit ihrem Manne mehrere
Jahre in der Mühle gewohnt habe. Weil sie Schulden hatten, haben sie die
»Rohrwiese« verkauft. Das sei möglich gewesen, weil diese Wiese zwar direkt am Mühlenteich
liege, aber doch bis 1696 zum Gut gehört habe und erst beim damaligen Verkauf
durch Frau von Kielmannsegg vom Gut separiert worden sei.
Anno 1729 ist die
Vielgenannte im 80. Lebensjahre heimgegangen. Ihre Tochter aus erster Ehe,
Charlotte Friederike von Oertzen, verheiratet mit dem Grafen Thomas Theodor von
Schmidegg aus Ungarn, hat das mütterliche Erbe übernommen. Im Besitze dieser
Familie haben sich die Mühlengerechtsame vererbt bis zum Jahre 1855, wo der
derzeitige Erbpächter N. F. Paustian nach gesetzlicher Aufhebung der dänischen
Rechte den Vollbesitz von Mühle und Mönke-Gayen nebst allem Zubehör antreten
konnte. Noch heute ist die Mühle Eigentum seiner Erben.
Haben wir somit Klarheit
über die Wandlung des Besitzrechtes, so ist hinsichtlich der Mühlenverwaltung
und deren Auswirkung auf die Beteiligten noch einiges zu sagen.
__________
1)
In der Schenkungsurkunde Christians IV. heißt es wörtlich: »... unsere Mühle zu
Bramstedt, wovon uns sonsten in Unser Ambt-Register Jährlich Siebenhundert und Fünfzig
Mark entrichtet worden, zustehn und gegönnet werden, daß Sie (Wiebke) und ihre
Leibes Erben ihrer Notdurft nach an dem Einkommen zu ewigen Zeiten zu genießen
haben.«
299
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Man geht nicht fehl in der
Annahme, daß die adeligen Besitzer der Mühle diese nicht selbst verwaltet,
sondern von Anfang her in Pacht gegeben haben. Sprechen die alten Amtsregister
nur von dem »Moller«, so nennt eine Urkunde von 1719 uns den Pächter Peter
Wichmann, von dem Baronesse von Dieden verlangt, daß er räumen solle. Peter,
den wir uns nun als Zeitpächter vorzustellen haben, wider setzt sich dem
Begehren der Gnädigen. Er hat ihr Geld geliehen, damit sie Prozeß führen könnte
gegen den Gutskäufer von Grote. Er brauche nicht eher zu räumen, als bis sie
diese Schuld beglichen habe. Er erreicht, daß sie ein in diesem Sinne
verpflichtendes Schriftstück unterzeichnet. Die Sache zieht sich hin. Endlich
wendet sich die Dame an den König. »Wie ungehrn Eure Königl. Majest. Mit
gegendtwärtigem allerunterthänigsten Memorial behellige, so werde (ich) doch
fast Wieder meinen Willen dazu angespohrnet, solches zu Ewer königl. Majest.
Füßen zu legen. Wie das den Müller zu bramstedt, Peter Wigmann, gegen mich
verfahren tuhet, alß Vergangenen Jahr sein haur Zeit umb gewesen, die Mühle
nicht räumen wollen, bevor ihm seine Rechnung, die in 500 Reichsthaler
bestehet, bezahlt (wird), da Ich doch eine gegen Rechnung auf tausend Rthlr.
habe, wan Ehr die Mühle, die Ihm von Meytag an bis nun nicht Wieder verhäuret,
seiner Schuldigkeit nach redlich berechnet. So daß Er mir und Ich nicht Ihm
schuldig bleibe. Er hat alle Müller durch Unwahrheiten und Verachtung der Mühle
abspenstig gemacht, mich dadurch zu zwingen, die Mühle Ihm vor den geringen
Preis, da Ehr sie bevor gehabt, zu laßen. Anno 1714 sind aber die
holsteinischen Mühlen sehr gesteigert worden. Auch hat er sich unterstanden,
gegen Ihre Majest. Friedrich III. glorwürdigsten gedenkens allergnädigstes
Mandat, in diesem Flecken und den Dörfern ohne mein wißen queren und Roß Mühlen
(Göpel-Betrieb?) zu betreiben erlaubet, um den künftigen Pachteren abbrach zu
tun. - Die Behörden halten mich hin mit decreten. Wan ich nach der Regierung
mußte (der Regierung folgte), so muß ich mit meinen domestiquen (Dienstboten)
noth Wendig Crepiren.« -
Am Schluß betont sie, daß
der Müller nichts rechtens gegen sie in der Hand habe; »denn ihre Hand
(schrift) habe er ihr Malitiösement abfilutirt«.
Geschrieben
15. Dezember 1719.
Christina Sophia Amalia
Baronesse
de Dieden geb. Ahlefeldt.
Der König fordert zunächst
die Regierung in Glückstadt zum Bericht auf. So erfährt er, daß die Baronesse
allerdings habe zugeben müssen, eine Schuldverpflichtung gegen den Müller zu
haben, und sie habe außer der Mühle keinerlei Nährquelle. Das Gericht habe eine
bis zum nächsten Maitag laufende Zwischenordnung getroffen. Dann müsse man sehen,
was geschehen könne. Ohne gerichtliche Entscheidung sei eine Lösung des
Streites nicht zu erwarten. Da aber die Baronesse mit der Behörde gar nicht
zufrieden sei, würde diese sich freuen, wenn Majestät für diesen Fall andere
Commissarios ernennen wolle.
Der König gibt sehr bald,
noch 1719, seinen Entscheid mit folgenden wesentlichen Punkten: Der Müller sei
berechtigt, für die bisher gezahlte Pachtsumme auf der Mühle zu bleiben. Von
dem nach Zahlung fälliger Kriegssteuer und rück-
300
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ständiger Baukosten
übrigen Ertrag habe er die Hälfte der Klägerin auszukehren, während der Rest
auf seine Forderung zu verrechnen ist. Sie habe nicht nötig, die Wohnung in der
Mühle zu räumen, wie andrerseits der Müller bis zum vollen Schuldabtrag
ungestört den Betrieb der Mühle fortsetzen könne.
Mühsam schleppt sich die
Sache weiter. Die Gnädige will Geld anleihen gegen Verpfändung der Mühle; das
erweist sich als untunlich, weil ja im Ernstfall die Verkaufsmöglichkeit fehlen
würde. Im nächsten Jahr wird ihr das Recht zugesprochen, einen andern Müller
einzusetzen. Dieser aber soll zuvor Sicherheit geben, daß et Wichmann die Summe
zahlt, die die Regierung bestimmen wird. Ehe das erreicht wird, stirbt Wichmann
1721. Die Baronin treibt die Witwe aus dem Hause, da doch mit des Pächters Tode
alles erledigt sei. - Ihre Empörung ist groß, als sie gezwungen wird, die Witwe
wieder einziehen zu lassen, bis die Schuldfrage geregelt sei. (Zur Erleichterung
der Leser sei hier eingeschaltet, daß aktengemäß die beiden Frauen getrennten
Haushalt führten.)
Hier muß eine Lücke in den
Kauf genommen werden. Wir erinnern uns, daß 1729 Baronin von Schmidegg durch
Erbgang Inhaberin der Mühlenrechte geworden ist. Sie drängt darauf, daß die
Mattenfuhren prompt geleistet und auch, wie es von alters her gewesen sei,
der »Sechsling Mahlgeld« gezahlt werde1). Der
Kirchspielvogt Janke teilt dem Amtmann mit, daß die Witwe Wichmann von ihrem
Mann und dessen Vater geführte Verzeichnisse vorgelegt habe. Darin sei das Geld
geringer. Es sei hierüber Bestimmtes nicht zu sagen.
Anno 1744 wird Peter Haack
als Mühlenpächter genannt. Dieser verpachtet weiter an Christian Kühl, dem aber
die Sache bald leid wird. Er erfährt nachträglich, daß Haack nicht Eigentümer
der Mühle und somit nicht berechtigt sei, eine rechtsgültige Verpachtung
vorzunehmen. Er fühlt sich angeführt, kann aber noch im letzten Augenblick sein
Geld in der Tasche behalten. Er wird auf Verlangen des Gegners in Arrest
genommen, aus dem nur die Zahlung einer Kaution ihn befreien wird. - Auch in
diesem Falle bleibt uns der Ausgang unbekannt.
In Sachen der Mattenfuhren
ergeht nach zwei Jahren (1731) durch Christian VI. der Bescheid, daß es damit
zu halten sei, wie die Schmideggs es verlangt haben. Inzwischen hat der Müller,
um den Betrieb nicht zu unterbrechen, die von den Mahlgästen verweigerten
Fuhren gegen Entgelt vornehmen lassen. Darüber liegt eine Abrechnung vor, aus
welcher folgende Beispiele entnommen sind.
1.
»Vor
die niedergelegte Hufe in Wiemersdorf, vor welche den 5ten, 10ten, 13ten und
19ten April die tour getroffen, sind 4 Tage à Tag 1 Mann, ist 4 Mann.«
2.
»Vor
die niedergelegten Hufen in Hitzhusen, deren tour den 6ten, 10ten, 13ten und
23ten April getroffen, sind 4 Tage à Tag 6 Mann = 24 Mann.«
3.
»Und
Vor der Wüsten Hufe in Weddelbrook, so die tour den 6ten, 10ten, 14ten und (?)
April getroffen; sind 4 Tage à Tag 1 Mann = 4 Mann.«
»Zusammen 32 Mann
(Arbeitstage). Davon sind am 30. April und 1. Mai Tagelöhner gemietet und
bezahlt worden à Mann 8 Schilling.«
Diese kleine Aufstellung
nötigt zu der Erkenntnis, daß nicht die Hufner schlecht-
__________
1)
Dem Verfasser ist von solchem »Sechsling« = ½ Schilling nichts bekannt
geworden.
301
---------------------------------------------------------------------------------------
hin eine althergebrachte
Pflicht abgelehnt, sondern sich nur geweigert haben, ohne weiteres auch für den
Ausfall der »wüsten« (verlassenen) Hufen einzutreten. - Durch königlichen
Spruch sind sie allerdings dazu genötigt worden.
Fast gleichzeitig und in
schärferer Prägung tritt ein anderer Zwist zutage, ebenfalls die Mattenfuhren
anlangend. Die Bramstedter und etliche andere lehnen nach wie vor die
Mattenfuhren ab. Das sei Sache der Kirchspieldörfer. Letztere reichen durch
»Gevollmächtigte« Klage ein. 1735 kommt das Urteil heraus:
»Sententia definitiva in
Sachen des Kirchspiels Bramstedt, Kläger contra die Eingesessenen des Fleckens
Bramstedt, wie auch die 4 Dingvögte, item die Eingesessenen des Dorfes Bimöhlen
und die klösterlichen Hufen in Armstedt.«
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beklagten sind von Mattenfuhren frei: die Fleckensleute wegen ihrer alten
Privilegien, die 4 Dingvögte auf Grund der von Friedrich III. am 30. Mai 1665
erteilten Freiheit; die Bimöhler endlich sind davon seit undenklichen Zeiten
frei gewesen und haben freiwillig anderes auf sich genommen, z. B. Anfahren der
Mühlsteine und Bäume, Abdämmung des Wassers, Lieferung von Heide, Busch und
Pfählen. Gegen die Armstedter muß erst Beweis ihrer Verpflichtung erbracht
werden; bis dahin sind sie frei.
So das endgültige Urteil.
Hinsichtlich Armstedt und Bimöhlen ist in Betracht zu ziehen, daß ersteres mit
der Mehrzahl seiner Hufen und Bimöhlen vollständig durch fast vier Jahrhunderte
unter Klosterhoheit gestanden haben, Bimöhlen außerdem sehr wahrscheinlich
selbst eine Mühle gehabt hat.
Schon meldet neuer Zwist
sich an. Den für das Mühlendach nötigen Schoof (gestauchtes Glattstroh) samt
Weden (junge Weidenschößlinge zum Festbinden des Strohs an die Dachlatten)
sollen die Bramstedter liefern. So verlangt es im Jahre 1739 der Mühlenpächter
Haack dringlich. Die Fleckensleute bekunden wenig Verständnis für diese
Zumutung. Amtmann Hans von Rantzau stützt sie in ihrer Weigerung. Aber Konning
Christian VI. zwingt ihnen die Lieferung auf und fügt hinzu, sie möchten sich
wegen vermeintlicher Geldansprüche an den Grafen von Schmidegg halten.
Ein ähnlicher Fall
ereignet sich nach zwei weiteren Jahren. Haack beansprucht Holz und Fuhren für
Mühlen- und Schleusenbau. Wieder fehlt das Entgegenkommen der Bramstedter.
Diesmal steht ihnen der Kirchspielvogt zur Seite. Er weigert sich, den nötigen
Auftrag zu geben. Die Rentenkammer zu Copenhagen hat das letzte Wort; sie
befiehlt, das Verlangte ohne Verzug zu liefern, da Gefahr im Verzuge sei.
Diese Vorgänge erzeugen in
Flecken und Dörfern eine wachsende Verstimmung gegen die landfremden
Schmideggs. Die Mahlgäste fordern nachdrücklich Minderung der Lasten und die
Freiheit, für ihren Haushalt Handmühlen zu benutzen. Doch der dänische König
gibt nicht nach. Die Untertanen haben zu gehorchen. Die Widerstrebenden, an
erster Stelle die Fleckensleute, sollen durch militärische execution gezwungen
werden. Doch die Ratmänner erweisen sich als standhaft. Der König läßt sich
umstimmen und läßt wenigstens die execution fallen; aber
302
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man wird die verweigerten
Arbeiten auf Kosten des Fleckens machen lassen. Wiederum sollen »ungewöhnliche«
Dienste an der Mühle ausgeschlossen sein. Die Benutzung von quarren, auch zur
Herstellung von Grütze, wird 1740 noch einmal absolut untersagt, und 1755 wird
dieses Verbot strenge in Erinnerung gebracht.
Die
Mühle wird in Erbpacht vergehen 1746
Die in Ungarn lebenden
Leibeserben scheinen sachte des Haders, den ihnen die Mühle in mancherlei
Hinsicht bereitet hat, müde geworden zu sein. Sie lassen durch ihren
Rechtsvertreter Dr. Niemann einen Erbvertrag abschließen mit Siegfried
Hans Christopher Wichmann (Nachkomme von Peter W.?). Die wesentlichen Punkte
dieses nicht ganz einfachen Vertrages seien hier wiedergegeben. Voraus die
Bemerkung, daß im gegebenen Augenblick das Roddenmoor (in den ältesten Akten:
rothes Moor) und Mönkegayen noch anderweitig »in Haur« standen.
Gegenstand des Vertrages
sind: Mühle, Gerätschaften, Gebäude, Garten, Gründe, Roddenmoor und Mönkegeien mit
den diesen Stücken »anklebenden« Gerechtigkeiten, als die hergebrachten Matten,
Grützgang anzulegen oder eine Roßmühle zum Grützmachen zu halten; von den
Königlichen und Adeligen Untertanen oder Mühlengästen die hergebrachte Arbeit
bei Reparaturen der Mühle, Lieferung des nötigen Schoofs und der Weden,
Leistung der Mühlen- und Mattenfuhren und andre hergebrachte praestande
(Lasten) zu begehren; der Lachsfang und freie Fischfang in der Mühlenkuhle, der
hauswirtschaftliche Gebrauch und Abnutzung des Mönken-Geien und des dazu
gehörigen Rottenmoors samt der Jagd darauf. Auch werden ihm vom Grafen
(Schmidegg) seine gesamten Jura und Gerechtsame übertragen, daß er sich
derselben in Zukunft zu seinem Nutzen und Gebrauch bestens bedienen möge. -
Augenblicklich ist Haack noch Zeitpächter. Solange das noch dauert, soll
Wichmann, wenn er sich mit H. nicht einigen kann, schon die Rechte der
Herrschaft haben. Das gilt auch für Geien und Zubehör.
Wegen Lasten und Gefahren
wird folgendes bestimmt:
»Wenn Kriegs-Steuer und
extraordinäre Schatzung auf die Mühle gelegt werden, hält solche die Herrschaft
ab; wenn in Kriegszeiten der Feind oder sonst die Mühle abbrennen sollte, so
daß dem Wichmann keine Geldgerechtigkeiten zustehen, soll die Herrschaft zahlen.
Beides kann er von der Pacht in Abzug bringen. Weitere Zahlungen übernimmt die
Herrschaft nicht.«
Die Pacht beträgt jährlich
450 Reichstaler dänischer Cronen, wovon je die Hälfte auf Maytag und Martini zu
entrichten sind.
An besonderen Pflichten
wird ihm auferlegt, dem Pastori jährlich zu Weihnachten acht kleine Himten
Roggen zu reichen; ferner, wenn die Herrschaft nach Bramstedt kommen sollte, in
der Mühle oder in seinem Hause ein Zimmer unentgeltlich herzugeben und auf 6
Meilen die Herrschaft zu holen und wieder wegzu-
303
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fahren. An Caution muß er
stellen 600 Reichstaler bar und sein bei der Mühle und beim Kirchhof liegendes
Haus, taxiert mit 1316 Reichstaler.
Zum Schluß die
entscheidend wichtige Bestimmung, daß der Vertrag dauern soll, bis einer oder
der andere oder beide keine Leibeserben mehr haben.
Das Geschlecht der
Wichmanns hat sich durch genau ein Jahrhundert auf der Mühle behauptet im
männlichen Stamm. Anno 1846 aber heiratete Metta Elisabeth Wichmann den von der
Kampener Mühle herstammenden Müller Nikolaus Friedrich Paustian, der damit in
alle Rechte des Erbvertrages eingetreten ist, natürlich auch der Pflichten.
Wir haben zunächst noch
einiges aus der Ära Wichmann zu sagen. Man schrieb 1797, als sich Siegfried
Christopher W., Erbpächter und Schwiegersohn des p. t. Kirchspielvogts
Butenschön, entschloß, ein Privilegium zu erbitten, daß niemand, er habe denn
eine besondere Königl. Concession, auf fremden Mühlen gemahlenes Mehl, Schrot
oder Malz in den hiesigen Zwangsdistrikt einführen dürfe, bei Strafe der
Confiscation.
Der Erbmühlenpächter
Hudemann in Neumünster hatte zehn Sack Malz an einen Mühlengast hiesigen
Kirchspiels geliefert. Wichmann, darüber unterrichtet, hat ohne Verzug die Ware
mit Beschlag belegt, die aber, nachdem H. eine Kaution hinterlegt hatte, wieder
frei gegeben wird. Es folgt ein Prozeß, für den W. eine noch vorhandene
Druckschrift mit einer langen Reihe vermeintlicher Gründe für seine Rechtsauffassung
ins Feld führt. Er wird aber vom Gericht abgewiesen. Das wird der Anlaß zu dem
erwähnten Gesuch an den König. Was ihm auf dem Rechtswege unerreichbar blieb,
soll durch ein Privilegium erzielt werden. Der Landesherr zieht Erkundigung
ein, die für W. nicht günstig ausfällt. Die Mühlengäste sind überzeugt, daß W.
sie nur noch mehr drücken würde. Er sei auf die bisherige Art schon ein reicher
Mann geworden, während es ihnen kümmerlich gehe. Er möge nur gute Ware zu
angemessenem Preise liefern, so würden sie schon von selbst zu keinem
entfernteren Müller gehen. - Ergebnis: Privileg wird nicht bewilligt.
Nicht lange, nachdem die
Mahlgäste die Freiheit des Mehlkaufs gesichert sahen, haben die Fleckensleute
die alte Streitfrage der Grützbereitung mittels Quaren (oder Queren) wieder
angeschnitten. Hans Schröder und Nikolaus Pape klagen für sich und zugleich im
Namen des Fleckens gegen den Müller, der auch hierin das Monopol beansprucht.
Sie stützen sich darauf, daß durch Königl. Verordnung den Fleckensleuten
schlechthin das Recht zugestanden sei, »bürgerliche Nahrung« zu betreiben, daß
ferner in andern Bezirken des Landes der Betrieb von Grützmühlen durchaus
freistehe und daß endlich die Entscheidung der höchstpreislichen
Landesregierung vom 21. November 1742 wohl die Kirchspielsbewohner, nicht aber
die Fleckensbürger treffe; endlich wird betont, daß die Mühle selbst
tatsächlich gar keinen Grützgang habe. Dem gegenüber der Mühlenpächter:
a) Bramstedter Bürger
(Jochim Kröger und Rasmus Juel) haben nicht lange vor 1740 bei dem Könige um
eine Konzession für Mühlenbetrieb angehalten, sind
304
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aber abgewiesen worden wie
später auch andere. Wozu aber bittet man um Konzession eines Rechts, das man
ohnehin zu besitzen glaubt?
b)
1740
am 30.11. gibt Amtmann Hans Rantzau den Gevollmächtigten der mühlpflichtigen
Dörfer und den Fleckensvertretern (Marx Schümann, Johann Kröger, Hinrich
Behrens, Johann Lang Hinrichs und Erasmus Juel) unter Strafandrohung bekannt,
daß der Betrieb von Grützmühlen untersagt sei.
c)
Sowohl
der letzte Zeitpächter Haack (ausgekauft 1746) und sein Rechtsnachfolger, der
Erbpächter W., haben gegen Entgelt Bramstedter Bürgern gestattet, Grützmühlen
für sich und andere zu betreiben; eine Veröffentlichung des Amtmannes von
Schumacher vom 31.8.1782 erkennt diesen Rechtsverhalt als gesetzlich an und
verbietet bei Strafe von Konfiskation und Brüche, daß ein anderer als vom
Mühlenpächter zugelassener Mühlengast Grütz-Queren für sich oder andere halte.
d)
Noch
im Jahre 1792 im Juli sei dem 1/3 Hufner Lahann, der nach Ablauf seiner
Grützmühlenpacht noch 3 Himten Grütze hergestellt hatte, eben diese Grütze von
dem Kirchspielvogt Wohldt konfisziert worden. Der Flecken hat ohne Erfolg
protestiert. 1801 wurde die Witwe Lahann bei dem gleichen Vorhaben ertappt mit
dem gleichen Ergebnis.
Es gab natürlich nicht
eher Ruhe, als bis das Obergericht (Augustissimus) zu Glückstadt sich mit der
Sache befaßt hatte. Das Urteil geht dahin, daß das Vergehen der Witwe Lahann,
das den letzten Anstoß zum Streitverfahren gegeben hatte, nicht in die Rechte
des Mühlenpächters eingreife.
Es sei hier die Bemerkung
erlaubt, daß nach einfachem Menschenverstande das Obergericht den Nagel auf den
Kopf getroffen hat. Denn letzte und entscheidende Rechtsquelle muß in diesem
Falle doch wohl die Schenkungsurkunde Christians IV. sein, die aber schlechthin
von einer Kornmühle spricht. Wenn der Rechtsnachfolger Wiebeckes, die Familie
von Schmidegg, ihrem Pächter noch im besonderen das Recht des Grützmahlens
erteilt, so liegt darin ohne weiteres das Bekenntnis, daß solches Recht in dem
überlieferten Begriff der Kornmühle mindestens nicht sicher ausgesprochen
liegt. Man kann sagen, saß sie etwas weitergeben wollten, das nicht in ihrem
Besitze lag. Freilich käme noch die Frage des durch ungestörte Nutzung zu
erwerbenden Gewohnheitsrechtes in Betracht; aber diesmal gaben die in solchem
Falle wichtigen Aussagen der »alten Leute« (Abschiedsmann Hans Kröger und Claus
Fehrs) kein klares Bild.
Über die Rechtsbefugnisse
des Mühleninhabers hat es, soweit ersichtlich, seit 1808 keine Zwistigkeiten
mehr gegeben. Kornmahlen, Mehl- und Kornhandel standen ihm offen. Eine nach
außen wenig bemerkte Sonderlage war für ihn dadurch gegeben, daß der Verpächter
kein volles Eigentums-, im besonderen kein Verkaufsrecht hatte, womit dem
Pächter die Aussicht auf volles Besitzrecht abgeschnitten war. Die Mühle mit
allem Zubehör war und blieb letzten Endes Domäne der dänischen Königsfamilie.
Infolgedessen war die Mühle »kanzleisässig« d. h. verwaltungsrechtlich direkt
der Deutschen Kanzlei zu Kopenhagen unterstellt, in diesem Sinne also der
Fleckensgemeine fremd. Noch 1842 meldet
305
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das Segeberger Amt der
Regierung, daß die Erbpachtsmühle bisher weder zu den Gemeinde-, noch zu den
Polizeianlagen (Steuern) beigetragen habe. Das Jahr 1854 bringt die
entscheidende Änderung: das Mühlenzwangsrecht wurde durch Gesetz aufgehoben,
und die Beseitigung des Dominialrechtes der dänischen Könige muß wohl
schritthaltend erfolgt sein. Denn wie hätte sonst im folgenden Jahre N. F.
Paustian die Mühle als sein Eigentum erwerben können? Gewisse Sonderrechte sind
bei aller Wandlung geblieben; das Staurecht bis zu einer bestimmten, am Wehr
bezeichneten Höhe (Staupunkt), das Fischereirecht im alten Umfange und
natürlich das Vorrecht auf die Antriebskraft der Osterau wie vorher.
Unter der Leitung von N.
F. P. hat der Mühlenbetrieb eine günstige Entwicklung genommen. An Stelle der
alten strohbedeckten Mühle ließ er das noch heute vorhandene Backsteingebäude
errichten, das an der Stirnseite durch das eiserne Zeichen F. P. 1849 an seinen
Bauherrn erinnert. Um verbesserte Mahlgänge für feinstes Weizenmehl zu
gewinnen, ist 1852/53 auf dem Mühlengelände ein zweites Gebäude hergestellt
worden. Ein gesteigerter Umsatz, der sich bis nach England erstreckte, hat das
Unternehmen gelohnt.
Änderungen rechtlicher
oder praktischer Natur, die der Mühle ein besonderes Kennzeichen gegeben oder
für den Flecken oder das Kirchspiel ein besonderes Interesse gehabt hätten,
sind seither nicht mehr erfolgt.
Als dauernde Tatsache in
der Flucht der Erscheinungen haben wir festzustellen, daß unsere Vorfahren
immer wieder ihren Unwillen gegen die ehemalige Zwangslage bekundet haben. Das
kann begründet sein in dem gewiß begreiflichen Mißtrauen gegen das
vorgeschriebene Verfahren des »Mattens«. Mag aber auch sein, daß auch dieser
Teil des niedersächsischen Stammes überhaupt sich in seiner Behaglichkeit um so
mehr gestört fühlte, als er sich in seiner persönlichen Freiheit beschränkt sah.
Natürlich war es nicht der
Willkür des Müllers anheimgestellt, welches Quantum Korn er für seine Dienste
nehmen wollte. Dafür soll nachstehendes Schriftstück aus der alten
Fleckenslade, datiert vom 27. Februar 1770, beglaubigt durch Amtmann von
Arnold, Zeugnis ablegen.
»Kirchspielvogt
Butenschön, Mühlenpächter Hans Christoph Wichmann, Ratleute Jürgen Timm und
Hinrich Mohr, Bauernvögte Hinrich Bünz aus Borstel, Jürgen Kruse aus Barl, Hans
Boye aus Weddelbrook, sämtlich Deputierte der Mahlgäste, haben vereinbart:
Matte beträgt 9 Pfund lübsch Gewicht (für die Tonne), für die Vierteltonne 2¼ Pfund
für Mehlkorn und Schrot. Hingegen für Malz 1/5 weniger.
Zu welchem Ende durch ein Zeichen (in und an dem Maß) abgeteilet. Die Matte hat
3 Stempel: ein Gepräge inwendig mitten auf dem Boden, das zweite inwendig am
Rande, das dritte ebenso auswendig. Beim Malz muß das Abteilungszeichen genau
auf dem Malze ruhn; beim Korn und Schrot nicht häufen, sondern mit hölzernem
Streichinstrument abstreichen. Nur geeichtes Maß zulässig. Übertretung mit
schwerer Ahndung bedroht.«
Diese Festlegung bedeutet
wohl nur eine Auffrischung verwischter alter Zustände. Daß etwa das »Maß« mit
den Kornpreisen sich geändert hätte, dafür ist
306
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kein Anhaltspunkt gegeben.
Die Versuchung zum »Vermessen« war damit freilich nicht gebannt. Dazu hätte
immer noch gehört, daß der Bauer oder sein Vertreter selbst beim
Inangriffnehmen jedes Sackes zugegen gewesen wäre. Man zählt leicht die Gründe
ab, weshalb das als unwahrscheinlich gelten muß. Nur ein paar seien hier
genannt: der Geschäftsgang in der Mühle war sehr ungleich wie die Zufuhren
selbst; wer nach Bramstedt fuhr, hatte zugleich noch sonst allerlei zu
besorgen; aus den entfernteren Dörfern leisteten die Bauern vielfach der Reihe
nach die Kornfuhren für andere mit; nicht immer hatten die Bauern geeignete
Waagen im Hause, um zu kontrollieren.
Mit der Ablösung des
Mühlenzwanges war das »Matten« nicht aufgehoben. Mir selbst klingt es noch in
den Ohren, wie der Müllergeselle dem Ankömmling zurief: »Matten oder betalen?«
Am Schluß soll das alte
Fleckensbuch das Wort haben und zeigen, daß die Bramstedter in der Stunde der
Not auch gegen die Mühle ihre Pflicht zu erfüllen bereit waren.
»Am 1. März 1827
veranlaßte ein schnell eintretendes Tauwetter einen so hohen Wasserstand, daß
das sich häufende Treibeis... vorzüglich dem Mühlengrundstück gefährlich wurde.
Nachmittags türmte sich das Eis so schnell und stark, und das bis gegen 3 Uhr
morgens hin, daß nur kräftigste Hülfe noch retten konnte. Auf Beschluß des
Kirchspielvogts, der Fleckensvorsteher Peter Fölster und Friedrich Schmidt,
sowie der Ratmänner Marx Ramm und Jochim Mohr wurde abends 11 Uhr der
Mühlendamm bis auf den äußersten Kamm in einer Breite von etwa 6 Fuß
abgegraben, um denselben bei höchster Gefahr ohne Zeitverlust ganz durchbrechen
zu können und dadurch den Andrang des Wassers und des Eises gegen das
Mühlenwerk zu teilen.
Soviel Menschen, als dem
Platze nach nur irgend ankommen konnten, arbeiteten unaufhörlich und mit der
größten Anstrengung und dem bravsten Eifer; es waren 24 Mann vom Flecken
beordert. - Um Mitternacht ward beschlossen, den Kamm des Dammes ganz
durchzubrechen. Aber das Wasser hatte eine solche Höhe erreicht, daß kein
Arbeiter mehr zukommen konnte; es hatte schon selbst mit großer Kraft den Damm
durchwühlt und sich auch über den Fahrweg Bahn gebrochen. Die ältesten Leute
erinnern sich eines so hohen Standes des Oberwassers nicht; das Unterwasser
hätte schon in älteren Zeiten gleiche Höhe gehabt.
Mit Tagesanbruch hörte die
Gefahr für die Mühle auf; aber mit Schaudern und zugleich mit innigstem Dank
gegen die Vorsehung sah man, daß die Fußbrücke, worauf 16 und mehr Männer die
ganze Nacht hindurch gearbeitet hatten, so zerstört und unsicher war, daß ein
Einzelner sich scheute, auch nur hinüberzugehen.«
Mit Genugtuung nimmt der
Nachfahr zur Kenntnis, daß die alten Bramstedter nicht nur zu fordern und zu
nehmen verstanden, sondern auch zu geben und zu leisten bereit waren, wo
Pflicht und Not es forderten. Und grade in Verbindung mit der Mühle haben sie
den Beweis erbracht, daß sie auch ohne fremden Druck
307
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sich auszugleichen wußten.
Es war ihnen, die so oft durch schwere Einquartierung hart betroffen wurden,
ein Dorn im Auge, daß der wohlvermögende Mühlenpächter davon gänzlich verschont
blieb. Am 17. Februar erreichten sie durch Vertrag, was sie begehrten.
Siegfried Hans Christopher Wichmann verpflichtet sich, sowohl bei Stand- als
auch Marschquartier acht Mann aufzunehmen, allerdings mit der Bedingung, daß er
»mit keiner Verpflegung, so die Pferde betrifft, bebürdet werde«. Dafür
versprechen ihm die Fleckensleute so viel Torfmoor, wie einem Drittelpflug
zukommt, freilich mit dem Zusatz, daß »er auch neben ihnen (wie sie) Pferde
Arbeit tuhn soll«. - So das Fleckensbuch.
308
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VII.
GUT GAYEN
Gayen ist der Name eines
Höhenzuges, östlich von der Kieler Chaussee in der Gemarkung Fuhlendorf
gelegen, bis vor wenigen Jahren in seinem 46,7 m über dem Meeresspiegel
liegenden Gipfelpunkt gekennzeichnet durch ein hochragendes trigonometrisches
Gerüst. Wir haben es mit dem höchsten Ort im Kirchspiel Bramstedt zu tun; denn
auch der mehr in die Augen fallende Hailohberg (Bimöhlen) bleibt um 20 cm
zurück. Das alte Fleckensbuch spricht vom Weg »na de Gay«, und in seiner
Schenkungsurkunde von 1633, die Morgengabe für Wiebke Kruse anlangend, nennt
Christian IV. diesen Erdenwinkel das »Land Mönke Gayen«. Damit ist nicht der
besondere Sinn des Wortes »Gay« oder »Gayen« aufgedeckt, was überhaupt bislang
nicht gelungen ist. Wohl aber ist gewiß, daß Gayen im genannten Jahre Eigentum
des Dänenkönigs gewesen ist, der es gleichzeitig mit der alten Bramstedter
Wassermühle seiner lieben Wiebke übergeben hat, wobei noch das heute
dazugehörende Roddenmoor als besonderer Bestandteil erwähnt wird. Ferner wird
durch das Beiwort »Mönke«, genau wie bei »Mönkloh«, außer Zweifel gestellt, daß
dieser Flecken Landes einmal im klösterlichen Besitz gewesen ist, mindestens
unter Verwaltung von Mönchen gestanden hat. Es liegt nahe genug, dabei an das
im Jahre 1127 gegründete Nova Monasterium (Neumünster) zu denken. Nun steht
andrerseits fest, daß Bimöhlen 1270 dem Cistercienser Kloster zu Reinfeld
zugeteilt worden ist. Fürsten und Grafen haben, und wohl nicht lediglich ihres
Seelenheils wegen, auch hierzulande in recht erheblichem Umfange
Klostergründungen begünstigt und gestützt, und in jenen Tagen bestand ein
Mangel an Land und Raum nicht. Die auf der holsteinischen Geest ursprünglich
den irgendwie rechtsbegründeten Siedlungsgemeinschaften zugewiesenen Bezirke
sind in ungezählten Fällen nicht voll ausgenutzt worden. Ödländereien oder
fernab am Rande der Gemarkung liegende Teile blieben oft unbeachtet liegen; sie
waren natürlich steuerfrei und standen grundsätzlich zur Verfügung des
Landesherrn oder später des Fiskus. Ein solches Beispiel liegt sicher bei
unserm Gayen vor. Dies Gebiet ist noch heute mit allerlei unkultiviertem Boden
ausgestattet, und seine Lage zu den vier es umringenden Ortschaften Bramstedt,
Fuhlendorf, Wiemersdorf und Bimöhlen ist so, daß es ziemlich gleichen Abstand -
2 bis 3 km - von jedem hat. Das Verlangen, es in Besitz und Kultur zu nehmen,
hat daher lange geschlummert1).
So spricht alles dafür,
daß das Land Gayen bis zur Überlassung an eins der genannten Klöster (die
Nonnenklöster zu Ütersen, Itzehoe, Preetz kommen doch
__________
1) Das
Gebiet des Bramstedter Stadtwaldes ist aus ähnlichen Gründen fiskalisch und
unberührt geblieben bis 1884. Dann kaufte auf Anregung des Kirchspielvogts die
Stadt das »an sich wertlose Land«.
309
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nicht in Frage) dem
Landesherrn zu eigen gewesen ist. Ebenso natürlich ist es zugegangen, daß nach
Einführung der Reformation (etwa 1540), als die »männlichen« Klöster aufgehoben
wurden, das frei gewordene Land an den König zurückgefallen ist. So konnte
Christian IV. es verschenken. So wurden Gayen, Roddenmoor, Mühle und Gut
Bramstedt dem Anschein nach zu einem einheitlichen Besitztum. In Wirklichkeit
war es nicht ganz so. Wiebke hatte nur das Gut mit allem Zubehör, so wie es ihr
Christian für sie erworben hatte, zu ihrer und ihrer leiblichen Erben
schrankenlosen Verfügung; Mühle, Roddenmoor und Gayen waren nur zur Nutznießung
(als Leibgedinge) ihr zugewiesen worden, anders gesagt: unverkäufliches
erbliches Besitztum, das mit dem Ableben des letzten Leibeserben zurückfiel an
den Geber oder dessen Nachfolger.
Praktisch ist die Mühle
durchweg in Erbpacht verwaltet worden. Verläßliche Anzeichen sprechen dafür,
daß auch Gayen verpachtet worden ist, wenn auch auf Zeit, denn schon 1700 klagt
die Erbin, daß dies Land so schlecht in Pacht zu geben ist: keiner will es
haben. In primitiver Weise, wohl als Schafweide und Torfmoor genutzt, ist Mönke
Gayen im Besitz der Familie von Schmidegg, Wiebkes Erben, wohnhaft in Ungarn,
geblieben bis um die Mitte des vorigen Jahrhunderts. Dann ist es unter
veränderter Gesetzgebung dem letzten Erbpächter, dem wohlangesehenen Müller N.
F. Paustian möglich gewesen, nicht nur das Gut Bramstedt, sondern auch das
Leibgedinge käuflich zu seinem Eigentum zu machen. Nun ist eins mit dem andern
einheitlich bewirtschaftet worden, und man wird nicht fehlgehen, wenn man die
Entstehung des Namens »Gut Gayen« auf diese Zeit zurückführt. Gehörte es doch
einem Gutsherrn. Als Bezeichnung der Bahnhaltestelle, die seit 1916 hier
vorhanden ist, hat sich dieser Name erhalten. Die neue Zeit hat daraus einen
Erbhof gestaltet, und so wollen wir fortan das den »Hof Gayen« nennen, was
niemals mit den Rechtsbefugnissen eines Gutes im früheren Sinne ausgestattet
gewesen ist.
Zurück zum Einheitsgut
Paustians. Mühle, Gut Bramstedt und Gayen standen zunächst sozusagen unter
Personalunion. Gemeindepolitisch waren sie durchaus ein Vielfaches, das erst in
den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts zusammengefaßt wird, indem alles
unter die Gemeindehoheit Bramstedts gestellt wird: Gut Bramstedt nebst Gut
Bissenmoor und Mühle bedingungslos; die 12 Bissenmoorer Katenstellen mit dem
Zusatze, daß für die nächsten 5 Jahre die Gemeindeabgaben um 15 % zu ermäßigen
seien. So wollte es der Landrat, und so ist im Mai 1873 beschlossen und auf
dieser Basis am 1. Juli 1874 die »Einverleibung« vollzogen worden. Gayen blieb
noch draußen, wie es ja auch mit keinem Teile der Bramstedter Gemarkung
angehörte, sondern teils in der Fuhlendorfer, teils in der Bimöhler Feldmark
lag (und liegt).
Gegenüber dem Bestreben
der Bramstedter, auch Gayen an sich zu ziehen, muß sich ein gegenteiliger
Wunsch geäußert haben. Denn das Fleckensprotokoll meldet alsbald, daß Gayen nur
ein Teil von Paustians Hauptgut sei und von dort bewirtschaftet werde, und der
Wunsch, es an Fuhlendorf oder Bimöhlen abzugeben, nicht erfüllt werden könne,
da ja auch nach solchem Verfahren der Flecken
310
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des Weges wegen nicht
unbedeutende Lasten zu tragen haben würde. Es gehöre seit undenklicher Zeit zur
Erbpachtmühle und werde mit ihr zusammen für einen Pflug besteuert. Schul-,
Nachtwächter- und Löschkosten trage es mit dem Flecken; allerdings nehme es an
dessen allgemeinen Verwaltungskosten bisher nicht teil.
Die Verhandlungen ziehen sich noch durch drei Jahre hin. Am 8. Mai 1877 aber stimmt die Regierung dem Verlangen des Fleckens zu, allerdings mit einem beachtlichen Vorbehalt, nämlich dem, daß die städtischen Abgaben für die ersten 5 Jahre um 15 %, danach um 10% für Gayen zu ermäßigen sind. Damit erklärt sich das Fleckens-Kollegium einstimmig einverstanden. Wenn diese Bedingung heute in Vergessenheit geraten ist, so mag das darin seinen Grund haben, daß der Hof, wie wir sehen werden, in der Folge recht oft seinen (wohl allemal ortsfremden) Besitzer gewechselt hat.
0Das Fleckensprotokoll gibt
uns einen wertvollen Fingerzeig für die Entwicklung des »Landes Mönke Gayen« an
sich. Zur Zeit seiner Einverleibung in das städtische Gemeinwesen befanden sich
danach auf dem Gelände nur ein (Schaf-)Stall und eine unbewohnte Arbeiterkate.1)
- Anders gesprochen: unser Hof war über den Rang eines bescheidenen Vorwerks
nicht hinausgekommen, das, wenn nicht der Schäfer mit seinen Schützlingen unter
dem gleichen Dache gehauset hat, keinen einzigen Bewohner aufzuweisen hatte.
Erst 1891 wurde eine
wirkliche Siedlung daraus. N. F. Paustian hatte bei der Übergabe seines Geweses
an den ältesten Sohn Otto das Vorwerk abgetrennt. Nun wurde hier ein neues
Wohnhaus errichtet, dazu die nötigen Wirtschaftsräume, womit denn ein
selbständiger Wirtschaftsbetrieb in die Wege geleitet war. Zwölf Jahre lang hat
Carl Paustian, ein Bruder des genannten Haupterben, diesen Hof geleitet,
unterstützt von seiner ältesten Schwester Berta. 1903 siedelte Familie Paustian
nach Kellinghusen über, nachdem das aufblühende Gayen an den Bergwerksbesitzer
Dr. Schrader in Recklinghausen günstig verkauft worden war. Seitdem hat das
Anwesen in rascher Folge seinen Besitzer gewechselt, wobei es überwiegend mehr
Gegenstand der Spekulation als der kulturellen Aufschließung gewesen ist.
1928 verkauft Paul Adler
den Besitz endgültig an R. Kuhrt aus Westpreußen. Damit ist der Hof unter des
selbstverwaltenden und schaffenden Fachmannes Hand gekommen. Heute ist Gayen in
die Liste der Erbhöfe eingetragen und damit endgültig der Hand der Spekulanten
entzogen.
Es ist nötig, darauf
hinzuweisen, daß Gayen, zunächst rein räumlich betrachtet, heute etwas anderes
bedeutet als 1633, wo es der König verschenkte. Damals umfaßte es nach
amtlichem Bericht 50 Tonnen Sadt, d. i. rund 35 ha. 1904 wird die Größe mit 50
ha, danach bei den ferneren Käufen mit 45 ha angegeben, bis es bei dem letzten
Besitzwechsel 247 ha waren, die sich verteilten auf die Gemarkungen Fuhlendorf,
Wiemersdorf, Bimöhlen, Lentföhrden und Bramstedt. Wie-
_________
1)
Eine Zeitlang hat nach diesem ein entlassener Strafgefangener die Kate bewohnen
dürfen, und 1883 ist sie überhaupt nicht mehr vorhanden gewesen.
311
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der abgetrennt ist der
Lentföhrdener Anteil, zum Teil durch Verkauf, zum Teil durch Austausch, und
zwar letzteres durch Übernahme eines 6½ ha fassenden Weidegrundstücks beim
Grünplan, also Wiemersdorfer Feldmark. Abgesehen von diesem, bilden die
gesamten Ländereien ein geschlossenes, das Gehöft umringendes Besitztum.
312
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VIII.
JÜRGEN FUHLENDORF, DER BEFREIER
Kein Name aus Bramstedts
Geschichte hat einen besseren Klang als der des Bauern Jürgen Fuhlendorf, und
keinem ist höhere Ehre zuteil geworden, als ihm. Schon im Jahre 1695, als er
seine höchste Leistung vollbracht hatte, haben die dankbaren Mitbürger seinen
Namen in einen Stein der Ringmauer des Rolands einbauen lassen. Die jüngste
Zeit hat seinem Wirken erhöhte Aufmerksamkeit gewidmet und durch neue Dokumente
ihm ein dauerndes, ehrenvolles Gedenken gesichert. Seit 1937 trägt die
Bramstedter Oberschule nach ihm ihren Namen, nachdem ein Jahr früher die
Reichsarbeitsdienst-Abteilung 8/173 zu Kaltenkirchen in gleicher Form
sein Andenken geehrt hatte. Ferner ist hier das der Heimat geweihte Buernspill
»Edelmann un Buern« von A. Kühl zu nennen, dessen Hauptgestalt unsern Helden
Fuhlendorf widerspiegelt.
Dem Chronisten ist es eine
willkommene Aufgabe, diesem Manne, dessen markiges Heldentum und hervorragende
charakterliche Haltung zwingend wirken, auch an seinem Teile ein dauerndes
Gedenken zu sichern. Wenn sich dabei ergibt, daß die traditionell gewordenen
Berichte über unsern Heros nicht in jedem Punkte der Wirklichkeit gemäß sind,
so ist das nichts Ungewöhnliches. In unserm Falle aber liegt es damit so, daß
es sich um Dinge handelt, die am Rande liegen. Unangetastet bleiben Wert und
Leistung des gefeierten Mannes. Zunächst ein kurzer Bericht über sein
bürgerliches Dasein. Quelle dafür ist das im Kirchenarchiv vorhandene, etwa das
Jahrhundert von 1620-1720 umfassende Verzeichnis der im Kirchspiel vorhandenen
Hufner und Kätner. Es berührt uns sympathisch, daß seine Großeltern Hartigk
Fuhlendorf und Ehefrau Margareta unter den Hufnern des Fleckens an erster
Stelle genannt werden. Man nimmt es gern als ein gutes Omen für den Enkel in Anspruch.
Der Vater und Hoferbe Hans Fuhlendorf heiratet 1633 Cathrine Hardebeck und nach
deren Heimgang, um 1640, Abel Kruse aus Weddelbrook. Aus der zweiten Ehe stammt
unser Jürgen, der 1644 am 3. Ostertage als zweiter Sohn getauft worden ist.
1669 stirbt der Vater. Der Geistliche hat es für recht gehalten, der Eintragung
des Sterbefalles hinzuzufügen: »Sanft und sehlich in Gott dem Herrn
entschlafen, war ein ehrlicher und aufrichtiger Mann und (ist) 19 Jahre
Kirchschwor gewesen.«
Die Witwe hat nicht wieder
geheiratet. 1672 übergibt sie die Hufe ihrem Sohne Jürgen und lebt dann noch 16
Jahre als Altenteilerin. Dem Leser drängt sich das Urteil auf, daß Jürgen
das Glück hatte, einer in jeder Hinsicht gesunden Familie anzugehören. - Bei
Übernahme des Hofes ehelicht er am 17. Oktober Anna Henniges, Tochter eines
ortsangesehenen Bauern, den wir später als Ratmann verzeichnet finden. Der Ehe
entsprießen fünf Kinder. Der 1679 geborene Sohn Hans tritt im Jahre 1709 das
Erbe an. Jürgen, den Vater, finden wir nicht
313
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mehr genannt, woraus wohl
zu entnehmen ist, daß er beim Abschluß des Registers noch am Leben gewesen sei.
Zu beachten ist, daß nach Ausweis des Fleckensbuches der Bauer Jürgen
Fuhlendorf als Ratmann gewirkt hat: von 1676-1679, 1682-1685, 1698-1700,
insgesamt acht Jahre lang. Noch sei gesagt, daß mit der Abgabe der Hufe auch
seine Wahlfähigkeit aufgehört hat. Aus seiner Nachkommenschaft haben noch
etliche als Fleckensvorsteher in Ehren ihres Amtes gewaltet, und ein günstiger
Stern hat auch insofern der Familie geleuchtet, als sie noch heute in Bramstedt
waltet und wirkt. Jürgen Fuhlendorf hat der Nachwelt den Dienst geleistet,
einen Bericht zu geben, der eindringlich seine eigenen Erlebnisse als Vertreter
des Fleckens und darüber hinaus einen Teil der Ortsgeschichte aus harten Tagen
uns vor Augen stellt. Dieses Schriftstück ist im Kieler Staatsarchiv unter dem
Zeichen B IX 3 Nr. 142 vorhanden. Die Pietät gegen den Verfasser mahnt zu
wortgetreuer Wiedergabe jenes ehrwürdigen Dokuments. Und doch mußte nach
reiflicher Überlegung davon hier und da abgewichen werden aus Rücksicht gegen
den Leser. Denn es ist nicht jedermanns Sache, den verschlungenen und
umständlichen Satzungeheuern jener Tage ohne weiteres zu folgen. So ist
durchweg, ohne daß natürlich dem Inhalt Abbruch geschieht, eine der Gegenwart
gemäße Ausdrucksform gewählt worden. Nur in den letzten Absätzen, wo das streng
Sachliche abklingt, hat der Chronist sich nicht versagen wollen, denen
entgegenzukommen, die dem eigenartigen Reize der altertümlichen Schreibweise
gern ein kleines Opfer bringen. Auch sind zwei Abschnitte des Berichtes
ausgelassen worden, weil sie mit Fuhlendorfs Person und Werk keinen Zusammenhang
haben und daher andern Ortes zu verwerten sind. Doch nun habe er das Wort.
»Extrakt oder gründlicher
Bericht etzlicher denkwürdiger Sachen, so sich mit dem Flecken Bramstedt in dem
seculo Anno 1600 bis Anno1700 und von 1665-1695 an Veränderungen zugetragen und
begeben haben.«
Wir Menschen sind alle
sterblich und vergeßlich. Was in alten Tagen passieret und sich zugetragen,
erzählen wohl die Alten, die es mit erlebten, mündlich den Kindern und Enkeln.
Aber mit der Zeit verdunkeln sich die Tatsachen, und bald weiß keiner mehr den
rechten Grund und die volle Wahrheit. »Darum ist auf Ansuchen etzlicher die
Freiheit liebende (Bürger) von einem guten Freunde, mit Grund der Wahrheit,
weil er damals als Einwohner im Flecken und um folgendes alles wissend (war),
folgenden Casus aufgezeichnet, (um es) den künftigen Einwohnern im Flecken
Bramstedt schriftlich zu hinterlassen, was sich durch (ein) sonderbar
Verhängnis im Jahre 1665 mit dem Flecken zugetragen und begeben.« 1665 hat
Friedrich III. das ganze Ambt, mit Ausnahme der Stadt Segeberg und Oldesloe an
unterschiedliche Creditoren versetzt und verpfändet. Der ganze Flecken
Bramstedt, abgesehen von der Hufe des Kirchspielvogts und der des Pastorats,
ist mit seinen 33 Hufen samt den beiden Schäfereyen und den andern drei Häusern
auf dem Hasenmoor und den verschiedenen Holzungen in der Segeberger Heide
verpfändet worden. Den Commissarien (mit der Erledigung Beauftragten) sind aber
nur 32 Hufen angegeben worden.
314
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Graf Königsmark1)
ließ die Fleckensangehörigen erst durch Cornelius Hartog, dann durch Matthias
Böttger hart pressen und machte sie ganz unvermögend. Als er merkt, daß ihm das
Gut nichts mehr einbringt, vertauscht er es gegen ein Gut in Schonen (Schweden)
an den Etats-Rat Holgerstorff. Der verkauft sehr bald wieder an Assessor Elers
in Kopenhagen. Dieser an zwei Kaufleute daselbst: Weinmann und Wiegandt. Elers
war zum Kauf veranlaßt worden durch den damaligen Ober-Rentmeister Brandt,
ebenfalls in Kopenhagen. Nämlich zu gegebener Zeit weilt der Eigentümer des
Bramstedter Hofes, Baron von Kielmannsegg, in der dänischen Residenz, um einen
Käufer für sein Gut zu finden. Der erwähnte Brandt hatte im Sinn, das Gut an
sich zu bringen. Vorher aber, so hatte er es eingefädelt, sollte der Flecken
mit dem Hasenmoor und den genannten Hölzungen, also der Flecken mit dem ganzen
Zubehör, durch Weinmann und Wiegandt an den Grafen von Kielmannsegg verkauft
werden. So ist dem Schreiber dieses Berichtes durch Evert Weinmann versichert
worden. Denn Brandt, als Ober-Rentmeister einer der höchsten Minister am
Königshofe, dürfte ein derartiges Geschäft selbst nicht machen. So sollte der
geschilderte Weg über die Kaufleute den Minister decken, damit dieser hernach
wie Pilatus die Hände waschen und sagen könnte: Ich bin unschuldig an dem Blute
dieser armen Sünder. Nach diesem Plan ist dann auch gehandelt worden.
Das vorhin beschriebene
Los (Pfandobjekt) ist verkauft worden an den Baron von Kielmannsegg mit allen
drauf noch lastenden Restforderungen der vorigen Herrschaften. So geschehen
zu Kopenhagen im Jahre 1685. Kaufpreis Vierzehntausend Rigsdaler.
Der nun zum Inhaber des
Königl. Pfandbriefes gewordene Besitzer des adeligen Gutes Bramstedt reiste, ohne
sein Gut veräußert zu haben, alsbald nach Bramstedt zurück. Schon am ersten
Sonntag nach seiner Rückkehr ließ er von der Kanzel einen Brief publizieren, so
lautend, daß er den Flecken mit all dem dazu Gehörigen gekauft habe. Wir hätten
hinfort an ihn als unsere Obrigkeit nicht allein unsere Kontribution (die
verpfändete Steuer) und alle schuldigen Dienst- und Herrengelder zu bezahlen,
sondern auch alle von ihm geforderten Dienste zu leisten. Noch am selben
Sonntag-Nachmittag ließ er den Ratmännern durch seinen Vogt ansagen, sie hätten
am Montag, also morgen aus jedem Haus zwei Personen zum Hofe zu schicken, damit
sie Jagddienste leisten. Die Ratmänner antworteten, daß sie solches in so
großer Furye (Eile) nicht könnten. Darauf hat der Baron seinen Bruder, welchen
er damals bei sich hatte, am selben Nachmittag mit dem Königl. Kaufbrief zu den
Ratleuten gesandt. Er hat ihnen vorgelesen, was der Brief im Munde hatte.
Danach habe die Herrschaft von den Untertanen nicht allein Geld zu fordern,
sondern auch die Macht, ihren Vorteil zu suchen, worin sie ihn findet. Somit
hätten die Fleckensleute kein Recht, die Hofdienste zu verweigern. Nun haben
die Fleckensvertreter gebeten, ihnen bis zum nächsten Tag Zeit zu geben, daß
sie mit der Fleckensgemeine darüber beratschlagen könnten. Das wurde denn
endlich zugestanden.
________
l)
Der Inhaber des Pfandrechtes.
315
---------------------------------------------------------------------------------------
»Zu mir als Schreiber
dieses, schickte er selben Sonntag-Nachmittag seinen Vogt, mir befehlend, ich
sollte morgen, also Montag früh, mit 4 Pferden und einem Wagen auf dem Hof sein
und dann nach Hamburg fahren. Worauf ich antwortete, ich wisse von keinem Baron
als meiner Obrigkeit. Er tue Unrecht, meine Obrigkeit sei der König. - Ehe eine
Stunde vergangen war, kam der Vogt zum andern mal, und nach meiner abermaligen
Weigerung zum drittenmal. Der Baron wolle mich sofort holen und ins Gefängnis
werfen lassen, wo weder Sonne noch Mond mir leuchten würden. Meine Antwort war,
er solle mir auf diese Art nicht wieder ins Haus kommen. Ich würde mich wehren
bis zum Tod, wenn einer mich holen wollte. Lebendig würde er mich nicht auf den
Hof bringen. Als der Baron den Ernst erkannte, ließ er es für diesmal sein
Bewenden haben. Montag morgens war das ganze Flecken mit Mann, Weib und Kindern
versammelt. Nichts als Heulen und Weinen wurde gehört. Ja, wie die Kinder
Israel in Egypten und am Roten Meer, also schrie ein jeder zu Gott, daß er sie
aus dieser drohenden Not erretten wolle. Endlich wurden die Männer sich
schlüssig. Alle Männer des Fleckens einigten sich, daß sie nicht allein Geld
und Gut, sondern auch Leib und Blut für ihre Freiheit einsetzen wollten. Dabei
wollten sie beharren und nimmer sich unter den Bramstedter Hof geben. Wenn sie
auch all das ihrige müßten in Stich lassen, so wollten sie doch lieber arm mit
Weib und Kind von dannen ziehen.«
Am selben Tag wurden
einige von den Fleckensleuten Gewählte zum Baron geschickt, um ihm den Kauf
aufzusagen. Weil aber der Bruder des Barons wegen der am Sonntagabend mit den
Ratmännern genommenen Abrede noch Montags auf die Antwort wartete, so hatte er
zum Schreck der Unsrigen alle seine Bauern versammelt. Auch die allhier im
Flecken in seinen Häusern wohnenden Männer, soweit sie sich dazu brauchen
lassen wollten, ebenso seine gesamten Diener. Das ganze Wohnhaus war voll
besetzt. Auf der Diele stand ein großer Tisch, voll belegt mit bloßen Degen und
anderm tödlichen Gewehr (Waffen). Unsere Abgeschickten wollten, da sie solches
sahen, aus Furcht nicht sprechen, was ihnen zu sagen aufgetragen war und was
sie fast in selbiger Stunde unterschrieben hatten. Sie richteten sich so ein,
daß sie ungeschlagen davon kamen. Weil aber doch endlich, um so zu reden, der
Fuchs aus dem Loche wollte, wurden zum andernmal 6 Männer zu ihm geschickt,
welche dann klar aussprachen, daß sie nicht seine Untertanen sein wollten. Er
möge zusehen, daß er den Kauf rückgängig mache. Er aber antwortete mit großem
Zorn, sie hätten zu gehorchen. Die ihm wegziehen sollten, denen werde er die
Köpfe abschlagen lassen, sobald er sie wieder kriegen werde. Worauf einer der
Unsrigen antwortete: »Sachte, sachte! Es läßt sich nicht so leicht Köpfe
herunterschlagen. Wir wollen solche Grausamkeit unserm allergnädigsten König
klagen und auch den Kauf zu hintertreiben suchen.« - Worauf der Baron sprach:
»Der König weiß und fragt den Teufel nach dir; ich bin dir König genug.« Noch
während er das spricht, nimmt er seinen Gegner bei dem Kopf und stößt ihn mit
beiden Händen gegen die Mauer. Er ruft den Dienern zu, ihm Degen und Pistolen
herzugeben, die ihm sofort »gelanget« wurden. Drei oder vier seiner Diener und
dazu bestellte Handlanger
316
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greifen auf Befehl ihres
Herrn den Deputierten, werfen ihn auf die Erde und halten ihn fest. Der Baron
selbst verrichtete die Exekution an ihm und schlug ihn grausam. Auch hieb und
stach er ihm mit dem Degen unterschiedliche Wunden und befahl dann, ihn ins
Gefängnis zu werfen. Die andern fünfe wurden auch, jedoch mit trockenen
Schlägen und Haarausraufen recht wohl »beschänket«. Doch rissen sie sich
endlich los, liefen hinaus und meldeten vor dem Hofe (Hofgebäude) mit Schreien
an, was allda geschehen. Worauf denn ein jeder ein Gewehr (Abwehrmittel), wie
er es in der Eile haben konnte, ergriff und in den Hof eilete, um den einen,
den sie noch gefangen hielten, zu befreien. Da der Baron sah, was nun aus der
Sache werden wollte, ließ er den fast halb totgeschlagenen Gefangenen auf dem
Platz vor dem Gefängnis und retirierte mit den Seinen aufs Haus zwischen die
verschlossenen Türen. Unsere Leute nahmen ihren Gefangenen auf und marschierten
ab. Für diesmal waren sie wohl zufrieden. Der Baron aber ritt sofort nach
Glückstadt und klagte die Fleckensleute bei der Regierung als Rebellen an und
begehrte zwei Kompanien Soldaten, die das Flecken zum Gehorsam zwingen sollten.
Doch die Fleckensleute schickten auch zwei Männer nach dort, die alsda
berichteten alles, was sich in Bramstedt zugetragen hatte. Ihr Begehren ging
dahin, den Kaufbrief nichtig zu machen. Bis aber solches erreicht sei, möge die
Regierung ihnen einen Schutzbrief des Königs vermitteln. Der Schutzbrief ist
ausgefertiget worden. Dem Baron wurden zwar die Soldaten nicht gewährt; aber er
erreichte, daß der Rädelsführer - so nannte er Jürgen Fuhlendorf - mit seinen
Konsorten wegen ihrer groben, der Obrigkeit gegenüber nicht geziemenden Worte
mit Gefängnis sollten abgestraft werden. So erging an den damaligen Rat und
Amtsverwalter zu Segeberg der Befehl, die Erwähnten gebührend zu strafen. Der
Rat begab sich nach Bramstedt, um selber zu hören und zu sehen, was sich
zugetragen hatte. Das Ergebnis war, daß die sechs Abgeschickten sich ohne
Verzug nach Segeberg zu begeben hatten. Und das wurde verlangt, obgleich einer
an seinen Wunden noch gefährlich erkrankt lag. Jedoch wurden sie zur Ableistung
ihres Arrestes in Michel Lütgens, eines ehrlichen Mannes Haus verwiesen.
(Vermutlich ein Gasthaus, wie es derzeitigen Verfahren gegen säumige Schuldner
entsprechen würde. Der Chronist.)
Weil aber unsere Obrigkeit
wohl einsah, daß mit dem Sitzen in S. nicht viel auszurichten war, sondern
andere Maßregeln nötig erschienen, so wurden fünf von ihnen nach etlichen Tagen
wieder freigelassen. Nur Fuhlendorf ließ man nicht los. Bald danach schickten
die Fleckensleute ein paar Deputierte nach Itzehoe. Sie sollten bei dem
dortigen Etats-Rat von Brüggemann, Rat und Amtsverwalter, vorsprechen und ihn
bitten, daß er ihnen in der so schweren Sache mit Rat und Tat zu Hülfe komme.
Er erklärte sich dazu bereit. Im Namen des ganzen Fleckens richtete er an Ihro
Königl. Majestät die untertänigste Bitte, den versetzten Flecken wieder
einzulösen. Majestät möge auf keinen Fall zugeben, daß Bramstedt unter des
Gutsherrn Herrschaft komme oder gar bleibe. Denn daraus würde nichts anderes
folgen als der gänzliche Ruin und Untergang der Untertanen. Aber der
vorerwähnte Oberrentmeister stellte sich der Sache in den Weg. Sein Verlangen
317
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zielte nicht allein auf
das Gut Bramstedt, sondern auf Gut und Flecken zugleich. Doch seine Stellung am
Hofe machte es ihm nicht möglich, die Erfüllung der Bramstedter Wünsche zu
hintertreiben. Die Supplikationen wurden vielfach und immer dringlicher
wiederholt. Endlich kam man einen Schritt vorwärts.
»Wenn wir selbst die
vierzehntausend Taler an Weinmann bezahlen wollten, dann sollten wir der
nächste Käufer sein.« Der Verkauf an den Baron sollte dann für nichtig erklärt
werden und somit der Flecken von ihm ganz unabhängig sein. Die
»Gevollmächtigten« des Fleckens nahmen diesen Bescheid in Itzehoe entgegen. Da
kein anderer Ausweg zu finden war, fügten sie sich in das Unvermeidliche und
erklärten sich bereit, die 14 000 Taler aufzubringen. Drauf haben nun alle
Fleckens-Einwohner, die etwas »in Vermögen« hatten, Briefe und obligationes
(Schuldscheine), soviel als für den genannten Betrag nötig waren, bei Rat
Brüggemann vorzeigen lassen. Nachdem dieser die Schuldverschreibungen
eingesehen hatte, hat er sie den Bramstedtern zurückgegeben. Drauf ist Weinmann
von Kopenhagen nach Itzehoe gekommen, und der Baron hat den Kaufbrief an ihn
zurückgeben müssen.
Aber die Sorgen der
Fleckensleute fingen nun erst recht an. Man konnte sich über die Bezahlung
nicht einigen. Bramstedt war in drei Klassen geteilt: 13 volle Pflüge; 4 wüste
Pflüge, infolge des dreißigjährigen Krieges verödet, die erst 1665 als zwei
Pflüge ins Amtsregister gesetzt waren, vorher aber nicht in Pflugzahl gewesen;
(ferner die Kätner und Insten). Wie eben gemeldet, waren von jedem Teile
(Vollhufner und Teilhufner) drei Männer als Gevollmächtigte beauftragt gewesen.
Was sie täten, das wollten sich die andern alle gefallen lassen. Nun aber
konnte man gar nicht einig werden. Endlich kam folgendes zuwege: Alle Einwohner
(offenbar die Pflugzähligen) zahlen gleich viel; hingegen sind alle Äcker,
Wiesen und Holzungen unter sie gleich zu verteilen. Was die Insten an Land und
Wiesen haben, das sollen sie behalten, soll also nicht verteilt werden. Auch
sollen keine Kohlhöfe (Gartenland) aufgeteilt werden; auch was jemand, er sei,
wer er wolle, auf fremder Feldmark an Boden besitzt, bleibt von der Aufteilung
befreit. Dabei wird festgelegt, daß sie künftighin alle Kontribution,
Einquartierung und was ihnen sonst von der Obrigkeit möchte auferlegt werden,
zu gleichem Anteil tragen wollen.
Nun wurden drei
Obligationen ausgefertigt, eine über 8000, die andre über 4000 und die dritte
über 2000 Taler. Zwölf dazu gewählte Männer unterschrieben sie. Dem Rat
Brüggemann gegenüber verpflichteten sich die Beauftragten, im Laufe von zehn
Jahren die ganze Summe zu entrichten, und zwar im ersten Termin im Dezember
4000 Taler und danach in jedem Jahre weitere 1000 Taler, so daß 1675 der
Rest fällig würde. Der Rat nahm den Königl. Kaufbrief (und sicher auch die
genannten Obligationen) in seine Verwahrung.
Der Herr Rat »wollte auch
gern einen guten Braten von uns vor seine vermeindte gehabte Mühe« erwischen.
Die Bevollmächtigten forderte er auf, ihm nunmehr »unser Hasen Mohr und
Höltzungen in der Segeberger Heide zu verkaufen. Weil wir darauf Bedenkzeit
begehrten, bot er unaufgefordert 3000 Taler.« Auf ihre
318
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Forderung von 4000 Talern
ließ er sich nicht ein, sondern versuchte zurückzuhandeln. Aus dem Kaufversuch
wurde nichts. - Er aber ließ die Hasenmoorer vor sich kommen und stellte sich
ihnen als ihr nunmehriger Herr vor.
»Ende Dezember bezahlen
unsere Gevollmächtigten die ersten verschriebenen 4000 Taler an Raht
Brüggemann, weil er auch Weinmanns Gevollmächtigter war.« Hochwohlgeboren hat
aber nur 3600 Taler angenommen und dann aus seiner Tasche 400 Taler dazu gelegt
als Anzahlung auf Hasenmoor und Hölzungen.
Auch die den
Fleckensbevollmächtigten gegebene Zusicherung (hier zum erstenmal erwähnt), daß
ihnen nach Zahlung der ersten 4000 Taler der Königliche Kaufbrief durch Rat
Brüggemann ausgehändigt werden sollte, wurde nicht erfüllt. Ehe indessen die
nächste Rate fällig geworden, starb der verehrliche Herr Rat. Weinmann machte
an seiner Statt den Amtsschreiber Markus Dau in Rendsburg zu seinem Vertrauensmann.
Mit ihm hatten die Fleckensmänner fortan zu tun. Alsbald wurde ihnen wider
ihren Willen Hasenmoor nebst zugehörigen Hölzungen weggenommen. Der Kaufbrief,
der wohl die beste Gegenwaffe gewesen wäre, war ja nicht in ihrer Hand. Sie
wählten ein anderes Mittel, indem sie die Zahlung verweigerten. Nun kam der
Amtsschreiber Dau mit Notar und Zeugen zu Bramstedt und mahnte die
Gevollmächtigten, »zu Rendsburg im Weißen Roß laut Verschreibung ihr Einlager
(Schuldhaft) zu halten«. Die Bedrohten entschuldigten sich nun, sie hätten
wegen ihrer Haushaltung und nötiger Arbeit, die Königl. Kontribution und ihr
Brot zu verdienen, keine Zeit gehabt, nach Rendsburg zu reisen. Markus Dau läßt
sie vor die Königl. Regierung zu Glückstadt zitieren. Hart klagte er sie hier
an und verlangte, die Regierung möge die Säumigen durch Militär-Exekution nach
Rendsburg ins Einlager führen lassen. Etliche der Gevollmächtigten waren zur
Verhandlung erschienen und führten gegen Dauens Angaben und Verlangen
mancherlei Hindernisse und sonstige Ursache ins Feld, so daß der Amtsschreiber
auch diesmal nicht seinen Willen durchsetzen konnte.
Dau berichtete natürlich
an Weinmann nach Kopenhagen, wie übel es hier um das Bezahlen bestellt sei.
Weinmann suchte täglich den uns bekannten Oberrentmeister auf und klagte
diesem, wie unschuldig er um Brandts willen zu dem Kauf gekommen sei. »Der
Brandt wollte gern, durfte es aber nicht so öffentlich tun, da er fürchten
mußte, es möchte ein Daniel1) am Hofe sein.« Unterdessen
waren die Gevollmächtigten mit ihren Gütern und ihrer Habe nirgends sicher.
Auch der damalige Kirchspielvogt Wolf Eberhardt Haseler betätigte sich
gegen sie. Er machte ein Verzeichnis der Güter der Bevollmächtigten, schrieb
alles auf, was in den Häusern vorhanden war und schickte seine Listen nach
Kopenhagen. - Doch unsicherer noch stand es um die Sicherheit ihrer Person.
Immer wieder wurde ihnen mit dem Einlager gedroht; man würde sie, so lautete
die Drohung, unversehens mit Gewalt aus den Häusern wegnehmen. Die
Fleckensleute, sehend,
________
1)
Hinweis auf den Propheten Daniel, der am Hofe des Königs Nebukadnezar lebte,
als »Wahrsager« diesen stark beeinflußte.
319
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daß der Königl. Hof ihnen
feind war, schickten Deputierte zu ihrem Landesherrn, als dieser in
Schleswig-Gottorp sich aufhielt. Fußfällig haben sie persönlich ihre
Bittschrift übergeben. »Darin war unsere Not und (unser) Anliegen genug
entdecket; daß wir nicht, wie unsere Widerwärtigen angeben, aus Hoffart,
sondern um uns aus der Sklaverei zu erretten, aus Not das Kapital zu bezahlen
uns verpflichtet hätten.« Auch mündlich baten sie den König, ihr Flehen zu
erhören. Der König hat an demselben Tage die Bittschrift an seinen Minister Brandt
gegeben, daß er helfe. »Weil er aber nicht der war, der uns helfen wollte,
weisete er uns an den Assessor Pieper, dem er die Supplik übergab, mit den
Worten: ,Pieper hilft die Bramstedter!' - Dieser aber war anders auf garniert
und bei ihm keine Hülfe«.
Nach diesem Fehlschlag
zitierte der Amtsverwalter Reich vier Männer aus Bramstedt, nämlich Jürgen
Fuhlendorf und Tim Langhinrichs, die von sich aus zwei weitere dazu bestimmen
sollten. Dann sollten die vier Cito, Cito (in aller Eile) nach Segeberg kommen.
Von dort wollte von Reich nach Kopenhagen fahren, aber vorher, wie er
ankündigte, noch etwas Nötiges mit den Bramstedtern ordnen. »Wir, als bei
unserer Obrigkeit nichts Böses vermutend, nahmen zu uns Jasper Stüven,
Rademacher, und Hans Steckmest, Schuster, und reyseten hin.« Da verlangte von
Reich 2000 Taler von uns, die wir laut von uns verschriebener Obligation zu
bezahlen schuldig seien. Und das müsse geschehen, bevor wir Segeberg wieder
verlassen dürften. - »Da aber war Holland in Not, und obwohl wir viele
Ausflüchte suchten, vermochte doch solches alles nicht zu helfen. In des
Amtsverwalters Haus kam auf seinen Befehl eine große Schar Soldaten. Diesen
wurden wir übergeben. Sie schleppten uns als ihre Gefangenen in das
Soldaten-Wachthaus. Hier sind wir mit 16 Musquetieren zehn Wochen lang ohne
auskommen (Hinauskommen) Tag und Nacht bewachet worden.«
Der Amtsverwalter, »sofort
als wir man reingesetzet waren«, reisete er nach Kopenhagen, zu unsern
Widersachern, er als ihr lieber Getreuer. Er brachte die fröhliche Botschaft,
daß nun bewerkstelligt war, was sie alle längst schon gern gesehen. Die
Debitores (Schuldner) würden nun wohl sorgen, daß bald die schuldige Zahlung
erfolge. - Diese Kopenhagener feierten in großer Freude üppige Feste. Ihre
hinterlassenen Gefangenen aber erlitten große Drangsal in ihrem Gefängnis und
beteten und schrien Tag und Nacht zu ihrem Gott, er möge doch Hülfe und
Errettung senden.
»Aber Gott fügte es
wunderlich. In Kopenhagen wiederholte sich, was von den Philistern im Alten
Testament1) berichtet wird. Als sie in Dagons Kapelle ein Jubelfest
feierten und sich dazu von ihrem wehrlos gemachten Feinde Simson aufspielen
ließen, riß dieser die Säulen des Gebäudes um, daß es einstürzte, alle unter
sich begrub und dann in Feuersbrunst aufging. So ähnlich erging es vielen
Großen in der dänischen Residenz, die beim Brande ihres Festhauses umkamen.
Auch der Amtsverwalter Joachim von Reich und unterschiedliche Kinder unserer
Widerwärtigen mußten bei dieser unglücklichen Freude elendiglich enden.«
_________
1)
Siehe Buch der Richter, Kap. 16 (Kapelle = Götzentempel).
320
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»Da schickte nun Gott, so
zu reden, seinen Engel, Herrn Reimer Peter von Rheder, welcher an Reichens
Stelle als Amtsverwalter, auch zugleich Vize-Amtmann des Amts Segeberg berufen
ward.« Bei seiner Ankunft in Segeberg fand er die Gefangenen vor. Die
»unsrigen« kamen mit vielfältigem Klagen und Bitten bei ihm ein. Den Gefangenen
war nicht einmal vergönnt, sich selbst zu verantworten. Doch nach 20 Wochen gab
er die Gefangenen los. Die beiden andern Gevollmächtigten wurden in einem
(bürgerlichen) Haus in Arrest gegeben und mußten noch eine Zeitlang sitzen.
Jedoch blieb das Geld aus. »Der Vizeamtmann Rheder tat sein Bestes allezeit für
uns, so auch mit Schreiben zu Hofe (König) und sonsten. Die Sache wird ihm aber
zu schwer gemacht, daß er sie allein nicht konnte heben. Endlich schickte Gott,
so zu reden, seinen Erzengel, uns zu erlösen.« Reinhold Meyer, Etats-Rat, wurde
von Ihro Königl. Majestät als Kommissarius nach Holstein gesandt. Er sollte
untersuchen, wie es den Untertanen im Lande ergehe, auch ihre etwaigen Klagen
entgegennehmen. Vize-Amtmann von Rheder führte ihn nach Bramstedt, wo er die
Fleckens-Gevollmächtigten zu sich fordern ließ. »Die meisten aber, aus Furcht,
daß sie wieder in Arrest möchten gezogen werden, wollten nicht erscheinen.
Etzliche aber gingen zu Sie, da dann vielfältig von der Sache geredet wurde,
wie sie möchte zu Ende gebracht werden, daß ein jeder Untertan bei den Seinigen
wieder sicher sein könnte.« Der Etats-Rat gelobte, sein Bestes zu tun und die
Sache, sobald er nach Kopenhagen zurückgekehrt sei, mit göttlicher Hülfe zu
Ende zu führen. Er hatte noch an andern Orten Kommissionen zu erledigen,
versprach aber, auf der Rückreise hier wieder vorzusprechen. Dann sollte
festgestellt werden, was weiter in der Sache zu tun sei. »Inzwischen sollten
wir mit den andern Fleckensleuten überlegen und beschließen nach Befinden.«
»Weil er aber aus dem
Pinnebergischen nach Itzehoe und dann über Rendsburg zurückreiste und nicht
wieder nach Bramstedt kam, schrieb er aus Rendsburg, Jürgen Fuhlendorf solle
mit etlichen der andern Gevollmächtigten zu ihm nach R. kommen. Da es aber
gefährlich schien, an solchen Ort zu kommen, wo Weinmanns großmächtiger Markus
Dau wohnte, derselbe, der, als die Bramstedter mit ihm verhandelten, versucht
hatte, wenn auch einfältig und vergeblich, sie ins Einlager zu bringen.« Nur
Jürgen Fuhlendorf wagte es doch. Von dem Flecken mit neuer Vollmacht
ausgerüstet, folgte er dem Herrn Meyer, um mit ihm zu verhandeln, »wans möglich
war«.
Fuhlendorf hat erreicht,
was er wollte: Er hat dem Etats-Rat vorgehalten: das Hasenmoor, jährlich mit
150 Talern angesetzt, trage die Zinsen von 3000 Talern. Die Hölzungen in der
Segeberger Heide haben den gleichen Wert, also 3000 Taler. Beides gehört aber
in unser Los zum Flecken, das verpfändet worden für 14 000 Taler. Nun hat uns
der jetzt Seel(ige) Brüggemann beides weggenommen und die Hölzungen in der
Weise gebraucht (ausgenutzt), daß ihm die 400 Taler doppelt ersetzt sind.
Königliche Majestät brauche das Geld nur wieder an sich zu ziehen. Gehen dann
auch Hasenmoor und die Hölzungen in des Königs Besitz, so habe der Flecken noch
4000 Taler zu zahlen. Etats-Rat Meyer hat seine
321
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Zustimmung gegeben.
Vereinbart ist noch, daß die Zahlung der restlichen 4000 Taler Anno 1695 erledigt
sein müsse. Ferner wurde ausbedungen, daß alle drei Obligationen »da heraus aus
Kopenhagen von Evert Weinmann an den Vize-Amtmann sollten gesandt und uns
gezeigt werden. Wann wir aber die 4000 Taler bezahlet, sollte uns der Amtmann
Rehder die Obligationen der 14000 Taler liefern«.
»Welches dann auch also
geschehen, und liegen selbe in der Kirchen, in der Fleckenslade den
Nachkömmlingen zum Andenken bewahret.« »Hieraus ist nun zu sehen, daß sich das
Flecken Bramstedt selbsten wieder völlig gelöset, so wie König Friedrich der
Dritte (es) an Graf Königsmark Anno 1665 versetzet hatte, als nehmlich daß Sie
8000 Taler baar bezahlt. Hasen Mohr samt denen Hölzungen hat Ihro Königliche
Majestät vor 6000 Taler wieder zu sich genommen, und also (sind) die 14 000
Taler bezahlet und haben die Bramstedter ihre dahmals hochangesetzten
Herrengelder abgekauft.«
»Weil nun die Einwohner
des Fleckens hierdurch sehr unvermögendt und an Ihren Mitteln sehr entkräftet
worden, als ist an Ihre Königl. Mayst. unterschiedlich mahl suppliciret, uns
eine Gnade zu tun, wodurch die Einwohner des Fleckens wiederumb zur Aufnahme
(Aufstieg) kommen könnten, welches auch in soweit erhöret, daß wir von dem
Herrn Amptmann von Rheder nach Kalten Kirchen in des Priesters Haus gefordert
wurden, welcher dann sagte, der König hätte uns erhört, wir sollten aber
fordern, was es sein sollte. Worauf wir den gebehten, jeden Einwohner zu 1/3
Pflug ins Register zu setzen, und daß die 2 Insten-Pflüge, die bei der
Versetzung 1665 erst zu Pflügen gesetzet wurden, uns wieder abzunehmen. Welcher
unser Bitten dann wieder nach Kopenhagen am Könige geschickt, auch in soweit
erhöret, daß wir nachdem nicht mehr vor die übrigen Pflüge bezahlt haben. -
Wobei auch noch erinnern will, weil wir äcker und Wiesen und Höltzungen unter
uns getheilet und alle gleich gemacht, das Kapital auch von allen sollte gleich
(in gleichem Anteil) bezahlt worden sein. Welches aber lange zu der Zeit nicht
geschehen kunte. Weil viele Unvermögens darunter wahren, musten die, so was
hatten, den Vorschuß thun, die andern es ihnen so lange Verzinsen sollten, bis
Sie das Capital wiederbezahlen könnten, Ihnen auch von der Obrigkeit
verschrieben werde, vor anderen Creditoren ihr Geld das erste zu sein.« -
»Da nun in Versammlung vor
der gantzen Gemeine es in richtige Zeit gebracht werden sollte, was der eine
noch zu bezahlen schuldig, der andere hingegen wieder haben sollte, hat Gott
die Hertzen derer, so von andern haben sollten, also regieret, daß sie alles
schenketen, Gott Lobeten und danketen, daß er sie aus ihrem Unglück errettet
und geholfen hatte, wobey denn alles, was sie vorhin ein gegen den andern und
zusammen miteinander verschrieben, zerrissen und verbrandt wurde. Auch ließen
die Fleckensleute vor öffentlicher Gemeine auf der Cantzel Gott danken, daß er
ihnen so gnädig gewesen und geholfen hatte. Hierauf ward gesungen der Heilige
Lobgesang: Herr Gott, Dich Loben wir, Herr Gott, wir danken dir.«
322
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»Dieses ist das
fürnehmste, welches aus gutem Wohlmeinen für nöthig erachtet habe,
aufzuschreiben und denen nachlebenden zu hinterlassen, schließe hiermit und
sage: Allein Gott in der Höh sei Ehr, und Dank für diese und alle andre Gnade.
Er gebe, das hinfort nicht mehr denen Einwohnern im Flecken widerfahre groß
Leidt und Schade nemenn.«
(Jahr und Tag sind nicht
angegeben.)
(gez.) Jürgen Fuhlendorf
Wenn je ein Mann, der in
schicksalhafter Stunde sich zum Führer einer bedrohten Gemeine berufen fühlte
und als Führer mit ganzer Hingabe und in zäh ausharrender Kraft für seine
Schutzbefohlenen sich einsetzt, kämpfend und leidend, in wohltuender
Bescheidenheit Bericht gegeben hat über das, was unter seiner Leitung erlitten
und vollbracht worden ist, so ist es dieser einfache Bauersmann, der so
rühmlich seinen Namen der Nachwelt überliefern konnte. Achtung für alle Zeiten
vor dem, was er an körperlicher und charakterlicher Leistung in vorbildlichem
Heroismus zuwege gebracht hat. Ruhm und Verehrung dem Führer, der es verstanden
hat, seine Gefolgschaft zu einer wundervollen Opferbereitschaft und zur
Betätigung des Gemeinsinns hinaufzureißen, der weithin im Lande nichts
Gleichwertiges zur Seite zu stellen ist.
Eine Quelle seiner Kraft
ist offenbar seine urholsteinische Abneigung gegen persönliche Unterdrückung,
zum anderen eine tiefe Heimatliebe, und endlich bekundet seine ganze Haltung
einen fest verwurzelten religiösen Sinn, den er und seine Ehefrau fünf Jahre
nach der Ablösung des Fleckens noch dadurch besonders bekundet haben, daß sie
der Bramstedter Kirche einen großen Kronleuchter verehrten. Niemals wird sein
Vorbild aus den Herzen der Bramstedter schwinden.
In
diesem tapfern Manne offenbaret
Sich
der Heimat Herzschlag wunderbar.
Wie
er in Not die Treue ihr gewahret,
Sei
er auch unser Vorbild immerdar.
Der
Stein des Anstoßes
Es ist nur natürlich, daß
die Ereignisse, die im Anschluß an die Verpfändung Bramstedts durch den
Dänenkönig Friedrich III. sich abgespielt haben, den Fleckensbewohnern dauernd
in Erinnerung geblieben sind und darüber hinaus, räumlich und zeitlich,
Beachtung gefunden haben. Besonders gilt das für denjenigen Teil, dessen
betrüblicher und doch auch erhebender Ablauf unter der Beteiligung und
Führerschaft Jürgen Fuhlendorfs gestanden hat. Die Fleckensgilde hat an
erster Stelle die Ehrung dieses Mannes auf ihr Panier geschrieben. Jährlich am
3. Pfingsttage feiert sie ihren Gildetag und schließt ihn traditionsgemäß nach
Sonnenuntergang durch einen fröhlichen Umzug ab. Unter den Klängen heiterer
Musik umschreiten Mann und Weib und Kind den Roland, voran die Musikanten. Es
kommt wohl auch zu munterem Tanze. Zurückgeführt
323
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wird der lustige Brauch
mit Vorliebe auf den Tag der endlichen Erlösung aus der durch oben berührte
Versetzung herbeigeführten Unfreiheit der Fleckensleute. Aber auch der
Gründungstag der Fleckensgilde wird dafür in Anspruch genommen. Doch in jedem
Falle ist Jürgen Fuhlendorf die Hauptperson, das eine Mal als der überragende
Befreier, das andere Mal als Gründer. Auf jeden Fall sei unter seiner Leitung
das Gelübde abgelegt worden, in brüderlicher Treue zusammenzuhalten und den
Freudenreigen um das Rolandsbild zu wiederholen, »so lang de Wind noch weiht un
de Hahn noch kreiht«.
Einen Höhepunkt erlebte
diese schöne Überlieferung im Jahre 1924, als die Gilde das Fest ihres
250jährigen Bestehens veranstaltete. Organist August Kühl, der rege Wardein
hiesiger Heimatpflege, hat zu diesem Tage den Heimatgenossen ein prächtiges
Geschenk auf den Tisch gelegt: Sein »Buernspill«, betitelt »Edelmann un Buern«,
führte den Festteilnehmern eindringlich vor Augen, was die Vorfahren erlitten,
was Held Fuhlendorf geleistet hat.
Dem hier waltenden
Geschichtsforscher liegt nichts daran, die Freude zu kürzen, die so schöne
Erlebnisse bereiten können; noch viel weniger daran, die Freiheit des Poeten
anzutasten. Ehre jedem, der so redlich der Heimat dient, wie hier geschehen.
Aber wer erlöst den Chronisten von der ehernen Pflicht der Wahrhaftigkeit? Drum
laßt auch ihn ungestört sagen, was ist.
Ein 250jähriges Jubiläum,
das man im Jahre 1924 begeht, führt unbedingt zu dem Rückschluß, daß der Anlaß
dafür auf eine im Jahre 1674 erfolgte Gründung zu verlegen ist. Außerdem
fordern im gegebenen Falle die Begleitumstände dazu auf, ein entscheidendes
oder wenigstens doch wichtiges Hervortreten Fuhlendorfs vorauszusetzen. Hat er
1674 die Pfandauslösung des Fleckens bewerkstelligt? Antwort: Nein! Denn
Fuhlendorfs eigener Bericht nennt dafür das Jahr 1695; auch ist sein
Hauptgegner Baron von Kielmannsegg erst 1685 in den Besitz des Königl.
Pfandbriefes gekommen; endlich war Fuhlendorf 1674 noch gar nicht in der Lage,
als Führer des Fleckens aufzutreten, da er nach dem alten Fleckensbuch erst
1676 zum erstenmal zum Ratmann erwählt worden ist. Er kann nicht etwa früher
schon der Stadtverwaltung angehört haben. 1672 ist er durch die Übernahme der
väterlichen Hufe erst wahlfähig geworden. Der nächste Wahltermin war ein Jahr
später. Aber die 1673 Gewählten sind: Harm Götzk, Hans Hardebeck, Matthias
Böttiger und Jasper Henniges. Amtszeit drei Jahre; 1676 rückten Jürgen
Fuhlendorf und sein Freund Ties Langhinrichs ein. - Kann für seine Tätigkeit
als Gründer das Jahr 1674 in Frage kommen? Wiederum: Nein! Das Gildebuch
steht im Wege. Es bringt Berichte seit dem Jahre 1756, weist aber einleitend
auf ältere, nicht mehr vorhandene Vorgänger zurück unter Hinweis auf 1688 als
das Gründungsjahr. Von 1674 berichtet es nichts, auch nichts über den Gründer
oder seinen Namen. Mir ist aus keiner Quelle, und ich bin ihnen mit einiger
Beharrlichkeit nachgegangen, etwas vor Augen gekommen, wodurch gerade das Jahr
1674 in Jürgen Fuhlendorfs oder des Fleckens Geschichte eine ungewöhnliche
Bedeutung hätte erlangen sollen.
So ist dem Forscher nicht
vergönnt, jenes Jubiläum als geschichtlich wohl-
324
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fundiert erachten zu
können. Indessen gibt es einen Anhalt für den Ursprung des bestimmt
vorliegenden Irrtums. In der Mauer der als »Rolandseck« bekannten Gaststätte
befindet sich an der Hauptstraße ein größerer behauener Feldstein mit der
Inschrift: J. F. D. darunter 1674. Was Wunder, daß dieser Stein in besonderem
Maße die Aufmerksamkeit der wachen Geister auf sich gelenkt hat! Der Umdeutung
der Buchstaben in Jürgen Fuhlendorf steht nichts im Wege. Denn diese Art der
Namensandeutung war hierzulande durch Jahrhunderte allgemein üblich bei den
Steinen an den Landwegen, zum Nachweis der den einzelnen Hufnern auferlegten
Instandhaltungspflicht, ebenso bei Eigentums- und Grenzausweisen. Die
»Bramstedter Nachrichten« vom 14.12.1937 bringen dafür folgendes Beispiel aus
der Gemarkung Nahe. Ein größerer Grenzstein zeigt auf einer Seite die
Buchstaben P. M. und auf der andern Seite St. B., darunter A(nno) 1801. Der
Ortskundige hat es nicht schwer, sich bald zu vergewissern, daß es sich um die
Eigentumsnachbarn Pohlmann und Steenbock handelt. - Hierher
gehört auch unser Stein. Diese Annahme erhält eine kräftige Stütze durch die am
Orte schlechthin geltende Meinung, daß Jürgen Fuhlendorfs Bauerngehöft eben
dort gelegen habe, wo heute »Rolandseck« zur Einkehr ladet. Dokumentarischen Beweis
in diesem Punkte habe ich nicht gesehen. Immerhin mag es ein Fingerzeig sein,
wenn wir im ältesten Hufnerverzeichnis der Kirche (1620) die Fuhlendorfsche
Hofstatt als erste genannt finden. Der Gedanke, an der Ecke der Hauptstraße mit
der Aufzählung zu beginnen, lag für den Pastoren nahe genug. Rücken wir näher
heran: Seite 131 des alten Fleckensbuches redet von der Aufteilung des
Steindamms (im Bleeck) im Jahre 1755 und nennt den bemarkten Stein + H.H.r.,
und man erfährt, daß Hinrich Hartmann gemeint ist. - Ferner aus der gleichen
Quelle S. 69: »Weil der Weg zwischen der jetzt so genannten Hudowbruck und
Flecken immer mehr und mehr geschmälert und von Jahr zu Jahr so weit gebracht,
daß der Hirte ohne große gefahr oder schaden mit dem Viehe nicht mehr dar durch
treiben kann, als (darum) ist er im Jahre 1686, da alle Äcker und Wiesen
des ganzen gemein (waren, also:) vor der Teilung, damals erweitert. Und von dem
Wasser (her) nach negst dran stehenden Hause zu sind fünf scheide steine gesetzt,
zur Ewigen schede (Grenze), daß nun die Nach Kömlinge dar zusehen (darauf
achten), daß selbiger Weg seine Jetz habende Breite bis an gesetzete Steine
behalten Möge. Wir haben ihnen dieses Beweis und Nachricht In diesem
Fleckensbuche ver Zeichnen wollen.«
An besagtem Wege, heute
Glückstädter Straße, und zwar dort, wo er die Hauptstraße schneidet, liegt oder
lag unseres Jürgen F. Haus. Es kann nun wirklich nicht auffällig sein, wenn er,
an der Haupt-Wegekreuzung des Ortes wohnend und vermutlich ein sorgsamer
Verwalter des ererbten Gutes, seinem meistgefährdeten Besitztum schon
zwölf Jahre früher (1674) eine solide Grenzmarke und solide Schutzwehr setzte
und sie in üblicher Weise markierte. Ist dieser Stein etwas größer ausgefallen
als üblich, so hatte er ja auch Dienste zu leisten an dem Punkte des Fleckens,
wo tatsächlich der stärkste Wagenverkehr sich abwickelte: am Marktplatze, nahe
der Kirche, nahe der Mühle.
325
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Nehmen wir noch folgendes
hinzu:
a)
daß
fraglicher Stein erst im Jahre 1906 in die Mauer eingelassen worden ist (beim
Umbau des Gebäudes), bis dabin aber seinen Platz in einigem Abstand vor dem
Hause gehabt hat;
b)
daß
in dem der Straße zugewandten Teil der Umfassungsmauer des Rolands ein zweiter,
auf Fuhlendorf hinweisender Stein vorhanden ist;
c)
daß
Johann Kähler, der bekannte Stellauer Pastor, in seiner 1905 herausgegebenen
Schrift über das Stör-Bramautal (Seite 122) sagte: »An der Ecke des Blek steht
noch ein Prellstein und darauf: J. F. D. 1674«; so müssen wir auf gesicherter
Grundlage zu der Feststellung uns bekennen, daß vielbesagter Stein mit
Fuhlendorfs Verdiensten um den Flecken nichts zu tun hat, am allerwenigsten als
ein von den Mitbürgern ihm gewidmetes Denkmal gelten kann. Zum andern ist zu
vermerken, daß die hervorgetretene gegenteilige Meinung nicht traditionell
begründet, sondern erst in jüngster Zeit hie und da genährt worden ist.
Also mit einem von J. F.
gesetzten Prellstein haben wir es zu tun. Das Zeugnis von Pastor Kähler, der
seine Angaben über Bramstedt ganz in der Hauptsache dem derzeitigen
wohlunterrichteten, ehrwürdigen Mühlenbesitzer N. F. Paustian verdankt, gibt
aller Überlegung den unantastbar festen Halt. Der erwähnte Zwillingsbruder im
Sockel des Rolands mutet uns wohl noch als ein Störenfried an. Was ist's mit
dem? Was kann er meinen? Eine restlos befriedigende Antwort ist vielleicht
nicht zu geben. Doch fehlt es nicht an wegweisenden Tatsachen und Merkmalen.
Wir beachten: dieser Stein ist Bestandteil des wichtigsten Denkmals, das unsern
Ort ziert. Er ist eingefügt unmittelbar neben dem Quaderstein, der die Namen
des Kirchspielvogts und der beiden Fleckensvorsteher aufweist, die 1827, also
im Jahre der Wiederaufrichtung des Rolands, ihres Amtes gewaltet haben. Er
trägt in drei Reihen die Inschrift: J. F. D. - ANNO - 1695. Die Beschriftung
der beiden benachbarten Steine zeigt eine sehr unterschiedliche Form. In dieser
Hinsicht stimmen die beiden J. F. D. Steine überein, die ja auch, zeitlich
betrachtet, von der gleichen Hand behauen sein mögen. Der J. F. D. - Stein der
Ringmauer hat starke Stöße hinnehmen müssen, die letzten beiden Ziffern der
Jahreszahl sind hart mitgenommen, indes an hellen Herbsttagen, wenn funkelnder und
glitzernder Sonnenstrahl nicht stört, in ihren Restspuren recht wohl zu
erkennen. Die Beschädigung des Steins kann durchaus an dem Orte zuwege gekommen
sein, wo er heute noch steht: hart an der Hauptverkehrsstraße, die von
unzähligen, auch schweren und schwersten Lastwagen passiert worden ist. - Das
Jahr 1695 ist auch der Zeitpunkt, wo Jürgen Fuhlendorf sein großes Werk für den
Flecken vollenden und krönen konnte. Zwei Jahre früher war die Ringmauer um den
Roland hergestellt worden. Das Fleckensbuch hat davon Kenntnis genommen und
nennt zugleich »Jürgen Fuhlendörff« als derzeitigen ersten Ratmann. Was steht
dem Gedanken entgegen, daß die Fleckensleute, nachdem er sie aus großer Not
herausgeführt hatte, dankbar seinen Namen und das Jahr, in dem dies geschehen,
der Nachwelt erhalten wollten? Mußte nicht die Stelle, wo wir beides verewigt
finden, dafür besonders
326
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gut geeignet erscheinen?
Jedenfalls hat man 1827, als das Rolandsbild neu aufgerichtet wurde, den
gleichen Ort gewählt, um die Namen der damals an der Spitze der
Fleckensverwaltung stehenden drei Männer in den Nachbarstein einhauen zu lassen.
Wen diese Ausführungen
nicht befriedigen, der möge weiter forschen. Wir kommen zum Schluß. Die
Tatsache bleibt bestehen, daß eine schöne Jubiläumsfeier, historisch
betrachtet, nicht richtig basiert gewesen und ein Prellstein irrtümlich für ein
Denkmal gehalten worden ist. Was ist da zu beklagen? Es ist fruchtbarer, sich vor
Augen zu halten, daß diese Dinge den Sinn und Kern der die Feier tragenden
Gedanken in keiner Weise treffen oder trüben. Unangetastet stehen Tat und
Charakter Fuhlendorfs da. Wenn man glauben darf, daß der Flecken diesem Manne
schon zu Lebzeiten in gemeldeter Weise seinen Dank bekundet hat, so wird das
nur freudig zu begrüßen sein. Die schöne Jubiläumsfeier von 1924 aber steht als
Zeugnis lebendiger Heimatsliebe den Bewohnern noch heute wirksam in Erinnerung,
und vor allen Dingen hat sie dazu beigetragen, Fuhlendorfs Bedeutung ins rechte
Licht zu setzen. Auch der 16. Juli 1938, an dem die »Jürgen-Fuhlendorf-Schule«
anläßlich ihres dreißigjährigen Bestehens u. a. eine Aufführung des
Bauernspiels »Edelmann un Buern« brachte, erntete seine schönen Erfolge wohl
zum guten Teil aus der Saat, die 1924 ausgestreut worden ist.
Und was endlich den Umzug
um den Roland anlangt, so wird dessen Reiz nicht dadurch verblassen, daß sein
Ursprung nicht auf 1674 zurückgeführt werden kann. Die Chronik darf wohl noch
ergänzen: 1674 ist aller Wahrscheinlichkeit nach an Stelle des Rolands nur ein
Trümmerhaufen vorhanden gewesen; denn schon 1666 wird der im Jahre 1654 erbaute
hölzerne Roland als »alt und schwach« beschrieben. Andrerseits wird beurkundet,
daß sowohl 1654 als auch 1827 bei der jeweiligen Fertigstellung des Standbildes
eine Feier, das letztemal ein »Volksfest« stattgefunden hat. - Fuhlendorf
spricht am Schluß seines eingehenden Berichtes von einem Gottesdienst, nicht
von Umzug und Tanz.
________
Anmerkung: Eine Version,
wonach Fuhlendorf den Stein hätte setzen lassen, um das Andenken an die Geburt
des ersten Sohnes zu sichern, ist wohl nicht ernst zu nehmen. Erstens wäre das
an sich sehr ungewöhnlich, und zweitens hätte wohl der Name des Sohnes
eingemeißelt werden sollen. Dieser Sohn aber hieß Hans, und das Kirchenbuch
meldet als sein Geburtsjahr 1679.
327
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IX.
DER ROLAND
Die Geschichte des Rolands
zu schreiben und seine Bedeutung darzulegen, das ist für einen Bramstedter von
ganz besonderem Reize; handelt es sich doch um einen Gegenstand, der sich in
Nordalbingien nur noch einmal wiederholt, in Wedel, einer Stadt, die mit unserm
Heimatorte das gemein hat, daß im Mittelalter hier wie dort der jütische
Ochsenhandel nach dem Süden und Südwesten hin den Bürgern eine wertvolle
Nährquelle bot, wie auch gleichzeitig beiden vom Dänenkönig Christian V. die
Erlaubnis erteilt wurde, das in den Stürmen des Dreißigjährigen Krieges
hinweggefegte Standbild wieder aufzurichten. Aber der Reiz des Besonderen wird
dadurch ein wenig gedämpft, daß auch der Berichterstatter des so
ausgezeichneten Ortes nicht die naheliegende Aufgabe erfüllen kann, über diesen
seit langem und weithin beachteten Gegenstand abschließende und endgültige
Nachrichten zu geben. Die Vorgeschichte dieser für Nord- und Niederdeutschland
bis in das 14. Jahrhundert nachgewiesenen, heute noch in wenigen Städten (z. B.
Bremen, Brandenburg, Halle, Nordhausen und Stendal) vorhandenen Gestalten ist
so sehr ins Mystische gehüllt, daß an letzte Eindeutigkeit wohl überhaupt nicht
zu denken ist. Dem Verfasser fehlen dafür bestimmt Zeit und Gelegenheit; auch
hat er nicht im geringsten Neigung, die in unsern so viel heimatkundliche
Entdeckung spendenden Tagen leider nicht fremde Bedienung der Leser mit
leichtfertiger, ja ungesund phantastischer Berichterstattung zu mehren. Nur das
Nötigste, ins Allgemeine gerichtete sei gesagt, ehe wir unserm lieben
Stadt-Repräsentanten auf dem Marktplatz sein geschichtliches Bild gestalten, so
wie die Wirklichkeit es fordert.
Der Name »Roland« wird in
Dichtung und Sage einem Manne beigelegt, der, als Neffe Kaiser Karls des Großen
hingestellt, dessen überragender und vornehmster Kriegsheld gewesen sei. Die
Wissenschaft hält nicht für bündig erwiesen, daß dieser Held wirklich gelebt
habe. Man kann sich immerhin vorstellen, daß die im frühen Mittelalter, aus dem
Frankenreiche stammenden, auch im deutschen Volke stark umlaufenden Sagen,
deren erdichteter Held jener war, die Wirkung zeitigten, in »Roland« symbolisch
einen Helden schlechthin zu sehen, ohne dabei einer Ehrung Karls des Großen und
seiner Paladine sich bewußt zu sein. Es muß andrerseits angenommen werden, daß
gerade dem Sachsenvolke es nicht naheliegen konnte, diesem Kaiser Lobgesänge zu
weihen: allzu schroff sind die Mittel gewesen, durch die er sie in die ihnen so
fremde Gedankenwelt des Christentums gezwungen hat, und despotisch grausam waren
die Gesetze, mit denen die »Bekehrten« an der Strippe gehalten wurden.
Man führt auch die Namen
Ruland und Rutland an; wir können das auf sich beruhen lassen, weil das uns
hier angehende Bramstedter Standbild unentwegt
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sich als »Roland«
präsentiert hat. Eher geht das vielleicht für den berühmten Standesgenossen an,
der immer noch »standhaft steht vor dem Rathaus zu Bremen, standhaft und fest«.
Casparius Dankwerth, dem
Schleswig-Holstein eine überaus wertvolle Landesbeschreibung aus dem Jahre 1652
zu verdanken hat, stellt die Vermutung auf, daß die Städte großen Herren, die
ihnen ihre Privilegien verschafft oder sonst sie gefördert hatten, derartige
Standbilder aufgerichtet haben mögen. Seine eigenen Worte: »Ad speciem (auf den
vorliegenden Fall) zu gehen, ist glaublich, daß der Roland zu Bramstedt Graf
Gerhard dem Grossen zu Ehren aufgestellt worden, indem er unter andern tapfern
Taten den hier an diesem Orte Bramstedte Graf Adolf zu Schaumburg I... indem er
Graf Johann III. zu Holstein, Kielischen Linie, Völker zuführte - angegriffen,
geschlagen und ihn Selbsten unter der Brücken, daselbst er sich verborgen,
heraus geholet und gefangen genommen. Zu welcher und anderer seiner Siege
Gedächtnis die Brahmstedter ihren Roland als ein Heldenbild mögen aufgerichtet
haben.«
Dankwerth, der vor drei
Jahrhunderten den Dingen sehr viel näher stand als wir Heutigen, weist also hin
auf die im Jahre 1317 vorgefallene Schlacht auf dem Bramstedter Strietkamp. Der
zwingende Ernst seiner Gesamtarbeit fordert die volle Würdigung seiner
Gedankengänge. Doch das logische Ergebnis bleibt, daß man auch vor drei
Jahrhunderten so wenig wie heute präzise unterrichtet war über den Zeitpunkt
und den Beweggrund der Errichtung des ersten Rolands. Denn daß der heutige
nicht eine Urschöpfung ist, das ist allerdings beweisbar. Man wird auch wohl
einsehen müssen, daß der Sinn etwas der Dunkelheit entrückt wird, wenn wir nun
dem Gang des geschichtlich Erweisbaren folgen.
Friedrich III. bestätigt
1652 aus Glückstadt unter dem 2. Juli die alten Gerechtsame der Fleckensleute.
Dieser Confirmation wird folgender Zusatz beigegeben. »Haben auch dabeneben
allergnädigst eingewilliget, daß in mehrbesagtem Unserm Flecken Brambstette zur
Beförderung der Eingesessenen Nahrung ein erhöhter Roland auf einem grünen
Anger am offenen Wege, welcher nach Hamburg führet, wo die Brabandische(n)
Kaufleute und Ochsen-Händler ihre Contracten schliessen und rechtliche(r)
Entscheidung gewärtig seyn, an des vorigen Kriegszeiten verbrandten Stelle
wieder aufgerichtet werden möge.« Es. liegt zutage:
a)
daß
schon vor dem Dreißigjährigen Kriege ein Roland auf dem Bleeck gestanden hat,
über den allerdings eine urkundliche Zweckbestimmung nicht vorliegt; die
gequälten Bewohner haben wohl ihre Sorge auf nötigere Dinge richten müssen;
b)
daß
die ursprüngliche, jetzt wieder zu ersetzende Statue aus Holz geformt war; denn
andernfalls hätten die Kaiserlichen, wie das Kirchenbuch uns verkündet, sie
Anno 1628 wohl nicht »verbranndt«.
c)
es
bleibt offen, ob der »verbrandte« Roland der erste seines Standes gewesen ist.
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Die Einwilligung des
Fürsten erfolgt gleichzeitig mit der Bestätigung der »Fleckensgerechtsame«.
Letztere sind eine Zusammenfassung aller Privilegien, die der Flecken dem Dorfe
gegenüber voraus hatte.
Die Verleihung der
Fleckensrechte brachte den Eingesessenen die Erlaubnis, bürgerliche Berufe
auszuüben, was man landläufig »bürgerliche Nahrung« nannte. Friedrich spricht
aus, daß die Errichtung des neuen Rolands dienen soll »zur Beförderung der
Eingesessenen Nahrung«. Damit wäre eine Zweckbestimmung gegeben. Unsere
Vorväter haben also im Juli 1652 die gnädig gewährte Bauerlaubnis in Händen,
und ohne Übereilung gehen sie ans Werk. Anno 1654, den 7. Aprilis, so meldet
das Kirchenbuch, steht auf grünem Anger am Wege, der nach Hamburg führt, wohl
weiter nördlich als der gegenwärtige Successor, auf einem irgendwie erhöhten
Platze ein junger Beherrscher des Marktplatzes, nimmt vor festlich gestimmter
Volksversammlung, voran regierender Ratsmann, wohlbetuchter Herr Claus Fock,
seine Instruktion über Amt und Dienst entgegen. Ein Treuschwur war nicht nötig;
denn vom Scheitel bis zur Sohle aus Holz gemeißelt, war er jeder Sinnesänderung
entrückt. Man durfte ihm trauen, abgesehen von der seiner Beschaffenheit nach
und wegen des dauernden Aufenthaltes im Freien drohenden Gefahr des
rettungslosen, wenn auch gemächlichen Verfalles. Keine Ausnahme hat das eherne
Geschick machen wollen. Was man ahnen konnte, hat sich erfüllt zu seiner Zeit,
und zwar so vollständig, daß der Notleidende früher, als man gedacht, einfach
in sich zusammengefallen ist. Jahr und Tag dieses Unglücks findet man nirgends
angegeben. Aber schon im Jahre 1666 hat ein dänischer Durchreisender, der
Sympathie für den Flecken hatte, mit Bedauern vermerkt, daß der Roland bereits
stark im Verfall sich befinde. Im Jahre 1693 konnten die Ratsleute Jürgen
Fuhlendorf, Detlef Voss, Hans Verst und Hans Steckmest ins Fleckenbuch
schreiben:
»Anno 1693 ist im flecken
brambstett das Rolandsbild aufs Neue Von steinen, welche(s) bilde vor diesem
nur auß Holz gehauen gewesen und also bald vergangen, wieder gesetzt.
Der Platz, worauf es steht, auch mit einer steinern Ringmauer diesesmahl
umgeben, Verbessert, kombt dem Flecken allein zu der Roland steinerne Piele,
Rinkmauer und was sonst mehr dazu gehört, hat in allem gekostet 456 Mark. -
Welches hier mit denen Nachkommen Zur nachricht hier mit er Öffnet. Radtmänner
sind Gewesen Zu der Zeit: es folgen obige Namen.« Der so gewappnete Roland
erweist sich als standfest und behauptet sich durch 120 Jahre. Aber dann ist
auch seine Stunde gekommen. Durch den Kirchspielvogt Cirsovius erfahren wir,
daß am 6. Dezember 1813 die Kosaken eingerückt sind und deren Führer Graf
Tettenborn am nächsten Morgen seine Truppen mit 4500 Mann angemeldet hat... »Am
13. Januar 1814 fiel der Roland, weil das darum angelegte Stroh-Magazin unvorsichtig
und von einer Seite abgepackt wurde und das Stroh mit einer schweren
Schneelast ihn zerbrach.« Es ist nicht alsobald zur Instandsetzung gekommen.
Dem genannten Kirchspielvogt verdanken wir genauere Nachricht über die
gestürzte Säule. »Sie ist von Sandstein, zum Teil mit Farbe beschmutzt, aber
wenig verwittert. Die Verletzun-
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gen bestehen in einem
zerbrochenen Schenkel und einem zerbrochenen Arm. Die abgebrochenen Teile sind
jedoch noch vorhanden (aufbewahrt in der Kirchspielvogtei) und möchten am
zweckmäßigsten durch Einbo(h)ren und Verbinden mit eisernen Stangen wiederum
angesetzt werden können; sowie die Farbe möglichst abzuputzen und in ihrem
grauen Gewand, wenn solches thunlich, wiederum, herzustellen.«
Der Herr Amtmann nimmt
Anteil in der Sache, und Cirsovius berichtet ihm drei Jahre nach dem Unfall,
wie folgt:
»Betreffend den
verstümmelten Roland, verfehle ich nicht, unterthänigst zu erwidern, daß den
hiesigen Eingesessenen die Wiederherstellung desselben bis jetzt so
gleichgültig ist, daß die Kosten desfalls durch freiwillige Beiträge bei weitem
nicht gedeckt werden dürften.« - »Die Fleckensvorsteher haben den Wunsch geäußert,
die Wiederherstellung bis auf bessere Zeiten zu verschieben.« So ruht die
Angelegenheit, bis Anno 1826 von außen her ein kräftiger Anstoß gegeben wird,
wie nachstehendes, den Kieler Akten1) entnommenes, an das Amthaus
gerichtete Pro Memoria ausweist. Es lautet:
»Die bey einer im
abgewichenen Frühjahr stattgehabte Durchreise durch den Flecken Bramstedt sich
aufgedrungene Wahrnahme, daß die dortige Rolandssäule noch umgestürzt darnieder
liegt, hat Anlaß gegeben zur Zusammenschießung einer Summe, welche Namens jener
Geber darzubringen zur Mitbestreitung derjenigen Kosten, die etwa erfordert
werden zur Wiederaufrichtung jenes Denkmals alter Zeit, an dessen fernerer
Existenz jedem Holsteiner gelegen sein muß, der sich's vergegenwärtigt: die
jetzige Zeit und was selbige Ersprießliches gewährt, sei ja begründet in der
alten und hervorgegangen aus der früheren Zeit, und daß eben uns, deren
Teilhaber, werth gewesene Denkmal, mehrere Jahrhunderte während, selbst ja noch
von unseren Vorfahren bis auf unsere Zeit der steten Erhaltung wert geachtet.
Daher denn wollen Ew.
Hoch- und Wohlgeboren gewogentlich entgegen nehmen die hierneben erfolgenden 17
Reichsthaler 35 Schilling Silber und deren Verwendung für den namhaften Zweck,
dessen baldige Erreichung mit vielseitiger Theilnahme entgegen gesehen wird, zu
seiner Zeit gütigst zu verfügen. In Rücksicht des mittelst dieser Zeilen in
Rede gestellten öffentlichen Gegenstandes halber werden Ew. Hoch- und
Wohlgeboren die durch deren Empfang denenselben veranlaßten Behelligung gütigst
zu verzeihen geneigen; daher enthalte ich mich einer jeden weiteren
Entschuldigung und gebe mir die Ehre, schließlich mich zu nennen dero ganz
gehorsamster Diener
Schillsdorf, den 6. Juli
1826.
Hansen (Gutsinspektor)«
Dieses ungewöhnliche
Schreiben hat denn doch seine Wirkung nicht verfehlt, zumal hinter dem
Schreiber die »Schleswig-Holsteinische Patriotische Gesellschaft« stand, was
nicht nur den Ehrgeiz der Bramstedter kräftig anspornen mußte, sondern auch in
dem kritischen Punkte der Kostendeckung eine wesentliche Erleichterung erhoffen
ließ.
_________
1)
Abt. 110 B IX 3 Nr. 276.
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Die Sache kam wirklich in
Fluß. Mit 800 Kurantmark wurden die zu erwartenden Ausgaben abgeschätzt. Schon
ein Jahr später konnte Cirsovius seinem vorgesetzten Amtmann »ganz gehorsamst
anzeigen, daß die Arbeiten zur Wiederaufrichtung der hiesigen Rolandsäule
gestern Abend aufgehört haben, und erlaube ich mir hinzuzufügen, daß
Dankbarkeit für die Beförderer dieser Wiederaufrichtung ein kleines Volksfest
veranstaltet hat, welches am letzten Sonntag statthatte«.
Eigenartig muß es
berühren, daß diesmal die Stadtväter es versäumt haben, in ihrem Protokoll die
Auferstehung des doch recht lange vernachlässigten Invaliden der Nachwelt
bekanntzugeben. Da ein Grund dafür nicht erkennbar ist, haben wir zu schweigen.
Nicht zu billigen wäre es,
wenn der Chronist verschweigen wollte, was von dem ehrbaren Meister zu
berichten ist, dessen Hand die Instandsetzung geschickt zuwege gebracht hat,
und der noch etwas mehr geleistet hat.
Klimasch ist der Name
dieses Mannes. Er war Steinmetzmeister in Altona und erfreute sich als solcher
eines so guten Rufes, daß die Patriotische Gesellschaft ihn aufforderte, einen
Kostenanschlag zu machen. Nachdem dies geschehen, wurde ihm auch die Ausführung
übertragen. Klimasch, geboren zu Bramstedt, hat nach dem Zeugnis der
Zeitgenossen seine Arbeit mit so viel Hingabe und Uneigennützigkeit
durchgeführt, daß sein Name hier festzuhalten ist. - Und die Fleckensleute?
Nach Dr. Falcke (Staatliches Magazin, Band 7, Seite 526) haben sie ihren Eifer
für die Sache bewiesen durch unentgeltliche Leistung der nötigen Fuhren.
Auch den erwähnten
Stadtvätern ist eine Ehrung zuteil geworden. Ein Stein in dem der Hauptstraße
zugewandten Teil der Ringmauer trägt eingemeißelt den Namen des mehrfach
erwähnten Kirchspielvogts. Daselbst, indes erheblich tiefer, unter dem Niveau
des Steindammes, findet man auch die Namen der damaligen Fleckensvorsteher:
Peter Fölster und Friedrich Schmidt, dazu die Jahreszahl 18271).
Das seitdem verflossene
Jahrhundert nebst Anhang hat unserm Roland schwere Unfälle erspart. Einen
Schaden, der ihm durch einen Bramstedter Schlingel an Hand und Schwert zugefügt
war, hat der Sünder, als er zwanzig Jahre später bei einem Besuch seiner
Vaterstadt an seine Torheit erinnert, bald und bestmöglich aus freiem Entschluß
ausbessern lassen.
Somit liegt die Geschichte
unseres Schwertträgers uns vor Augen. Wir stellen rückblickend fest, daß sein
Ansehen die »bürgerliche Nahrung« der Fleckensleute verbessern sollte. Bezogen
wird dies auf den dänischen Ochsenhandel, der nach Ausweis des Fleckensbuches
um das Jahr 1500 und fernerhin in hoher Blüte stand, aber durch den unseligen
Dreißigjährigen Krieg schwerste Einbuße erlitten hatte. Nun sollte das
wiederhergestellte Standbild daran erinnern, daß Bramstedt noch am Leben und
alte Verbindung wieder anzuknüpfen bereit sei. Wenn die Kontrakte schließenden
Brabanter Kaufleute - es sollten natürlich andere nicht ausgeschlossen werden -
an bestimmtem Platz ihre Kontrakte schließen konnten, so
_________
1)
Auf dem Schild, den der Roland links trägt und auf den er sich stützt, sieht
man das Signum C5, sicher ein Hinweis auf König Christian V., der zur Zeit der
Wiederherstellung des hölzernen Gebildes, 1654, in Dänemark regierte.
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war dies fraglos eine
zeitsparende Einrichtung, Es bedeutete zugleich, daß bei solchem Handel
entstehende Mißhelligkeiten unter Verkäufer und Käufer ohne Zeitverlust an Ort
und Stelle endgültig entschieden werden konnten. - Schiedsrichter war der
jeweilige Kirchspielvogt, der ja auch innerhalb der Handwerkerzünfte das Amt
des Schiedsrichters auszuüben hatte. Das war die »Morgensprache«. Mit Ding und
Recht, mit dem Göding hatte der Kirchspielvogt nichts zu schaffen.
Nichts von dem geht den
heutigen Roland an; er bekleidet einen Ehrenposten in Reinkultur und steht mit
großer Wahrscheinlichkeit hierin neben seinem urersten Vorgänger. - Nach der
Schlacht auf dem Strietkamp (1317) war Gerhard der Sieger. Bald hat er das
Gebiet Segeberg, also auch Bramstedt, sich zugeeignet. Er brachte ganz
Schleswig-Holstein und Dänemark in seinen Besitz. Die Bramstedter hatten den
Verweser Gerhards wenig geschätzt. Gerhard hatte Interesse daran, erbeutete
Untertanen für sich zu gewinnen. Diplomatisch angehauchte Stadtväter konnten
die Situation nutzen und sich und den Mitbürgern das ersehnte Fleckensrecht
erwerben. Und als dies gelungen war, konnte man sein Ansehen bestimmt nicht
schwächen, wenn man dankbar dem starken Herrscher ein Denkmal setzte.
So kommt man auf die
Theorie Casper Dankwerths zurück, deren gesunde Auffassung nicht widerlegt
werden kann.
Die Bramstedter Verwaltung
aber hat treulich gesorgt, daß der Bleeck mit seinen Rasenplätzen und an erster
Stelle der ehrwürdige Roland auf seinem Postament in würdigem Zustande sich
jederzeit darbieten. Anmutige, wohlgepflegte Blumenbeete legen davon Zeugnis
ab. Die Verbundenheit der Bramstedter mit dem Wahrzeichen war sicher niemals
stärker als heute. Weder das älteste Fleckenssiegel (1448), noch seine
Nachfolger bis Ende des vorigen Jahrhunderts haben dem Getreuen die Ehre
angetan, im Stadtsiegel sich bekunden zu dürfen. Heute dagegen beherrscht auf
dem berührten Gebiet die Gestalt des steinernen Kriegers durchaus das Feld1).
Des Dichters durchdringender
Blick hat in der Haltung unseres Rolands auch ein geistiges und seelisches
Mitfühlen und Miterleben erschaut, das der steinerne Zeuge des Weltlaufs
bekundet habe, wie folgt:
»Uns
Roland steiht un kiekt un nückt,
He
seggt, de Welt, de is verrückt!
Ick
mag hier nich mehr länger stahn,
Ick
will man leever rünner gähn.
Ick
gah nach Bielenberg2) nu aff;
Dar
legg ick mi ganz still in't Graff
Un
slap dar, bet in Kopp un Hart
De
Minschheit we'r vernünftig ward!«
(A. Kühl)
__________
1)
Nach dem Zeugnis Arnkiels, der sowohl das hölzerne als auch das steinerne
Standbild gesehen hat, ist hinsichtlich der Form kaum ein Unterschied
festzustellen gewesen.
2)
Totengräber.
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Bei Verabschiedung dieses
Themas lockt es mich, die Frage nach dem Ursprung und Sinn des Rolands noch
einmal anzuschneiden.
Dankwerths uns bekannter
Gedankengang verdient volle Beachtung. Die ersten vier Jahrzehnte des 14.
Jahrhunderts wurden in Albingien politisch beherrscht durch den raschen
Aufstieg des berühmtesten aller Schaumburger Grafen: Gerhard den Großen.
Bramstedt wurde sehr stark dadurch berührt. Der Bezirk Segeberg stand unter der
Herrschaft Adolfs VI., der sich durch starke Bedrückung bei den Untertanen sehr
verhaßt gemacht hatte. Anno 1315 wurde er ermordet. Gerhard, bei Lebzeiten mit
ihm verfeindet, vereinigte den Anteil Segeberg, der ihm für seine Pläne sehr
wichtig erschien, mit seiner Grafschaft. Das reizte die Verwandten und Freunde
des Ermordeten zum Widerstande. Zu Bramstedt auf dem Strietkamp wies, wie oben
gemeldet, Gerhard sie siegreich ab, und zwar 1317. Weitere Eroberungspläne
lagen vor ihm. Er hatte es nicht schwer, und es mußte ihm zweckdienlich
erscheinen, die Segeberger als Freunde zu gewinnen. Die Bramstedter, dies
durchblickend, konnten hoffen, unter sotanen Umständen den Rang eines Fleckens
für sich zu gewinnen. Doch der bündige Nachweis dafür ist nicht erbracht.
Und war es denn
hierzulande üblich, genannte Rangerhöhung zu markieren durch Errichtung einer
Rolandsgestalt? -
Der im Jahre 1654
erneuerte Roland wird genehmigt, damit er dem jütischen Ochsenhandel dienstbar
werde. Wozu dieser Hinweis des Königs ? Muß er nicht dabei gedacht haben an den
Sinn des früheren Rolands? Diesen Ochsenhandel im großen gab es früher in
Holstein nur in Bramstedt und Wedel. Und wie hoch dieser Handel gewertet worden
ist, davon zeugen die ersten Blätter des alten Bramstedter Fleckensbuches überzeugend.
Die um 1530 von den Ratsmännern auf Grund mündlicher Überlieferung
eingetragenen Beschlüsse und Beliebungen beschäftigen sich ganz überwiegend mit
der strengen Regelung des Ochsenmarktes, begründet in den jütischen
Ochsentriften. Auch dieser Markt beruhte auf landesfürstlicher Genehmigung, war
also ein Privilegium, das Bramstedt erlangen konnte, ohne vorher mit den
allgemeinen Bürgerrechten bedacht worden zu sein. Es lag nicht fern, wegen
dieses, nur in Wedel sich wiederholenden Vorrechts sich bevorzugt zu glauben
und dankbar zu sein. Es war auch zweckmäßig, diesen Marktplatz deutlich zu
markieren, da doch ein gut Teil Fremder ihn besuchte. Um 1654 war es an der
Zeit, dies Zeichen wieder zu Ehren zu bringen: der Dreißigjährige Krieg hatte
besagte Nährquelle fast völlig verschüttet. Daß gerade Wedel zu selbiger Zeit
das gleiche tut, kann nur die Meinung bestärken, daß unser Roland schon das
Licht der Welt gesehen habe, als Bramstedt noch ein Kirchdorf war.
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X.
VOM SCHULWESEN DES KIRCHSPIELS BRAMSTEDT
Vom
Schulwesen des Kirchspiels Bramstedt, im besonderen des Fleckens
Es ist bekannt, daß man
allgemein die Kirche als die Mutter der Schule anspricht und dabei dem
Geistesriesen Martin Luther die Vaterschaft zuerkennt. Soweit es sich um
evangelisches Land und Volk handelt, ist das im großen und ganzen richtig.
Als Holsteiner haben wir dankbar anzuerkennen, daß unter der Herrschaft der
dänischen Fürsten die Schulen und vorzugsweise die Landschulen früher und
nachdrücklicher gefördert worden sind, als das in der großen Mehrzahl der
übrigen deutschen Staaten geschehen ist. Sogar das stolze Hamburg hat erst 1872
sich dazu aufgerafft, seine Armenschulen aufzulösen und durch die staatlichen
Volksschulen zu ersetzen, was hierzulande bereits durch die »Allgemeine
Schulordnung vom 24. August 1814« bewerkstelligt worden ist. Dem ist
hinzuzufügen, daß eigentliche Armenschulen hier überhaupt nicht bestanden
haben. Wohl aber hat es vor genanntem Zeitpunkte hier Schulen gegeben, deren
wesentliches Merkmal darin lag, daß der Besuchszwang fehlte und Ordnung und
Leistung völlig Sache der Geistlichen war. Wobei noch in Erinnerung zu bringen
ist, daß der dänische König summus episcopus d. i. der oberste Bischof des
Landes war.
Diese historischen
Tatsachen empfehlen die Gliederung unserer Darstellung in zwei Hauptabschnitte,
deren Grenze das Jahr 1814 bildet.
I.
Vor der Einführung des Schulzwanges
Aus der Zeit vor der
Reformation sind überhaupt keine Urkunden vorhanden, die auf das Vorhandensein
einer Schule hierorts hinweisen könnten. Martin Luther hat durch sein
Sendschreiben an die Bürgermeister und Ratsherren im Jahre 1524 an die Türe
geklopft, um in dieser Hinsicht der Jugend und den Bürgern zu ihrem Rechte zu
verhelfen. Er nennt es Sünde und Schande, daß »wir nicht aus eigenem Antrieb
bereit sind, unsere Kinder und junges Volk zu ziehen und ihr Bestes zu denken.«
An anderer Stelle: »Soll man denn zulassen, daß eitel Rülzen und Knebel
regieren? Ist ja ein unvernünftig Fürnehmen! So laß man aber so mehr Säu und
Wölfe zu Herrn machen und setzen über die, so nicht denken wollen, wie sie von
Menschen regiert werden.«
Indem er die Bibel zum
wichtigsten, wenn nicht einzigen Quell machte, aus dem die Heilslehre zu
schöpfen sei, war für seine Anhänger grundsätzlich die Verpflichtung zum Lesen
gegeben. Auch der von ihm so sehr hochgeschätzte Kirchen-
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gesang drängte zu
entsprechender Schulung. »Ein Schulmeister muß singen können; sonst sehe ich
ihn nicht an!« Also sprach Luther.
Nicht zu verwundern, daß
im Kirchorte die erste Schule gegründet wurde. Also war auch die Kirche die
gegebene Trägerin dieser Schule, und jeder Kirchspielsangehöriger hatte das
Recht, seine Kinder dort unterrichten zu lassen. Das kennzeichnende Wort
»Kirchspielsschule« ist allerdings nicht landläufig geworden, sondern durch die
bequemere Form: Küster- oder Organistenschule ersetzt worden.
Schon die älteste
nachweisbare Kirchenrechnung der Bramstedter Gemeinde weist auf einen Küster
hin mit diesem Text:
»Noch casper roleffinck
gegewen ene march vor dath myßkleth (Meßgewand, Amtskleid des Geistlichen) tho
waschende.« Die eine Mark ist als Jahreslohn anzusehen. Damit ist das Amt
des Küsters gekennzeichnet. 1568 ist das Jahr, in dem solcher Dienst an der
Kirche geschehen.
1573 erscheint der Getreue
als »koster Caspar Rolefinck«, dem diesmal eine Mark für das Waschen des
Tuches, »so up dem altar licket«, ausgehändigt wird. - Er war nicht in fester
Stellung. »Up heten des kerspelles« (Geheiß des Kirchspiels) nehmen ihn die
Juraten (Kirchspielvertreter) jährlich an, wobei ihm ein »Gottespfennig« zur
Bekräftigung in die Hand gedrückt wurde.
Mit der Schule hatte
Rolefinck wohl nichts zu tun. Denn 1573 lesen wir weiter: »Noch dem
scholmester, de fan Segeberg quam (kam) gegewen 6 Schilling, alse de forigen
gehat hadde.« Also steht fest:
1573
entlohnte die Bramstedter Kirche einen Schulmeister, und zwar mit dem
gleichen Betrag, den seine Vorgänger geerntet hatten.
1575 finden wir
verzeichnet: 12 Schilling Zehrgeld, als der Schulmeister wieder angenommen
wurde, und 8 Schilling »gottespenning« für ihn. Somit entbehrte auch dieser
einer festen Anstellung. Jahrgeld 6 Mark.
Der Name des 1573
»angenommenen« scholmesters wird nicht genannt. 1575 besteht schon die
»kosterye«-Küsterhaus, und Rolefinck wird als dessen Bewohner bekannt.
Und der Organist? 1572
sind laut Kirchenrechnung 147 Mark 1 Schilling 4 Pfennig für Beschaffung einer
»Orgell und Zering« ausgegeben worden. Es ist nicht nachweisbar, daß dies
unbedingt die erste ihrer Art im Flecken gewesen sei. Unbedenklich aber wird
man für den gleichen Zeitpunkt einen Organisten als vorhanden erachten und
diesen im Küsterhaus vermuten dürfen.
So steht Casper
Rolefink als der erste Organist und Küster vor uns, wobei es dahingestellt
bleiben muß, ob er auch als Lehrer gewirkt habe.
Ans Licht aber taucht noch
Isern Hinerk als Belgentreder, ein ebenso unentbehrlicher Diener der so
ausgerüsteten Kirche.
Erst nach 3/4 Jahrhundert
gibt die Kirchenrechnung uns neue Kunde, weil während dieser ganzen Zeit die
Ausgabeposten nur summarisch mitgeteilt werden, etlichemal eine Abrechnung überhaupt
nicht erfolgt. Die »Rekenschop« von 1646 weist folgende Posten aus:
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1.
Dem
Organisten wegen seiner Hebung 28 (16 Himpten Roggen)
2.
Dem
Belgentreder 5 (3 Himten Roggen)
Von weiteren
Kirchendienern ist nicht die Rede. So dürfen wir als sicher annehmen, daß im
»Organisten« nunmehr auch der Lehrer und Küster mit erfasst werden. Der Name
des Vielbeschäftigten bleibt im Dunkel.
Diesen ersten dürftigen
Nachrichten kann aus einem bei der Kirche noch vorhandenen Verzeichnisse über
Ertrag und Verwendung der Klingelbeutelgelder eine kurze, nicht wertlose
Ergänzung gegeben werden. Danach ist zu melden aus der zweiten Hälfte des
17. Jahrhunderts:
1647: De arme Scholmester
in Förden bekommt..........................
............ 1 Mark
De arme Scholmester in
Hardebeck bekommt...................................................
3 Mark
(Er nannte sich Zacharias)
Wiederholt wird
unterstützt der »wahnsinnige« Lehrer Gloye aus Bimöhlen mit Geld, Fußzeug und
Kleidung. Auch die »Schulmeistersche zu Hitzhusen« nimmt an dem Segen des
Klingelbeutels teil.
Es ist festzustellen, daß
es zur genannten Zeit Lehrer, demnach auch Schulen gegeben hat in den Kirchspielsdörfern
Bimöhlen, Föhrden, Hardebeck und Hitzhusen. Föhrden wird mit Barl, Hardebeck
mit Hasenkrug gemeinsam den Lehrer gehabt haben. Damit ist nicht bewiesen, daß
die hier nicht genannten Kirchspielsdörfer in berührter Hinsicht rückständig
gewesen seien. Denn es ist doch nicht als selbstverständlich zu erachten, daß
sämtliche Schulmeister den Klingelbeutel in Anspruch nehmen mußten. Bostel
(Borstel) wird außerdem noch genannt unter den Ortschaften, die das Schulgeld
für arme Kinder aus genanntem Säckel geschöpft haben. Diese Beihilfe ist
übrigens im Laufe der Jahre immer häufiger bewilligt worden, auch für den
Flecken, und man geht wohl nicht fehl, darin einen Gradmesser für den
wachsenden Schulbesuch zu erblicken. Für die Küsterschule aber ist noch
anzumerken, daß der Küster nunmehr auch den ehrenvollen Auftrag hatte, während
der Predigt das Herumtragen des klingelnden Säckleins zu besorgen. Dafür wurden
ihm aus den gesammelten Mitteln am Jahresschluß anfänglich 3 Mark, um 1700 aber
6 Mark ausgehändigt. - Auch wird der Organist hier einmal (1681) von seinem
vorgesetzten Geistlichen als Herr Präzeptor verbucht, woraus wir erkennen, daß
Küster -, Organisten - und Lehramt auch derzeit in einer Person vereinigt
waren. Um 1668 wird dieser Amtsträger gar mit seinem Namen genannt: Hermann,
fernerhin auch Hermanny und sogar Hermann Einhausen. Erfreulicherweise ist
mindestens seit 1650 sein Gehalt um eine nette Zulage (Schul-, Wasch- und
Mayengeld) von 12 Mark jährlich verbessert. Nicht zu übersehen, daß in jener
Zeit in Flecken und Dörfern nur im Winterhalbjahr unterrichtet wurde. Nun zum
Kirchspiel.
Christian IV. wendet sich
an seinen Amtmann von Buchwald mit folgendem Schreiben:
»Uns ist unterthenigst
vorgebracht, daß in Unserem Dir Vertraueten Ampt Segeberg zu Beförderung des
Gottesdienstes die notdurft erfordern, daß an Unter-
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schiedlichen ohrten
schulen zu Unterweisung der Jugend erbawet werden. Wenn Wir denn Christlicher
Schuldigkeit nach, auch hohes Obrigkeitlichen Ampteshalber von Uns selbst
begierig sein, alles nach möglichkeit zu befördern, was zur Ehre und zum Dienst
Unseres Gottes gereichen kann, Als befehlen wir Dir hiermit gnedigst, daß
Du zu solchem Bau an Holtz die notdurft denen leuten, die es begehren werden,
Folge lassest.«
Glücksburg, den 18.
Oktober 1638.
Sein Nachfolger Friedrich
III. gibt Anno 1650 unter dem 20. August eine weitergehende Verordnung, die
hier im Auszug wiedergegeben wird.
»Aller Ohrten Bey jedem
Kirchspiel soll ein gewisser (fester) Kirchspiel-Schulmeister Bestellet, die
Winkel und Neben Schulen in denen in der Nähe gelegenen Dorfschaften
abgeschafft werden, und wo keine fließenden Auen und gefährlichen Wege darinnen
verhindern, Alle Dorfschaften, die nicht über ¼ Meile weg entlegen, zum
Kirchspiel Schulmeister ihre Kinder abschicken. Hingegen so ½ oder oft wohl 1
Meile Von der Kirchen, dazu sie eingepfarrt, entlegen, vergönnt sein soll,
einen eigenen Schulmeister zu halten.«
Wieweit diese Verordnung
Erfolg hat und in welchem Tempo, das ist nicht nachgewiesen. Es liegt nur noch,
ehe entscheidende Maßregeln getroffen werden, eine kurze Nachricht vor:
»Schulmeister sollen vom Verbittelsgeld
frei sein.« Es handelt sich um den Beitrag, den in Bramstedt die Insten,
die Besitzlosen, als Schutzgeld in die Fleckenskasse zu entrichten hatten, als
Entgelt für den Schutz, den die Gemeinde ihnen gewährte. So geschehen 1731.
1735. Messarosch,
der Ortsgeistliche, wendet sich an den König mit der dringenden Bitte, daß dem
im Kirchspiel gänzlich verfallenen Schulwesen aufgeholfen werden möge. Die
Bauern seiner Dörfer hätten wohl gute Vieh-Hirten Katen, aber keine
ordentlichen Schulhäuser. Daher wären auch keine ordentlichen Lehrer zu halten.
Man habe sich meist mit abgedankten Soldaten, Vagabunden und Müßiggängern
behelfen müssen. - Der König wolle den Befehl geben, daß überall in den Dörfern
gute Schulkaten gebaut und den Lehrern allerlei Bewilligung an Vieh und
Freiheiten gegeben werden.
Der Amtmann Hanneken und
Propst Ottens unterstützen das Gesuch aufs nachdrücklichste.
1742. Derselbe
an Geheimrat Exzellenz Monseigneur de Schulin, Conseiller privé de Sa Majesté
Danoise, Chevalier à Copenhague.
Es hat sich so entwickelt,
daß in allen 10 Dorfschaften des Kirchspiels Bramstedt bis diese Stunde die
Schulen verschlossen gestanden und annoch so viel 100 Kinder ohne Information,
wie die Lämmer in der Irre herum schwärmen. Daran ist Rantzau schuld, der den
Hagenern bestimmte Hoffnung gemacht hat, sie könnten sich selbst einen
Schulmeister wählen. Nun warten all die andern darauf, wie es mit Caspar
Behnken abläuft, um dann ev. ihre ihnen ernannten Schulmeister abzusetzen und
selbst welche zu bestimmen. 1740 gibt Christian VI. ein Reglement heraus
zur Verbesserung des Schulwesens
338
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in Holstein, speziell im
Amt Segeberg. Es soll so schnell wie möglich alles zustande gebracht werden. Er
sehe aus allen Berichten, daß es ohne seinen Beistand nicht geht. So will er
mit Geld zum Bau und wo es sonst nötig wird, beispringen. Der Schulen-Bau soll
in künftigem Frühjahr, sobald es die Witterung erlaubt, überall in Angriff
genommen und bis zum Herbst fertig werden. Inzwischen soll auch alles übrige
geregelt werden, »damit alsdann die neue Schul-Haltung nach Maaße der zu
emanierenden Schul-Verordnung ihren Anfang nehmen könne.« Alle Beamten sollen
helfen, daß alles hurtig von statten gehe. Mit den Handwerkern sollen sie
akkordieren; in jedem Orte haben sie eine oder mehrere Personen zu bestellen,
die neben den Predigern und Unterbeamten bei dem Bau die Aufsicht führen. Auch
die Spann- und Handdienste sollen auf die Eingesessenen verteilt und ihre
Ausführung überwacht werden. Zunächst sind die Plätze auszumachen, wo die
Schulhäuser stehn sollen. Dann soll festgelegt werden, was ein jeder zu leisten
und zu liefern hat. Ein Riß, nach dem die Schulhäuser gebaut werden sollen,
wird mit auf den Weg gegeben. »Folglich nebst der Schulstube eine Wohn-Stube,
Diehle und Kammer, auch Kuh- und Schaf-Ställe, nicht minder Bodenraum zum Korn
und Futter und Platz zur Feuerung; 32 Fuß in der Breite und 28 Fuß in der
Tiefe, nach der Landarth die Wände von Leimen (Lehm) und Bindwerk
(Buschgeflecht), mit Stroh gedecket und mit einem Schornstein, so
außerhalb des Hauses zu führen.« Die Schul-Interessenten sollen die
Gebäude in die General-Brand-Assekuranz einzeichnen und auf eigene Kosten
instand halten. Das Schulhaus soll an Holz und Geld ungefähr auf 300 Mark zu
stehen kommen.
Der Amtmann soll
veranlassen, daß allerorten die Begüterten möglichst zum Beitrag herangezogen
werden, nach Möglichkeit auch die Kirchen. Die Schuldistrikte sollen genau
festgelegt, alle Dorfschaften und einzeln liegenden Häuser erfaßt werden. Wo es
not tut, sollen für 6-7, nach Entlegenheit der ohrten auch für 8-9Jährige
Kinder Klippschulen erlaubt sein.
Christian denkt auch an
die Versorgung der Lehrer. Alles soll genau geprüft, dann ihm Bericht gegeben
werden, damit in allem, nötigenfalls mit seiner Hilfe, sein Plan zur
Wirklichkeit komme.
Von dem »Riß« des Königs
sei noch gesagt, daß er bei 74 qm Grundfläche dem Schulzimmer 17, der Hausdiele
(nach Art des Bauernhauses) 16 qm zuweist und somit für weitere Räumlichkeiten
rund 40 qm übrig läßt, wovon 12 auf die Wohnstube des Pädagogen entfallen. Der
Eingang zur Schulstube geht über die an der Südseite liegende Diele. Die
Schulstube hat die längere Front (mit 2 Fenstern) im Westen, die kürzere Wand
(1 Fenster) nach Süden. Es folgt eine Aufstellung über die genauere
Ausgestaltung, im besonderen auch die Entlohnung des Lehrers anlangend, und
»was ein jeder Einwohner dem Schulmeister zu den ihm gnädigst beigelegten 6
Tonnen Roggen messen muß«.
1.
Flecken
Bramstedt: Die Küsterei, welche der
Organist verwaltet und davon sein Auskommen hat, daher selbigem nichts
beizulegen ist.
2.
Wiemersdorf,
Hauptschule:
2 adeliche Hufner, nämlich Johann Butenschön und Tim Fischer; im ganzen 20 5/8
Hufen, 322 2/7 Spint Roggen. (20 Hufner).
339
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3.
Fuhlendorf:
10
Hufner 22 6/7 Spint.
4.
Hasenkroog,
Hauptschule:
5 1/8 Hufen, 1311/25 Spint (6 Hufner).
5.
Hardebeck:
5
3/8 Hufen, 16 23/25 Spint (8 Hufner).
6.
Brockstedt:
8¼
Hufen, 24 16/25 Spint (11 Hufner).
7.
Armstedt:
24
20/25 Hufen, 2420/25 Spint (20
Hufner, davon 11 klösterlich).
8.
Hagen:
10
3/8 Hufen, 46 2/9 Spint (13 Hufner,
davon 4 Adeliche).
9.
Borstel:
4
1/8 Hufen 17 7/9 Spint (5 Hufner, davon 1 Adelicher).
10.
Föhrden-Barl:
8
1/8 Hufen 32 Spint (9 Hufner).
11.
Boymühlen;
9
Hufen, 22 6/7 Spint (10 Hufner)1).
Wiemersdorf und Hasenkroog
werden als »Hauptschulen« ausgezeichnet. Das kann nur heißen, daß ein
Nachbarort angegliedert werden sollte, wohl Fuhlendorf und Hardebeck.
Nach 5 Jahren wird dem
König berichtet, was inzwischen erreicht worden ist, im besonderen, welche
Änderung in der Steuerpflicht der Gemeinden eingetreten ist. Wir vernehmen:
1.
Im
Flecken Bramstedt, die Küsterei, eine alte Wohnung nebst Kohl-Garten und
einer kleinen Koppel. Dieses ist von jeher von aller Pflicht frei gewesen.
2.
Die
Schule in Wiemersdorf' ist Anno 1740 neu erbauet. Der kleine Garten und
der Platz, worauf dieses Schul-Haus erbauet ist, lieget in des Dorfs Commüne;
folglich sind beide Stücke nicht contribuable (steuerpflichtig).
3.
In
Hasenkroog und in Hagen liegt es ebenso.
Man sieht, daß nur in 3
Dörfern geschehen ist, was dem Landesfürsten vorschwebte; aber auch hier hatten
die Visitatoren, in der Hauptsache im Schulbesuch, ernstliche Mängel zu rügen.
Sie bekunden und verfügen: Es haben sich auf dem Lande verschiedene Unordnungen
eingeschlichen. Die Eltern schicken ihre Kinder nicht zur Schule. Sie sollen
dazu angehalten werden, die Kinder, wenn sie 6 Jahre alt sind, von Michaelis
bis Ostern zur Schule zu schicken. Tun sie es nicht, soll trotzdem von
ihnen das Schulgeld eingezogen werden, nötigenfalls mit Zwang. Also Winterschule
mit Zahl-, nicht aber Besuchszwang. So stand es 1747.
Von
den Lehrern
Zum Gedeihen der
Landschulen war ja wohl auch das Heranziehen tüchtiger Lehrkräfte eine
wesentliche Voraussetzung. Woher aber nehmen? An Bildungsstätten für diesen
Beruf fehlte es durchaus. Es besteht kein Zweifel, daß die fürstlichen Gründer
der Schulen nicht zuletzt auch die Förderung des Seelenheils ins Auge gefaßt
hatten. So ist es nur natürlich, daß den Geistlichen die Wahl
__________
1) Es
ist offenbar so gemeint, daß jeder Schuldistrikt seinem Lehrer die jeweilig
genannte Spintzahl soviel mal zu liefern hat, als die Hufenzahl angibt. Die
Verteilung auf die einzelnen Hufner ist dann die Sache der Ortsverwaltung. Im
Falle Wiemersdorf ist sichtlich die Gesamtlieferung verzeichnet worden.
340
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der Schulmeister
überlassen wurde. Indessen legte man nicht die Entscheidung in die Hand des
Kirchspielpredigers, der nur die Anmeldungen entgegenzunehmen und geeignete
Subjekte dem Herrn Präpositus vorzuschlagen hatte. 1748 wird Friedrich V. auf
sein Anfordern berichtet,
1.
daß
das examen, die Beeidigung und introduction (Einführung) der
Kirchspielsschulmeister jederzeit im Präpositum (beim Propsten) mit 4 Mark
bezahlt worden ist;
2.
daß
die Nebenschulmeister für examen dem Präposito 1 Mark oder, wenn sie
unvermögend sind, gar nichts bezahlt haben, Beeidigung und introduction aber
bisher bei ihnen nicht stattgefunden hat.
Friedrich ist mit dem
Stand der Dinge im ganzen nicht zufrieden. Er wendet sich an seinen Amtmann
Stolberg und meint, für die Kinder der entlegenen Ortschaften müsse mehr
geschehen. Er will des Amtmanns Meinung hören, ob man in Holstein sich nicht
ähnlich einrichten könne wie in Dänemark. Junge Lehrer haben einen Distrikt und
wandern von einem Dorf zum andern, in jedem nur für eine gewisse Zeit die
Kinder zu unterrichten. Sie bekommen ein bestimmtes Salarium, freie Beköstigung
und Wohnung im jeweiligen Dorfe. Wenn sie sich in einigen Jahren bewähret
haben, rücken sie in eine bessere Stellung auf. Die Antwort auf diesen
Vorschlag lautet wenig ermunternd. In Holstein lägen doch die Verhältnisse
wesentlich anders. Erstens würden sich schwerlich Leute finden, die zu solchem
Dienste bereit sind. Sintemal der Beschwerlichkeit des Umziehens zu gedenken;
die Schulmeister, welche fast durchgehends arm und dennoch mit Weib und Kind
versehen, nicht im Stande sein würden, zur Zeit ihrer Abwesenheit diesen letzteren
à parte Behausung und Nahrung zu verschaffen. Zweitens, so ist in hiesigen
Kirchspielen durchgehends, ungeachtet allen Bemühens, es nicht dahin zu bringen
gewesen, daß die Kinder mehr als 16 bis 18 Wochen des Winters zur Schule
gegangen. Von der Pflug-Zeit an bis zu Martini ist nie an einige Hinsendung der
Kinder zur Information zu denken. So käme für jede Gruppe Kinder zu wenig
Unterricht heraus. Mithin wäre zu besorgen, daß die Kinder, die ohnedem
einfältig und vergeßlich zu sein pflegen, durch Mangel eines täglichen
Unterrichts noch mehr als bisher zurück gesetzet würden.
Dagegen wird
vorgeschlagen, man solle, wie es früher gewesen, in den verschiedenen Dörfern,
da noch die alten Schulhäuser vorhanden sind, ihnen die Freiheit lassen, ihre
eigenen Schulen zu behalten. Es sind deren 16 im Segebergischen, von denen nach
Ranzaus Projekt nur 9 sollten konservieret werden. - Wenn man dann den
Schulmeistern statt der in Aussicht genommenen 6 nur 5 Tonnen Roggen gäbe,
womit sie wohl gern zufrieden wären, und wenn dann der abgegebene Roggen auf
das ganze Kirchspiel verteilt würde, so daß die größeren und reicheren Dörfer
für die kleinen und armen mitgäben, dann würde man mit 7 Spint pro Hufe
auskommen und doch alle 16 Schulmeister behalten können. 1749 gibt der König
darauf seinen Entschluß bekannt, man solle erst in einem Kirchspiel den Versuch
damit machen, um zu sehen, wie sich die Leute dazu
341
---------------------------------------------------------------------------------------
stellen. Er fürchte, die
größeren Dörfer werden nichts hergeben wollen für die kleinen.
Die Unterhaltsfrage der
Schulmeister ist weiterhin Gegenstand der Sorge. 1751 werden die Beamten
aufgefordert, mit den Dorfschaften zu verhandeln, was sie denn ihren Lehrern
geben wollen. Der Kirchspielvogt berichtet, daß er nur von einigen Bericht
erlangen könne. Die andern halten das nicht für nötig und erklären mündlich,
der Schulmeister wäre ja immer zufrieden gewesen, da könnte wohl alles bleiben,
wie es ist. Vernehmen wir die Berichte.
1. Fuhlendorf. Außer
den gewöhnlichen Schulgeldern hat der Sch. freie Schul-Stube und Feurung den
Winter durch. 1 Kuh, 2 Schafe, 1 Schwein das ganze Jahr frei auf der
Weide; wenn er aber eine Kuh nicht halten will, soll ihm freistehen, dafür 2
Schafe in die Weide zu jagen. Wenn er anfängt, Schule zu halten, bis er wieder
aufhört, soll er von jedem Bauern, wenn er backet, ein Brot haben.
Wenn es ein lediger Mensch
ist, soll sein Zeug auch frei und umsonst gewaschen werden
gez.
Jochim Schuldt Carsten Reimers
2. Wiemersdorf. »Es
hat der Herr Kirchspiel Vogt zu Bramstedt an Hinrich Lindemann zu Wiemerstorff
eine Ordre ergehen lassen, Von ihrem Schulmeister Nachricht ein zu bringen, ob
er zu klagen hat wegen die einkünfte, so er bey seinen Schuldiensten, Von den
eingesessenen zu fordern hat, also thue ich hiermit Nachricht zu geben, das ich
keine Klagen ein zu bringen habe, sondern wohl mit ihnen zufrieden sey, ein
solches thue ich mit meiner eigen hand und Nahmens unterschrift Bescheinigen.
Anno
1751 den 19.
August.
(gez.) Paul Benck1), Schulmeister
Hinrich
Lindemann.«
3. Borste/. »Wir
wollen den Schulmeister geben Vor den Lesen 1 Schilling alle Woche, Vor den
schreiben 1½ Schilling alle Woche, Vor den Rechen 3 Schilling alle Woche und
den alle Leib Brodt Von Ein jeder wollen wir ihm geben nebst eine freie
Schul-Stube.
Anno
1751, 17.
August.
(gez.) Jasper Delfs.«
4. Hagen. »Und
dennoch Anno 1751 und den also haben sie mir wiederum bedungen daß Kind den
Winter 18 Schilling Zum schulgelld und den auch bey der schullstube so viel
führen (Feurung) dar zu schaffen als den Winter vonnöhten Sein und auch den
sind zum Hagen 14 Kinder. Die summe 25 Mark2)
(gez.) Dierck Kölln
zu Hagen den 15. Augustus Anno 1751.« Schon winkt uns ein freundlicher
Silberstreifen aus dem Osten, nämlich aus
5. Bimöhlen. »Nachdem
mahlen Hans Wittorf die liebe Jugend in Beimühlen zwei Winter hindurch unter
Gottes Gnade und Segen also informiret und unter-
__________
1)
Paul Benck hat wohl kaum geahnt, daß er einmal die Ehre haben sollte, mit
seinem durchaus überzeugenden Schriftstück das liebe Wiemersdorf als erster in
die Literatur einzuführen.
2) Den
Lesern zusätzlich zur Nachricht, daß auf eine Mark 16 Schilling gehen. Rechne,
wer da mag: Ich aber sage mit dem Poeten: Mach End, o Herr, mach Ende!
Der
vielgeprüfte Chronist
342
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richtet, daß die Eltern
derselben, nemlich die Einwohner zu Beimühlen, Voll Kommen mit ihm zufrieden zu
seihn versichern, auch zum Zeugniß dessen von ihm verlanget, die dermahlige
dritte Winter-Schule mit ihren Kindern anzufangen, welches denn auch auf ihr
Begehren bereits geschehen. So ist es nunmehr dahin gediehen, daß auf Künftige
Zeit zwischen den Eingeseßenen oder Einwohnern zu Beimühlen an einem, und Hans
Wittorf als ihrer Jugend bisherigen und Künftighin postulirten Schulmeister am andern
Theil folgender, wohl bedächtlicher und bis auf der Höchst gebietenden Herren
Visitatoren Einwilligung unwiederruflicher Contract geschloßen worden und zwar
folgender Gestalt:
Es versprechen nemlich die
Einwohner zu Boymühlen obgedachtem Hans Wittorf für seinen gebührenden Fleiß in
Unterrichtung ihrer Jugend und der desfals habenden Mühwaltung
a)
Freyhaußung
oder Wohnung nebst nöthigen Hof Raum bei derselben;
b)
die
benöhtigte Feurung frei und ohne seine Kosten zu liefern;
c)
für
Zwey Kühe und Sechs Schafe freye Weyde;
d)
von
jeden Bauern alle Winter Vier Brodt;
e)
für
jedes Kind den Winter über Einen halben Reichsthaler Schul-Geld. Dahingegen
Verspricht Hans Wittorf, nachdem er bisher mit den Einwohnern in Beimühlen in
Betracht seines bisherigen Gehalts bey Unterweisung ihrer lieben Jugend Völlig
zufrieden zu seyn Versichert, Allen möglichen Fleiß wie bisher, also auch ins
Künftig aufzuwenden, die ihm zur Unterweisung anvertrauten Kinder unter Gottes
Gnade in der Zucht und Vermahnung zum Herrn zu erziehen, damit solche nach dem
Exempel Jesu zunehmen wie an Alter, also auch an Weisheit und Gnade bei Gott
und den Menschen.
Damit nun obgesetzter
Vergleich in allen seinen vorstehenden Punkten nachzuleben beide Theile
angehalten werden, so ist dieses von beiden Theilen eigenhändig unterschrieben
worden.
So geschehen Bimöhlen Ao
1751 den 20. Dezember.
Hans
Wittorf, Schulmeister.«
Wir haben ein ungefähres
Bild gewonnen über Lage und Leistungsfähigkeit der ersten fünf Dorfschullehrer
in unserm Kirchspiel, die unter Verhältnissen wirkten, die weiter zu erproben
von allerhöchster Stelle genehmigt worden war. Stellen wir diese zeitlich an
der Spitze stehenden Pädagogen noch einmal vor.
Paul Benck, Wiemersdorf;
Jasper Delfs, Borstel;
Dierck Kölln, Hagen;
Hans Wittorf, Bimöhlen;
Jochim Schuldt,
Fuhlendorf, alle tätig um 1750.
Der letzte hat zwar bei
dem uns bekannten Bericht nicht sich als Schulmeister bezeichnet; ein
gleichzeitiges Verzeichnis der Hufner weist indessen bestimmt nach, daß sein
Mitunterzeichner Carsten Reimers der Hufner ist, Schuldt aber nicht dazu gehört.
343
---------------------------------------------------------------------------------------
Nach weiteren Jahren
verlangt der König Nachricht über die Erfolge im Kirchspiel. Nehmen wir den
Bericht aus Segeberg zur Kenntnis. Wegen des zu verteilenden Roggens waren die
Gegenvorstellungen so, daß sie (die Beamten) es nicht tunlich erachteten,
dieserhalb noch weiter an die Dorfschaften zu dringen; zumal die sämtlichen
Schulmeister sich mit den bisherigen Einkünften zufrieden erklärten. - Wegen
der Schulzeit, so haben wir uns alle ersinnliche Mühe gegeben, daß vermöge
allergnädigster Schulordnung nicht nur die Winter-Schule ein völliges halbes
Jahr dauern, sondern auch den Sommer hindurch wenigstens mit den kleinen
Kindern einiger Unterricht vorgenommen werden möchte. Indessen sind sie nicht
vermögend gewesen, es höher zu treiben, als daß die Dorfschaften sich
anheischig gemacht,
1.
die
kleinen Kinder 14 Tage nach Michaelis,
2.
die
größeren aber in der vollen Woche nach Allerheiligen (1. Nov.) in die Schule zu
senden, wobei
3.
allemal
für eine volle Woche zu bezahlen.
»Hingegen sehen wir kaum
die mindeste Hoffnung, mit den Sommerschulen reussiren (weiterkommen) zu
können. Man schützet eine gäntzliche Unmöglichkeit vor. Was so zu sagen nur
kriechen könne, wird bei der Haushaltung mit angespannt. Und ob schon einige
Eltern ihre 3 und 4 Jährigen Kinder zur Schule schicken wollten (wozu aber doch
die wenigsten, weil sie die Kosten scheuen, sich mögen bereden lassen), so
könne man es auch dem Schulmeister für die wenigen Kinder nicht zumuten. Sein
Einkommen sei so gering, daß er die Zeit dann gebrauchen müsse, um auf andere
Weise etwas zu verdienen. Der König möchte auch davon absehen, daß die
Schulmeister auf dem Lande erst vom Consistorium geprüft werden, wie die
Schulordnung es verlangt. Die Stellen seien so mangelhaft besoldet, daß man
sich gar keine Rechnung machen darf, jemahlen recht qualificirte, bei den
Wissenschaften oder bei dem (höheren) Schulwesen hergekommene Subjekte herein
zu kriegen. Wer also, wie es auch die Schulordnung will, nicht nebenher eine
Profession treiben oder Landarbeit tun kann, könne, zumal mit einer Familie,
nicht bestehen.«
»Weswegen man bishero
zufrieden seyn müssen, abgedankte Soldaten, verarmte Bürger oder auch nur
ordinaire Bauersleute, die sich von andern ihrer Art nur einigermaßen
distinguiren, in die Landschulen zu schicken.«
»Prüfen könne diese Leute
jeder Beamte in weniger als einer Stunde. Darum keine weiten Wege zum
Konsistorium und Einstellung neuer Leute. Deutsch lesen (also nicht
lateinisch), nothdürftig schreiben - denn nach dem Rechnen fragt der Bauer
insgemein so viel als nichts - und endlich ein mittelmäßiges Erkenntniß der
Heilsordnung und des Catechismi nebst einem ehrbaren Wandel, das ist alles,
womit man zufrieden sein muß.«
Segeberg, 25. Jan.
1753.
Unterschrift nicht leserlich.
Der König läßt seine
Beamten nicht lange auf Antwort warten. Er meint:
Eine Änderung und
Einschränkung der Schulordnung sei bedenklich. Wenn sich aber Fälle finden, wo
eine buchstäbliche Vollziehung unmöglich scheint, sollen sie
344
---------------------------------------------------------------------------------------
nachsichtig sein, aber mit
Sorgfalt darauf achten, daß sie so wenig wie möglich verfehlet werde. Von der
Prüfung durch das Consistorium will er nicht absehen. »Wie ihr denn auch, so
viel möglich, dahin zu sehen habet, daß, falls einige Schulmeister etwa von
ihrem geringen Gehalt allein nicht leben können, zu diesen Diensten doch nur
solche Leute genommen werden, die ein Handwerk betreiben, welches in der Stube
verrichtet werden kann und bei dessen Betreibung sie also bey den Kindern
gegenwärtig sein können.«
Christians
VI. Schulordnung aus dem Jahre 1740
Nicht ohne Bedenken soll
diese Urkunde hier zum Abdruck gebracht werden, da sie erheblichen Raum
beansprucht; aber es wurde oft auf sie hingewiesen, und schließlich ist sie das
beste Mittel, um Klarheit zu schaffen. Der Entwurf ist an die Ämter Steinburg,
Rendsburg und Segeberg geschickt worden, auch nach Bramstedt, um Kenntnis zu
nehmen und Bemerkungen hinzuzusetzen, danach mit geringen Änderungen gedruckt
worden.
§
1 Jedes Amt soll aus beständigen Schuldistrikten bestehen.
§
2 Die Distriktschule ist in baulichem Stande und in der
Brandkasse zu halten.
§
3 Besoldung der Distrikts-Schulmeister:
(Das
Singen und Ansammeln der Kinder soll aufhören, ausgenommen das Singen bei
Hochzeiten und Beerdigungen.) Alle Eingesessenen, sie haben Kinder oder nicht,
6 Tonnen jährlich. Auf der Geest 2 Kühe, 6 Schafe mit ihren Lämmern, ein
Schwein mit seinen Ferkeln, 2 Gänse mit ihren Jungen den Sommer über frei und
ohne Hirten Lohn auf der Gemeinen Weide. Für obgenanntes Vieh Winterfütterung.
Feurung, die zur Haus- und Schulhaltung nötig ist. Für jedes Kind, wenn es
lesen lernt, 1 Schilling die Woche, für jedes Kind, wenn es schreiben lernt, 1½
Schilling die Woche, wenn es dabei im rechnen unterrichtet wird, 2 Schilling
die Woche. Jedes Kind, wenn es zum ersten Mal zur Schule kommt, 2 Schilling
Einspringgeld und danach jährl. ebensoviel zum neuen Jahre. Für die Armen
bekommt er die Hälfte des obengenannten Geldes aus der Armenkasse, aber kein
Einspring- und Neujahrsgeld. Umspeisen (Reihentisch) hat gänzlich aufzuhören.
Dann Haus und Hof mit freier Feurung.
§
4 Keine Steuerbelastung des Schulgrundstücks,
Befreiung von allen Personalauflagen und Vormundschaften, keine Einquartierung.
Wo es bereits anders geordnet ist, bleibt es vorläufig dabei. Die Jurisdiktion
wird durch das Schulhaus bestimmt. Privative steht der Schulmeister unter dem
Consistorium.
§
5 Wie die Witwe des Schulmeisters abzufinden ist.
§
6 Die Kirchspiels-Schule ist für die Interessenten
der Neben-Schulen mit bestimmt. Wer sein Kind in die K.-Schule gibt statt
in die Distrikts-Schule, weil er als besser erachtet, besonders in dem
Confirmationsjahr, soll dem K.-
345
---------------------------------------------------------------------------------------
Schullehrer
die fixa entrichten. Auch darf jeder sein Kind in eine lateinische Schule in
Stadt oder Flecken senden oder ihm eigenen Praeceptor halten (der aber keine
anderen mit unterrichten darf).
§
7 Von den Nebe» und Mädgen Schulen in den Städten und
Flechen und Klippschulen auf dem Lande.
Es
sollen in Städten und Flecken den Umständen nach Neben Schulen erlaubt sein.
Diese dürfen von den Knaben bis zum vollendeten 7ten oder 8ten, von den Mädchen
bis zu erwachsenen Jahren besucht werden. Auch besondere Mädgen-Schulen sind zu
gestatten, worin die Kinder weiblichen Geschlechts von christlichen Frauens
Personen im Nähen, Stricken, Knüppeln (Klöppeln) und dabei bis zu einem
gewissen Alter im Lesen und in der Catechismuslehre unterwiesen werden können.
Klipp-Schulen sind auf den Dörfern bei weiten Entfernungen oder schlechten
Wegen erlaubt für zarte Kinder und für die Kleinen beiderlei Geschlechts bis zu
vollendetem 7. oder 8. Jahre.
§
8 Welchergestalt oben determinirte Schul Praestanda zu
entrichten und allenfalls beyzutreiben.
Die
Kirchgeschworenen oder Schul-Juraten oder Schulvorsteher oder Kirchspielvögte
sollen jährlich einmal die Schulgebäude besichtigen und danach sehen, daß der
Schulmeister das ihm Zustehende auch wirklich bekomme. Eventuell soll gepfändet
und auch Strafe bezahlt werden.
§
9 Wie mit den unter fremder Jurisdiktion gesessenen Schuldistrikts-Verwandten
zu verfahren ist.
(Es
handelt sich um Schulen, die von Kindern verschiedener Gerichtsbarkeit -
königlich, adelig, klösterlich - besucht werden. Kann hier übergangen werden).
§
10 Die Schul-Abgiften werden berechnet auf dem Fuße der
Kirchenanlagen.
§
11 Von der Verwaltung
von Schulkapitalien, Verwendung der Kirchen-Einkünfte.
Schulen
können Schenkungen oder Erbschaften annehmen. Überschüsse der Kirchenrechnungen
empfiehlt der König, zu Gunsten der Einwohner für die Schule zu verwenden.
§
12 Die Schulwege sind in gutem Stand zu erhalten wie die
größeren Landwege. Darüber hat der Kirchspielvogt zu wachen und eine Schau zu
veranstalten.
§
13 Diese Anordnung erstreckt sich auch auf die
Schulverfassung der zu den anseitigen Königl. Kirchen gehörigen adeligen Güter.
§
14 Welchergestalt die Schulen mit tüchtigen Subjekten zu
besetzen (Schon oben berührt).
§
15 Vom Rechte der Berufung des Schulmeisters.
Die
Dörfer, die die Schulverbesserung aus eigenen Mitteln gemacht haben, dürfen aus
den examinierten Subjekten wählen. Wo der König hat zugeben müssen, fällt die
freie Wahl aus; doch können Wünsche berücksichtigt werden.
346
---------------------------------------------------------------------------------------
§
16 Pflichten der Schulbedienten.
Urteile
des Pastoren haben sie willig hinzunehmen, ihm nach Möglichkeit bei Besuchung
der Kranken Hilfe zu leisten, der Schenken und Krüge sich gänzlich zu
enthalten; bei Festen sollen sie nüchtern sein und nicht bis auf den letzten
Mann aushalten, überhaupt immer ein gutes Beispiel geben. Sie sollen jeden
Werktag 6 volle Stunden unterrichten und zwar im Sommer von 7-10 und 2-5, im
Winter von 8-11 und 1-4. Am Mittwoch und Sonnabend nur vormittags.
§
17 spricht über Zucht und Strafe.
§
18 Über Beiwohn- und Wiederholung der Predigt und
das Catechismus-Examinum. Mit den Kindern alle Sonn- und Festtage in der
Kirche erscheinen. Dort sie in Ruhe und Ordnung halten. Bei der nächsten
Gelegenheit die angehörte Predigt in Kürze mit ihnen zu wiederholen. Jeden
Mittwoch nachmittags im Pfarrhause erscheinen, um von dem Pfarrer in der
Katechismus-Methode und andern heilsamen Dingen unterrichtet zu werden.
§
19 Nebenbeschäftigung. Nebenhandtierung ist dem
Schulmeister nicht gestattet. Vor allen Dingen aber soll er keine Gastwirtschaft
oder Bier und Brandtwein-Schenke haben. Innerhalb eines halben Jahres sollen
sie sich erklären, ob sie bei ihrer andern Beschäftigung oder bei der
Schulmeisterei bleiben wollen.
§
20 Aussetzung der Schul-Arbeit.
Keinen
Tag darf ausgesetzt werden, ohne es dem Patron anzuzeigen; dauert es länger, so
muß er einen Stellvertreter einsetzen mit Genehmigung des Patrons.
§
21 Von Adjunctis und Substitutis.
Wenn
einer wegen Alters-Schwachheit oder anderer Ursachen halber außerstande ist, zu
unterrichten, so kann er mit Genehmigung einen Substituten nehmen, dem zukommt:
freie Wohnung im Schulhause und das halbe Diensteinkommen.
§
22 Kein Schulmeister kann eigenmächtig von der Gemeinde abgesetzt
oder in seinem Einkommen geschädigt werden.
Klagen
gegen ihn sind bei dem Pastoren anzubringen und, wenn eine Schlichtung nicht
erzielt wird, von diesem weiterzugeben an das Consistorium.
§
23 Welchergestalt und wie lange die Kinder zum Schulbesuch anzuhalten.
Mit Anfang ihres 5. oder 6. Jahres bis zum 9. Jahre im Winter vor- und
nachmittags, im Sommer wenigstens vormittags. Im 10., 11. und 12ten Jahr den
ganzen Winter vor- und nachmittags; im 13ten und etwa folgenden Jahren bis zum
Confirmationsjahr von Martini bis zu einfallender Pflug- oder Fastenzeit, gleichgültig
vor- oder nachmittags. In dem Confirmationsjahre selber aber bis zur
Confirmation; die Kinder, die über 9 Jahre sind, sollen aber am Sonnabend
nachmittag, so die andern frei haben, zur Wiederholung dessen, was sie vorhin
gefasset haben, sich in der Schule einfinden.
347
---------------------------------------------------------------------------------------
§
24 Wie mit den zu Confirmierenden und neulich Confirmierten
Jungen zu verfahren.
Wenn
sie noch nicht den hinlenglichen Grund im Christentum geleget haben (nach
Ansicht des Seelsorgers), sollen sie in die Schule zurückgewiesen werden,
gleich, wie alt sie sind. In dem ersten Jahre nach der Confirmation sollen sie
sich denen Catechismus Examinibus in der Kirche mit darstellen.
§
25 Pflichten der Eltern und Vorgesetzten in Absicht des
Schulwesens.
Sie
sollen die Kinder zur Schule anhalten, gutes Beispiel geben; schicken sie sie
nicht, doch Schulgeld zahlen, ev. Strafgelder, ev. noch strenger durch die
Obrigkeit bestraft werden.
§
26 Pflichten der Gutsherren.
Sie
dürfen die Kinder ihrer Bauern nur außerhalb der Schulstunden zu Diensten
gebrauchen.
§
27 Wie für die Auferziehung der Armen-Kinder zu sorgen.
Schulgeld
und Bücher werden aus der Armen-Kasse bezahlt. Für diesen Zweck wird eine
besondere Klingelbeutel-Sammlung gehalten. »Und sind übrigens die Kinder derer
Armen und Reichen von dem Schulmeister alle überein mit gleichen durchgehenden
Fleiße zu unterrichten und jene so wenig als diese zur Feld Arbeit, häuslichen
Geschäften oder Bothen laufen von ihm zu gebrauchen.«
§
28 Was von den Predigern in Ansehung der Catechisation zu
beachten.
Jeden
Sonntag nach der Predigt werden die Kinder vom Pastor auf den Katechismus
examiniert. Wo zu viele Kinder sind, soll er sie distriktweise im Viertel
vornehmen und jedesmal von der Kanzel verkünden, welche am nächsten Sonntag
dran sind.
§
29 Von der vornehmlich dem Pastor obliegenden besonderen
Schulinspektion in jeder Parochie.
Die
Hauptschule seiner Parochie soll er alle 14 Tage unangemeldet besuchen, die
Nebenschulen, so oft es ihm seine andern Amtsgeschäfte erlauben.
Dreimal
im Jahre, um Advent Zeit, um Fastnachten und um Johannis soll in jeder Schule
Visitation sein, die vorher von der Kanzel verkündet wird und die Gemeine dazu
eingeladen. Er selbst soll dann ein Examen anstellen. Die Fuhre ist von dem
Schul-Distrikt unweigerlich herbeizuschaffen.
§
30 Von der dem General Superintendenten und denen
Spezial-Kirchen-Visitatoren obliegenden allgemeinen Schul-Inspektion. Bei jeder
Kirchen-Visitation sollen sie auch den Schulzustand genau und gründlich
untersuchen, auch mit den Kindern ein Examen anstellen in der Kirche und selbst
die Schulörter besuchen.
(gez.)
Christian VI.
Die Gutachten gehen
durchweg dahin, daß man bittet, wieder die Einführung von Schulen in den
einzelnen Dörfern zu erlauben. Und die Dörfer mögen die
348
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Schulmeister so besolden,
wie sie es können und er damit zufrieden ist. Die Wege seien zu weit und zu
schlecht, besonders im Winter, wo doch die Hauptzahl der Kinder hingehen werde.
Sie leiden Schaden an der Gesundheit; es koste zuviel Fußzeug, und viele Eltern
seien nicht in der Lage, ihnen soviel Brot und Nahrung mitzugeben, daß sie über
Mittag dort bleiben könnten.
Aus der Art der
Begutachtung spürt man heraus, daß sie sich gegen die vom König geplante
Distriktsschule richtet. Das gilt im besonderen von dem Bericht aus Bramstedt,
der vom Pastor Messarosch gegeben wird und uns eine gute Vorstellung davon
gibt, wie es in unserm Kirchspiel stand. Danach waren folgende Distrikte
geplant:
1.
Wiemersdorf
mit Fuhlendorf und Bimöhlen. Die beiden der Baronesse
von Grothen gehörigen Hufen in Wiemersdorf werden von niemand bewohnt, und das
Land sei an Königliche Unthertanen verhäuret; darauf könne man schwer ein
gerechtes Facit machen.
2.
Hagen
mit Föhrden-Barl. In Hagen habe die
Baronesse 2 volle und 2/8 Hufen; weil sie aber bald wüste
liegen, bald bewohnt werden, so können sie den Königlichen wenig oder gar keine
Hilfe bringen. - In Barl befinde sich 1 Vollhufe der Baronesse, die ständig
bewohnt sei und an Bonität andere Hufen weit übertreffe; diese sollte billig
den Königlichen gleich zu dem Unterhalt für den Schulmeister belastet werden.
3.
Hasenkroog
mit Hardebeck, Armstedt und Brookstedt.
In Armstedt seien 10 volle
Hufen des Klosters Itzehoe.
4.
Hitzhusen.
Ist
zum größten Teil der Baronesse von Grothen, mit dem Rest der Gräfin von Castel
gehörig. Es kann zu keinem Distrikt bequem genommen werden, weil es von allen
Dörfern sehr entfernt sei. Und wenn darin eine Schul-Kathe nur halb so groß als
die andern, könnte gebauet werden und der Schul-Meister auch nur die Hälfte von
dem Korn - macht 3 Tonnen - bekommen, so wäre er wohl zufrieden. Weil aber die
Frau Baronesse von Grothen dem jetzigen Schul-Meister nicht einmal das
gewöhnliche Verbittels-Geld schenken will, so sei schwerlich zu hoffen, daß sie
zur Erbauung einer kleinen Kathen-Anstalt sich bereit finden werde. Die
Klipp-Schulen in diesem Kirchspiel würden danach sein in Fuhlendorf, Bimöhlen,
Föhrden-Barl, Armstedt und Broockstedt.
Von den Schulbauten, wie
Christian VI. sie um 1740 geplant und zu schleuniger Herstellung anbefohlen
hatte, ist noch einiges zu sagen, wenig Erfreuliches.
Am 21. April 1740 stellt
er an Geld für Baukosten 2150 Mark und für Holz 1196 Reichstaler in Aussicht.
Davon werden für Wiemersdorf, Hasenkroog und Hagen, die
Hauptschulen, je 125 Reichstaler 16 Schilling bereitgestellt. Aber schon im
nächsten Jahre gibt er den Wünschen der Bauern nach, indem er genehmigt, daß
statt des geplanten aus dem Dach zu führenden Schornsteins ein »geschwiebeter
Camin« verfertigt werde. Damit war der offen an der Diele liegende Schwibbogen,
also das Räucherhaus, gerettet.
1746 gibt Hinrich Rantzau
folgenden Bericht über den Stand der Dinge an Geheimrat Schulin.
349
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»Ew. Exellenz haben
neulich die neu erbauten Schul-Kathen in Augenschein zu nehmen geruht, und
Können also selbst in eigener Persohn bezeugen, daß die hiesigen Schul-Kathen
Bey weitem noch nicht in dem Stande und nach den vorgeschriebenem Plan, wie sie
sein sollten, sich befinden, indem der Boden nicht mit Bretter, sondern mit
elenden Staaken und Leim (Knüppel, mit Stroh umwickelt und danach mit Lehm
umkleidet) gemacht, und der Leim schon längst abgefallen, daß es durch
löchericht ist, daß man kaum herauf gehen Kan. Der Zaun um den Kohlhof ist
ebenfalls noch nicht gemacht. Mit dem Schulgehen siehet es leider auch noch
schlecht aus, denn nach der allergnädigsten Königl. Verfügung, die Dorfschaften
Brookstedt, Armstedt und Hardebeck ihre Confirmandes anhero nach
Hasenkrog in die Haupt-Schule schicken sollten, so ist Solches Bis dahero noch
gar nicht geschehen, und von ihnen Keine Feurung geliefert worden aus den
Gemeinen Hasenkrog und Harbeck. Ich hege also die unterthänige Zuversicht, daß
Ew. Exellenz die gnade haben und diesem Übel wie hier, also auch in Wiemersdorf
und Hagen abzuhelfen geruhen werden; der ich in aller Ehrerbietung
verharre
Ew.
Exellenz meines gnädigen Herrn gantz gedemühtiger Diener
Hinrich
Rantzau
Hasenkrog, den 24. Juni
1746«.
Langsam geht es weiter. 1753
richten die Bimöhler an den König die Bitte, er möge etwas zugeben zum
Bau einer neuen Schulkathe; denn die sei so sehr nötig. Sechs Bauern geben dazu
ihre Unterschrift: Claus Runge, Hinrich Kröger, Hans Schümann, Jürgen Schröder
und Jasper Schümann. - Sie erhalten 100 Taler.
Betrübliche Nachricht
kommt aus Armstedt, dem Dorfe der Klosterbauern. Übereilung hat man auch dort
sorglich vermieden. Erst 1756 bringt man sich in Erinnerung.
Dem vorliegenden, an den
Herrn Verbitter (Rechtswalter-Syndikus) von Ahlefeld zu Itzehoe gerichteten
Schreiben fehlt die Unterschrift. Es mag vom Bauernvogt oder vom Schulmeister
herrühren und nur Abschrift sein. Hier ist sein Text:
»Die Eingesessenen zu
Armstedt haben bei der letzten Kirchenvisitation zu Bramstedt versprochen, in
ihrem Dorfe ein Schulhaus zu bauen, weil die Schule bisher daselbst nur in
eines Hufners Hause gehalten wird. Die Leute sind mit ihrem Gesinde in
derselben Stube. Nun möchte man, daß die Schule in die Abschiedskate verlegt
werde, wo die >Pastorische< Witwe ausgezogen ist. Die liege aber so im
Morast, daß die Kinder nicht einmal trockenen Fußes hineinkommen können; zudem
sie sehr klein: 40 und mehr Kinder könnten dort nicht Platz haben. So möge der
Verbitter dafür sorgen, daß der Schulbau nicht hintertrieben werde.
Den 5ten Marty (März)
1756.«
Es handelt sich
offensichtlich um die klösterlichen Bauern, die dem Kloster zu Itzehoe
unterstellt waren.
So offenbart sich in den
Dörfern ein Bild der Mühseligkeit und des Widerstrebens. Aber auch im
Flecken fehlte es nicht an Schwierigkeiten.
350
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1744 richtet Wilhelm
Struve, Organist und Küster zu Bramstedt, ein Gesuch an den Amtmann von
Rantzau, er möge die Vergrößerung der Schulstube genehmigen. Die Stube sei,
besonders im Winter, gar zu enge; bestehe jetzt aus 2 Fach (nach Bauart des
Bauernhauses), es müsse noch 1 Fach dazu kommen. - Ein Kostenanschlag ist
beigefügt.
Zwei Jahre schon ist der
Bau hingezögert worden, weil »sie sich nicht einig werden können, ob nur der
Flecken oder das ganze Kirchspiel die Kosten tragen soll«. -
In ähnlichem Anlaß ist
schon zehn Jahre früher ein Gesuch gerichtet worden an die weltliche und die
geistliche Obrigkeit (Amtmann Hanneken und Propst Ottens).
Nunmehr entscheidet der
König, sie sollen sofort bauen, und zu den Kosten habe, wie bisher, das ganze
Kirchspiel beizutragen. Dies sei eine Kirchspielsschule, und dahinein könne
jeder aus dem Kirchspiel seine Kinder schicken.
II.
Unter der Schulordnung von 1814
Die umfassende Neuordnung
ist von großer Bedeutung geworden für Holstein, und ihre Auswirkung ist bis in
unsere Tage spürbar geblieben. Man muß den Urhebern nachrühmen, daß sie mit
Umsicht und Sorgfalt das Werk zuwege gebracht haben. Der geistlichen und der
weltlichen Obrigkeit, aber auch den Ortsvertretungen ist die Gelegenheit
geboten worden, Stellung zu nehmen zu dem Entwurf, bevor das neue Regulativ mit
dem 1. Januar 1814 in Kraft getreten ist. Generalsuperintendent Adler scheint
eine der treibenden Kräfte gewesen zu sein. Die Kritik beschäftigte sich
namentlich mit folgenden Punkten des Entwurfs:
1.
Als
Distriktsschulen sind solche anzusehen, denen ein bestimmter Distrikt zugewiesen
ist und mit denen ein bestimmtes Gehalt verbunden ist.
2.
Wegfall
des Schul-Schillings und der damit verbundenen Sammelei.
3.
Verpflichtung
des Lehrers, durchs ganze Jahr Schule zu halten.
4.
Dem
Lehrer ist eine förmliche Bestallung zu erteilen.
5.
Die
Fußböden von Schulstube und in Zimmern sollen von Brettern sein.
6.
Das
Küster- und Organistenhaus wird nicht aus den Kirchenmitteln, sondern mit 2/3
der Kosten von den Schulinteressenten und mit 1/3 von den übrigen
Kirchspielseingesessenen unterhalten.
7.
Schulbücher
für die Armen sind nicht aus dem Armenblock zu beschaffen.
8.
Unterlehrer
und Gehülfen dürfen nicht ohne Genehmigung des beikommenden Pastors angenommen
werden.
9.
In
jeder Gemeinde soll eine Schulbibliothek eingerichtet werden aus Kirchenmitteln.
Das waren die Dinge, die
von etlichen Seiten unterschiedlich beurteilt worden sind.
351
---------------------------------------------------------------------------------------
Gönnen wir auch noch ein
paar Einzelbemerkungen Raum:
Borstel schlägt
vor, für die kleinen Kinder einen Schullehrer im Dorfe zu genehmigen, so daß
nur die größeren den schlechten Weg nach Hagen gehen müssen (14. 12. 1812).
Das Kirchenvisitatorium meint,
daß die Handdienste den Kätnern und Insten aufzuerlegen sind, weil die durch
Abschaffung des Schulgeldes am meisten gewinnen. - Ferner: Aus dem Armenblock
könne man keine Schulbücher kaufen; denn das Armengeld reiche ohnehin nicht
aus. - Noch: Die Sommerschule für die Kleinen sei besonders zu begrüßen, da sie
dann für sich allein vorgenommen werden können.
Der Herr Propst bezweifelt,
ob sich die Lehrer nach dieser Ordnung wirklich besser stehen werden.
Freiherr von
Brockdorf findet es zu früh, die
Schulpflicht mit Beginn des 6. Lebensjahres einsetzen zu lassen, wünscht ein
Jahr Aufschub.
Votum des
General-Superintendenten: Kätner und Insten sollen
die Handdienste leisten; das Schulland soll von jeglicher Last frei sein.
Und nun das Regulativ
in seiner Wesenheit.
§§
1 und 2 Die Distriktsschule, eine Kombination kleinerer
Dörfer, ist weiterhin
zu
erhalten.
§
3 Das Schulhaus ist für den Lehrer lastenfrei und mit
allem Nötigen zu versehen; die Schulstube soll hell und geräumig sein, der
Fußboden von Brettern. Dienstland ist beizugeben, ausreichend für 2 Kühe;
ferner 3-6 Tonnen Roggen, frei Feurung, ein festes, nach den Verhältnissen
geregeltes Gehalt.
§
4 Alle vorhandenen Schulhäuser sind danach einzurichten
oder neu zu bauen.
§
5 Das Dienstland ist sobald wie möglich auszulegen; nach
Sachlage ist dafür
vorläufig
Ersatz zu leisten.
§
6 Das Dienstland wird von den Schulinteressenten frei
bearbeitet.
§
7 Schulland ist frei von allen Abgaben.
§
8 Die entstehenden Kosten sollen nach Tonnenzahl auf
die Landbesitzer, Erbpächter und Parzellisten verteilt werden. Das Schulgehalt
soll über Schulinteressenten gleich, ob sie Kinder haben oder nicht, repartiert
werden; doch nehmen Heuerlinge und Abnahmeleute nur dann daran teil, wenn sie
schulpflichtige Kinder haben.
§
9 In großen Schuldistrikten soll, wenn es nötig ist, eine
zweite Schulstube
eingerichtet
und ein zweiter Lehrer angestellt werden.
§
10 Bau und Unterhaltung der Küster- und Organistenhäuser erfolgt
auf Kosten der Kirche; wo deren Mittel nicht ausreichen, mit 2/3 zu Lasten der
Schulinteressenten und mit 1/3 auf Rechnung der Eingesessenen des
Kirchspiels.
§
11 Bei den adeligen Schulen soll es gehalten werden wie bisher.
§
12 Schulgeld für Arme wird nicht mehr aus der Armenkasse
bezahlt; nötige Ausgaben für diese werden auf die übrigen Schulinteressenten
mit verteilt.
352
---------------------------------------------------------------------------------------
§
13 Jede Gemeinde wählt 2 oder 3 Schulvorsteher auf je 3 Jahre. Sie
haben mit dem Prediger zusammen die Kosten gerecht zu verteilen und ein
Rechnungsbuch für jede Schule zu fuhren und das Gehalt an jeden Lehrer in
vierteljährlichen Terminen pünktlich abzuliefern, ebenso dafür zu sorgen, daß
er das ihm sonst noch Zustehende pünktlich bekommt.
§
14 Die Schulpflicht beginnt mit dem 6. Lebensjahre. Größere
Kinder, die schon ihr Brot verdienen oder den Eltern helfen müssen, können für
Monate oder im Sommer bestimmte Tage befreit werden. Die kleinen Kinder sollen
Sommers und Winters regelmäßig kommen; die großen müssen aber, wenn sie
dispensiert sind, wöchentlich einen vollen oder zwei halbe Tage kommen zur
Wiederholung.
§
15 handelt von solchen Kindern, die in größerer Entfernung vom
Dorfe sind.
§
16 Schulferien sind vorgesehen: 8 Tage um Ostern, desgl.
Pfingsten, 4 Wochen in der Erntezeit, 1 Tag vor und nach Weihnacht,
Fastnachtmontag, Johannis- und Michaelistag, erster Tag der Jahrmärkte.
§
17 (Das Schulehalten nähert sich stark einer wirklichen
Berufstätigkeit). Im Sommer und im Winter muß unterrichtet werden. Die Zahl der
Fächer und die Gründlichkeit des Unterrichtes soll zunehmen. Die Schultabelle
soll befolgt werden. Dem Prediger ist jährlich eine schriftliche Katechisation
einzuliefern. Der tägliche Unterricht hat mit Gebet und Gesang zu beginnen und
zu schließen.
§
18 Wer sich des nicht getraut, kann zu seinem Handwerk
zurückkehren und erhält eine kleine Pension, falls er deren bedürftig ist, aus
dem königl. Schulfonds.
§
19 Ist ein Schullehrer durch Alter und Schwachheit behindert, so
soll er einen Gehilfen bekommen, und es wird ihm zu dessen Unterhalt eine
kleine Beihilfe gewährt.
§
20 Die Anstellung eines Lehrers ist in jedem Falle erst
möglich, nachdem er zuvor vom Propsten geprüft worden ist.
§
21 Der neu eintretende Lehrer hat sich nach bestimmten Regeln mit
seinem Vorweser oder dessen Erben auseinanderzusetzen.
§
22 Eine Schullehrer-Witwenkasse soll geschaffen werden,
neue Lehrer müssen, die alten können eintreten.
§
23 Die Ortsprediger führen die Aufsicht über die Schulen.
§
24 Am ersten Sonntag jeden Monats nach der Predigt haben sich die
Schullehrer bei ihrem Prediger zu versammeln.
§
25 Jährlich einmal ist in Gegenwart und unter Anleitung des
Predigers eine öffentliche Schulprüfung abzuhalten. Darüber führt der Prediger
ein Protokoll, das er bei der Kirchenvisitation vorlegt.
353
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§
26 Die Gründung einer Schulbibliothek wird in Aussicht
genommen, und am 1. Jan. 1814 soll das Regulativ in Kraft treten.
Womit geschlossen1).
Erfreulich ist, daß die
Kieler Akten noch eine Darstellung bringen über die Beschaffenheit der Schulen
unseres Bezirks in dem Zeitpunkt, wo das verzeichnete Regulativ hier maßgebend
wurde. Wir lesen in verkürzter Fassung: Bramstedt: Haus und Wohnung
vorhanden, die Schulstube für die kleineren Kinder ganz unzureichend; außer
Land Futter für die zweite Kuh; 5 Tonnen Roggen, 3 Tonnen Buchweizen; freie
Feurung und 150 Reichstaler, wofür der Organist den zweiten Lehrer selbst zu
halten hat.
Armstedt: Schulhaus
muß sehr verbessert, die Wohnstube angebaut werden. Freie Weide für 2 Kühe, 4
Schafe und einige Gänse, dazu Futter für 2 Kühe. 3 Tonnen Roggen, 2 Tonnen
Buchweizen. 14 Fuder Torf. 30 Reichstaler bar. Bimöhlen mit Weide:
Wohnung vorhanden. Schulland und freie Gräsung für
1 Kuh. - Drei
Tonnen Roggen, sieben Tonnen Buchweizen. Feurung frei. 30 Reichstaler bar.
Föhrden: Wohnung
und Dienstland vorhanden. 3 Tonnen Roggen, 2 Tonnen Buchweizen. 9 Fuhren Torf
und 6 Fuhren Flaggen (Plaggen). Fuhlendorf: Wohnung in Stand, Schulstube
muß verbessert werden, außer Schulland freie Gräsung und Futter für 1 Kuh; 3
Tonnen Roggen, 2 Tonnen Buchweizen. - 10 Fuder Torf. Bar 10 Reichstaler aus dem
königl. Schulfonds und 20 aus dem Schuldistrikt. Hagen mit Borste/: Wohnung
vorhanden, Dienstland desgleichen; Futter für
2 Kühe. 3 Tonnen Roggen, 2
Tonnen Buchweizen: - 14 Fuder Torf. 30 Reichstaler bar.
Hardebeck und Hasenkrog: statt
der beiden schlechten Schulhäuser ist hier an einem bequemen Ort ein gutes neu
zu erbauen; außer dem ausgelegten Heideland noch freie Gräsung und Futter für 2
Kühe; 3 Tonnen Roggen, 2 Tonnen Buchweizen. -20 Fuder Plaggentorf. - 35
Reichstaler bar. Hitzhusen: Wohnung vorhanden, auch Schulland; dazu
Futter für 1 Kuh;
3 Tonnen Roggen, 2 Tonnen
Buchweizen. - 12 Fuder Torf. 30 Reichstaler bar.
Wiemersdorf: Wohnung
vorhanden; außer dem Heideland freie Gräsung und Winterfütterung für 2 Kühe. 4
Tonnen Roggen, 2 Tonnen Buchweizen. - 22 Fuder Plaggen; 45 Reichstaler bar.
Hasenmoor: Haus
in Ordnung; freie Gräsung und Futter für 1 Kuh. 3 Tonnen
__________
1)
Wider Erwarten wird in dem Regulativ nicht die Dauer der Schulpflicht erwähnt.
Tatsächlich bestand sie für Mädchen acht, für Knaben dagegen neun Jahre
hindurch, im Gegensatz zu den südelbischen Staaten samt Hamburg. Man fragt
sich, aus welchem Grunde diese Unterschiedlichkeit zwischen männlichen und
weiblichen Kindern hergeleitet worden sei. Sollte damit eine ungleiche
Befähigung der Geschlechter angedeutet werden? Glaubte man, das Mädchen
bedürfte weniger der Schulkenntnisse? Stellte man in Rechnung, daß der Knabe
vermutlich stärker die Möglichkeit der Dispensation in Anspruch nehmen werde?
Man braucht ja so manchen Hirtenknaben und Beifahrer und Pflugreiter und
Garbenbringer! - Wie dem auch sei: in der einklassigen Schule hat der Schüler
des neunten Jahres kaum mehr lernen können als das Mädchen im achten Jahre.
354
---------------------------------------------------------------------------------------
Roggen; 10 Fuder Torf. Bar
4 Reichstaler Legatengeld, 15 Reichstaler aus dem königl. Schulfonds, 11
Reichstaler vom Schuldistrikt.
Weddelbrook mit Mönkloh
und Hasselbrook: Haus vorhanden; Land und
Futter für 1 Kuh. - 4 Tonnen Roggen, 2 Tonnen Buchweizen. - 20 Fuder Torf. Bar
35 Reichstaler.
1829. Organist
Prüssing, bisher in Segeberg, wird durch Propst Nissen angemeldet für
Bramstedt. Pastor Kall möge seine Einführung in das Amt stellvertretend
vollziehen; ihm wird gleichzeitig August Gartmann empfohlen als der von Pr.
angenommene und vom Propsten bereits geprüfte 2. Lehrer. - Die Überführung nach
hier, Mann und Weib und Kind und Kegel umfassend, geht zu Lasten der Kirche.
Vom
Schulgeld
1830. Der
Schulvorsteher Jasper Schmidt hat dem Visitatorium berichtet, wie es in
Bramstedt mit dem Schulgehalt gehalten wird. Jeder "Eingesessene zahle
jährlich zwei Reichsbanktaler. Dem Schullehrer wird vierteljährlich sein Anteil
ausgekehrt. Verbleibende Überschüsse werden aufgespart, bis daraus eine
Quartalszahlung gedeckt werden kann. So ergebe sich hin und wieder eine
Verschonung der Pflichtigen für ein Vierteljahr.
Dies Verfahren wird vom
Amtmann und Propst nicht anerkannt, da es mit dem Regulativ nicht stimme.
Pastor Kall soll untersuchen, welche Beweggründe zu dieser Abweichung verleitet
haben. Wenn dazu allein die Schwierigkeit, welche das Ab- und Zuwandern der
Häuersleute macht, der Anstoß sein sollte, so ist den Schulvorstehern kenntlich
zu machen, daß eben dieses Umstands wegen der Überschuß der Kasse leicht denen
zugute kommt, die dazu nicht beigetragen haben. Letzten Beschluß behält sich
das Visitatorium vor.
Dieser endgültige
Entscheid folgt bald:
Nach bestehender
Vorschrift haben die Schulvorsteher, sobald der jetzt vorhandene Überschuß
verbraucht ist, bei jedem Termin, was die Eingesessenen betrifft, sie
mögen Kinder haben oder nicht, von Häuerlingen und Altenteilen aber nur,
wenn sie schulpflichtige Kinder haben, einen gleichen Beitrag einzufordern.
Nur notorisch Arme, die ihre Wohnung nicht selbst bezahlen können, sind nach
Befinden ganz oder teilweise zu übergehen. Eingesessene, die mehr als eine
Stelle besitzen, zahlen einfachen Beitrag. Angenommene oder dienende
fremde Kinder werden zur »Familie« gerechnet, fallen also nur ins Gewicht, wenn
sie bei Häuerlingen oder Altenteilern untergebracht sind, die keine
schulpflichtigen Kinder haben. –
Wonach die Prediger sich
ihre Listen einzurichten und einzureichen haben.
(gez.)
von Rosen Nissen.
355
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Schulvorsteher
Das Kirchenvisitatorium an
Pastor Kall.
Der Schulvorsteher Johann
Anton Schmidt ist am 26. Julius 1830 zum Sch.-Vorst. ernannt worden. Er hätte
1833 abtreten sollen. Hier ist bekannt geworden, daß er inzwischen seine
Drittelhufe verkauft hat und zur Miete wohnt. Häuerlinge aber sollen mit
solchem »Amt auf bestimmte Jahre« nicht beschwert werden. Das Visitatorium
ersucht um baldigen Vorschlag einer geeigneten Person.
1834
(gez.) Nissen.
Die
Bürger klagen an
4. Jan. 1838. Propst
Nissen teilt dem Pastor Gerber mit, daß auf Anregen der Kgl. Regierung ihm
aufgetragen worden sei, den Zustand des Bramstedter Schulwesens an Ort und
Stelle zu untersuchen. Die dortige Schulkommüne habe bei der Regierung
Vorstellungen wegen Mängel derselben gemacht. Er werde am 9. Januar im Flecken
eintreffen, um in den folgenden Tagen die Untersuchung vorzunehmen;
Bald landet beim Pastor
ein Schreiben des Superintendenten Herzbruch.
Dieser hat am 10. Januar
eine Reihe von Schulinteressenten vernommen. Einhellig klagen sie, daß die
Schüler und Schülerinnen der Oberklasse, wo der Organist Prüssing allein
unterrichtet, wenig lernen, und selbst diejenigen, welche die Schule den Winter
über und teilweise auch den Sommer über besuchen, sehr geringe Fortschritte
machen, ja sogar mancherlei froher Erlerntes vergessen.
Wegen der Ursache berufen
sie sich auf Aussagen der Schüler und auf Mutmaßungen.
Hochehrwürden kenne den
Organisten nach seinen Fähigkeiten und seinem Charakter, kenne auch die äußeren
Schwierigkeiten, die in den Verhältnissen der Schule ihren Grund haben mögen.
So bittet der General-Superintendent ihn um eingehenden schriftlichen Bericht.
Pastor
Gerber als Richter
Schon am nächsten Tage
entledigt sich unser Pastor seines Auftrages. Unter Fortlassen der Einleitung
geben wir seinen Bericht wieder. Daß die Schüler der hiesigen Oberklasse im
Verhältnis zu ihrem Alter im allgemeinen nicht befriedigende Fortschritte
machen, habe ich allerdings auch schon in der kurzen Zeit meiner hiesigen
Amtsführung (seit Ostern 1836) wahrnehmen müssen. Was die Ursache dieses
niedrigen Standes betrifft, so möchte ich freilich nicht ganz in Abrede
stellen, daß sie, einem gewissen Teile nach, auch an dem Lehrer liege.
Wenngleich ihm einerseits ein gutes natürliches Talent und, wenigstens zum
Teil, gute Kenntnisse nicht abgehn mögen, welches beides ich in- und
356
---------------------------------------------------------------------------------------
außerhalb der Schule,
namentlich auch aus der von ihm zur weiteren Beförderung an den Kirchenpropsten
bei mir eingereichten Beantwortung der im Jahre 1857 aufgegebenen drei
schriftlichen Fragen zu ersehen Gelegenheit gehabt habe, so mag es andernteils
doch auch wohl sein, daß eine gewisse innere Zerworfenheit und Unzufriedenheit
mit diesem und jenem Verhältnis, und eine gewisse, Zeit und Kraft
zersplitternde Vielgeschäftigkeit ihm beiwohnt. Auch daß er, wie ich aus
gelegentlichen Äußerungen schließen möchte, von Anfang an keine entschiedene
Vorliebe und Begeisterung für das Schulfach gehabt hat, welches alles denn
nachteiligen Einfluß auf seine Amtsverwaltung gehabt haben mag, namentlich in
den Zeiten, wo er nicht beobachtet ward und keine besonderen Impulse von außen
her hatte. Wenn er nun von demjenigen Geist des Lehrers, der zu einer
gesegneten und erfolgreichen Amtsführung erforderlich ist, nicht ganz erfüllt
sein mag, so habe ich doch nicht bemerken können, daß er sich in die Augen
fallende Vernachlässigungen seiner Pflicht, z. B. Aussetzung von
Unterrichtsstunden, Beschäftigung mit Allotriis, Abweichen von der
Stundentabelle u. dergl. habe zu Schulden kommen lassen. Wenigstens habe ich
ihn bei meinen unangemeldeten Schulbesuchen in gehöriger Tätigkeit gefunden.
Wäre in meiner Abwesenheit Ungehöriges vorgefallen, wie mehrere
Schulinteressenten behaupten sollen, und zwar nach Angabe der Kinder, so
konnten solche Äußerungen, der Natur der Sache nach, mir nicht wohl zu
Ohren kommen. Kein Schulinteressent hat bei mir gegen den Lehrer Prüssing
Beschwerde geführt. Auf einzelne gelegentliche, durch keine erweisliche
Tatsache gestützte Äußerungen glaubte ich kein Gewicht legen zu dürfen. Jedoch
habe ich die Schulvorsteher, als offizielle Personen, mehrmals über die Gründe
solcher Unzufriedenheit befragt, aber von ihnen nur die Antwort erhalten, daß
sie nichts darüber sagen könnten. Hätte ein Schulinteressent bei mir eine, wenn
auch allgemeine Beschwerde angebracht, so hätte ich der Sache größere
Aufmerksamkeit gewidmet und sie auch zu höherer Untersuchung empfohlen.
Das Fortschreiten der
Schüler wird bestimmt auch gehemmt durch äußere Umstände, durch den
mangelhaften Organismus der hiesigen Fleckensschule. Dahin rechnet:
1.
Die
für Lehrer und Klassen unverhältnismäßig große Zahl von Schülern: die
Oberklasse hält 130-137.
2.
Die
Schwäche des für das Schulfach gar nicht gebildeten Lehrers der
Elementarklasse, welcher ein von Pr. angenommener Gehilfe desselben ist.
3.
Daß
die Kinder wegen der Überfüllung und der Schwäche des Lehrers der
Elementarklasse sehr unreif in die auch überfüllte Oberklasse eintreten,
in welche sie meistens ohne allen Anfang der Geistesentwicklung einrücken.
4.
Das
gänzliche Aufhören des Schulunterrichts von Ostern jedes Jahres bis zum 12.
Oktober (Jahrmarkt), oder wohl gar bis Martini. Den traurigen Folgen in
Gewißheit der allgemeinen Schulordnung zu begegnen, bemühte ich mich, die
Schüler im Sommer zweimal wöchentlich zur Schule zu bringen, was mir 1836
einigermaßen, 1837 so gut wie überhaupt nicht gelungen ist.
357
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Gerber schließt mit dem
Bedauern, daß die Tatsache des unbefriedigenden Zustandes der Schule nicht zu
leugnen sei, daß er aber nicht wage zu entscheiden, ob die Ursache dafür
angesichts der gekennzeichneten äußeren Hemmnisse in der Amtsverwaltung des
Lehrers zu suchen sei.
Die Angelegenheit Ihrer
Magnificenz dem Herrn General-Superintendenten zu geneigter Fürsorge
empfehlend, verabschiedet sich gehorsamst unser Prediger und Schulinspektor.
Von
der wechselseitigen Schuleinrichtung
Hiermit wird eine
Einrichtung bezeichnet, deren Wesenheit keineswegs mit ihrem Namen schon
sinnfällig wird. Es ist aber eine Sache, die durch Jahrzehnte auch für die
Schulen unseres Kirchspiels eine sehr erhebliche Rolle gespielt hat, die
demnach auch an dieser Stelle zu beleuchten ist.
1839 verkündet die
Königliche Schleswig-Holsteinische Regierung auf Gottorf allen Schulbehörden
und Lehrern, was folgt:
»Die wechselseitige
Schuleinrichtung ist alsdann für vollständig eingeführt zu erachten, wenn in
der Schule außer der allgemeinen Einteilung aller Schüler in zwei oder drei
Hauptklassen, welche abwechselnd unmittelbar (vom Lehrer) unterrichtet werden:
1. sämtliche
Elementarschüler im Lesen, Rechnen und Schreiben nach ihren Kenntnissen und
Fertigkeiten in Stufen oder Lektionsklassen abgeteilt sind, welche während des
unmittelbaren Unterrichts der Hauptklasse vermittelst angestellter Gehilfen
sich selbst beschäftigen und das bereits Erlernte üben und befestigen;
2. die zu diesem Zwecke
erforderlichen äußeren Hilfsmittel, Utensilien und Einrichtungen vorhanden sind
- Tabellen oder andere Lehrbücher und die zu dem Gebrauche der Tabellen
erforderlichen Einrichtungen in der Schulstube und an den Schultischen; und
3. zur Erhaltung guter
Ordnung über die Anstellung und den Wechsel der Gehülfen Protokoll geführt
wird, und eine zweckmäßige Zensur der Schüler stattfindet.
Wo in den Schulen eins
dieser Stücke mangelt, das eine oder andere aber sich findet, da ist nur eine
teilweise Anwendung der wechselseitigen Schuleinrichtung vorhanden.«
Eine Königliche Kommission
hatte für die Verbreitung dieser Methode sich einzusetzen. Die Schulen hatten
durch tabellarische Jahresberichte nachzuweisen, wie weit sie in dieser Sache
sich betätigt hatten.
Dem Laien diene noch die
Bemerkung zum Verständnis, daß man auf diesem Wege besonders den meist
einklassigen Dorfschulen und überhaupt wenig gegliederten Schulen dienen
wollte. Während der Lehrer eine Gruppe unterrichtete, sollten von ihm
ausgewählte tüchtige Schüler etwa an einer oder mehr
358
---------------------------------------------------------------------------------------
Gruppen ihre pädagogischen
Helferdienste leisten. Eine Sache, die unter tüchtiger Leitung wohl förderlich
sein, aber, wo diese fehlt, auch zum Schrecken werden kann. Man denke sich eine
Unterrichtsstunde, wo, während der Lehrer seiner »Hauptgruppe« die Geschichte
vom reichen Mann und armen Lazarus fruchtbar macht, gleichzeitig einer seiner
Gehilfen eine zweite Gruppe mit dem Einmaleins vertraut zu machen sucht und ein
paar andere mit dem Zeigestock, die an der Wand hängenden Lesetabellen
durchwandernd, ihre Schützlinge laut und unermüdlich buchstabieren lassen. Ja,
so etwas hat es einmal gegeben, auch in Bramstedt.
Von
Schulvorstehern
1839. Schriftsätze des
Kirchenvisitatoriums belehren uns, daß die Schulvorsteher dreijährige Amtszeit
haben. Im Flecken präsentieren der Kirchspielvogt und der Pastor zu gegebener
Zeit drei Kandidaten, von denen dann das Visitatorium (Amtmann und Propst)
einen ernennt und mit Bestallung versieht. Bramstedt hat zwei Männer dieses
Amtes. Deren wiederkehrende gleichzeitige Wahl erweist sich als unpraktisch, da
zeitweilig die Geschäftserfahrung fehlt. So bleibt ein Schulvorsteher ein Jahr
länger im Dienst, bis dann der 1/3 Hufner und Gastwirt Hinrich Harbeck
an seine Stelle tritt.
Von den Dörfern wird
gemeldet, daß dort die Eingesessenen nach der Reihenfolge ihrer Wohnungen den
Schulvorsteher präsentieren, welchem Beispiel Bramstedt nicht zu folgen vermöge.
Versorgung
der Schullehrer-Witwen
1839. Die Regierung plant
eine Versorgung dieser Witwen und meint, dabei müsse die »beikommende« Kommüne
mit herangezogen werden, die etwa freie Wohnung mit Garten, Feurung, geringe
Naturallieferung, nach Umständen Weide und Futter für eine Kuh hergeben könne.
Von der durchweg geringen Dotierung der Schullehrer können nicht die
erforderlichen Mittel genommen werden. Der Prediger soll die Sache in den
Gemeinden zur Sprache bringen. Pastor Gerber wendet sich durch die
Schulvorsteher der Dörfer - nicht des Fleckens - an die Gemeinden, um die
Einstellung zu obigem Plan zu ermitteln. Gesprächsweise vernimmt er, auf
vorgeschlagenem Wege könnte eine Kommüne ja in die Lage kommen, mehrere Witwen
zugleich unterhalten zu müssen; auch wird die Haltung der Kuh, die leicht eine
Last für eine alte Frau werden könne, für unpraktisch erachtet. Nun die
offiziellen Bescheide:
1.
Hagen,
Bauernvogt Claus Möller: die dortige Kommüne habe sich zur Leistung eines
freiwilligen Beitrags nicht entschließen können.
2.
Fuhlendorf,
Schulvorsteher Hartwig Runge: desgleichen.
359
---------------------------------------------------------------------------------------
3.
Hasenkrug,
Schulvorsteher und Bauernvogt Jürgen Fehrs: desgleichen, um so weniger, als
große Ausgaben für Schulhaus-Neubau bevorstehen.
4.
Föhrden
und Barlt, Schulvorsteher Soth und Böge: wie Hagen.
5.-10. Hardebeck,
Armstedt, Bimöhlen Brockstedt, Hitzhusen, Wiemersdorf übereinstimmend:
wie Hagen.
Beachtlich mag sein, daß
diese Antworten bis zu drei Monaten verzögert worden sind. Verzögerung blieb
auch fernerhin das wesentliche Merkmal dieser unbequemen Angelegenheit.
Schullehrer-Verein
Kirchspiel Bramstedt
Seine Gründung ist im
Jahre 1840 unter lebhafter Mitwirkung von Pastor Gerber erfolgt. Die Satzung,
in gedrängter Form hier veröffentlicht, möge für ihn sprechen.
§
1 Zweck angenehme, erheiternde Unterhaltung und
Fortbildung im Beruf durch regelmäßige Zusammenkünfte, wo schriftliche
Arbeiten, die die Mitglieder in bestimmter Reihenfolge zu liefern haben,
vorgetragen und danach besprochen werden. Gegenstand dieser Aufsätze können
sämtliche Fächer sein, wobei jedoch die praktische, auf Erreichung von
Schulzwecken abzielende Richtung nicht aus dem Auge gelassen werden soll.
§
2 Sitzung in der Regel an jedem 6ten Donnerstag, im Winter
von nachmittags 1 Uhr, im Sommer von 2 Uhr an, etwa 3 Stunden lang. Liegt
Behinderung durch Feier- oder Ferientage oder aus anderen Gründen vor, so wird
rechtzeitig ein anderer Tag bestimmt.
§
3 Ort der Versammlung soll regelmäßig das Pastorat oder
ein Klassenzimmer im Flecken sein. Aus praktischen Gründen kann auch einmal ein
anderes Schulzimmer im Kirchspiel dafür vereinbart werden.
§
4 Mitglieder sind zunächst die 10 Schullehrer, von
welchen 8 ordentliche Mitglieder sind und die schriftlichen Arbeiten liefern.
Schullehrer aus hiesiger Gegend können ohne Abstimmung als ordentliche
Mitglieder aufgenommen werden, aus anderen Gemeinen mit Zustimmung von
mindestens 2/3 der ord. Mitglieder.
§
5 Für die Aufsätze wird eine möglichst reichhaltige
Auswahl von Themen in Umlauf gesetzt. Aus dem vom jeweils Pflichtigen selbst
gewählten Fach wird ihm der Gegenstand durchs Loos zugeteilt. Die Form steht
dem Verfasser frei; auch bei religiös-moralischen Arbeiten ist die
katechetische Form nicht durchaus erforderlich. In der Regel sind die Arbeiten
nicht über 2 Bögen stark.
§
6 Solange der Verein nur 8 Mitglieder hat, wird man
bemüht sein, es so einzurichten, daß jedes Mitglied einmal im Jahre eine Arbeit
liefert.
§
7 Die Aufsätze werden vom Verfasser in gewöhnlicher
Ordnung in Umlauf gesetzt und von den Mitgliedern mit Bemerkungen bedacht,
sofern sie sich dazu veranlaßt sehen. Hierbei wie überhaupt werden die
Mitglieder im Geiste gegenseitiger Achtung, Bescheidenheit und Mäßigung handeln,
wie sehr auch die Ansichten von einander abweichen mögen.
360
---------------------------------------------------------------------------------------
§
8 Von dem Mitgliede, das als letztes den Aufsatz in
die Hand bekommt, geht die Arbeit an den Prediger, der sie mit etwanigen
Anlagen dem Verfasser zustellt, damit er sich möglichst vor der Sitzung mit den
Anmerkungen befassen kann.
§
9 Neben bewährten Aufsätzen können auch andere Stoffe
des Wissens und Lehrens in der Sitzung verhandelt werden, wie es die
augenblickliche Anregung ergeben mag. Dabei hat jeder sich der Kürze zu
befleißigen. § 10 Baldtunlich wird ein Leseverein zur Haltung periodischer
Schulschriften ins Leben gerufen werden. Vorläufig werden gelesen die
Allgemeine Schulzeitung von Zimmermann und die Rheinischen Blätter von
Diesterweg; einige Mitglieder lesen das Kählersche Schulblatt.
§
11 Ein Mitglied, in der Regel derjenige, der die kürzeste Amtszeit
in hiesiger Gemeine hat, führt Protokoll, das am Schluß zu verlesen ist.
Aufbewahrt wird das Protokoll im Pastorat.
§
12 Der Prediger nimmt, ohne Mitglied und stimmberechtigt zu
sein, an den Sitzungen teil, leitet sie und wird bemüht sein, in jeder Weise,
den nützlichen Zwecken des Vereins entsprechend, förderlich und dienstlich zu
sein.
§
13 Sollte einmal ein Mitglied durch ein nicht zu beseitigendes
Hemmnis am Erscheinen behindert sein, so teilt er dies, wenn tunlich, dem
Prediger mit.
§
14 Diese Bestimmungen gelten solange, bis durch Mehrheit der
Mitglieder
anders
beschlossen werden sollte.
Gern wird jeder Leser die
Selbstlosigkeit und das ideale Streben der Männer anerkennen, die zu solchem
Bunde sich vereinigt haben. Wie weit ihr Vorhaben sich verwirklicht und Frucht
getragen hat, wird dokumentarisch kaum nachzuweisen sein; das in der Satzung
berührte Protokoll hat sich in den Kirchenakten, denen obige Urkunde entstammt,
nicht angefunden. Doch sind nicht alle Spuren verweht. Ein sauberes Verzeichnis
von Themen, deren Verhandlung dem Bramstedter Lehrerverein zur Wahl
vorgeschlagen worden ist, wartet auf mit der imposanten Ziffer 108, davon
allgemeine Pädagogik anlangend 44, Religionsunterricht 12, bibl. Geschichte und
Religionsgeschichte je 1, Denkübungen 1, deutsche Sprache 10, Lesen 4,
Schreiben 3, Mathematik und Arithmetik 6, Singen 5, Geographie 5, Naturkunde 7,
Seelenlehre 3, Katechetik 6. Man wird mit Freuden feststellen, daß die
Landschule wirklich aus dem geheiligten Rahmen des Lesens, Schreibens,
Katechismuspaukens und Kirchengesanges herausgetreten war.
Von einigen Themen läßt
sich feststellen, daß sie tatsächlich programmgemäß bearbeitet worden sind. Sie
seien hier aufgezeichnet.
1.
Welches Ziel muß dem Lehrer bei dem Unterricht und der Erziehung seiner
Zöglinge vorschweben? Beantwortet von Busch, Brockstedt.
2.
Sind die unmittelbaren Denkübungen notwendig und warum? Hansen, Bramstedt.
3.
Wie erwirbt sich der Lehrer am besten die Achtung, die Liebe und das Vertrauen
seiner Schüler? Vieth, Elementarlehrer, Bramstedt.
361
---------------------------------------------------------------------------------------
4.
Was
hat ein Schullehrer zu berücksichtigen, wenn die erforderlichen Strafen ihren
Zweck verfehlen? Welchen vorteilhaften Einfluß hat die wechselseitige
Schuleinrichtung in dieser Beziehung? Ruperti, Brockstedt.
5.
Welcher
Zweck soll dem Lehrer beim Religionsunterricht vorschweben? Fick, Gehülfe in
Hagen.
6.
Wie
beweiset man einem Juden, daß Christus der verheißene Messias sei? Paulsen,
Hitzhusen.
7.
Wie
läßt sich Gottes Allmacht, Weisheit und Güte aus einzelnen Erscheinungen in der
Natur erkennen? Hamburg, Bramstedt.
8.
Was
versteht man unter göttlicher Vorsehung? Warum ist diese Lehre so wichtig für
den Menschen, und wie lassen sich die vielen Übel in der Welt mit dem Glauben
an diese Lehre vereinigen? Prüssing, Bramstedt.
Von den übrigen Themen sei
hier noch einem Dutzend Raum gegönnt.
1.
Wie
hat der Lehrer den Geist einer edlen Gemeinnützigkeit in seinen Schülern zu
wecken?
2.
Über
die Mittel, Kinder vor dem Lügen zu bewahren, und die, welche an diesem Laster
leiden, davon zu heilen.
3.
Kann
der Lehrer auch für die körperliche Gesundheit seiner Schüler sorgen?
4.
Warum
ist es besser, Kinder durch Liebe als durch übertriebene Strenge zu erziehen?
5.
Woher
entsteht der mit Recht so verhaßte Schulmeisterstolz?
6.
Gedanken
über die Worte: die Kirche ist die Mutter, die Schule die Tochter.
7.
Sind
dem Menschen Anlagen zum Bösen angeboren?
8.
Muß
es heißen: er trat mich auf den Fuß, oder: er trat mir auf den
Fuß? - und warum?
9.
Wie
viele und welche Redeteile hat die deutsche Sprache? - durch Beispiele
erläutert.
10.Wie hat der Lehrer seinen Schülern die Lehre von
den geometrischen Proportionen recht deutlich zu machen?
11.Belege aus der Geschichte für die Wahrheit des Wortes
Lukas 1, 52: »Gott stößt die Gewaltigen vom Stuhl...«
12.Welchen Inhalt dürften zweckmäßige Vorlegeblätter
für den Schreibunter richt haben?
Ein wahrhaft redliches
Mühen tritt uns hier entgegen, und Pastor Gerber darf als Garant dafür gelten,
daß die suchenden und drängenden Kräfte die vorgesetzte Richtung nicht
verlassen haben.
Eine deutliche Spur vom
Wirken dieses Vereins ist dem Chronisten in sicherer Erinnerung aus seiner
Schulzeit. Eines Tages im letzten Quartal des Schuljahres ließ unser Lehrer
Johann Fock uns »Probeschreiben« anfertigen mit nicht gewöhnlicher Sorgfalt.
Die Bögen wurden zu einem Päcklein gebündelt und demnächst von einem oder zwei
Jungen zu einem Lehrer des Kirchspiels (unter Wechsel der Ortschaft) getragen.
Dieser zensierte dann die Schreibleistungen, um sie danach zurückzugeben. Für
uns Kinder ein prächtiges Erlebnis, abgesehen
362
---------------------------------------------------------------------------------------
davon, daß der Botenjunge
gar keine geringe Aussicht hatte, im Nachbarorte von seinen Altersgenossen zum
leiblichen Kampfe gezwungen zu werden, zumeist gegen eine Mehrheit, das
forderte die Tradition.
Auch Lehrproben haben die
Schullehrer vor ihren Kollegen freiwillig abgehalten. - Das war in den
siebziger Jahren.
Finanzielle
Lage der Schulkommünen
Eine offizielle Nachfrage
hat das Ergebnis, daß im Jahre 1843 nur zwei Kommünen mit Schulden belastet
waren, nämlich Bramstedt mit 13350 Mark und Hitzhusen mit 1600 Mark; ein
Regierungserlaß sorgte für geregelten Abtrag der Schuld.
Schullehrer-Witwenkasse
für Schleswig-Holstein
(Vorbereitung
1845)
Flecken: Johann Christoph Hamburg, Hptl. Knaben.
alt
43¼ Frau 41¼
Georg Heinrich Prüssing,
Hptl. Mädchen
alt 50½ Frau
4511/12
Hitzhusen: Herrn. August
Fick................................................ alt 25½
Föhrden-Barl: Hans
Harder....................................................... alt
58¼ Frau 493/4
Hagen: Nikolaus
Christiansen ................................................. alt 29½
Peter Harder,
emeritus............................................................... alt 613/4
Frau 633/4.
Brockstedt: Heinr. Wilh.
Ruperti ............................................. alt
35¼ Frau 42¼
Hardebeck - Hasenkrug:
Friedr. Ferd. Busch......................... alt
28 Frau 33
Armstedt: Marx
Bolling............................................................. alt 411/12
Frau 35
Wiemersdorf: Joachim
Wittmack............................................. alt 4511/12
Frau 35½
Fuhlendorf: Hinrich
Rickert ................................................... alt 243/4
Frau 31
Bimöhlen: Hans
Gehrd............................................................... alt 541/3
Frau 525/12
Dazu die beiden
unverehelichten selbständigen Elementarlehrer in Bramstedt: Carsten Jacob
Clausen, geb. 13. März 1822 und Fedder Jensen, geb. 25. März 18181).
Stand
der Schullehrerbesoldung und der Schulgebäude 1847
(Nach
amtl. Aufstellung)
Was seit Einführung des
Regulativs verändert und in regulärem Stand ist:
a) Wohnung betreffend:
Armstedt: Vorhanden und
jetzt gehörig verbessert.
Bimöhlen: Vorhanden,
bedarf aber der Vergrößerung und Verbesserung.
Föhrden: Vorhanden. Aber
das Umziehen von einem mäßigen nach einem noch
mäßigeren findet immer
noch statt.
__________
1)
Anmerkung: Die Reihenfolge entspricht der gewöhnlichen Ordnung, die beim Umlauf
von amtlichen Nachrichten durch das Kirchspiel beobachtet wurde.
363
---------------------------------------------------------------------------------------
Hagen: Vorhanden, 1834 neu
gebaut; der Lehrer drängt auf Erweiterung.
Hitzhusen: Vorhanden, neu
gebaut.
Wiemersdorf: Vorhanden.
Brockstedt: Vorhanden, neu
gebaut 1840.
Hardebeck: Vorhanden, neu
gebaut auf dem Schulland daselbst 1841.
b) Dienstland:
Armstedt: Vorhanden, 1818
bei der Landaufteilung 9 Tonnen beigelegt.
Bimöhlen: Vorhanden, keine
Veränderung.
Föhrden: Vorhanden, keine
Veränderung.
Hagen: 2 Tonnen beigelegt,
wofür die Strohlieferung weggefallen; statt 3000 jetzt 6000 Pfd. Heu. -
Schullehrer nicht zufrieden.
Hitzhusen: Keine
Veränderung; über Ergänzung wird verhandelt.
Wiemersdorf: 6 Tonnen
Land, jetzt urbar; freie Weide hat daher aufgehört, dafür 12 Mark Weidegeld;
Winterfutter für 2 Kühe (3600 Pfd. Heu und 2400 Pfd. Stroh; weil kein
Wiesenwuchs ausgelegt ist).
Brockstedt: Bei der
Landverteilung 1830/31 reichlich Land beigelegt, daher Heu- und Strohlieferung
ausgefallen.
Hardebeck - Hasenkrug: 6
Tonnen kultiviertes, 6-7 Tonnen Heideland und eine vom Gutsbesitzer
eingetauschte Rieselwiese, wofür die Heulieferung von Hardebeck ausfällt.
c) Korn:
Hagen hat auf Anforderung
der Regierung 1839 zwei Tonnen Buchweizen zugelegt, sonst ist überall nichts
verändert worden.
d) Feurung:
Armstedt: Statt 14 Fuder
jetzt 32 000 Soden Torf, aber keine Plaggen, so verordnet von der Regierung
1838. - Die Schulvorsteher haben das nicht unterschreiben wollen und sich mit
ihrem Lehrer geeinigt auf 7 Fuder Busch, 7 Fuder Plaggentorf und 6 Fuder
Grubentorf.
Föhrden: Statt 9 jetzt 12
Fuder Torf nach Bescheid von 1845, daneben 6 Fuder Plaggen.
Bimöhlen: Nicht verändert.
Hagen: Statt 12 Fuder
jetzt 24 000 Soden leichten Torf und 12 Fuder sogenannte Klotzen gemäß Bescheid
von 1846.
Hitzhusen: Statt 12 Fuder
jetzt 40 000 Soden Gruben-(Klotzen)Torf. Wiemersdorf: Statt 22 Fuder Plaggen
jetzt 4 Fuder Busch und 18 Fuder Plaggen à 2000 Soden.
Brockstedt: Freiwillig
soviel wie jeweils erforderlich.
Hardebeck - Hasenkrug:
Nach Bescheid 21 700 Soden Plaggen und 6½ Fuder Busch, bei Bedarf freiwillig
mehr.
e) Gehalt in bar:
Armstedt: 10 Reichstaler
Zulage laut Bescheid von 1839.
Bimöhlen: Unverändert.
Föhrden: Unverändert.
364
---------------------------------------------------------------------------------------
Hagen: Unverändert.
Hitzhusen: 2½ Reichstaler
Zulage.
Wiemersdorf: 8 Reichstaler
Zulage, jetzt insgesamt 80 Reichstaler = 150 Mark.
Brockstedt: 10 Reichstaler
aus dem staatlichen Schulfonds gestrichen und werden nun von der Kommüne
entrichtet, wie auch 5 Reichstaler Zulage nach Bescheid von 1839, demnach
insgesamt 35 Reichstaler = rund 66 Mark.
Hardebeck - Hasenkrug:
Unverändert.
Fügen wir noch eine tabellarische Aufstellung über das Gesamteinkommen, abgesehen vom Wert der freien Wohnung nebst Feurung, hinzu. Wertangabe in Mark lübsch.
Ort |
Schullandnutzung |
Nutzung der Viehweide |
Deputat: Korn u. Rauhfutter |
Gehalt in bar |
Antritts-geld |
Insgesamt |
Wiemersdorf |
73 3/4 |
2 Kühe 32 |
K. 50 |
150 |
|
392 3/4 |
|
|
|
R. 81 |
|
|
|
Hardebeck |
103 |
|
K. 46 |
125 |
|
373 |
|
|
|
R. 99 |
|
|
|
Armstedt |
52½ |
2 Kühe 40 |
K. 42 |
120 |
|
254½ |
Bimöhlen |
104 |
|
K. 46 |
90 |
3½ |
243½ |
Brockstedt |
111 |
3 Kühe 25 |
K. 46 |
105 |
|
287 |
Föhrden-Barl |
193½ |
|
K. 39 |
90 |
1½ |
324 |
Weitere Berichte liegen
nicht vor. - Schulvorsteher und Lehrer haben gemeinsam die nötigen
Abschätzungen ausgefertigt, also Vertreter entgegenstehender Interessen. So
darf man der Feststellung der Preise, die nach dem Durchschnitt der letzten 10
Jahre zu berechnen waren, Wert beilegen. Demnach kostet derzeit 1 Tonne Roggen
9-10, 1 Tonne Buchweizen 7½, 1 Tonne Hafer 4, 1 Tonne Kartoffeln1½, 1
Zentner Heu 1½, 1 Zentner Stroh 1 1/3 Mark lübsch, die umzurechnen ist mit
heute 1,20 RM. Wissenswert ist es, daß damals der Ernteertrag geschätzt worden
ist: für Roggen das 5fache, für Buchweizen das 8-10fache, für Hafer das 6fache
und für Kartoffeln das 8-9fache der Aussaat.
Dispensation
von Schulkindern
Der Pastor bringt in
Erinnerung,
... »Jedoch darf kein
Kind, wes Alters es sei, in den sechs Monaten vom 1. November bis 1. Mai um der
Feldarbeit oder der Landwirtschaft willen dispensiert werden. Die kleineren
Kinder, und zwar in der Regel die unter 9 Jahren, dürfen wegen Arbeiten für die
Eltern vom Schulbesuch überall nicht dispensiert werden.« Ansuchen der
gedachten Art können demnach nicht berücksichtigt werden.
29. März
1845.
(gez.) Gerber.
365
---------------------------------------------------------------------------------------
1852 geht ein
Rundschreiben durch das Kirchspiel, das hinzielt auf die Feststellung der
Modifikationen, die die Schulordnung von 1814 in der Gemeindeschule erfahren
haben möchte, sowie auf Drucklegung der genannten Ordnung samt den in Geltung
stehenden Abweichungen.
Bei dieser Gelegenheit
ergibt sich eine Möglichkeit, Schulvorsteher und Lehrer der Dörfer
nachzuweisen, wie hier geschieht.
Hitzhusen:
Lehrer G. A.
Fick;
Schulvorsteher Jochim Dohse und
Karl Reimers.
Föhrden:
Lehrer H.
Harder;
Schulvorsteher Johann Fock.
Hagen:
Lehrer
Christiansen;
Schulvorsteher W. A. Fock.
Brockstedt:
Lehrer H. W. Ruperti;
Schulvorsteher A. v. Döhren.
Hardebeck:
Lehrer
Busch;
Schulvorsteher F. Baumann.
Armstedt:
Lehrer M.
Bolling;
Schulvorsteher M. Rabe.
Wiemersdorf: Lehrer C. W.
Schmalmack; Schulvorsteher H. Clasen
und M. Reher.
Fuhlendorf:
Lehrer J.
Lüthge;
Schulvorsteher M. Schümann.
Bimöhlen:
Lehrer H.
Gehrt;
Schulvorsteher Hinrich Wischmann.
1868 Turnunterricht wird
von Preußen für alle Stadt-, Fleckens- und Gemeindeschulen eingeführt; der
»neue Leitfaden für den Turnunterricht in den Preußischen Volksschulen« wird
durch die Regierung den Gemeinden vorgeschrieben.
1869 Pastor Kroymann
übermittelt pflichtgemäß an die Schulkollegien ein Schreiben, wonach die
Rechnungsführer alle, die mit ihrer Verpflichtung gegen die Schulkasse in
Rückstand geblieben sind, ohne Säumen bei der Kgl. Steuerkasse in Bramstedt zu
exekutivischer Beitreibung zu melden haben. Dabei ist festzustellen, daß
nunmehr auch Weddelbrook zum hiesigen Schulbezirk zählt, dagegen Brockstedt
ausgeschieden ist.
Schulgeld 1850: Kinder aus
einem fremden Schulbezirk: jährlich 3 Mark 12 Schilling, gegebenenfalls aus der
Armenkasse zu entrichten. Die Regierung.
1869. Turnunterricht. Die
erziehliche Bedeutung des Turnens ist den Lehrern und der Bevölkerung zum
Bewußtsein zu bringen. Bericht über bisherigen Betrieb dieses Unterrichtes.
Bericht, welche Lehrer des Bezirks befähigt sind:
a)
den
vollen Turnunterricht zu erteilen )
b)
wenigstens
die
Freiübungen
) nur
Knaben
c)
überhaupt
nicht
)
Kgl.
Reg.
1871, 26. 6. Propst
Springer meldet dem Pastor Kroymann die Visitation an.
Die Darstellung betrifft,
um Wiederholung zu umgehen, das ganze Gebiet der Heimsuchung.
»Kirchenvisitation am
Sonntag, d. 16. Juli. Am Sonnabend vormittags werde ich 2 Schulen, die Sie
auswählen, an Ort und Stelle visitieren. Sämtliche Schüler, auch die kleinsten,
versammeln sich; die Eltern und Schulinteressenten sind
366
---------------------------------------------------------------------------------------
einzuladen. Den Lehrern,
bitte ich, am 14. Juli die Aufgaben für eine höchstens halbstündige
Katechisation zu geben:
dem einen Matth. 13, 33:
Das Himmelreich gleich einem Sauerteige
dem andern Matth. 13,
47-50: Das Himmelreich gleich einem Netze.
In der Schule wünsche ich
vorzufinden ein Verzeichnis dessen, was im letzten Jahre behandelt ist. Ihre
Anwesenheit wird mir sehr angenehm sein.
Am Sonntag Gottesdienst zu
gewöhnlicher Zeit. Danach Examen in der Kirche, wozu sich die Konfirmanden
dieses Jahres und die größeren Schulkinder einzufinden haben. Danach in der
Organistenschule Prüfung zweier Schulen, die Sie auswählen. Die Schüler haben
ihre Schreib- und etwanigen Aufsatzhefte mitzubringen. Den Lehrern werde ich am
15ten nachmittags eine Aufgabe für diese Prüfung geben. Nach Beendigung
versammeln sich sämtliche Lehrer, die Schul- und Armenvorsteher und alle
Gemeindeglieder, die dem Visitatorium etwas vorzutragen wünschen, im
Pastorenhause. Der Tag der Visitation ist in gewohnter Weise bekannt zu geben.
Vorzulegen sind die Kirchenbücher, die Rechnungen und Verzeichnisse, namentlich
Ihrer Accidentien (Zufallseinnahmen), die Protokolle über die Verhandlungen des
Kirchenvorstandes und der Schulkollegien, die Schulprotokolle und Abrechnungen,
Bericht über die Schulden der Schulkommüne, ein Extrakt aus den
Kirchenrechnungen der letzten 3 Jahre, und die Angabe des Textes und der
Disposition der am Visitationstage zu haltenden Predigt. Ferner habe ich zu
bitten um Nachricht über Amtsführung und Wandel der Lehrer Ihrer Gemeinde und
über Wirkung des Strafverfahrens wegen Schulversäumnis gemäß Anordnung vom 13.
Febr. 1869. Ferner Angaben
1.
über
Anfangs- und Endtermin, sowie wöchentliche Stundenzahl für Vorbereitung der
Konfirmanden;
2.
darüber,
wie oft Sie die Schulen besuchen;
3.
über
die Zeit des Gottesdienstes an Sonn-, Fest- und Werktagen;
4.
über
Besuch des Gottesdienstes in den letzten 3 Jahren, ob die Sabbathsordnung
jährlich verlesen worden, ob Übertretungen dagegen angezeigt worden sind, die
Zahl der Geborenen jedes Jahres und der unehelichen darunter, und was sonst
etwa über den Stand der Gemeine zu bemerken ist;
5.
ob
und wann Fasten- und andere Wochenpredigten, die Eidespredigt und Kirchenkatechisationen
gehalten werden;
6.
wie
es mit dem Religionsunterricht und mit den Leistungen im Singen von
Kirchenliedern in der Schule steht;
7.
über
die Verwaltung der Klingelbeutelgelder, die Zahl der unterstützten Einzelnen
und Familien, die größte und die kleinste Bewilligung.
Für sonst noch
anzubringende Nachrichten würde ich dankbar sein. Jeder Lehrer hat einen
Bericht zu liefern, aus dem zu ersehen: die Schülerzahl in jedem Semester der
letzten 3 Jahre und wie allgemein die Schule sich gehalten. Besondere
Hindernisse, die etwa der Wirksamkeit der Schule entgegenstehen, sind
anzugeben. Dieser Bericht ist vor der Visitation abzuliefern, und ich bitte,
ihn in mein Zimmer zu legen.
367
---------------------------------------------------------------------------------------
Endlich ersucht Sie das
Visitatorium, die in Ihrer Gemeinde befindlichen Armenkollegien aufzufordern,
Nachricht zu geben über den Stand des Armenwesens in den letzten 3 Jahren,
gemäß Verordnung vom 10.7.1865, entweder zum Visitationstage bei Ihnen
einzuliefern oder spätestens 4 Wochen danach an das Kirchenvisitatorium. (Von
solchen Teilen des Armenbezirks, die außerhalb Ihres Kirchspiels liegen, ist
keine Nachricht einzufordern.)
Obgleich die
Kirchenvisitation jetzt nur einen Tag dauert, bitte ich Sie, mich
2 Nächte zu beherbergen, weil ich sonst nicht fertig werden kann.
Der Herr Baron (Amtmann)
wird selbst Mitteilung machen über seine Beförderung.
Ich ersuche Sie, mir
Pferde zu besorgen, die mich am Freitag, d. 14. Juli, um 3 Uhr von
Segeberg nach Bramstedt bringen; ferner solche, die mich am Sonnabend, den
15ten, morgens 8 Uhr, in die erste der zu visitierenden beiden Schulen, nach
1½-2 Stunden in die zweite, und aus dieser nach beendigter Prüfung
wieder nach Bramstedt fahren; endlich solche, die mich am Sonntag, d. löten,
nach mittags wieder nach Segeberg befördern.
Da ich jetzt allein diese
Anzeige zu machen habe, sende ich sie nicht wie früher durch den Boten, sondern
mit der Post. Ich erbitte mir aber umgehend Nachricht darüber, daß Sie sie
erhalten haben. In derselben bitte ich auch zu bemerken, um welche Stunde der
Gottesdienst beginnt, damit ich dem Herrn Baron Nachricht geben
kann.«
Der
Ihrige Springer
Herrn Pastor Dr. Kroymann,
Bramstedt
Man wird die Belastung des
Herrn Propsten gern anerkennen. Es war aber andrerseits von alters her für
erstklassige Beköstigung gesorgt, wofür die Frau Pastorin ihre ganze Kunst
einsetzte. Aus alten Kirchenrechnungen stellt man wiederholt fest, daß solche
Tage die Kirchenkasse nicht weniger belasteten als die Lehrtätigkeit des
Organisten, aufs ganze Jahr verrechnet. So stand die geistliche Leistung wohl
mit der leiblichen in der Waage.
Wilhelm Struve ist
der erste Organist, von dessen Leben und Wirken deutliche Spuren überliefert
worden sind. Im besonderen hat er auch schätzenswerte Aufzeichnungen über
wichtige Ereignisse im Flecken hinterlassen. So widmen wir ihm hier noch ein
paar Zeilen.
1731 hat er sein Amt
angetreten. 1781 beurkundet Amtmann v. Schumacher, daß W. Str., diesem
Organisten und Schulhalter, in Betracht seines hohen Alters sein ältester
Tochtersohn Wilhelm Christian Warnholtz zum Gehilfen und späteren Nachfolger
gegeben wird. Letzterer sei bereits geprüft und habe seinen Eid geleistet.
Solange sein Großvater lebt, hat er sich mit dem zu begnügen, was dieser mit
ihm ausmacht. Später soll er voll in dessen Rechte eintreten. Noch 1771 ist
Struve im Amte; man bezahlt ihm 60 Mark für Beköstigung der Prediger während
der Vakanz.
1768. Obrigkeitliche Mahnung,
es solle tunlichst das ganze Jahr hindurch, etwa die Erntezeit ausgenommen,
unterrichtet werden. Wenn Kinder nicht kommen,
368
---------------------------------------------------------------------------------------
soll nachgeforscht und
möglichst Abhilfe geschafft werden. - An guten Schulmeistern fehle es nicht
Diese Klage über
schlechten Schulbesuch wiederholt sich ziemlich bei jeder Visitation. Auch das
Einziehen des Schulgeldes für die fehlenden Kinder scheint nur lässig geschehen
und ohne Erfolg gewesen zu sein.
1799 wird Pastor Stössiger
aufgefordert, diesem Übelstande schärfer nachzuforschen und möglichst die
Ursache dafür aufzudecken.
1850. Organist Prüssing
bittet um Erhöhung seines Gehalts. Seine Einnahmen legt er dar:
1. Als
Organist und Küster:
Hebung im
Flecken
....................................................................
17 Mark 8 Schilling
Fastnacht aus der
Kirchenkasse .............................................
94 Mark 2 Schilling
Hebung im Flecken und
Landheur ..........................................
23 Mark
Hebung von den
Dörfern ..........................................................
93 Mark 12 Schilling
Akzidenzien...................................................................................
130 Mark
Umtragen des
Klingebeutels.......................................................
9 Mark
404 Mark 8 Schilling
2. Als
Schullehrer:
Gehalt bis 50 Mark,
nun .............................................................
90 Mark
Feurung für
Haushalt...................................................................
66 Mark
An Roggen, Buchweizen, Heu
und Stroh................................. 110 Mark
Grasgeld für 1
Kuh
....................................................................
18 Mark
Vergütung für Hand- und
Spanndienste.................................. 47 Mark
8 Schilling
315 Mark 8 Schilling
Summe 720 Mark
1859. Auf Grund des
Regulativs von 1842 wird die Verteilung der Kosten für Bau und Unterhaltung des
Organistenhauses folgendermaßen geregelt: ¼ trägt der Flecken allein, 3/4
das Kirchspiel mit Einschluß des Fleckens.
Wie
Siegfried Bock ums Jahr 1834 Schullehrer in Bramstedt wurde
(Von
ihm selbst erzählt; hier gekürzt)
Er wandert auf der
endlosen Landstraße dahin. Stiefel und Strümpfe hat er auf Rat seiner Mutter
ausgezogen, um sie zu schonen. An beiden Seiten des Weges stehen Pappeln. Er
springt die Böschung hinunter, um seine Füße zu kühlen und mal zu trinken. Da
er nach seiner Berechnung da sein muß, macht er sich zurecht. Er betrachtet die
Blumen um sich herum, unter denen ihm der ihm unbekannte Ginster auffällt. Ein
Herr mit einer Botanisiertrommel hat ihn beobachtet, und er nennt ihm den Namen
der Pflanze. Sie kommen in eine Unterhaltung, und es stellt sich heraus, daß
sie den gleichen Weg gehen. Er ist der Apotheker von Bramstedt. Bock erzählt
ihm auf Befragen, daß er aus Angeln komme und die
369
---------------------------------------------------------------------------------------
ganze Nacht
durch gewandert sei; er wolle sich um die freie Lehrerstelle in Bramstedt
bewerben. Am Eingang des Ortes trennen sie sich. Bock sucht zunächst ein
Wirtshaus auf. »Je näher ich meinem Ziele kam, desto leichter wurde mir zu
Mute. Mit Vergnügen betrachtete ich die freundlichen kleinen Häuser. Man hatte
hier offenbar einen guten Geschmack. Denn die Häuser waren größtenteils mit
Rosen-, Wein- und Efeuspalier geschmückt, und auf den Fenstersimsen sah ich
farbenprächtige Kamelien und Geranien.« Auf Erkundigung erfuhr er vom Wirt, daß
er selbst der Bürgermeister sei. Der rät ihm, nun zum Pastor zu gehn. Dort
empfängt ihn die 18jährige Tochter. »Eine einfachere Kleidung als diejenige
dieses Fräuleins mit dem Nonnengesicht, auf welchem der geistliche Hauch des
Hauses deutlich zu spüren war, habe ich nie gesehn.« Der Pfarrer war ein 50jähriger
rüstiger Mann mit tiefernsten Gesichtszügen. Er erkundigte sich, ob Bock
Seminarist sei, was dieser verneinte. Die Stelle war gut dotiert: 100 »alte«
Taler jährlich. (Der Wert des Talers war damals sehr viel beträchtlicher als
heute; man kaufte z. B. 1 Pfund Butter für 3½ Schillinge, deren 48 auf einen
Taler gingen.) Er soll sich nun noch dem Kirchspielvogt und dem Verwalter des
adeligen Gutes vorstellen. Er geht zunächst zu letzterem. »Von einem Knaben
nach einem großen, an der Südseite einer marktplatzartig sich erweiternden
Straße belegenen Hause gewiesen, machte ich zunächst dem daselbst stehenden
stolzen Roland einen kurzen Besuch.« Der Verwalter war ein schlicht und recht
aussehender Mann mit ehrlichem, wenn auch nicht gerade intelligentem Gesicht.
Er sagt auf Plattdeutsch, daß er ja von der Sache nichts verstehe. Das
Untersuchen der Papiere überlasse er den andern Herren. Er klagt, seit der
Schulmeister dot sei, hätten sie gar keine Solopartie mehr; ob er Karten
spielen könne. Als das bejaht wird, ruft er: »Min Stimm hebbt Se!« - Bock wird
nun zum Essen eingeladen. Es gibt Buchweizenpfannkuchen und Buttermilch; es
schmeckt ihm herrlich. Dann unterhalten sie sich sehr angeregt über
Landwirtschaft. Als die Hausfrau hört, daß er die ganze Nacht über gewandert
sei, packt sie ihn aufs Sofa, und er schläft fest. Nach Stunden weckt sie ihn;
denn der Pastor habe geschickt, er möge noch mal zu ihm kommen. Er muß aber
doch erst noch eine Tasse Kaffee trinken. Dabei erzählen sie ihm noch einiges
über das Gut. Der jetzige Besitzer, ein alter gelehrter Mann, komme seit Jahren
nicht mehr aus seinem Zimmer heraus; er sitze den ganzen Tag und schreibe und
sei überhaupt ein ganz sonderbarer Mensch. - Nun zum Pastor. Der teilt ihm mit,
daß das Schulkollegium am Nachmittag eine Sitzung gehabt und ihn zum Inhaber
der vakanten Stelle ernannt habe.
370
---------------------------------------------------------------------------------------
XI.
VON DER APOTHEKE UND DEN ERSTEN ÄRZTEN
(Nach
Dokumenten des Staatsarchivs zu Kiel, A XVIII 4455)
Henning Müller, früher in
Krempe wohnhaft, richtet 1773 ein Gesuch an den dänischen König, worin er um
die Erlaubnis bittet, in Bramstedt eine Apotheke einrichten zu dürfen.
Der Amtmann von
Schumacher, derzeit hier ansässig, meint in seinem Gutachten, eine Apotheke im
Flecken könne wohl wenig nützen, wenn nicht jemand da wäre, der die Medizin
geschickt zu brauchen wisse. Es liege zunächst das Bedürfnis nach einem
geschickten Arzt vor. In Bramstedt seien immer ein oder zwei Chirurgen1)
gewesen, und es sei dann oft als ein Übelstand empfunden worden, daß die
nötigen Medikamente nicht zur Hand waren. Müller habe ein sehr gutes Zeugnis
und auch die Berechtigung, in Notfällen, wenn kein Arzt zu bekommen sei, selbst
Medikamente zu verschreiben. - Er sei dafür, daß man ihm die Genehmigung
erteile; er könne ja an Koch eine Abgabe entrichten.
Trotzdem wird das Gesuch
abschlägig beschieden, weil das dem Apotheker Koch zu Segeberg eingeräumte
Privilegium sich auch auf Bramstedt erstrecke.
Aus demselben Jahre liegt
ein Schreiben Schumachers folgenden Inhalts vor: Es sei am Orte ein Chirurgus
vorhanden, der aber wegen hohen Alters und zitternder Hände nichts Rechtes mehr
ausrichten könne. Er hoffe, daß der Gesund-
__________
1)
Unter dem »Chirurgen« haben wir in diesem Falle einen Wundarzt zu verstehen,
dessen ärztliche Funktion sich auf die Behandlung von Wunden beschränkte,
sofern er nicht eigenmächtig über den Bereich seiner »Gerechtsame« hinausging.
Wir lesen, daß um 1810 in Bramstedt ein Capito als solcher gewirkt hat, auch,
daß um 1775 ein alter zittriger Mann dieses Gewerbes waltete. Die sichere Kunde
über die Ausübung dieses Berufszweiges hierorts geht erheblich weiter zurück.
Eine Urkunde vom 4. Dezember 1613 bekundet, daß König Christian IV. dem
hiesigen »Baibier« Hans Moelken (Moyelke) die Genehmigung, sich hierorts als
Wundarzt zu betätigen, erteilt, mit dem Zusatz, daß er keiner Nachlässigkeit
sich schuldig mache und jährlich t Reichstaler in die Amtskasse zu Segeberg
zahle. Dabei erhält er die Zusicherung, daß kein zweiter Wundarzt am Orte
zugelassen werden soll und daß die Nachfolge in seinem Amt und Handwerk an
erster Stelle einem seiner Söhne vorbehalten bleibt (Siehe unter »Handwerk«.)
Der Zeitpunkt, wo zum
ersten Apotheker der erste ordinierte Arzt hinzugekommen ist, ist mir nicht
bekannt geworden. Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts wirkte hier als solcher
Dr. Mestorff, der Vater von Fräulein Mestorff, die Wiebke Kruses Geschichte
dichterisch bearbeitet hat. Ihm folgen Dr. Schamvogel, Dr. Sattler und Dr.
Postel als alleinige Ärzte des Ortes. Letzterer hat nicht versäumt, an seinem
Teile zur Förderung der Bramstedter Heilstätte beizutragen. Noch zu seiner Zeit
hat sich auch Dr. Wulf hier als Arzt niedergelassen. Das Vertrauen seiner
Mitbürger hat ihn in das Ehrenamt des Stadtvertreters geführt. Zu allgemeinem
Bedauern ist er in voller Manneskraft das Opfer einer Blutvergiftung geworden,
die er in Ausübung seines Berufes sich zugezogen hatte.
Aus freiem Antrieb der
Bürger hervorgegangene Bemühungen, dem Orte ein Krankenhaus zu verschaffen,
haben nicht den erwünschten Erfolg gehabt. Doch steht die Stadt in ihrer
Fürsorge für die Erhaltung der Gesundheit ihrer Bewohner, desgleichen für die
Heilbehandlung der Erkrankten seit langem nicht zurück gegen die gesteigerten
Ansprüche der Zeit.
371
---------------------------------------------------------------------------------------
brunnen wieder in Aufnahme
kommen und dann auch ein tüchtiger Medikus sich hier niederlassen werde.
Anno 1776 erneuert Henning
Müller sein Ansuchen um besagtes Privileg. Wiederum erfolgt Ablehnung, und zwar
aus dem gleichen Grunde: Eingriff in Kochs Rechte. Dieser habe bisher in
Bramstedt einen Kommissar gehalten, bei dem die notwendigsten Medikamente zu
Kaufe gestanden haben. Als solchen den Chirurgen Müller in Bramstedt
anzunehmen, erklärt sich Koch bereit. Wir vernehmen, daß bisher die Bramstedter
die Möglichkeit, am Orte Medikamente zu kaufen, sehr wenig benutzt haben. Sie
gingen vielmehr nach Kellinghusen und Itzehoe; das sei eingewurzelter Brauch
gewesen. Wir erfahren, daß bald danach Apotheker Koch Medikamente verkauft habe
an den Chirurgen Capito in Bramstedt, um auf solche Weise die Bewohner des
Fleckens und der umliegenden Dörfer damit zu versorgen. Nach Capitos Ableben
ist Postmeister Frauen mit dieser Aufgabe betraut worden, hat aber schwindenden
Absatz gehabt und schließlich den Warenbestand nach Segeberg zurückgegeben. Es
wird aus den vorhandenen Papieren nicht ersichtlich, ob der mehrfach erwähnte
Henning Müller überhaupt als Kochs Vertreter sich betätigt hat.
Im Jahre 1810 tritt eine
entscheidende Wendung ein. Koch stirbt. Im Verein mit dem Kandidaten der
Pharmakologie M. L. P. Noodt aus Tönning reicht die Witwe das Gesuch ein, man
möge das Privilegium zur Anlegung einer Apotheke in Bramstedt trennen von dem
weiland Apotheker Koch auf das ganze hiesige Amt Allerhöchst erteilten
Privilegium wegen Errichtung und Haltung einer Apotheke und die Erlaubnis zur
Etablierung einer Apotheke in Bramstedt erteilen.
Amtmann von Döring
begutachtet: Es sei wohl kein Zweifel, daß die Witwe Koch die Errichtung einer
Apotheke in Bramstedt inhibieren könne, und er nehme an, man werde einwilligen,
wenn sie ihr Privilegium käuflich an Noodt abstehen wolle. Da in Bramstedt ein
Brunnen-Institut errichtet sei, sei die Einrichtung einer Apotheke schon wegen
der Brunnengäste sehr erwünscht. Er schaltet ein, daß 1767 Jochim Friedrich
Koch die Gerechtsame für das ganze Amt erhalten und diese 1803 auf den bereits
genannten Sohn übertragen habe. Dieser habe auch die starke Frequenz des
Bramstedter Brunnens bemerkt und geplant, dort eine Apotheke zu errichten,
wofür er bereits dort ein Haus gekauft habe. Der Tod habe aber die Ausführung
des Planes verhindert. Das Königliche Schleswig-Holsteinische
Sanitäts-Kollegium zu Kiel weist darauf hin, daß Noodt nicht die nötigen
Kenntnisse zur Führung einer Apotheke besitze. Er sei mit seiner Familie in Not
und man könne ihm vielleicht die Apotheke geben unter der Bedingung, daß er
einen geprüften und beeidigten Provisor anstelle, unter dessen alleiniger
Verantwortlichkeit die Apotheke stehe. Von gleicher Stelle erfolgt etwas später
ein Nachtrag. Noodt hat ein Schreiben des Amtmanns nicht ganz richtig aufgefaßt
und sich schon überzeugt gehalten, er bekomme das Privileg, auch daraufhin sich
bereits in ganz erhebliche Kosten gestürzt. Er erbietet sich nun, noch ein
halbes Jahr Unterricht und praktische
372
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Übung in der Apotheke von
Süersen, Kiel, zu nehmen und angestrengtesten Fleiß anzuwenden, um das
Versäumte nachzuholen. -
1811 hat er dann in Kiel
die Prüfung bestanden, und im April wird »dem Martin Lambert Noodt das
Privilegium erteilt.«
In dieser Sache haben
freilich auch die Ratleute des Fleckens ihrer Pflicht voll genügt. Ebenso hat
Professor Meyer, derzeit Besitzer des adeligen Gutes, nicht versäumt, ihre
Angelegenheit nach Kräften zu fördern durch folgendes Schreiben: »Da meine
guten Nachbarn und Freunde sich nicht abbringen lassen, daß die ausdrückliche
Bezeugung meiner Übereinstimmung mit ihren Wünschen für die Erhaltung einer
Apotheke in hiesigem Orte dem Gesuche derselben bei höchstpreislicher Königl.
Schl.-Holsteinischer Kanzlei einiges Gewicht hinzufügen könne, und ich mich
nicht berufen fühle, einem unschuldigen Irrtum hartnäckig zu widerstehen, so
trage ich keine Bedenken, hierdurch und mit meines Namens Unterschrift
ehrfurchtsvoll zu erklären:
daß die Gewährung ihrer
Bitte, wenn derselben keine mir unbekannte Gründe entgegenstehen, mir
allerdings eine Wohltat sowohl für den Ort als für das Kirchspiel erscheint,
daß ich dafür halte, mit dem Titel eines Bauernvogts, welchen das Collegium
sanitatis einem 1½ Meilen von hier entfernten Arzt beigeleget, den sowohl der
Wirkungskreis eines entlegenen Distrikts als auch die Betreibung einer
Fayence-Fabrik1) aus doppelten Gründen abhalten muß, weder oft noch
lange, noch zu unwiderruflich bestimmten Zeiten gegenwärtig sein zu können, sei
für Kranke, welche hier seiner Hilfe bedürfen, wenig getan und am wenigsten,
wenn die Bereitung der von ihm vorgeschriebenen Arzneien in einer meilenweit
entlegenen Offizin neuen Aufschub veranlaßt;
daß der Candidatus Pharmacinae
Lambert Noodt mir von glaubwürdigen Ärzten als ein geschickter,
leidenschaftlich für seine Wissenschaft lebender und besorgter Mann empfohlen
ist, dessen Gutmütigkeit und Teilnahme sich auch bereits während seines
Aufenthaltes (hier) an den Tag gelegt hat;
daß endlich nun die Nähe
einer Apotheke und die Gewißheit, daß endlich untadelige Mittel zur Hand sind,
denjenigen, welchem die Handhabung der Polizei obliegt, die Festigkeit gewähren
kann, mit voller Strenge gegen die Verbreitung unbefugter Arzeneikrämereien und
Quacksalbereien zu verfahren, indem sonst freilich das Gewissen eines
Graduierten dazu gehört, um den Heischesatz zu behaupten, es sei besser, nach
den Regeln zu sterben, als wider alle Regeln zu genesen.«
Am 2. April hat dann
Friedrich VI. das entscheidende Wort im Sinne der Gesuchsteller gesprochen:
Noodt konnte fortan unbehindert als wohlbestallter Apotheker seines Amtes
walten.
1828 geht die Apotheke
über an Friedrich Wolfrath Lindemann, nachdem zuvor »das Privilegium auf ihn
extendiret worden« war. 1842 läßt er sich sein Privileg von dem neuen König
Christian VIII. bestätigen.
__________
1)
Unter der Fayence-Fabrik haben wir Tonwarenfabrik »Fernsicht« bei Kellinghusen
zu verstehen, die in der ganzen Provinz in gutem Ansehen stand.
373
---------------------------------------------------------------------------------------
1844 befindet sich die
Apotheke in einer Kate in der Maienstraße, wie ein alter Hausbrief
ausweist.
1846 soll eine bewilligte
Extension (Übertragung) von Lindemann auf den Kandidaten Herminghansen
rückgängig gemacht werden. Letzterer behauptet, L. habe ihn hinsichtlich des
Ertrages der Apotheke getäuscht, beschuldigt ihn ferner der Rezeptfälschung und
Übersetzung der Preise.
Eine außerordentliche
Visitation wird angesetzt und die Verwaltung der Apotheke zunächst dem
Ankläger, dann einem beeidigten Provisor übertragen. Das Amtsgericht wird
angerufen; dieses erklärt nach einiger Zeit, daß zur Aufnahme einer
gerichtlichen Untersuchung kein Anlaß vorliege, dafür fehle nach den bisher
aufgezeigten Umständen ein rechtlich ausreichender Grund. Die Visitation aber
hat ergeben, daß bei einer Reihe von Rezepten der Taxpreis, der darauf vermerkt
war, verändert und zwar erhöht worden war, bei andern das Gewichtszeichen.
Lindemann behauptete aber, er habe nichts verfälscht, und mit seinem Wissen
habe keine Fälschung stattgefunden. Hiermit schließen die vorgefundenen Akten.
374
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XII.
BRAMSTEDT ALS KURORT
Vom
Gesundbrunnen bis zum Neuen Kurhaus
Ein »Bad Bramstedt« als
amtliche Benennung des Gemeinwesens gibt es erst seit 1910. Das heute in
deutschen Landen weithin bekannte und geschätzte Neue Kurhaus mit seinem Moor-
und Solbad ist gar erst im Jahre 1931 eröffnet worden. Aber schon 250 Jahre
früher ist der Stern leuchtenden Ruhmes aufgegangen über unserm
»Gesundbrunnen«, an den der Wanderer noch heute erinnert wird durch eine bescheidene
eiserne Pumpe auf dem Karkenmoor, etwa 2 km östlich vom Flecken am Feld- und
Waldwege nach Bimöhlen. Tausende haben nach glaubwürdigem Bericht 1681 und
durch einige Jahre weiterhin dort Heilung gesucht, und viele ihr Dankopfer für
erfolgte Heilung dargebracht. Aber zu einer geschlossenen Entwicklung seither
ist es nicht gekommen. Von einer solchen kann erst gesprochen werden seit
Anfang der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts, wo der Zimmermeister Matthias
Heesch, nachdem er auf seinem Grundstück, nahe dem Orte, eine Solquelle
festgestellt hatte, mutig in die Speichen griff und so zum Bahnbrecher einer
stetigen Entwicklung wurde, die den Flecken zu einem vielbesuchten »Bad
Bramstedt« machen sollte. Was in den 200 Jahren -1681 bis 1887 - geschehen ist
in dieser Hinsicht, zeigt eine Sprunghaftigkeit, die noch heute zu allerlei
Nachdenken reizt. Dreimal hat sich die Urkraft der Heilquelle zum Erstaunen der
Zeitgenossen stoßweise und eigenwillig offenbart, ohne daß menschliche Kunst
und Kraft sie zu dauernder Wirksamkeit nutzbar gemacht haben. Die Zwischenräume
sind so erheblich, daß schon deswegen die vorliegende Darstellung zweckmäßig in
vier Abschnitte gegliedert wird: 1681, 1761, 1810 und 1880 bis heute.
1. Der
Gesundbrunnen 1681
Ein sichtbares Zeugnis aus
jenen Tagen birgt die Bramstedter Kirche. Ein Altarleuchter, aus Messing
gefertigt, trägt die Inschrift: »Anno 1681 den 1. Juli ist Larenz Jessen, Kön.
Prov. Verwalter in Glückstadt, durch Gebrauch des Wassers von Quartan befreiet;
verehret diese Leuchter (zwei) zum Gedächtnis.« Der Schlesw.-Holst.
Provinzialbericht von 1789 gibt in Bd. II Heft 6 einen Bericht über unsern
Gegenstand, dem wir folgendes entnehmen: »Der Flecken Bramstedt ist im Jahre
1681 mit dieser Heilquelle beglückseligt worden.« -Der Superintendent von
Störcken hat die Beschaffenheit derselben in einer »Brunnenpredigt in
öffentlichen Druck vor Augen gestellt«. Der vollständige
375
---------------------------------------------------------------------------------------
Titel dieses Druckes,
durch Dr. Suersen der Nachwelt erhalten, verdient als ein Kennzeichen seiner
Zeit hier festgehalten zu werden. Läßt er uns doch zugleich erkennen, in wie
hohem Grade dem Gesundbrunnen Beachtung geschenkt worden ist.
Also: »Geistliche
Wallfahrt zum rechten Heilbrunnen bei denen durch Gottes Gnade unweit von
Bramstedt im Königl. Amt Segeberg entsprungenen Gesundbrunnen, in Gegenwart
etlicher tausend Menschen im freien Felde gehaltene Predigt1)
vorgestellet und auf vieler Herzen inständiges Begehren mit dem dabey
verordneten Gebet und einer gründlichen Nachricht davon zum Druck übergeben
durch Christian von Störken, der Heiligen Schrift Dr. General-Superintendent
und Königl. Probsten des Amtes Segeberg. - Rendsburg 1681.«
Über die Art der Entdeckung
und die ersten Heilwirkungen der Quelle gibt Ferd. O. V. Lawätz, ein geistig
reger Mann und seit 1774 Besitzer des Gutes Bramstedt, folgende, nicht
bestrittene Nachrichten. »Anno 1681 im Monat Juni ist der hiesige köstliche
Gesundbrunnen ersprungen, wodurch viel herrliche Curen durch göttliche Hülfe
und Segen verrichtet, und ist folgender Gestalt entdecket. Ein Knabe mit Namen
Gerd Güsler (andere Lesart: Giesler) hütet seines Vaters Pferde (andere Lesart:
Schweine) und hatte schon das Fieber bei 1½ Jahren gehabt. Wie ihm nun einstens
das Fieber ankommt, bittet er die andern Knaben, sie möchten doch mit nach
seinen Pferden sehen, und setzet sich indessen im Grunde unter einer Eiche
nieder. Und weilen mit dem Fieber ein starker Durst ihn plaget, rufet er zu Gott
in seiner Einfalt, daß Er ihn doch einmal von dem Fieber aus Gnaden befreien
wolle. - Er wird hierauf sogleich gewahr, daß da Wasser bei der Wurzel des
Eichbaumes hervorkommt, hält seinen Hut dahin, lasset einen guten Trunk
darauslaufen und trinkt davon, um seinen Durst zu löschen. Zu seiner großen
Freude und Verwunderung hört der Durst wie auch das Schaudern den Augenblick
auf, und er fängt an zu singen; da denn die Knaben zu ihm sagen, wenn er singen
könnte, so könnte er auch seine Pferde selber in Acht nehmen, welches er mit Ja
beantwortet. Gehet darauf hervor und saget niemand, was ihm widerfahren, bis
nach etlichen Tagen, da er hörte, daß eine Frau, deren Mann Johann Hambeck
geheißen, auch das Fieber hatte. Da er dann sagte: Sie dürften nur von dem
Wasser holen, welches neulich bei dem Eichbaum hinter den Mohrstätten
entsprungen, alsdann würde ihr wohl geholfen, eben wie ihm. Welches sie auch
getan, und es hat gleiche Cur an ihr verrichtet. Wie nun dieses bald darauf
weit und breit kund worden, sind viele Kranken und Preßhafte von andern Orten,
auch aus Hamburg, häufig herzugekommen, da denn in allem über 800 Personen bei
diesem Brunnen gesund geworden. Die als Krüppel und Lahme dahin gekommen, haben
nachher ihre Krücken und Stäbe an den Eichenbaum gehangen und sind mit Freuden
und Lob Gottes nach ihrer Heimat gegangen, Ermeldeter Eichbaum hat noch
gestanden bis 1707.« - »Der obengedachte Gerd Güsler ist nachher ein
wohlhabender Mann in Livland geworden, aber noch in seinen ersten mannbaren
Jahren dort
__________
1)
Ob noch Exemplare dieser Schrift vorhanden sind, ist dem Verfasser nicht
bekannt.
376
---------------------------------------------------------------------------------------
gestorben.« - Wie lebhaft
der Besuch gewesen ist, davon zeugt die weitere Mitteilung aus den alten
Kirchenbüchern, daß von 1681-1688 aus den beim Gesundbrunnen für die Armen
gesammelten Geldern insgesamt 2188 Mark der Kirche als Darlehen übergeben
worden sind.1) Es muß vermutet werden, daß nach 1688 die so
nützliche und heilbringende Quelle ihre Anziehungskraft bereits verloren hatte.
Vermerkt sei noch, daß nach dem Bramstedter Kirchenregister Gerd Gieseler 1663
als Sohn des Insten Bartelt G. getauft worden ist. Der ferner genannte Johann
Hambeck wird ein Harbeck gewesen sein, da der erste Name im Register unbekannt.
2.
Neue Blütezeit 1761
Überreichlich sind die
Quellen, aus denen der Chronist schöpfen kann, wenn es gilt, ein Bild zu geben
von dem, was dieses zweite Aufblühen für Bramstedt gebracht und bedeutet hat.
Die dem Bericht über die erste Periode anhaftende Lückenhaftigkeit wird es
rechtfertigen, wenn nunmehr der Ausgleich in umfassender Darstellung versucht
wird.
Wenn es auch nicht ganz
dem zeitlichen Ablauf der Dinge entspricht, soll doch zunächst eine Äußerung
des Herrn Lizentiaten und praktischen Arztes Heckell von Heckelfeldt aus
Hamburg veröffentlicht werden. Am 9. Juni 1761 wendet er sich an den Amtmann
von Arnold in Bramstedt, bietet sich als Brunnen-Medicus an und bittet um
Bestallung bei Gewährung freier Wohnung. Die von ihm beigefügte »Abhandlung vom
Gebrauch und Mißbrauch des zu Bramstedt in Holstein entsprungenen
Gesundbrunnens« gibt einen guten Einblick in den Stand der medizinischen
Wissenschaft und Praxis jener Tage. Im Auszuge und unter tunlicher Wahrung
ihrer Ausdrucksform wird sie hier abgedruckt: »Immanuel unser Gott!
Ich halte nicht für nötig,
daß ich weitläufig erkläre, was ich unter Gesundbrunnen eigentlich verstanden
haben wolle. Indem ein jeder selbst leicht begreifen wird, daß ich solche
Quellen meine, welche aus natürlichem Trieb kalt oder warm aus der Erde herfür
rieseln und einen vitriolischen Geschmack haben. Die neuliche Erfahrung zeigt,
daß zu Brahmstedt in Holstein ein recht sehr Gesunder Sauer-Spring
(Sauer-Brunnen) entstanden, der ein etwas Mineralisch und hauptsächlich
Vitriolisches Salz bei sich führe, daneben auch etwas Alaun, Salpeter,
Kochsalz, eine Kalkartige Erde und ein fettes Hartziges in sich hat. Also man
diesen Brunnen, weil er etwas schwächer als der Egerische, in die Klasse
desselben setzen kann. Zudem hat er die Eigenschaft, die Gefäße zu zerstoßen,
die mit solchem Wasser angefüllet und fest verstopfet sind. Gleich nach der
Entdeckung habe ich es untersucht und gefunden, daß es eine Medizinische Kraft
und Wirkung von sich spüren läßt, ohnerachtet es keinen sonderlichen Geschmack
hat. So hat mir die Erfahrung an meinen Preßhaften Patienten ein anderes
belehret: daß dieses Wasser im Menschlichen Leibe eine und die andere besondere
Wirkung
__________
1) Dankwerths
Chronik von 1652 spricht von Heilquellen in Bramstedt nicht.
377
---------------------------------------------------------------------------------------
gethan. Ich habe eine
starke Zahl glücklich ausgeschlagener Curen und kann aus Matth. 11 sagen: Die
Lahmen gehen, die Kranken werden gesund, die Verwundeten werden geheilet. Ich
habe in Altona eines Bürgers Wove Sohn, alt 21 Jahre, welcher beinahe ins
Siebente Jahr mit Sein Schmertzen behaftet war, genommen, der nach Gebrauch
gedachten Brunnens von einigen Tagen nicht allein die Schmertzen in der Blase,
auch Unterm Leibe gelindert, sondern auch durch den Urin einen starken Schleim
abgetrieben und des Morgens sich ein Schweiß eingefunden, derselbe munter ist
und sich täglich bessert, so daß bei fernerem Gebrauch unter Göttlichen gnaden
Segen an seiner Genesung nicht zu zweifeln;
Und wer kann leugnen, daß
durch dieses Wasser eines Bürgers Sohn, wohnhaft hinter Ottensen an der
Elbseite am Berge, nach Gebrauch von einigen Tagen des gesegneten Bramstedtischen
Brunnens, Gott sei Dank, soweit hergestellt, daß der Patient von seiner
Contractur am Fuß durch wegwerfung der sich bedienten Krücke nunmehr mit einem
kleinen Handstock hergehet, da derselbe Vorher eine geräume Zeit den Fuß nicht
zur Erde hat bringen können. - Und was es in hypochondrischen Ungelegenheiten,
allerhand Arten Fiebern, offenen Saltzigen Flußschäden und andern Krankheiten
für einen gesegneten Effect erwiesen, ist dasigen Einwohnern und in hiesiger
Gegend zur Genüge bekannt. Man hat nicht nötig, ein weiteres Elogium (Loblied)
diesem Brunnen beizulegen, sondern mit gutem Gewissen als ein besonderes
Genesungsmittel denen Preßhaften anraten, nur daß man sich desselben recht
bediene und auf gebührende Art damit umgehe. Wer das Wasser nicht richtig
anwendet, hat sich schlechter Hülfe zu getrösten, wohl aber Ungelegenheit und
Schaden zu befahren. Dannenhero wird die Anordnung hoher Landes-Obrigkeit
billig zu loben sein, daß des Ortes, da diese Quelle entsprungen und andere
entspringen können, ein besonderer >Brunnen-Medicus< zu setzen, um
a)
die
wahre Kraft solcher Brunnen zu untersuchen, in welchen Krankheiten sie etwas
Heilsames wirken können;
b)
auch
beste Achtung zu geben, ob die Patienten eine solche Krankheit haben, daß ihnen
das Wasser zuträglich, zumal aus dieser Brunnen-Kur leicht verkehrt procediret
werden kann, sodann alle Hoffnung auf Heilung wegfällt, auch der angefangene
gute Ruf dieses Brunnens sehr geschmälert wird;
c)
den
Gästen vorschreiben zu können, wie oft und viel sie sich des Wassers zu
bedienen und wie sie sich sonst zu verhalten haben;
d)
ob
man andere Arzneien dabei nötig habe;
e)
ob
man dergleichen Arzneien vor, bei, unter oder nach der Cur verordnen soll,
damit die Brunnen Cur gesegnet und nicht schädlich sei.
Also ist hauptsächlich
nötig, wenn man einen allgemeinen Nutzen gedenket unter Göttlichem Segen zu
haben, daß die Patienten, insonderheit die von weit entlegenen Örtern kommen,
sich untersuchen zu lassen:
a) ob sie durch die
vorhergehenden Kuren, so an ihnen geschehen, sich matt und schwach befinden;
378
---------------------------------------------------------------------------------------
b)
ob
sie noch in dem Zustande, eine gute Leibesbewegung zu thun sonsten ohne gleiche
Leibesbewegung zu machen, insgemein sich noch imstande befinden, solches zu
bewerkstelligen;
c)
ob
der Patient gesunde Eingeweide habe, weil sonsten dieses Wasser mehr schädlich
als dienlich, indem es in diesem Zustande den Tod nach sich ziehet;
d)
ob
der Leib bei dem Gebrauch vorhero genügend präparirt wurde, welches geschehen
muß durch Arzneien, die zum Teil das Blut von seinem Urin reinigen, zum Teil
aber die Schweißlöcher öffnen und den ganzen Körper perspirabila (überall
atmend, alle Poren offen) erhalten. -
Wo solches nicht
geschiehet, daß man dieses Wasser häufig im Leib hinein trinket, so ereignen
sich darob unfehlbare Unordnungen, weil die Säfte dadurch ungleich beweget und
erreget werden, daß der Patient Gefahr und Schaden laufen muß. Also bedarf es
einer wohl geordneten Methode, die vom Arzt zu bestimmen und zu überwachen ist.
Man kann sonst leicht des Guten zu viel thun. Streit und Zorn sind fern zu
halten. Das Effectum intermedium (die Nebenwirkung) ist zu beachten. Acht
geben, ob das eingetrunkene Wasser durch unterschiedene Wege fortgehet oder ob
es sitzen bleibet. Und wenn dies geschieht, sich hüten vor starken Purgantzen,
wohl aber gelinde und öfters laxiren. Der Anfang mit diesem Brunnen wird
gemacht mit laxiren, alsdann einige Tage hernach in Gottes Namen die Wasser in
der gehörigen Dosierung angefangen. Die Dauer bestimmt der Arzt je nach
Befinden des Patienten, wie auch das Quantum. >Dem Diät beträffentlich, so
muß man sich der nötigen Mäßigkeit befleißigen !< Wein soll nur trinken, wer
daran gewöhnt ist, andere nur ganz mäßig als Arznei, auch erstere mit Maßen.
Nüchternheit und Mäßigkeit auch im Verzehr ausländischer Gewürze wird
recommandieret. Gehörig schlafen; zulängliche Leibesbewegung. >Zärtliche
Persohnen sollen auf Wind und Wetter Achtung geben.< - Behandelte Personen
haben sich vor heftigen Affekten zu schützen und sollen nicht zu viel sitzen.
Wer gesund geworden, wird dem großen Schöpfer ein herzlich Lob und Dankopfer
bringen und die ganze Zeit seines Lebens so verwenden, daß es zur
Verherrlichung seines großen Namens gereiche. Gott anflehen, daß derselbe seine
in diesen Brunnen gelegte Kraft und Wirkung nicht entziehen wolle, sondern
demselben >mehr und mehr Segen und gedeihen schenke, daß er das andre Wasser
zu Bethesda bis ans Ende der Welt sei und bleibe und seine heilige und
beständige Kraft un Verwandelt behalten möge<.«
Das vorstehende, recht
umfassend darstellende Schriftstück findet sich unter alten Bramstedter
Polizeiakten unter dem Zeichen A X VIII Nr. 4453, aufgehoben im Kieler
Staatsarchiv, es wird damit gekennzeichnet als eine Akte der ehemaligen
hiesigen Kirchspielvogtei oder sonst des Segeberger Amtshauses. Die Frage, ob
die heutige medizinische Wissenschaft mit den mancherlei Fingerzeigen des
braven Herrn von Heckelsfeldt einverstanden sei, ist einstimmiger Antwort
sicher. Nicht sicher ist dagegen, ob Hohe Obrigkeit ihm Gelegenheit gegeben
hat, seine Kunst als Bade-Medicus hier zu erweisen.
379
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Erfreulich ist die
Tatsache, daß die Obrigkeit nachweislich ernst und nachhaltig der Angelegenheit
ihre Aufmerksamkeit geschenkt hat. Darüber werden nachstehende Schriftsätze die
erwünschte Gewißheit geben.
Amtmann von Arnold an
Hoch- und Wohlgeboren, Höchstgeehrten Herrn Geheimen Rath, Commissar und
Obersecretair (zu Kopenhagen).
Bramstedt,
den 15. Mai 1761
»Ich habe es für meine
Schuldigkeit gehalten, Ew. Excellence gehorsamst zu berichten, daß ungefähr
eine halbviertel Meile von Bramstedt eine Quelle vorhanden, deren Wasser von
vielen eine heilende Kraft zugeschrieben wird. Eben diese Quelle ist,
wie ich aus einigen mir vorgelegten Nachrichten ersehe, schon 1681 in großem
Ruf gewesen. Sehr viele Leute haben sich damals derselben und zwar mit gutem
Erfolg bedient. Durch die freywilligen Gaben, die von denen, die den Brunnen
besucht haben, ertheilet worden, ist der Kirche ein ansehnlicher Vorteil
erwachsen. Nach Verlauf von 2-3 Jahren hat sich zu der Zeit dieser Ruf aber
gänzlich verloren. Die eigentliche Ursache davon habe ich nicht in Erfahrung
bringen können. - Seit ungefähr 8 Wochen hat man aufs neue angefangen, eine
große Hoffnung zu diesem Brunnen zu fassen. Er wird täglich von vielen Leuten,
die zum Theil aus entlegenen Orten herkommen, besucht. Verschiedene sollen sich
seiner, dem Gerüchte nach auch nicht ohne gute Wirkung, bedient haben, und es
sind seit 4 Wochen schon über 700 Mark freywilliger Gaben zum besten der Armen
dabei gesammelt worden. Man hat, so gut wie man es bis jetzt gekonnt hat,
verschiedene Anstalten zur Erhaltung des Brunnens und zur Bequemlichkeit derer,
die ihn besuchen, gemacht. Ohngeachtet es zwar leicht geschehen kann, daß
dieser Brunnen, ebenso wie vorhin bereits geschehen ist, wieder in Verfall
gerate; so wäre es doch, in Ansehung des vielfältig daraus entspringenden
Nutzens, gar sehr zu wünschen, daß die wesentliche Eigenschaft des Wassers
genau untersucht und die Art, wie man sich desselben mit Vorteil zu bedienen
hat, bestimmt werde, damit man hiernach, und wenn das Wasser wirklich unter die
Gesundbrunnen gehörte, anderweitige, zur Aufnahme desselben gereichende
Maas-Regeln ergreifen könnte. - In Bramstedt fehlt jetzo ein Amts-Physicus.
Daher bittet der Schreiber, Excellence möge einen tüchtigen, zuverlässigen und
glaubwürdigen Mann mit dieser Aufgabe betrauen. - Wie man sagt, wollen
verschiedene Ärzte diesen Brunnen aus leicht zu begreifender Ursache schon mit
scheelen Augen ansehen.«
Das Königliche Ministerium
zu Kopenhagen verabschiedet diesen Brief mit folgendem Bescheid:
»Der kürzeste und am
wenigsten kostbare Weg, von der Beschaffenheit des Wassers dieser Quelle
vergewissert zu werden, würde es sein, wenn der Conferenzrath (v. Arnold) eine
mit der nötigen Vorsicht geschöpfte und verwahrte Probe nach Altona an den
Geheimrath von Qualen sendete und dieser solche von den dasigen Ärzten prüfen
ließe.«
(gez.)
im Königl. Conseil
380
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Conferenz- und Landrath,
auch Amtmann von Arnold an Königl. Majestät
Bramstedt,
den 1. Juni 1761
Betr. Vorläufige Ordnung
beim Brunnen
a)
Vor
5 Uhr morgens wird der Brunnen nicht freigegeben. Bis 12 Uhr mittags wird
lediglich den Brunnen-Gästen von dem Brunnen-Wasser gereichet, die entweder
persönlich bei der Quelle sich einfinden, um die nötige Portion Wasser zu
trinken oder aus den nahe herum liegenden Orten jemand hinschicken, um das
Wasser, das sie alle Morgen gebrauchen, in Flaschen oder Bouteillen holen zu
lassen. Letzteren werden aber von dem, der das Wasser schöpfet, nur zwei
Flaschen, höchstens einmal drei gegeben.
b) Wasser, das nicht mitgenommen oder verschickt werden soll, wird erst nach
12 Uhr abgegeben.
c)
In
hölzernen Tonnen oder Fässern soll inskünftige durchaus keinem etwas Wasser,
zumahlen solches darin völlig seine Kraft verlieret und davon gar keiner Nutzen
hat, verabfolget werden. Auf jeden Wagen, worauf man Brunnenwasser nach fremden
Orten mit sich nehmen will, sollen nur ausnahmsweise mehr als 16 Flaschen,
höchstens aber 20 Flaschen aufgeladen werden.
d) Keinem ist gestattet, in das um die Quelle herum aufgeführte Gebäude,
worinnen der Brunnen-Meister sich aufhält, der allein schöpfen soll, hinein zu
gehen, weil das nur Störung und Mißfallen herbeiführen könnte.
e)
Der
in der Quelle befindliche Sand hat in und für sich gar keinen Nutzen; niemandem
wird davon etwas gereichet.
f)
Andrängen
zum Brunnen und Zänkereien wegen eines Vorrechtes sind nicht statthaft; jeder
hat zu warten, bis die Reihe an ihn kommt.
Verstöße gegen diese
Vorschriften sind strafbar, und Störenfriede werden nötigenfalls mit Gewalt behandelt
werden.
Amtmann an den
Durchlauchtigsten Herrn Markgrafen.
Bramstedt,
den 1. Juni 1761
Zunächst werden uns
bereits bekanntgewordene Tatsachen aufgezählt und Justizrat Dr. Lesser aus
Preetz und Dr. Lossau aus Hamburg als Zeugen über die Vorteile des Brunnens
genannt. Die Menschenmenge, aus allerlei Gattung bestehend, füge sich nicht
hinreichend den getroffenen Ordnungsvorschriften. Mord und Totschlag könnte die
Folge sein. Ein Commando von 3 Unteroffizieren und 9 Gemeinen wird erbeten für
das beim Brunnen aufgebaute steinerne Haus, um dort Wache zu halten; auch sei
dem kommandierenden Offizier aufzugeben, daß der wachhabende Unteroffizier den
vom Amtmann jeweils nach Sachlage zu gebenden ordres nachzuleben habe. - Es sei
nicht daran zu denken, daß die hiesigen Hausleute, die ihrer Nahrung
nachzugehen haben, diesen Wachdienst leisten könnten.
381
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Excellence von Bernstorff,
Staatsminister, an Amtmann von Arnold
Copenhagen,
6. Juni 1761
Bernstorff gibt
entsprechend dem ministeriellen Bescheid Auftrag an den Amtmann und
gleichzeitig an Geheimen Rat und Oberpräsidenten von Qualen. Ersterer soll sich
von Herrn von Qualen die nötigen Vorsichtsmaßregeln ausbitten, wie das Wasser
zu schöpfen und zu behandeln sei, und dann in Flaschen oder Kruken ihm solches
übermitteln; auch wäre anzugeben, welche Gebrechen dem Vernehmen nach dadurch
geheilet werden. Von Qualen wird kurz über diesen Sachverhalt unterrichtet und
dann ersucht, die Altonaischen medicos Struensee, Cilano und Unzer die
fraglichen Brunnenproben beurteilen zu lassen. Das chymice zu untersuchende
Wasser solle in steinerne, ganz neue Kruken oder in trockene, noch nicht
gebrauchte Bouteillen gefüllt werden. So wäre denn ein wichtiger Teil der
Angelegenheit in förderlichen Fluß gebracht. Inzwischen ist an dem Orte, wo die
Dinge praktisch ihren Ablauf nehmen, in Bramstedt, neue Sorge aufgesprungen,
der wir uns zunächst zuwenden, bis die Altonaer Apotheker und Ärzte mit sich im
reinen sind.
Der Amtmann an Freiherrn
von Bernstorff
Bramstedt,
den 5. Juni 1761
»Ew. Excellence werden
sich gütigst erinnern, was ich unterm 15. passato (vor. Monats) wegen des
Bramstedter Gesund-Brunnens einzuberichten die Ehre gehabt. - Es ist seitdem
die Anzahl der Brunnen-Gäste dergestalt angewachsen, daß hier im Flecken und in
den nahe herum liegenden Dörfern für deren Einquartierung kaum Platz vorhanden
ist. In dem beim Brunnen gesetzten Armenstock sind schon gegen 1400 Mark
gesammelt worden. Dieses alles und insonderheit, weil der Justizrath und Dr.
Lesser aus Preetz aus eigener Bewegung den Brunnen untersuchet und sehr heilsam
befunden, hat mich veranlasset, bei demselben das gehorsamst angelegte Placat
anschlagen zu lassen. Es ist solches umso nötiger gewesen, weil auch Herr
Doctor Lossau aus Hamburg gestern sich hier eingefunden und gleichfalls ein
günstiges Urtheil von dem Brunnen gefället hat. - Dieses Placat wird indessen
von keiner Wirkung sein, wenn ich die von Ihro Hochfürstl. Durchl. dem Herrn
Markgrafen angeschlossenermassen verlangte Assistence nicht erhalte. Der
Kirchspielvogt Bassuhn ist mit Pflichten so überhäuft, noch gesteigert durch
die Regelung der jetzt erforderlichen vielen Fuhren, daß er die nötige Ordnung
beim Brunnen nicht durchfuhren, höchstens die Oberaufsicht haben könnte.
Demnach Bitte um Beistand, daß die Assistence gestellt werde, auch
Verhaltungs-Ordre beizulegen, wie es mit dem nach fremden Orten zu verfahrenden
Wasser gehalten werden solle.« - In Hamburg wird die Flasche bereits für 16
Schilling (1,20 Mark) verkauft. Solches sei der Königl. Casse nachteilig;
vielleicht müssen bald bei dem Brunnen einige kleine Gebäude angelegt werden.
Die Salarirung eines Brunnen-Doctors wird in Frage kommen und daher einiger
Vortheil der Königl. Casse, wie der Sage nach in Pyrmont, ins Auge zu fassen
sein.
382
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Kirchspielvogt Bassuhn
bestätigt Heilerfolge
Bramstedt,
den 15. Juni 1761
a)
Ein
Einwohner zu Stellau, Namens Peeves, hat bekannt, daß seine Frau, die im
Wochenbett vom Fieber befallen und von Herrn Prof. Heuermann, welcher in
Kellinghusen dem Königl. Lazarett vorsteht, dawider Hilfe gesucht, hat nicht
geholfen werden mögen; durch den Gebrauch des hiesigen Brunnenwassers sei sie
jedoch befreiet worden.
b)
Kirchspielvogt
Kroner in Kellinghusen: Tochter durch den Gebrauch dieses Wassers vom Fieber
genesen.
c)
Ebenso
des hiesigen Pastoren Chemnitz kleine Tochter.
d)
Ingleichen
eine Tochter des hiesigen Tischlers.
e)
Der
1/3 Hufner Hinrich Ramm und andre mehr sind völlig vom Fieber befreit worden.
f)
Eine
Witwe hieselbst, Namens Abel Bogen hat beinahe 30 Jahre einen bösen offen Bein
Schaden gehabt und nicht geheilt werden können; ist durch den in- und
äußerlichen Gebrauch des Brunnen Sandes und Wassers vollkommen geheilt.
g)
Ein
Bleicher von Eimsbüttel bei Hamburg, Namens Johann Wiebke, selber viele Jahre
lang engbrüstig gewesen und bei vielen medicinis keine Hilfe dawider erlangen
mögen, dem dessen Ehefrau, welche offenen Bein Schaden viele Jahre gehabt und
dawider kein Mittel hat erhalten können, sind völlig genesen.
h) Claus Schmid aus
Beyderfleth, lange Jahre offenen Bein Schaden, ist geheilt,
i) Ein Schmiedknecht von
Uetersen desgleichen.
k) Friedrich Jürgens aus
Ochsenwärder bei Hamburg, 6 Jahre offenes Bein, völlig heilt; vergnügt davon
gereiset.
1) Carl Christopher Leesen
aus Hamburg, hat 17-18 Jahre dergleichen gehabt und in Hamburg namentlich die
alten medicos Dr. Lossau und Carsten um Hilfe aufgesucht, aber nicht erlanget:
durch 14tägigen ordentlichen Gebrauch des Wassers und Sandes würkliche Hilfe
und Heilung erhalten; weil inmittelst dem Sande größere Kraft, die böse Materie
aus der Wunde zu bringen, beilegen als dem Wasser.
m) Derselbe meldet, daß
ein Hauszimmermann, den er gar wohl kenne, von der Gicht 14-15 Jahre sehr
beschwert worden, dawider große Hilfe empfunden und sich bei weiterem Gebrauch
völlige Hülfe verspreche.
n) Frau aus dem Gute
Helmstorff, Anna Margaret Haarz viele Jahre geschwollene und offene Wunden
gehabt; ist nach dem schriftlichen Attest des Herrn von Buchwaldten völlig
geholfen.
o) Mädchen aus dem
gleichen Gut, Magdalena Elisabet Anders, als Kind im 4. Jahre vom Schlage
gerührt, daß sie nur wenig gehe, den linken Arm und Fuß gar nicht rühren
konnte, ist nach dem obgedachten Attest durch den Gebrauch des Wassers so weit
gekommen, daß sie nach dem Brunnen gehe und Hände und Füße solchergestalt
wieder bewegen kann,
p) Hiesigen Einwohners
Detlef Rolfs Sohn, im 3. Jahr in einer Krankheit eine
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Verlähmdung der Hüften
bekommen und daher bei einer Krücke gehen müssen, ist soweit geholfen, daß er
die Krücke ablegen könne.
q) Jasper Wilckens, ein
hiesiger Einwohner, der 3 Jahre krumm gebückt bei einer Krücke sehr kümmerlich
gegangen, ist völlig genesen, r) Kind aus Eimsbüttel bei Hamburg, in den Pocken
Verlähmdung am Arme behalten, ist wirklich geholfen.
s) Jochim Offer, aus
Tangstedt, Amt Trittau, dessen Frau viele Jahre von starker Engbrüstigkeit
incommodirt worden und kaum dafür gehen können, ist völlig genesen.
t) Henning Lamp aus Gut
Helmstorff: Bein und Leib stark geschwollen, daß er fast gar nicht gehen
können. Laut Attest seines Herrn: Geschwulst hat sich gänzlich verloren; hat
von hier nach Helmstorff 7-8 Meilen zu Fuß gehen können.
u) Mann aus Altona, im
Gemüt beschwert gewesen, ist vergnügt von hier abgereiset.
v) Frau Baronesse de
Schielen bezeuget, daß ihr Sohn an Skorbutischem Ausschlag dermaßen krank
gelegen, daß ihm das Bein durch das beständige Liegen im Gelenk schief und die
Sehne daselbst kürzer geworden. Durch 10tägigen in- und äußerlichen Gebrauch
des hiesigen Wassers dergestalt hergestellt worden, daß der Ausschlag
angefangen hat sich zu verlieren, auch die unten ausgesprungene Sehne sich von
selbst wieder eingesetzt und dem Anschein nach wieder grade wird, wie es früher
gewesen.
w) Ferner, daß Ernestine
Hahn aus Gut Lensahn, die seit 3 Jahren alle 3 Tage einen innerlichen Anfall
gehabt des Abends, nach 10tägiger Kur solche Wirkung gespürt, daß nicht der
geringste Anfall vorkam.
Beide Personen, (v und w)
haben während der 10 Tage keine andere Kur
gebraucht.
gez.
Bassuhn, Kirchspielvogt
Bericht
von Dr. Johann August Unzer, Altona
an
Hochehrwürdigen Herrn Probst und Hoch- und Wohlgeboren Herrn Geheim-
rath
und Oberpräsidenten (von Qualen).
(Gekürzt,
soweit der Sachinhalt es duldet.)
Hinweis auf die ihm
zugedachte Untersuchung und kunstmäßige Prüfung des Bramstedter Wassers. Ihm
willkommen, da er bereits aus eigenem Antriebe solche Probe vorgenommen. Die
ersten Versuche, mit Wasser angestellt, das in schlecht verwahrten Gefäßen 6
Meilen weit gefahren worden, haben wenig Hoffnung auf eine erhebliche
Arzneikraft gegeben. Darnach Bemühung, einwandfreies, möglichst frisches Wasser
zu erlangen. Die Kaufleute Gisbert von der Smissen und Wetzel haben ihm die
Gefälligkeit erwiesen; die Proben haben kein anderes Ergebnis gehabt. Um
sicherzugehen, habe er sich mit dem geschicktesten dortigen
384
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Apotheker, Nebelung, in
Verbindung gesetzt, er möge die Proben wiederholen, erweitern, und ihm das
Resultat bekanntgeben. Dieser versicherte, ebenfalls bereits geprüft zu haben,
und zwar mit unterschiedlichem Ergebnis, meinte aber, daß Galläpfel das Wasser
braun gefärbt haben, woraus man auf etwas Vitriolisches oder Eisenhaftes
schließen müsse. - »Ich wiederholte mit seinen Galläpfeln die gleiche Probe und
fand keine Veränderung.« - Unsicherheit ist das Zeichen der bisherigen Mühen. -
»Einige haben grünen Thee mit Elbwasser ziehen lassen und, nachdem sie dieses
Theewasser mit dem Bramstedter Brunnenwasser vermischt, beobachtet, daß es eine
Purpurfarbe bekommen. Ich habe den Thee mit dem Wasser meines Hausbrunnens,
welches weit reiner als das Elbwasser ist, ziehen lassen und nach Vermischung
mit dem Bramstedtischen keine solche Veränderung der Farbe gesehen. - Das
Galläpfelpulver habe ich mit dem Bramstedter frischesten Wasser 3 Tage und
Nächte stehen lassen, ohne daß es davon braun, noch purpurfarbig, noch schwarz
geworden ist. Also ist die Hoffnung auf Vitriolisches oder Eisenhaftes nur
schwach begründet.« Demnach kommt er zu der Meinung, alle derartigen Versuche
seien an Ort und Stelle vorzunehmen. Vermutlich werde Physikus Dr. Struensee
demnächst dies durchführen, und somit glaube er, von weiterem absehen zu können.
Altona,
den 17. Juni 1761
Schreiben
des so berühmten als geschickten Arztes Herrn Dr. Lassau des Ältern, Hamburg
(Entnommen
dem »Reichs-Postreuter« vom 16. Juni 1761. Gekürzt, soweit es
ohne
Schaden für den Inhalt angängig schien.)
»Ich hoffe, es werde Ihnen
nicht zuwider seyn, wenn ich Ihnen einige Versuche mittheile, die ich bei der
anjetzo so sehr besuchten Quelle zu Bramstedt, dem sogenannten Schafbrunnen,
angestellt habe. Ich hielt dessen so sehr gerühmte Wirkung für erdichtetes
Fabelwerk. Bald sollten Blinde sehend, Taube hörend, Lahme gehend und
Aussätzige von ihrem Übel befreyet sein. Die von Schwindsucht oder von, Gicht,
ja fast allen nur möglichen Krankheiten Angefallenen sollten daselbst Heilung
finden und zwar in sehr kurzer Zeit. Ich reiste selbst zur Quelle hin.«
Herr Amtmann und
Conferenzrath von Arnold unterstützte weitgehend die Bemühungen. Der Brunnen
sollte nicht eher wieder geöffnet werden, bis die Versuche erledigt wären. »Ich
untersuchte erstlich die Gegend, fand eine Art harter, rötlicher Erde, sonst
aber keinen Unterschied mit der gewöhnlichen sogenannten Heideerde. Der Brunnen
selbst liegt in einem Thale in einer Art von vorbeschriebenem Erdreich, sehr
klar und stark fließend, indem in einer Stunde, da doch beständig geschöpfet
wurde, an dem Behälter, worein es fließet, kaum ein Abgang zu bemerken war.
Sobald ich den Deckel des Brunnens öffnete, dampfte er indes nur wenig; der
Geruch war etwas sulphurisch (schwefelhaft), aber nicht stark. Ich fand auf dem
Wasser viel farbenspielenden Schleim, aber so
385
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dünn, daß er nicht aufzufangen
war, und dem gleich, der auf dem Wasser treibet, das in Mooren fließet, noch
schmeckte, und roch fast nach nichts, und um Versuche damit anzustellen, zu
wenig. Folgende Versuche habe ich angestellt:
1. nahm
ich von dem Brunnenwasser und goß Syruptum Violarum darauf: es wurde erstlich
grün, nachher trübe und violett;
2. goß
ich zu dem Wasser ein Decoctum (Abkochung) Callarum Tureicarum; es wurde
blaugrau, demnächst schwarz und trübe, wobei es einen ganz faulen Geruch hatte;
3. tröpfelte
ich Oleum tartari darein: es präcipirte sich milchicht;
4. mischte
es darauf mit Spiritu Nitri acido: es blieb unverändert;
5. mischte
es mit Oleo Vitrioli glaciali: es wurde klar;
6. nahm
nachher die Solutionum solis cammunis, goß es zum Wasser: keine Änderung;
7. weder
mit Solutione Aluminis noch mit
8. Solutia Vitriolo Veneris sive de eypro machte die geringste Veränderung;
9. macht die Solutio Vitriolo Martis in Aqua trübe, grün-schwärzlicht und stinkend wie faule Eier, doch nicht so stark wie bei der
10. Solutione sulphuris, als wonach es sehr stark roch und ganz trübe, schwarz
grau und fast braun ward;
11. goß ich spiritum ammoniaci volatilem hinzu: es ward blaugrün und trübe;
12. wurde es von einer solutione socchari salumi milchicht, trübe;
13. hatte ich ferner Argentum in aqua forti solviret und diese solution ins
Wasser gegossen: es wurde milchicht und fiel sogleich zu Boden;
14. hatte ich auf gleiche Weise Mercurium vivum solviret, welches sich im
Wasser ebenfalls milchicht präsipierte (niederschlug);
15. machte die solutio Maritis in aqua forti das Wasser schwärzlich; nach
einigen Stunden fiel ein schwarzes Pulver zu Boden.
Ich hätte gern noch
mehrere Versuche, und zwar mit Feuer angestellt; allein der Zulauf und das
Geschrei von mehr als tausend Personen, die sich bei der Quelle einfanden, um
zu trinken, verstattete mir solches nicht, und ich mußte mit diesen noch
unvollkommenen Versuchen einhalten. Es wäre wohl zu wünschen, daß dieses Wasser
mit aller Aufmerksamkeit untersucht würde und zwar von einem Chymicus, den
weder Vorurtheile noch Eigennutz verhinderte, eine solche Untersuchung mit
aller dazu erforderlichen Genauigkeit anzustellen. Sollte aber mit dem Schöpfen
so fortgefahren werden, wie anitzo geschiehet, so ist zu vermuten, daß die
Quelle bald zernichtet werde. Es werden viele hundert Quartier1) vom
Morgen bis zum Abend ohne die geringste Zwischenzeit geschöpfet, und man
verspricht sich eine gleiche (unveränderte) Wirkung. In der Nähe sind Gräben
voll unreinen Wassers, wodurch die Wirkung kann geschwächt oder vernichtet
werden. - Wie kann ferner den armen Leidenden recht geholfen werden; es fehlt
den meisten sogar an dem nötigsten Unterhalt; ist auch kein Medicus daselbst
vorhanden. Ein jeder trinkt nach dem gehörten Maße ohne Ordnung, woraus
__________
1)
Quart = ¼ eines früher gebräuchlichen Maßes, in Preußen etwa 1,1 Liter.
386
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denn folget, daß die Cur
eine höchst schädliche Wirkung hervorbringet. Es sind noch genauere
Untersuchungen des Wassers nötig, um mit Sicherheit seinen Nutzen zu bestimmen;
Übereilung kann nur schaden.
gez.
C. E. A. Lossau
Amts-Chirurgus
Christ. Peter Spickholtz bestätigt unter seinem Amts-Eide die Heilwirkungen des
Bramstedter Brunnens
Davon einige Beispiele:
Bramstedt,
den 22. Juni 1761
1. Ein
Mann aus Elmshorn, Rohde, der an Gliederlähmung gelitten, daß er weder Arme
noch Beine bewegen konnte, sei nach 12tägigem Gebrauch des Brunnens soweit
gewesen, daß er von Hitzhusen zum Brunnen gehen und sogar tanzen könne.
2. Mann
aus Brunsbüttel, einige Jahre völlig taub, habe nach 14tägigem Gebrauch das
Gehör völlig wiedererhalten.
3. Eine
Frau aus Hamburg, die an Gicht gelitten, daß sie nicht hat gehen können, war
nach 14 Tagen geheilt und hat nach Hamburg zurückgehen können.
Bramstedt,
den 24. Juni 1761
4.
Kornschreiber Deller aus Knoop war nach 3 Wochen vom Quartan (jeden 4. Tag
auftretendes Fieber) geheilt.
5.
Ehefrau des Hamburgischen Dragoners Koch hat nicht gehen können, weil
contract (mit verkrümmten Gliedmaßen) gewesen; konnte nach 3 Tagen zum Brunnen
gehen und ist nach 11 Tagen völlig curirt und zufrieden abgereiset .-Sp. hat
sie täglich besucht.
6.
Simon Jörs aus Lutes hat ein armes kleines Kind von 10-12 Jahren hierher
gebracht, das auf beiden Augen völlig blind gewesen. Nach 14tägigem Gebrauch
hat Chir. Sp. ihm ein Haar vor das rechte Auge gehalten, das es erkannt und mit
seiner Hand weggenommen. Diese Probe ist von mehreren Personen wiederholt
worden. Mit dem linken Auge hat es nur eben den vorgehaltenen Finger erkennen
können.
Noch
ein freiwilliges Urteil eines hohen Beamten
Schleswig,
den 20. Juni 1761
An den Herrn Geheimen und
Obersecretair (Bernstorff) in Copenhagen. Er habe, als das Bramstedter Wasser
so sehr bekannt wurde, aus sich heraus mit einem sehr tüchtigen Laboranten,
Offer Lansen aus Altona, 20 - 30mal in Schleswig das Wasser untersucht. »Wir
fanden bloß ein gemeines, etwas mohriges Wasser und waren nicht befriedigt.
Sobald es die Zeit erlaubte, bin ich am letzten Sonntag
387
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mit dem Genannten nach
Bramstedt gefahren. Wir fanden dort den Leib-Medicus Sr. Hochfürstlichen
Durchlaucht zu Ploen, Hofrath Rüsch, und den gleichfalls sehr geschickten
Hof-Apotheker Hermann an; sie wie wir hatten alles mitgebracht, was zum
Experimentieren nötig. Ihre und unsere Versuche kamen in allen Stücken aufs
genaueste überein, waren aber bei der Quelle auf keine Weise von denjenigen
unterschieden, die wir längstens in Schleswig gemacht. Die Beylage enthält
selbige ohne alle Partheilichkeit, und Ew. Reichsfreiherrliche Excelence würden
mir eine besondere Gnade erzeigen, wenn dieselben der Med. Facultät Inducium
(Urteil) darüber einzuholen gnädig geruhen möchten.« - »Gute Bewegungen,
veränderte Diät und starkes Zuvertrauen können die ohnedies öfters sehr
heylsamen Wasser Curen um ein merkliches befördern.«
gez.
Süersen (Regierungsbeamter)
Physikus
Dr. Struensee berichtet amtlich
Altona,
den 13. Juli 1761
Das Geheime Kgl. Conseil
hatte (durch den Oberpräsidenten v. Qualen) zur Prüfung der Quelle beauftragt
Prof. Maternus Cilano und Dr. Unzer nebst mir als Physiko das Wasser nach
chimischen und medicinischen Grundsätzen gemeinschaftlich zu untersuchen. Hier
der Bericht: Nur Versuche an der Quelle konnten zum Ziele führen.
Bin am z 3. Juni
nach Bramstedt gereist und habe am nächsten Morgen um fünf Uhr die Versuche und
Beobachtungen begonnen. Herr Conferenzrath (Amtmann) v. Arnolds Secretair,
Kirchspielvogt Basuhn und der sehr erfahrene Altonaer Nebelung und verschiedene
Brunnengäste waren Zeugen. Eine Viertelmeile1) östlich von
Bramstedt; verschiedene kleine Hügel mit Bäumen schmücken die Gegend. Quelle
liegt inmitten einer ziemlich großen Ebene, teils mit Heide bewachsen, teils
mit Korn angebaut, durch viele Hügel begrenzt. Meist moorichter Boden.
Verschiedene Lagen von Erde: leimigt (lehmig), gelbrötlich; eine andre
dunkelbraun, hart und so fest, daß sie nur mit großer Gewalt durch Hacken kann
zerschlagen werden. Man nennt sie Branderde; sie liegt eine Schicht tief.
-Brunnen ist mit eichenen Bohlen eingefaßt. Darüber ein Bretterhaus. In Höhe von
4 Fuß (reichlich 1 m) ein beständiger Abfluß. Im Grund der Quelle ist
Kieselsand, der keinen Vorteil vor gemeinem Sand hat, aber aus Vorurteil
innerlich und äußerlich von Leuten gebraucht wird. In 8-10 Schritt Abstand ein
Graben mit gemeinem Wasser. Noch war am 24. Juni kein Wasser geschöpft. Nachdem
der Deckel abgenommen, fand ich auf der Oberfläche eine schwarz-bläuliche,
etwas glänzende Haut, die im Sonnenschein sicher ein Farbenspiel haben wird. Am
Finger hing sie als dunkelgelber Schleim, war ohne Geruch und Geschmack,
anzufühlen wie ein sehr feines Pulver.
__________
1)
Also bestimmt die gleiche Quelle, die 1681 so erstaunliche Erfolge zuwege
brachte.
388
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Später habe ich mit
Professor de Cilano und Dr. Unzer gemeinschaftlich Versuche angestellt; sie
sollen im Bericht gleich mit berücksichtigt werden. - Wir benutzten das Wasser,
das ich in meinem Beisein des Morgens in Glasflaschen füllen und gleich mit
Kork und Pech wohl habe versehen lassen. Am 25. Juni nachmittags, nachdem ich
morgens von Bramstedt zurück und das Wasser etwa 36 Stunden alt, wurden diese
Versuche gemacht. Auch Nebelung, der Apotheker, war wieder zugegen.
a) An der Quelle
gemachte Proben:
1. Farbe
des Wassers weiß-bläulicht, blaß schieferfarben, jedoch durchsichtig und klar.
2. Geruch
sehr deutlich eisenhaft und schweflicht, beim Umschütteln in der Flasche etwas
stärker werdend; kein Aufbrausen des Wassers, wie bei so manchen mineralischen,
sichtbar.
3. Geschmack
stahlhaft, sulphurisch, etwas zusammenziehend, aber nicht widerlich oder
ekelhaft.
4. Eine
gläserne Wasserwaage stand ½ Grad höher als im Wasser aus dem genannten
Graben und 1 Grad höher als im gereinigten Elbwasser und als in destilliertem
Regenwasser.
5. 15
Tropfen von der solutione lunae in aqua forti erregten in 2 Unzen des
Quellwassers alsbald eine weiße milchichte Farbe und Gerinnung, worauf nach 2
Stunden ein milchichtes Pulver zu Boden fiel. (Die gleiche Probe mit Wasser aus
dem Graben ergab nur geringe Veränderung, und weißes Pulver fiel nicht zu
Boden.)
6. Die
solutio mercurii, bis zu 60 Tropfen nach und nach mit dem Wasser vermischt,
machte es etwas weißlich, oben mehr als unten, schlug aber nicht zu Boden.
7. Ein
Quentlein von Sirup violarum und ebenso viel von der Tinctura aquitegiae
brachte schnell dunkel grasgrüne Farbe hervor, die nach 3 Stunden noch
unverändert, höchstens etwas dunkler war.
8. Die
mineralischen Säuren des Spiritus vitrioli, nitri, sal. commonis, sulphuris und
aluminis nebst dem oleo vitrioli verursachten bei Zumischung nicht die kleinste
Änderung.
b) Dieselben Versuche, in
Altona angestellt:
1. Hier
sah es trübe, gelb und nicht mehr so durchsichtig aus.
2. Der
Geruch hatte sich zu unserer Verwunderung gänzlich verloren; beim Umschütteln
zeigten sich wenig Luftblasen.
3. Mehr
süßlich von Geschmack, sonst schmacklos.
4. Diese
Probe hatte unverändert den gleichen Erfolg.
5. Der
gleiche Erfolg, nur war das praecipirte Pulver mehr bläulicht und
schieferfarben.
6. Nachdem
die Mischung einige Zeit gestanden, wurde das Wasser an der Oberfläche trübe
und undurchsichtig; kein Niederschlag.
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7. Veränderung
der Farbe bei Violensaft viel langsamer, bei T. aqui legiae überhaupt nicht.
8.
Wie
bei dem Versuche an der Quelle.
Im Endergebnis stellte man
einige würflichte Salzkörner fest, von ähnlicher Eigenschaft wie das Kochsalz,
und daneben etwas gelbliche Erde, die auf Eisengehalt schließen ließ, ohne daß
es bei dem geringen Quantum möglich gewesen wäre, das Metall sichtbar zu machen.
Ein Sonderversuch wurde
noch in der Weise durchgeführt, indem man einen Teil des mitgebrachten Wassers,
offen der Luft ausgesetzt, an einem warmen Orte sich selbst überließ und so
beobachtete.
Am 27. Juni noch mehr der
gleichen Flocken niedergeschlagen und das Gefäß wie mit einem gelben Schleim
überzogen.
Am 30. Juni noch mehr der
gleichen Flocken niedergeschlagen und das Gefäß wie mit einem gelben Schleim
überzogen.
Am 7. Juli hatte sich eine
gelb-rötliche Erde, häufig wie ein Federmesserrücken dick an Boden und
Seitenwand des Gefäßes (irdene Schale) angehängt. Zwischen den Fingern war sie
fettig, leimicht wie Thon anzufühlen. Die ganze Zeit über hatte das Wasser
weder einen fäuligen Geruch noch Geschmack. In einem Glase, vorsichtig
ausgeschöpft, zeigte es viele weiße Fasern, die darin herumschwammen1).
Endurteil
über die mögliche Wirkung
»Was die Wirkung dieses
Wassers betrifft, die es, wenn es getrunken wird, im menschlichen Körper
hervorbringt, so hat es bei einigen, wenn sie es nüchtern genommen, Erbrechen
verursacht, andere hat es laxiret; einige haben Verstopfung des Leibes danach
bekommen, und den meisten hat es den Urin stark getrieben. Der Herr
Conferenz-Rath, Amtmann von Arnold, hat Beispiele über den Erfolg
niederschreiben lassen, die in Anlage folgen.« (Sind im Auszuge bereits oben
gegeben.)
»Die Versuche und
Beobachtungen erweisen, daß das Bramstedter Quellwasser ein principium subtile
martiale sulphurum nebst einer alcalinischen Erde und etwas Salz, so dem
Kochsalz ähnlich, besitze. Ersteres ist aus Geruch, Geschmack und Färbung mit
den Galläpfeln; das andere aus der Verwandlung der blauen Farbe des sirupi
violarum in eine grüne, und der letzte Teil aus der geschwind erfolgten
congulation (Gerinnen) der Silbersolution (Lösung), teils aus der durch das
Abtauchen (Verdunsten) bekommenen remanenz (Rückstand) abzunehmen. Da aber das
principium martiale sulphurum nur in ganz geringer Quantität damit vermischt
ist, so verbindet sich das ocidum vitrioli, sobald das Wasser der Wärme
ausgesetzt wird oder auch nur einige Zeit stille stehet, gleich mit der terra
alcalina und lässet die wenigen Eisenteile fallen. Die leichtesten und
subtilsten derselben
__________
1)
Die Reihe der Versuche, hier am Ort und in Altona angestellt, ist hiermit nicht
erschöpft, der Sinn vorliegender Darstellung möge das rechtfertigen. D. V.
390
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vereinigen sich mit der
sulphurischen Fettigkeit, welche sich auf der Oberfläche des Wassers als eine
farbige Haut zeigt; dahingegen die schweren in Gestalt einer Ochererde (Ocker)
zu Boden fallen. Dies ist der gemeinste Grund, warum dergleichen mineralische
Wasser, als das Pyrmonter, Schwalbacher u.s.w. nach den Beobachtungen der
geschicktesten chymicorum (Chemiker) Markgraf und Seip ihre Kräfte durchs
Verfahren (Transportieren) und langes Stehen an freier Luft, ja auch durch die
bloße Wärme der Luft und der Sonnenstrahlen verlieren. Je weniger ein Wasser
von diesem principio hat, desto geschwinder wird es unkräftig, und hieraus
erklärt sich, warum das beim Bramstedter Wasser so schnell geschieht. Es soll
daher bloß an der Quelle getrunken werden, und auch dann kann es nur für
schwach und von geringer Kraft erklärt werden. Es könnte vielleicht verstärkt
werden, wenn das vorbeifließende Moorwasser abgeleitet und jeder Zufluß fremden
Wassers verhindert würde.«
gez.
Struensee, Physicus
Maternus
de Cilano bestätigt, alle Versuche mit dem verfahrenen Wasser habe er in
Gegenwart der committirten (beauftragten) Ärzte befunden, wie hier beschrieben.
Letzte
amtliche Dokumente in Angelegenheit des Gesundbrunnens
Altona,
den 17. Juli 1761
Oberpräsident
von Qualen reicht den vorstehenden Bericht nach Copenhagen ein und stellt fest,
daß damit Phys. Struensee, Prof. Maternus de Cilano und Dr. Untzer
auftragsgemäß die ihnen gestellte Aufgabe gelöst haben.
Altona,
den 28. Juli 1761
Dr.
Johann Aug. Untzer spricht dem Hoch- und Wohlgeborenen Reichs-Freiherrn und
Geheimrath, Gnädigsten Herrn (von Bernstorff) untertänigsten Dank aus für die
gnädige Beachtung, die im Hinblick auf die mineralischen Wasser zu Bramstedt
seiner Arbeit und seiner geringen Person zutheil geworden.
Copenhagen,
1. August 1761
Excellenz von Bernstorff
an Amtmann von Arnold
Er
möchte genauer unterrichtet sein und Nachricht haben, was die Ableitung des
Moorwassers (siehe Struensees Bericht) kosten werde, und ob und welchen
Nachteil die angrenzenden Unterthanen davon haben möchten. Wären die Kosten gar
zu hoch und sonst noch einiger Schaden dabei, dann könne man sich schwerlich
auf besagten Vorschlag einlassen, um so weniger, da man von der Bonität des
Wassers nicht unterrichtet ist.
Bramstedt,
den 7. August 1761
Der Amtmann antwortet dem
Minister von Bernstorff
Die
Ableitung des Moorwassers könne ohne Kosten (für die Staatskasse) vorgenommen
werden. Er habe bereits angeordnet, daß das Nötige geschehe. - Der
391
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Zulauf habe inzwischen
»gar sehr« abgenommen; es finde sich fast gar kein Gast mehr ein. Vielleicht
schaffe ja die Ableitung neues Vertrauen; es sei wohl angebracht, vorläufig
weiteres nicht zu unternehmen. - Zugleich bemerkt von Arnold, daß in dem beim
Brunnen aufgestellten Armenstock bisher über 2000 Mark eingekommen. Sicher sei
noch einmal so viel im Flecken und den benachbarten Dörfern verzehrt worden,
und der Brunnen sei dem Lande nichts weniger denn nachteilig gewesen.
Damit schließen die bisher
bekannten amtlichen Akten über den Gesundbrunnen ab. Nimmt man hinzu, daß auch
die am 1. Juni 1761 erbetene militärische Wache bereitwilligst von der
Regierung gestellt worden ist, so wird man zugeben, daß die Königlichen
Behörden und Beamten ihre Schuldigkeit getan haben. Wenn aber trotz der
unverkennbaren Mühen von genannter Seite schon nach Ablauf von drei Monaten -
Mitte August - kaum noch neue Gäste erschienen sind, so muß die Ursache wohl
als nicht geklärt dahingestellt bleiben. Auf keinen Fall darf sie den am
Brunnen postierten Soldaten aufgeladen werden. Ihnen war eingeschärft, stets
höflich gegen die Gäste zu sein. Sie standen unter der Oberaufsicht des
Kirchspielvogts, und wenn auch ihre Instruktion sie verpflichtete, bei
Unordnung mit Zuschlagen des Säbels zu drohen, so war doch die Dämpfung
angefügt, daß sie nicht wirklich zuschlagen dürften. Sie hatten nötigenfalls
Meldung zu machen beim Kirchspielvogt.
Der aufmerksame Leser wird
eine Äußerung darüber vermissen, was denn der Flecken von sich aus unternommen
hat, um die ungewöhnliche Gelegenheit zur Förderung des Gemeinwesens zu nutzen.
Spärlich nur sind die
Urkunden in diesem Punkte. Das Fleckensbuch meldet lakonisch:
»Iß in diesen Jahr (1761)
der Sunbrun von Neuem Repariert worden und Viellen Menschen geholfen.«
Man darf daraus schließen,
daß die Fleckenskasse in Anspruch genommen worden ist, wie denn auch in
späterer Zeit der Flecken das Badehaus versteigerte. Es hat dem Bauern
Steckmest bis in die jüngste Zeit als Scheune gedient und ist nun der
notwendigen Begradigung der Reichsstraße zum Opfer gefallen. Pastor Chemnitz
aber hat in seine Memorabilien eingetragen: »1761 ist im Frühjahr der hiesige
Gesundbrunnen (der bereits um 1680 besucht worden) aufs neue in Ruf gekommen,
so daß von vielen Orten, besonders von Hamburg sich viele dabei eingefunden;
und zur Bequemlichkeit ein bretternes Haus dabey erbauet werden müßen. Von den
Almosen, die bey dem Brunnen gegeben wurden, hat die Armen Casse, nach Abzug
der Kosten, bei 500 Reichsthaler erübriget.« Der Zeitpunkt, wo Brunnenhaus, Badehaus
an der Osterau und Wachthaus wieder verödet dastanden, läßt sich nicht genau
angeben; die Nachricht vom 7. August gibt einen Fingerzeig.
392
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3.
Erneutes Aufblühen um 1810
Dieses erneute Aufspringen
des alten Rufes der Bramstedter Heilkuren unterscheidet sich zweifach von dem
vorigen. Einmal ist der Zeitpunkt für dieses Aufspringen nicht so genau
bestimmbar, und andrerseits kommen diesmal außer dem alten Gesundbrunnen
mehrere andere, neu entdeckte Quellen in Frage. Ersteres mag seinen Grund darin
haben, daß die fraglichen Vorgänge nicht mit der alten Plötzlichkeit zutage
getreten und dabei von längerer Dauer gewesen sind. Aber zweifellos darf man in
dieser Hinsicht das Jahr 1810 als den ungefähren Höhepunkt im Ablauf der
Ereignisse ansehen; vereinzelte Nachrichten aus der Zeit kurz vorher und
nachher bestätigen das.
Diesmal sind auch die
Fleckensleute unter denen, die der Sache den erwünschten Antrieb geben. Am 12.
April 1810 wenden sich »die Einwohner Bramstedts« an Kgl. Majestät in
Kopenhagen mit folgender Darlegung: Es wird gebeten, hinsichtlich der bei dem
Gesundbrunnen vorzunehmenden Einrichtungen »etwas zu entscheiden« oder zu
gestatten; nämlich, daß die Supplikanten selbst die nötigen Einrichtungen für
die Bequemlichkeit der Kranken treffen. - Bis jetzt sei nichts geschehen. Das
schwäche die Heilwirkung. Man habe gehört, daß bereits von andrer Seite an
Allerhöchster Stelle Vorschläge gemacht worden seien, die sehr ins Große gehen
sollen. Sonst hätte man sich früher gemeldet. - Das Wasser müsse an der Quelle
getrunken werden, um wirksam zu sein. Die Kranken müßten gegen die Witterung
geschützt werden: ein Gebäude sei nötig. Die bekannt gewordenen Vorschläge
würden gewiß dem Übel begegnen. Aber es fehle die Genehmigung, die noch einmal
erbeten wird. - Wenn »nein«, so möge Majestät erlauben, »daß auf Kosten des
Fleckens Bramstedt einige Anlagen gemacht werden, die zur Bequemlichkeit der
Kranken unentbehrlich.« Der Flecken werde nur Bescheidenes leisten können; aber
schon dieses werde nicht ohne Einfluß auf den Besuch sein. Die Sache müsse ohne
Verzug gefördert werden. Man wolle nicht künftigen größeren Unternehmungen im
Wege sein. Nötigenfalls könne man wieder fortnehmen, was heute unentbehrlich
scheine.
Alleruntertänigst
Anton
Schmidt, Hans Lahrsen, Hinrich Steckmest.
Die
von anderer Seite gemachten Vorschläge, auf die sich die drei Ratmänner
beziehen, sind direkt nicht nachzuweisen. Man darf jedoch vermuten, daß
nachstehendes Schreiben aus Copenhagen, datiert 13. Februar 1810, uns
auf den rechten Weg leite.
Sein
Inhalt:
»In Anleitung des hierbei
folgenden Gesuchs des im Flecken Bramstedt ansässigen Hamburger Bürgers und
Baumeisters Hübener um die Erlaubnis, dorten eine Brunnen-Anstalt anzulegen,
wird das Kgl. Sanitätscollegium in Kiel ersucht, mit Beziehung auf ein früheres
Schreiben eine gefällige Äußerung über die fragliche Brunnen-Anstalt
abzugeben.« Ein eigenartiges Zusammentreffen will es, daß an demselben Tage, wo
die
393
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Bramstedter sich an ihren
König Friedrich VI. mit der Bitte um Beschleunigung wenden, dieser an den
Baumeister auf dessen Gesuch die Antwort erteilt, wie folgt:
Der König erteilt an
Johann Friedrich Hübener das Privilegium, in Bramstedt Brunnengebäude
anzulegen. Dabei soll er in Rücksicht der einzuführenden Baumaterialien frei
sein von Erlegung des Zolles, auch in den ersten Jahren nach Errichtung des
Baues frei von Abgaben und ihm überdies gestattet sein, Künstler,
Kunstverständige und andere Arbeiter zum Bau und zur Errichtung der Gebäude
nach eigenem Gutdünken, wo er sie erhalten kann, zu nehmen. - Das Privilegium
besteht für die Dauer von zwei Jahren.
Ob nun Hübener von der
Bauerlaubnis Gebrauch gemacht hat, dafür ist ein amtlicher Ausweis bisher nicht
aufgefunden. Einen gewissen Anhalt geben die Ausführungen eines Hamburger
Badegastes, G. C. Mahnke, der 1808 Bramstedt zum erstenmal aufsuchte und den
Zeitpunkt seiner Wahrnehmungen andererseits andeutet durch die Worte: »Die
jetzigen Rathmänner sind Herr Hans Schröder und Herr Johann Hinrich Meyer.« -
Beide sind aber 1814 gewählt worden. Er sagt unter Hinweis auf 1809, daß die
überlasteten und fast aller Nachtruhe beraubten Wirte wohl auch einmal »hohe
Rechnungen« gemacht hätten. Was damals aber nicht vorhanden war, ist schon seit
mehreren Jahren auf Königliche Kosten ausgeführt worden: die Schwefelquelle auf
dem Kirchenmoor, als auch die Stahlquelle sind jetzt eingefaßt, mit einem
hölzernen Dache bedeckt, mit Wällen umlegt und mit einem Staketwerk umgeben.
Wildes Wasser kann nicht mehr in die Quelle sickern. Daß für sonstige
Bequemlichkeiten an der Quelle mehr gesorgt würde, wäre zu wünschen, würde aber
gewiß besorgt werden, wenn nur die Besucher der Quelle wieder ihr das
gebührende Zutrauen schenken würden. Der Wortlaut läßt vermuten, daß der Ruf
der Quelle bereits wieder im Abklange stand, und somit liegt der Gedanke nahe
genug, daß aus Hübeners Plänen nichts geworden sei. Im übrigen ist G. C. Mahnke
lebhaft von der Heilkraft der Bramstedter Quellen, die er am eigenen Leibe
erfahren, überzeugt; er weist einen Apotheker, der um seiner Apotheke willen
das Quellwasser dem gewöhnlichen Pumpenwasser gleichgestellt hatte, energisch
zurück. Wer Reisekosten und kostspielige Zehrung nicht scheue; wer Bälle und
Spielbank mehr liebt als seine Gesundheit, der möge nach Nenndorf fahren. Aber
der wahrhaft Kranke, der Ruhe und Einsamkeit und wirkliche Erholung sucht, der
gehe nach Bramstedt, selbst angenommen, daß die Quelle nicht gleich stark
wirke. Was die in der Blütezeit um 1810 neu entdeckten, zum Teil auch benutzten
neuen Quellen anlangt, so liegen sie südöstlich von Bramstedt, einige km von
dem alten Gesundbrunnen entfernt, auch ihrer Natur nach wesentlich anders
geartet. Sie seien hier wenigstens kurz gekennzeichnet.
a)
Eine
Stahlquelle auf einer niedrigen Wiese an der Lentföhrdener Aue, derzeit an drei
Stellen aufbrodelnd in einem Bassin von etwa 2 m Durchmesser.
b)
Eine
Stahlquelle auf Ackerland hinter der Hambrücke in etwas moorigem Land; fünf
aufspringende Quellen, Bassin wie bei a). Das Wasser merklich
394
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schwerer als destilliertes
Wasser, klar von Farbe, ohne Geruch, schmeckt dintenhaft.
c) Hinter Holenförd
(Flurname) auf einer Wiese (Salzwiese) an der Schmalfelder Aue: mehrere
eisenhaltige Salinen.
Alle diese Quellen sind um
1810 recht gründlich untersucht worden, und man hat ihnen von ärztlicher Seite
Heilkräfte zugesprochen. Genauer Bericht an dieser Stelle unterbleibt der
Raumfrage wegen. Die Erkenntnis, wie reich die Bramstedter Gemarkung mit
Heilkraft gesegnet ist, liegt klar vor jedes Lesers Blick. Wer aber in dieser
Hinsicht genauer unterrichtet zu werden wünscht, der sei verwiesen auf das
Buch: »Über die Mineralquellen bey Bramstedt im Holsteinischen, von J. F. Süersen,
Verlag bei Gundermann, Hamburg 1810.«
Hier der Wortlaut eines in
der alten Fleckenslade aufgefundenen »Billets«: Für Frau Generalin von Heinen
aus Rendsburg ist das Trinken und Baden an der Schwefelquelle verordnet.
Bramstedt,
den 5. Juli 1814 (11?) mit 1 Reichstaler bezahlt.
(gez.)
Cirsovius (Kirchspielvogt)
(gez.) S. Grauer, Dr.
Demnach steht fest, daß
1814 neben Trinkkuren auch solche für Badende zur Verfügung standen, und zwar
das eine wie das andere gegen Zahlung. Daß der Kirchspielvogt, ein Königlicher
Beamter, diese Gelder einkassiert, drängt die Vermutung auf, daß der König
finanziell irgendwie an dem Gesundbrunnen oder mindestens an den zu seiner
Auswertung getroffenen Einrichtungen beteiligt gewesen sei. Absolute Klarheit
hierüber besteht indessen nicht. Über die Einrichtung selbst gibt ein kurzer
Bericht (Bramstedter Nachrichten vom 30.8.1879) Auskunft. Danach war der
Brunnen mit Bohlen eingefriedigt und durch ein Bretterdach vor den
Sonnenstrahlen geschützt. Johann Ott aus Hagen hatte dies Dach hergestellt und
war später Aufseher über den Brunnen. An der einen Seite der Bohlenwand war
eine metallene Röhre. Durch diese wurde das überflüssige Wasser der Aue
zugeführt. An der andern Seite befand sich der Hahn zum Auszapfen; diesen
bediente der als Nachtwächter bekannte Hohnschildt. Unweit des Brunnens lagen
zwei »Badehäuser«; jedes enthielt eine große Badewanne. Rundherum standen
Tische und Bänke.
Selbstverständlich haben
die Bramstedter den Kurgästen nach Möglichkeit Quartiere zur Verfügung
gestellt. Eine 1879 noch lebende Witwe, in ihrer Jugend im »Holsteinischen
Haus« bedienstet, hat erzählt, daß sie und die Wirtin in drei Tagen nicht aus
den Kleidern gekommen wären, weil alle Betten und Stuben von Fremden besetzt
waren. Man wird zugeben, daß es über die Kräfte der Fleckensleute ging, dem
anstürmenden Bedürfnis nach Unterkunft alsbald zu genügen. Ihr Bemühen, die
Gäste zu befriedigen, ist nicht anzuzweifeln. Genannte Witwe hat auch
berichtet, daß täglich morgens früh aus Wiemersdorf sechs junge Mädchen zum
Brunnen gekommen sind, um in steinernen Kruken Wasser zu holen. Ein Beweis, daß
auch dort Kurgäste untergebracht waren.
395
---------------------------------------------------------------------------------------
Der bereits erwähnte
Mahnke, Schriftleiter des »Niederelbischen Merkur«, weist in der
Unterhaltungsbeilage Nr. 30 auf einen Theaterzettel vom 30. Mai 1814 hin, der
die Bramstedter Gäste einladet zum Besuch eines »Romantischen
Ritterschauspieles«. Immerhin ist es auch diesmal nicht gelungen, etwas
Bleibendes zu schaffen, die Dauer eines Jahrzehnts scheint auch dieser dritte
Auftrieb nicht überschritten zu haben.
Aber diese dritte
Blütezeit ist in die Literatur eingegangen. Ein lustiges Poem, abgedruckt in
der Haderslebener Wochenschrift »Lyno vom 27. Mai 1810« möge hiervon Zeugnis
ablegen, wenn auch der Verfasser unbekannt ist.
»1. Wie schön glänzt der
Gesundheit Stern
Von Bramstedt aus in
weiter Fern,
Groß, freundlich, schön
und helle!
Auf seinen Wink erschienen
schon
Der Krüppel eine Legion
An unsrer Wunderquelle.
Eil! Eil! Heil! Heil!
Bring ihr Wasser
Jedem Prasser.
Er geneset,
Wär er auch schon halb
verweset.
2. Der Bäder
Perl', der Brunnen Kron',
Spricht unser Wasser allen
Hohn,
So reich an Wundergaben.
Es schmecket wie Ambrosia
Und heilet Gicht und
Podagra,
Wenn wir nur Glauben haben.
Fort! Fort! Dort! Dort!
Ist die Quelle
0Die der Hölle
Uns entführet. -
Wer sie trinkt, ist nie
krepieret.
3. Das
Wasser ist das größte Gut,
Es wärmt den Geist und
kühlt das Blut
Und rettet selbst vom Tode.
Weg, Mittel aus Arabia,
Weg, Opium und Kinkina
Ihr seid nun aus der Mode!
Eija! Eija!
Langes Leben
Wird es geben.
Die es proben,
Werden seine Wirkung loben.
396
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4. Ihr Ärzte,
klagt und weinet laut,
Kein Mensch wird euer Salz
und Kraut
In Zukunft noch verzehren.
Hier ist der wahre
Gnadensee,
Wir können euer Recipe,
So wie euch selbst
entbehren.
Plunder! - Wunder
Hier geschehen,
Sollt ihr sehen,
Sehn und glauben:
Blinde hör'n, es seh'n die
Tauben!«
4.
Die Zeit der stetigen Entwicklung
An dem Platze, wo seit
1936 die Lehrwerkstätten für die Bauindustrie ihr schönes Unterkommen haben,
ist 1879 der Grund gelegt worden zu einem Unternehmen, das ohne Übereilung,
aber in ständiger Entwicklung zum Neuen Kurhaus geführt hat. Der Mut und die
fast verbissene Energie eines Mannes hat es zuwege gebracht, was unter
günstigerem Stern doch wohl eine gute Spanne Zeit früher hätte verwirklicht
werden können. Der Zimmermeister Matthias Heesch ist es gewesen, dessen
derzeit hinreichend bespöttelter Kühnheit es gelingen sollte, zu seiner Ehre
und zum Gedeihen seiner Vaterstadt den rechten Weg zu erfolgreicher Auswertung
der im Bramstedter Boden ruhenden Heilkräfte zu finden. Auf seinem kurz vorher
käuflich erworbenen Grundstück stellte er beim Graben eines kleinen Teiches
fest, daß sich Salzwasser darin ansammelte. Schon entschließt er sich, was zu
tun sei. Er unterhält sich mit seinem Arzt Dr. Postel, und nach dessen
aufmunterndem Urteil errichtet er ein bescheidenes Bretterhaus neben der Quelle
und bietet kalte Solbäder an. Bald hat er für die Fernhaltung des Süßwassers
das Nötige getan. 1880 setzt er die Bohrungen auf seinem Grundstück fort bis
über 140 m Tiefe: Der Salzgehalt des Wassers steigt mit der Tiefe. Meister H.
wurde zum rechten Hüter seiner Gäste. Man erzählt, daß er demjenigen, der das
kalte Bad hinter sich hatte, alsbald mit einem wärmenden Schluck zu dienen
pflegte. Es geht voran. Ein Pavillon zum Schutze und zur Bewirtung und eine
Einrichtung für Verabfolgung von Wannenbädern werden geschaffen. 1881 bekunden
Pferdehändler Sell, Bramstedt, und Witwe Holtorf, Großenaspe, öffentlich, daß
sie sich verpflichtet fühlen zu der Mitteilung, daß sie durch die warmen Bäder
des Herrn Heesch von ihrer schmerzhaften und lähmenden Gicht völlig geheilt
seien. Die verdiente und wohl berechnete Hilfe naht, und zwar in Gestalt der
Bramstedter Fleckens-Sparkasse, die so manches Verdienst für sich zu verbuchen
hat. Sie läßt den schon früher angelegten Badesteig 1882 aufs beste instand
setzen und an bevorzugten Stellen Bänke anbringen für die Badegäste. Dazu
stiftet sie 30 Bäder für skrofulöse Kinder, deren unentgeltliche Überwachung
Dr. Postel
397
---------------------------------------------------------------------------------------
übernimmt. Sechs Jahre
später kauft dieselbe Sparkasse eine etwa 2 ha umfassende Koppel östlich vom
Matthias-Bad1) und läßt dort Anlagen und Schmuckplätze wiederum
zugunsten der Badeanstalt schaffen. Inzwischen ist der Gründer im 68.
Lebensjahre heimgegangen (1887).
Er hinterließ seiner
Familie ein aufblühendes Anwesen und den Ruf eines Mannes, dem für seine
umsichtige Tatkraft zu danken seine Vaterstadt einige Ursache hat. Der Name
Heesch hat von seinem guten Klange nichts verloren durch die Art und Weise, wie
die drei Töchter die Verwaltung des väterlichen Erbes fortgeführt und
durchgesetzt haben. Küche, Wirtschaft und Badehaus, so haben sie ihr
Arbeitsfeld aufgeteilt und, getrennt marschierend, aber geeint in der
Zielrichtung, sich und das Vatererbe rühmlich behauptet.
Zu Ehren des Toten sei
nachdrücklich klargestellt, daß er nicht ein bloßer Nachahmer seiner Vorgänger
war. 1681 und 1761 sind lediglich, um 1810 mit geringen Ausnahmen, Trinkkuren
veranstaltet worden, wobei in den ersten beiden Zeitläuften nur der
Schwefelbrunnen, 1810 auch eine Stahlquelle ausgenutzt worden ist. Matthias hat
von Anfang her an Badekuren gedacht und neben seiner Solquelle wohl auch an
entsprechende Verwertung des Moorbodens.
Zum Zeichen des Aufstiegs
wird im Juli 1892 für den »letzten Sonntag« die Anwesenheit von 63 Kurgästen
und außerdem 113 Fremden im Orte bekanntgegeben. 1905 lassen die Geschwister
Heesch auf ihrem Grundstück im Dahlkamp ein größeres Logierhaus bauen. Sie
verstehen es, begünstigt durch die immer anmutiger sich entfaltenden Anlagen
des Kurhauses und seiner Umgebung, den Betrieb so zu gestalten, daß nicht nur
die Fremden sich dort wohl fühlen, sondern in stetig wachsender Zahl auch die
Bramstedter Bürger mit ihren Angehörigen sich dort einfanden. Nicht nur des
Naturgenusses wegen; auch die dort gebotenen Veranstaltungen, wie Konzert,
heitere Vorträge, Lichtpolonäsen und dergleichen, verfehlten nicht ihre
Anziehungskraft. Anfang 1911 meldet sich die Konkurrenz. Behnke erwirbt in
unmittelbarer Nachbarschaft des Matthiasbades ein Stück Land vom Bäckermeister
Kröger und benutzt es ohne Verzug zur Errichtung eines zweiten Solbades. Das
mag die Geschwister Heesch veranlaßt haben, bald danach die im Süden anliegende
Koppel Bollbrüg für 6000 Mark von Andresen zu kaufen, desgleichen von Bahnert
die Parzellen Ihlbek und Achterndieck für 7000 Mark.
Soweit sichtbar, haben
beide Unternehmungen zur Befriedigung der Besitzer sich entwickelt. Es macht
sich überhaupt ein verstärktes Interesse für die Bramstedter Bodenschätze
bemerkbar. Zunächst am Orte selbst, indem die Stadtverwaltung in erhöhtem Maße
für bequeme Zugänge zu den Kurhäusern und zu den Naturschönheiten der Gemarkung
sorgt; besonders auch die Pflege der Waldungen sich angelegen sein läßt. So
werden am 5. September 1911 bewilligt: 150 Mark für die Promenade von der
Segeberger Chaussee zur Hambrücke und 400 Mark für Durchforstung der
städtischen Anlagen bei dieser Brücke; ferner
__________
l)
Matthias Heesch.
398
---------------------------------------------------------------------------------------
am 8. Februar 1913: für
Fußweg vom Badesteig zum Lohstücker Weg und in diesem entlang einschließlich
einer Überbrückung der Osterau 800 Mark (536 Mark sind bereits von Bürgern zur
Verfügung gestellt). 1913 im Februar wird bekannt, daß Hofbesitzer Moritz, Bimöhlen,
ebendort auf einer Wiese nahe dem Dorf eine Quelle erbohrt hat, die als
»St.-Johannis-Sprudel« bezeichnetes Wasser reichlich liefert; zur Bekämpfung
von Gicht, Rheuma, Ischias, besonders aber Blasen- und Nierenleiden soll es ein
gutes Heilmittel sein. Der Absatz wird als erheblich bezeichnet und als
überzeugender Abnehmer das Eppendorfer Krankenhaus in Hamburg genannt. Eine
Apparatur zu gleichzeitiger Füllung mehrerer Flaschen ist in Dienst gestellt
worden.
1926 hat der gegenwärtige
Besitzer der alten Brunnenwiese (1681) bei dem Gesundbrunnen bohren und das
Wasser in Hamburg untersuchen lassen. Steenbock hat folgenden Bericht erhalten:
das völlig klare, etwas rötlich-braun gefärbte Wasser hat an mineralischen
Bestandteilen: Kieselsäure, Eisenoxyd, kohlensauren Kalk, dito Magnesium,
phosphorsaures Kalium, schwefelsaures Kalium, dito Natrium und Chlornatrium. Ob
es in den Handel gekommen ist, weiß ich nicht. Steenbock hat eine einfache
Pumpe auf der alten Brunnenwiese setzen lassen und stellt es freundlich jedem
Wanderer frei, nach seinem Belieben eine Kostprobe zu nehmen.
Erwähnt sei noch, daß der
Mineralwasser-Fabrikant Heinrich Siems, Kaltenkirchen, eine Zeitlang das Wasser
für seinen beliebten »Roland-Sprudel« aus Bramstedter Quellen entnommen hat.
Aber Gegenstand des Kurgebrauchs oder des Handels ist heute weder der
Gesundbrunnen noch die Bimöhler Quelle. Auch sind die Trinkkuren in Bramstedt
erloschen.
Doch spendet ein
artesischer Brunnen innerhalb der Rheuma-Heilstätte immer noch eisenhaltiges
Wasser, das jedem Kurgaste nach eigenem Belieben zur Verfügung steht.
Zurück zu den alten
Kurhäusern. Ihr Entwicklungsgang hat auch außerhalb Bramstedts Beachtung
gefunden. Die Geschwister Heesch spüren die Last der Jahre. Im August 1918
kaufen Hamburger Interessenten nicht nur das Matthias-Bad, sondern auch das
Behnckesche Solbad, dazu von der Sparkasse die östlich vom Alten Kurhaus
liegenden Anlagen und den Rühgerschen Garten jenseits der Aue, im ganzen 7-8 ha
Wald-, Gemüse- und Ackerland und Teichanlage. Der Raum für die weitere
Entfaltung des vor einem Menschenalter so bescheiden eingeleiteten Unternehmens
ist gegeben. Doch soll nicht verschwiegen werden, daß der Verkauf nicht
restlose Zustimmung fand. In einem Eingesandt an die Bramstedter Nachrichten,
unterzeichnet P. (Pastor Paulsen?), wird lebhaft bezweifelt, daß der Verkauf
dem Ganzen förderlich sein werde. Den Vorteil hätten zunächst nur die
Grundbesitzer.
Doch neue Tatkraft kommt
zur Geltung. Dem Moore wird erhöhte Aufmerksamkeit zugewendet. Nach einem Jahr
bestätigt ein Gutachten von Dr. B. Walter, daß die Moorerde tatsächlich
radioaktiv sei. Ein neuer Auftrieb ist damit wirksam geworden, der Weg zum
Einrücken in die Reihe der erstklassigen Moorbäder
399
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steht offen. Zunächst
freilich galt es, die traurigen Jahre der Nachkriegszeit, die trostlose Zeit
der Inflation, zu ertragen. Man hat durchgehalten. Die sich darbietende
Gelegenheit zu engerer Zusammenarbeit mit den Pflichtkrankenkassen ist genutzt
worden. 1926 läßt die Verwaltung ankündigen: »Das Sol- und Moorbad ist zwar von
der Ortskrankenkasse belegt; aber auch die Behandlung privater Patienten wird
in alter Form und in erweitertem Umfange aufrecht erhalten.« Die Direktion
bewirkt den Eintritt in den Verband der schleswig-holsteinischen Bäder und
Sommerfrischen, in dessen Jahrbuch es demnach wieder erscheinen wird, wie es
früher schon der Bürgerverein auf seine Kosten veranlaßt hatte. Die Verbindung
mit den Ortskrankenkassen, 1925 aufgenommen, wurde für das Bramstedter Heilbad
von entscheidender Bedeutung. Glücklich verlaufene Kuren förderten sichtbar
seinen alten guten Ruf. Der Zuspruch mehrt sich und erinnert bald an die
Blütezeiten alter Tage. Der Massenbesuch zwingt zu Vergrößerungsbauten. Denn
immer mehr macht sich der Nachteil der wachsenden Zersplitterung des Betriebes
bemerkbar. Der wirtschaftliche Erfolg und auch die Behaglichkeit der Patienten
leidet darunter. Gerühmt wird die Pflichttreue und die Geschicklichkeit des
Personals und besonders seines alten eingelebten Stammes; hingebende
Aufopferung in schwierig sich gestaltendem Pflichtenkreis hat über so manche
Bedrängnis hinweggeholfen. Schon 1927 wurde erneuter Um- und Ausbau des alten
Kurhauses nötig. Doch war es nicht möglich, mit den Eigentümern sich über das
dringend Erforderliche zu einigen. Die Gefahr einer Abwanderung des Verbandes
der Ortskrankenkassen rückte nahe; denn natürlich entging dem wachen Auge
konkurrierender Badeorte nicht, was hier zur Frage stand. Andererseits erwies
sich das starke Vertrauen, das die Vertreter der Krankenkassen auf Grund ihrer
Erfahrungen zur hiesigen Kurleitung gewonnen hatten, in der Stunde der Gefahr
als ein wertvolles Band der Festigung. Wohl ist es zeitraubend gewesen, wohl
hat es ungewöhnliche Mühe gekostet, der Schwierigkeiten Herr zu werden, die
einer befriedigenden Lösung im Wege standen. Als aber der Plan ans Licht trat,
in dem der Stadt gehörigen Kaiser-Wilhelm-Wald ein großes, allen Ansprüchen
genügendes Kurhaus neu zu errichten, und als die Stadtverwaltung sich in wacher
Erkenntnis dessen, was die Stunde zur Förderung des Gemeinwesens von ihr
verlangte, entschloß, das nötige Gelände kostenfrei anzubieten: da erwies sich
der Zwang der Tatsachen stark genug, über alle Bedenken hinwegzuführen. Die
hanseatische und die schleswig-holsteinische Landesversicherungsanstalt
schlossen sich mit der Stadt zu einer Genossenschaft m.b.H. zusammen. Der Bau
der Rheumaheilstätte war damit gesichert und konnte im Mai 1929 in Angriff
genommen werden.
Schöpfer des Bauplanes ist
der Hamburger Architekt Carl Feindt. Es handelt sich um ein Bauwerk, wie es in
ähnlichen Ausmaßen der Ort bisher nicht erlebt hatte. Förderlich konnten bei der
Ausführung heimische Industrie, weniger das Handwerk beteiligt werden. Die
Ziegeleien in Wiemersdorf und Hagen haben den Gesamtbedarf an Mauersteinen
geliefert. Die hiesigen Maurermeister Gebrüder Schnoor haben das Mauerwerk
aufgeführt und in größerer Zahl Gesellen des
400
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Ortes und der Umgegend
beschäftigen können; im übrigen hat Hamburg, der Hauptgeldgeber, die Arbeiten
an dortige Firmen übergeben. Das durch Form und Größe in gleicher Weise
fesselnde Gebäude liegt etwa 2 km von der Stadt entfernt im südlichen Teil der
Gemarkung. Seine riesige Front ist dem Süden zugewandt und blickt auf einen mit
Blumenbeeten und Rasen geschmückten weiten und freien Raum inmitten des
Stadtwaldes. Die Frontlinie wird in vorteilhafter Weise dadurch belebt, daß die
Mittelflucht des Hauses sich um ein Geschoß über die seitlichen Züge des Baues
erhebt. In dem Gebäude sind untergebracht 320 Betten für Kurgäste neben einem
Flügel für Schwerkranke mit eigener Badeanlage, sieben Dienstwohnungen, große
helle Speise- und Tagesräume, Spiel- und Rauchzimmer, Veranden und Nebenräume.
Technische, für den Betrieb gegenständliche Neuerungen sind nicht übersehen
worden: Lift, Lastaufzüge, desgleichen für Wäsche und Speisen getrennt,
Dampfwäscherei, Entgiftungsräume, elektrische Hebevorrichtung für die
Entleerung der Moorwannen u. a. m.
Für das Badehaus ist eine
neue zeit- und raumsparende Bauform gewählt worden. Kreisringe, um den gleichen
Mittelpunkt gelagert, nehmen die verschiedenen Abteilungen des Betriebes auf.
Im Zentrum liegen 18 Zellen für Solbäder; sie umschließend, folgen 24
Moorbadezellen, dazu Räume für die nötige Ausruhe nach dem Bade. Im Außenring
sind etwa 600 Moorbadewannen untergebracht, die mit geringer Mühe nach Bedarf
in die Einzelzelle geschoben werden. Vier Moorküchen, der Aufbereitung der
Moorbäder dienstbar, sind in gleichen Abständen an der Außenseite um den Bau
gelagert. Jede Küche bedient die ihr zugeordneten nächstliegenden Badezellen,
so daß die Fahrstrecke für den Transport der Wannen bestmöglich gekürzt wird.
Leistungsfähigkeit täglich 700 Bäder. Hinsichtlich der Ausstattung mit
Heilmitteln ist alles vorhanden, was einem großen Sanatorium der Gegenwart
seinen Charakter gibt. Neben den naturkräftigen Moor- und Salzbädern werden
künstliche Moorschwefelbäder, Kohlensäure-, Sauerstoff- und Fichtennadelbäder
verabfolgt. Die Vorrichtungen für Diathermie- und Kurzwellenbehandlung,
Höhensonnen-, Solluxlampen-, Rot- und Blaulichtbehandlung fehlen nicht. Für
Vierzellenbad, Faradisation, Galvanisation, Inhalation stehen beste
Vorrichtungen zur Verfügung. Als letzter Fortschritt sind zu nennen:
Röntgen-Tiefenbestrahlung, eine die günstigste Ernährungsform sichernde
Diätküche und ein elastisch schwingender Weg (Bramstedter Schwingweg), der im
besonderen den Gelenkkranken wesentliche Erleichterung schafft.
Ohne Anmaßung kann
ausgesprochen werden, daß heute Bad Bramstedt ein im ganzen Reiche bekanntes
und hochgeschätztes Sanatorium in seinen Mauern birgt. Im Jahre 1936 ist es von
maßgebender Stelle neben dem ehrwürdigen Aachen als reichswichtige
Rheuma-Heilstätte zensiert und registriert worden. So kann es nicht
wundernehmen, daß zu dem Neuen Kurhaus, das hier bisher verhandelt worden, bald
ein zweites, das »Kurhaus an den Auen«, hinzugekommen ist. Seit 1936 ist dieses
anmutig gelegene Gebäude mit Zubehör rechtlich mit der
401
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Rheuma-Heilstätte
verschmolzen zu einer Einheit. So können rund 400 Patienten gleichzeitig
untergebracht werden; aber für den Sommer reicht das nicht aus. Dann füllen
sich auch die privaten Unterkunftstätten, die natürlich nach Wunsch auch im
Winter offenstehen. So ist denn, was Matthias Heesch und wohl auch andern als
Wunschbild vor Augen gestanden haben mag, erfüllt, und zwar ohne daß die
Heilquellen der früheren Tage in Anspruch genommen worden sind. Wer ist zu
preisen, wem ist zu danken angesichts des vollbrachten Werks? Es wird gut sein,
sich zu besinnen, daß mancherlei Umstände von vornherein dem Plane günstig
lagen. Der Tannenwald mit seinem erhöhten und trockenen Sandboden, dazu bestes
Trinkwasser sichernd, bot einen soliden Baugrund; die anmutige Erscheinung des
aufwachsenden Gehölzes rundherum mußte dem Vorhaben förderlich sein. Die
inzwischen gesteigerte Wertung der Moorbäder mußte die Nähe eines weiträumigen
Moorgebietes hoch willkommen heißen. Die den Wald in nächster Nähe schneidende
Eisenbahn bot Gelegenheit zur Anlage einer handgreiflich nahen Haltestelle,
desgleichen eines vorteilhaften Anschlußgleises. Die reichsdeutschen
Ortskrankenkassen, auf der Suche nach einer bestmöglichen Rheuma-Heilstätte,
neigten dem Bramstedter Projekt zu. Die Bramstedter Stadtväter erfaßten die
Bedeutung der Stunde: sie gaben ein umfangreiches Waldgelände (15 ha)
unentgeltlich her und übernahmen außerdem den fünften Teil der Kosten für den
Bau einer Asphaltstraße von der Segeberger Chaussee bis zum Neuen Kurhaus. Sie
haben gewagt, und die Stadt hat gewonnen. Die Stadtbürger werden mit Dank auf
das Vollbrachte schauen und nicht vergessen, daß weitsichtige Führer die
Schätze, die ein gütiges Geschick dem heimatlichen Boden einverleibt hat,
nutzbar gemacht haben zum Segen für ungezählte Leidgequälte und zu Nutz und
Frommen der Vaterstadt.
Im Mai 1929 konnte der
erste Spatenstich auf wohl vorbereitetem Baugelände vollzogen werden. Rasch
schritt das Werk voran. Ende 1929 standen Kurhaus und Badehaus dachgeschützt
und verglast da. Die Innenarbeiten wurden unter Einsatz aller Kraft gefördert.
Schon am 25. Oktober 1930 konnte die
Einweihungsfeier
der Rheumaheilstätte
stattfinden, und zwar in
den festlichen Räumen des Neubaues. Rund 200 geladene Gäste aus
Schleswig-Holstein und den drei Hansestädten waren erschienen. Neben dem
Oberpräsidenten der Provinz etliche Senatoren aus Hamburg, Lübeck und Bremen;
Landrat Graf Rantzau zu Segeberg, die Mitglieder des Kreisausschusses und die
Vertreter Bramstedts fehlten natürlich nicht. Die Anwesenheit zahlreicher Fachärzte
legte Zeugnis ab für die Wichtigkeit, die die Wissenschaft dem Unternehmen
beimißt. Der Präsident der Landesversicherungsanstalt der Hansestädte, Helms,
eröffnete die Feier mit einem Überblick über den Werdegang des bedeutsamen
Unternehmens, das mit einem Aufwand von 2,5 Millionen RM zustande gebracht
worden sei. In überzeugender Weise stellte er Sinn und Zweckmäßigkeit des mit
vereinter Kraft geschaffenen Werkes in das rechte Licht. Der Hamburger Senator
Dr. Eisenbarth sprach ergänzend in dem gleichen Sinne,
402
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zugleich Hamburgs Grüße
und Wünsche übermittelnd. Am wirkungsvollsten hat an diesem für Bramstedt so
bedeutungsvollen Tage wohl Graf Rantzau gesprochen, dessen Worte hier
ausführlicher festgehalten sein sollen: »Im Namen der Preußischen
Staatsregierung und gleichzeitig für unsere Heimatprovinz Schleswig-Holstein
habe ich die Ehre, der Rheuma-Heilstätte Bad Bramstedt zur Einweihung ihrer
nunmehr fertiggestellten Anstalt Glück und Gedeihen zu wünschen. Ich verbinde
damit im Namen des Kreises Segeberg den Ausdruck des Stolzes und der Freude,
ein solches Werk hier errichtet zu sehen. - Dieses mächtige Gebäude mit seinen
reichhaltigen Kureinrichtungen, seinen zahlreichen Unterkunfts-, Verpflegungs-
und Wirtschaftsräumen ist in erster Linie bestimmt, Frauen und Männern zu
helfen, die in der Arbeit um das tägliche Brot stehen und hier Gesundheit und
neue Kraft für ihre Arbeit finden sollen. So ist die Stunde, in der wir das
Kurhaus seiner Bestimmung übergeben, im besonderen Sinne eine Feierstunde der
Arbeit, eine Feierstunde, in welcher uns zugleich der Gedanke an die Gefahren
und Opfer der Arbeit mit tiefem Ernste erfüllt. Draußen im Lande sind die
Fahnen auf Halbmast gesetzt zum Zeichen der Trauer eines ganzen Volkes um die
Toten einer schweren Grubenkatastrophe1), die heute zur letzten Ruhe
bestattet werden. Wir gedenken dieser Toten, ihrer schwergeprüften Angehörigen
und der Verwundeten. Das Unglück ist eine erneute Mahnung, fortzuschreiten auf
dem Wege der Hilfsbereitschaft für alle, denen der Kampf ums Dasein Wunden
schlug. - Der Bau, den wir heute einweihen, ist ein starker Ausdruck dieser
Hilfsbereitschaft. Aus reiner Zweckmäßigkeit heraus zur Harmonie in Form und
Farbe entwickelt, will er mehr bieten als eine nüchterne Stätte körperlicher
Heilbehandlung. Er will den Leidenden, die in einem meist freudearmen Dasein
die nötige Spannkraft des Geistes und des Gemütes zu verlieren in Gefahr sind
und für die das körperliche Leiden eine doppelte Last und Not bedeutet, ein
freundlicher, durch schlichte Schönheit veredelter Ort der inneren Aufrichtung
sein. Erst dadurch, daß auch diesem Bedürfnis verständnisvoll Rechnung getragen
worden ist, wurde der Bau seiner Bestimmung voll gerecht. - Ist das nunmehr
vollendete Werk geboren aus dem Kampfe gegen Sorge und Not, wie sie so oft
neben der Arbeit hergehen, so dürfen wir zugleich darin den Aufschwung sehen,
wie ihn ein solches Erzeugnis planvollen Schaffens bietet. Es ist nicht nur
berechtigte Genugtuung, es ist ein schönes Siegergefühl, wenn wir in solcher
Feierstunde erleben dürfen, wie der Geist den rohen Stoff bezwungen und ihn zu
sinnvoll gegliederter Einheit gestaltet hat. Ein besonderer Wert aber liegt
darin, daß eine solche Leistung unternommen und zum Abschluß gebracht werden
konnte in einer Zeit tiefster Not unseres Volkes und Vaterlandes. Möge dieses
Haus ein Denkmal gläubigen Aufbauwillens und ein stolzes Bekenntnis zur Arbeit
für eine bessere Zukunft sein und bleiben.« Graf Rantzau hatte das Erlebnis der
Weihestunde seinem Höhepunkte zugeführt. Nachdem noch der Bürgermeister des
Ortes den zahlreichen Gästen ein herz-
__________
1)
In Alsberg, Bezirk Aachen. 259 Opfer der furchtbaren Katastrophe wurden am 25.
Oktober zur letzten Ruhestätte geführt.
405
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liches Willkommen
dargebracht, allen Helfern den verdienten Dank ausgesprochen und im Namen der
Stadt die Versicherung, daß Bramstedts Bürger nichts versäumen würden, den
Kurgästen den Aufenthalt hier nach Möglichkeit angenehm zu gestalten, war der
rhetorische Teil der Feier beendet. Es schloß sich unter Führung des Bauleiters
Feindt ein Rundgang durch die schönen Räumlichkeiten des Baues an, wobei viel
Beifall geäußert wurde. Um fünf Uhr riefen kräftige Gongschläge die Gäste in
den großen Saal, wo an hübsch gedeckten Tischen unter den Klängen froher Musik
ein festliches Mahl gehalten wurde. Eine Vorführung heiterer Kinobilder machte
den Abschluß. Nicht soll unerwähnt bleiben, daß ungenannte Bürger der Stadt der
Rheumaheilstätte bei dieser Gelegenheit ein größeres Bild überreichten, das,
hergestellt von den Photographen Hoffmann und Julius Struve, zwei Aufnahmen der
neuen Heilstätte zeigt. Eine von Heinrich Harbeck, einem geborenen Bramstedter,
angefügte Widmung schließt mit folgender einprägsamen Strophe:
In
Eintracht schafften Kopf und Hände,
Daß
sich dies stolze Werk vollende,
Dem
siechen Bruder zum Gewinn. -
Symbol
sei es dem Brudersinn!
Schlusswort
Seit der Einweihung ist
ein Jahrzehnt ins Land gegangen, ausgefüllt mit hingebender Arbeit und nicht
ohne Sorgen. Aber die Bramstedter Heilstätte hat wachsende und stetige
Anerkennung gefunden. Maßgebend mag dafür an erster Stelle die hervorragende
Güte der Heilmittel sein. Konnte doch 1936 die preußische Landesanstalt für
geologische Untersuchungen feststellen, daß das hiesige Moor vor anderen sich
auszeichnet durch größeren Schwefelgehalt. Aber ohne hervorragend tüchtige
Ärzte hätte den vielseitigen Anforderungen des Sanatoriums nicht mit dem
tatsächlich vorliegenden Erfolg genügt werden können. Der Herr Chefarzt Dr.
Paulus und seine Assistenten mögen mit Genugtuung sich dessen bewußt sein,
welch hohen Rang die von ihnen betreute Heilstätte im deutschen Reiche
erklommen hat. Daß die wirtschaftliche Führung des so verzweigten Unternehmens
ebenfalls von erheblicher Bedeutung für dessen Ruf sein mußte, liegt auf der Hand.
So wird es zur Pflicht, eines Mannes zu gedenken, dessen Lebensgang und
-gestaltung mehr mit dem Entwicklungsgang der hiesigen Kuranstalten verbunden
ist als bei irgend jemand anderem. Oskar Alexander ist sein Name. Von Hause aus
Hamburger Kaufmann, ist er nach dem 1. Weltkriege, dessen Härte er in vollem
Ausmaß erfahren hat, nach Bramstedt gekommen, um zunächst als Pächter der
vereinigten alten Kurhäuser zu wirken. Er ist es gewesen, der bei wachsenden
Schwierigkeiten, wie geschildert, die Verbindung mit den Ortskrankenkassen
suchte und pflegte und den Gedanken einer einheitlich gestalteten großen
Heilstätte faßte und mit unermüdlichem Eifer vorwärts trieb.
404
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Länger als sechs Jahre hat
er als Direktor für die Wirtschaftsführung des Neuen Kurhauses die
Verantwortung getragen und ist auch heute, wenn auch in veränderter Stellung,
ein geschätzter Mitarbeiter. Ihm, dem ehemaligen Kaufmann und Frontsoldaten
bleibt das Verdienst, in entscheidenden Jahren seine ganze Kraft für das Werden
und Gedeihen der Heilstätte eingesetzt zu haben. Was vorgeschaut, ersonnen,
gewagt, geschaffen und geleistet worden ist, hat seine Berechtigung erwiesen
und seine Anerkennung gefunden. In voller Höhe des Ansehens steht, auch von der
Wehrmacht an erster Stelle gewürdigt, die Rheuma-Heilstätte in treuester Hut.
Mögen alle, die heute dort wirken oder künftig wirken werden, stets dessen
eingedenk sein, daß sie im einzelnen und insgesamt der hohen Idee der
brüderlichen Hilfeleistung dienstbar sind, daß ihr Werk ein Symbol unserer Tage
sei und bleibe: leuchtender, versöhnender Sozialismus der Tat.
405
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XIII.
VON LAGEMÄNNERN UND LANDAUSSCHUSS
Das alte Fleckensbuch
zeigt im Jahre 1811 zum erstenmal die Wahl dreier Lagemänner auf: Christian
Bracker, Hans Hinrich Bracker und Hans Ramm. In dreijährigem Turnus wiederholt
sich diese Wahl, um abzuschließen mit dem Jahre 1847, wo wir lesen:
Lage 15: 1/3 Hufner Cl.
Hinr. Siems;
Lage 16: 1/3 Hufner Jochim
Köhnke;
Lage 17: 7/72
Hufner Jak. Friedr. Delfs.
Es ist zu vermuten, daß
vor und nach den genannten Terminen bereits und noch weiterhin Lagemänner in
unserm Orte gewirkt haben; aber für die Jahre von 1847-1869 liegt überhaupt
kein Fleckensprotokoll vor, und vor 1811 war man überhaupt sehr sparsam im
Gebrauch der Feder. Wir werden sehen, daß Lage und Lagemann, oft auch Lagsmann
genannt, für die Kirchspielsdörfer eine größere Bedeutung hatten als für den
Flecken. Wenn die Dörfer keinerlei Nachrichten bringen über diese
Angelegenheit, so werden ihre gegenwärtigen Bewohner es den Ratmännern des
Fleckens um so mehr danken, daß sie eine schleswig-holsteinische Gesetzsammlung
aus den Jahren 1775 und 1776 verwahrt haben, die vortrefflich Klarheit über
unsere Angelegenheit gibt. Danach handelt es sich um eine militärische
Einrichtung, die in das Heranziehen der Rekruten zum Landesausschuß (Landheer)
eine feste Ordnung bringen sollte. Schon 1767 ist die »Rekruten-Lieferung«
gesetzlich geworden; aber man glaubte an höchster Stelle, noch Mängel zu
erkennen, und im besonderen sollte die Versorgung der Kavallerie mit tüchtigen
Pferden gesichert werden. Daher neun Jahre später eine umfassende Neuregelung.
Sahen wir unsern Flecken
in Lage 15, 16 und 17 aufgeteilt, so soll das heißen, daß die Ortschaft drei
kleinste Rekrutierungsbezirke umfaßte, deren jeder als »Lage« bezeichnet wurde
und deren verantwortlicher Leiter der »Lagemann« war. Das Fleckensbuch läßt
keinen Zweifel, daß die Lagemänner von den Bürgern gewählt wurden. Das mag
später eingeführt worden sein. Erwähntes Gesetz bestimmt schlechthin, daß der
L. vom Oberbeamten »ernannt« werden soll, und fügt hinzu, daß nur gute, vernünftige
Hauswirte gesetzten Alters aus der »Lage« in Frage kommen. »Witwer und alte
schwache Leute sollen mit diesem Amte verschont werden.« »Im Falle ein Lagemann
im Schreiben ungeübt wäre, muß der Schulmeister des Ortes behülflich sein.«
Worin lagen nun die Amtspflichten eines solchen Mannes? 1. Seine erste Pflicht
ging dahin, ein genaues Register zu führen über die in seinem Bezirk
vorhandenen Jünglinge und Männer, die nach Vorschrift des Gesetzes für den
Dienst als »Ausschußmänner« in Betracht kommen könnten.
406
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Dem Lebensalter nach
handelte es sich um Leute von 18 bis zu 36 Jahren; doch hatte der Lagemann die
14jährigen Konfirmanden seiner Liste einzufügen, wie denn der Pastor
verpflichtet war, ihm darüber genau Nachricht zu geben. Über den Zu- und Abgang
der Ein- oder Auszuschreibenden war genaue Nachricht einzutragen. So hatte er
aus seiner Liste zu tilgen:
a)
jeden,
der bei der Session »ausgehoben« wurde;
b)
jeden,
der bei der Session als dauernd untauglich befunden war;
c) jeden,
der nach Vollendung des 25. Jahres unter 67V2 Zoll (hamburgisch) hoch und daher
unbrauchbar war;
d)
jeden,
der zum Seedienst »gezogen« oder sonst bestimmt war;
e)
der
sich dem Studium widmet und Gymnasium oder Universität besucht;
f)
denjenigen,
der »beständig« zum Schulmeister bestellt wird;
g) denjenigen,
der einen Hof in Größe von 1/8 Hufe oder mehr versteuert. Der
Gesetzgeber stellt fest, daß die unter Punkt g) gegebene Möglichkeit bislang
vielfach mißbraucht worden sei und deshalb darüber genauere Anweisung nötig
befunden wurde. In einem ländlichen Kirchspiel mag es angebracht sein, dieser
Sache weiter zu folgen. Der König verordnet:
Wenn der alleinige Erbe
den Hof sogleich oder nach geendigten Setzjahren übernimmt, oder jemand durch
Heirat Besitzer eines Hofes wird, der bereits Eigentum der Braut ist, oder eine
Witwe, die sich dem Betrieb des Hofes nicht gewachsen fühlt, ihn deswegen an
ihren Sohn oder Schwiegersohn übergibt, dieser auch wirklich imstande ist, den
Hof zu bewirtschaften, ferner wirklich Besitzer wird und endlich an eigenem
Tisch und Herd lebt, so ist gegen die Entlassung zur Reserve nichts
einzuwenden. Desgleichen, wenn ein Hof gemeinschaftliches Eigentum von
Geschwistern geworden ist und nun Mutter und Vormünder einem den Besitz
überlassen; doch muß dieser weder einziger männlicher Erbe sein noch ein
gesetzliches Vorrecht haben; endlich hat er bei Antritt des Hauswesens zugleich
den ledigen Stand zu verlassen. - So liegt auch dann kein Bedenken gegen
Austritt vom wirklichen Dienst vor, wenn jemand eine Witwe heiratet und auf
gewisse Jahre, die nicht vor seinem 36. ablaufen, übernimmt. Kein Vater soll
befugt sein, den Hof bei Lebzeit an seinen Sohn oder den Bräutigam seiner
Tochter abzutreten mit der Wirkung, daß dieser vom Landausschuß befreit werde,
es sei denn, daß der Sohn oder Schwiegersohn das 25. Lebensjahr vollendet und
zwei volle Jahre gedient habe und das Geschäft mindestens ¼ Jahr vor der
Session vollzogen worden sei. Ausnahme kann gemacht werden, wenn der Vater
nicht mehr vermögend ist, dem Hofe vorzustehen, oder wenn der Sohn durch eine
vorteilhafte Heirat die Schuldenlast des Hofes abdecken oder doch erheblich
mindern könnte, immer auch hier vorausgesetzt, daß der Sohn völlig an eigenem
Herd und Tisch wohne.
Die Obrigkeit solle genau
untersuchen, ob etwa ein Scheinvertrag mit andren Nebenpunkten geschlossen
werde, die das Geschriebene aufheben oder beeinträchtigen. Unter der Hand
getroffene Vereinbarungen sollen unverbindlich sein und im Fall der Aufdeckung
mit Geldstrafe abgebüßt werden.
407
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Man fühlt unschwer heraus,
daß weder die Leidenschaft der Bauern für den Ausschußdienst noch das Vertrauen
des Landesherrn in die Redlichkeit seiner Untertanen ohne Grenzen war.
2.
Der
Lagemann sollte überhaupt »gute Acht geben« auf die Ausschussmänner seines
Bezirks, nicht minder auf seine Reserven, wie besonders auf die Notdurft der
Lage und was dabei wahrzunehmen ist, und in vorkommenden Fällen für sie
sprechen, also auch ihr Beschützer sein.
3.
Er
hatte, wenn seine »Lage« an der Reihe war, zur »Session« (Musterung) zu
erscheinen, nachdem er vier Wochen vorher seine Bitte an die zuständige Behörde
eingesandt hatte.
4.
Ihm
lag es ob, nach einem besonderen »Reglement« die Mondierung der Ausschußleute
außerhalb der Dienstzeit aufzubewahren und mit aller Sorgfalt zu hüten.
Lassen wir das Reglement
selbst reden:
»Die bei der Infanterie
oder Artillerie stehenden Leute bekommen alle 12 Jahre eine Ober-Mondirung und
alle 6 Jahre eine Unter-Mondirung. Erstere besteht aus einem Rocke, einem
Camisol, zweyen Hüten mit Zubehör und einem Hals-Schlosse; doch daß den
Grenadirs nur ein Hut, außer der Grenadier-Mütze, die jedes 24. Jahr geliefert
wird, zukömt. Die Unter-Mondierung soll aus einem Paar Beinkleider, einem Paar
Schuhe, das nach dreyen Jahren versohlet wird, einem Hemde, einer Halsbinde,
einem Paar Strümpfe, einem Paar Stiefeletten und einem Haarbande bestehen.
Für den Reuter werden
jedes 12. Jahr 1 Rock, 1 Weste, 1 Hut mit Zubehör, 1 Halsschnalle und 1 Paar
Stiefeln (das nach 6 Jahren mit neuen Füßen versehen wird), mit Sporen, und
alle 24 Jahre ein Mantel angeschaffet; und jedes sechste Jahr bekömt er 1
Fouragier-Kittel, 1 Paar lederne Beinkleider, 1 Paar Handschuhe, 1 Paar
Strümpfe, 1 Paar Schuhe, 1 Hemd, 1 Halsbinde von Pferdehaaren mit zugehörigen
zweyen Stücken leinenen Bandes und 1 Haarband. Wenn zu den gesetzten Zeiten das
Neue angeschaffet wird, verbleibt das Alte dem alsdann im Dienste stehenden
Ausschußmanne oder dem bereits entlassenen, der noch bei der letzten Musterung
mit erschienen ist, es nach eigenem Gefallen zu seinem Nutzen anzuwenden.
Mit den Schuhen wird es so
gehalten, daß ein Ausschußmann bei seinem Abgange seine Schuhe behält und an
den Lagemann für jedes bis zum nächsten Mondirungs-Termin rückständige Jahr,
worin sie noch hätten getragen werden können, 14 2/3 Schil. dän. als den 6.
Teil des Geldes, wofür die Schuhe zu kaufen sind (etwa 2,30 Mark) zahlet. Wobey
der Lagemann darauf zu sehen hat, daß der neue Ausschußmann sich gegen den
Genuß erwähnten Geldes mondirungsmäßige Schuhe, die mit der Mondirung
aufzuheben sind, anschaffe.«
Damit dürfen wir den
Lagemann, wie er in unserm Kirchspiel gewaltet hat, verabschieden und nur noch
bemerken, daß auf den adeligen Gütern die Besitzer selbst ihre eigenen
Lagemänner waren und fast völlig allein aus ihren Leuten die Ausschußmänner
auswählten. Der König spricht allerdings den Wunsch aus,
408
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daß sie, wenn freie und
leibeigene Leute auf dem Hofe sind, nicht die ersteren gegen die unfreien
begünstigen.
Damit bekennt sich
»Christian der Siebende« zu der Ansicht, daß der von ihm geforderte Dienst der
Ausschußleute von diesen und auch wohl von ihm selber als eine Plage, wohl
selten als eine Ehre beurteilt wurde. Schauen wir uns diesen Dienst genauer an.
Übungen
und Pflichten der Ausgemusterten
Ob Infanterist,
Reitersmann oder Artillerist, wer als diensttauglich einberufen wurde, hatte
einmal im Jahre in ununterbrochener Folge eine militärische Übung abzuleisten,
die als Musterung bezeichnet wurde. Zu diesem Zweck wurden sie regimentsweise
versammelt, Reiter und Infanteristen in dem jeweilig zuständigen
Regimentsbezirk, während die Kanoniere ständig in Rendsburg einexerziert
wurden. Die Dauer der Übung erscheint uns lächerlich kurz: 17 Tage für die
Fußsoldaten, 20 Tage für die Reiter, beginnend für beide Gruppen am 1. Juni.
Diese Zeit hatte man gewählt als die für den Landmann günstigste. An Sonn- und
Feiertagen wurde auf dem Sammelplatz um 11 Uhr ein Gottesdienst mit Gesang und
Gebet abgehalten.
Während des Hin- und
Rückmarsches hat der Eingerufene sich selbst zu versorgen, zu welchem Zweck
seine »Lage« ihm 4 Schilling je Tag auszuhändigen verpflichtet ist, während,
wenn es sich um einen Reuter handelt, derjenige, der ihm das Pferd zu stellen
hat, auch die nötige Fourage hergeben muß. Während der Übungstage sorgt
natürlich die Königliche Kasse für Unterkunft und »Tractement«. Des Königs
schützende Hand begleitet unsere Leute durch die Weisung, »daß sie an den
Versammlungsorten und der nächsten Umgebung etwas räumlich und nicht, wegen
Gefahr ihrer Gesundheit, zu enge einquartiert werden«; auch befiehlt er den
Obrigkeiten, »mit allem Fleiß dafür zu sorgen, daß sie hinlängliche Lebensmittel
zu billigen Preisen bekommen«.
Erkrankung ist erst dann
ein Grund für das Nichterscheinen eines Einberufenen, wenn ein ärztlicher
Schein mit Amtssiegel darüber produziert wird. Desgleichen für den Fall der
Erkrankung eines »gemerkten« Pferdes, worüber wir noch ein wenig mehr erfahren
werden.
Allein mit dem Dienst
während der Musterungszeit erschöpfte sich der Dienst des Ausschußmannes nicht.
Für Infanteristen und Artilleristen waren weitere »Exerzitionen« vorgesehen,
die von kleineren Gruppen auf vorgesehenen Plätzen in Kirchorten durchgeführt
wurden. Diese Plätze sollten möglichst nahe der Kirche liegen, und nach Größe
und Umfang geeignet sein, darauf marschieren und schwenken zu können. Hierfür
wurde die Zeit vom 1. März bis 15. April bestimmt, desgleichen vom 1. Oktober
bis 15. November, indessen nur alle Sonntage nach dem Gottesdienste, und drei
Stunden sollte geübt werden, wobei die »Handgriffe« nicht an letzter Stelle
standen. Und noch ist etwas hinzuzufügen, nämlich daß gerade diese Übungen noch
erfolgen sollten von Mitte April bis
409
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Ende Mai und von Johanni
bis Mitte August. Doch jetzt nur jeden zweiten Sonntag und nur zwei Stunden
lang; dabei waren die hohen Festtage - Ostern und Pfingsten - völlig dienstfrei.
Wer zwei Jahre lang diese
Übungen pflichtgemäß geleistet hat, ist künftig davon befreit, bleibt aber
verpflichtet, noch vier Jahre lang an der beschriebenen Musterung teilzunehmen.
Der Regimentschef hat das Recht, einen Mann schon vor Ablauf genannter zwei
Jahre freizugeben; »diese Befreiung hat er ihm auf dem Sammelplatz, ehe die
Mannschaft auseinandergeht, anzudeuten, damit diese sehe, wie auf Fleiß und
Lehrbegierde geachtet werde«.
Es ist kennzeichnend für
jene Tage, daß unsere Ausschußleute vor den Sonntagsübungen die Kirche zu
besuchen hatten; immerhin soll der Prediger genau darauf achten, daß sie
spätestens um 12 Uhr die Kirche verlassen.
Wer dem Sammelplatz ohne
zwingenden Grund fernbleibt oder im Zustande der Betrunkenheit erscheint, hat
eine Geldstrafe zu erwarten.
Nach der Übung sollen
Gewehr und Lederzeug, Bajonette, Degen, Gehänge und Patronentasche mit
Bandelier in Schränken bei der Kirche eingeschlossen werden. Ein Offizier oder Unteroffizier
hat den Schlüssel dazu; er hat darauf zu achten, daß die Leute regelmäßig ihre
Waffen reinigen, auch das Lederzeug in gutem Stand erhalten. Niemals ist zu
gestatten, daß die Leute ihr Gewehr mit nach Hause nehmen.
Noch auf dem Weg nach
Hause begleiten die Kriegsartikel den Ausschußmann. Er soll nicht unterwegs in
den Krügen oder anderswo verweilen: Bleibt er über Gebühr aus, so ist sein
Hauswirt befugt, ihm eine halbe Mark vom Lohn zu kürzen.
Im übrigen wird den
Offizieren und Unteroffizieren auferlegt, die Leute mit »Geduld und Glimpfe« zu
unterweisen und sie nach ihrer Befähigung zu beurteilen; auch sollen sie ihnen
keine Kosten aufbürden, nur damit sie sich aufputzen oder ihre sogenannte
Propretät steigern. Nicht weniger ernst wird den Unteroffizieren befohlen, sich
alles Trinkens, Schwelgens und Spielens mit den Ausschußleuten zu enthalten.
Auch sollen sie oder ihre Eheweiber in keiner Weise Handel und Wandel treiben
mit den Ausschuß- oder den Bauersleuten. Abschließend wird den Ausschußleuten
eine Freiheit unbeschränkt erlaubt: sie dürfen ganz nach ihrem Ermessen
heiraten; doch sollen sie »ihr Eheweib zu Hause lassen«.
Von
den Pferden für die Reuter
Für die Hergabe von
Pferden für die Kavallerie war ein festes Verhältnis vereinbart, nach dem die
adeligen und die klösterlichen Güter sowie die königlichen Ämter taugliche
Tiere zu liefern hatten. Grundsatz war, daß auf vierthalb Pflüge 1 Pferd
entfiel. So hätte ein Dorf wie Wiemersdorf sechs Pferde stellen müssen. Aber es
ging nicht völlig gleichmäßig zu, weil die verschiedenen Bezirke durchaus nicht
gleiches Material darboten. Des Königs Ansprüche waren nicht klein.
410
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Tiere unter vier und über
acht Jahre hatten auf der Musterung nichts zu suchen, ebensowenig Hengste oder
Marschpferde. Das »Anleg-Maß« sollte, ohne Hufeisen, 2 3/4
hamburgische Ellen sein, mit Eisen ¼ Zoll mehr; dazu fanden nur
schwarze, schwarzbraune, braune und rote Stuten und Wallache Gnade. Wurde ein
Tier angenommen, so brannte man ihm am Halse unter der Mähne das
Regimentszeichen ein. Untauglich befundene Tiere zu »merken« war nicht
gestattet.
Das gebrannte Pferd bleibt
im Besitz des bisherigen Eigentümers, solange nicht der König es ruft. Dieser
zahlt jährlich 18 Reichstaler, davon sieben für den zu erwartenden Dienst. Wird
ein solches Pferd dienstunfähig, so ist es schleunigst zu ersetzen. - Dem
Eigentümer steht es frei, das Pferd nach seinem Befinden zu nutzen, abgesehen
von den jährlichen Exerzierfristen. Leidet das Tier im Dienste des Heeres
Schaden, so wird der Besitzer nach Taxe entschädigt. Er kann es auch verkaufen,
hat aber dann die Pflicht, den neuen Aufenthalt zu melden. Bemerkenswert ist
eine Strafandrohung:
Wer ein offensichtlich
untaugliches Pferd repräsentiert, oder wer die Präsentation ganz unterläßt, der
hat eine Geldbuße von 20-50 Reichstaler zu gewärtigen. Nicht unziemlich ist es,
noch zu vermerken, daß das Kirchspiel Bramstedt in alten Zeiten schon wegen seiner
Pferde in gutem Ruf gestanden hat. Das Gut Bramstedt hatte jederzeit zwei
Reuterpferde bereit zu halten.
Wir haben den Landausschuß
erkannt als die Wehrmacht des Landes. Die Verpflichtung traf nicht etwa nur die
königlichen Ämter, sondern auch die adeligen Güter und die klösterlichen
Besitze, abgesehen von einzelnen mit der Krone getroffenen Vereinbarungen,
wonach die »Rekruten-Lieferung« durch Zahlung einer gewissen Summe abgelöst
war. Scharf war die Trennung zwischen Stadt und Land oder anders gesprochen:
zwischen Bürger und Bauer. Die Last des persönlichen Dienstes fiel allein den
Bauern und den Katenleuten zu. Eine Begründung für dies Verfahren gibt das
Gesetz nicht. Die leitenden Gedanken liegen nicht fern. Noch heute gilt das
Urteil, daß der Bauernstand vergleichsweise mehr und tüchtigere Soldaten stellt
als die bürgerlichen Stände; da jene Zeit verhältnismäßig ungleich weniger
Männer unter den Waffen hielt, so schien es vorteilhaft, sich auf die besten zu
beschränken. Es liegt dabei klar zutage, daß ernstlich dafür gesorgt wurde, die
Hufen nicht ohne tüchtigen Verwalter zu lassen, wie ja auch nicht entfernt alle
tüchtig erfundenen Männer gerufen wurden. Auch Dienstboten konnten befreit
werden; besonders wenn sie im Dienste vornehmer Herrschaft standen, geschah
dies. Es beleuchtet den derzeitigen Lauf der Dinge, wenn Christian VII. sich
also vernehmen läßt: »Die Befreiung von Dienstboten ist nicht auszudehnen;
kleine Bediente, als Kirchspielsgevollmächtigte, Bauernvögte,
Kirchengeschworne, Sand- und Sünsmänner (Geschworene beim Volksgericht) und
dergleichen können so wenig ihre Knechte als ihre Söhne dem Landausschußdienste
entziehen.«
Andrerseits sind nicht
auszuheben: Lehrburschen, die zur Erlernung eines Handwerks mit Erlaubnis der
Obrigkeit nach einer Stadt oder einem Flecken sich begeben haben und daselbst
bei einem zünftigen Meister in der Lehre sind; ferner
411
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die Handwerksgesellen, die
mit Wissen der Obrigkeit mit daselbst erhaltenem Paß die Wanderschaft oder eine
notwendige ferne Reise angetreten haben, bis zu ihrer Wiederkunft.
Es ist zu beachten, daß es
sich um ein Gesetz für Schleswig und Holstein handelt. Die Ausgehobenen
leisteten also ihre Dienste innerhalb ihrer Heimatprovinz, nicht in Dänemark.
Dem steht nicht im Wege, daß Schleswig-Holsteiner, die freiwillig in den Stand
des Berufssoldaten eintraten, in dänischer Garnison lebten und wirkten. Einen
besonderen Vorzug hatte Kopenhagen, da hier des Königs Elitetruppe
untergebracht war.
Nach dem
schleswig-holsteinischen Kriege 1848-1851 haben die Ausgehobenen der Provinz
nicht mehr das Vorrecht, innerhalb derselben zu dienen; doch konnten sie sich
freikaufen, indem sie einem dänischen Soldaten eine vereinbarte Summe
auszahlten, wofür dieser so lange Militärdienst tat, als für den Rekruten
gesetzlich vorgesehen war. Vor mir liegt ein »Demissionsschein« des
Oberstleutnants, Bataillonskommandeurs und Ritters vom Danebroge X., wonach ein
Erbsohn aus hiesigem Kirchspiel durch den Korporal Ole Larsen gegen Zahlung von
550 Reichstaler abgelöst wird.
412
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XIV.
HOHE BESUCHER
Besuche
regierender Fürsten
Hier wird als erster Christian
IV. zu nennen sein, der im ersten Jahrzehnt des Dreißigjährigen Krieges,
der ihn als Führer der Lutheraner sah, bestimmt auf der via regia, das ist über
Bramstedt, zu den deutschen Glaubens- und Schwertgenossen seinen Weg genommen
hat. Seine Verbindung mit Wiebeke Kruse soll ja auch ihren Ursprung gefunden
haben, als er über die Beecker Brücke fuhr. Im heutigen alten »Schloß« deutet
noch der Namenszug des Fürsten über einem Kamin auf jene Zeit zurück.
Anno 1659 ist der Große
Kurfürst von Brandenburg Gast der Gutsherrschaft gewesen; auch diesem
Besuche ist im »Schloß« ein heute noch vorhandenes Erinnerungszeichen gewidmet
worden.
Peter der Große, der
berühmte Zar aus dem oldenburgischen Fürstenhause, hat im Jahre 1716 den
Flecken mit seinem Besuche beehrt. Die dabei erlebten Vorfalle sind so
erheblich und reizvoll, daß sie einer eingehenden Darstellung würdig erachtet
wurden, die den Schluß gegenwärtigen Berichtes bildet.
1759, am 21. Juni hat Friedrich
V., dänischer König, über die in hiesiger Gegend liegende Infanterie und
Cavallerie bei Lutzhorn Revue gehalten; dabei verschiedene maneuvres und
attaquen durchgeführt wurden.
Derselbe reiste ein Jahr
später durch nach Travendahl und rastete auch auf der Rückreise hier, und zwar
beide Male im Amthause.
Anno 1767, am 20. Juli ist
Christian VII. von Dänemark hier passieret, ebenfalls auf einer Fahrt
nach Travendahl; er speiste im Amthause.
1770 reiste derselbe König
mit demselben Reiseziel durch Bramstedt, diesmal begleitet von der Königin
Carolina Sophia.
Anno 1833, den 17. Juni
trifft die Nachricht ein, daß König Friedrich VI. von Segeberg her
unsern Ort passieren wird. Der Amtmann befiehlt, daß bis zum 24. Juni, dem Tage
der Ankunft, der Flecken dafür zu sorgen habe, daß die Fahrbahn vom Clasberg
bis nach Bramstedt derart mit Heide zu befahren ist, daß sie überall einen zur
untadeligen Passage festen Grund erhält. -
Die Zeitangabe weist
darauf hin, daß genannter König hierher kam, um die Einweihung der Chaussee
Altona-Kiel vorzunehmen, auf deren Meilensteinen wir immer noch den schön
ausgemeißelten Namen dieses Fürsten sehen. Seit diesem denkwürdigen Tage
scheinen gekrönte Häupter nicht mehr Anlaß gefunden zu haben, uns mit einem
Besuche zu beehren.
Der
Zar besucht Bramstedt
Was die Überschrift
andeutet, dies Unerhörte hat sich zugetragen in den Novembertagen Anno 1716,
und Albrecht (Albert?) Wichmann, derzeit leitender Ratmann, hat das Ereignis
für so wichtig erachtet, daß er einen eingehenden Bericht darüber abgefaßt hat.
Sotaner Bericht ist einigermaßen umständlich und erscheint aus diesem Grunde
hier in verkürztem Gewande. Wesentliches leidet hierdurch nicht, und ein etwa
aufkeimender Verdacht, als hätte der Chronist die Persönlichkeit des
allerhöchsten Gastes aus Antipathie so sehr im Hintergrunde gelassen, wäre
völlig abwegig.
Der leitende Faden im
Ablauf der ein wenig dramatisch angehauchten Vorgänge ist einerseits das
Bestreben der verantwortlichen Beamten, dem Glanze des Potentaten entsprechend,
ihre nicht anspruchslosen Befehle und Wünsche mit möglichstem Schneid zur
Geltung zu bringen, und andrerseits der Wille der Fleckensvertreter, sich nicht
mit Leistungen zu beladen, die den Rahmen ihrer gesetzlichen Verpflichtung
überschreiten.
Wir schreiben den 7.
November. Peter der Große, um keinen Geringeren handelt es sich, hat seine
Ankunft beim Kirchspielvogt melden lassen. Dieser eröffnet den Ratmännern -
neben dem Genannten Marx Finckenbrinck, Marx Steckmest und Andres Wittdorf -,
daß Reisepferde und 300 Bauernpferde zu beschaffen sind. Darauf die Ratmänner:
»Also nicht Bürgerpferde.« Darauf der Herr Kommissar: »Sofort 3 Mann zu
Pferde und einen Fußgänger!« - Bald danach, schon bei nächtlicher Weile: »z Reiter
nach Segeberg!« - Kommissar ist in Sorge wegen der weiteren Pferde. Wichmann,
der den ersten Wünschen Folge geleistet hat: Er möge sich doch mit dem
Kirchspielvogt zu Kaltenkirchen in Verbindung setzen; der könne wohl Hilfe
bringen. - Kommissar: Das habe der Kirchspielvogt nicht nötig; der werde
einfach abschlagen. Er wolle den Hof (das Gut), die Klösterlichen und die
Gräflichen mit heranziehen. Kaltenkirchen werde er auf Vorrat halten und nur im
Notfalle ansprechen. - Her und hin spielen die Gedanken der Verantwortlichen:
Werden das Gut und die Klösterlichen auch Folge leisten? Man wisse auch nicht,
ob der Zar pünktlich eintreffen werde. In Steinburg habe man neun Tage auf ihn
warten müssen. Nötigenfalls werde jeder Pflug auch vier Pferde stellen können.
- Ein Bote wird zur Gutsherrschaft geschickt. Antwort: Das Gut kann im höchsten
Falle 38 Pferde stellen. - Kommissarius, lächelnd: Mit 32 kommen wir aus. Dann
abtretend: »Ihr müßt doch ein paar Wagens in Bereitschaft halten!« Darauf die
Fleckensvertreter: »Reisewagen sind für Geld immer zu haben.«
Am nächsten Tage (Sonntag)
früh verlangt der Kirchspielvogt von den Ratsleuten, daß sie alle Insten des
Fleckens vor Hans Fuhlendorfs Haus bestellen. -Es geschieht. - Der Vogt will,
daß sie auf die zu erwartenden Pferde achten, Diebstahls wegen. - Man
widerspricht ihm. Damit solle man lieber einige Deputierte aus den Dörfern
beauftragen, die die Tiere und ihre Eigentümer und überhaupt dies Geschäft
besser verstehen. Am besten und schnellsten würden das die
414
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Dingvögte ordnen.
Die Bramstedter Insten seien überdies immer nur verpflichtet gewesen, Briefe in
die nächsten Dörfer zu bringen. - Das Ergebnis: Paul Wolgast wird »mit
Vergünstigung des Commissars« als Vorreiter nach Segeberg geschickt; die
übrigen verziehen sich bald und bestmöglich, ein jeder seines Weges gehend.
Nachmittags werden drei
Reiter nach Breitenburg beordert, um den Herrn Grafen zu veranlassen, daß er
wegen seines Pfluges, in Hitzhusen gelegen, die »zukommenden« Pferde schicke.
Der Herr Graf fühlt sich nicht verpflichtet und lehnt ab.
Gegen 5 Uhr, also bei
anbrechendem Abend, rückt der »zarische Wagen« mit Gefolge ein. Die
Einquartierung erfolgt nach Belieben; die Bürger hatten vorher von der
Verteilung keinerlei Nachricht erhalten.
Über die näheren Umstände,
unter denen Einzug und Empfang sich vollzogen haben, verlautet nichts.
Um 7 Uhr werden drei
Reiter ins Kirchspiel geschickt mit dem Befehl an die Bauern, ohne Verzug und
ohne Ausnahme ihre Pferde nach Bramstedt zu schicken. - Ist geschehen, wie
verlangt.
Um 9½ Uhr erscheinen der
Herr Pastor und Albrecht Wichmann bei dem Kommissar, der sie hatte rufen
lassen. Der Fleckensvorsteher berichtet: »Als der Komm, meiner ansichtig wird,
befiehlt er mit trotzigen Worten, ich solle bei 100 Talern Königl. Brüche
sofort 20 Pferde aus dem Flecken in Bereitschaft stellen.« (Der Befehl liegt
noch unter den Kieler Akten.) Wichmann beredet sich mit seinem Kameraden
Finckenbrinck, um danach den Bescheid zu geben: »Das geht nicht an; der Flecken
ist nur zu Bürgerfuhren verpflichtet, und des Amtmanns Befehl verlangt
ja auch 300 Bauernpferde; der Kommissar hätte unsern Rat, Kaltenkirchen
um Hilfe zu bitten, annehmen sollen.« Der Vogt wird unruhig und meint: »Wir
werden schon noch Pferde schaffen!« Der Herr Pastor sagt: »Kinder, es kann doch
nicht anders sein. Der Kommissar kommt zu kurz. Die Gräflichen und
Klösterlichen sind ausgeblieben. Auch Baron von Groten weigert sich; nur wenn die
Bramstedter auch ihr Kontingent geben, ist er bereit. Was soll denn werden?«
Die Fleckensvertreter
halten das für einen schlechten Vergleich. Der Kommissar möge nur einigen aus
der Suite (Gefolge) die Anweisung geben, die nötigen Pferde vom Gut zu holen.
Die werden das schon bestens besorgen. - Erwiderung: »Was geht uns der Hof an?«
Darauf Wichmann, zum Geistlichen sich wendend: »Der Flecken leistet wohl
Reisefuhren für Geld; aber im übrigen hat er viel Ursache, sein Recht zu
wahren.« - Der Fleckensvorsteher weist nochmals auf den klaren Befehl des
Amtmannes hin. Dann verabschiedet sich der Pastor, und auch die Ratmänner gehen
nach Hause.
Die kommende Nacht - Zar
Peter wird sie im Schloß verbracht haben - bringt keine besonderen Ereignisse
mehr.
Am Montag, dem 9.
November, ist die zarische Majestät frühmorgens in Richtung Segeberg von dannen
gefahren. - Auf des Vogtes Befehl werden Reiter nach Wiemersdorf beordert, um
acht Pferde abzuholen. Nachmittags ziehen drei Reiter zum Tore hinaus; sie
tragen in die Kirchdörfer den schriftlichen Befehl, wonach
415
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mit tunlicher Eile
sämtliche vorhandenen Gäule nach Bramstedt zu führen sind. Denn es folgen noch
etliche von »Ihro Zarischen Majestät Suite«. Ehe man sich dessen noch recht
versehen, landet eine Kutsche mit Hohem Königl. Fiskal. - Hochderselbe fordert
sechs Pferde als Vorspann. Weil nun deren hier am Orte ein Vorrat nicht
vorhanden war und somit die Reise sich verzögerte, ging diesem Herrn die gute
Stimmung verloren. Er soll den Kommissar in dessen Wohnung recht sehr
inkommodiert haben. Dieser retirierte mit Dingvogt Schulz ins Pastorat.
Der Dingvogt, ein Hardebecker, ist bald danach mit Finckenbrinck
zusammen zu Wichmann gekommen. Dessen Bericht fährt fort: »Wir sollten Vorspann
schaffen, daß die Kutsche aus dem Flecken komme, ehe ein großes Unglück
geschehen möge.« Die Fleckensväter schoben dem Dingvogt die Verantwortung zu,
da er pflichtgemäß Bauernpferde hätte herbeischaffen sollen. »Es bleibe nur ein
Ausweg, nämlich die fragliche Kutsche durch bezahlte Reiseführer fortbringen zu
lassen. Dazu möge er - der Kirchspielvogt - nur schriftlichen Befehl
herausgeben.« Noch lastet Unentschiedenheit auf den Gemütern. Wiederum sucht
man den Geistlichen in seinem Hause auf. Nach kurzer Beratung erteilt der
Kirchspielvogt den Ratsherren den schriftlichen Befehl, bei 100 Taler Brüche
sofort Pferde und Wagen zur Fortschaffung Ihrer zarischen Majestät Bagage
herbeizuschaffen. Sie gehen ab. Noch ruft ihnen der Pastor nach: »Kinder, ihr
müßt nur die Reiseführer zu Vorspann bestellen!« Antwort: »Es gibt auch keinen
andern Weg.«
Schnell geht's zum Meister
der Führerzunft. In kurzer Zeit ist die Sache geordnet. Der Herr Fiskal ist zu
aller, wohl auch seiner Freude dem hiesigen Blick- und Blachfelde entrückt.
Aber noch gibt es keine
Ruhe. Inzwischen sind andere Kutschen eingerückt. Die Insassen werden der
Einquartierungsliste gemäß untergebracht. Bald kommt ein neuer schriftlicher
Befehl heraus: Dienstag morgen um 5 Uhr für einen »Geheimbden« 16 Pferde
Vorspann stellen! - Die Sache wird unter Wichmann und Finckenbrinck beredet. Da
erscheinen auch die beiden andern Ratmänner mit des Kommissares Knecht (Jürgen
Lindemann), um die Weisung zu übermitteln, daß die Reiseführer nicht fahren
sollen. Dem Kommissar wird erwidert, es seien doch sonst keine Pferde da. Der
aber »gegensprach« seinem Knechte mit den Worten: »Das habe ich Dir nicht
befohlen!«
Wichmann beauftragt nach
diesem die Reiseführer; die 16 Vorspannpferde werden gestellt, und die Weltuhr
geht ungestört ihren Gang. Albrecht Wichmann aber, der Oberwächter des
Fleckens, hat nicht versäumt, noch im Fortgehen dem Vogt zuzurufen: »Wegen des
Geldes halten wir uns an Sie!« Worauf dieser nicht weniger freundlich erwidert
haben soll: »Das mag also sein.«
Am Dienstag, dem 10.
November, erleben die Ratmänner eine neue Aufregung. Wieder läßt der Herr
Kommissar sie zu sich rufen. Bei ihm treffen sie den Hof-Fourier Bentfeldt an,
also den unentbehrlichsten Begleiter einer reisebeflissenen Majestät. In
wohlgesetzter Rede begrüßt er die Vielgeplagten: »Kommt nur her; ich will mit
Euch sprechen. Ich habe einen Brief vom Herrn Kommissar, daß Ihr
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Euch weigert, ihm zu behuf
der Zarischen Maj. vorhabenden Reise behilflich zu sein. Warum habt Ihr die
Königl. Ordre nicht respektiert?« - Darauf Wichmann: »Die Ordre lautet auf 300
Bauernpferde, nicht Bürgerpferde.« Bentfeldt fragt weiter: »Mit was für Pferden
ist denn Zarische Majestät fortgebracht worden?« Auf die Antwort der Ratsleute,
daß es mit Bauernpferden geschehen sei, zeigt er einen Paß vor: ein Quartblatt
unter des Hofmarschalls Callenberg Namen, aber ohne Siegel. Bentfeldt fragt, ob
sie davor keinen Respekt hätten. Wichmann will wissen, warum ihnen dieser Paß
nicht rechtzeitig präsentiert worden sei. Der Inhaber antwortet: »Ich habe nun
gegenwärtig diese Urkunde von Kopenhagen nachbekommen. Ich befehle Euch, daß
Ihr sogleich die Pferde, so bei Euch aufzubringen sind, alle parat habet; und
wenn Ihr dies ansaget und der Gehorsam nicht erfolget, so berichtet es mir.
Dann sollen sie bald herausgetrieben werden. Und ich merke schon, was Ihr für
Liebe und Respekt vor Eurer Obrigkeit habet. Wäre ich dieselbe, ich wollte Euch
die Fuchtel derart zwischen die Ohren schmeißen, daß Ihr es fühlen solltet. Ihr
sollt schon dafür büßen, daß Ihr dem Kommissar nicht habt assistieren wollen.«
- Die Ratmänner betonen, daß sie in den meisten Stücken genau die Anforderungen
des Kirchspielvogts erfüllt und auch sonst sich nichts versehen hätten. Hier
fällt der Kirchspielvogt ein mit den Worten: »Sie wollten nichts tun ohne
schriftlichen Befehl« und, sich zu den Fleckensvertretern wendend: »Wenn ich
Euch Unrecht tue, so verklagt mich doch!« - Wichmann entgegnet: »Wenn wir
nichts Schriftliches vorzuzeigen haben, finden unsre Klagen nicht Gehör.« -
Am gleichen Nachmittage
haben sie den Hof-Fourier mit Bürgerpferden nach Itzehoe fahren lassen.
Der Vorhang fällt.
Aber Kometen sind nicht
ohne Schweif. Hier folgt gar ein doppeltes Anhängsel. Unsre wackeren
Ortsvertreter betonen noch, daß sie überzeugt seien, in allem nach Pflicht und
Recht gehandelt zu haben. Sie beklagen sich auch, man lade manchmal dem Flecken
Reisen auf, wo eine schriftliche Mitteilung dessen, was vorliegt, voll genügen
würde. So hätten sie auch in obgedachter Sache eine Reise nach Lübeck und eine
nach Segeberg machen müssen, die keineswegs nötig gewesen seien.
Und andrerseits erfahren
wir, daß schon am 18. November eine Entscheidung des Etatsrates von Hanneken
vorgelegen hat, wonach Bramstedt, da im Falle der Zarenreise es sich um eine
Notlage gehandelt habe, alle Kosten bald zu entrichten und widrigenfalls
Exekution zu erwarten habe.
Wir Nachfahren sind
Albrecht Wichmann dankbar, daß er durch seinen Bericht uns einen trefflichen
Einblick in alte Rechtszustände ermöglicht und darüber hinaus ein köstliches
Bild des Verkehrstones hinterlassen hat, wie er wohl derzeit unter Vorgesetzten
und Untergebenen üblich gewesen sein wird. In untadeliger Klarheit erkennen
wir, daß Martin Luthers Wort, wonach mit großen Herren nicht gut Kirschen essen
ist, zu Albrechts Zeit noch unverkürzt Gültigkeit gehabt hat.
417
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XV.
INDUSTRIE
1.
Planung einer Tuchfabrik
Das Gesuch um Konzession
einer Flußschifferei (1738) war beschwert mit dem zweiten Wunsch, »kleine
Fabriken« anlegen zu dürfen, wobei gedacht wird an solche »grob Tuch,
Strumpfwebereien und andere solche Sachen«. Man weist hin auf den benachbarten
fürstlichen Flecken Neumünster, »der durch solche Manufakturen in große
augenscheinliche Aufnahme geraten«, ... »und wir liegen eben so wohl mitten im
Lande«. Dem Hohen Commercio (Abteilung der Rentenkammer in Kopenhagen) wird
nahegelegt, geeignete Fabrik-Gesellen aufzumuntern, nach Bramstedt zu kommen,
wo ihnen doch eine gute Zukunft winke. Noch im gleichen Jahre trifft die
Antwort ein, worin das General-Landesöconomie- und Commerce-Collegium äußert,
daß, ehe die Zustimmung möglich sei, seitens des Fleckens dreierlei geleistet
werden müsse:
a)
eine
Walkmühle zu erbauen,
b)
den
Fonds für das Anlegen der Fabriken nachzuweisen und
c)
das
nötige Betriebskapital zu sichern.
Solange diese Bedingungen
nicht erfüllt seien, könne man keine Fabrikanten veranlassen, nach Bramstedt zu
ziehen.
Die Supplikanten erklären
sich demnächst bereit, die Walkmühle zu bauen, ferner ein nach hiesiger
Ortsbeschaffenheit bequemes Haus den Fabriquörs gegen eine billige Miete zu
überlassen, um darin den Anfang machen zu können, und endlich ein Kapital von
300 Reichstalern gegen 4% Zinsen vorzuschießen, mit Verzicht auf Zinsen auf die
ersten zwei Jahre, dagegen nicht ohne Caution. Etwas bedenklich gestimmt hat
wohl an hoher Stelle, was noch folgt. Nämlich: »Sollte aber dieser unterthänige
Vorschlag nicht hinlänglich befunden werden, Könte Ihro Königl. Mayestät Gnade
solches leichtlich ersetzen, wann Allerhöchst dieselben gnädigst geruhen
wollten, aus dero Casse den nöthigen Vorschuß thun zu lassen, bis dieses im
Stande gebracht.«
Es ist noch zu berichten,
daß Ihro Hoheit sich diesem wirklich zweckmäßigen Vorschlag nicht hat
anschließen wollen. Am 3. November 1739 geht der ablehnende Bescheid an die
Bramstedter ab, und die Fleckensakten bleiben in dieser Sache genauso stumm wie
die Tuchfabrik ungebaut.
2. Hieronimus Horstmann
plant Ziegelei
Genannter hat sich 1758 an
den Amtmann gewandt mit der Bitte, ihm die Anlage einer Ziegelei in der
Gemeinde Bramstedt zu bewilligen. Den Ratmännern wird
418
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Gelegenheit gegeben, zu
der Angelegenheit Stellung zu nehmen. Sie tun das in einem Schriftsatz vom 16.
Januar 1759, dessen wesentliche Teile hier folgen.
Wir haben ihm vergönnt,
eine gewisse Anzahl Steine auf unserm Felde zu brennen, weil sie nach dem
Brande hier benötigt waren, wie er im Kirchspiel Kaltenkirchen über vier Jahre
und wieder auf Verlangen der Unterthanen Mauersteine verfertiget und sich davor
bezahlen lassen. Aber eine förmliche Ziegelei mitten in unsrer Weide anzulegen,
würde für uns und unsere Nachbarn zu großem Schaden gereichen.
a)
Weil
es uns einen ziemlichen Strich von unseren besten Weiden rauben und unser Vieh
große Gefahr laufen würde, in den Leim (Lehm) Gruben oftmals stecken zu bleiben
oder wohl gar umzukommen.
b)
In
nicht langer Zeit wäre der Leim weggegraben, und wenn wir dann Steine für unsre
Häuser und Hausdielen benötigten, müßten wir sie von andern Orten mit viel Mühe
und Kosten holen. - Auch würde die Steinbrennerey sehr viel Feurung erfordern
und diese demnach überhaupt knapper und teurer werden.
c)
Der
adelige Hof, der die gemeine Weide auf dem ganzen Bramstedter Felde mit
genießt, wird schwerlich solches geschehen lassen.
Der Herr Justizrat
(Vertreter des Amtmannes) möge etwa angeforderten Bericht so gestalten, daß
Horstmann abgewiesen wird.
Ganz
ergebenst die p. t. Ratmänner
Peter
Bollen, Christian Friedrich Simmer, Franz Hass, Nikolaus Meyer.
Leider kann auch diesmal
die Fleckenslade nichts weiteres in dieser Sache mitteilen. Unbestritten ist
aber, daß der Lehmberg am nördlichen Rande des Bramautales im vorigen
Jahrhundert nacheinander zwei Ziegeleien mit dem nötigen Rohmaterial hat
versorgen müssen. Mindestens eine, an der Ostseite der Kieler Chaussee belegen,
war im Besitze des Gutes.
3. Eisenhütte in Sicht?
Aus der Zeit von 1719-1742
liegt eine lange Reihe von amtlichen Schriftstücken vor (Kiel B IV 3), die sich
beschäftigen mit dem von dem Gutsbesitzer von Grote herrührenden Plan, hiesigen
Ortes eine »Stahl-Manufaktur« anzulegen. Zunächst will er die Zuleitung des
nötigen Wassers sichern. Bauer Dammann ist bereit, den in seiner Wiese
Brackshöve liegenden »Brunnquell oder Springbrunnen« gegen Pacht auf zehn Jahre
abzugeben. Amtsverwalter Nottelmann protestiert gegen dieses Eindringen in die
»Königl. Jurisdiction«. Der Baron unterrichtet den König: Er habe von seiner im
Hannöverschen gelegenen Stahlhütte alles herschaffen lassen, was zu einer
Stahlmacherei gehört. Aber die Behörde arbeite gegen ihn. Der König möge
eingreifen. - Es folgt Untersuchung von Eisenerzen, die man im Bramstedter
Bezirke aufgefunden hat. Nach Hamburg versandte Proben werden auf ihren
Metallgehalt geprüft. Kirchspielvogt Jancke berichtet darüber: »Erze sind
geholt worden vom Clasberg, vom Ihlbeck bei dem Springbrunnen, Springhirsch und
Lentföhrden. Moor und Moorbusch sind visitiert.
419
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Auch in Bimöhlen ein Feld
von etwa 600 Schritt lang und 20-50 Schritt durchsucht worden, wie endlich
ebenfalls in Hardebeck >in den Stubben< eine Eisenader angetroffen worden
ist. Sie haben aber nicht alles untersuchen können, weil so schönes Erntewetter
kam und man den Bauern das Fahren nicht zumuten könnte.« -1723 sendet Hahn,
einer der Erzprüfer, noch einen zweiten Bericht an die Rentenkammer und damit
an den König, wobei er zwei neue Interessenten einführt: Herrn von Münchhausen
und den Stahl-Parifikanten Westen. Letzterer erbietet sich, die Eisenerze
zutage zu bringen und es auch im Laufe eines Jahres so weit zu bringen, daß
eine Schmelzhütte angelegt werden könne; auch seien Steinkohlen da. - Hahn
indessen schwächt diese Hoffnungen ab; er müsse fürchten, nicht auf seine
Kosten kommen zu können. - Westen erklärt sich bereit, einen Zentner
mitzubringen als Probe nach Kopenhagen; auch will er Bergleute und einen
Hüttenmeister aus dem Casselschen mitbringen. - Dazu Hahn: Hohe Reisekosten;
Gefahr, daß Westen besonders gute Erze aussuche und somit der König hinters
Licht geführt werde. Weiterhin betont Hahn, daß Münchhausen weder von Chemie
noch von der Metallurgie einen Begriff habe. Baron von Grote sei die treibende
Kraft und mache sich Hoffnung, sein Gut dem König verkaufen zu können, und
dabei solle das mehr oder minder erträumte Hüttenwerk als Lockvogel dienen.
Nicht wörtlich so, aber dem Sinne nach beeinflußte Hahn den Fürsten, mit der
Wirkung, daß, was die Urheber verwirklichen wollten, als Dunst zerstob.
Erst Anno 1742 meldet sich
ein neuer Interessent, Johann Christian von Baumgarten, Salzburger Emigrant,
Sachverständiger in Erz und Eisen, nunmehr ansässig in Plön. Er hat die Ehre,
dem König sein Anliegen vortragen zu dürfen. Er habe bei Bramstedt Eisenerze zu
Gesicht bekommen und für gut befunden. Nun möchte er ein Hüttenwerk errichten.
Er, infolge der Vertreibung ein mittelloser Mann, habe Interessenten gefunden.
Er erbitte vom König ein Erblehn auf den ganzen Distrikt für Ausbeutung durch
Hütten- und Hammerwerk. Die ersten Jahre möchte er frei sein vom »Zehenden«, um
in Gang zu kommen; nachher würde er zahlen. Was den Leuten auf ihren Wiesen und
Äckern an Schaden geschieht, ist er bereit zu vergüten. - Wie üblich, fordert
die Rentenkammer auch diesmal Bericht ein. Es geht daraus hervor, daß man
ernste Bedenken wegen der Baronin Grote hatte. Noch hat sie auf manchen Feldern
der Königlichen1) mit diesen gemeinsame Vor- und Nachweide; sie habe
also bei der Sache mitzusprechen. Sie sei dazu augenblicklich von einem ihrer
Gläubiger depossedieret (außer Besitz gebracht) worden. Aber auch ohnehin wisse
man, daß sie so gestimmt und geartet sei - wie vielfach erweislich -, daß mit
ihr kein gutes Auskommen sei.
Die Rentenkammer berichtet
Anno 1743 an Hans von Rantzau, daß sie nicht ganz abgeneigt sei, dem Emigranten
entgegenzukommen.
Eine Verwirklichung dieses
Planes ist nicht erfolgt; die genauen Gründe dafür bleiben außer Sicht.
__________
1)
Fleckensleute.
420
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4. Von Brauereien und
Brennereien
Bad Bramstedt ist auch
heute noch am allerwenigsten eine Industriestadt. Brennereien und Brauereien
alter Tage sind eingegangen. Das letzte Braunbier ist industriell am
Kirchenbleek hergestellt worden, dort, wo nunmehr die Firma Hans Kuchel und
Thams und Garfs ihre Geschäftsräume haben. Der letzte Brauer aber war Micheels.
Zwei andere, den ältesten Bramstedtern noch im Gedächtnis stehende Brauereien
waren die von Nicolaus Schmidt im Landweg (Gasthaus zur Mühle) und die andere
von Klaus Schlüter (Rolandseck). Meistens war Branntweinbrennerei damit
verbunden. Das Fleckensbuch nennt das Gebräu gern »rodes Beer« im Gegensatz zum
Hamburger. Bei Nicolaus Schmidt gab es dazu eine besonders beliebte Art von
Kümmel, bereitet unter Verwendung von allerlei Kräutern; man forderte einfach
»n Geelen«.
Zur Beleuchtung der Rechtslage,
die vormals hierorts für die Brauereien und Brennereien in Geltung stand, seien
hier zwei an sich schon wissenswerte Beispiele aus derzeitiger Praxis angeführt.
a)
Im
Jahre 1650 tut Friedrich III., König von Dänemark, kund, »daß, nachdem unser
Voigt zu Bramstette und Lieber getreuer Pauli Blank Unterthänigst Vor tragen
lassen, welchergestalt bey Unseren Vatter alda die Freye und gerechtigkeit des
Wein-Branntweins und Hamburger Bierschenkens unstreitigkeit gewesen, auch
darüber von Unserm in Gott ruhenden Herrn Vatter christlichsten angedenkens
seine Vorweser absonderlich begnadiget, wir dieselbe auf sein Unterthänigstes
ersuchen auf seine Persohn gnädigst confirmieren (bestätigen) wollen, Thun auch
solches hiemit und kraft dieses, derogestalt, daß er sich dieser Freiheit ohne
Männigliches einbracht (Beeinträchtigung), gleich seinen Vorwesern alda
gebrauchen möge, Und befehlen Unseren jetzigem und künftigen Ambtmann zu
Segeberg hiermit gnedigstes Ernstes, daß Sie Ihn dabei schützen, auch alle
andern Winkell Krüge, so darauf? keine Königl. Handt (schrift) und Siegell
haben, soforth abschaffen, und denen, so sich deren übernahmen, confiscation
des Weins und Hamburger Bieres, auch willkührlicher straffe sich dessen
hinführo gentzlich zu enthalten, ernstlich inhibiren (verhindern); wornach sich
denn menniglich (jedermann) zu richten1)«.
b)
1653
wird ein Prozeß, den Rötger Lindemann gegen die Kirche ausgefochten hat,
abgeschlossen. Er war Inhaber der Vikarie und betrieb dort eine Wein- und
Spirituosen-Handlung. Das Gebäude wurde der Kirche beim Abschluß des Streites
als ihr Eigentum zugesprochen, aber gleichzeitig mit Nachdruck betont, daß
derartige Konzessionen niemals von der Kirche erteilt werden können. Eben diese
Konzession ist es, die auf Familie Blank übertragen wurde.
Der Vollständigkeit wegen
sind noch einige Fabriken aus neuerer Zeit zu erwähnen, die allerdings zum
guten Teil nicht mehr bestehen. Zwei Wattefabriken
__________
1)
Paull Blank bekleidete das Amt des Kirchspielvogts hier am Orte. So sehr
vorstehende Konzession uns überzeugt, daß Erzeugung von Spirituosen und der
Vertrieb dieser Waren an königliche Erlaubnis gebunden war, so ungern glaubt
man, daß besagter Beamte daraus ein Einkommen gewinnt. Die Konzession ging dann
auch bald auf seine Witwe über.
421
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hat es hier gegeben, deren
Eigentümer D. H. Wulf und Langhinrichs waren. Ein Gebäude auf dem Liethberg, am
Fuhlendorfer Fußweg, erinnert noch daran. Wesselmann hat am Bleeck lange Zeit
eine Leimfabrik betrieben. Heute finden wir überwiegend maschinellen Betrieb in
den beiden Mühlen (Paustian und Andersen). Daneben künden die hohen
Schornsteine der Fleischwarenfabrik am Schlüskamp, des Städtischen Elektrizitätswerkes
und der Molkerei drohend eine künftige Großstadt an.
Wer könnte wohl wünschen,
daß einst rauchende Schlote das anmutig grüne Tal, in dem die Kleinstadt
Bramstedt glücklich eingebettet liegt, mit ihrem Dunstund Nebelschleier
einhüllen und damit auslöschen, was uns die Heimat so lieb und wert macht?
422
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XVI.
VERKEHRSWESEN
Von
Bramstedts Schiffahrt
Ein Band in Folio-Format,
auf 139 Seiten den sauber geschriebenen Text von 28 Akten mit 12 Anlagen nebst
etlichen Auszügen enthaltend, alles in amtlichen Abschriften dem Kieler
Staats-Archiv entnommen, gibt sichere Auskunft über dieses Thema. Entstanden
ist das Aktenwerk in der Zeit von 1738-1756. Urheber sind die
Fleckens-Gevollmächtigten Rasmus Juel und Johann Jochim Hartmann, deren Bemühen
darauf gerichtet war, eine privilegierte Schiffahrt zwischen Bramstedt und
Itzehoe zu schaffen. Mit der »Hochpreislichen Rentenkammer« in Kopenhagen haben
sie mündlich verhandelt, um Boden zu gewinnen für ihr Vorhaben. Man weist sie
auf folgendes hin:
1.
Die
Rechte der bereits bestehenden Itzehoer Schiffahrt dürfen nicht gekränkt werden;
2.
die
Aue muß zuvörderst fahrbar gemacht und
3.
ein
Schiffahrts-(Treidel)Weg das Ufer entlang geschaffen werden, was wiederum eine
Auseinandersetzung mit den Anliegern erfordert.
Diese Hinweise der
Rentenkammer lassen wenig Raum übrig für den Gedanken, der Flecken habe in
früherer Zeit bereits ähnliche Rechte gehabt. Die rührigen Fleckensmänner
hatten vorschauend sich folgendes Attest gesichert:
»Wir Endesunterschriebenen
Wilster'schen Kahnführer auf Verlangen des Fleckens Bramstedt anheute von der
Stör bis an der Brücke mitten im Flecken, welches auf 2 Meilen zu rechnen, mit
unserm Fahrzeug von 18 Fuß lang und 9½ Fuß breit (die Bramau) befahren und
selbige Reise in 1 Tag gegen Strohm verrichtet, da wir doch mit 3 Lasten guten
Habern (Hafer) jegliche Last 24 Tonnen, wie auch 5 Tonnen Essig und andern
Kleinigkeiten, welches wenigstens auf 1 Last Habern zu rechnen, befrachtet
gewesen. Können auch nicht umhin zu bezeugen, wenn aller Busch, welcher in
Ellern und Weiden bestehet, so am Ufer stehet, abgehauen und solchergestalt an
beiden Seiten kann gezogen werden, daß alsdann noch einmal so viel hinauf
gebracht, und wieder hinunter mit dem Strohm soviel als das Fahrzeug nur laden
kann, hinunter gebracht werden, und je mehr es befahren, je besser es wird.
Eigenhändig
unterschrieben: Andreas Appel, Johann Nagel, Jacob Ohlbrandt. Bramstedt, den
17. September 1738.«
Am 3. November 1739 teilt
Kopenhagen mit, daß »wegen Inconvenience (Hindernis) und Mangel der
erforderlichen Kräfte in die Sache angetragener Maßen nicht zu entriren
(einzugehen) stehe«. Aber diese glatte Absage wird nicht zum glatten
423
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Schluß. Im Einvernehmen
mit ihrem Amtmann Hans v. Rantzau haben die Bramstedter berechnen lassen, in
welchem Ausmaß durch die Anlage eines 4 Fuß breiten Treidelweges den Anliegern
bis Kellinghusen hin ein Schaden erwachsen möchte. Sehr ins einzelne gehend,
kommt die Aufrechnung zu einem jährlichen Verlust von 7833 Pfund = 13 Fuder und
½ Faden = 4/5 cbm Stammholz. Hinrich Bracker, Ties
Pohlmann, Jasper Vehrs und Tim Todt zeichnen für die Richtigkeit.
Indessen ruht die
Angelegenheit für 10 Jahre.
Endlich hat man den
Statthalter Friedrich Ernst, Markgrafen von Brandenburg, Schleswig-Holsteins
obersten Beamten, wohnhaft zu Gottorf, mit zu Rate gezogen. Er wendet sich den
20. Januar 1749 an den Kammerherrn und Amtmann Grafen Stolberg mit dem
Ersuchen, ihm in der Sache zu berichten. Nun folgen Rede und Gegenrede über
Aureinigung, über die Gerechtsame der Anlieger, über die Auseinandersetzung mit
den Itzehoern, die bei der Gelegenheit gern eine Extrawurst gebraten hätten.
Die genauere Darstellung der zum Teil aufgebauschten, zum Teil recht
eigensüchtigen Art, wie man die Sache verhandelte, bleibe dem Leser erspart. -
Der Ausgleich der widerstreitenden Interessen schreitet in zähem Kampfe langsam
voran.
Schließlich erscheint die
Baronesse von Grote, geb. von Bülow, Inhaberin des Gutes Bramstedt, als zähes
Hindernis. Es ist erbaulich zu lesen, wie die beteiligten Personen und
Instanzen sich bemühen, ein jeder an seinem Teile, den Angriff auf diese letzte
und wehrhafte Schanze dem andern aufzuladen. Man möchte »unter der Hand
sondieren und mit guter Manier disponieren«, daß nicht dem Vorhaben Hindernisse
erwachsen. Aber erst Schicksalsfügung bahnt den Weg. Die gnädige Frau geht den
Weg alles Irdischen. Der Reichsgraf Stolberg übernimmt käuflich das Gut, und
mit einigen Vorbehalten stimmt er wohlwollend den Plänen der Fleckensbürger zu.
Am 23. April 1756 verleiht
der Dänenkönig Friedrich V. das so schwer erkämpfte Privilegium zur Anlegung
einer Schiffahrt zwischen Bramstedt und der Stadt Itzehoe. Demnach den
Impetranten erlaubt sein solle:
1.
Die
Bramstedter Aue schiffbar zu machen und sodann auf selbiger und auf dem
»Stöhr-Strohm« eine Schiffahrt dergestalt anzulegen, daß sie allerhand Waren,
als Korn, Holz und wie sie sonst Namen haben, mit anzuschaffenden Prahmen,
Bollen oder andern Fahrzeugen von Bramstedt nach Itzehoe zu Wasser zu
transportieren. Jedoch sollen Impetranten
2.
nicht
weiter als bis Itzehoe gehen und keineswegs auf dem Stör-Strohm durch die Stadt
passieren und Handel treiben.
3.
Sollen
dieselben denen zu Itzehoe unter fremder Jurisdiction angesessenen oder
wohnhaften Einwohnern, welche des Stör-Strohms zum Transport einiger Kaufmanns-Waren,
um damit Handel oder bürgerliche Nahrung zu treiben, nach denen der Stadt
verliehenen Privilegien sich nicht bedienen dürfen. Keine Waren zum
Verkauf und Betrieb bürgerlicher Nahrung zu Wasser zu bringen, oder von
denenselben auf der Retour nach Bramstedt zurücknehmen, allermaßen alle
diejenigen
424
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Waren, so zum Handel und
Wandel gehören, denjenigen Einwohnern, so unter der Stadt-Jurisdiction seßhaft,
sowohl auf der Stör als auch auf der Aue privative zugebracht werden müssen.
Alle diejenigen Waren hingegen, so zum selbsteigenen Gebrauch und Bedürfnis und
nicht zum Handel und Wandel gehören, können den Itzehorischen Einwohnern
ohne Unterschied, sie mögen unter des Magistrats Jurisdiction seßhaft sein oder
nicht, zugeführt werden; gleichdann auch denen Itzehöern ebenfalls nicht
erlaubt sein soll, mit andern als unsern (des Königs) Unterthanen in dem
Flecken Bramstedt zu Wasser Handlung zu führen. Nur bleibet denen Itzehöern
frei, das Korn, welches sie immediate (unmittelbar) von den Besitzern der
adelichen Güter oder von den Pächtern erkauften, bei denen Schiffstellen an das
Wasser liefern und von Bramstedt nach Itzehoe zu Wasser transportieren zu
lassen. - Und obgleich
4. zu Beibehaltung der
bürgerlichen Fleckens-Nahrung diejenigen, so Fahrzeuge zu haben und in der
Schiffer-Gesellschaft einzutreten gedenken, in dem Flecken und nicht
außerhalb desselben wohnen müssen, auch ihre Fahrzeuge im Flecken auf der
Aue liegen zu haben verbunden sind; so sollen sie doch
5. die an der Aue
wohnenden Unterthanen, wann selbige sich über kurz oder lang entschließen
wollen, die wegen der Schiffbarmachung dieser Aue und deren Befahrung
erweißlich gemachten Aufwendungen, sie mögen Namen haben, wie sie wollen,
anteilsmäßig zu vergüten, nach diesem die Fahrt mit zu unterhalten, davon nicht
ausgeschlossen sein, sondern das Recht haben, sich ebenfalls Fahrzeuge zur Verschiffung
ihrer Produkten anzuschaffen. (Beispiel: Gutsbesitzer von Bramstedt.) Jedoch
müssen sie sich, wenn sie ihre Produkte diesergestalt weggeführet haben und mit
den Fahrzeugen zurückgehen, an keinem Orte, es sei Itzehoe, Kellinghusen oder
sonst irgendwo, einige Waren - ausgenommen solche, derer sie zu ihrer eigenen
Haushaltung bedürfen - mithin überall keine Waren zum Wiederverkauf und um
damit Handel und Wandel zu treiben, zurückführen.
6. Die ordentliche
Schiff-Stäte und Niederlage, wo die Waren ein- und ausgeladen werden, soll in
und bei dem Flecken Bramstedt und sonst nirgends sein. Und obgleich denen
Bramstedtern erlaubt ist, zwischen dem Flecken und der roten Brücke (Einmündung
der Bramau in die Stör) auf der Bramau die Waren, wo sie wollen, ein- und
auszuladen, so bleibet ihnen dennoch verboten, wenn sie zu Wasser nach Itzehoe
oder von dannen zurückfahren, unterwegs zwischen der roten Brücke und der Stadt
Itzehoe auf dem Stör-Strohm irgendwo, besonders aber bei der Breitenburger
Fähr-Brücke, etwas aus- oder einzuschiffen. Dahingegen den Itzehöern zwar nach
wie vor frei stehet, auf dem Stör-Strohm bis an die Bramau ihre Waren überall,
wo sie es für gut befinden, ein- und auszuladen, jedoch keineswegs vergönnt
ist, diesseits der roten Brücke bis nach dem Flusse Bramau unterwegs etwas ein-
und auszuschiffen, sondern wenn die Bramstedter mit ihren Fahrzeugen auf dem
Stör-Strohm oder die Itzehoer mit den ihrigen auf die Aue kommen, so sind beide
Theile verbunden, ihre Waren nach Maßgabe des § 3 resp. denen Einwohnern der
Stadt und den Königlichen Unterthanen des Fleckens zuzuführen. -Wie denn auch
die Bramstedter Prahmen-, Bollen- und Kahnenführer nicht
425
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befugt sein sollen, zu
Kellinghusen oder andern jenseits der mehrfach gedachten Brücke belegenen Orten
einige Waren einzunehmen oder daselbst abzuholen und nach Itzehoe zu bringen.
Und wie
7.
unseren
Bürgern der Stadt Itzehoe von seiten der Eingesessenen des Fleckens Bramstedt
nach § 3 bereits zugestanden worden, das immediate von adelichen Gütern
erhandelte Getreide nach Bramstedt liefern, daselbst einschiffen und nach
Itzehoe bringen zu lassen, so wird denenselben dagegen
8.
dergleichen
Handel mit Krum-, Bau- und anderm Holze, auch fetten und sonstigen Waren keineswegs
auf gleichem Fuße, nemlich daß sie auch diese erkaufen und zu Wasser von
Bramstedt nach Itzehoe bringen lassen mögen, erlaubt.
9.
Zum
Transport des Korns, so die Itzehoer Bürger immediate von adelichen Gütern
erkaufen und von Bramstedt nach Itzehoe fahren lassen können und mögen, werden vorzüglich
Bramstedter Fahrzeuge, mithin keine andern Fahrzeuge, wenn von jenen nicht
soviel als nöthig vorhanden sein möchten, gebrauchet.
10.
Die
Itzehoer Bürger erlegen bei der Bramstedter Schiffstelle wegen An- und Abfuhr
des Korns und sonsten alles dasjenige, was an andern Orten und Schiffstellen
gebräuchlich ist.
11.
Bei
dem erforderlichen Auf- und Niederziehen der Fahrzeuge haben die Eigenthümer der
Prahmen, Bollen und Kahnen äußerst zu vermeiden, daß denen an der Aue liegenden
Wiesen dadurch Schaden zugefügt werde, gestalt denn diejenigen, so das Ziehen
der Fahrzeuge abwarten (besorgen), sich keines neuerlichen Fuß-, sondern nur
der so genannten Fischer-Steige auf denen an der Aue liegenden Wiesen zu
bedienen haben. Und damit diesem allen desto genauer nachgelebt werde, so sollen
12.
alle
diejenigen Waren, welche diesem Unserm Privilegium entgegen von dem einen und
dem andern unerlaubt erhandelt, abgesetzt oder verfahren werden, nebst dem
Fahrzeug also confiscieret (beschlagnahmt), öffentlich verkauft und dann dem
Fisco die eine, und dem Angeber die andere Helfte ausgekehret werden.
13.
Endlich
soll allen und jeden Eingeseßenen im Flecken Bramstedt nach geschehener
Bekanntmachung dieses Unseres Allergnädigsten Privilegii eine Zeit von Acht
Wochen gesetzet werden, vor deren Ablauf sie sich zu erklären haben, ob sie
gleich in die Schiffahrts-Gesellschaft einzutreten gesonnen sind oder nicht.
Und obzwar auch nach Ablauf dieser Zeit denen Fleckens-Eingeseßenen noch
unverwehrt sein soll, Mit-Interessenten davon zu werden, so soll doch ein
jeder, der sich erst nach vorbemeldeter Zeit entschließet, in die Gesellschaft
zu treten, verbunden sein, zu den aufgewandten Kosten gedoppelt zu concurrieren
(beizutragen).
Gegeben auf Unserem Schloß
Friedrichsburg, den 23. April 1756
(gez.)
Friedrich R.
Niemand wird das redliche
Mühen der Männer verkennen wollen, die durch ihre Ausdauer dies etwas
umständlich geformte Fleckensprivilegium errungen haben.
426
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Wer aber die örtlichen
Verhältnisse kennt und die fast beängstigende Verklauselierung des
Rechtsbriefes ins Auge faßt, kann nicht glauben, daß den Bramstedtern nunmehr
eine Möglichkeit zu erheblichem Aufstieg ihrer »Bürgerlichen Nahrung« sich
eröffnet habe. Leider ist keine Urkunde sichtbar geworden, die uns über die
praktische Auswirkung dieser Königlichen Begnadung unterrichten könnte. Selbst
das alte Fleckensbuch schweigt sich in diesem Punkte beharrlich aus. Woraus zu
entnehmen sein dürfte, daß der Flecken als solcher der geplanten
Schiffahrts-Gesellschaft nicht beigetreten sei. Daß indessen irgendwie praktische
Ergebnisse erzielt worden sind, kann mit einigem Grund angenommen werden.
Pastor Johann Kähler sagt in seinem bekannten Buch über das Stör-Bramautal
(Seite 110), daß in Hitzhusen bei Harms eine »Scheepstell« gewesen sei. Auch
führt er den ersten Freibesitzer der alten Wassermühle, N. F. Paustian, als
Zeugen an, der noch 1847/48 bei hohem Wasserstand Schiffe dort gesehen habe.
Dies wird allerdings durch des Zeugen älteste Tochter, Fräulein Berta Paustian,
die rührendtreue Hüterin des geistigen väterlichen Erbes, dahin berichtigt, daß
ihr Vater in diesem Falle nur habe weitergeben wollen, was er von andern gehört
habe. Indessen ich selbst erinnere mich mit Bestimmtheit, daß mein
Stiefgroßvater Marx Todt, am Anfang des vorigen Jahrhunderts in Hitzhusen
geboren und 1838 als »Setzwirt« nach Wiemersdorf verheiratet, seinen Enkeln
erzählt hat von »Bullen« und »Ewern«, die er auf der Bramau gesehen habe. Mir
freilich ist es seltsam vorgekommen, wie genannte Kreaturen, mir als
Stallbewohner bekannt, hätten »auf der Aue liegen« können. Aber Vertrauen und
Ehrfurcht vor dem grauen Haupte waren hinreichend gepflegt, den Großvater vor
Nachfrage zu bewahren. - Der alten Fleckenslade entnehmen wir eine willkommene
Bestätigung. Am 22. April 1854 setzt sich Bassmann, derzeit Fleckensvorsteher,
energisch dafür ein, daß die geplante Landstraße Bramstedt-Wrist auf der
nördlichen Seite der Bramau anzulegen sei. Dabei betont er, daß in Hitzhusen
bei hohem Wasserstande die Bramau schiffbar sei und öfters Holz von dorten
abgeholt und den Marschdistrikten zugeführt werde. Bei dem dortigen Bauervogt
Harms sei der Stapelplatz, wo zuzeiten viel Holz lagere.
Aber auch von einer Anlegestelle
in Bramstedt leuchtet ein allerdings schemenhafter Schummer auf. G. H,
Mahnke berichtet unter dem Datum 1821: »Noch jetzt lebende Personen erinnern
sich, daß die Schiffe mit schwarzen Töpfen u.s.w. bis an die Becker Brücker in
Bramstedt gekommen sind.« Ferner: »Bramstedt verlor, man sagt, mit Vorsatz der
damaligen Anwohner, die große Steine in den Fluß gewälzt haben sollen, die
Schiffbarkeit der Bramau.« - Man denke: 1756 ist die Konzession herausgekommen,
und 65 Jahre später liegt das Unternehmen den Ortsbewohnern schon im Dämmer
redseliger Sage!
Im übrigen bleibt es
dabei, daß tatsächlich in Bad Bramstedt nicht ein irgendwie geartetes Dokument
über hier betriebene Schiffahrt oder damit zusammenhängende Betätigung eines
Bürgers bisher aufzutreiben gewesen ist. Wohl lebt die Vermutung, daß in frühen
Tagen die Bramau viel bedeutender und für Schiffahrt wohl geeignet gewesen sei.
Mag sein; aber die in der hier verhandelten
427
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Urkunde verzeichneten
Anmerkungen über den derzeitigen Zustand des Gewässers berechtigen zu der
Ansicht, daß das Bestehen jener »Großen Bramau« in vorgeschichtliche Zeit zu
verlegen sei. Dagegen liegt Grund vor für die Annahme, daß im 13. Jahrhundert
und später der Weg von der Elbe nach Segeberg über Arpsdorf (an der Stör)
geführt habe. -
Bleiben noch Mär und Sage.
Sie wissen zu berichten, daß in der Feldmark Föhrden, und zwar im Hinkenholt
nahe der Hitzhusener Grenze, eine Burg gestanden habe. Reste des Burgwalles
glaubt man noch zeigen zu können. Dort sollen einmal Ritter gehauset haben und der
Schrecken der vorüberziehenden Schiffe gewesen sein. Mit der Bramstedter
Schiffahrt, die auf Grund des hier in Rede stehenden Privilegs von 1756 die
Bramau nutzte, kann das nicht in Berührung stehen. Denn zu jener Zeit war das
Raubritterwesen, wenigstens in dieser robusten Form, nicht mehr an der
Tagesordnung. Verlegen wir das Treiben der edlen Burgbewohner in frühere Tage
und ein wenig nach dem Westen, also ins Störgebiet, so wäre allerdings die
Möglichkeit gegeben, der Sage einen soliden Anhalt zuzugestehen.
Noch in Erinnerung zu
bringen ist die Tatsache, daß die Bramau erst innerhalb des Ortes nach der
Vereinigung mit der Hudau ihren Namen gewinnt. Das Wort »Hude« bedeutet
nach Mensings schleswig-holsteinischem Wörterbuch einen »Bergeplatz an
Gewässern«, einen »Ladeplatz«. Unsere Hudau bildet nur ein kurzes Stück eines
Wasserlaufes und durchfließt wesentlich das ehemalige Gutsland, im besonderen
den Schloßgarten, diesen prächtig verschönernd. Es ist mit Recht anzunehmen,
daß die Schloßbewohner in ihrem Bezirk Schutz und Anlegeplätze hergestellt,
genossen und benutzt haben und dann in der Folge das freudespendende Flüßchen
mit dem rechten Namen bedacht worden ist. Daß nur die Fleckensakte darüber
nicht Nachricht gibt, wird unsern Frieden nicht stören.
Bramstedter
Fuhrrolle
Diese für den Flecken
wichtige Institution ist im Jahr 1694 gegründet worden. Dazu war königliche
Konzession erforderlich, deren Wortlaut noch heute vorliegt.
Sie folgt hier wörtlich:
»Wir Christian V. thun
kund hiermit, daß uns von dem Edlen Unserm Regierungsrat in den Fürstentümern
Schleswig-Holstein, Vice Amtmann zu Segeberg und lieben Getreuen Reimar Peter
von Rheder allerunterthänigst vorgetragen, welcher Gestalt die Einwohner des
Fleckens Bramstedte, in Ansehung sie drei große und eine kleine Brücke, wie
auch die Wege und Stege daselbst mit großen Kosten jährlich unterhalten müssen,
deren sich doch bishero fremde Fuhrleute zu ihrem (der Bramstedter) Nachteil am
meisten bedienen, entschlossen, ein Fuhrwerk unter sich aufzurichten, auch
bereits zu dem Ende 17 gute Wagen zu Fortschaffung der reisenden Personen
beysammen gebracht und noch mehrere zur Hand zu schaffen bereit wären, falls
Wir allergnädigst gefällig ihnen dazu Unsere König-
428
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liche Concession in Gnaden
zu ertheilen. - Wenn dann solches Vorhaben zum Aufnehmen (Aufstieg) und zur
Beförderung gedachten Unseres Fleckens angesehen und Wir demnach demselben in
Kgl. Gnaden Statt geben, als (so) concediren und bewilligen Wir nicht allein,
daß die Eingesessenen zu Bramstedte ein Fuhrwerk, auch deshalb bis auf Unsere
allergnädigste Approbation eine gewisse (sichere) Fuhr-Rolle unter sich
errichten mögen, sondern verordnen auch hiermit allergnädigst und wollen, daß
hinfüro alle und jede Fuhrleute, welche reisende Personen, so von Hamburg über
Neumünster nach Rendsburg oder von dannen über Neumünster nach Hamburg, wie
auch von Itzehoe und der Gegend nach Lübeck oder einen andern Ort fahren, in
Bramstedt ihre Passagiere absetzen und selbige allda frische Wagen nehmen;
dahingegen die Bramstedtischen Fuhrleute denen Reisenden alle Commodität zu
verschaffen und dieselben ohne Aufenthalt mit guten Wagen und Pferden gegen die
in Unserm Herzogtum übliche Belohnung zu versehen und fortzubringen gehalten
sein sollen. Befehlen demnach allen und jeden Fuhrleuten, so mit Passagieren
von einer oder andern der obbenannten Städte fahren, bei willkürlicher Strafe
hiermit allergnädigst und ernstlich, obgemeldter Unserer Verordnung in allem
nachzuleben, auch der ordinären (dafür bestimmten) Landstraße sich zu bedienen
und alle Nebenwege zu vermeiden.
Wonach sich männiglich
allerunterthänigst zu richten.
Geben auf Unser Residenz
zu Copenhagen den 12. März 1694.«
L. S.
R.
gez. Christian V.
Damit ist der Weg frei für
eine neue Gilde im Flecken. Eine genauere Satzung, die am 1. November 1699
vereinbart worden und vielleicht nicht die erste gewesen ist, liegt noch zur
Hand und mag uns unterrichten über die Handhabung der neuen Berufsaufgabe.
Unter Mitwirkung des
Kirchspielvogts und in seiner Amtsstube ist in Gegenwart sämtlicher Mitglieder
das Werk zuwege gekommen, und zwar wie folgt:
»1. Wollen wir itzige und
künftige in der Reihe befindliche Fuhrleute auf Ankündigung des Aeltermannes
oder Wagenmeisters allemal nach der Ordnung alle Reisenden-Fuhren, so diesen Ort
passieren, unweigerlich und ohne allen Verzug verrichten, und keiner dem andern
praevenieren oder vorgreifen.
2.
Wollen
wir, so in dieser Fuhr-Rolle der Reihe mit begriffen, uns mit guten Pferden und
Wagen, auch allen Gerätschaften, soferne einen anders die Reihe nicht
vorbeigehen sollte, uns versehen und sowohl gegen fremde als einheimische
Reisende alle Aufwärtigkeit und Bescheidenheit gebrauchen. Und ob wohl die
Haus-Wirthe durch einen tüchtigen Knecht die ihnen beikommenden Fuhren
verrichten mögen, so soll doch derselbe Knecht nicht minder denn sein Hauswirth
an allen diesen Punkten gebunden, widrigenfalls desfalls der Hauswirth gehalten
(verpflichtet) und dieser an jenen sich zu halten berechtigt sein.
3.
Soll
der p. t. Aeltermann oder Wagenmeister auf die hiedurch passierenden Personen
fleißig achten und selbige, sobald er deren Ankunft erfähret, beim Fuhrmann,
welchen die Reihe trifft, sofort anmelden, damit derselbe sich desto hurtiger
danach schicken und seine Pferde und Wagen beyzeiten darzu fertig halten könne.
429
---------------------------------------------------------------------------------------
4.
Unter
langen und kurzen Fuhren soll ein richtiger Unterschied gehalten werden, die
langen auf 5-6, die kurzen auf 4-2 Meilen gerechnet werden, worüber der p. t.
Aeltermann jederzeit ein richtiges Register führen soll.
5.
Für
Bestellung solcher Fuhren werden Ihro Kgl. Maj., gleich wie in andern Städten,
3 Schilling Lübsch für jeden Wagen von dem Passagier zu erheben, allewege gestatten.
6.
Sollte
einen von uns die lange und kurze Fuhr zugleich treffen, so mag er wählen; doch
soll ihm bei seiner Zuhausekunft und wenn seine Pferde 24 Stunden geruhet
haben, frei stehn, die Fuhr nachzuthun; indessen aber und Zeit seines
Außenseyns, so eine andre Fuhr vorfallen sollte, fährt der, den die Reihe
trifft.
7.
Wann
auch nach diesem wir mit denen benachbarten Städten uns vergleichen können,
eine Fuhr in Retour zu nehmen, wie es bereits von Itzehoe nach Haders leben
unter ihnen in Gebrauch, soll denen Städten desgleichen hinwiederum gegönnet
werden. Doch soll von Uns derjenige, so in der Retour Passagiers aufhat, nicht
weiter als hierher zu fahren bemächtiget sein.
8.
Und
wie Ihro Königl. Maj. allergnädigst verordnet, daß die Reisenden in andern dero
Städten zu Sommerzeit, von Ostern bis Michaelis, für einen Wagen mit 2 Pferden
für jede Meile 20 und für einen Vorspann mit 2 Pferden 28 Schilling Lübsch
zahlen, in den 6 Wintermonaten aber 24 und 32 geben sollen: als bitten wir
solches auch allergnädigst zu gönnen.
9.
Wenn
auch der mit 4 Pferden bespannte Hochfürstliche Schleswigsche
Küchenwagen, so von einem Hamburger, Namens Sonnenberg, gepachtet, der selber
hinwiederum von einem Neumünsterschen Fuhrmann fahren lässet, und wöchentlich
mindestens einmal nach Hamburg und zurück gehet, die meisten Passagiers zu
Unserm höchsten Nachtheil aufnimmt; die Hochfürstlichen Heyder und Tönninger
Post-Wagen aber in Itzehoe allezeit ihre bei sich habenden Passagiers nieder
setzen und diese von denen Reihe-Fuhrleuten daselbst andre Wagens nehmen
müssen: So bitten wir Ew. Kgl. Maj. allerunterthänigst, zu befehlen, daß
sothane sogenannte Küchenpost oder K-Wagen die aufhabenden Passagiers ebenfalls
daselbst absetzen, auch aller andern verbothenen Neben-Wege sich enthalten
müssen, wodurch unsern Reihe-Fuhren merklich wieder gebessert und in Aufnahme
gebracht würden.
10. Nicht minder bitten wir um allergnädigste Verordnung dahin, daß gleich
andern Orts mehr als 3 Personen und jede nur einen kleinen Koffer oder
Fell-Eisen auf eine Wagenfuhr zu rechnen, daferne ein Reisender mehres bei sich
führt, er dafür in specie die Fracht bezahlen müsse.
11. Und als unsere 15 Fuhrleute in dieser Ordnung und Rolle, welche anitzo mit
unsern Pferden und Wagen die hier durchreisenden Posten vermuthlich zur Genüge
befördern können und wir uns überdem alle sehr befleißigen werden, auch
anheischig verbindlich gemacht haben, die jederzeit vorfallende Fuhre alle Zeit
genugsam zu verrichten, so wollen wir es bei der Zahl unserer Fuhrleute, damit
wir unser Auskommen desto besser haben, vors erste bewenden lassen; auch damit
wir, wenn uns einige Pferde, wie öfters geschiehet, abfallen, zu deren
430
---------------------------------------------------------------------------------------
Herbeyschaffung besseren
Kredit haben, mag jeder seine Reihe-Fuhr versetzen, verpfänden, auch gar
verkauffen; jedoch soll derjenige, der so an sich handelt, in Königl.
Jurisdiktion hier (also nicht im Gut) wohnen und nicht eher eingenommen werden,
bevor er auch gute Wagen und Pferde zugelegt hat. - Soll eine >Rollfuhre<
verkauft werden, so steht den übrigen Brüdern der Gilde in ihrer Gesamtheit das
Recht des Vorkaufs zu.
12. Wollen und sollen wir
alle diese vorbeschriebenen Punkte richtig und mit allem Fleiß halten, und da
einer sich unterstehet, dawider zu handeln, soll der p. t. Wagenmeister
schuldig sein, falls er nicht selber in die Kgl. Brüche verfallen will,
denjenigen sofort bey unserm Kirchspielvogt, als unserm Morgensprach-Herrn,
anmelden, welcher dann denselben gebührlich zu (Straf-)Register setzen und
nachgehends vor dem Herrn Amtmann die Brüche >dingen< lassen wird. Auch
wollen wir ohne besagten unsers K.-Vogts Konsens und Einrathen nichts
vornehmen, oder da es von einem oder andern geschehen sollte, Ihro Kgl.
Majestät deswegen gerecht werden. Bramstedt, den 1. Nov. 1699.« Es folgen die
Namen sämtlicher Roll-Fuhrleute.
»Daß die sämtliche
Reihe-Führer diese Fuhr-Rolle in meiner Gegenwart unterschrieben, wird hiermit
attestiret.
Bramstedt, den 1. Nov. 1699
(gez.)
Detlef Averhoff Kirchspielvogt hierselbst.«
Es entgeht uns nicht, daß
vorstehendes Schriftstück noch nicht die ausgekämmte Form einer fertigen
Satzung hat und noch höherer Genehmigung bedarf. Da aber der in solchen Dingen
sehr erfahrene Kirchspielvogt seine Unterschrift gegeben hat, spricht alle
Wahrscheinlichkeit dafür, daß wesentliche Änderungen nicht mehr erfolgt sind.
Nach weiteren vierzig
Jahren haben sich unsere Fuhrleute zu verteidigen gegen den Vorwurf, daß ihre
»Hurtigkeit« nicht den Ansprüchen der Reisenden gerecht werde. Die Bramstedter
meinten, daß eine Wartezeit von zwei Stunden zwischen Ankunft und Abfahrt nicht
zu beanstanden sei: Konferenzrat und Amtmann von Rantzau bescheinigt ihnen, daß
nach gegebenen Umständen die Bramstedter nicht so schnell zur Hand sein
könnten, wie es an andern Orten möglich sei. Doch gibt Christian VI. am 28.
Juli 1741 den Befehl heraus, daß sie die Frist von 1½ Stunden nicht überschreiten
dürften.
Von
der Post und vom Reisen
Durch unsern Ort führt
eine der wichtigsten Straßen des ganzen Landes. Dieser Nord-Süd-Weg verband
Kiel mit Hamburg, die Ostsee über die Elbe mit der Nordsee. Wenn die dänischen
Könige in ihrer Eigenschaft als deutsche Bundesfürsten ins Reich reisten,
benutzten sie diesen Weg. Darum heißt er auf alten
431
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Karten die »via regia«,
der Königsweg. Daneben entstand ein zweiter Name, der »Ochsenweg«. Von Jütland
wurden auf ihm zahlreiche Ochsenherden südwärts getrieben. Auch schwerbeladene
Frachtwagen und vor allem Postwagen benutzten diese wichtige Landstraße.
Um 1820 war Bramstedt
Station für acht ordinäre Posten und auch für Extraposten. Nach 1835
entwickelte sich auf der neuen Straße von Altona nach Kiel ein gewaltiger
Verkehr. Wagen in Form großer Omnibusse, sogenannte Diligence mit vier Pferden
bespannt, kamen täglich einmal, von beiden Richtungen kommend, durch unsern Ort.
Sie beförderten Personen und Post und legten die Strecke in neun Stunden
zurück. Ehe die Post in den Ort fuhr, kündigte der Postillion durch Hörnerklang
seine Ankunft an. Er saß vorne auf dem Bock, mit Peitsche und Posthorn
ausgerüstet, trug weiße Lederhosen, die in hohen Stiefeln steckten, eine rote
Weste mit silbernen Knöpfen, einen blauen Tuchrock und einen hohen Hut. Hier,
wie in Quickborn und Neumünster, wurden die Pferde gewechselt. Die Pferdeställe
lagen neben der Posthalterei. Oft konnte die Diligence nicht alle Reisenden
aufnehmen, dann mußten die Gespannhalter des Orts Beiwagen stellen. Aber auch
zahlreiche Frachtwagen belebten die Chaussee. So ging es bis zur Eröffnung der
Altona-Kieler Eisenbahn im Sommer des Jahres 1844. Damit begann ein regelmäßiger
Postverkehr zwischen Bramstedt und Wrist1). »Peter Post«, so nannte
man den Boten, machte wochentäglich mit seiner Briefkiepe die Tour hin und
zurück; aber 1865 eröffnete Fuhlendorf den Omnibusverkehr, der vermutlich auf
zwei Tage wöchentlich beschränkt war. Mit diesen aus Kellinghusen stammenden
Nachrichten stimmt ein den Bramstedter Nachrichten vom 26. November 1837
entnommener Bericht nicht ganz überein. Danach ist eine Wagenpost erheblich
früher eingerichtet worden. Anno 1857, nach Ausbau der Straße nach Wrist 1856,
hat Gastwirt F. Remien, Holsteinisches Haus, der Generalpostdirektion zu
Kopenhagen mitgeteilt: Er beabsichtige, mit einem auf vierfachen Druckfedern
ruhenden »Wochenwagen« jeden Morgen um 7 Uhr und jeden Nachmittag um 4 Uhr ab
Bramstedt, und nach Ankunft der beiden Personenzüge vormittags und abends von
Wrist retour zu fahren, um fremde Reisende gegen festes Entgelt zu befördern.
Er bitte um Genehmigung und rechne damit, daß er nicht nur die Beförderung der
freitags und dienstags von Bramstedt nach Wrist fahrenden Personen, Fracht- und
Briefpost, sondern auch die täglich abgehende Fußbotenpost übernehmen könne,
und zwar unter den gleichen Bedingungen, wie diese fahrende Post bisher von dem
hiesigen Einwohner Fuhlendorf besorgt worden ist. Er werde die gleichen
Obliegenheiten übernehmen, welche Fuhlendorf und der Postbote zu erfüllen
hatten. Er werde das Austragen der Briefe im Orte unentgeltlich besorgen. Er
sei überzeugt, daß auf diesem Wege eine kräftige Steigerung des Verkehrs erzielt
und so auch der Postkasse gedient werde. Unbekannt bleibt, ob Remien im
Einvernehmen mit Fuhlendorf handelt oder als dessen Konkurrent hervortritt.
__________
1)
Nach den Bramstedter Nachrichten.
432
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Hiernach müßte Fuhlendorf
schon vor 1857 und nicht erst 1865 seinen Omnibus in Dienst gestellt haben.
Auch zwischen
Kaltenkirchen und Bramstedt bestand zeitweise eine Postverbindung mittels eines
Hundefuhrwerkes. Nach Fertigstellung der Straße von Lentföhrden über
Kaltenkirchen nach Ochsenzoll (1856) lief täglich ein Omnibus, aus
Kaltenkirchen kommend, hier ein.
Im Zuge des Ausbaues von
Eisenbahnnetzen wurde 1880 der Plan gefaßt, auch einen Schienenweg von Altona
nach Kaltenkirchen zu schaffen. Schwere Kämpfe gab es um die Weiterführung nach
Bramstedt. Man bezweifelte die Rentabilität dieses Unternehmens, da die gute
Verkehrslage Bramstedts eine Frachtbeförderung in Richtung Nord-Süd bereits
gewährleistete. Dem Bramstedter Bürgermeister Gottlieb Freudenthal gelang es
endlich, die Verlängerung der Altona-Kaltenkirchener Bahn nach Bramstedt zu
erreichen. 1898 hatten die Bramstedter ihre Eisenbahn und nach dem ersten
Weltkrieg durch Ausbau der Bahn nach Neumünster die Möglichkeit, nordwärts zu
fahren. Damit hörte das Omnibusfahren nach Wrist auf. Erst in neuester Zeit
lebte die alte Route wieder auf als Autobusverbindung1).
Private
Bramstedter Omnibuslinie der Neuzeit
Am 4. Juni 1927 hat
Heinrich Prahl den ersten Omnibus von Bramstedt nach Hamburg in Bewegung
gesetzt. Dreißig Personen faßte das für täglich fünf Fahrten bestimmte
stattliche', in jeder Hinsicht moderne Fahrzeug. Noch im selben Jahre wurden
Fahrten nach Segeberg, sowie nach Hohenwestedt über Wrist eingefügt. Der Betrieb
wuchs stetig. Es folgte die regelmäßige Fahrt auf der Linie
Bramstedt-Kellinghusen-Itzehoe; danach die Erweiterung
Kellinghusen-Tönsheide-Nortorf. Der energische Unternehmer plante fernerhin
regelmäßige Fahrten von Hohenwestedt über Heinbostel nach Nortorf, mußte aber
davon Abstand nehmen, als 1939 aufs neue der Weltkrieg ausbrach.
Solches ist sehr zu
bedauern. Erwachsene und Kinder, Schulen und andere Gemeinschaften hatten sich
daran gewöhnt, zur schönen Sommerzeit auf weiträumigen Sonderfahrten die
Schönheiten der Heimatprovinz kennenzulernen und zu genießen, ihren
Gesichtskreis in mehr als einer Hinsicht zu weiten. Ja, man erinnert sich an
genußreiche Fahrten nicht nur bis zum Eibstrand, sondern hinaus über die Elbe
bis zum Rhein und bis zum Schwarzwald.
Selbstverständlich wuchs
die Zahl der Omnibusse. In den zwölf Jahren der Aktivität ist der Bestand auf
zwölf gestiegen, darunter der Sattelschlepper »Atlantik« mit 60 Sitzplätzen der
größte.
Natürlich wuchs die
Betriebsgemeinschaft entsprechend, so daß schon aus diesem Grunde Heinrich
Prahls Unternehmen für das Erwerbsleben der kleinen Stadt erwünschte Förderung
bedeutete. Erfreulicherweise hat der Krieg nicht die Still-
__________
l)
Nach den Bramstedter Nachrichten.
433
---------------------------------------------------------------------------------------
legung dieses Betriebes
bewirkt, so daß wohl zu gegebener Stunde sein Aufblühen zu begrüßen sein wird.
Ein
Junker versucht, bei der Post sein Glück zu machen
Hochklingende Adelsnamen
verbinden sich mit dem Stedingshof, dem Bramstedter, heute nicht mehr
vorhandenen, adeligen Gute. Die von Ahlefeld, Graf von Königsmark sind Besitzer
des Gutes, Christian Günther zu Stolberg zugleich Amtmann des Bezirkes
Segeberg. Im Gedächtnis geblieben, wenn auch in höchst unrühmlichem, ist den
Bramstedtern der Graf von Kielmannsegge: Er hat die Bramstedter gequält und den
Anlaß gegeben zur Drittelung der hiesigen Hufen. Dem Grafen zu Stolberg rühmt
der derzeitige Pastor Detlef Chemnitz nach, daß er die Leibeigenen für ein
mäßiges Geld freigegeben, ihnen teils auf seine Kosten schöne neue Häuser habe
bauen lassen; er müsse den Untertanen unvergeßlich sein. - Aber das war nicht
gerade eine Angelegenheit des Fleckens. Nahe stand ihm Graf Hans Rantzau, als
Amtmann der Vorgänger des Stoiberger Grafen. Er hat sich in Bramstedt ein Haus
gebaut und dadurch bewirkt, daß bis zum Jahre 1781 oder 1782 Bramstedt Wohnsitz
des Segeberger Amtmannes war. Am Rande sei bemerkt, daß Rantzau dazu die
besondere Erlaubnis hatte einwerben müssen und es dem Gutsbesitzer Graf zu
Stolberg vergönnt wurde, den gleichen Wunsch für sich erfüllt zu sehen. Von
einem Amte Bramstedt zu sprechen, ist ganz abwegig.
Mit dem Gute sind auch
Adelsrechte entschwunden und ebenfalls die Adeligen selten geworden. Aber was
hat es mit dem »Junkerstieg« auf sich? Weckt nicht dieser klangvolle Name die
Vorstellung von fürstlichem Walten und Gebaren? Es muß doch mindestens ein Junker
hier gelebt haben, ehe man diesen Wegenamen einführen konnte. Bramstedts alte
Papiere geben nur einmal Kunde von einem solchen, der hier sein Glück versucht
hat.
Kammerjunker Casper Ernst
Franz Friedrich von Schlanbusch, der wohl ein Mecklenburger gewesen sein mag,
trat hier im Jahre 1841 den Dienst eines königlichen Postmeisters an, ein Amt,
das vorher in der Hand der Familie Frauen gelegen hatte. Um das für diese
Geschäftsführung nötige Geld zu erlangen, machte er eine Anleihe von 6000
Kurantmark, wofür er sein gesamtes bewegliches Gut verpfändete. Er verpflichtet
sich, das geliehene Geld in zwei Jahren in Monatsraten zurückzugeben, was hier
notiert wird, um aufzuzeigen, welch große Ertragsmöglichkeit damals dem
Bramstedter Postbetriebe beigelegt wurde.
Es zeigte sich indessen
recht bald, wie sehr der wirkliche Ertrag zurückblieb hinter dem von unserm
Kammerjunker geschätzten. Nach zwei Jahren war der Geldgeber Inhaber des
Postbetriebes.
Junker Schlanbusch aber
hat uns ein genaues Verzeichnis des für den Postbetrieb nötigen lebenden und
toten Inventars hinterlassen, das ein gutes Bild gibt über Art und Umfang des
damaligen Postbetriebes.
434
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Lebendes
und totes Inventar des Postmeisters 1841
1. Pferde
Mark
Schilling
1
schwarze Stute mit
Bleß....................................................................
100............ —
1
schwarzer Wallach mit Bleß...............................................................
60............ —
1
Fuchsstute ohne
Abzeichen..............................................................
90............ —
1
Fuchsstute mit weißer Mähne...........................................................
90............ —
1
Rotschimmel
Wallach.........................................................................
85............ —
1
Grauschimmel Stute mit
Bleß........................................................... 100............
—
1
Tiger Wallach
...................................................................................
100............ —
1
brauner Wallach mit Stern und weißen Hinterfüßen________ 100_____ —
1
brauner Wallach mit Stern und weißen Hinterfüßen_________ 85_____ —
1
braune Stute, Bleß und 1 weißen Hinterfuß..................................
100............ —
1
braune Stute, Bleß und 1 weißen Hinterfuß..................................
150............ —
1
brauner Wallach, blind.......................................................................
60............ —
1
schwarze
Stute...................................................................................
100............ —
1
schwarze
Stute.....................................................................................
80............ —
1
schwarzer Wallach
.............................................................................
50............ —
2. Wagen
Grüne
Fensterchaise auf Druckfedern...............................................
300............ —
Braune
Fensterchaise auf Druckfedern.............................................
200............ —
Gelber
Stuhlwagen mit drei Stühlen...................................................
135............ —
Grüner
dito mit 3
Stühlen.......................................................................
85............ —
Chaisenstuhl...........................................................................................
30............ —
3.
Geschirr
8
Selen mit ledernen Strängen und Königschü&e..........................
150............ —
2
Selen schwarz mit
dito.........................................................................
50............ —
10
Arbeitsselen mit Tausträngen.........................................................
75............ —
3
Sattel....................................................................................................
15............ —
24
Pferdedecken......................................................................................
60............ —
16
Gurten..................................................................................................
10............ —
2
große leinene
Stalldecken....................................................................
5............ —
4
Wagenlaken.......................................................................................
10............ —
6
Putzgeschirre..........................................................................................
7.............. 8
Vorwachten,
Spitzschwengel und Bollenwagengeschirr
...
7
8
4
Häckerlingladen mit
Messer..............................................................
10............ —
Wir erkennen: Casper Ernst
Franz Friedrich hatte sich völlig eingereiht unter die Bürgerlichen; er hat uns
ein nettes Erinnerungsblatt an einen seinerzeit für unsern Ort wichtigen
Erwerbszweig hinterlassen. So mag auch der Name Junkerstieg in Erinnerung an
ihn gewählt worden sein.
435
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XVII.
CHAUSSEEBAU 1832 UND EINNAHME AUS CHAUSSEE- UND BRÜCKENGELDERN
Chausseebau
1832
Große Dinge werfen ihre
Schatten voraus. Das gilt auch für den Bau des ersten steinernen großen
Verkehrsweges, den weitschauend der Dänenkönig Friedrich VI. von der Ostsee bis
zur Elbe ziehen ließ. Rechtzeitig spürten die Bramstedter, daß etwas Großes für
sie auf dem Spiele stand, und es wurde nichts versäumt, diese wichtige
Verkehrsader dem Flecken zu sichern. Wohlbehütete Urkunden zeugen dafür, und
wir Nachfahren ehren uns selbst, wenn wir die angegilbten Schriften
durchblättern.
1. Vom 27. Juni 1829
datiert die älteste noch vorhandene. Die Fleckensvorsteher Peter Fölster und
Friedrich Schmidt tragen dem Landesherrn eindringlich ihre Sorgen vor.
»Schon im abgewichenen
Winter, als es noch die Absicht zu sein schien, daß die zwischen Kiel und
Altona anzulegende Kunststraße ihre Richtung über Preetz, Bornhöved usw. nehmen
sollte, wagten wir es, Ew. Königl. Majestät um Allerhöchste Abänderung dieses
Planes zu bitten, indem wir es vorstellten, daß durch Verlegung der bisherigen
Landstraße die Existenz des ganzen Fleckens Bramstedt gefährdet sein werde. Da
es jetzt wahrscheinlicher zu sein scheint, daß die Chaussee von Kiel über
Neumünster gehen werde, so können wir um so weniger umhin, Ew. Maj. die
traurige Lage des Fleckens in dem Falle, wenn, wie man vernimmt, nun die
Feldmark des Fleckens, nicht aber der Flecken selbst, durch die Chaussee berührt
werden sollte, nochmals alleruntertänigst vorzustellen, da wir uns zugleich
überzeugt haben dürfen, daß durch diese Richtung die Straße keineswegs an Kürze
gewinnen würde. - Geruhen Ew. Maj. allerhuldreichst in Betracht zu ziehen, daß
der Flecken Bramstedt zu seiner Existenz hauptsächlich auf den Betrieb
bürgerlicher Nahrung angewiesen ist, da sowohl das Areal der Ländereien als
deren Beschaffenheit in der unfruchtbarsten Gegend des Herzogtums leider von
der Art sind, daß die Landwirtschaft allein die hiesigen Einwohner zu ernähren
und auch ihnen nur den kümmerlichsten Unterhalt zu gewähren, nicht im Stande
ist. - Die Mehrzahl der hiesigen Einwohner lebt von der Gastwirtschaft und den
damit in Verbindung stehenden Gewerben, welche bisher lediglich durch die von
Altona nach Kiel über Bramstedt gehende Landstraße so belebt worden sind.
Würde nun, wie wir mit
Bekümmernis vernommen, die von Ew. Königl. Maj. allerhöchst ernannte Kommission
sich dahin erklären, daß die neu anzulegende Kunststraße zwischen dem Flecken
Bramstedt und dem Dorfe Bimöhlen hindurch
436
---------------------------------------------------------------------------------------
ihre Richtung nehmen müsse
und somit in einer Entfernung von etwa einer halben Stunde vom Flecken bleiben
würde, so müßten unfehlbar alle bürgerlichen Gewerbe in ihr Nichts versinken,
da die hiesigen Eingesessenen keine andere Quelle aufzufinden wissen, selbigen
emporzuhelfen, und dennoch städtische Lasten zu tragen verpflichtet sind. Eine
bedeutende Anzahl Ew. Maj. getreuer Untertanen würde dadurch an den Bettelstab
geraten, während weder den Reisenden damit ein Dienst geschähe, noch Ew.
Königl. Maj. allerhöchstes Interesse dadurch befördert werden würde, indem wir uns
sogar überzeugt halten dürfen, daß die Anlegung der Chaussee über Bramstedt,
der Beschaffenheit des Weges nach, die am wenigsten kostspielige sein werde und
manchem Reisenden, dem seine Gesundheit ein fortwährendes Fahren unmöglich
macht, sehr damit gedient sein würde, im hiesigen Flecken verkehren und
übernachten zu können.
Es vereinigen sich andere
Interessen also mit den unsrigen, die uns zu der allerdevotesten Bitte
berechtigen, die Richtung der neu anzulegenden Kunststraße über Bramstedt
bestimmen zu wollen.«
2.
Am
3. Dezember 1829 melden die beiden Ratsherren, daß der Flecken, wenn die zu
makadamisierende Straße über Bramstedt geführt wird, es bündigstermaßen
übernimmt, für die alsdann nun zu erbauenden Brücken 6000 Fuder Sand anzufahren.
3.
Im
Januar 1830 bringen die Supplikanten ihre Sache zum drittenmal vor den
geheiligten Thron ihres Landesherrn. Sie glauben, daß die Stunde der
Entscheidung, ob über Bornhöved oder Neumünster-Bramstedt, gekommen sei.
Geschickt tragen sie dem König vor:
»Als im siebzehnten
Jahrhundert der Flecken Bramstedt von der Landesherrschaft für 14 000
Reichstaler einem Privatmann verpfändet war, mußten die Eingesessenen, um von
den nicht zu ertragenden Bedrückungen frei zu werden, sich entschließen,
genannte Summe aus ihrem Besitze aufzubringen, um den Flecken wieder in
königlichen Besitz zu bringen. Das wurde nur dadurch ermöglicht, daß die 24
teils Voll-, teils Halbhufen in Drittelhufen zerlegt wurden. Die traurige Folge
war, daß die Drittelhufner durch ihre Landwirtschaft allein nicht bestehen
konnten und irgend ein bürgerliches Gewerbe hinzunehmen mußten. Das
durchzuführen, wurde bei möglichster Umsicht und Betriebsamkeit erreicht.
Einesteils wurde dies begünstigt dadurch, daß das Amthaus hier am Orte war,
andernteils durch die frequente Landstraße Altona-Kiel. Die vor reichlich 50
Jahren erfolgte Verlegung des Amthauses nach Segeberg gab dem Wohlstand des
Fleckens den ersten Stoß. Wiederholte Konkurse beweisen das. Bramstedts
Bevölkerung würde in der Tat notleidend, wenn man ihr die Landstraße entziehen
wollte. Das wird nicht dem Willen und dem Interesse Kgl. Majestät gemäß sein. -
Im Falle von Truppenmärschen werden die Flecken Neumünster und Bramstedt
bedeutend mehr Quartiergelegenheit bieten als die Ortschaften in Richtung
Kiel-Bornhöved. Auch den Reisenden dürfte es angenehmer sein, wenn sie genannte
Flecken berühren, statt nur durch öde Heidestrecken und unbedeutende Dörfer zu
kommen.«
437
---------------------------------------------------------------------------------------
4. Befehl des Amthauses,
»den Kondukteuren« des Chausseebaus, die nun in voller Breite die Pflöcke für
die Abgrenzung der Kunststraße einstecken sollen, in keiner Weise zu
behelligen. »Auch wo Befriedigungen und Zäune niedergerissen werden müssen, ist
keinerlei Widersetzlichkeit zu dulden, sondern alle Willfährigkeit zu erweisen.
Die Besitznahme und Bearbeitung erforderlichen Landes erfolgt erst nach der
Vermessung durch beeidigten Landmesser. Den Eigentümern wird jeder erweisliche
Schaden ersetzt.«
5. Das Tor öffnet
sich. Anno 1830 den 10. Juli teilt das Amthaus den Fleckensvorstehern mit:
»Ihr Erbieten zur
unentgeldlichen Anlieferung von 306 Fuder Steine auf der Bramstedter, 462 Fuder
desgl. auf der Fuhlendorfer und 637 Fuder Steine auf der Wiemersdorfer
Feldmark, welches sie unter der Bedingung gemacht, daß die Chaussee über
Neumünster-Bramstedt geführt werde, nunmehr, nachdem die Bedingung erfüllt,
angenommen sey. Die solchergestalt Verpflichteten werden es sich angelegen sein
lassen müssen, die zu liefernden Steine baldtunlichst und fortgesetzt
auszugraben, auszubrechen und, wo es nötig ist, sie zum Transporte durch
Schießen oder Klöben schicklich zu machen. Wenn die Baudirektion die
Betreffenden zur Lieferung ansagt und den Anlieferungsort anweisen läßt, muß
innerhalb 3 Monate die Lieferung bewerkstelligt sein. Vorlieferungen können
zugelassen werden, nachdem Baukondukteur Lieutnant von Möller einen Platz dafür
angewiesen hat.«
6. Königl. Resolution vom
29. Juli 1830, betr. Einfahrt von der Chaussee zum Grundstück des Anliegers. Wo
solche unentbehrlich ist, wird sie auf Rechnung der Chausseekasse hergestellt.
Werden weitere gewünscht, so kann dazu der Kondukteur Einwilligung geben. Wer
darin des Kondukteurs Weisung mißachtet, kann verurteilt werden zur
Wiederherstellung des früheren Zustandes nebst Brüche von 2-50 Reichstalern.
7.
Anno
1830 den 13. November mahnen Peter Fölster und Friedrich Schmidt den
Obristleutnant von Prangen, wie folgt:
»Obwohl durch mündliche
Verhandlung und ausdrückliche Versicherung gänzlich beruhigt, daß es bei der
bereits abgesteckten Chaussee-Linie bleiben soll, hat doch in diesen Tagen
Kammerherr und Oberwege-Inspektor von Warnstedt aufs neue eine Messung durch
hiesigen Ort und unsere Feldmark vorgenommen, wodurch nicht allein die dem
Flecken erwachsenden Nachteile, als Reparatur der hiesigen Brücke und des
Steindamms wegfällig werden, sondern statt sonst schlechtes Land zu berühren,
jetzt durch unsere besten Wiesen und Felder verlegt wird. Bei dieser Lage würde
es uns beim besten Willen nicht möglich sein, unsere Mitbürger im Flecken zur
Erfüllung ihrer Zusagen anzuhalten, da sie, an sich schon arm an guten
Ländereien, so ihre besten Wiesen und Koppeln verlieren, noch den Landbewohner,
der hauptsächlich mit Rücksicht darauf, daß er der Instandsetzung des
Steindamms im sogenannten Landwege entübrigt, ja bedeutende Steinlieferung
angeboten hat«.
»Wenn nun Ew. Hoch- und
Wohlgeboren den Ankauf der beiden Stellen hie-
438
---------------------------------------------------------------------------------------
selbst, über deren Grund
die neue Linie gehen würde, den Wert der Wiesen und Koppeln, der den
Eigentümern zu ersetzen sein dürfte, die größeren, aus der Arbeit selbst
erwachsenden Kosten und die von uns und den Landbewohnern gemachten
Anerbietungen, die ja durch die Verlegung der Linie wurden, in die Wagschale
gegen die Ersparnis einer Brücke legen, so dürfte es sich wohl gänzlich
aufwiegen, und gewiß der dem Flecken aus der ersten Linie erwachsende Nutzen
bey den Ew. Hoch- und Wohlgeboren eigenen und allbekannten Grundsätzen der
Humanität und Leutseligkeit auch gewiß von Hochdenselben bey dieser Gelegenheit
in Betracht gezogen werden.«
8. Schon nach
wenigen Tagen senden Fölster und Schmidt nachstehende Erklärung an die Königl.
Kommission für Chaussee in Altona:
»… Wir ermangeln nicht,
die schon früher getane mündliche Anzeige zu wieder holen, daß, falls die alte
allerhöchst approbierte Linie nicht als Basis der zu erbauenden Chaussee festgehalten
wird und der Flecken und das Kirchspiel infolge des beregten, der Last der
Unterhaltung der Brücken und der Steindämme entnommen, wir uns nicht im Stande
sehen, unsere Kommittenten zur Erfüllung der von ihnen hinsichtlich des
Chausseebaus übernommenen Verpflichtungen anzuhalten, sondern uns all und jeder
Zusage zu enthalten uns genötigt sehen.«
9. Am 21. März 1831
bringt endlich das Amthaus den Beschluß der Chausseedirektion zur Kenntnis:
»daß die Chaussee-Linie
von dem letzten Haus am südlichen Ende von Wiemersdorf, Sachau gehörig, in
gerader Richtung über Fuhlendorfer Feld auf das nordöstliche Fleckensende von
Bramstedt bey Petris Hause in die Gr. Asper Straße geführt werden solle,
daß die Chaussee-Linie der
jetzigen Fleckensstraße bis etwas vorbei dem Roland folgend, gehen und dann in
einer Biegung, die gegen das Posthaus bis zur Kate des Micheels geführt werden
solle,
daß diese Kate
weggebrochen und die Chaussee mit einer sanft gebogenen Linie auf den kleinen
Garten des Postmeisters auf das jenseitige Ufer der Aue mittelst eines Dammes
und Brücke geführt, und
daß endlich dann jenseits
des jetzigen Weges nach Lentförden die Chaussee-Linie wiederum in gerader Linie
auf dieses Dorf und auf den früher daselbst bestimmten Durchgangspunkt geführt
werden solle.
Demnach wird der
Bramstedter Kirchspielvogtei der Auftrag erteilt, den Bauervögten zu
Wiemersdorf und zu Lentförden, sowie den Gevollmächtigen des Fleckens
Bramstedt, namens des Amthauses zu befehlen, dem Kondukteur von Möller bei den
desfallenden Arbeiten und Einrichtungen alle erforderliche Willfährigkeit zu
beweisen, auch darüber zu wachen, daß solches geschehe.«
10. Ein aus
Wiemersdorf datiertes Verzeichnis vom 13. April kündet an, daß auf Bramstedter
Boden nicht weniger als 56 Grundstücke durch die Chaussee beschnitten werden
und eine Einbuße von insgesamt 576 Quadrat-Ruten erleiden (R. = 16 Fuß).
439
---------------------------------------------------------------------------------------
Ein Befehl vom 30. April
fügt hinzu, daß außer den direkt für die Chaussee nötigen Grundstückteilen auch
Land herzugeben sei zur Auflagerung von Steinen oder sonstigem Material, zu
Nebenwegen, Überfahrten und anderem. Die Entschädigung wird bestimmt durch vier
Taxatoren, von denen Enteigner und Enteignete je zwei zu wählen haben. Letztere
können auch Männer aus einem fremden Distrikt wählen; auch ist nichts dagegen
einzuwenden, wenn sie die beiden ständigen Taxatoren des Fleckens, Micheels und
Fölster, heranziehen. Doch ist dann ein dritter zu wählen, weil beide Genannten
zu den Geschädigten zählen und niemand sein eigener Taxator sein soll.
11.
Anno
1832 am 15. Februar wurde die Regelung hinsichtlich der Landabgabe für
Wärterhäuser an der Chaussee getroffen. Der Bau dieser Häuser soll
baldtunlichst durchgeführt werden.
12.
»Wenn
die Königl. Chausseebau-Direktion mit Beziehung auf ein Schreiben der Königl.
Höchstpreislichen Schl.-Holst.-Lauenburgischen Kanzlei vom 20. d. M. beim
Segeberger Amthause einen Befehl gegen die Bramstedter Fleckenskommüne auf
Anlieferung der noch übernommenen Verpflichtung vom 3.12. 1829 zu
überliefernden 6000 Fuder impetriert hat, so wird den Fleckensvorstehern
hierdurch der Befehl erteilt, nach näherer Anweisung des Herrn Kondukteurs von
Möller gedachte 6000 Fuder nunmehr bey Vermeidung unangenehmer Folgen zu dem
Bau der Bramstedter Brücken unweigerlich anzuliefern, und daß solches
geschehen, zu seiner Zeit durch Vorlegen der Quittung nachzuweisen.«
Gegeben
29. März 1832.
13.
Am
12. April 1832 kündet Stoppel, Altona, daß er am 13ten morgens um 9 Uhr im
Posthause zu erscheinen gedenkt, um diejenigen Bramstedter zu entschädigen, die
durch den Chausseebau Schaden an Feldfrüchten erlitten haben. Die Berechtigten
- der Schreiber verzeichnet derer 14 - sind rechtzeitig zu beordern.
14.
Ein
Beschwerdeschreiben, dessen Urheber anscheinend gute Beziehung zum Pastorat
hatte.
»Premier Leutnant von
Möller, Kondukteur beim Chausseebau zu Wiemersdorf, hat uns eröffnet, daß beim
Chausseebau ein Teil im hiesigen Flecken, ungefähr von der Kirche bis nach dem
Neumünsterschen Wege hinaus nicht gepflastert, hingegen dort nur die Chaussee
gelegt werden soll. Unserer Meinung nach besagt die Bekanntmachung vom 28.
Oktober 1829, daß im Flecken, wodurch die Chaussee führt, gepflastert werden
soll. Wenn es überdies für die hiesigen Eingesessenen und hauptsächlich für
Schlachter, Bäcker, Färber, höchst nachteilig ist, wenn ihren Häusern vorbei
eine Chaussee gemacht wird, indem der Staub bei trockenem Wetter so stark sein
wird, daß er in die Häuser eindringen wird. Der Herr Amtmann möge veranlassen,
daß die Pflasterung ganz durch den Flecken geführt werde«.
Das Amthaus antwortet, daß
es nicht zuständig sei, das Schreiben aber weitergeleitet habe an die Kgl.
Chausseebau-Direktion. Auch der Gedanke, neben der Beecker Brücke wieder eine
Wasserdurchfahrt und
440
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Viehtränke zu schaffen,
ist aufgetaucht und hat guten Anklang gefunden. Ober-Wegeinspektor von
Warnstedt erscheint im Flecken und hält darüber gründliche Aussprache mit
Jochim Hinrich Fuhlendorf, Jasper Wilckens und Gastwirt Schröder. Nach manchem
Für und Wider erklärt der wohlgesinnte Oberinspektor: »daß die Bau-Direktion
unter Erfüllung vorgenannter Zusagen und nach eingegangener Genehmigung der
Höchstpreislichen Schl.-Holst.-Lauenburger Canzlei auf die vorgeschlagene Weise
die erbetene Tränke an der neuen Beecker Brücke ohne weitere Unkosten für den
Flecken Bramstedt ausführen lassen wolle.« So geschehen am 21. Mai 1832.
Am 20. Juli geht von hoher
Stelle die Genehmigung ein, jedoch mit der Mahnung an die drei Impetranten, die
eingegangenen Verpflichtungen pünktlich und voll zu erfüllen, damit jeder
Verzug des Straßenbaus unterbleibe.
Die Anfrage oder das
Gesuch wegen vollständiger Pflasterung innerhalb des Fleckens kommt erst im
Oktober wieder zur Verhandlung. Hohe Kanzlei stellt fest, daß ein rechtlicher
Anspruch in diesem Falle dem Flecken nicht zustehe. Es wird eine Erklärung
innerhalb 10 Tage erwartet, »ob der Flecken geneigt sey, die Kostendifferenz
zwischen der Makadamisierung und der Pflasterung der bezeichneten Wegestrecke,
sei es durch Barzahlung oder durch Leistung und Lieferung, übernehmen wolle.«
Das Amthaus fügt hinzu, daß die erforderliche Ausgleichsumme mit 1570
Reichstalern 26 Schilling berechnet worden sei.
Die Bramstedter haben sich
vergewissern wollen, welcher Art die Leistungen und Lieferungen sein würden,
durch welche sie die Genehmigung erlangen könnten. Das Amthaus antwortet am
3.12.1832, wie folgt:
1.
Durch
Anlieferung von 168 Kubikfaden (1 Faden = 6 Fuß lang, 6 Fuß hoch, 2 Fuß tief)
roher Steine, von der Art, daß daraus kontraktlich bedungene Pflastersteine für
45 Längenruten (je 16 Fuß) geschlagen werden können; zu liefern bis Ende dieses
Jahres anzuschlagen zu 1344 Reichstalern.
2.
Durch
Anlieferung von 56½ Pott (Pott = kubischer Haufen von 16 x 16 x 4 Fuß) Sand,
wovon wenigstens die Hälfte scharfer Brücksand sein müßte; zu veranschlagen mit
266 Reichstalern.
Würde sich Bramstedt
hierfür entschließen, so müßte noch eine billige Entschädigung hinzukommen,
weil für die Makadamisierung bewußter Strecke bereits bestellten Steine nicht
mehr verwertet werden könnten hier am Orte; die nötig werdende Abfindung des
Lieferanten ist nicht wohl hier abzuschätzen; die Bauinspektion vermutet, der
Lieferant werde anständig handeln.
Im übrigen wird zu rascher
Entscheidung gedrängt.
Anno 1833 am 9. Januar
kann Amtmann Rosen darauf hinweisen, daß die Chaussee, soweit es sich um
Dorfmarken handelt, vollendet ist, bis auf die Strecke im Wiemersdorfer Moor.
Der Kirchspielvogt hat die Landlieger anzuhalten, daß sie die nötig gewordenen
Befriedigungen und neuen Abzugsgräben ohne Verzug und genau nach Vorschrift
zustande bringen.
Der große Tag, an dem in
Anwesenheit des dänischen Königs die Vollendung des großen Werkes gefeiert
werden konnte, war nahe gerückt. Ein schriftlicher
441
---------------------------------------------------------------------------------------
Bericht über diese Feier
ist nicht zur Hand. Doch hat sich die Mär erhalten, daß der Landesvater unter
Hinweis auf das Geländer der Friedrichsbrücke zu seiner Umgebung geäußert habe:
Die Brücke sei ja wohl aus Silber gebaut. Wir haben darin eine Andeutung auf die
hohen Kosten des Werkes zu erkennen. - Groß war die Zahl der Gäste. Unter ihnen
war auch N.F. Paustian, der spätere Besitzer der Wassermühle und des Gutes
Bramstedt. Als 10jähriger Knabe war er aus Campen im Kirchspiel Kaltenkirchen
herübergekommen, um den König zu sehen. Dieser kampierte in einem Zelte, das
man auf der Wiese nahe der Brücke aufgeschlagen hatte. Erst nach langer Mühe
gelang es N. F. P., des Königs ansichtig zu werden. Und das Ergebnis war eine
große Enttäuschung. »Denn«, so erzählte der Neunzigjährige gern, »ich habe doch
gedacht, daß ein König ganz anders aussehen müsse als andere Menschen«.
Nachtrag. Die Chronik hat
noch nachzutragen ein Verzeichnis der Beiträge, welche außer den genannten
Leistungen des Fleckens das Kirchspiel freiwillig zur Förderung des
Chausseebaus hergegeben hat.
1. Bimöhlen,
20.12.1829.
»Die Dorfschaft: erbietet
sich, fünfzig Fuder Steine zum anbau der anzulegenden Chaussee unentgeldlich zu
liefern, mit der Bedingung, an einem Orte abzuliefern, welcher Bemöhlen am nächsten
sein wirdt.« Namens der Dorfschaft
Hinrich
Schäfer, Bauernvogt, und noch 9 weitere.
2. Bramstedt
schließt sich an mit mächtigem Schwung: 112 Spender zeichnen freiwillig rund
840 Mark, allen voran Postmeister Frauen 200 Mark; auch kleinste Beträge werden
geboten: 4 mal 8 Schilling, und Hans Göttsche, Christoffer Dehn und Johann
Rohlfs haben mit je 4 Schilling nicht unwürdig den Reigen geschlossen; dazu
eine erhebliche Anzahl von Landangeboten: von 28 solchen Fällen bieten 19 die
kostenlose Hergabe an, 9 setzen eine bestimmte Vergütung, und nur 2 verlangen,
»was die hohe Kommission taxiert«.
Das ist geschehen »mit
Rücksicht darauf, daß im Amte Neumünster die Schaden leidenden befriedigt
werden«. Diese Nachricht klingt fast sagenhaft, liegt aber unantastbar vor.
3. Fuhlendorf
schließt sich mit 20 Fuhren für jeden der 10 Hufner, also mit 200 Fuhren
insgesamt, an, zu liefern an die »Fuhlendorfer Lini«.
Bauernvogt
Jasper Runge.
4. Hagen übernimmt
110 Fuder, an die »Fuhlendorfer Liene« zu liefern.
Bauernvogt
Claus Möller.
5. Armstedt ist mit
132 Fudern einzuspringen bereit, Ort wie bei 4.
Hans
Schümann, königl. Bauernvogt
Hinrich
Siemen (Siemens), klösterl. Bauernvogt.
6. Hasenkrog hilft mit 20 Fudern aus; an die
»Fullendorfer Schoselineen«.
Bauernvogt
Jürgen Fehrs.
7. Hitzhusen greift
ein mit 50 Fudern, Abladestelle möglichst nahe dem Orte.
Dorfvertreter
Hinr. Voß, Jasper Harbeck, H. Lindemann.
442
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8. Weddelbrook
beteiligt sich mit 206 Fudern; Bedingung: Linie Bramstedt.
Bauernvogt
Marx Wolters.
9. Wiemersdorf, das
größte Dorf im Kirchspiel, will mit 637 Fudern auf eigener Feldmark dienen. An
der Spitze steht Claus Schümann, der wohl auch der Bauernvogt war.
Es ist somit die
erfreuliche Tatsache festzustellen, daß die Ortschaften des Kirchspiels in
einheitlicher Geschlossenheit dem so wichtigen Werke ihre Kraft gewidmet haben.
Und der erhoffte Segen ist nicht ausgeblieben, wenn auch der Bramstedter Landweg
sich hat begnügen müssen mit der unerwünschten Makadamisierung1).
Chaussee-
und Brückengeld
Den Gedanken, die Zinsen
für das Anlagekapital und die Kosten für die Instandhaltung wichtiger
Verkehrsmittel ganz oder doch teilweise zu decken durch Erhebung einer
Nutzungsgebühr, hat man ehemals als etwas Selbstverständliches auch in unserem
Kirchspiel betätigt. Drei Beispiele dieser Art sind nachzuweisen, und sie
sollen nicht verschwiegen werden.
Die Höhe der Gebühren
wurde durch die Obrigkeit bestimmt. Die alte Fleckenslade birgt ein königl.
Patent vom 19. Januar 1844, das für die Altona-Kieler Chaussee folgenden
Gebühren-Schragen nachweist.
1. Fuhrwerke für
Reisende, auch für Schlitten gültig:
wenn einspännig, für jede
Meile ........................................................ 1 Schilling
Kurant
wenn zweispännig
................................................................................
3 Schilling Kurant
wenn
dreispännig..................................................................................
4 Schilling Kurant
wenn
vierspännig..................................................................................
5 Schilling Kurant
für jedes weitere Zugtier
mehr............................................................. 1 Schilling
Kurant
2. Landfuhrwerke:
für jedes
Zugtier................................................................................
1 Schilling Kurant
3. Lastfuhrwerke:
wenn unbeladen wie unter 2.
wenn mit mehr als 2
Zentner beladen wie unter 1.
4.
Ein
Reiter.......................................................................................
1 Schilling Kurant
5.
Ein
Pferd oder
Maultier...............................................................
1 Schilling Kurant
6.
Ein
Rindvieh oder Esel .............................................................
¼ Schilling Kurant
7. Füllen,
Kälber, Schweine, Ziegen und Lämmer in Grup-
pen
von 3-5
Stück..............................................................................
¼ Schilling Kurant
Für die Gruppen von 1-3
wurde das Doppelte bezahlt, wenn in den Felgen hervorstehende Nägel waren, aber
ausgenommen, wenn Glatteis die Veranlassung war.
__________
1)
Dies Wort ist hergeleitet von dem Erfinder der hier zur Frage stehenden
Chaussierung der Wege; sein Name Mac Adam ist die Wurzel.
443
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Im Abstand von je einer
Meile, in unserm Falle in der Fuhlendorfer Feldmark, hatte die Chausseeverwaltung
eine »Baumkate« errichtet, wo die Gebühr zu zahlen war. »Baumkate« genannt,
weil dort der Schlagbaum seinen Platz hatte, der je nach Bedarf den Verkehr
sperrte oder freigab. Der Posten des Einnehmers scheint regelmäßig einem
Pächter übergeben worden zu sein, von dem ja auch zu erwarten war, daß er
mindestens ebenso aufmerksam wie ein entlohnter Beamter die Zahlpflichtigen im
Auge halten würde. Für 1855 wird gemeldet: »Die Hebestelle Nr. 7 zu Fuhlendorf
ist auf 5 Jahre an Kreutz aus Bramstedt verpachtet worden. Soll vereidigt
werden!« Aus 1861: »Die Chausseegeld-Hebung zu Brokenlande ist für die Zeit vom
1. April d. J. bis dahin 1866 an Bosselmann aus Bramstedt verpachtet worden;
soll noch vereidigt werden.« - Der Oberwegebeamte bemerkt dazu, daß der in
Lentföhrden tätige Wärter Maak bisher nur durch Handschlag verpflichtet, also
auch noch zu vereidigen sei. Die gleiche Quelle berichtet von zwei weiteren
Hebestellen, deren Tarif, ebenfalls amtlich festgesetzt, aus 1842 stammt. In
Hitzhusen gab es ebenfalls eine Baumkate, wo für jedes passierende Pferd oder
Rindvieh ½ Schilling zu opfern war, ferner in Föhrden-Barl, wo der halbe
Schilling lediglich für das Pferd zu zahlen war.
Im übrigen waren die
Bewohner von Gut Bramstedt, Hitzhusen und Barl von dieser Abgabe frei. In
beiden Fällen wird es sich um das Brückengeld gehandelt haben; denn zu
erwähnter Zeit war in berührten Orten keineswegs eine Chaussee vorhanden. In
F.-B. ist eine uralte Fähre gewesen; die Bewohner der an der Furt gelegenen
Hufenstelle haben sie bedient, und durch lange Zeit hat eine Familie Harbeck
diesen Dienst geleistet.
444
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XVIII.
SEUCHEN BEI MENSCH UND VIEH
Schutz
gegen ansteckende Krankheit
(Aufruf
des Amtes, verkündet am 31. Juli 1712 durch Pastor Kriegbaum von der Kanzel zu
Bramstedt)
Nachdem von Amtswegen für
nötig befunden worden, wegen der in der Nachbarschafft leyder sich
hervorthuenden ansteckenden Krankheiten die vormahligen Wachten an den Päßen
und in den Dörfern von nedem auszustellen; So wird hiemit allen und jeden
Unterthanen des Ambtes Segeberg bey schwerer Straffe anbefohlen, solche Wachten
mit erwachßenen Tüchtigen und bewehrten, jeder in seine Ordnung, zu versehen,
welche die Schlagbäume an den Passagen Tag und Nacht wohl beschloßen halten und
dabey ohne einiges (irgendein) Ansehen der Persohnen auf das allergenaueste
observieren und in acht nehmen sollen, daß sie
1.
durchaus
keine Bettler und frembde Armen oder unberufende Ledig-Gänger, sie haben
Passeporten (Passagierscheine) oder nicht, und kommen her, woher sie immer
wollen, durch und in des Ambtes Gränzen lassen sollen.
2.
Auch
Selbsten die in hiesigem Ambte befindliche ümbgehende Armen nicht aus einem
Dorffe ins andere gehen laßen sollen; Aldieweil jedes Dorf seine eigene Armen
zu versorgen hatt, auch, da es solches nicht vermöchte, anstalt gemachet werden
soll, daß andere wohlhabende Dörffer ihnen mit einer Beysteuer zu Hülffe kommen.
3.
Sollen
die Wachthabende ganz und gar niemanden durchlassen, der von solchen Öhrtern
kommen wird, welche auf Königl. befehl eingesperrt sind oder künftig
eingesperrt werden möchten, sie mögen Gesundheits-Paßporten haben oder nicht.
4.
Alle
andere, welche von eingesperrten Öhrtern in- oder außerhalb Königl. Landes
kommen, sollen weder für ihre Persohn, noch deren Wahren durch hiesigen Ambtes
Gränze gelassen werden, es sey dan, daß sie einen richtigen gesundheits-Paß von
dem Magistrat, von wannen sie erst kommen, der allenthalben, wo sie passiret,
von den Beambten untergeschrieben seye und Attestation in sich halte, daß sie
in vier Wochen in keinem der ansteckenden Seuche halber verdächtigen ohrte
gewesen, fürzuzeigen haben. Welchen Passeport die Wachthaltende allemahl
erstlich an den Beambten des Nächsten Ohrtes, oder wer sonsten zu examination
der Päße wird bestellet werden, senden und examiniren lassen sollen, ehe und
bevor sie die Persohnen oder Wahren durch den Baum laßen.
445
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Seuchen
Schafpocken: Diese
Seuche hat von 1826-1828 in Holstein grassiert und auch unsern Bezirk
heimgesucht, besonders stark die Ortschaften Bimöhlen, Hardebeck und Hasenmoor.
Es ergingen sehr strenge Vorschriften, um die Ausbreitung zu verhindern. Bei
den erkrankten Tieren wurde eine Impfung vorgenommen, deren Art beschrieben
wird, wie folgt: »Die unter dem Schweif liegende unbehaarte Stelle, drei Finger
breit, ist für die Impfung am besten geeignet. Nach 6 Tagen ist nachzusehen, ob
die Impfung geholfen hat; wenn nicht, ist sie zu wiederholen.« Über die Höhe
des Schadens verlautet nichts.
Cholera 1831-1833: Im
Juli 1831 wird ein Ausschuß von Gesundheitsaufsehern im Flecken gewählt; der
Kirchspielvogt und der Arzt Dr. Mestorff sowie die Fleckensvorsteher Reimers
und Wickhorst sind die führenden Männer. Die Fleckensbewohner werden zu
strenger Sauberkeit in Haus und Hof aufgerufen; frische Luft in den Zimmern und
peinlichst saubere Bereitung der Speisen wird dringend empfohlen; die Brauer,
Brenner, Schlachter, Korn- und Mehlhändler werden aufs ernsteste ermahnt, nur
gute Ware zu liefern. - In öffentlicher Ansprache an die Bürger wird das
begründet.
Eine im nächsten Monat
durchgeführte Revision ist nicht befriedigend; eine betrüblich lange Reihe von
Bürgern muß veranlaßt werden, für besseren Ablaß des Wassers vom Gehöft, für
Erneuerung des Bettstrohs und für Entfernung der Mistberge zu sorgen. Der
Armenpfleger soll in besonderem Maße für seine Schützlinge sich einsetzen.
Amtmann von Rosen will
eine allgemeine Absperrung der Ortschaften nicht veranlassen; hält aber eine
Gemeinde dies an ihrem Falle nötig, so hat sie ihm davon Mitteilung zu machen.
Der Flecken war der
Aufsicht wegen in vier Bezirke eingeteilt. Ein Hospital wurde eingerichtet und
unter Aufsicht von Johann Stiller und Johann Schmidt gestellt. Wollene Decken
und »Lief bände« wurden an die Armen verteilt, desgleichen Binden, dicke und
dünne, große und kleine, in erheblicher Zahl geschenkt. Es wird sich mehr um
Abwehr als um Bekämpfung bereits hier am Orte ausgebrochener Seuche gehandelt
haben. Denn es wird keine Zahl von Erkrankten genannt, und die zwei Jahre
später folgende Kostenrechnung verlangt 223 Mark 9 Schilling 2 Pfennig für »Milderung
der Cholera 1831«. In diesem Falle waren Flecken und Gut in vollem Maße
einheitlich verpflichtete Schuldner. Zahlungseinheit war 2 Mark 5 Schilling 2
Pfennig.
Von
Maul- und Klauenseuche
Das Bramstedter
Fleckensbuch meldet: »Anno 1746 ist die Vieh-Zeuch hier gewesen und Seynd
gestorben 217 Stück, Seynd an Wert 1337 Reichstaler 40 Schilling!« Ein Nachfahr
hat ausgerechnet, daß im Durchschnitt für jedes
446
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gefallene Tier in heutiger
Währung 22½ RM eingesetzt worden sind. Was der Verlust für die Bramstedter
bedeutet hat, erkennt man leicht, wenn man erfahrt, daß auf jede Drittelhufe
ein Durchschnittsverlust von 3¼ Stück entfiel, was etwa die Hälfte des derzeitigen
Viehbestandes ausmacht. Auch heute ist die Maul- und Klauenseuche ein sehr
ernst zu nehmender Störenfried für die landwirtschaftlichen Betriebe unserer
Heimat. So glaubt der Chronist, hier aufweisen zu sollen, wie man in jenen
Tagen sich bemüht hat, jener Seuche nach besten Kräften entgegenwirken zu
können. Ein glücklicher Zufall ermöglicht es ihm, zu schöpfen aus dem Original
der Verordnung, die Christian VII. im Jahre 1776 erlassen hat, um besagtem
Feinde ein Halt zu gebieten.
Im Einvernehmen mit dem p.t.
Statthalter der Herzogtümer, dem freundlich lieben Vetter und Schwager, dem
Landgrafen und Prinzen Herrn Carl von Hessen-Kassel wird verkündet, was folgt.
1.
Sobald
nach einer glaubwürdigen Nachricht in einem an die Herzogtümer grenzenden
Bezirk die Viehseuche ausgebrochen ist, sollen die Grenzbeamten, auch
Zollbeamten, ohne Verzug kein Stück Vieh aus dem gedachten Bezirk (Provinz) zu
Lande oder zu Wasser mehr passieren lassen, auch nicht, wenn ein
obrigkeitlicher Paß vorgezeigt wird; ebenso wenig dürfen rohe Vieh-Häute oder
Kalbfälle, geschmolzener Talg, Kuh-Haare oder Rauch-Futter an Heu und Stroh
durchgelassen werden.
2.
Ernstliche
Strafen werden der Unterlassung angekündigter
Handhabung folgen. - Wird dennoch heimlich Vieh eingebracht, so ist dies sofort
zu töten und zu vergraben. Auch sollen aus solcher Provinz unbekannte Personen
ohne Paß nicht ins Land gelassen werden; Viehhändler oder Treiber überhaupt
nicht; desgleichen Tabuletkrämer und Bettler und Landstreicher nicht im Lande
geduldet werden, sondern sind nötigenfalls mit Gewalt zurückzutreiben. Zu
diesem Zweck sind Posten auszustellen. - Kein Viehhändler darf den verseuchten
Bezirk betreten; dorthin bestimmtes Vieh ist an der Grenze von Auswärtigen in
Empfang zu nehmen.
3.
Die
gegebenen Vorschriften gelten auch zwischen den beiden Herzogtümern, sobald die
entsprechende Lage sich einstellen sollte. Es ist selbstverständlich, daß die
Grenzbeamten baldmöglich an die Obrigkeit weiter zu melden haben.
4.
Wenn
die Seuche in einem Dorfe festgestellt worden ist, hat jede gefährliche
Kommunikation mit demselben aufzuhören. Um solche zu verhüten, genügt es nicht,
etwa eine lange Stange mit Flagge oder ähnlichen Zeichen auf den Wegen
aufzustellen, sondern eine hinlängliche Postierung hat für wirkliche Sperrung
zu sorgen. Wachen von den umliegenden »gesunden Orten« sollen den Einwohnern
des verseuchten Dorfes dasjenige »in einiger Entfernung« zubringen, was sie
vonnöten haben möchten. Land- und Nebenstraßen, die zum infizierten Orte
führen, sind alsbald zu meiden und durch Nutzung von Umwegen zu ersetzen.
Viehhändler oder Treiber, »umschweifende Tabulet-Träger, Bettler und Landläufer
haben die angesteckte Gegend gänzlich zu meiden, bei Androhung schwerer
Strafen«; denn dergleichen Leute haben oftmals das Gift der Seuche durch ihre
447
---------------------------------------------------------------------------------------
Kleidungsstücke
verbreitet. Wenn sonst ein Reisender durchaus genötigt ist, den Weg durch den
»angesteckten Ort« zu nehmen, so darf er weder ein Haus daselbst betreten, noch
seine Pferde in einen Stall ziehen lassen.
Im Dorf wird das
verseuchte Haus nicht mit Mannschaft besetzt, sondern die Eingesessenen sollen
nach Möglichkeit ihr Vieh in »etwas entfernte« Hütten bringen und von Leuten
aus dem Orte, die beständig bei dem Vieh und abgesondert von den Dorfsleuten zu
bleiben haben, die Tiere warten und pflegen lassen. Die Dorfleute sollen
gedachtes Haus tunlichst umgehen und den Bewohnern den Eintritt in ihre Häuser
oder gar in ihre Ställe nicht gestatten.
5. Mit
Ausbruch der Seuche hört der Handel mit Hornvieh und den unter 1 bereits
genannten Zubehörteilen in und mit dem betreffenden Kirchspiel auf. Ausnahmen
sind möglich, wenn ein obrigkeitliches Attest vorgezeigt wird, »daß in dem
Kirchspiele, aus welchem dasselbe ausgeführt ist, wie auch in den unmittelbar
anstoßenden Kirchspielen nicht die geringste Anzeige (Anzeichen) von der Seuche
zu spüren sei, und daß der Eigentümer oder Versender mit einem körperlichen
Eide erhärtet habe, daß es aus keinem, der Seuche wegen verdächtigen Bezirke
komme, und daß besonders das Hornvieh völlig gesund und keine Spur von
Krankheit an demselben wahrzunehmen sei.«
Wer öffentlich oder heimlich,
des billigen Preises wegen gegen dieses Verbot handelt, hat Bestrafung mit
Karrendienst oder Zuchthaus zu gewärtigen; wer sich dabei falscher Papiere
bedient oder sich des Meineides bedient, wird mit Festungsarbeit auf Lebenszeit
bestraft.
6.
Viehmärkte
dürfen, auch wenn die Seuche nur in einem Herzogtum auftritt, in beiden
Herzogtümern nicht stattfinden, es sei denn von der Obrigkeit die besondere
Erlaubnis erteilt worden.
7.
Ist
nach amtlicher Feststellung in einem Stalle die Seuche ausgebrochen, so ist das
dort vorhandene Hornvieh, nachdem es auf einer Liste verzeichnet worden, von
zwei vereidigten Taxatoren unter Beobachtung eines billigen Unterschiedes
zwischen wirklich erkrankten und scheinbar noch gesunden Tieren zu bewerten.
Gleich danach soll es in
Gegenwart des zuständigen Beamten erschlagen und nebst etwa schon umgefallenen
Stücken mit Haut und Haar, ohne etwas herauszunehmen, mit dem Mist und Blut
vergraben werden an abgelegenem Ort in ungelöschtem Kalk; es sollen drei Fuß
Erde darüber liegen.
8.
Der
Wert des so erschlagenen und verscharrten Viehes wird nebst den dabei
entstehenden Kosten aus der königlichen Kasse ohne Anstand vergütet werden.
9.
Wer
das Eintreten der Seuche in seinem Stalle nicht ohne Verzug meldet, hat Bestrafung
zu erwarten; auch verliert er das Anrecht auf eben erwähnte Vergütung.
10. Landleuten, die 30 oder mehr Stück Vieh im Stalle haben, wird dringend
empfohlen, diesen Bestand auf zwei oder mehr Ställe zu verteilen, um so
vielleicht die Zahl der Tötungen niedriger zu halten.
11. Das Totschlagen in gemeldetem Ausmaß findet nicht statt, wenn der Eintritt
der Seuche nicht im Stalle, sondern auf der Weide sich bekundet. In diesem Falle
448
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werden nur die wirklich
erkrankten Tiere getötet und vergütet; die übrigen werden auf eine andere Weide
getrieben und ferngehalten von der allgemeinen Tränkstelle.
12.
Das
Erschlagen ist einzustellen, wenn offenbar wird, daß damit die Ausbreitung der
Krankheit nicht behindert oder erreicht werden kann.
13.
Das
Ausstellen der Wachen ist durchzuführen, bis die Regierung es aufhebt. Die
Handelsbeschränkungen bleiben dabei in aller Schärfe bestehen.
14.
Während
der gesamten Dauer der Seuche, also auch nach dem Aufhören der Tötung, sind
folgende Vorschriften sorgfältig zu beachten:
a)
Beim
Eintritt der Seuche in einem Dorfe wird unter Aufsicht des Bauervogts die gemeinschaftliche
Tränke eingestellt und dem Vieh das Wasser in den Häusern zugebracht; die
Katzen und die überflüssigen Hunde werden getötet, die Haushunde an die Kette
gelegt, die Schweine in den Koben gehalten oder wenigstens so, daß sie weder in
verseuchte Ställe und zu den Miststätten daselbst, noch an Örter, wo verrecktes
Vieh eingescharret lieget, kommen können, gehütet, und dem einzuschließenden
Federvieh müssen die Flügel beschnitten werden.
b)
Auch
auf den nächsten Dörfern dürfen Hunde und Schweine nicht ohne Aufsicht gelassen
werden, und wo solches dennoch geschieht, sind die Tiere sogleich
niederzuschießen und wohl zu verscharren und die Eigentümer mit 4 Reichstalern
oder vier Tage Gefängnis zu bestrafen; doch geschieht dies nicht bei Jagdhunden,
sofern sie auf der Jagd gebraucht werden.
c)
In
gedachtem Bezirk ist den Abdeckern das Herumreiten mit ihren Hunden nicht
gestattet, sondern unter Strafe gestellt wie unter b.
d)
Genesenes
Vieh ist vor Ablauf von 40 Tagen nicht herauszulassen, da sonst ihre Blattern
und die Feuchtigkeit der Naslöcher die Weide anstecken könnten.
e)
Die
zur Wartung des kranken Viehes oder zum Erschlagen desselben gebrauchten Leute
sollen an dem Orte wohnhaft sein und diesen ohne Erlaubnis der Obrigkeit bei
unerbittlicher Zuchthausstrafe nicht verlassen; das gilt auch für die Hüter und
Wärter von Vieh, das außerhalb des Dorfes in Hütten untergebracht ist: sie
haben in der Hütte zu übernachten.
f)
Die
eben genannten Leute müssen, ehe sie wieder zu andern Leuten oder zu gesundem
Vieh kommen, sich und ihre Kleider mit Essig oder Seifenwasser waschen und mit
Wacholderbeeren, Wermut, Sadelbaum und dergleichen wohl ausräuchern und die
Kleidung baldmöglich »verwechseln«.
g)
Müßiggänger
sind in »die angesteckten Häuser, Ställe, Hütten, Scheunen u.s.w., wo krankes
Vieh untergebracht ist, nicht einzulassen.«
h) Die Ställe, wo
erkranktes Vieh gestanden hat, sind sorgfältig zu reinigen, die Mauern mit Kalk
zu bewerfen, Holzwerk, Eimer, Schaufeln und alles Stallgerät mit scharfer Lauge
zu scheuern. Pflasterung oder Bretterböden sind nebst einem Fuß Erde
herauszunehmen, die Steine zu waschen, die Bretter mit Lauge abzureiben, die
Erde fortzubringen an einen Abort und durch frische zu ersetzen. Die Türen und
nötigen Falles einige gemachte Öffnungen sollen dem Durchstreichen der frischen
Luft dienen, damit gefährliche Ausdünstungen sich zer-
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teilen können. Der ganze
Stall ist von Zeit zu Zeit mit starkriechenden Sachen, als Knoblauch,
Teufelsdreck, Hunde- oder Katzenhaar, Pferdehuf, Schwefel, frischem Teer,
fleißig auszuräuchern.
i) Sobald ein verseuchter
Stall ledig ist, muß der vor dem Hause und in demselben liegende Mist an einen
»genugsam entfernteren Ort, wohin kein Vieh kommt, gefahren und Mistgrube oder
Stelle wohl gereiniget werden.« k) Vor Ablauf von zwei Monaten nach Erlöschen
der Seuche darf das in dem infizierten Gebäude lagernde Rauchfutter (Heu und
Stroh) nicht anders als an solches Vieh verfüttert werden, das die Krankheit
überstanden hat. 1) Ist das über einem infiziert gewesenen Stalle lagernde
Stroh oder Heu fortgeschafft, so ist der Boden nach Anleitung der unter h)
gegebenen Vorschrift gründlich zu reinigen.
15.
Solange
das Erschlagen andauert, soll in dem betroffenen Kirchspiel und den
angrenzenden Bezirken die Abdeckerei unterbleiben; das Hornvieh ist mit dem
Fell zu vergraben. Nach Ablauf dieser Frist ist die Abhäutung zulässig, um den
Schaden der Besitzer zu mäßigen. Doch soll das in Anwesenheit von zwei
zuverlässigen Personen geschehen und unter Beobachtung folgender Vorschriften:
Abhäutung innerhalb 24 Stunden; Schwanz, Hörner, Klauen werden abgenommen und
mit verscharrt; die Haut wird gründlich von Blut und Wuste gereinigt und dann
in Kalk gelegt; nach 14 Tagen wird sie herausgenommen und vollends vom Haar
befreit; das Abgeschabte ist einzuscharren. Für die Ausfuhr ist Erlaubnisschein
nötig (siehe unter 5).
16.
Was
die Arznei-Mittel anlangt, die zur Wahrung des gesunden oder zur
Wiederherstellung des angefallenen Viehes anzuwenden sein möchten, so
»überlassen Wir dieses billig eines jeden Wahl und Gutbefinden.« Von den
Physici wird erwartet, »daß sie in solchen, die Wohlfahrt des Landmannes so
nahe angehenden Fällen gerne das ihrige beytragen werden zur Förderung des
gemeinen Bestens.«
17.
Im
letzten Paragraphen ordnet der Landesherr an, daß, um künftig dem »Betrug und
Unterschleif« im Handel mit angeblich durch die Seuche gekommenen Vieh zu
wehren, von nun an sämtliche Rinder, die diese Krankheit über standen haben,
mit eingebranntem Kennzeichen zu versehen sind. Jeder Besitzer erscheint mit
zwei Nachbarn oder Hausgenossen vor dem Offizialen seines Ortes, in unserem Falle
also beim Kirchspielvogt, und gibt Auskunft über das ihm gehörige Vieh
bezeichneter Art; Alter, Geschlecht, Farbe und Abzeichen werden zu Protokoll
genommen, und dann wird das Merkmal eingebrannt. Dieses trägt immer die ersten
beiden Buchstaben vom Namen des Kirchortes und die letzten beiden Ziffern des
jeweils laufenden Jahres, zum Beispiel Br. 43. Die Angaben des Besitzers gelten
als eidliche Aussage, und falsche Aussage wurde demnach bestraft wie Meineid. -
Der Ofiziale war berechtigt, sämtliches durch die Seuche gebrachte Vieh eines
Dorfes auf einmal zu bestimmter Zeit sich vorführen zu lassen, um gedachtes
Verfahren ein wenig zu beschleunigen.
Am Schlusse ermahnt der
König alle Beamten, die es angeht, in der so ernsten Angelegenheit nichts zu
versäumen. »Ein jeder hierbei nachlässig verfahrender
450
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Bedienter soll seine
Sorglosigkeit schwer zu büßen haben und, wenn irgend eine schädliche Folgerung
daraus entstanden ist, nach fiskalischer Untersuchung seines Amtes entsetzet
werden.«
Wir aber ahnen erst jetzt,
welches schwere Unheil die eingangs gemeldeten Verlustziffern nicht nur für den
Flecken, sondern auch für die Kirchspielsdörfer bedeutet haben, und erkennen zugleich,
mit welchem Nachdruck man sich bemüht hat, dem Übel Einhalt zu tun.
451
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XIX.
GEMEINNÜTZIGE EINRICHTUNGEN
Der Gedanke, durch
freiwilligen Zusammenschluß vieler einer vorhandenen oder künftigen Gefahr zu
begegnen oder, doch ihre Wirkung für den einzelnen abzuschwächen, ist nicht so
neu, wie man wohl denken möchte. Die Zünfte, Innungen, Beliebungen, Gilden,
Brüderschaften und andere, der Gemeinnützigkeit dienstbare Vereinigungen
beschränkten ihren Wirkungsbereich zwar ursprünglich vielfach auf Angehörige eines
Berufes oder einer Gemeinde; aber sie dienten doch dem, was wir
heute Gemeinnutz nennen, auch dann, wenn die Veranstaltung von Festlichkeiten
einen merklichen Teil ihrer Aufgaben bildete. Wenn heute dieses Gebiet
menschlicher Betätigung in großem Umfang in den Händen des Staates liegt, nach
innen wie nach außen erweitert, so liegt dies wesentlich darin begründet, daß
die schnell wachsende Bewohnerzahl auf gleicher Fläche für alle wesentlich
veränderte Lebensbedingungen geschaffen hat, so daß heute jeder mehr auf den
andern angewiesen ist als je zuvor.
Auch in dieser Hinsicht
hat Bramstedts Geschichte einiges aufzuweisen, was wert ist, festgehalten zu
werden.
1.
Die Pfannen- und Mobilien-Gilde
Am 21. Juni 1779 ist sie
im Namen des Königs durch den Amtmann A. v. Schumacher genehmigt worden. Daß
dieser als erstes Mitglied der Gilde sich eintragen ließ, beweist zugleich,
welches Maß von Vertrauen den Gründern und ihrem Gedankenbau entgegengebracht
wurde. Die Gilde soll ihren »Interessenten« im Falle einer von ihnen nicht
verschuldeten Schädigung durch Feuersbrunst durch jeweilige Umlage entlasten,
allerdings nur der Mobilien wegen. (Es war etwa 30 Jahre früher durch
königliche Verordnung der Gebäude wegen eine Landes-Brandkasse gebildet
worden.) Aufnahme stand nur denjenigen offen, deren Haus mit Pfannen gedeckt
und mit Kalk wohl unterstrichen war; wo nicht, so doch mindestens auf drei Fach
gestrichenen Boden (oder statt dessen einen eisernen Feuer-Stülper). Dazu
mußten vorhanden sein: eiserne Tür vor dem Ofen, eine gute Leuchte, ein
lederner Not-Eimer, ein langer Feuerhaken und eine lange Leiter. War dem
Pfannendach noch Stroh untergelegt, so war die Mitgliedschaft ausgeschlossen.
Ebenso, wenn
a)
im
Flecken der Abstand vom Nachbarhause nicht mindestens gestattete, mit der
Fleckens-Sprütze und dem Straßen-Küpen (Bottich) frei um das Haus zu fahren,
oder
b)
bei
Auswärtigen nicht mindestens 6 Ruten (= 28 m) Hausabstand vorhanden waren.
452
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Die Gilde beschränkte sich
danach nicht auf den Flecken. Es ist erstaunlich, wie weitgreifend diese
Schutzgemeinschaft wirkte. Das alte Gildenbuch weist Mitglieder nach in Altona,
Bünzen, Beienfledt, Breitenberg, Barsfleth, Barmstedt, Bilsen, Clostersande,
Elmshorn, Friedrichstadt, Heyligenstedten, Horst, Hohenfelde, Hohenwestedt,
Hörnerkirchen, Großen Aspe, Itzehoe, Kellinghusen, Kaltenkirchen, Kaden,
Nortorf, Neuenbrock, Neumünster, Neuenkirchen, Preetz, Quickborn, Reinfeld,
Rostorf, Segeberg, Süderau, Ulzburg, Übern Stegen, Utersen, Wewelsfledt,
Weddelbrock, Wedel.
Die Leitung der Gilde wurde
anvertraut zwei Ältermännern, zwei Gildemeistern nebst einem Schreiber, alle
aus dem Flecken zu wählen. Dazu acht Männer als Vertreter und Überwachende der
Außenbezirke. Jährlich am Johannistag hatten sich die »Interessenten« morgens
um 10 Uhr zum »Gildetag« einzufinden. Die Vorsteher hatten »allen Ernstes
darauf zu halten, daß durch Anstellung eines anständigen Gebetes und Absingung
eines Kirchenliedes zuerst dem allerhöchsten Gott die Ehre erwiesen werde.«
Dann war die Satzung mit ihren vierzehn Articuln zu verlesen. Der Vorstand
hatte danach in einem besonderen Zimmer die nötigen Geschäftsangelegenheiten zu
ordnen, auch Streitfälle zu schlichten. In schwierigen oder wichtigen Sachen
war die ganze Versammlung zuständig. Für anständiges Verhalten sollte Artikel
14 sorgen mit folgender Bestimmung:
»... Damit alle Unordnung,
Zank und Streit verhütet werden möge, als welches in einer Versammlung von
Christen sich nicht geziemete, so wird auch, um Muthwillen und Unart
abzuhalten, festgesetzet, daß derjenige, so wider Vermuthen Lärm anfangen, die
Trink-Geschirre umstoßen oder muthwillig mehr Bier verschütten würde, als er
mit den Händen oder Füßen bedecken kann, der Gilde in eine Strafe von 4 Mark 8
Schilling verfallen sein.«
Es muß festgestellt
werden, daß alle Vorsorge getroffen war, möglichen Mißbrauch der Versicherung
zu verhindern. Zum Beispiel fand alle vier Jahre eine Schauung statt bei allen
Versicherten, ob alles in Ordnung sei, natürlich gegen Gebühr.
Im Schadensfalle sollte,
wenn nicht Bedenken vorlagen, innerhalb vier Wochen die Regelung erfolgen.
Verständnis wird man auch gern aufbringen für die Art, wie hierbei der
Schlußakt sich vollziehen soll: »Bei Einbringung des Gildegeldes ist der
Schadhafte gehalten, den Ältersleuten, Gildemeistern, Schreiber und acht
Männern ½ Tonne Bier, eine Kanne Brandwein, Pfeifen und Taback, überdem aber
jedem der ersteren 1 Mark 8 Schilling, den Achtmännern aber 1 Mark zu geben;
dafür sie denn verbunden sind, allemal, wenn die Gilde gehalten oder wenn das
Schadegeld eingebracht wird, des Morgens um 9 Uhr bei Strafe von 4 Mark im
Gildehaus zu erscheinen.«
Da Besagten sonst kein
Entgelt für ihre mancherlei Mühen ausgesetzt war, so wird niemand in eben
gemeldeter Vergünstigung einen Verstoß gegen das gute Verhalten eines Christenmenschen
erblicken wollen. Jedenfalls hat sich diese Gilde als so gesund erwiesen, daß
sie noch heute in wesentlich gleich gerichtetem Sinne wirkt.
453
---------------------------------------------------------------------------------------
2.
Bramstedter Vogel-Schützen-Gilde
Mit anderm Ziel, in
anderem Gewande und in gesteigerter Lebhaftigkeit des Gebarens tritt diese
Bruderschaft vor unser geistiges Auge und übermittelt eine Tradition aus dem
Leben unserer Väter, die beanspruchen kann und muß, in der Ortschronik in
einigermaßen umfassender Darstellung sichtbar zu werden. Denn neben der
mannhaften Kunstübung, zu der die Gildebrüder sich verpflichteten, offenbart
sich in der Gesamthaltung ihrer Satzung und ihrer Jahresfeiern ein so
handfester und lebensfroher Humor, daß wir diesem Spiegel urwüchsiger
Lebensbekundung in Bramstedt nichts Gleichwertiges an die Seite zu stellen
haben. So soll diesem immer noch sprudelnden Jungbrunnen holsatischer
Lebensbejahung hier nach Gebühr gehuldigt werden.
Nach Tradition soll die
Vogel-Schützen-Gilde im Jahre 1695 gegründet worden sein, also in dem Jahre, wo
sich der Flecken endgültig wieder von der Gutsobrigkeit abgelöst hat. Einen
urkundlichen Nachweis habe ich nicht ermitteln können. Quelle der zu gebenden
Nachrichten ist das Gildebuch mit der 1776 entworfenen und 1782 vom Amtmann von
Schumacher bestätigten Satzung, deren in 28 Artikeln vorliegender Inhalt im
wesentlichen folgendes besagt, allerdings etwas gesiebt durch Neufassung von
1830.
1.
Gilde
wird abgehalten am Dienstag in der ersten vollen Woche nach Pfingsten, und zwar
bei Gastwirt Hans Schröder (Holsteinisches Haus).
2.
Den
Vorstand bilden zwei Älterleute, vier Vorsteher und ein Schreiber, der zugleich
Rechnungsführer ist.
3.
Vierzehn
Tage vor dem angesetzten Schießen versammelt sich der Vorstand um 2 Uhr
nachmittags im Gildehause, um das Fest vorzubereiten; ebenso am Tage vor der
Gilde, um den Vogel1) aufzurichten und das sonst Nötige zu besorgen.
An diesem Abend haben Musikanten und Tambour sich einzufinden, um von 8 Uhr an
etwa ½ Stunde lang Musik zu machen, wofür denselben zwei Bouteillen Wein
gereicht werden. - Am Tag nach der »Gilde« ist Abrechnung, vormittags 10 Uhr,
und Gewinnverteilung. Der gesamte Vorstand ist daran beteiligt. – Die Kosten
für die Bewirtung an genannten drei Tagen dürfen 5 Reichstaler betragen, wofür
der »Gildevater« (Gastwirt) liefert: Kaffee und Abendessen am 1. Tage,
desgleichen am 2.; am 3. Tage aber Mittagessen (frische Suppe), Kaffee und
Abendbrot.
4.
Beim
Eintritt in die Gilde sind zu zahlen 16 Schilling, beim Austritt 24 Schilling
Courant, dazu jedesmal 2 Schilling für den Schreiber.
5.
Am
Gildetag haben die Mitglieder um 7 Uhr morgens im Gildehaus zu er-
_______
1)
Auffällig ist, daß in der Satzung überhaupt nicht die Rede ist von
Schießübungen, wie doch der Name andeuten möchte. Begründet ist wohl die
Meinung, daß nach Ablauf des Dreißigjährigen Krieges zur Bekämpfung
umherstreifender Banden an vielen Orten von waffenkundigen Männern derartige
Gilden als wirkliche Schutzgemeinschaften gebildet worden sind, die eine
Zeitlang auch regelmäßige Schießübungen pflegten, die dann mit dem Schwinden
des ursprünglichen Zweckes sich verloren haben. Also Vogelgilden sind
jedenfalls in deutschen Landen keine Seltenheit.
454
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scheinen; sie werden
aufgerufen und die Lose (Reihenfolge beim Schießen) verteilt. Um 8 Uhr
Ausmarsch in fester Ordnung; Beteiligung Pflicht bei Androhung von 4 Schilling
Strafe. Vor dem eigentlichen Abmarsch holen der Vorstand und die vier Gewinner
des letzten Jahres den vorjährigen König mit fliegender Fahne und voller Musik
zum Gildehaus. Dieser hat niemand zu regalieren oder der Gesellschaft etwas
vorzusetzen, als »was in den Schranken der Mäßigkeit ist«, auch bei dem
Einmarsch vor dem Hause des Königs bei der Ausbringung des dreifachen Hurras
nichts zu verabreichen (bei 12 Schilling Strafe). Jedoch steht es in seinem Willen,
unter der Vogelstange, nachdem der letzte Schuß gefallen, nach Kräften und
Belieben etwas zu offerieren.
6.
Beim
Einmarsch darf niemand wegen Regen austreten (16 Schilling Strafe).
7.
Das
Abschießen des Vogels geschieht in dieser Reihenfolge: Kopf, rechter Flügel,
linker Flügel, Schwanz. König ist, durch dessen Schuß der Speer zwischen Stuhl
und Splint gereinigt wird. Beim Schießen ist Vertretung durch einen andern
Schützenbruder zugelassen, auch etwa durch den (nicht eingeschriebenen) Sohn,
in diesem Falle aber nur wegen der ersten vier Gewinne. - Natürlich sind einige
Vorschriften zur Verhütung von Unfällen gegeben.
8.
Die
Gilde ist Besitzerin von vier kleinen messingnen Kanonen auf Lafetten mit allem
Zubehör; sie werden mit feuchten Kuhhaaren und Pulver geladen und nur mit
größter Vorsicht benutzt. - Die im Jahre 1830 erfolgte Anschaffung einer neuen
Vogelstange verursachte eine Belastung der Gilde mit 150 Mark Courant.
Genehmigt
20. September 1830: von Rosen, Amtmann.
Vidi
2. Mai 1837: Hartz, Kirchspielvogt.
Einige Daten aus den
weiteren Geschehnissen mögen folgen. 1832 werden erwähnte Kanonen dem Stifter
zurückgegeben. 1834 wird bestimmt, daß Burschen, Gesellen, Gehülfen u.s.w. nur
angenommen werden, wenn ihre Eltern eingeschrieben sind. 1872 wird die Zahl der
Gewinne auf zehn erhöht. Die Bewirtung des Vorstandes und die Verpflichtung des
Königs, bei seiner Abholung Kaffee und Gebäck zu geben, fallen weg.
Der Gilde werden geschenkt
(1872):
Vom Kirchspielvogt
Sievers: ein Dreimasterhut,
vom Kaufmann D. H. Wulff:
ein Säbel,
vom Kaufmann Thrams:
Epauletts.
Schützenfest 1884: Wattefabrikant
Runge gibt seinen Hut dazu her, eine Kugel durchschießen zu lassen, aber mit
der Bedingung, daß Ältermann Langhinrichs ihn dabei auf dem Kopf habe. Langhinrichs
willigt ein. Ältermann Johann Fülscher legt seine Büchse an, und die Kugel geht
3 Zoll über dem Kopfe des Langhinrichs durch den Hut.
1885 werden auf der
»Vogelstange« (Bezeichnung des Platzes, wo das Schützenfest stattfand) 32
Lindenbäume gepflanzt, geschenkt von der Bramstedter Spar- und Leihkasse.
1893: Bäckermeister Siems
schenkt: 1 Dreimaster, 1 Federbusch, 1 Schärpe, 2 Epauletts.
455
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1895: 200jähriges
Stiftungsfest; Hamburger Gildebrüder schenken silberne Säbelschärpe und 1
Portepee für den Hauptmann.
1910: Ein Anlieger
beantragt, das Schießen auf der »Vogelstange« wegen Gefährdung zu verbieten. Am
20. Mai nachmittags 5 Uhr Sitzung mit dem Bürgermeister und dem Antragsteller
Hans Rave zusammen. Ergebnis: Für diesmal noch erlaubt. Vorsichtsmaßregel: Die
Stange soll etwas gedreht werden, und Herr Rave verpflichtet sich, am Festtage
mit seiner Familie seine Wohnung zu verlassen.
In den Kriegsjahren wird
von Feiern der Gilde abgesehen; 28 ihrer Mitglieder stehen an der Front. Aber
Jahr um Jahr begleitet das Gildebuch die immer ernster werdende Entwicklung mit
Gedankengängen, die von tiefer Vaterlandsliebe getragen sind.
Fast wie ein Wunder klingt
die Meldung, daß alle 28 Gildebrüder, die ins Feld gerufen worden, wohlbehalten
zurückgekehrt sind. Aber der letzte Schützenkönig, Dr. Wulf, der als einziger
Arzt hier zurückgeblieben, um hier den Leidenden zu dienen, ist gestorben. »Die
harten Anstrengungen seines Berufes im Verein mit der Hungerkur, die das
deutsche Volk durchzumachen hatte, mögen Schuld daran gewesen sein, daß sich
bei ihm eine Krankheit eingeschlichen hatte, von der er nicht genesen sollte.«
So die ernsten und ehrenden Worte, mit denen die Gildebrüder sein Andenken
gewürdigt haben.
1920 wird in bescheidenem
Umfange das durch Tradition geheiligte Fest wieder gefeiert. Noch zittert der
Schmerz über den Verlust des prächtigen alten Gebiets der »Vogelstange« am
Butendoor in den Herzen der Brüder nach. Freilich hatte man 1911-1914 in dem
östlich von der Badeanstalt liegenden Gelände der Sparkasse feiern können. Aber
das Gebiet war inzwischen vom Solbad angekauft worden. Der Schützenverein
Roland reicht die Bruderhand, und so kann auf dessen großem Festplatz das
Gildeschießen vor sich gehen. Aber die beiden Umzüge, dazu Neuanschaffung des
Festzeltes haben Schulden verursacht, 1200 RM. Zur Deckung wurden zunächst die
Lindenbäume an Johann, danach das Grundstück an Hinrich verkauft,
beides Gildebrüder. Es blieb vom Gesamterlös ein bei der Fleckenssparkasse
belegter »eiserner Bestand« von 5000 RM übrig.
1923 war der Vorstand
geneigt, mit Rücksicht auf die Ruhrbesetzung nur einen »Kommers« zu
veranstalten. Aber wichtige Gegengründe führten zu andern Entschlüssen, und das
Fest fand großen Zuspruch. Von dem üblichen gemeinschaftlichen Festessen ist
indessen abgesehen worden.
Im Jahre 1927 gelang es
der Vogelschützen-Gilde, ein festes Unterkommen zu finden, indem der Roland-Verein
ihr für die Dauer von 20 Jahren gegen eine jährliche Zahlung von 15 RM die
Benutzung der Rolandwiese einräumte.
Mit besonderer Freude wird
aus 1936 berichtet, daß der älteste, schon seit 1872 der Gilde angehörende
Bürgermeister i. R. Gottlieb Freudenthal zur Gildefeier erschienen sei. Der
Vorstand habe ihn im besonderen begrüßt, und dann habe die Musik ihm zu Ehren
sein Lieblingslied »Schleswig-Holstein« gespielt. Aus seinem Rollstuhl habe er
gedankt und bewegten Herzens ermahnt, niemals von diesem schönen Heimatfest zu
lassen.
456
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Zur Kennzeichnung des
harmlos-übermütigen, ulkigen und auch einmal eulenspiegeligen Tons, der in den
Gildetagen herrscht, seien einige »offizielle« Dokumente hier wiedergegeben.
a)
Alles
verlief normal. Nur erschien der Jüngste, J. L., mit einem kleinen
Kinderschießgewehr mit Korken zum Ausmarsch. Der Hauptmann W. geriet darüber in
großen Zorn und ließ ihn verhaften. Er wurde am Nachmittage von 5 Uhr 30 bis 5
Uhr 40 im Beisein aller Festgäste an einen Baum gebunden. Dieses wäre für
unsern Jüngsten bald zum Verhängnis geworden. Wenn nicht seinen lieben Freunden
sein alter Fehler, die trockene Leber und daher der große Durst, bekannt gewesen
wäre und sie ihm einen Labetrunk gereicht hätten, so wäre er wohl verdurstet.
b)
Wer,
solange die Gildelade geöffnet auf dem Tische steht, wo der Vorstand seines
Amtes waltet, dabei betroffen wird, daß der oberste Knopf seines Rockes nicht
geschlossen ist, hat unabdinglich eine Runde Bier zu schmeißen, auch wenn er
nicht Gildebruder sein sollte.
c)
Die
neue Vogelstange wurde eingeweiht. Sie war wohl vorbereitet und
imprägniert, nicht nur mit Carbolineum, sondern auch mit Johann
Fülschers Doppelköm. Diese Labung war gut angebracht, weil die Aufbringung der
nötigen Gelder dem Vorstand nicht leicht geworden ist. Die Stange selbst wurde
vor dem Fest würdig von vier Pferden, reich bekränzt und geschmückt mit der
schleswig-holsteinischen Fahne, an ihren neuen Platz befördert.
Wer mehr davon wissen
will, der höre sich die geölten und geschliffenen, aber nicht geschminkten
Verhandlungen und Unterredungen nachmittags im Festzelt und abends im Gildehaus
an. Er wird befriedigt von dannen gehen. Der Chronist aber fühlt sich
verpflichtet, am Schluß die poetische Auswirkung des Gildeerlebnisses hier
festzuhalten.
Groot
Vagelscheeten (1931)
Vergangen
Johr up uns Gillfest,
Wat
sünd wi dor vergnögt west! –
Hin
geit de Tied, rüm is dat Johr.
Dat ole Fest is wedder door.
Wat
Johrhunnerde bestaan,
Dörch
uns Schuld schall't ni ünnergaan.
So
makt Ju grad, smiet Ju in Wicks,
Treckt
an de Vagelscheeterbücks,
Sett
up den Vagelscheeterhoot,
De
kleed Ju alle Johr werr good.
Bringt
mit Humor un lüttes Geld,
Un
kiekt vergnügt rien in de Welt.
Mascheert
mit ut, mascheert mit in,
457
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Hoolt
hoch den oolen Gildesinn I
Hüt
abend kommt na't Holsteensch Hus,
Dor
makt de Öllersmann sin Schmus.
Mus'kanten
sitt dor vör de Dör
Un
speelt den neen Gillmarsch vör.
Un
wi singt denn na oole Mood
Dat
feine Leed: »Ja, mit den Hoot!« -
Uns
Gill, de hett so lang bestaan,
In
uns' Tied schall's ni ünnergaan.
De
Achtlüd.
Die
Vogelgilde (1924)
In
Bramstedt hat die Vogelgilde
Es
einmal jährlich mächtig hilde.
Nach
Pfingsten, wenn im frischen Grün
Die
Wälder stehn und Rotdorn blühn,
Wenn
alles prangt auf Feld und Wiesen,
Dann
feiert man das Vogelschießen.
Regieren
muß der Ältermann,
Weil
er es stets am besten kann.
Achtmänner,
die daneben sitzen,
Die
dürfen kräftig unterstützen.
Die
Jüngsten dürfen nur was sagen,
Wenn
Ältere sie tun befragen.
Am
schlimmsten ist der Jüngste dran,
Weil
er nichts weiß und gar nichts kann.
Er
muß oft mit der Flasche laufen
Und,
wenn sie leer ist, Neuen kaufen.
Mit
Rücksicht und mit vielen Mühen
Muß
der Zweitjüngste ihn erziehen,
Damit
er einst als Ältermann
Auch
alles gut und richtig kann.
Er
darf kein Inventar verlieren,
Muß
sich für alles interessieren.
Der
Gildeschreiber darf nicht ruhn,
Er
hat gewöhnlich viel zu tun.
Damit
auch alles, was er schreibt,
Der
Nachwelt noch erhalten bleibt,
Verschließt
man dieses in der Lade.
Und
was man sonst, ob krumm, ob grade,
Erhalten
will, das kommt hinein
458
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In
diesen alten Eichenschrein. –
Am
schönsten ist am frühen Morgen
Der
Marsch zum König. Ohne Sorgen,
Geschmückt
mit Laub den hohen Hut,
Musik
voran; dann geht es gut.
Der
Hauptmann, ein recht schmucker Mann,
Er
führt die Gildebrüder an.
Der
Oberleutnant und die Junker
Beschützen
Fahnentuch nebst Klunker.
Im
schwarzen Rock, stramm mit Gewehr
Marschiert
die Gilde hinterher.
Und
freudig, voller Lebenslust,
Hebt
jeder stolz die Heldenbrust. –
Beim
König ist der Tisch gedeckt
Sehr
gut und reichlich; alles schmeckt
Viel
schöner als an andern Tagen.
Gar
bald gefüllt ist dann der Magen.
Man
geht zurück ins Gildehaus,
Von
dorten nach dem Platz hinaus.
Der
Vogel winkt mit der Zitrone,
Die
Preise sind auch gar nicht ohne!
Die
Schützen feuern mit Geschick;
Bald
knallt es alle Augenblick.
Und
wenn mal was herunterfällt,
Dann
jubelt man im nahen Zelt!
Gar
mancher möchte König werden,
Doch
glückt nicht jedem es auf Erden;
Und
wem der Königsschuß gelungen,
Der
wird bejubelt und besungen.
Spät
geht es dann ins Gildehaus,
Das
Fest ist lange noch nicht aus.
Bei
frohem Tanz vergeht die Nacht,
Am
Morgen erst wird Schluß gemacht.
Und
treu - nach alter Gildensitte
Muß
noch der Roland in die Mitte.
Der
Roland fängt laut an zu lachen,
Denn
ihm gefallen diese Sachen.
Dann
spricht er würdevoll und leise:
»Nun
geht nach Haus und legt Euch nieder
Und
kommt im nächsten Jahre wieder.«
(Dem
Gildebuch entnommen)
_________
Anmerkung: Vogelstange und
Zelttaue sind durch lange Zeit auf dem Kirchenboden aufbewahrt worden; eine
Dachöffnung auf der Südseite ermöglichte das.
459
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3. Pfannen-Gilde
des Fleckens Bramstedt
Das alte Gildebuch
zeichnet sich durch besonders prächtigen Schmuck des Buchdeckels aus. Eine
Vignette auf der Rückseite umschließt ein paar Psalmenverse in Goldbuchstaben:
»Der Herr unser Gott sei
uns freundlich und fördere das Werk unserer Hände bei uns« - »Er lasse uns kein
Übel begegnen und keine Plage zu unsern Hütten sich nahen. Denn allein Du, Herr,
kannst uns helfen, daß wir sicher wohnen.« Dieser feierliche Ernst weist hin
auf den ursprünglichen Zweck der Gilde, eine auf Gegenseitigkeit sich stützende
Feuerversicherung der Gebäude. Das Buch beginnt mit dem Jahre 1756. Aber die
unterzeichnenden Meister Jochim Schweim, Peter Boln und Heinrich Westphalen
sagen, daß sie »ins Reine« schreiben wollen. Möglicherweise könnte danach etwas
Vorläufiges früher bestanden haben. Dann wird eröffnet, »daß Anno 1688 im
Nahmen der Heyligen und Hochgelobten drey-Faltigkeit dieses Fleckens
Bramstedter gilde-Buch und Feuerordnung ins Reine geschrieben ist.« Anno 1741
den 3. August hat Friedrich V. den Gilden dieser Art ein Ende gemacht durch
Gründung der Allgemeinen Königl. Brandt-Gilde und Brandt-Assecuranz-Cassa, durch
welche aus berechtigter Sorge die Gebäude dem Bereich der alten Gilden entzogen
werden. Die Eingesessenen der Kirchspiele Bramstedt, Segeberg, Leetzen und
Bornhöved bitten in der Folge um Zulassung einer Möbelgilde. Die Genehmigung
wird erst am 14. Januar 1754 aus Copenhagen erteilt1).
Soweit die Einleitung des
Buchtextes, der nun die Satzung folgt: Die derzeit genannten 101 Gildebrüder
nehmen folgende Verpflichtungen auf sich:
a)
Wenn
einer »schadhaft« wird, die für seinen Fall vorgesehenen Fuhren und Arbeit zu
leisten.
b)
Wenn
üble Krankheiten sich »einstehlen«, dem Nachbarn, nach der Sonnen Aufgang im
Flecken fortgehend, beizustehen.
c)
Bei
Todesfall hat aus eines jeden Gildebruders Haus Einer zu »folgen«.
d)
Die
nächsten Nachbarn sollen (den Toten) kleiden, tragen und (die Glocken) läuten.
e)
Wenn
eine Feuersbrunst entsteht, soll jeder mit seinem Feuergerät dahin eilen, allen
menschlichen Beistand leisten und dem Gilde-Meister gehorchen.
f) Wer
am Sonntag an Hand oder Korn oder sonsten arbeitet, so doch wider Gott und alle
Geistliche Ordnung ist, zahlt ½ Schilling. »Hohe Not entschuldigt«.
g) Bei
hohem, trockenem Wetter im Sommer eine mit Wasser gefüllte Tonne vor seine Tür
setzen, sobald der Gildemeister befiehlt.
Dazu kommt noch eine Reihe
von Bestimmungen, die Ordnung anlangend. Davon einige Beispiele:
a) 2 Gildemeister, 2
Spritzenmeister und 1 Gildeschreiber bilden den Vorstand. Ferner 8 Männer, vor
denen der Vorstand jährlich Abrechnung zu geben hat. Endlich, wohl jeweils
vom 1. Gildemeister berufen: der Schenker und die
Leichenbitterin.
__________
1)
1741 ist es wohl noch Christian VI., 1754 dann Friedrich V.
460
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b)
Am
Mittwoch nach Pfingsten wird Gilde gehalten.
c)
Wenn
einige vor den Gildebrüdern Haß, Streit oder gar Schlägerei anfangen, so soll
»ein jeder Persohn« der Gilde geben zur straf 2 Mark.
d)
Die
Gildemeisters und Acht-Männer sollen ihren Tisch allein haben. Niemand soll
sich unterstehen, sie zu Tortieren (belästigen).
e)
Eines
Gildebruders Geselle, Knecht oder Sohn können an der Gildefeier teilnehmen
gegen Zahlung eines Trinkgeldes, sind aber davon frei, wenn der Geselle seinen
Meister, der Knecht den Herrn oder der Sohn den Vater vertritt.
f)
Die
Gildemeister haben bei den Arbeiten zum Aufräumen einer Brandstätte die
Aufsicht zu führen, sind aber selbst von der Arbeit befreit. Der Schreiber kann
seinen Dienst ableisten durch Zahlung eines festgesetzten Geldbetrages.
g)
Derjenige,
in dessen Hause das Feuer entstanden, ausgenommen durch Gottes Gewitter, zahlt
an die »sprützen Meyster« und die, die Wasserkupen bringen, in allem 11 Mark.
h)
Nichterscheinen
oder Versäumnis anderer Gildepflichten wird mit Geldstrafen bedroht, deren
Betrag zumteil den Armen zugute kommt.
i)
Selbstverständlich
ist ein »Schauen« der pflichtmäßig zu haltenden Gerätschaften vorgesehen.
j)
Die
Gilde leistet keine Entschädigung in Geld, sondern höchstens 3 Tage Handarbeit,
wovon einer für die Aufrichtung des Hauses.
k)
Ein
Trinkgeld für die Handarbeiter scheint üblich gewesen zu sein; es darf aber
nicht erwartet werden, wenn das abgebrannte Haus »zu einem großen Hause gehört«.
Änderungen
und große Ereignisse
1765.
Das adelige Gut schließt sich an; jeder unter adl. Jurisdiktion stehende
Untertan hat für sprütze und Kupen einen Beitrag von 3 Mark zu leisten.
(Genehmigt vom Amtmann von Arnold einerseits, und dem Gutsherrn Holst
andrerseits.)
Anno 1787 springt
ein recht heftiger Kampf innerhalb der Gilde auf, und zwar aus dem Grunde, weil
aus dem adeligen Gut drei Mitglieder in den Vorstand der Gilde gewählt worden
sind. Die alten Gildemeister weigern sich, entgegen der Satzung, die Gildelade
an die Neugewählten zu übergeben. Sie meinen: Von fünf Amtsposten haben die
Gutsangehörigen drei besetzt und damit die Macht in den Händen. Wenn es ihnen
einfallen sollte, könnten sie die Gilde in das adelige Gut verlegen, und dann
würden alle unter des Gutsherrn Jurisdiktion stehen. Dieser, Ferd. Lawätz, gibt
eine Bescheinigung, daß in dieser Sache seine Untertanen genauso wie die
Fleckensbewohner den Anordnungen und Befehlen des Königl. Amtshauses sich
unterziehen und gehorsam sein sollen. - Aber die Fleckensinteressenten, 41,
ruhen noch nicht, obgleich man ihnen vorhält, sie hätten gleich bei der Wahl
ihre Bedenken geltend machen sollen. Frauen (Ältermann) berichtet an den
Amtmann von Schumacher: Bei der Wahl sei es so, daß
461
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diejenigen, die irgend
etwas bedeuteten (also wohl ihre Wahl für möglich halten können), sich
zurückziehen, damit es nicht parteilich sei. Es kommen dann solche an die
Reihe, die über die Sache nicht sehr orientiert sind, weil sie das Getränkegeld
doch zahlen müssen, auch wenn sie zu Hause blieben; sie wollen eben mittrinken.
Und erst, wenn allerhand getrunken ist, kommt schließlich die Wahl. Da haben
sie - die Ältermänner - geschwiegen; es wäre ihnen bei den angetrunkenen Menschen
wohl schlecht bekommen. Aber gleich am nächsten Tag, dem eigentlichen
Annahmetag, hätten sie Einwand erhoben.
Die drei Gewählten,
Wilcken, Blauroth und Lück, geben die Erklärung ab, daß sie sich in Gildesachen
vollkommen dem Amtshause unterstellen.
Der Amtmann bestätigt ihre
Wahl, ordnet aber zugleich an, daß nach wie vor die Zusammenkünfte der Gilde im
Flecken stattfinden sollen, und zwar in seinem Hause. Ein nochmaliger Einspruch
der Fleckensleute wird abgewiesen. Das Jahr 1822 bringt eine Meldung,
die von der Gefahr des inneren Verfalls Zeugnis gibt. Gildemeister und
Achtmänner haben beschlossen, daß, wenn künftig die Fleckensgilde gehalten
wird, »jeder seine Frau im Gildehauß selbst mit erscheinen muß, da jetzt der
Gilde so schlecht ist, und solche große Unordnung herrscht, daß bloß kleine
Kinder herum spielen, und erwachsene Personen sich schämen, bei Tage dahin zu
gehen, bloß des Abends und des Nachts, daß Knechte und Mädchen alsdann aus dem
Hause gehen, Ohne Ihre Herrschaften zu fragen. Da dieser Fleckensgilde doch
seit 1756 wieder in Ordnung gebracht ist und gewünscht wird, daß diese Ordnung
wieder genau beachtet wird.«
Die Gildefeier hat sich in
Privathäusern, in Gastwirtschaften und im Amtshause abgespielt. Solange das
Privathaus bevorzugt wurde, lag es nahe genug, einem Gildebruder das Amt des
Ausschenkens zu übertragen, wohl auch einen Gehilfen daneben zu bestellen. Es
hat den Anschein, daß das Amt des »ersten Schenkers« nicht unbeliebt gewesen
ist. Wir finden als solchen verzeichnet: den Kirchspielvogt, die Mühlenpächter,
den Postmeister und den Gutsbesitzer. Wenn man dazu vernimmt, daß 1756 die
Witwe des Posthalters Hermann Frauen und 1802 die Pastorenwitwe Clauhsen dieses
Amtes gewaltet haben, so muß man wohl annehmen, daß die Wahlberechtigten nicht
nur die Kunstfertigkeit im »Ein- und Ausschenken« in Betracht gezogen haben. Es
war wohl nicht der geringste Teil ihrer Bedeutung, daß diese Gilden Angehörige
aller Volksgruppen zusammenführten.
Am Schluß sei noch die
älteste Inventur der Gilde hier aufgeführt. 1756 vorhanden:
1
Gildelade,
1 Röhrken1) alt und neue, 3 Hänse Becher (?), 1
Will-Komß, Schwarze Leichlaken, 2 Weiße Laken, 10 Feuern (föhrene) Gildebänke,
16 schricken2) (ist im Gildehause). - Der silberne Vogel und Kette,
die Laken, Leuchter und 2 Geridohm (Girandolen = Armleuchter) ist bei Jochim
Schweim, die Röhrken bei Peter Balling; die Tauen bei die Vogelstange ist auf
dem Kirchenboden.
__________
1)
Rohr.
2)
Vermutlich Holzböcke, auf welche die Tischplatten gelegt werden.
462
---------------------------------------------------------------------------------------
1766 hinzu: 1 Beutel mit
Pfennigen, 3 alte Bücher, 2 Leuchter, später noch: 12 Bohlen und 3 Bretter.
Die Inventur weist also
hin auf die Betätigung bei Feuersbrunst, allerdings ohne Spritze zu erwähnen;
ferner auf Hilfe bei Leichenbestattungen und endlich auf Vogelschießen, über
das aber Genaueres sonst nicht mitgeteilt wird. Von einer Mobilien-Versicherung
im heutigen Sinne ist also keine Rede.
Auch diese Gilde hat große
Anziehungskraft bewiesen (1756: 101 Mitglieder im Flecken) und sich bis heute
behauptet, indessen beschränkt sich ihre Tätigkeit auf die Räumung der
Brandstätte. Beide Pfannengilden haben aber auf jeden Fall wertvolle Vorarbeit
geleistet für die in jüngerer Zeit ins Leben gerufenen Feuerwehren.
4.
Unterstützungsverein
Das Statut dieses am 25.
November 1852 vom Königl. Amthaus zu Segeberg genehmigten Vereins weist auf ein
zweifaches Ziel hin: Geldliche Beihilfen im Krankenfalle, sobald das
Krankenlager länger als 8 Tage dauert, und ein Sterbegeld. Ein fester Satz ist
für die Krankenhilfe nicht vorgesehen, sondern die jeweils zu gewährende
Unterstützung bestimmt der Vorstand auf seine Verantwortung. Die Totenkasse
soll keinen großen Fonds sammeln, sondern von jedem Mitgliede zwei
Monatsbeiträge à 1 Schilling im voraus einfordern und dann nach Verbrauch einer
Monatssumme die Sammlung wiederholen. Sterbegeld für jedes erwachsene Mitglied
20 Mark Courant, für Kinder dagegen 15, 10 oder 5 Mark je nach dem Lebensalter.
Laufende Beiträge: monatlich 1 Schilling für die Vereinskasse, desgleichen für
die Krankenkasse, dazu ein Einschreibegeld von 2 Schilling. Aufnahmefähig war
jede unbescholtene Person bis zu 60 Jahren; doch war die Zustimmung von
mindestens zwei Dritteln der Mitglieder erforderlich.
5. Vaterländischer
Frauenverein, gegründet 1893
Ein Verein, der restlos in
gemeinnützigem Sinne dienen wollte, und zwar auf denjenigen Gebieten, die der
seelischen Einstellung des Frauengemüts am nächsten liegen: wo es gilt im
großen wie im kleinen wohlzutun und mitzuteilen. Wie das praktisch sich
gestaltet hat, möge ein kleiner Abschnitt aus dem weiten Bereich des Geschehens
dem Leser vor Augen stellen, und zwar nach Jahresbericht des verehrten,
langjährigen Schriftführers Otto Schnepel (1919).
Der Verein zählte damals
175 Mitglieder. Mitgliederbeiträge 555 Mark, ferner von Kommunalverbänden 200
Mark, von Geldinstituten 700 Mark, aus der Säuglingsfürsorge und ähnlichen
Veranstaltungen 9250,22 Mark, an Kapitalzinsen 200 Mark, an sonstigem 1894,03
Mark, zusammen 12.799,25 Mark. Ausgegeben wurden: an Beiträgen für Kreis-,
Provinzial- und Hauptverein 55,50 Mark, an Verwaltungskosten 300,55 Mark,
für Veranstaltungen des Vereins
463
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9.665,06 Mark, an
sonstigem 2.375,00 Mark, zusammen 12.396,11 Mark. Vermögen: Zinsbar belegt beim
Creditverein 5012,02 Mark, außerdem 4000 Mark in Kriegsanleihe. Der Wert der
Margareten-Spende ist zu schätzen auf 700 Mark. Die Haupttätigkeit des Vereins
lag in diesem Jahr auf dem Gebiet der Säuglingsfürsorge. Es wurden zu
diesem Zwecke angeschafft und meistens in wöchentlichen Rationen verteilt: 2625
Pfund Weizengrieß, 1360 Pfund Haferflocken, 1702 Pfund Gerstenmehl, 2425 Rollen
Zwieback, 402 Rollen Keks, 504 Pakete Lebkuchen, 56 Dosen Nährzucker, 17 Dosen
Malzextrakt, 5 Pfund Reis, 5 Pfund Kaffee, 5 Pfund Sago, 9½ Pfund Erbsen, 56
Pfund Kakao. - Die Verteilung lag in Händen von Frau Bassmann; viel Arbeit und
oft viel Geduld ist den unvernünftigen Empfängerinnen gegenüber nötig gewesen.
Daneben verwaltete sie die Margaretenspende (Verkauf von Blumen). - Zur
Bewirtung der aus England zurückkehrenden Kriegsgefangenen wurden nach
Brunsbütteler Hafen geschickt 523 Eier, 10½ Pfund Speck, 8 Pfund Wurst, 2½
Pfund Schmalz, 1½ Pfund Butter, 17 Pfund Käse, 42 Pfund Mehl, 7 Pfund Gebäck, 1
Pfund Zucker, 6 Pfund Haferflocken, 1½ Pfund Grütze, einige Zigaretten und 7,40
Mark bar. Die Gaben waren mit Hilfe der Schulen gesammelt worden. - Für die Flüchtlingsfürsorge
sammelte der Verein: im Flecken 533 Mark, in Hitzhusen 73,75 Mark, in
Weddelbrook 111,50 Mark, in Fuhlendorf 19,00 Mark, in Föhrden 29,77 Mark, in Wiemersdorf
237,65 Mark, in Bimöhlen 67,00 Mark. - Aus den Beständen des Segeberger
Reservelazaretts wurden bei dessen Auflösung dem Verein überwiesen: 16
Krankenröcke, 14 Krankenhosen, 6 Matratzen, 25 Paar Socken, 5 Leibbinden, 65
Wolldecken, 12 Bettlaken, 18 Bettbezüge; alles ist an Bedürftige verteilt
worden, teils umsonst, teils gegen die Selbstkosten. Ausgabe 1923,35 Mark;
wieder eingenommen 1662,97 Mark.
In Verbindung mit der kirchlichen
Frauenhilfe veranstaltete der Verein am 22. Dezember den Kindern von
Kriegerwitwen und sonst bedürftigen Kindern eine Weihnachtsbescherung. Aufwand
392,85 Mark, davon 107 Mark durch freiwillige Gaben gedeckt. Endlich wurden an
weitere 26 notleidende Personen je 10 Mark als Weihnachtsgabe verteilt.
In dem Bericht spiegelt
sich die als Kriegsfolge eingetretene Notlage in mancherlei Form wider, aber
doch auch wahrhaft wohltuend die Hilfsbereitschaft echt vaterländischer
Gesinnung. Und diese sittliche Einstellung zu Volk und Vaterland war nicht ein
Aufflackern, sondern erwies sich als eine dauernd wirkende Kraft, die sich noch
steigerte mit dem wachsenden Elend der folgenden Jahre. 1927 zählte der Verein
304 Mitglieder statt der 175 um 1919. Die Wirksamkeit ist umfassender, mehr
konstant geworden. Das innere Wachstum wird bekundet durch folgende Daten. Ermöglichung
von Badekuren für Kinder, hier und auf Amrum; erhöhte Gaben für Alte und
Sieche; Mittagessen für Wöchnerinnen. Besondere Erwähnung verdient
die Einrichtung einer Schwesternstation, geschaffen durch Zusammengehen
mit der kirchlichen Frauenhilfe. Bis zum Herbst 1927 wirkte nur eine einzige
Schwester. Aber nun stellte auch der vaterländische Verein eine eigene
Schwester ein; so daß fortan deren zwei im Dienste stehen. Die recht
464
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erheblichen Kosten werden
aufgebracht unter Beteiligung der einzelnen Gemeinden, des Wohlfahrtsamtes, der Krankenkassen
und anderer Stellen. In kurzem ein Überblick über die Tätigkeit der beiden Schwestern im Laufe der
ersten 12 Monate: 203
kranke und alte Personen betreut, 5955 Hausbesuche gemacht, in der Hauptsache bei Kranken; 36
Nachtwachen gehalten; Säuglingspflege und Beaufsichtigung von Pflegekindern.
Die vaterländischen
Frauenvereine bilden eine Gruppe im großen Verband vom Deutschen Roten Kreuz. So ist es
selbstverständlich, daß auch der Verein für Bramstedt und Umgegend in den Jahren des Weltkrieges sich
mit ganzer Kraft für die
Linderung von Not und Leid eingesetzt und im besonderen für die Pflege der Verwundeten und Kranken sich betätigt hat. Es ist indessen
hier nicht der Platz, um
im einzelnen aufzuzählen und hervorzuheben, was in dieser Hinsicht auch in unserm Orte Rühmliches und
Verdienstvolles geleistet worden ist. Auch geht man wohl nicht fehl in dem Urteil, daß das Gemüt der
deutschen Frau mit dem Vollbringen der guten Tat zugleich deren Lohn erlebt und
Ruhmes halber kein Verlangen
trägt.
Bad Bramstedt aber stellt
mit Stolz fest, daß womöglich in noch gesteigertem Maße seine Frauen auch heute
wirken, werken und sorgen, dem Ganzen nach besten Kräften zu dienen. Der vaterländische Verein
widmete sein Mühen und Schaffen unentwegt dem einen Ziel: dem Vaterland.
Bramstedts Frauen zur
Ehre
»Kraft erwart' ich vom Mann;
des Gesetzes Würde behaupt' er! Aber durch Anmut allein herrschet und herrsche das Weib.«
Also spricht Schiller, und
ich bin der letzte, der sich seinem Urteil widersetzen wollte. Und wenn er ein andermal
ermunternd fordert:
»Ehret die Frauen! Sie
flechten und weben
Himmlische Rosen ins irdische Leben«, so bin ich wiederum sein allergetreuester Jünger.
Nur werde ich widersprechen
müssen, wenn jemand behaupten wollte, damit wäre lückenlos das Kraftmaß und der dem entsprechende
Wirkungsbereich der Frau gekennzeichnet. Nun soll es zwar nicht meine Aufgabe
sein, diesen weiten Bereich
fraulichen Wirkens in seiner leuchtenden Fülle dem geneigten Leser vor das Auge
zu stellen, und das schon deshalb nicht, weil ein schier Unermeßliches zu durchschreiten wäre. Aber mich
drängt es, auf ein Gebiet menschlicher Betätigung hinzuweisen, für das die
Frauenseele und die Frauenhand in hervorragender Weise befähigt und bereit
ist. Wo es gilt, wohlzutun, Nächstenliebe zu üben, Schwachheit zu stützen, da gebührt dem stärkeren
Mitgefühl der Frau ein
bevorzugter Platz. Und wenn Goethe, dieser die Jahrhunderte überragende Verkünder deutscher Wesensart, meint:
»Leget Anmut in das Geben«, so ist es gewiß,
daß die Frau es leichter hat, diesem schönen Gedanken gerecht zu werden,
465
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als der auf Öffentlichkeit
des Wirkens und äußere Erfolge mehr eingestellte Mann. Bramstedts Frauen haben vor mehr als
hundert Jahren ein schönes Beispiel dafür gegeben, daß in berührter Hinsicht weibliche Sorge und
Energie noch schöne Erfolge zu erzielen
wissen, wo männliche Bereitschaft versagen wollte. Diese Tat der Bramstedter Frauen ins Gedächtnis zu rufen und
damit einer Dankesschuld gerecht zu werden, das ist der Anlaß dieser Zeilen.
Und nun lassen wir das alte Fleckensbuch erzählen.
»Nachdem der Flecken
Bramstedt nicht nur auf Veranlassung des Königlichen Amthauses zu Segeberg, sondern auch
durch Ansprachen aus der Nachbarschaft wiederholt aufgefordert worden, Beiträge
zur Linderung der durch Sturmfluten herbeigeführten Not einzuliefern, und diesen Anforderungen nach Kräften bestens Genüge geleistet hatte, traf
eine desfällige Königliche Bekanntmachung vom 19. Februar 1825 zu bald ein, um
dadurch nochmals einen wenn auch nur unbedeutenden Geldertrag directe erzielen zu können.
Nach genommener Rücksprache
mit mehreren wohlgesinnten Einwohnern bildeten demnach
1. die Ehefrau des Controlleurs
Lieutenant von Lau
2. die
Wittwe Pape
3. die Ehefrau des adelichen Gutspächters
Reimers und
4. die Ehefrau des Freykäthners und
Kaufmanns Timm Warnholz einen Verein, welcher die hiesigen Handwerker und Eingesessenen
aufforderte, Hausarbeiten, Producte
ihres Betriebs oder sonstige entbehrliche Kleinigkeiten zur Verspielung zum Besten der Westküste einzuliefern.
Diesem Verein gelang es auf solche Weise, 214
Gewinne aus unserer Mitte zusammenzubringen.
Der Absatz der Loose zur Verspielung dieser Gewinne belief sich auf 2753 Nummern, wofür der Preis ä
Stück zu 6 Schilling Courant (45
Pfennig) festgesetzt war, und gelang es auf diesem indirecten Wege, unterm 3.
Juny 1825 eine Beyhilfe zur Abwendung allgemeiner Noth von Ein Tausend und Neun und Zwanzig Mark Courant (1 Mark = 1,20
RM) an das Königliche Amthaus zu Segeberg zu weiterer gefälligen Beförderung
einzusenden. Die Ziehung hat am 23. May 1825 auf einem freien Gerüst im
Bleck mit aller Oeffentlichkeit Statt gehabt.
Es war ein Zelt für den Verein und eins für das Publicum aufgeschlagen.
Diese ländliche Feyerlichkeit hatte sehr viele Zuschauer aus der Umgegend herbeigelockt. Gastereyen, Tanz
und ein kleines Feuerwerk beschlossen
den Tag ohne mindesten unangenehmen Vorfall.«
gez. Cirsovius, Kirchspielvogt.
Wenn der Herr Kirchspielvogt
dieses Ereignis, das doch in keiner Weise mit amtlicher Verwaltung etwas zu tun
hatte, dennoch in das Fleckensbuch eingetragen hat, so bekundet sich darin das
Bewußtsein, daß es sich um Vorgänge handelt, die geeignet sind, den Nachgebornen zur Quelle fruchtbaren Nachdenkens und ehrfürchtiger Betrachtung
entschwundener Tage zu werden. Der Beamte ehrte sich selbst, als er dem Werk der Frauen diese Ehre erwies.
Wer sollte nicht dankbar zur Kenntnis nehmen,
daß solches in unserer Vaterstadt geschehen!
466
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6.
Das Feuerlöschwesen
1.
Brandreglement für Bramstedt
Anno 1861 den 31. Januar
ist vom Segeberger Amt ein von der Fleckensverwaltung eingereichtes Reglement
für das Feuerlöschwesen genehmigt worden, das diese wichtige Angelegenheit
endgültig der Leitung der sogenannten Fuhr- oder Arbeitsgilde entzogen hat.
Die wesentlichen Punkte
der neuen Ordnung sollen hier in Erinnerung gebracht werden.
1. Der Flecken
bildet ohne Unterschied der Jurisdiktion einen Brandpolizeidistrikt und eine
Kommüne zur Haltung von Lösch- und Rettungsgeräten und zu gegenseitiger
Hilfsleistung bei Feuersbrunst. Der Distrikt wird aufgeteilt in
7 Quartiere:
a)
Die
Häuser außer dem Tor;
b)
Die
östliche Seite des Bleecks mit Hinterstraße, Mühle und Remiens Gewese;
c)
Die
westliche Seite des Bleecks mit Hinterstraße, Häuser an der Nordseite des
Bleecks, an der Chaussee nach Altona, der Glückstädter Straße und an der
westlichen Seite der Chaussee Remien gegenüber bis zur Aue;
d)
links
neben der Chausseebrücke im Flecken beginnend, umfaßt die ganze Westseite
des Maienbeecks, sowie die Häuser der Kleinhufner Johann Kröger und Nicol.
Wesselmann;
e)
von
Schmied Dehn an sämtliche übrigen Häuser des Maienbeecks samt Dreiertwiete;
f) sämtliche Häuser am Schlüskamp und die an der Südseite des Landweges mit der Ziegelei;
g) von
Hinrich Steckmest die nördliche Seite des Landweges nebst hinter den Höfen samt
den Gebäuden bei der Ziegelei.
2.
Die
Direktion steht dem Kirchspielvogt
zu; er bestimmt aus den Vorstandsmitgliedern eine geeignete Person für den Fall
einer nötig werdenden Vertretung.
3.
Den
Vorstand bilden: der Kirchspielvogt als Vorsitzender, der Gutsinspektor,
die Fleckensvorsteher und die Brandaufseher. Dem Vorstande fällt die Verwaltung
der ökonomischen Angelegenheiten und die Beaufsichtigung der Löschgerätschaften
zu. Im Februar ist eine Sitzung wegen der Jahresrechnung abzuhalten. Die
Abrechnung und ein Inventar über die Löschgeräte ist dem Amthause zu
übermitteln. - Im Mai und im November sind »Sprützenproben« vorzunehmen.
4.
Der
Rechnungsführer soll mindestens 3 Jahre sein Amt führen. Er hat unter andern
die Beiträge einzusammeln, das Ansagen bei den Spritzenleuten, sowie der
Wachleute während und nach dem Feuer zu besorgen. Ihm kommt eine
Jahresvergütung von 4 Talern zu.
5.
Die
Mannschaft besteht aus 4 Spritzenmeistern nebst 2 Stellvertretern, welche
3 Jahre, und 8 Spritzenmännern nebst 4 Vertretern, welche 1 Jahr dienen, wozu
der Reihe nach die selbständigen Männer des Fleckens aufgerufen werden, sofern
467
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sie dienstfähig und nicht
amtlich behindert sind. - Die Spritzenmeister sorgen für Instandhaltung
des Inventars, unter Zuziehung der Brandaufseher. Jeder Spritzenmeister hat
einen Schlüssel zum Spritzenhaus. Bei Alarm hat er sich damit sofort beim
Spritzenhaus einzufinden, der Spritze zur Brandstelle zu folgen, die Schlangen
zu beaufsichtigen und im Wechsel das Rohr zu leiten. Er darf sich erst wieder
entfernen, wenn die Spritze wieder zurückgebracht und eingeschlossen ist. Für
ihn ist eine jährliche Vergütung von gut 1½ Reichstalern vorgesehen; der
Vorstand fügt im Brandfalle nach Ermessen 1-5 Taler hinzu. - Für Stellvertreter
ist keine Jahresvergütung vorgesehen.
Die Spritzenleute haben
beim Probieren der Spritze anwesend zu sein und sie zu diesem Zwecke abzuholen
und zurückzubringen. Bei Feuersbrunst haben sie ohne Verzug das gleiche zu tun
und an der Brandstätte nach Anweisung der Meister dienstbar zu sein.
6.
Unteraufseher.
Für
jedes Quartier bestellt der Vorstand einen solchen, also insgesamt 7. Sie
sollen Register führen über die im Bezirk vorhandenen Mannschaften, bei Brand
die Herstellung und Beaufsichtigung der Wasserreihen auf sich nehmen; sie
erhalten ein vor der Brust zu tragendes Brandschild, das natürlich im Falle des
Dienstes zu tragen ist.
7.
Das
Läuten der Sturmglocke besorgen 4 dazu bestellte Männer.
8.
Ordnung
bei Feuersbrünsten. Aufsicht führt der
Branddirektor, in seiner Abwesenheit der Kirchspielvogt, eventuell dessen
gewählter Vertreter. Der adlige Gerichtsvogt und die Brandaufseher stehen ihm
zur Seite, desgleichen die Fleckensvorsteher. Bildung der Wasserreihe und
Schutz der geretteten Sachen, wozu noch 8 zuverlässige Männer besonders
bestimmt werden, ist erste Pflicht. Jeder Eingesessene, der ein entstehendes
Feuer bemerkt, hat sofort die Nachbarschaft und nächstwohnenden Spritzenmeister
zu alarmieren. - Die Nachtwächter sollen durch fortgesetztes Knarren an
Fenster und Türen die Einwohner benachrichtigen, baldmöglichst aber die Läuter.
- Alle Bewohner, auch Insten, Gesellen und Dienstboten haben mit Feuereimer und
Gerätschaft, die Zimmerleute mit Äxten zu erscheinen, die Besitzer von Fuhrwerk
ein Spann Pferde aufgeschirrt bereit zu halten. Jeder Hausbesitzer und Inste
hat in der Nacht ein brennendes Licht ins Fenster zu stellen. Während der
Gefahr hat jedermann den Befehlen des Vorstandes unbedingt zu folgen. - Nach
getanem Werk werden die Brandeimer den Brandaufsehern zur Revision
ausgehändigt, die nach Befund die Ausbesserung entstandener Schäden anordnen.
Die Eimer und andern Geräte (Leiter,- Dachstuhl) sind natürlich mit Hausnummer
und Namen des Besitzers zu versehen. Deren Instandhaltung ist Sache des
Eigentümers. Im Mai und im November findet nach Ansage eine Schauung statt. Damit
sind die Gerätschaften, die ledernen Eimer, gefüllt mit Wasser, vor der Tür in
Bereitschaft zu halten.
__________
Anmerkung: Der Schuppen, in
dem die erste Spritze untergebracht war, hat gestanden an der Umfassungsmauer
der Kirche, ein Stück südlich des Westeingangs; dieser Schuppen hat, nachdem er
höherer Anforderung sich nicht gewachsen zeigte, später im Pastorat noch
willkommene Dienste geleistet.
468
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2.
Die freiwillige Feuerwehr
Anno 1878 wählt das
Fleckensverordneten-Kollegium sechs Männer (Hufe, Wessel, Danielsen, Hartkopf,
Freudenthal und Harbeck), um eine freiwillige Feuerwehr zu organisieren. Auf
der ersten Versammlung am 26. Mai wurde beschlossen, eine Ansatzleiter, 2
Steigeleitern, 2 Dachhaken, 1 Signalhorn, 10 Schrillpfeifen, 12 Noteimer und
sonstige kleinere Utensilien, ferner für 12 Steiger und für 24 Männer der
Spritzenmannschaft die Uniformen und die dazu gehörenden Ausrüstungsgegenstände
anzuschaffen. Man errechnet, daß die Kosten 1000 Mark betragen werden. Diese
Aufstellung wird dem Fleckenskollegium mit der Bitte zugeleitet, die Sache
tunlichst bald zu fördern. Das sind die ersten Notizen aus dem Protokollbuch
der Bramstedter freiwilligen Feuerwehr.
In weiteren Sitzungen
wurden die Dienstvorschriften genehmigt, die Stadt in vier Bezirke eingeteilt,
Herr Gottlieb Freudenthal zum Hauptmann gewählt und die ersten 16 Namen
genannt, die der Feuerwehr als Aktive beizutreten gewillt waren. Um die Gelder
für die Anschaffungen zu bekommen, wurde beschlossen, daß die Eingesessenen
Bramstedts mit Ausnahme von Bissenmoor für drei Jahre auf die 20% Kürzung der
Landesbrandkassenbeiträge verzichten sollen.
Im Laufe der Jahrzehnte
kamen die Feuerwehrsleute treu ihrer zum Wohle der Stadt auszuübenden Pflicht
nach. Jedes Jahr konnte Bericht erstattet werden von Brandlöschungen, Übungen,
Versammlungen, ja, auch die Geselligkeit wurde gepflegt. In energischen Worten
werden Verunglimpfungen (Flugblatt: Ein Mahnwort in letzter Stunde)
zurückgewiesen. Probleme wie Aufstellung einer Musikkapelle beschäftigten
nebenbei die Gemüter.
Im Jahre 1919 legt der
Hauptmann G. Freudenthal sein Amt nieder. Seit 1878 hat er die Geschicke der
Feuerwehr ununterbrochen geleitet. Er wird zum Ehrenhauptmann ernannt. Spätere
Hauptleute sind Büchler, Jetschat, Kiel und Lesch. Für die sechs im Kriege
gefallenen Kameraden wird eine Ehrentafel geschaffen. Die Kosten dafür werden
durch freiwillige Spenden aufgebracht. In einer Feierstunde findet die
Ehrentafel ihren Platz in der Kirche.
Auch nach dem Kriege
arbeitet die Feuerwehr in zahlreichen Übungen an ihrer Vervollkommnung,
Samariterkurse, theoretische Übungsabende werden neben der praktischen
Ausbildung veranstaltet. Man geht auch mit der Zeit, eine Motorspritze,
Minimaxapparate und Schaumlöscher werden angeschafft. Die Zahl der Aktiven
wächst. Im Jahre 1925 sind es 91. Großeinsätze werden verlangt beim
Kirchenbrand in Kellinghusen 1929 und dem Brand des Dehnschen Geweses im
Landweg Ecke Düsternhoop.
Viel Sorge bereitete der
Bau eines neuen Spritzenhauses mit Schlauchturm und Übungsplatz. Das alte
Spritzenhaus im Schlüskamp gegenüber dem Pastoratsgarten reichte nicht mehr
aus, auch fehlten die Trocknungsmöglichkeiten. Ehe man an den Neubau in der
Glückstädter Straße Ecke Sommerland ging, hatte man andere Vorschläge gemacht.
Einmal sollte der städtische Speicher im Maien-
469
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beeck umgebaut, ein ander
Mal auf dem Schulhof ein Bau errichtet werden. Letzteres lehnte die Regierung
ab. Nach langwierigen und erregten Verhandlungen mit dem derzeitigen
Bürgermeister - der Bestand der Feuerwehr war ernstlich gefährdet - konnte der
Bau errichtet und am 6. Dezember 1931 das neue Spritzenhaus feierlichst
eingeweiht werden.
Damit ist gewährleistet
schnelle und geordnete Löschung eines Schadenfeuers und Verhinderung seiner
Weiterverbreitung sowie Rettung von Gut und Leben:
Gott
zur Ehr,
dem
Nächsten zur Wehr!
7.
Bramstedter Turnerschaft
Zur Zeit der preußischen
Erniedrigung begründete Friedrich Ludwig Jahn 1811 die deutschvölkische Form
der Leibesübungen. Sie war ursprünglich nur zur Wehrhaftmachung der Jugend
gedacht, wurde aber nach den Freiheitskriegen als Selbstzweck betrieben. Von
der Reaktion wurde das Turnen als politisch verdächtig bis 1842 verboten und
nach den Wirren des Jahres 1848 als Vereinsund Schulturnen wieder gestattet.
Anno 1884 versammelten
sich in Bramstedt mehrere junge Leute in der »Badeanstalt«, um einen Turnverein
ins Leben zu rufen. Der Korbmacher J. Th. Thies veröffentlichte schon einige
Tage später in der hiesigen Presse einen Aufruf. Der Erfolg war nicht groß, es
erschienen nur sieben Männer, die durch ihr Kommen ihr Interesse für den
Turngedanken kundtaten.
Auf einer bald darauf
folgenden Versammlung am 9. Juli konnte durch die Anwesenheit von zwölf Männern
die Gründung des Turnvereins vollzogen werden. Durch den besuchsweisen
Aufenthalt des Turnlehrers Ehrich aus Ratzeburg war man in der Lage, gleich mit
dem Turnbetrieb zu beginnen. Dreimal wöchentlich wurde nun geturnt.
Der derzeitige
Bürgermeister stellte dem jungen Verein die Turngeräte und Halle eines früheren
Vereins (der wohl um 1861 herum bestanden haben soll) zur Verfügung. Das war
ein guter Anfang. Nach Fortgang von Ehrich wurde Lehrer Knust Vorsitzender und
Turnlehrer. Auf der ersten Generalversammlung am 27. Juli 1884 erhielt der
Verein seinen Namen: »Bramstedter Turnerschaft«.
Mit der Turnhalle war es
aber so, daß sie während eines Teiles des Jahres als Torfschuppen benutzt
wurde. Daher zog man in das Lokal des Wirtes Hesebeck, der auch erlaubte, daß
in seinem Saal ein Reck aufgestellt wurde. Schon zwei Jahre später fand zum
erstenmal in unserm Ort ein Turnfest des westholsteinischen Gaues statt.
Seit dem Jahre 1890 dachte
man an den Bau einer neuen Turnhalle; der Hesebecksche Saal stand häufig nicht
zur Verfügung, weil irgendeine Tanzveranstaltung stattfand und man gezwungen
war, wieder die Fleckensturnhalle (auf dem Schulhof) zu benutzen. Das konnte
nur als Notbehelf angesehen werden.
470
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Da zur Zeit kein Geld
vorhanden war für den Neubau einer Halle, mußte man sich zunächst mit dem
Planen begnügen und füllte erst allmählich den Baufonds. Zu diesem Zwecke
wurden »Bausteine« angefertigt, die durch die Mitglieder für 10 Pfennig
verkauft wurden. Die Einnahmen von Veranstaltungen und Schauturnen halfen den
Fonds vergrößern, auch wurden Bittgesuche an die hiesigen Sparkassen gestellt.
Die Bausumme wuchs sehr
langsam. Mit einemmal kam Schwung in die Sache, der Rendsburger Kaufmann
Fülscher, früher in Bramstedt wohnhaft, schenkte der Turnerschaft einen Teil
seiner Bahnhofskoppel zum Bau einer Turnhalle. Der Vertrag wurde am 25. Juni
1906 getätigt. Es konnte nun mit dem Bau begonnen werden. Das Geld wurde durch
unverzinsliche Anleihe und durch Anteilscheine zu 25 Mark, von denen je vier
jährlich zur Zurückzahlung ausgelost werden sollten, herbeigeschafft. Aber auch
Stiftungen von Geld, Steinen usw. fielen an.
Am 23. August 1908 fand
die Einweihung statt. Das war die Krönung der langjährigen verdienstvollen
Arbeit des Vorsitzenden, des Lehrers und Organisten A. Kühl (1924 legte er sein
Amt nieder und wurde Ehrenvorsitzender). Ein Jahr später konnte die Halle
erweitert werden durch einen Anbau. Im Erdgeschoß entstanden Ankleideräume,
oben wurde eine vollständige Wohnung eingerichtet.
Endlich waren die
Bedingungen erfüllt für die körperliche Ausbildung beider Geschlechter zu Kraft
und Gewandtheit, zu Mut, Geistesgegenwart und Ausdauer.
8.
Das Chorwesen in Bad Bramstedt
1.
Der Männerchor von 1858.
Carl Friedrich Zelter, der
Freund Goethes, gründete 1807 die erste Berliner Liedertafel. Sie nahm
ausschließlich Komponisten, Dichter und Berufssänger als Mitglieder auf und
wurde nach streng exklusiven Statuten und künstlerischen Tendenzen geleitet.
Erst gegen Mitte des vergangenen Jahrhunderts verstand man unter »Liedertafel«
einen Männerchor mit überwiegend patriotischer und geselliger, weniger aber
künstlerischer Betätigung.
Auch in Schleswig-Holstein
fanden sich um die Mitte des vorigen Jahrhunderts sangesfreudige Männer
zusammen, zur eigenen Freude den Gesang zu pflegen. So trafen sich in Bad
Bramstedt interessierte Bürger und gründeten 1858 die Bramstedter Liedertafel.
Ihr erster Leiter war der Musiker Hans Hintz, das Übungslokal das
»Holsteinische Haus«. Als nach einigen Jahren H. Hintz nach Amerika auswanderte,
wurde sein Nachfolger W. Beck, unter dessen Wirken sich die Bramstedter
Liedertafel segensreich entfaltete. Um die Zeit der deutschen Einigung wurde
von den Sängerfrauen das erste Banner gestiftet. Es bestand nicht immer
Einigkeit unter den Sängern, 1913 wurde eine zweite Liedertafel, der
Gesangverein »Eintracht«, gegründet.
471
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Seit dem Jahre 1898 gehört
die Bramstedter Liedertafel dem Schleswig-Holsteinischen Sängerbund an.
1913 wurde der langjährige
Chorleiter W. Beck durch die Verleihung der Ehrenmitgliedschaft geehrt.
Während des Weltkrieges
ruhte die Sängertätigkeit. Anfang 1919 wurde nach 4½jähriger Pause die Pflege
des Männergesanges wieder aufgenommen. Höhepunkte des Vereinslebens waren 1908
und 1928 die Sängertage in Bad Bramstedt anläßlich des 50- und 70jährigen
Bestehens der Liedertafel. Die beiden Bramstedter Vereine »Bramstedter
Liedertafel« und Gesangverein »Eintracht« wurden durch die Ereignisse des Jahres
1933 unter dem neuen Namen »Männerchor von 1858 in Bad Bramstedt«
zusammengeschlossen.
3.
Die
Bramstedter Kantorei.
Für das gottesdienstliche
Singen gründete der Kantor und Organist Johannes Daniel im Jahre 1924 eine
Kantorei. Da sich aber keine Männerstimmen fanden, wirkte die Kantorei als
Frauenchor. 1934 zum 10jährigen Bestehen der Kantorei konnte mit dem Männerchor
zusammen die »Schöpfung« von J. Haydn aufgeführt werden.
472
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XX.
GOTTLIEB CARL CHRISTIAN FREUDENTHAL
Johann Schümann, Inhaber
des Holsteinischen Hauses, ist der erste Bürgermeister nach Einführung der
»kleinen Städteordnung« gewesen. Neun Jahre lang hat er seines Amtes gewaltet,
um dann, begleitet vom Dank seiner Mitbürger, in Ehren sich zu verabschieden.
Ihm folgte Freudenthal,
ein Mann, den das Fleckensprotokoll als Goldarbeiter einführt. Er ist nach
Abstammung ein Niedersachse, Hannoveraner. Der Großvater ist ins Holsteinische
übergesiedelt, der Vater 1833 im Flecken Bramstedt ansässig geworden. Hier ist
ihm im Jahre 1848 sein Sohn Gottlieb, unser Bürgermeister, geboren.
Diesem ist es vergönnt
gewesen, schon früh das besondere Vertrauen der Ortsbewohner zu genießen. 1878
wird er zum Schöffen erwählt. Ein Jahr später, am 21. Juni, nimmt ihm der
Landrat Willemoes-Suhm diesen Eid ab:
»Ich, Gottlieb Carl
Christian Freudenthal, schwöre zu Gott dem Allmächtigen und Allwissenden, daß
Seiner Königlichen Majestät von Preußen, meinem Allergnädigsten Herrn, ich
untertänig, treu und gehorsam sein und alle mir vermöge meines Amtes
obliegenden Pflichten nach meinem besten Wissen und Gewissen genau erfüllen,
auch die Verfassung und Städteordnung vom 14. April 1869 gewissenhaft
beobachten will. - So wahr mir Gott helfe.«
Wir sehen, er ist zum
Führer des Fleckens geworden.
Seine geistige Regsamkeit,
seine Gewandtheit, in markiger Rede den Nagel auf den Kopf zu treffen, seine
hohe Gestalt und sein fester Blick, sein imponierender Charakterkopf
kennzeichnen den geborenen Repräsentanten und Wegweiser.
Nicht nur in den
verschiedenen Ausschüssen der Fleckensverwaltung entfaltet er eine
fruchtbringende Tätigkeit; auch als Mitglied des Kreisausschusses gewinnt er
bald eine angesehene Stellung. Als Waisenrat findet er Gelegenheit zu sozialem
Wirken. Seine rege Mitarbeit im Landwirtschaftlichen Verein an der Bramau
bekundet die Vielseitigkeit seines geistigen Interesses. Noch reicht seine
Kraft, auch das Amt eines Kommissars der Schleswig-Holsteinischen Brandkasse zu
übernehmen.
Es konnte nicht
ausbleiben, daß er weit über den Bereich des Fleckens hinaus an Ansehen und
Einfluß gewann.
Unter seiner Führung
gelingt es, das Ödland jenseits der Hambrücke, also das Gebiet des heutigen
Stadtwaldes, für ganze fünf Reichsmark vom Fiskus zu erwerben und zum Eigentum
des Fleckens zu machen.
Nach Ablauf der
sechsjährigen Amtsperiode wird er wieder gewählt.
Nun fördert er mit
besonderem, nie ermüdendem Eifer die Bepflanzung des erwähnten Ödlandes, als
hätte er vorschauend erkannt, welch große Bedeutung
473
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gerade dies Gebiet nach
weiteren vier Jahrzehnten für Bramstedt erlangen sollte. Wäre es auch ohne den
Stadtwald möglich gewesen, ein Bad Bramstedt zu schaffen? Nach weiteren
sechs Jahren wünschte er abzutreten, ohne seine Wirksamkeit für das Gemeinwesen
überhaupt aufzugeben. Den Vorsitz in der Eisenbahn-Kommission, die Amtsanwaltschaft,
die Mitgliedschaft in der Baukommission, desgleichen in der Armenkommission
würde er gern behalten.
Eine freie
Bürgerversammlung nimmt Stellung zu der Angelegenheit, und am 23. Mai 1891 wird
die Wiederwahl zur Tatsache.
Doch sehr bald erscheinen
Nebelwolken am Horizont. Am 18. Juni 1891 findet in der Baumannschen Wirtschaft
eine Sitzung der Fleckensführer von sehr ungewöhnlichem Charakter statt.
Freudenthal berichtet: Am 10. Mai d. J. sei ihm eine Eingabe, welche der
Landmann J. M. gegen seine am 20. April erfolgte Wiederwahl bei der Kgl.
Regierung eingereicht habe, zur Äußerung übersandt. Er habe auf eine
Rechtfertigung seinerseits verzichtet und nur die Bitte gestellt, daß ihm die
Original-Eingabe des M. zum Zwecke des Strafantrages bei der Kgl.
Staatsanwaltschaft wider M. ausgehändigt werde. - Diese Eingabe sei ihm am 1.
Juni zugegangen, und er habe am 5. Juni den Strafantrag eingereicht. Der
Bürgermeister verliest danach eine beglaubigte Abschrift der gegen ihn
gerichteten schweren Anschuldigungen und fügt hinzu, er halte eine Erläuterung
für überflüssig. Dann teilt er mit, daß, wenn seine Bestätigung, wie wohl
vorauszusehen, nicht bis zum 20. dieses Monats erfolge, er sein Amt am
genannten Tage niederlegen werde. Damit dann Bramstedt nicht so lange ohne
Bürgermeister sein werde, lehne er die auf ihn gefallene Wiederwahl ab. Er
werde seiner vorgesetzten Behörde entsprechende Mitteilung machen. Bei der
Niederlegung seines Amtes, das er mit Freude und Lust verwaltet habe, sei er
zufrieden, mitteilen zu können, daß bei seinem Amtsantritt Bramstedt 3350 Mark
Schulden gehabt, heute dagegen ein Vermögen von 12 000 Mark besitze.
Er habe ja nicht nötig
gehabt, die vorliegende Denunziation in einer Fleckenssitzung vorzulegen; auch
für die Niederlegung seines Amtes sei die heutige Sitzung nicht erforderlich
gewesen. Doch er könne ruhig auf seine amtliche Tätigkeit zurückblicken und
habe es für seine Pflicht gehalten, die Sache öffentlich darzulegen.
Ferner erklärt er, es sei
am 20. März seine ernste Absicht gewesen, aus dem Amte zu scheiden. An jenem
Tage sei ihm einstimmig bewilligt worden, eine Reihe von Ämtern in Kommissionen
weiterhin zu führen. Nach so schwerer Anschuldigung bitte er nunmehr das
Kollegium, den erwähnten Beschluß noch einmal in Beratung zu ziehen und zu
entscheiden, ob es dabei sein Bewenden haben solle. Der Bürgermeister übergibt
danach seinem Vertreter Ratmann Hesebeck den Vorsitz und entfernt sich.
Ergebnis der Beratung:
1.
Der
Beschluß vom 20. März wird einstimmig und voll bestätigt.
2.
Auch
die Bitte des Bürgermeisters, ihm vorläufig die Fleckenslade zu überlassen,
damit er einen Bericht über Bramstedt zusammenstellen könne, wird erfüllt.
474
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Noch einmal nimmt
Freudenthal das Wort, um den Ratmännern, den Fleckensverordneten und der ganzen
Bürgerschaft Dank auszusprechen für die treue Unterstützung, die ihm während
seiner Amtszeit zuteil geworden sei. Bewegten Herzens schließt er mit dem Wunsche,
daß Bramstedt in Zukunft wachsen und gedeihen möge.
Seine Mitarbeiter bitten
ihn, den Raum noch einmal für kurze Zeit zu verlassen.
Bald wird ihm verkündet,
daß die Fleckensvertreter mit sieben gegen eine Stimme ihm die Entlassung aus
dem Amte ablehnen. - Es ist hinzuzufügen, daß die Regierung es nicht für nötig
erachtet hat, überhaupt ein Verfahren gegen den Beschuldigten einzuleiten.
Dem Neidwurm war der Kopf
zertreten, bevor er Unheil angerichtet hatte. Ein starker Mann trug die
Siegesflagge davon. Er erlebte die große Genugtuung, noch fast 20 Jahre lang
das Banner des Fleckens führen und die Wohlfahrt der Mitbürger fördern zu
können.
Erst nach dreißigjähriger
Tätigkeit hat er das Szepter des Amtes gesenkt. Als er am 10. Oktober 1908
seine Absicht ankündigte, zum 1. Januar 1909 seinen Abschied zu nehmen, da
wurde auf Antrag von Dr. Wulf dem Fleckensprotokoll dieser Satz einverleibt:
»Die Fleckensversammlung
nimmt mit Bedauern Kenntnis von dem Antrag des Bürgermeisters und spricht schon
jetzt dem Bürgermeister ihren Dank aus für seine langjährige tatkräftige und
segensreiche Wirksamkeit.«
Die Männer, die diesen
Satz geprägt haben, kannten den Scheidenden und wußten Bescheid um seine
Leistung. Darüber im einzelnen zu berichten, ist hier nicht der Ort. Hier ist
vor allem der Charakter, die Persönlichkeit des in Bramstedts Geschichte
einmaligen Mannes ins Licht zu rücken.
Die klaren und starken
Linien seiner Haltung, wie sie in widriger Stunde sich geoffenbart hat, treten
unverkennbar in dem Bericht vom 18. Juni 1891 zutage. Ein durchdringender
Verstand, eine klare Zielsetzung und die Manneskraft, durchzusetzen, was der
Wille gebietet, vereinigen sich in wohltuendem Gefüge. Und worauf richten sich
seine Gedanken, wenn sein Abschied ernstlich zur Frage steht? Dem Flecken will
er in anderm Sinne dienen, eine Chronik des Ortes schaffen.
Ein paar Züge aus seiner
geistigen und seelischen Wesenheit vermag der Chronist aus eigenem Erlebnis
beizutragen. Das erste als Ohrenzeuge einer Unterhaltung, die Freudenthal,
schon nicht mehr Bürgermeister, mit einem Bauern führte. Letzterer hat seine
Sache vorgetragen.
Eine kurze kernige
Zwiesprache schließt sich an.
Fr.: Woneer weer dat?
B.: As ick noch aktiv
weer.
Fr.: Wat seggst Du?
B.: As ick noch aktiv
weer.
Fr.: Aktiv? Wat is dat?
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B.: Ick meen, as ick Soldat weer.
Fr.: Dat harr's gliek
segg'n kunnt. Lat uns Dütsch snacken.
Zweites Beispiel.
Auf Wunsch des alten, an
den Rollstuhl gefesselten, fast neunzigjährigen Herrn habe ich ihm zweimal ½
Stunde lang - für länger reichte seine Kraft nicht - Proben der werdenden
Chronik vorgelesen. Am Schluß der letzten Lesung äußerte er mit erhobenem
Haupte, den feuchten Blick fest auf mich gerichtet, die Worte hinzögernd,
abwägend: »Hübsch is dat... hübsch... und alles neu!... Kommen Sie wieder!«
Ja, er war, wie nur einer,
mit seinem Herzen an Bramstedt verlobt. Aber er war darüber hinaus ein
kernfester deutscher Mann.
Ehret diesen Mann, folget
in der Heimatliebe diesem Bürgermeister, dem letzten, den Bramstedts Bürger aus
ihrer Mitte erkoren haben, dem einzigen, der drei Jahrzehnte hindurch des Ortes
würdiger Repräsentant gewesen ist.
Am 15. September 1938 ist
dieser gesegnete Mann heimgegangen.
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XXI.
ANHANG: GELD, MASSE UND GEWICHTE IN BRAMSTEDT
Vom
Geldwesen
Wie es zur Zeit, da die
Schauenburger Grafen Herren unseres Landes waren, um die Zahlungsmittel hier
bestellt gewesen sein mag, das liegt im Dunklen. Doch liegt die Annahme sehr
nahe, daß in dieser Hinsicht die Hansestädte für das deutsche Nordalbingien
bestimmend gewesen sind. Dafür spricht, daß 1460 beim Eingehen der
Personal-Union mit Dänemark ausbedungen wurde, daß für Schleswig-Holstein die
in Hamburg und Lübeck vorhandene Münzwährung maßgebend sein werde. So begegnen
wir in den ältesten Urkunden der »lübschen« Mark oder Kurant-Mark. Diese
Währung ist erst 1872 durch die reichsdeutsche Währung abgelöst worden. Zwar
hat Dänemark 1854 den Schleswig-Holsteinern ihre Bank- und Spezies-Taler
insoweit aufgezwungen, als diese Leistungen an die Staatskasse abzudecken
hatten; auch sind allerlei deutsche Münzen im Lande umgelaufen, besonders nach
dem deutsch-dänischen Kriege 1864; aber dominierend blieben allezeit die
Hanseaten.
Die Mark als solche wurde
nicht geprägt; sie war ein Rechnungsbegriff, der mit dem Wert von 16 Schilling
eingesetzt wurde. Als Münzen liefen um ½, 1, 2, 4, 8, 16 und 32
Schilling-Stücke, aus Silber, verhältnismäßig viel dünner als die
reichsdeutschen Geldstücke. Der halbe Schilling kursierte als »Sechsling« und
bestätigt, daß der Schilling in 12 Pfennige zu teilen war. Von den Kupferpfennigen
ist wohl der Dreiling am längsten in Gedächtnis geblieben.
Gegen 1600 erscheinen auch
der Gulden (Gold) und der Reichstaler (Silber) im Lande, jeder
derzeit mit 1½ Mark lübsch = 24 Schilling bewertet. Das Wertverhältnis unter
den Münzen hat natürlich geschwankt. Nach Detlefsen ist der Reichstaler seit
1622 mit 3 Mark lübsch bewertet worden. Die Kriege um 1813 haben die
Herzogtümer sehr nachteilig mit in das dänische Finanzwesen hineingezogen. In
genanntem Jahre wurde in Kopenhagen eine Reichsbank gegründet. Diese nahm 6%
vom Werte des gesamten Grundeigentums, auch in Schleswig-Holstein, in ihren
Besitz. Die Grundeigentümer lieferten entweder den abgeschätzten Wert bar ab,
oder sie hatten ihn mit 6% zu verzinsen. Der Rigsbankdaler (2,25 Mark) wurde
auch hier landläufige Münze.
Nach 1864 sind die
preußischen Silbertaler (3,00 Mark) eingewandert. Der preußische Groschen, der
Neu-, der Gutgroschen und der F-Schilling (Friedrich-Franz von Mecklenburg)
erschienen auf der Bildfläche. 1872 kam die Reichsmark heraus: in Gold von 20-,
10- und 5-Mark-Stücken, in Silber als 5-, 2-, 1- und ½-Mark-Stücke, ja gar als
dünnes 20-Pfennig-Stück.
477
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Als erstes hatte FF zu
verschwinden, der Rest folgte in gemessenem Tempo; nur der Taler ist bis in
unsere Zeit standhaft geblieben, bis auch ihn das Schicksal abrief.
Der Übergang zur neuen
Währung hat manchem Kirchspielsbewohner allerlei Sorge gebracht, besonders den
Krämersleuten, die ja alle Preise umzurechnen und Mangel an Kupfergeld hatten.
»Dree Groschen sünd veer Schilling«, so höre ich die Krämersfrau, unsere
Nachbarin, noch heute den Felsen, auf den sie jegliche Rechnung stellte, als
Stütze in Dienst nehmen. Bald aber hat sie mich für diese Mühsal in Anspruch
genommen. Ich muß bekennen, in jenem Jahre mehr Lakritzen und bunte
Zuckerstangen ihrem Endziel zugeführt zu haben als je zuvor und danach.
Findig aber war der Höker
der konkurrierenden Firma Thies. Er wußte Ersatz für die fehlenden
Kupferpfennige zu schaffen. (Die neuen Pfennige waren auch nicht den alten
gleichwertig.) Er schnitt aus solidem blauen Papier kleine Quadrate, setzte mit
seinem Petschaft nach Bedarf ein kleines oder größeres Lacksiegel darauf, und
die Kundschaft freute sich mit ihm, für die Pfennigwerte nicht mehr sorgen zu
brauchen. - Wer denkt dabei nicht an das Notgeld aus der Zeit des Weltkrieges,
das Bad Bramstedt in so ansprechender Form in Umlauf gesetzt hat?
Von
Maß und Gewicht
Bis gegen Ende des vorigen
Jahrhunderts sind Getreide und Kartoffeln durchweg nicht nach dem Gewicht,
sondern nach Hohlmaß gehandelt worden. In den Bauernhäusern fand man regelmäßig
den »Himten« und das »Spint«, oft auch die »Kanne«, angefertigt aus hartem Holz
oder aus Metall. Der Himten faßte ungefähr 50 Pfund Korn (Roggen), das Spint
den vierten, die Kanne den sechzehnten Teil. Für das Ausmessen des
Kirchenroggens mußten noch die kleineren Maße des Quarts und des Ordts
hinzukommen; letztgenanntes faßte etwa ½ kg Korn. Das handliche Maß des
»Himten« war bei der Hantierung im Bauernhause das bevorzugte; nach ihm wurde
der Lohn des mit dem Handflegel arbeitenden Dreschers bestimmt. Jeder
vierzehnte oder dreizehnte Himten kam ihm zu, mit dem Zusatze, daß beim Messen
die Himten für den Bauern einfach glatt abgestrichen wurden, während der
Lohnhimten etliche Seitenhiebe mit dem Stiel der Schaufel erdulden und dazu
nach Möglichkeit aufgewölbt werden mußte. Größere Mengen wurden in Säcken
aufbewahrt und in den Handel gebracht; eigentliche »Kornböden« haben, länger
als nützlich war, gefehlt. Einheitsmaß war die »Tonne« = 4 Himten. Es gab auch
Himten, von denen 5 auf die Tonne gingen (Rendsburger Maß). Unsere
Kirchenbücher kennen ferner den »Schepel« und den »Drompt«. Um 1740 wurde der
Roggenertrag des Gutes Bramstedt abgeschätzt mit 15 Drompt = 90 Tonnen = 180
Schepel, und die Kahnführer aus Wilster, die derzeit den Schiffahrtsplan der
Bramstedter fördern sollten, brachten u. a. 3 Lasten Hafer, jede zu 24
Tonnen, auf der Bramau heran.
478
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So kommen wir bequem zu
folgender Ordnung der hier ehemals gebräuchlichen Kornmaße:
1
Last
= 4 Drompt
1
Drompt
= 6 Tonnen
1
Tonne
= 2 Scheffel
1
Scheffel
= 2 (2½) Himten
1
Himten
= 4
Spint
1
Spint
= 4
Kannen
1
Kanne
= 2 Quartier
1
Quartier
= 2 Ordt.
An Hohlraum faßt der
Himten ungefähr 35 Liter.
Im Getreidehandel und
sonst im Warenaustausch ist seit Jahrhunderten auch das Gewicht als Wertmesser
üblich gewesen. Dabei war der Zentner seit 1872 = 50 kg, vorher in unserm Lande
100, in Hamburg dagegen, wenn auch nur bis 1858, = 112 Pfund.
Die zweischalige Waage, an
passender Stelle auf dem Hofboden oder auf der Grotdeel an starkem Eisenhaken
hängend, war nicht selten in den Bauernhäusern unseres Bezirks. Eine Serie von
Gewichtstücken, das größte 100 Pfund schwer, bot den Jungmännern prachtvolle
Gelegenheit zu Stemmübungen.
Auf der nächsten Stufe
begegnen wir der einschaligen Waage mit Laufgewicht, und dann hat die bequemere
Dezimal- oder Brückenwaage ihren Einzug gehalten. Für kleinere Mengen, z. B.
beim Plünn- und Knakenhandel behauptete der »Besemer«, auch Beeßmer genannt,
noch lange das Feld. Er war nicht ein ganz zuverlässiges Instrument, bot aber
die große Bequemlichkeit, daß man ihn überall ohne weiteres verwenden konnte;
denn er war eine »Handwaage«. Auch die »Federwaage« ist hier zu nennen, die als
Waage für den Haushalt sich große Beliebtheit verschaffen konnte.
Als Wäge-Einheit hat sich
allen Wandlungen zum Trotz das Pfund unentwegt behauptet. Obgleich seit
Einführung des metrischen Systems (1872) von Amts wegen zunächst nur »geduldet«
und seitdem mehrfach durch Gesetz entthront, wird im Kleinhandel unverzagt nach
Pfund, ½ und ¼ Pfund auch heute noch bestellt und gegeben, ein
überzeugendes Beispiel von der Macht der Gewohnheit. In diesem Falle wirkt es
natürlich mit, daß das Pfund mit seinen 500 g sich leicht in die
Dezimal-Ordnung einordnet. - Vergessen sind die Vielfachen des so lebenszähen
Grundgewichts: das Liespfund ==14 Pfund, das ehemals im Bramstedter Heuhandel
gang und gäbe war; ferner der »Stein« = 20 Liespfund = 280 Pfund. -Der »Stein«
galt in den Dörfern als das erwünschte Mindestgewicht des zu schlachtenden
Mastschweines. - Auch die Unterteilung des Pfundes, nämlich Lot = 1/32
Pfund und Quint = 1/128 Pfund gehören lange schon der
Vergangenheit an; das Lot freilich, ein Maß, das für die Kaffeebereitung eine
entscheidende Rolle gespielt hat, ist im Munde der Hausfrau noch recht lange
lebendig geblieben. Die Rezeptbücher für die Küche haben sich schwer davon
lösen können.
Im ganzen ist die Waage
für den Verkehr mit den ländlichen Erzeugnissen, seien
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sie nun pflanzlicher oder
tierischer Natur, heute das vorherrschende Instrument; die Hohlmaße dienen in
der Hauptsache nur noch für Flüssigkeiten.
Noch in der letzten Hälfte
des vorigen Jahrhunderts wurden Rinder, Ochsen, Kälber, Schweine und Ferkel
nach Schätzung (im Slump) verhandelt; Händler und Bauer haben sich im
Einzelfall bemüht, in der Kunst der Überredung den Partner zu übertreffen.
Bramstedt» Viehhändler haben es indessen verstanden, im großen und ganzen sich
bei den Erzeugern ein gutes Vertrauen zu schaffen; dennoch ist es nicht
ausgeblieben, daß es einem Teile gelang, den andern gehörig übers Ohr zu hauen,
sonderlich, wenn der Spiritus dabei mitgeredet hatte. Die Waagschale bot die
Möglichkeit, dem entgegenzuwirken. Aber weder die Waage des Bauern, noch die
des Käufers waren Präzisionsapparate, noch war die Möglichkeit betrüglicher
Hantierung ausgeschlossen: der Ruf nach der Ratswaage stellte sich ein. Eine
solche hat Bramstedt seit etwa drei Jahrzehnten zur Verfügung gestellt; sie
stand im Schlüterschen Gewese, dem heutigen »Rolandseck«. Als »Wiegemeister«
dient ein Beauftragter des Bürgermeisteramtes, natürlich nicht als
festbesoldeter, sondern angewiesen auf die nach bestimmtem Schragen von den
Handelsbeteiligten zu entrichtende Gebühr. - Für die Feststellung des Zentner-
oder Pfundpreises war ziemlich restlos der Hamburger Markt maßgebend. Qualität,
Nachfrage und Angebot bedingten ein Schwanken der Preise. Erst die jüngste Zeit
hat für die meisten landwirtschaftlichen Produkte konstante Preise eingeführt
und dadurch das Risiko für den Erzeuger wesentlich beschränkt. Freilich restlos
geht das nicht an. Zum Beispiel ist mit gutem Grund vermieden, den Handel mit
Pferden auf die Waage anzuweisen, weil hier die Güte und nicht das Gewicht den
Wert bestimmt.
Vom Flüssigkeitsmaß
Die Milch ist früher nach
»Kannen« verkauft worden, ebenfalls das Bier, natürlich auch in Halben und
Vierteln. Die Bramstedter Chronik erwähnt vielfach die »Tonne« Bier, bald
Bramstedter, bald höher geschätzte Hamburger Ware. Es mag der gleiche Hohlraum
sein, der uns als Kornmaß bereits bekannt wurde und auch die Kanne als
Unterteilung (1/64) zuließ, wonach diese gut 2 Liter faßte. In der
Gastwirtschaft ist nach ganzen, halben und viertel Kannen verzapft worden,
später nach »Seideln« zwischen ½ und ¼ Kanne. - Der Branntwein wurde
nach »Öseln«, etwa ½ Kanne, gehandelt, in der Schänke nach ½ Ösel gegeben. Zur
Zeit der Kornernte spendierte der Bauer den Schnittern und Schnitterinnen Bier
in »Ankern« = etwa ¼ Tonne. Statt Bier konnte es auch Köm sein.
Vom
Längenmaß
Unsere Vorfahren haben bis
zur Einführung des metrischen Systems zwei uralte Maße, den »Fuß« und die
»Elle« verwendet. Beide sind hergeleitet vom mensch-
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lichen Körper, indem
ersteres die normale Länge des männlichen Gehwerkzeuges und letzteres die
Strecke vom Ellbogen bis zur Spitze des Mittelfingers übernimmt. Doch fielen
die »Füße« in den verschiedenen Staaten recht verschieden aus. In unserm Bezirk
ist der hamburgische Fuß (28½ cm) maßgebend gewesen; die Elle war gleich 2 Fuß;
dazu kam die Unterteilung des »Fuß« in 12 Zoll, der Elle in ½ und ¼ und 1/8.
Beim Einkauf von Webwaren ging es oft um »grot Eel« und »lütt Eel«. (5
brabantische waren gleich 6 Hamburger). In Handwerk und Industrie ist lange mit
englischem Maß gerechnet worden, weil England als Industriestaat lange an der
Spitze gestanden hat. - Die Elle war die vielgebrauchte Dienerin der Hausfrau,
hatte diese doch fast nur mit den »Ellenwaren« zu schaffen. So wurde denn auch
dies Instrument vielfach in tadellos hergestellten und trefflich verzierten
Exemplaren der angehenden Hausfrau mit auf den Weg gegeben. Ebenholz,
Elfenbein, auch Edelmetalle zeugten von der großen Bedeutung, die man diesem
»Szepter« der »Hausfrau« beilegte. Viel tausend Stücke selbstgefertigter
(egenmakt) Leinewand sind in den Bauernhäusern des Kirchspiels mit der Elle
abgemessen worden, und Jahrzehnte hat es gedauert, bis dieses althergebrachte
Maß praktisch aus dem Verkehr mit Manufakturwaren verdrängt werden konnte. Für
Längenmessung auf Heide und Weide und Acker und Wegen galt die »Rute« = 16 Fuß,
für Entfernungen von Ort zu Ort die Meile, in unserm Falle der fünfte Teil
eines Breitengrades = rund 7,5 km.
Die
alten Flächenmaße
Unsere Heimat hat die
Flächen der Feldmark ursprünglich berechnet nach der Menge des Roggens, die für
die Einsaat erforderlich war. Die völlige Übereinstimmung der Namen spricht
wohl zwingend dafür. Wir lesen von soundso viel Tonnen, Schepel, Himten und
Spint Ackerland, und die auf solche Weise bestimmten Flächenmaße sind auch auf
Wiese, Weide ,Wald und Heide übertragen worden. Bei der Aufteilung des Bodens
(um 1800) und dem mit der Bevölkerungszahl wachsenden Begehr nach demselben
wurden genauere Messungen nötig. So sind Quadratruten und Quadratfuß hinzugekommen.
Noch ist zu sagen, daß zu unbekannter Zeit zu der Ursprungstonne eine kleinere
hinzugekommen ist, wahrscheinlich nach der Hafer-Einsaat bestimmt; daher heute
die nicht so seltene Unterscheidung von »grot Mat« und »lütt Mat«.
Zusammengefaßt:
1
Tonne grot Mat
= 340 Quadratruten
1
Tonne lütt Mat
= 240 Quadratruten
1
Himten
= ¼
Tonne
1
Spint
= ¼
Himten
1
Quadratrute
= 156 Quadrat-Fuß
481
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Für ungefähre Umrechnungen
kann gelten:
7
Tonnen grot Mat
= 10
Tonnen lütt Mat
1
Tonne lütt Mat
= ½ ha
1
Quadratrute
= 21 qm
1
qm
= 12 Quadrat-Fuß
Raummaße
Im Holzhandel sind üblich
gewesen: der Kubikfuß und der »Faden«, ersterer bei der Bewertung ganzer
Baumstämme, also für Bau- und Nutzholz, der Faden dagegen beim Aufmessen von
Brennholz. Die 2 Fuß langen Kloben wurden aufgeschichtet und ein rechtwinkliger
Haufe von 6 Fuß Höhe und 6 Fuß Breite stellte einen Faden dar. Es ist
unschwer zu erkennen, daß dieses Maß in Breite und Höhe ungefähr der
Klafterweite eines Mannes von mittlerer Statur entspricht. Das Verhältnis zum
cbm ist rund 12:7. - Bei Beginn des Weltkrieges (1914) kostete hier ein Faden
gutes, gespaltenes Brennholz 10-12 Mark. Beim Bau der Chaussee Altona-Kiel
(1832) wurde das erforderliche Steinmaterial nach Faden, der nötige Kies aber
nach »Pott«, d. i. ein prismatischer Haufen von 16x16x4 = 1024 Kubikfuß,
angekauft.
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Ein Bramstedt-Lied
483
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QUELLENVERZEICHNIS
1.
Akten und Dokumente des Kieler
Staatsarchivs (jetzt Landesarchiv Schleswig und
Stadtarchiv Kiel)
2.
Alte
Kirchenbücher, Akten und Protokolle
der Kirchengemeinde Bad Bramstedt
3.
Fleckensbuch,
Akten und Protokolle der Stadt Bad Bramstedt
4.
Pastor Kahler: Das Stör-Bramautal
5.
Die Bramstedter Nachrichten
6.
Die Niederdeutsche Warte (V, 2)
7.
Falcke:
Staatliches Magazin (Bd. VII)
8.
Dankwerths Chronik von 1652
9.
Mensing: Schleswig-Holsteinisches Wörterbuch
10.
Schleswig-Holsteinischer
Provinzialbericht (Bd. II, 6)
11.
Reichs-Postreuter
12.
J. F. Süersen: Über
die Mineralquellen bei Bramstedt im Holsteinischen
13.
Niederelbischer
Merkur (G. H. Mahnke: Bramstedt als Kurort)
14.
Haderslebener Wochenschrift
15.
Gildebuch der
Pfannen- und Mobiliengilde Bad Bramstedt
16.
Gildebuch der
Bramstedter Vogel-Schützen-Gilde
17.
Gildebuch der Pfannen-Gilde
des Fleckens Bramstedt
18.
Protokollbuch der
Bramstedter Freiwilligen Feuerwehr
19.
Protokollbuch der Bramstedter Turnerschaft
20.
Protokollbuch des
Bramstedter Männerchors von 1878
21. Pastor Bruhns, Chronik der Kirchengemeinde Schlamersdorf
484
--------------------------------------------------------------------------------------
6.
Die
Kirche
7.
Maria
Magdalena
8.
Altar
9.
Triumphkreuz:
10.
Das
Taufbecken
11.
Älteste
bekannte Urkunde aus dem Jahre 1448 (Stadtarchiv Kiel Nr. 112 a) , Original
durch Kriegseinwirkung verloren gegangen
12.
Älteste
bekannte Bestätigung der Fleckensgerechtsame von 1533 (Landesarchiv Schleswig,
Urkundenabteilung 131a Nr. 1)
13.
Ältestes
Bramstedter Siegel
14.
Bramstedter
Wappen
15.
Bramstedter
Fleckenssiegel
16.
Siegel:
Schusteramt 1523
17.
Amtshaus
– Rathaus
18.
König
Christian IV. von Dänemark
19.
Wiebeke
Kruse
20. Das Bramstedter »Schloß
21. Der Roland von Bramstedt
22. Gottlieb Carl Christian Freudenthal
23. Neues Kurhaus
24. Bramstedt um 1820
25. Hans Hinrich Harbeck