Heims / Lenze: Bad Bramstedt im zweiten Weltkrieg

Abdruck mit freundlicher Zustimmung von Herrn Dr. Ulrich March

HOLGER HEIMS/HARK LENZE

BAD BRAMSTEDT IM ZWEITEN WELTKRIEG

SCHRIFTENREIHE
DER JÜRGEN-FUHLENDORF-SCHULE
Herausgegeben von H. F. Benthe und U. March
HEFT 6 Bad Bramstedt 1982

Das vorliegende Heft 6 der „Schriftenreihe der Jürgen-Fuhlendorf-Schule“ enthält Ergebnisse lokalgeschichtlicher Schülerforschungen aus den Jahren 1980/81. Grundlage der Veröffentlichung bilden einige Kapitel zweier Facharbeiten, die im Rahmen eines Leistungskurses im Fach Geschichte entstanden sind und zum Herbst- bzw. Frühjahrsabitur des Schuljahrs 1981/82 eingereicht wurden.
Die beiden Verfasser betreten mit dieser Publikation Neuland. Da sie überwiegend aus archivalischen Quellen schöpfen, sind die meisten im folgenden vorgestellten Fakten und Vorgänge entweder völlig unbekannt oder jedenfalls noch nie im Zusammenhang dargestellt worden.
Unser Dank gilt der Stadt Bad Bramstedt und dem Förderverein der JFS, ohne deren finanzielle Hilfe eine Drucklegung nicht möglich gewesen wäre. Außerdem danken wir dem Bramstedter Stadtarchivar, Herrn Studienrat z. A. Wolfgang Platte, für seine Unterstützung bei den Archivstudien.

Professor Dr. H.F. Benthe Dr. U. March

H. J. J. Hay, Kellinghusen, 1982


INHALT

I. Das Kurhaus als Reservelazarett Seite 7
II. Luftschutzmaßnahmen und Luftangriffe Seite 13
III. Das kulturelle Leben Seite 25
IV. Anmerkungen Seite 31
V. Quellen- und Literaturverzeichnis Seite 32

I. Das Kurhaus als Reservelazarett

In einem Vertrag zwischen dem Kurhaus und der Wehrmacht war vor Kriegsausbruch festgelegt worden, daß im Falle eines bewaffneten Konflikts die gesamte Rheumaheilstätte der Heeresleitung als Reservelazarett zur Verfügung gestellt würde. Im Bedarfsfall sollten die Rheumapatienten innerhalb von nur drei Tagen den verwundeten Soldaten Platz machen. Verstärkt durch Ärzte der Wehrmacht, sollten die an der Rheumaheilstätte tätigen Ärzte dort leichter verwundete Soldaten behandeln.

Nach Ausbruch des Krieges wurde das Kurhaus anfangs nur teilweise mit Wehrmachtsangehörigen belegt. Die ersten 40 Soldaten trafen nach Beendigung des Polenfeldzuges in der Rheumaheilstätte ein; dabei handelte es sich größtenteils um ehemalige Rheumapatienten, die während des Feldzugs wieder rheumatische Beschwerden bekommen hatten. Ein Großteil dieser Soldaten stammte aus der Umgebung von Bad Bramstedt, so daß sie meistens über das Wochenende nach Hause entlassen werden konnten. Die Behandlung übernahmen die nicht eingezogenen, im Kurhaus weiterarbeitenden Rheumaärzte sowie ein seit Kriegsausbruch in der Rheumaheilstätte tätiger Militärarzt. Wie es bei allen Reservelazaretten üblich war, befand sich auch im Kurhaus seit dem 1. September 1939 eine Schreibstube der Wehrmacht, der erwähnte Militärarzt und eine Wehrmachtsapotheke mit einem Stabsapotheker an der Spitze.

Der große Umbruch kam dann im Winter 1941/42, dem ersten Winter des Rußlandsfeldzuges, als das gesamte Kurhaus innerhalb weniger Wochen von allen Rheumapatienten geräumt und mit verwundeten Wehrmachtsangehörigen belegt wurde. Die Kapazität des Kurhauses betrug zu dieser Zeit etwa 600 Patienten, die von ungefähr 20 Ärzten, zum überwiegenden Teil neu hinzugezogenen Sanitätsoffizieren, und von etwa 30 Krankenschwestern und -pflegern behandelt wurden. Außerdem befanden sich 15 von der Wehrmacht gestellte Handwerker in dem neuen Reservelazarett, die für die Instandhaltung der Gebäude und Zimmer sowie der technischen Einrichtungen sorgten. Da die Handwerker, die Ärzte der Wehrmacht sowie die Krankenschwestern und -pfleger von der Wehrmacht nach Bad Bramstedt beordert worden waren, kamen diese Personen aus dem gesamten Gebiet des Deutschen Reiches. Bis auf die Krankenschwestern, die sich größtenteils aus Freiwilligen, teilweise auch aus Arbeitsdienstverpflichteten zusammensetzten, taten alle bei der Wehrmacht ihren Dienst.

Der Transport der Verwundeten zum Kurhaus wurde in Lazarettzügen bewerkstelligt. Diese Züge hielten nicht weit von dem heutigen Bahnhof Kurhaus Bad Bramstedt auf einem Abstellgleis, das zu dem 1930 erbauten Hauptgebäude führte und noch bis vor kurzem bestand. Die meisten nur aus wenigen Waggons bestehenden Verwundetenzüge trafen in unregelmäßigen Abständen zur Nachtzeit in Bad Bramstedt ein. Da vor allem gegen Ende des Krieges und in der Nachkriegszeit nicht genügend Tragebahren und fahrbare Betten zur Verfügung standen, mußten die nicht gehfähigen Soldaten von jedem verfügbaren Mann vom Abstellgleis bis zur Rheumaheilstätte getragen werden.

Ungefähr mit Beginn des Jahres 1942 waren alle Betten mit Soldaten der Wehrmacht belegt; das blieb so bis Ende 1944. Von Anfang 1945 bis Kriegsende und in den ersten Nachkriegsjahren wurde die ehemalige Rheumaheilstätte nicht nur mit verwundeten Wehrmachtsangehörigen, sondern auch mit Flüchtlingen aus den deutschen Ostgebieten stark überbelegt. Besonders schwere Fälle gelangten erst damals in das Reservelazarett, wie man an den Sterbezahlen, die gegen Kriegsende sprunghaft anstiegen, ersehen kann. Wahrscheinlich nahm man vorher Schwerverwundete nicht ins Kurhaus auf, weil hier moderne Geräte und Instrumente fehlten. Man hatte beispielsweise in dem gesamten Reservelazarett nur einen einzigen, dazu noch ziemlich kleinen, Operationssaal. daß man trotz der fehlenden modernen Gerätschaften in den Monaten vor der Kapitulation Schwerverwundete in das Reservelazarett aufnahm, lag wohl daran, daß durch die immer weiter fortschreitende Besetzung von deutschem Reichsgebiet durch alliierte Truppen wichtige Reservelazarette verlorengingen, so daß man verstärkt auf die noch vorhandenen zurückgreifen mußte.

Die Versorgung des Lazaretts mit Lebensmitteln und Medikamenten war während des Krieges ausreichend bis gut. Kritisch wurde die Versorgungssituation erst nach Kriegsende in den Jahren 1945 bis 1947. In diesen Jahren diente das Kurhaus teilweise noch als Reservelazarett, in zunehmendem Maße jedoch als „Influx-Station“ für die Flüchtlinge. Darunter verstand man damals ein Krankenhaus, das sich auf die Bekämpfung von Infektionen und Seuchen unter den Flüchtlingen aus den deutschen Ostgebieten spezialisiert hatte.

Die teilweise sehr hohe Patientenzahl von bis zu 1200 Personen – das entspricht der doppelten Kapazität des Kurhauses im Jahre 1939 – stellte gerade zu dieser Zeit höchste Anforderungen an Ärzte, Krankenschwestern und Pfleger, deren Zahl sich kaum erhöht hatte. In dieser Zeit der Überbelegung brachte man die Flüchtlinge und Soldaten unter anderem auch auf den Fluren, im Speisesaal und in den Moorbäderwannen unter. Wegen der großen Zahl besonders kritischer Fälle war die Sterberate entsprechend hoch.

Während der Benutzung als Reservelazarett stand das Kurhaus Bad Bramstedter Bürgern grundsätzlich nicht zur Verfügung. Nur in äußersten Notfällen, etwa bei der schweren Verwundung von zwei Weddelbrooker Bürgern infolge eines Tieffliegerangriffes in Höhe der Mergelkuhlen (2 km südlich von Bad Bramstedt an der Bundesstraße 4), wurden in dem Reservelazarett Zivilisten notbehandelt und versorgt.

Die Behandlung und die Verpflegung im Reservelazarett war für alle Dienstgrade dieselbe; Offiziere wurden nicht besser behandelt als Unteroffiziere oder Mannschaftsangehörige. Nicht der militärische Rang, sondern der Schweregrad der Verwundung war für die Intensität der ärztlichen Betreuung entscheidend. Auch die Truppengattung spielte in dieser Hinsicht keine Rolle; Angehörige der Waffen-SS wurden weder bevorzugt noch benachteiligt.

Genaue Unterlagen über Anzahl, Dienstgrad und Alter der im Kurhaus verstorbenen Wehrmachtsangehörigen liegen für den Zeitraum vom 6. August 1944 bis zum 11. Januar 1946 vor; Quelle ist das Beerdigungsregister des Kirchspiels Bad Bramstedt. daß vor dem 6. August 1944 im Kirchenbuch keine Eintragungen von verstorbenen Wehrmachtsangehörigen vorkommen, könnte zwei Gründe haben: Entweder verstarb vor diesem Zeitpunkt tatsächlich niemand im Kurhaus, oder die – gewiß nicht sehr zahlreichen – Toten wurden zunächst noch in ihre Heimatgemeinden überführt und dort beerdigt. Nach dem 11. Januar 1946 gab es keinen Todesfall eines Wehrmachtsangehörigen infolge einer Kriegsverletzung mehr. In der Zwischenzeit verstarben im Bad Bramstedter Reservelazarett insgesamt 162 Soldaten. Sie wurden alle auf dem Friedhof im Ehrenfriedhofsbereich beerdigt, wo sie größtenteils noch heute liegen. Der Transport vom Kurhaus zum Friedhof erfolgte in Holzsärgen auf einem Pferdewagen. Da die Leichenhalle nicht ausreichte, errichtete man einen Schuppen auf dem Friedhof, der als zweite Leichenhalle diente.

Während des Jahres 1944 und auch noch im Januar 1945 hielt sich die Sterberate im Reservelazarett Bad Bramstedt in Grenzen; es starben nicht mehr als fünf Wehrmachtsangehörige monatlich, in manchen Monaten weniger. In dem halben Jahr von August 1944 bis Januar 1945 verloren im Durchschnitt je Monat vier Soldaten ihr Leben. Von Januar auf Februar 1945 dagegen verdoppelte sich die Anzahl der Toten im Reservelazarett von fünf auf zehn, so daß bereits an jedem dritten Tag ein Soldat im Kurhaus starb. Damals befanden sich die Alliierten schon auf dem Gebiet des Deutschen Reiches, so daß, wie bereits erwähnt, in stärkerem Umfang auf noch in deutscher Hand befindliche Reservelazarette zurückgegriffen werden mußte. Dies bedeutete, daß nun auch Schwerverwundete nach Bad Bramstedt transportiert wurden.

Von Februar auf März stiegen die Todesfälle nur unwesentlich, bevor sie sich im April 1945 von 12 auf 35 erhöhten. Neben den schon genannten Gründen machte sich hierbei noch ein regionales Ereignis bemerkbar, nämlich ein Tieffliegerangriff der Alliierten auf einen mit deutschen Soldaten besetzten offenen Lastkraftwagen in Höhe der Merkelkuhlen. Von den bei diesem Angriff verletzten Wehrmachtsangehörigen erlagen im Monat April 15 ihren Verwundungen.

Auf den ersten Blick mag einem das weitere Anwachsen der Sterberate von 35 Toten im April auf 42 im Mai erstaunlich erscheinen, denn in diesem Monat wurde nur noch an neun Tagen gekämpft. Zum einen aber befanden sich im Kurhaus schwerverletzte Soldaten, die über eine längere Zeitspanne in Lebensgefahr schwebten, zum anderen spielten auch in diesem Monat regionale Ereignisse eine Rolle. So starben am Kapitulationstag 17 Esten, die auf deutscher Seite, größtenteils bei der SS, mitgekämpft hatten, in der ehemaligen Rheumaheilstätte an einer Methylalkoholvergiftung. Viele Gründe sprechen dafür, daß es sich hierbei um Selbstmord handelte. Der zweite Grund für die hohe Sterberate im Mai 1945 ist, daß am 31. des Monats ein englisches Munitionsdepot am Schäferberg explodierte. Nach der Explosion verstarben 11 ehemalige deutsche Soldaten, die als Kriegsgefangene zur Bewachung des Depots eingesetzt waren, davon neun noch an demselben Tag, und sieben Engländer, die man ebenfalls in das Kurhaus eingeliefert hatte. 1)
Ab Mai 1945 ging die Sterberate der Wehrmachtsangehörigen im Kurhaus deutlich zurück. Im Juni fanden 13 ehemalige deutsche Soldaten dort ihren Tod, davon zwei infolge der Explosion des Munitionsdepots und noch neun an im Krieg erlittenen Verletzungen. Im darauffolgenden Juli sind nur noch vier Todesfälle erwähnt, und ungefähr auf diesem Niveau hielt sich die Sterberate bis Januar 1946. In diesem Monat, fast ein Dreivierteljahr nach der Kapitulation, fanden die letzten beiden Wehrmachtsangehörigen im ehemaligen Reservelazarett den Tod.

Insgesamt kann man sagen, daß die Sterberate zuerst langsam und dann steil vom August 1944 bis zu ihrem Höhepunkt im April bis Mai 1945 ansteigt und dann zuerst steil und danach langsam bis zum Januar 1946 wieder abfällt.

Von den 159 Toten, die zu den bewaffneten deutschen Streitkräften gehört hatten, waren 135, also 84,9 %, bei den Wehrmachtsteilen Heer und Luftwaffe eingesetzt, 11 (= 6,9 %) waren Angehörige der Waffen-SS, fünf (= 3,1 %) taten Dienst bei der Marine; drei waren Volkssturmangehörige, jeweils zwei gehörten der Polizei an bzw. hatten sich freiwillig als Hilfswillige gemeldet, und eine Person gehörte zu einem in der Schlußphase des Krieges zum Kampf aufgestellten Arbeitsdienstverband. Diese Statistik zeigt, daß die meisten im Kurhaus verstorbenen Soldaten zum Heer und zur Luftwaffe gehörten.

Was die Heimatorte der Toten angeht, so verteilen sie sich über das gesamte Reichsgebiet, wobei natürlich Gegenden mit großer Bevölkerungsdichte wie das Ruhrgebiet stärker vertreten sind als beispielsweise Schleswig-Holstein. Aber auch nicht deutschstämmige Soldaten und Deutsche aus Gebieten, die erst nach 1937 dem Reich angegliedert worden waren, sind unter den Toten. Zur ersten Gruppe gehören die bereits erwähnten 17 Esten, ferner ein Holländer, ein Rumäne, ein Kaukasier und ein Russe, 2) zur letzteren sieben Sudetendeutsche, drei Österreicher und zwei Elsaß-Lothringer.

Untersucht man die Altersstruktur der Toten, so fällt sofort auf, daß bei den 30- bis 40-jährigen Soldaten die meisten Sterbefälle auftraten. 31 Personen oder 19,4 % der im Kurhauslazarett zwischen dem 6. August 1944 und dem 11. Januar 1946 Verstorbenen waren an ihrem Todestag 30 bis 34 Jahre alt; 30 Männer, das sind 18,8 °/o, waren 35 bis 39 Jahre alt. Es ist anzunehmen, daß diesen Altersgruppen auch der Großteil der Patienten in der ehemaligen Rheumaheilstätte angehörte. Dahinter folgten die 40- bis 44-jährigen mit 25 Todesfällen (= 15,6 %), und erst danach kamen die 20- bis 24-jährigen mit 23 Verstorbenen, also 14,4 %. Von dieser letzteren Altersgruppe sowie von der Gruppe der 25- bis 29-jährigen hätte man eigentlich erwartet, daß sie die Hauptlast der deutschen Verluste zu tragen gehabt hätten, aber dies ist zumindest im Kurhauslazarett nicht der Fall gewesen. Denn unter den 25- bis 29-jährigen waren ebenso wie bei den 45- bis 49-jährigen nur 15 Tote (= 9,4 %). Es folgten die unter 20 Jahre alten Soldaten mit 11 Sterbefällen (= 6,9 %), darunter vier 17-jährige. Bei den über 50 Jahre alten Personen waren nur einzelne Todesfälle zu beklagen; der älteste Verstorbene, ein Volkssturmmann, war 66 Jahre alt. Das durchschnittliche Sterbealter betrug 32,6 Jahre.

Von 150 der im Kurlazarett verstorbenen Soldaten sind die Dienstgrade bekannt, die sie in der Wehrmacht bzw. der SS innehatten. 143 davon waren Mannschafts- oder Unteroffiziersdienstgrade. Sieben waren Offiziere, darunter vier Hauptleute. Dies bedeutet, daß im Reservelazarett Bad Bramstedt auf 20 verstorbene Mannschaftsangehörige und Unteroffiziere durchschnittlich ein Offizier kam. 3) Geht man von den Friedensstärken aus, so war das quantitative Verhältnis von Mannschafts- und Unteroffizierssoldaten zu Offizieren in der deutschen Wehrmacht 30 :1. Somit verstarben in der ehemaligen Rheumaheilstätte überproportional viele Offiziere.

Alle Reservelazarettoten wurden auf dem evangelischen Friedhof Bad Bramstedt beerdigt. In 107 Fällen war die Trauerfeier evangelisch, in 27 Fällen katholisch, und in acht Fällen fand eine Trauerfeier ohne kirchliche Mitwirkung statt. Am Tag der Kapitulation, dem 9. Mai 1945, häuften sich auch durch den mutmaßlichen gemeinsamen Selbstmord der 17 Esten 4) die Todesfälle so stark, daß alle 20 an diesem Tag Verstorbenen nur mit einem Gebet am Grabe beerdigt wurden, da man offensichtlich für Trauerfeiern nicht genügend Zeit hatte.

II. Luftschutzmaßnahmen und Luftangriffe

Im Zuge der nationalsozialistischen Kriegsvorbereitungen wurden in Bad Bramstedt wie im übrigen Reichsgebiet bereits kurz nach der Machtergreifung Hitlers die ersten Luftschutzmaßnahmen getroffen. So wurde im Sommer 1933 eine Ortsgruppe des nationalsozialistisch geprägten Reichsluftschutzbundes (RLB) in der Kur- und Rolandstadt gebildet, die schon nach wenigen Wochen ihres Bestehens rund 200 Mitglieder aufwies. Die Begründung für den Aufbau des Reichsluftschutzbundes war, daß alle an Deutschland angrenzenden Staaten moderne Flugzeuge besaßen und angeblich auch gewillt waren, diese gegen das Deutsche Reich einzusetzen. Systematisch wurde nun ein immer größerer Teil der Bevölkerung mit dem Luftschutz vertraut gemacht. Der RLB gründete u. a. in Itzehoe und Flensburg Reichsluftschutzschulen, an denen während des Winters 1933/34 zwei Gemeinde- und zwei Polizeibeamte aus Bad Bramstedt einen viertägigen Lehrgang absolvieren mußten. In Bad Bramstedt selbst machte man die breite Bevölkerung im Frühjahr 1934 durch Plakate an den Anschlagsäulen, verschiedene Vorträge des RLB, durch Zeitungsartikel, die zuvor von der Ortspolizeibehörde zensiert worden waren, und schließlich durch Verdunkelungsübungen mit Fragen des Luftschutzes vertraut. Die erste große Übung fand am 15. März 1934 in der Zeit von 8.00 bis 8.30 Uhr statt. Jeder Bürger mußte sein Haus so verdunkeln, daß kein Lichtschein nach draußen dringen konnte, was durch Polizei, Amtsträger des RLB, SA, SS und Arbeitsdienst kontrolliert wurde. Bei Nichtbeachtung der Verdunkelungsvorschriften mahnte man den jeweiligen Bürger; bei wiederholtem Zuwiderhandeln wurde er bestraft. Während des Jahres 1934 wurden noch zwei weitere Verdunkelungsübungen durchgeführt, deren zeitliche Dauer bis auf drei Stunden erhöht und deren Durchführung „scharf kontrolliert“ wurde.5) In den darauffolgenden Jahren wurde durchschnittlich eine Verdunkelungsübung je Jahr veranstaltet.

Als weitere Luftschutzmaßnahme mußte die Stadt Bad Bramstedt im Herbst 1934 einen Wasserversorgungsplan für Löschmaßnahmen nach Luftangriffen aufstellen. Dieser fiel aufgrund der Lage der Stadt an den Auen recht zufriedenstellend aus; die noch fehlenden zwei Wasserstellen wurden durch den Bau von Feuerlöschbrunnen (so z. B. am Landweg 48 / 50) eingerichtet. Im Frühjahr 1935 führten die Feuerwehr, eine Sanitätskolonne und die Ortsgruppe Bad Bramstedt des Reichsluftschutzbundes eine Luftschutzübung am Alten Kurhaus durch, wo kurz zuvor ein Lehrgelände des RLB entstanden war. Zu diesem Zweck brannte man dort einen Schuppen ab, der gelöscht werden mußte und in dem sich „verletzte“ Personen befanden. Über diese Luftschutzübung berichteten die Bramstedter Nachrichten mehrfach, wobei eine dieser Reportagen auch einen Aufruf, dem örtlichen Luftschutzbund beizutreten, enthielt. 6)

Ab 1935 begann dann der systematische Aufbau des RLB der Kur- und Rolandstadt. An der Spitze der RLB-Ortsgruppe stand der Ortsgruppenleiter, ihm folgten sechs Luftschutzuntergruppenführer, die im Butendoor, auf dem Kirchenbleeck, auf dem Bleeck, in der Altonaer und in der Kieler bzw. in der Rosenstraße wohnten und in dem jeweiligen Stadtbezirk für den Luftschutz verantwortlich waren. Ihnen nachgeordnet waren 36 Blockwarte und ebensoviele Stellvertreter, die für durchschnittlich vier Häuser zuständig waren; es folgten die Hausluftschutzwarte, denen die Hausfeuerwehr für die einzelnen Gebäude unterstand. Alle diese Positionen wurden durch den Ortsgruppenleiter besetzt, der die entsprechenden Personen auswählte. Rechtsgrundlage dafür war u. a. die erste Durchführungsverordnung zum Luftschutzgesetz vom 4. Mai 1937, nach dem der Ortsgruppenleiter jedermann ohne vorherige Befragung mit einer Amtsträgerschaft im RLB betrauen konnte. Bei Weigerung war es möglich, gegen die betreffende Person eine Geldstrafe zu verhängen. Als Amtsträger war man dazu verpflichtet, für die ordnungsgemäße Verdunkelung und das Aufsuchen der Luftschutzräume bei Luftalarm zu sorgen und an den Ausbildungsabenden des RLB teilzunehmen.

1937 fanden in Bad Bramstedt Schulungen für die Hitlerjugend (HJ), den Bund deutscher Mädchen (BdM), die Amtsträger des RLB, die Polizei, die Landjägerei, das Bürgermeisteramt und die Lehrer- und Frauenschaft statt. Im Herbst 1938 schulte der RLB jeweils zwei Tage lang an drei verschiedenen Stellen Bad Bramstedts jeweils etwa 16 Hausgemeinschaften bzw. Familien im Luftschutz, um auch den einzelnen Bürger mit der Materie vertraut zu machen. Auf diese Weise wurden nach und nach alle Einwohner Bad Bramstedts vom RLB ausgebildet.

Wie man sieht, war die Bevölkerung auf den am 1. September 1939 ausbrechenden Krieg in Bezug auf den Luftschutz gut vorbereitet. Jeder wußte darüber Bescheid, wie man verdunkelte, wo sich der nächste Luftschutzraum befand, was die verschiedenen Sirenentöne (Fliegeralarm, Entwarnung usw.) bedeuteten und wie man sich grundsätzlich bei Luftangriffen zu verhalten hatte.

Während des Krieges mußte dann täglich zur Nachtzeit verdunkelt werden. Außerdem wurde in Bad Bramstedt bei Kriegsbeginn eine örtliche Luftschutzwache aufgestellt. Sie sollte alliierte Luftbewegungen beobachten und diese der Wehrmacht melden. Im November 1940 wurde eine zweite Luftschutzwache speziell für das Reservelazarett im Kurhaus aufgestellt. An dieser Wache waren 40 Personen beteiligt, die dann von der örtlichen Luftschutzwache befreit waren. Jeweils zwei Männer übernahmen die Wache für einen Tag, für den darauffolgenden Tag waren die beiden nächsten Männer verantwortlich usw., so daß die erste Wache nach 20 Tagen wiederum Dienst hatte. Für Krankheitsfälle standen Ersatzleute zur Verfügung, die man in diesem Fall benachrichtigen mußte.

Während des Krieges wurden auch Jugendliche im Alter von 14 bis 18 Jahren zur Luftschutzdienstpflicht (Luftschutzwache, Hausfeuerwehr etc.) herangezogen; ab Frühjahr 1944 waren sogar Kinder vom 10. Lebensjahr an luftschutzdienstpflichtig.

Da die Aufgaben jedes einzelnen bei Luftangriffen schon in der Vorkriegszeit geregelt worden waren, wurden während des Krieges der Bevölkerung durch den RLB, die Stadt Bad Bramstedt und die Bramstedter Nachrichten vorwiegend die Wirkungsweise der verschiedenen Bombentypen und das Verhalten beim Auffinden von alliierten Flugblättern oder abgestürzten alliierten Flugzeugen erklärt. Grundsätzlich unterschied man zwischen Brand- und Sprengbomben. Brandbomben erzeugten beim Erdaufprall eine große Stichflamme, Sprengbomben explodierten sofort bei Erdberührung. Die Wirkung der Sprengbomben konnte man nicht verhindern, während ein durch Brandbomben entstandener Brand mit Sand oder Wasser bekämpft werden sollte. Jede abgeworfene Bombe mußte bei der Ortspolizeibehörde gemeldet werden; dies galt im besonderen für nicht explodierte Bomben, sogenannte Blindgänger, die man dann entschärfen mußte. Bei Auffinden von Blindgängern in Wohngebieten mußte ein bestimmter Teil dieses Gebietes je nach Bombengröße von der Bevölkerung geräumt werden, bis die Bombe durch einen Feuerwerker entschärft oder abtransportiert worden war. In Bad Bramstedt brachte man die Blindgänger meistens äußerst vorsichtig auf den Sportplatz, wo man sie entschärfen konnte, ohne im Falle einer Explosion allzu große Gebäudeschäden befürchten zu müssen. Bei Beschädigungen oder Zerstörungen von Häusern oder Wohnungen konnte die Ortspolizeibehörde einen Bergungstrupp der Wehrmacht anfordern. Dabei handelte es sich um einen dreißig Mann starken Pionierzug aus Lübeck.

Ende Juni 1943, nach den schweren Bombenangriffen auf Hamburg, erstellte man in Bad Bramstedt sogar eine Art Katastrophenplan für den Fall eines größeren Luftangriffes auf die Stadt. Darin hieß es, daß die Ortsgruppe des Deutschen Roten Kreuzes eine größere Menge Verbandsmaterial (Bild) an einem sicheren Ort aufbewahren sollte, von wo man es im Notfall schnell zu jedem Punkt der Stadt transportieren konnte. Als Obdachlosensammelstelle mit Erster-Hilfe-Behandlung war die Turnhalle der Volksschule vorgesehen. Dorthin sollten auch die Möbel der Obdachlosen gebracht werden, um Plünderungen vorzubeugen. Sehr alte und körperlich behinderte Bürger Bad Bramstedts sollten im Altersheim untergebracht werden; diejenigen Personen, die infolge von Bombenabwürfen schwer verletzt wurden, sollten sofort in die Zivilkrankenhäuser Kaltenkirchen oder Neumünster eingeliefert werden. Nur in äußersten Notfällen waren Schwerverletzte in das Reservelazarett im Kurhaus zu bringen.JFS_Schriften_6_17_720

Als gegen Ende des Krieges, etwa ab Mitte 1944, die Alliierten den deutschen Luftraum nahezu vollständig beherrschten, so daß während der Tageszeit alles, was sich bewegte, von Tieffliegern angegriffen werden konnte, wurden in mehreren Städten Schleswig-Holsteins Flugabwehr-MG’s aufgestellt. Auch Bad Bramstedt sollte, wie aus einem geheimen Schreiben des Flakkommandos Neumünster vom 28. Juli 1944 hervorging, ein Zwillingsmaschinengewehr erhalten. Die Stellung sollte so gewählt werden, daß eine gute Nachrichtenverbindung gewährleistet war; die Bedienung sollte nur tagsüber entweder durch Ortspolizisten, Stadt- oder Landwacht erfolgen, wobei nur auf einwandfrei erkennbare Feindflugzeuge geschossen werden sollte.

Da Bad Bramstedt in einem Tal liegt, sah der Bürgermeister nur den Liethberg oder den Turm der Jürgen-Fuhlendorf-Schule, der heutigen Grundschule am Bahnhof, als geeigneten Standort an. Die Bedienung hingegen machte Schwierigkeiten, da nur vier Stadtwachtmänner am MG ausgebildet waren. Außerdem wohnte keiner dieser Stadtwachtmänner in der Nähe der vorgesehenen Stellungen. Die Alarmierung der jeweiligen Mannschaft sollte durch die Sirenentöne „Öffentliche Luftwarnung“ oder „Fliegeralarm“ erfolgen. Zwei Minuten nach diesen Sirenentönen konnte man im Radio auf der Frequenz von 173 Kilohertz einen Luftlagebericht empfangen, der durch die Flakdivision in Neumünster gesendet wurde. Die MG -Bedienungsmannschaft konnte die Frequenz des Senders jeden Abend von 19.00 bis 19.10 Uhr abstimmen.

Aus einem Schreiben des Bürgermeisters vom 2. August 1944 geht hervor, daß Bad Bramstedt bis zu diesem Zeitpunkt noch keine Maschinengewehre erhalten hatte. Ob diese später noch geliefert wurden, ist nicht mehr festzustellen. Es könnte aber gut möglich gewesen sein, da sich u. a. auch in Wiemersdorf, das bei weitem nicht die Bedeutung Bad Bramstedts hatte, gegen Kriegsende eine Flugabwehreinheit befand.

Seit 1942 wurde verstärkt in der Kur- und Rolandstadt darauf hingewiesen, daß Plünderungen mit dem Tode bestraft würden. Nach Bombenangriffen verließ man häufig die Wohnungen, ohne die Möbel mitzunehmen, oder man stellte diese nur auf die Straße. Für Diebe war es somit ein leichtes, sich dieser Sachen zu bemächtigen. In Bad Bramstedt wurden am 3. Dezember 1942 zehn Plakate mit der Aufschrift „Plünderer werden sofort erschossen“ aufgestellt, die von diesem Zeitpunkt an wohl bis zum Kriegsende in der Kur- und Rolandstadt standen.

Als dieses Kriegsende bereits abzusehen war, gab der Reichsführer der SS, Himmler, im September 1944 einen Befehl an jeden Polizisten und Wehrmachtsangehörigen, also auch an die Ortspolizeibehörde Bad Bramstedts, heraus, daß diese mit jeder Waffe, z. B. auch einer einfachen Dienstpistole, auf jeden allierten Jagdbomber oder Tiefflieger schießen sollten. Es dürfte aber wohl im gesamten Reichsgebiet kaum zu Abschüssen mit diesen Waffen gekommen sein; vielmehr erscheint der Befehl als verzweifelter Versuch, der fast totalen alliierten Luftüberlegenheit entgegenzutreten.

Ab Mai 1944 forderte man die Bevölkerung verstärkt dazu auf, sich bei Flak-Beschuß gegen alliierte Flugzeuge in das Hausinnere zurückzuziehen, da die Flugabwehrkanonen aufgrund der vielen Tiefflieger recht niedrig schossen und somit ungeschützte Personen gefährdeten. Vom 30. Dezember 1944 an wurde in der Bramstedter Umgebung anscheinend mit Luftlandungen gerechnet, da ein Befehl an die hiesige Ortspolizeibehörde erging, das Landen von Fallschirmspringern oder Lastenseglern sofort telefonisch dem Flugplatzkommando Kaltenkirchen zu melden. Noch bedrohlicher schien die Lage im Februar 1945 zu werden, als ein spezielles Sirenensignal „Luftlandealarm“ eingeführt wurde, das wenige Tage später auch als Panzerwarnung galt. Bis zum Kapitulationstag tauchten hingegen weder alliierte Fallschirmjäger noch Panzer in der näheren Umgebung Bad Bramstedts auf.

Da jeder Bombenabwurf von der Ortspolizeibehörde registriert und protokolliert wurde, liegen äußerst präzise Angaben über die alliierten Bombenabwürfe auf Bad Bramstedt vor. Die ersten Bomben gingen am 16. November 1940 gegen 6.45 Uhr in der Nähe der drei Kilometer östlich von der Stadt gelegenen Bauernsiedlung Klashorn nieder. Es handelte sich hierbei um zwei englische Sprengbomben, die beide dicht neben der Reichsstraße 206 (heute B 206) in eine Tannenschonung fielen. Dabei wurden keine Menschen getötet oder verletzt, und es gab auch keinerlei Schäden. An diesem Bombenabwurf war nur ein Flugzeug beteiligt, das sein eigentliches Ziel möglicherweise nicht mehr erreichen konnte und daher vielleicht mit einem Notabwurf die Reichsstraße 206 treffen wollte. In dem genauen Polizeiprotokoll wurde u. a. eine präzise Skizze über die Lage der Bombentreffer und die Trichtergröße angefertigt, die anschließend dem Landrat in Bad Segeberg zugesandt wurde. Außer diesem Angriff fand im Jahre 1940 noch ein Luftangriff statt, bei dem ein weidendes Jungrind getötet wurde.

Auch 1941 gab es fast gar keine Luftangriffe auf Bad Bramstedt. Nur am 20. Oktober fiel um 23.05 Uhr eine englische Brandbombe auf ein an der Kieler Straße gelegenes Wohnhaus. Die schon brennende Bombe konnte von einem in der Nähe wohnenden Bezirksschornsteinfegermeister durch Überschütten mit Sand gelöscht werden. Ansonsten fand man am 22. Dezember in der Nähe der Siedlung Bissenmoor eine englische Fliegerkombination. Wahrscheinlich gehörte diese Uniform einem englischen Piloten, dessen Maschine abstürzte oder notlanden mußte, wobei der Engländer ziemlich unversehrt sein Flugzeug verlassen konnte und nun seine Uniform auszog, um nicht sofort gefangengenommen zu werden.

Das Jahr 1942 brachte die größten Gebäudeschäden und die meisten Ziviltoten, was jedoch auf einem Zufall beruhte und nicht die Folge eines planmäßigen Angriffs auf Bad Bramstedt war. Denn das ganze Ausmaß der Schäden war auf eine einzige Bombe zurückzuführen, die in der Nacht vom 26. zum 27. Juli als Volltreffer einschlug. Sie fiel, anscheinend wiederum als Notabwurf, gegen 1.15 Uhr. Das abwerfende Flugzeug gehörte zu einem größeren Verband von etwa 100 Bombern, der von 23.00 Uhr abends bis 1.00 Uhr morgens die Stadt, aus westlicher Richtung kommend, überflog und Hamburg zum Angriffsziel hatte. 7) Das wahrscheinlich beschädigte Flugzeug warf alle seine neun Sprengbomben über Bad Bramstedt ab, wobei sechs in der Auweide hinter dem Tannenhof explodierten und nur Flurschaden verursachten, jeweils eine als Blindgänger in die Rosenstraße und in den Butendoor fielen und eine voll das Haus Bleeck Nr. 25 traf. Dabei wurden dieses Gebäude und die beiden Nachbarhäuser vollständig zerstört. Weitere vier Gebäude im Bereich Bleeck -Mühlenstraße wurden schwer, etwa 20 erheblich beschädigt; rund 50 Häuser trugen leichte Schäden davon. Nach welchen Gesichtspunkten die Ortspolizeibehörde die Beschädigungsgrade (leicht, erheblich und schwer) bestimmte, ist nicht mehr festzustellen, jedoch ist anzunehmen, daß schwer bzw. erheblich beschädigte Häuser kaum mehr bewohnbar gewesen sein werden.

Da – aus welchen Gründen auch immer – kein Fliegeralarm ausgelöst worden war, befanden sich die Bramstedter in ihren Wohnungen. Acht Menschen wurden sofort getötet, und 21 weitere Personen (1 Zivilpole , ansonsten Bramstedter) wurden leicht bis sehr schwer verletzt. Von diesen 21 Verletzten verstarb ein Kind bereits auf dem Transport von Bad Bramstedt zum Krankenhaus Neumünster, und eine Frau fand wenige Tage später den Tod, so daß der Bombenabwurf insgesamt zehn Tote und 19 Verletzte forderte. Bei den zehn Toten handelte es sich um sieben Frauen und drei Kinder. daß keine männlichen Personen getötet wurden, lag wohl daran, daß diese sich zum großen Teil als Soldaten der Wehrmacht im Krieg befanden. Aber auch Zufälligkeiten waren anscheinend von Bedeutung, denn unter den 19 Verletzten befanden sich nicht weniger als 11 Männer.

Sofort nach dem Bombenangriff gab die Ortspolizei Meldung an den Landrat, wobei die Todesursachen genauer differenziert wurden. Jeweils vier Personen wurden durch Bombensplitter getötet bzw. verletzt. Fünf Leute starben durch herabstürzende Mauertrümmer, die außerdem 16 Menschen verletzten.8) An den Aufräumarbeiten waren außer 75 Bad Bramstedter Bürgern die Feuerwehr, die Marine- und Kraftfahrerausbildungsabteilung aus Heidkaten und die in der näheren Umgebung untergebrachten Kriegsgefangenen beteiligt. Zur Behebung der Bombenschäden wurden unter anderem in Hitzhusen lagernde Dachziegel, die einem dortigen Bauern gehörten, beschlagnahmt. Eine entsprechende Verfügung erging bereits am 28. Juli; sie bestand aus einem Satz und war vom Bürgermeister der Stadt Bad Bramstedt unterzeichnet.

Da etliche Gebäude bis zur Unbewohnbarkeit zerstört worden waren, mußten 35 Familien, zusammen 100 Personen, vorübergehend in anderen Wohnungen leben. Bis auf eine Familie, die nach Wiemersdorf zog, fanden alle übrigen Personen in Bad Bramstedt Unterkunft. Auch die Möbel konnten größtenteils in den Wohnungen aufgestellt werden. Nur in einigen Fällen, wo dies nicht möglich war, brachte man die Möbel in die Turnhalle.

Die in die Rosenstraße und in den Butendoor gefallenen Blindgänger wurden im August durch den Sicherheits- und Hilfsdienst Lübeck freigelegt und auf dem Sportplatz entschärft. Zuvor waren die in nächster Umgebung gelegenen Wohngebiete für sieben Tage geräumt worden.

Im Laufe des Jahres 1942 fielen sonst nur noch 21 Brandbomben auf eine Weide bei Klashorn, und zwar am 19 . April gegen 3.00 Uhr morgens, wobei von den 21 Bomben lediglich sechs zündeten. Da keine Bauernhöfe in der näheren Umgebung lagen und der Weideauftrieb noch nicht erfolgt war, gab es keine Toten oder Verletzten und auch keine Schäden an Gebäuden oder Vieh.

Im Jahre 1943 fanden keine Luftangriffe auf Bad Bramstedt statt. Am 19. Mai wurde lediglich eine alliierte Brandfackel, die bei Notlandungen auf dem Wasser Anwendung fand, in Bad Bramstedt gefunden. Entweder handelte es sich dabei um einen Notabwurf oder sie hatte sich von alleine gelöst.

1944 wurde Bad Bramstedt wieder stärker vom Luftkrieg betroffen, wobei man aber nicht von systematischen Angriffen sprechen kann. Am 8. Januar wurden sechs amerikanische Stabbrandbomben abgeworfen, wiederum auf eine Wiese in der Nähe Klashorns, die aber allesamt nicht zündeten. Am 24. Mai gegen 10.20 Uhr detonierten zehn 100-kg-Sprengbomben in der Nähe der Segeberger Straße am Ostausgang der Stadt. Bei diesem Abwurf gab es keine Toten oder Verletzten; nur 168 Fensterscheiben und an die zehn Fensterrahmen wurden zerstört. Im Oktober fanden Angehörige des Reservelazarettes in der Nähe der Straße „Am Wittrehm“ einen abgeworfenen alliierten Flugzeugbenzintank. Er dürfte aus ähnlichen Gründen wie die Brandfackel im Jahr zuvor abgeworfen worden sein. Dieser Benzintank wurde einige Zeit später von der Fliegerhorstkommandantur Kaltenkirchen abgeholt.

In den letzten Kriegsmonaten, also von Januar bis Mai 1945, machte sich die alliierte Luftüberlegenheit in ganz Deutschland sehr stark bemerkbar. Neben der zahlenmäßigen Überlegenheit der Alliierten wirkte sich der Umstand aus, daß die amerikanischen und englischen Flugzeuge in näher zum Deutschen Reich gelegenen Basen, etwa in Holland, Belgien oder Frankreich, starten und dadurch länger im deutschen Luftraum operieren konnten. Verstärkt setzten die Alliierten Tiefflieger ein, die mit ihren Maschinengewehren auf alles schossen, was sich bei Tageslicht am Boden bewegte. Auch Bad Bramstedt hatte bis zur Kapitulation unter diesen Angriffen zu leiden.

Am 17. Januar überquerte ein alliierter Bomberverband von Osten nach Westen die Stadt, wobei sechs Sprengbomben über Bad Bramstedt abgeworfen wurden. Die beiden ersten fielen in der Nähe des Waldbades, zwei weitere neben dem Alten Kurhaus, die nächste nahe dem toten Arm der Osterau unweit der Mühle und die letzte im Nordwesten der Stadt. Trotz der Nähe von Gebäuden wurden nur wenige Fensterscheiben zerstört; auch gab es keine Toten oder Verletzten. Wiederum fertigte die Ortspolizeibehörde ein genaues Protokoll einschließlich Skizze an.

Der erste Tieffliegerangriff auf Bad Bramstedt fand am 22. Februar 1945 statt. Gegen 13.00 Uhr warfen zwei niedrigfliegende alliierte Flugzeuge jeweils zwei Sprengbomben ab, die in der Nähe der Mühle und des Bahnhofsgebäudes aufschlugen. Dabei wurde eine im Haus An der Mühle Nr. 1 wohnende Frau getötet, die gerade auf der Veranda Geschirr spülte und sich nur sechs Meter von dem Aufschlagpunkt einer Bombe entfernt befand. Ihre vierjährige Tochter, die auf der Straße spielte, erlitt nur leichte Verletzungen im Gesicht . Auch die beim Bahnhofsgebäude gefallenen Bomben verletzten eine Person, und zwar den Bahnhofsgastwirt, leicht am Kopf. Außerdem entstanden in der Nähe des Bahnhofes teilweise erhebliche Sachschäden im Lager einer Firma. Schließlich zerstörten diese vier Sprengbomben zahlreiche Fensterscheiben im Umkreis von 80 Meter.

Bereits vier Tage später, am 26. Februar, ereignete sich der zweite Tieffliegerangriff. Dabei wurden auf der Reichsstraße 206 zwischen den Kilometersteinen 3,9 und 4,4 (Ostausgang der Stadt nahe Klashorn) gegen 14 .20 Uhr ein Omnibus der Firma Prahl und ein LKW der Wehrmacht von zwei Tieffliegern beschossen. In dem aus Bad Segeberg kommenden Omnibus konnten alle Fahrgäste rechtzeitig von dem Fahrer alarmiert werden, so daß sie bis auf einen schwerbeschädigten Soldaten des Reservelazarettes, der von einem Besuch in Struvenhütten ins Kurhaus zurückkehren wollte, im Straßengraben Deckung suchen konnten. Der schwerbeschädigte Soldat wurde durch einen Rückenschuß verletzt, und eine Frau erhielt einen Unterschenkeldurchschuß. Auch der Beifahrer des Wehrmachtsfahrzeugs wurde durch einen Splitter am Rücken verletzt. Ein Fahrzeug des Deutschen Roten Kreuzes aus Bad Bramstedt brachte alle drei Verletzten in das Reservelazarett im Kurhaus. Die beiden Fahrzeuge mußten abgeschleppt werden.

Am 15. April beschossen tieffliegende alliierte Flugzeuge mehrere offene Lastkraftwagen der Wehrmacht in Höhe der Mergelkuhlen. Auf den mit Soldaten besetzten Fahrzeugen befanden sich auch eine 26-jährige Frau und ein 12-jähriger Schüler aus Weddelbrook, die man mitgenommen hatte. Bei diesem Angriff verloren 15 Soldaten, alle im Rang eines Obergefreiten, sowie die beiden Zivilisten ihr Leben.

Der erste und einzige bekannte Abschuß eines Tieffliegers bei Bad Bramstedt fand am 24. April gegen 14.00 Uhr statt. Dabei traf eine in Wiemersdorf stationierte Flak-Einheit ein britisches Jagdflugzeug so schwer, daß es in der Nähe des Schäferberges abstürzte. Der Pilot, ein Neuseeländer, sprang kurz vorher mit dem Fallschirm ab und wurde schon wenige Minuten später von deutschen Soldaten, die aus Hitzhusen kamen, gefangengenommen und am darauffolgenden Tag nach Neumünster gebracht. Die Flugzeugtrümmer holten Angehörige des Fliegerhorstes Kaltenkirchen später ab.

Am 26. April um 10.15 Uhr fand der letzte Tieffliegerangriff im Raum Bad Bramstedt statt, der genauestens von der Ortspolizei protokolliert wurde.
Dabei griffen acht britische Flugzeuge einen aus Richtung Kiel kommenden Möbelwagen an, der sich auf der Reichsstraße 4 (heute B 4) bei Kilometerstein 31,2 zwischen Bad Bramstedt und Lentföhrden befand. Der Fahrer und der Beifahrer des Möbelwagens sowie zwei Mitfahrende konnten rechtzeitig das Fahrzeug verlassen, das durch den Beschuß in Flammen aufging. Bis auf den Beifahrer suchten alle Personen im Straßengraben Deckung; der Beifahrer rannte auf einen nahegelegenen Wald zu, wobei er tödlich getroffen wurde. Der im Graben liegende Fahrer erhielt einen Fuß- und Oberschenkeldurchschuß, während die beiden Mitfahrenden unverletzt blieben.

Zusammenfassend kann man sagen, daß auch eine Kleinstadt wie Bad Bramstedt während des zweiten Weltkrieges in nicht ganz unerheblichem Maße alliierte Luftangriffe zu spüren bekam. Insgesamt verloren 29 Personen, 15 Soldaten und 14 Zivilisten, ihr Leben; eine ungefähr gleich große Anzahl von Personen wurde mehr oder minder schwer verletzt, und es entstand erheblicher Sachschaden, vorwiegend an Gebäuden und Fahrzeugen. Als folgenschwerster Angriff muß der vom 27. Juli 1942 gewertet werden, da dieser die meisten Ziviltoten forderte und den größten Sachschaden an Bramstedter Häusern verursachte.

III. Das kulturelle Leben

Mit dem Kriegsausbruch am 1. September 1939 und der Einberufung immer größerer Teile der männlichen Bevölkerung der Stadt mußte das seit jeher sehr rege lokale Vereinsleben zwangsläufig stark eingeschränkt werden und schließlich fast ganz zum Erliegen kommen. So ruhte zum Beispiel während des Krieges die Vereinstätigkeit der Fleckensgilde von 1688 weitgehend; gleiches galt für die Vogelschützengilde von 1695, deren Vorstand sich aber jährlich am Tage des Vogelschießens, also am zweiten Dienstag nach Pfingsten, zu einer Besprechung traf. Die traditionellen Feste und Feiern, etwa das Gildefest und der Tanz um den Roland, unterblieben während der Dauer des Krieges. Die Männergesangvereine „Liedertafel“ und „Eintracht“ konnten ebenfalls keine Aktivität entfalten, weil ja die meisten ihrer Mitglieder eingezogen waren.

Einer der wenigen weiterhin aktiven Vereine war die Bramstedter Turnerschaft. Ihre Veranstaltungen konnten im großen und ganzen regelmäßig durchgeführt werden, wenngleich dem Verein in den NS -Jugendorganisationen „Hitlerjugend“ (HJ) und „Bund deutscher Mädchen“ (BdM) eine gewisse Konkurrenz erwachsen war. Im übrigen hatten diese beiden Verbände vorwiegend politischen Charakter; ihre Aktivität auf kulturellem Gebiet hielt sich von vornherein in Grenzen und nahm gegen Kriegsende immer mehr ab. Wurden zu Anfang des Krieges gelegentlich noch Gesangs- oder Volkstanzabende für Eltern und Gäste veranstaltet und vereinzelt kleinere Stücke für die Patienten der Rheumaheilstätte bzw. des Reservelazaretts aufgeführt, so unterblieben derartige Veranstaltungen mit weiterer Dauer des Krieges weitgehend. Musikabende oder Aufführungen kleinerer Stücke fanden zumeist nur noch in privaten Rahmen statt.

Nach einer Weisung des Vorsitzenden des „Deutschen Gemeindetages“ und Leiters des „Hauptamtes für Kommunalpolitik“ der NSDAP vom Mai 1941 sollten auch mittlere und kleinere Städte nicht auf die „Kunst des Theaters und der Musik“ verzichten müssen. 9) Deshalb organisierte die Stadt in Zusammenarbeit mit der Kreisgruppe der NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“ (KdF) Gastspiele größerer Bühnen in Bad Bramstedt.

Offensichtlich war die Stadtverwaltung von sich aus sehr daran interessiert, der Bevölkerung ein gewisses kulturelles Angebot zu bieten, denn schon vorher hatten in Bad Bramstedt des öfteren Aufführungen stattgefunden, die zusammen mit dem „KdF“-Verband organisiert worden waren. Bei diesen Aufführungen, die allesamt im damals rund 300 – 350 Personen fassenden „Kaisersaal“, dem größten Saal im Orte, veranstaltet wurden, handelte es sich überwiegend um niederdeutsche Komödien. Der erste Theaterabend der Gemeinschaft „KdF“ war am 2. Dezember 1939; 10) die „Niederdeutsche Bühne“ aus Neumünster führte das Lustspiel „De Döschmaschin“ auf. Ähnliche Stücke wurden vom gleichen Ensemble auch in den folgenden Jahren dargeboten. Den Akten des Stadtarchivs ist zu entnehmen, daß die Vorstellungen bis zum Jahr 1943 ungefähr zweimal jährlich stattfanden, meist im Frühjahr oder im Herbst. 11) Nach 1943 ist nur noch eine weitere Lustspielvorführung der „Niederdeutschen Bühne“ (12. April 1944) erwähnt. 12)

Infolge der Bombardierungen Hamburgs, besonders im Juli und August 1943, wurden große Teile der dortigen Bevölkerung obdachlos; sie wurden u. a. auch nach Bad Bramstedt evakuiert. Zur Unterhaltung der Ausgebombten fanden im „Kaisersaal“ mehrere Gastspiele Hamburger Künstler statt, so zum Beispiel am 25. August 1943 ein bunter Abend mit zehn Sängern und Tänzern der Staatsoper Hamburg. Für die Evakuierten war dabei der Eintritt kostenlos. 13)

Vorwiegend für diesen Personenkreis war auch eine Aufführung der Komödie „Der Raub der Sabinerinnen“ durch Schauspieler des Hamburger Schauspielhauses gedacht (2. September 1943).14) Nach dem Frühjahr 1944 fanden keine weiteren Gastspiele Hamburger Künstler mehr statt.

Die genannten Veranstaltungen erfreuten sich allesamt einer großen Beliebtheit und waren zumeist sehr gut besucht. Diese Tatsache dürfte u. a. dadurch zu erklären sein, daß in einer Zeit, in der es noch keine Fernsehsendungen gab, die Bevölkerung solche Vorführungen als eine willkommene Abwechslung betrachteten, die zudem für die meisten finanziell erschwinglich war.

Neben den im „Kaisersaal“ durchgeführten Theater- und Musikveranstaltungen waren auch die Bramstedter Kinovorstellungen während des Krieges größtenteils gut besucht. Da der Film damals neben Rundfunk und Zeitungen zu den wichtigsten Informationsquellen zählte, ist es nicht verwunderlich, daß auch in Bad Bramstedt bis Kriegsende regelmäßig an drei Abenden der Woche Kinovorführungen stattfanden.

In den Vorstellungen, die recht preiswert waren und neben dem Hauptfilm stets auch die neueste Wochenschau enthielten, wurden sowohl Filme mit politischer Tendenz als auch reine Unterhaltungsfilme gezeigt.

Bestanden zu Beginn des Krieges in Bad Bramstedt zwei in Konkurrenz zueinander stehende Kinos, nämlich die „Rolandlichtspiele“ im „Kaisersaal“ und die „Kurlichtspiele“ im Schlüskamp, so wurde das letztere Lichtspieltheater später von der Besitzerin des „Kaisersaals“ gepachtet.

Fortan fanden die Filmvorführungen dann im Gebäude der „Kurlichtspiele“ am Bahnhof statt. Daneben wurden einmal wöchentlich Filme im jetzigen Speisesaal der Bramstedter Rheumaklinik gezeigt.
Dort fanden zur Unterhaltung der Verwundeten verhältnismäßig häufig auch sonstige kulturelle Veranstaltungen statt. Neben vereinzelten kleinen Aufführungen und Vortragsabenden durch die Ortsgruppen der HJ und des BdM waren des öfteren der bekannte Lautensänger R. Germer und der Rezitator H. Fleischer aus Hamburg im Lazarett zu Gast. Außerdem wurden dort von Kellinghusener Künstlern Violinstücke vorgetragen, überwiegend Barockmusik und Opern- und Operettenarien, aber auch Volkslieder. Gelegentlich trat neben dem Bramstedter Kirchenchor auch der gemischte Chor aus Kellinghusen für die verwundeten Soldaten auf.

Neben „Kaisersaal“ und Kurhauslazarett ist die Maria-Magdalena-Kirche während des Krieges ein Zentrum des kulturellen Lebens gewesen. Vor allem der Initiative des Organisten J. Daniel war es zu verdanken, daß zahlreiche Musikveranstaltungen von hohem Niveau in Bad Bramstedt durchgeführt wurden. Er stützte sich dabei hauptsächlich auf die von ihm geleitete Bramstedter Kantorei, die fast ausschließlich aus Frauen bestand. Dieser Chor wurde bei kirchlichen Konzerten mitunter durch die Kellinghusener „Liedertafel von 1835″ ergänzt. Außerdem wurden für größere Veranstaltungen Sänger und Musiker aus Kiel oder Hamburg verpflichtet.

Solch ein außergewöhnliches Ereignis war zum Beispiel die Aufführung des im 15. Jahrhundert entstandenen geistlichen Spiels „Die Bordesholmer Marienklage“ am Karfreitag 1941, bei der neben der Bramstedter Kantorei u. a. zwei Künstler aus Kiel mitwirkten. Sänger aus Kiel und ein Neumünstera-ner Kammerorchester waren auch bei einem Mozart-Konzert unter den Ausführenden, das am 7. Dezember 1941 anläßlich der 150. Wiederkehr des Todestages von W. A. Mozart gegeben wurde. Zur Weihnachtszeit wurde in der Bramstedter Kirche „alte und neue Weihnachtsmusik“ auf der Orgel gespielt.15)

Die Bramstedter Kantorei und die Kellinghusener „Liedertafel“ gaben außerdem im Kurhauslazarett zahlreiche Beweise ihres musikalischen Könnens. Unter der Mitwirkung einiger Soldaten fanden dort Liederabende mit klassischer und volkstümlicher Musik statt. Im Kurhaus gelangte im Februar 1943 mit dem Haydnschen Oratorium „Die Schöpfung“ ebenfalls ein größeres Werk zur Aufführung; dabei wirkte u. a. auch ein Musikkorps der Luftwaffe mit.

Im Gegensatz zu den Veranstaltungen im Kurhauslazarett konnten die Konzerte in der Maria-Magdalena-Kirche wegen der strengen Verdunkelungsvorschriften nur nachmittags stattfinden. Trotz dieses Handicaps und trotz der ständigen Verschlechterung der Kriegslage wurden die musikalischen Veranstaltungen bis in das letzte Kriegsjahr hinein fortgesetzt; sie fanden insbesondere an den kirchlichen Feiertagen und anläßlich bestimmter Gedenktage statt. So gab es im Dezember 1943 zum 70. Geburtstag des Komponisten Max Reger ein Kirchenkonzert, und auch das 100-jährige Jubiläum der Bramstedter Orgel wurde noch am 24. September 1944 musikalisch gefeiert. 16)

Erwähnt sei noch, daß anläßlich des 20-jährigen Bestehens der Bramstedter Kantorei im April 1944 das „Freiheitsoratorium“ „Der Feldherr“ im „Kaisersaal“ aufgeführt wurde. Dieses im Einklang mit der nationalsozialistischen Ideologie aus dem Händeischen „Judas Maccabäus“ umgearbeitete Stück fand nicht nur in Bramstedt ein positives Echo, es wurde mit dem gleichen Erfolg auch in Kellinghusen und Kaltenkirchen dargeboten. 17)

Neben diesen größeren kulturellen Veranstaltungen der Kirche fanden im Gemeindehaus kleine Lieder- und Konzertabende statt; im Rahmen der jährlichen Weihnachtsfeier wurde u. a. zumeist ein kleines Stück aufgeführt.

Zusammenfassend ist festzuhalten, daß die Bramstedter Kantorei trotz der immer trostloser werdenden Verhältnisse sehr aktiv und sehr bemüht war, den Einheimischen wie auch den Verwundeten im Reservelazarett durch ein recht reichhaltiges Programm etwas Abwechslung zu bieten.

Eine weitere kulturelle Einrichtung ist in der von der Stadt im Rathaus unterhaltenen öffentlichen Bücherei, der „Volksbücherei“, zu sehen. Einmal wöchentlich war diese von einer Stadtangestellten ehrenamtlich geführte Bibliothek für ungefähr zwei Stunden geöffnet, und jeder Bürger über 16 Jahre konnte sich gegen eine sehr geringe Gebühr die gewünschten Bücher ausleihen. Nachdem die Bücher, die kurz vor Kriegsbeginn zwecks „Neuordnung“ an die „Staatliche Volksbüchereistelle“ in Kiel geschickt worden waren, im Juli 1940 zurückgekommen waren, war bis Ende des Krieges in Bad Bramstedt ein regelmäßiger Leihbetrieb zu verzeichnen, der auch durch den Bombenabwurf auf die Stadt am 27. Juli 1942 nicht unterbrochen wurde. Die Liste der freigegebenen Bücher enthielt neben nationalsozialistischen Schriften („Mein Kampf, „Der Mythos des 20. Jahrhunderts“ usw.) und einer großen Auswahl an Unterhaltungsliteratur vorwiegend historische, geographische und sonstige Sachbücher, ferner Werke der deutschen Heimatschriftsteller.

Aus der erhalten gebliebenen „Leseordnung“ 18) kann man allerdings entnehmen, daß vor allem die Unterhaltungsliteratur begehrt war. So bestanden für die „belehrenden Bücher“ keine Ausleihbeschränkungen, während aus der „Abteilung Romane und Erzählungen“ monatlich je Person insgesamt nur vier Bände ausgegeben wurden, was auf die Beliebtheit dieser Art von Büchern schließen läßt.

Während des ganzen Krieges war die Stadt bestrebt, durch Neuerwerb den Bücherbestand aufzustocken und das Angebot zu erweitern. Hatte die „Volksbücherei“ bei Kriegsbeginn rund 700 Bände, so betrug deren Zahl am Ende des Krieges mindestens 1100;19) die letzte Rechnung über neueingetroffene Bücher datiert noch vom 6. Mai 1945.

Am Beispiel des örtlichen Büchereiwesens ist ebenso wie an den Bemühungen der Stadt, Gastspiele fremder Bühnen in Bramstedt zu arrangieren, das kulturelle Bemühen der Stadtverwaltung abzulesen. So lag es auch im städtischen Interesse, die im Dezember 1942 gegründete Ortsgruppe der „Schleswig-Holsteinischen Universitätsgesellschaft“ zu unterstützen, die auf dem bis dahin in Bad Bramstedt noch etwas vernachlässigten Gebiet der Erwachsenenbildung tätig wurde. 20)

Aufgrund der Verkehrsverhältnisse, die sich im Laufe des Krieges zunehmend verschlechtert hatten, war es für interessierte Bramstedter immer schwieriger geworden, Vorträge der Neumünsteraner Ortsgruppe der „Universitätsgesellschaft“ zu besuchen, so daß schließlich am 10. Dezember 1942 auf Initiative des damaligen Leiters des Jürgen-Fuhlendorf-Gymnasiums, Dr. Heine, die hiesige Ortsgruppe gegründet wurde.

Zum Eröffnungsabend im „Kaisersaal“ sprach ein Kieler Professor über die „ethischen Grundlagen Japans und den Sieg der Erneuerungsbewegung“; neben den geladenen Ehrengästen waren auch viele Bramstedter Bürger und Patienten des Kurhauslazaretts anwesend.

Die dem „Deutschen Volksbildungswerk“ unterstehende Vereinigung wurde jährlich von der Stadt mit 200 Reichsmark unterstützt – wahrscheinlich ein Grund dafür, daß die Eintrittspreise recht niedrig lagen. Die Vorträge wurden, wie noch heute, in den Wintermonaten gehalten. Bis zum Kriegsende fanden rund 20 solcher Veranstaltungen statt, zumeist im „Kaisersaal“ oder in Fachräumen der Jürgen-Fuhlendorf-Schule, ab Februar 1945 im „Gasthof zur Mühle“. Der letzte Vortragsabend ist für den 27. März 1945 verzeichnet. Das breite Spektrum der Angebote reichte von länderkundlichen über musik- und literaturwissenschaftliche, geschichtliche und geistesgeschichtliche Themen bis zu naturwissenschaftlichen Vorträgen. 21)

Zusammenfassend kann man feststellen, daß das kulturelle Leben in der Rolandstadt trotz der sich durch den Kriegsverlauf ergebenden Einschränkungen durchaus rege geblieben ist und daß verschiedene kulturelle Institutionen bemüht waren, sowohl der Stadtbevölkerung als auch den Verwundeten im Lazarett etwas Abwechslung zu bieten, sei es zur Unterhaltung oder zur Bildung.

IV. Anmerkungen

1) Die Wucht der Explosion war so groß, daß dadurch die tiefe Schlucht im Herrenholz entstand. Explosionssplitter flogen bis nach Bissenmoor, das mehr als zwei Kilometer von der Unglückstelle entfernt ist.
2) Die russische Nationalität ergibt sich mit einiger Wahrscheinlichkeit aus dem Geburtsort Woronesch.
3) Das entsprechende Verhältnis beim gesamten Feldheer lag bei 1 : 29.
4) Vergleiche Seite 10.
5) Bramstedter Nachrichten vom 30. April 1934.
6) Bramstedter Nachrichten vom 30. April 1934.
7) Percy Ernst Schramm, Kriegstagebuch des Oberkommandos der Wehrmacht, Frankfurt am Main 1963, Band II, 1942, S. 529. (Eingegangene Meldungen im Generalstab der Luftwaffe vom 26. Juli 1942).
8) Zu diesem Zeitpunkt waren erst neun Personen verstorben und 20 verletzt. Bei der später im Krankenhaus Neumünster verstorbenen Frau ließ sich die Todesursache nicht mehr feststellen.
9) Stadtarchiv, Akte „Kulturelle Angelegenheiten, von der Verwaltung aus gesehen (1938 – 49)“.
10) Bramstedter Nachrichten vom 4. Dezember 1939.
11) Bramstedter Nachrichten vom 8. Februar 1943,16. März 1940 und 12. April 1944.
12) Stadtarchiv, Akte „Kulturelle Angelegenheiten, von der Verwaltung aus gesehen (1938-49)“.
13) Bramstedter Nachrichten vom 26. August 1943. 14) Bramstedter Nachrichten vom 31. August 1943.
15) Bramstedter Nachrichten vom 8. Dezember 1941.
16) Bramstedter Nachrichten vom 26. September 1944.
17) Bramstedter Nachrichten vom 22. April 1944.
18) Stadtarchiv, Akte „Volksbücherei (1937-45)“.
19) Stadtarchiv, Akte „Volksbücherei (1937-45)“.
20) Stadtarchiv, Akte „Universitätsgesellschaft (1942-45)“.
21) Stadtarchiv, Akte „Universitätsgesellschaft (1942-45)“.

V. Quellen- und Literaturverzeichnis

1. Ungedruckte Quellen
Gefallenen- und Vermißtenregister der Bramstedter Friedhofsverwaltung.
Akte „Kurhaus“ (1939-45), Stadtarchiv Bad Bramstedt.
Akte „Luftschutz“ (1933-45), Stadtarchiv Bad Bramstedt.
Akte „Kulturelle Veranstaltungen 1941-47″, Stadtarchiv Bad Bramstedt.
Akte „Kulturelle Veranstaltungen 1943-47″, Stadtarchiv Bad Bramstedt.
Akte „Universitätsgesellschaft 1942-45″, Stadtarchiv Bad Bramstedt.
Akte „Volksbücherei 1937-45″, Stadtarchiv Bad Bramstedt.
Akte „Kulturelle Angelegenheiten, von der Verwaltung aus gesehen“, Stadtarchiv Bad Bramstedt.
Akte „Luftschutz“ (1938-44), Stadtarchiv Bad Bramstedt.
Akte „Bombenschäden in Bad Bramstedt“ (1943 – 44), Stadtarchiv Bad Bramstedt.

2. Gedruckte Quellen
Percy Ernst Schramm (ed.), Kriegstagebuch des Oberkommandos der Wehrmacht (Wehrmachtführungsstab), Band I-IV, Frankfurt/Main1961-1965.
Bramstedter Nachrichten, Jahrgänge 1934-1945.

3. Darstellungen
Nicholas Bethel, Der Angriff auf Rußland, Amsterdam 1980.
Gerhard Binder, Geschichte im Zeitalter der Weltkriege, Stuttgart 1977.
Martin Blumenson, Die Befreiung, Amsterdam 1981.
R. Heifermann / SL. Mayer/D. Shermer, Kriege des 20. Jahrhunderts, Wien s. a. Karl-Wilhelm Krane, Vom Gesundbrunnen zur Rheumaklinik. Geschichte des Bramstedter Kurbetriebs, Schriftenreihe der Jürgen -Fuhlendorf-Schule, ed. H. F. Benthe und U. March, Heft 5, Bad Bramstedt 1979.
Putzger, Historischer Weltatlas, Bielefeld 1965.
Robert Wernick, Der Blitzkrieg, Amsterdam 1980.

Ausschnitt aus dem Stadtplan Bad Bramstedt mit freundlicher Genehmigung des Verlages Jürgen Hartmann, 2359 Henstedt-Ulzburg 2, Telefon (0 4193) 59 90

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