Bruhn: Wiebeke Kruse – ein Beitrag zur Restaurierung des „Wiebke-Kruse-Turmes“ in Glückstadt 1978/79

aus: Heimatkundliches Jahrbuch des Kreises Segeberg, 1997 (auf diesen Beitrag reagierte der Historiker Klaus-Joachim Lorenzen-Schmidt)


Waltrud Bruhn, Glückstadt

Wiebeke Kruse – ein Beitrag zur Restaurierung des
„Wiebke-Kruse-Turmes“ in Glückstadt 1978/79

1648 – gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges – am 28. Februar, starb im fernen Kopenhagen in seinem Schloß Rosenborg der königliche Gründer Glückstadts, Christian IV. von Dänemark, im Alter von 71 Jahren.

Unbemerkt von der hohen Politik, kaum beachtet von der Geschichtsschreibung, wurde damit eines anderen Menschen Lebensnerv getroffen, eines Menschen, der Christian IV. seit achtzehn Jahren sehr nahegestanden hatte.

Es war Wiebeke Kruse.

Dieser Name ist uns und jedem Bramstedter Kind dank der heimatkundlichen Bemühungen der Lehrer wohlbekannt: Eines unserer ältesten Bauwerke, der barocke, sechseckige Turm am Hafen, hinter dem Haus Nr. 4, wird noch heute „Wiebke-Kruse-Turm“ genannt.

Über dreihundert Jahre steht dieser Turm. Und Erhaltungsmaßnahmen, die seinem Mauerwerk, besonders aber dem barocken Turmhelm und der originellen kupfernen Wetterfahne galten, begannen im Herbst 1978 gerade noch in letzter Minute. Es wäre ein großes Unglück für die Baukultur der Stadt gewesen, halte dieser Turm unter den Herbststürmen oder den gewaltigen Schneemassen des Winters 1978/79 unheilbaren Schaden erlitten – ist er doch ein schmückendes Wahrzeichen in der barocken Stadtsilhouette, ein bindendes Glied in der Geschichte und ein liebenswürdiges Zeugnis menschlicher Beziehungen.

Es ist Wiebeke Kruse nicht an der Wiege gesungen worden, wie merkwürdig und glanzvoll, außergewöhnlich und beschwerlich ihr Leben verlaufen sollte, dieser kleinen Wiebeke, die in Föhrden-Barl bei Bramstedt geboren worden war als Tochter des Vollhufners und freien Bauern Hans Kruse. Ihr Geburtsdatum ließ sich bis heute nicht ausmachen, denn das Kirchspiel Bramstedt hatte auch unter den Verwüstungen des Dreißigjährigen Krieges zu leiden gehabt; doch wollen wir uns das Geburtsdatum etwa um 1610 denken.

Wiebeke hatte noch eine Schwester und zwei Brüder. Und wir können uns wohl vorstellen, in welch ruhiger Beschaulichkeit und althergebrachter Ordnung ihre Kindheit in der bäuerlichen Umgebung verlief. Noch war es jenes Föhrden-Barl vor dem Dreißigjährigen Kriege.

Wenn wir nun aber erfahren möchten, wie das Leben Wiebekes lief, wie sie es bewältigt haben mag, welche Persönlichkeit sie gewesen ist, ja, vielleicht nur, wie sie ausgesehen hat, so geraten wir in das Thema einer „Personenwüstung“.

Wiebeke Kruse ist für uns, für jeden Geschichtsinteressierten, zweimal gestorben. Man könnte Nygenstad bi de Elve, die mittelalterliche Stadtwüstung (1350 1402 an Schleuer und Elbe nahe (Glückstadt gelegen), heranziehen: So wie dieser Ort immerfort von den Fluten angegriffen, unterwühlt und schließlich total verwüstet und dem Erdboden gleichgemacht wurde, so wurde Wiebeke Kruse in ihrer Person, ihrer Stellung, d. i. in ihrem „Da-Sein“, immerfort angegriffen und nach ihrem reichlich mysteriösen Tod ihr Nachlaß, das Andenken an sie. total verwüstet und vernichtet oder kaum wieder auffindbar beiseite geschafft.

Uns bleibt fast nichts als wenige überlieferte Jahreszahlen, die das (Gerüst aller Ausführungen nur mühsam halten. Allerdings bleibt der kleine historische Roman von Johanna Mestorff von 1866 „Wiebeke Kruse“ als wertvolle Grundlage und Bereicherung des Themas von großer Bedeutung.

Mit allergrößter Dankbarkeit muß man im übrigen jedes aufgefundene Einzelteilchen aus anderen, auch spärlichen Quellen, einer Darstellung hinzufügen. Außerdem aber sind Sie, lieber Leser, gebeten, Ihre ganze Vorstellungskraft bereitzuhalten, um aus dieser „Personenwüstung“ das Bild einer jungen, nicht-adeligen Frau an der Seite eines der bedeutendsten Könige Nordeuropas, einer renaissancehaften Persönlichkeit, zu gewinnen.

Immerhin hat es in der Geschichte Schleswig-Holsteins nie eine zweite Frau gegeben, die einen derart großen Sprung in die allerhöchste soziale Stellung gemacht hat, ohne auch nur im geringsten von Geburt dazu vorbestimmt gewesen und dafür erzogen worden zu sein.

Wie die wenigen Hinweise zu sagen scheinen, hat sie eine ganz außergewöhnliche Stellung, außerhalb jeder Norm und immer auf das neue vom König selbst geregelt, innegehabt.

Rufen wir uns in Erinnerung, daß Wiebekes Vater Vollhufner war. d. h. für dieses Gebiet im Amte Segeberg: Er hatte einen grollen Hof als Eigentum. und er war ein freier Bauer, das bedeutete in seinem Falle: er war allein dem Landesherrn (dem dänischen König) untertan, war auch nicht abgabenpflichtig oder dienstleistungspflichtig, sondern diese Landesherrschaft war eine reine Schutzherrschaft. Außerdem besaßen die Hufner und freien Bauern in diesem Gebiet Jagdrecht, Nutzungs- und Besitzrecht, an den großen Waldflächen. die ihre Wohlhabenheit besonders steigerten. Auch zeichnete sich ihre Stellung dadurch aus. daß sie immer schon Kirchspielvögte, Gerichtspersonen, Dingvögte, überhaupt „Amtspersonen“ gestellt hatten.

Die Lebenseinstellung ihrer Vorfahren, deren Stellung an sich, ihre Haltung, müssen wir in Betracht ziehen, wenn wir von Wiebekes heimatlicher Umgebung sprechen und wenn wir darüber nachdenken, was sie in ihrer frühen Jugend geprägt haben mag. Es lässt sich nicht beweisen, doch spricht vieles dafür, daß Wiebeke Kruse als Tochter des Hufners und freien Bauern Hans Kruse die gleiche Lebenseinstellung, die gleiche Haltung, wohl auch den gleichen Stolz besessen hat.

Was ihre mögliche Schulbildung betraf, so lässt sich außer dem üblichen Konfirmandenunterricht nur anführen, daß immerhin 1573 bereits ein Schulmeister in Bramstedt erwähnt wird, dem „6 Schillinge gegewen, alse de forigen gehat hadde“. Doch das war Bramstedt. Von Föhrden-Barl heißt es: „De arme Schulmeister in Förden bekommt eene Mark“  –  doch das war 1647.

Als junges Mädchen kam Wiebeke nach Bramstedt „in die Lehre“, bevor sie selbst auf einem eigenen Hof, auf den sie einheiraten sollte, die Wirtschaft hätte übernehmen sollen. Und hier in Bramstedt, so erzählt die Sage, entdeckte Christian IV. sie. der gerade mit seinem Gefolge vorüberritt. Sie soll an der Au Brücke mit Wäschewaschen beschäftigt gewesen sein. (Und tatsächlich führte auch der Hauptweg in Bramstedt über die Brücke der Bramau.)

Dem König bot sich ein liebliches Bild: Der Pfarrhof mit der Kirche in Grün gebettet zur Seite, davor der silbern glitzernde Lauf der Au und ein hübsches junges Mädchen auf der Waschbrücke direkt vor seiner Nase. Er redete sie an und war angetan von ihrer freien Erwiderung. Der König fragte sie, oh sie in die Dienste seiner Frau, Kirstine Munk, Gräfin von Schleswig und Holstein, treten, bei der Aufzucht der Kinder helfen und seiner Frau zur Hand gehen wolle.

So kam Wiebeke Kruse als junges Mädchen an den königlichen Hof. (Hier findet sich die Art des Königs wieder, Menschen, deren charakterliche oder geistige Gaben ihm aufgefallen waren, selbst in seinen Umkreis zu ziehen und zu fördern, ohne dabei nur auf hohe Geburt und Adelsprivilegien zu achten.)

Christian IV, seine Frau Kirsten Munk und die zahlreichen kleineren Kinder samt Gefolge waren recht häufig auf Reisen. Man hielt sich in Kopenhagen auf Rosenborg und auf Kopenhagen Slot (Christiansborg), auf Cronborg, Fredericksborg, aber auch auf Steinburg, dem Amtssitz und alten Schloß und später in der Residenz Glückstadt mit seinem Schloß Glücksburg auf.

Um alle späteren Verwicklungen und den auflodernden Haß in der königlichen Familie besser verstehen zu können, müssen wir ein wenig abschweifen und von Kirsten Munk erzählen. Sie hatte sehr jung, mit siebzehn Jahren, und eigentlich gegen ihren Willen, den 38jährigen König geheiratet (nach dem Tode der Königin Anna Catharina von Brandenburg, 1612) und war als dänisches Fräulein zur Gräfin von Schleswig und Holstein erhoben worden. Der König war bezaubert von ihrer Jugend und ihrem Liebreiz, sie war „smuck og rank med lyst Haar“, und er liebte sie sehr. Doch diese Liebe blieb wohl mehr einseitig und war recht lau von Frau Kirstens Seite. Sie genoß allerdings den hohen Rang und die Stellung neben dem König sehr.

Sie gebar dem König zehn oder elf Kinder, einige starben jung. Diese seine Kinder liebte und umsorgte der König sehr, Frau Kirsten aber kümmerte sich herzlich wenig um sie – oder nur im Unguten.

In diese Umgebung stellte Christian IV. die junge Wiebeke Kruse als deutsches Dienstmädchen ein. Sie muß ihre Aufgaben auffällig gut bewältigt haben, Frau Kirsten selbst stellte ihr zu Anfang der Jahre am Hofe ein gutes Zeugnis aus. Und später einmal zankte der König seine Frau aus, sie hatte sich nicht um die Kinder gekümmert, die weggelaufen waren. Nur Wiebeke habe er gesehen, wie sie die verregneten Kinder aus dem zugigen Torgang herausgeholt und wieder beruhigt hätte.

Eine schicksalhafte Wende bahnte sich ab 1626 an. Christian IV. wurde als Oberster des Niedersächsischen Kreises, der Protestanten, 1626 im Kampf gegen die katholische Liga und den Kaiser von Tilly schwer geschlagen bei Lutter am Barenberge. Und 1627 drangen gar die Truppen Wallensteins bis nach Jütland vor. Wir kennen die verheerenden Verwüstungen, die die Kaiserlichen in der Marsch anrichteten, die Zerstörung der Breitenburg und die Vernichtung bis auf den letzten Soldaten, die Aushungerung der Festung Krempe, aber auch das Standhalten der jungen Festung Glückstadt. Zu dieser glücklosen Feldherrschaft in immer wieder unternommenen Feldzügen und Truppenverlagerungen, in deren Strapazen der König wie der einfachste Soldat sich aufrieb, fügte sich auch noch die Sorge um seine Kinder und Kirsten Munk, um eine mögliche Bedrohung der Familie durch den immer weiter fortschreitenden Krieg.

Zur gleichen Zeit aber führte Frau Kirsten ein heileres, unbeschwertes Leben ohne bindende Verpflichtungen (denn die kleineren Kinder befanden sich für längere Zeit unter Frau Ellen Marswins, ihrer Mutter, Obhut, Waldemar Christian und die größeren Töchter hatte Frau Kirsten nach Friesland fortgegeben; das einzige Kind, das bei ihr war, verstarb 1628.)

Und Frau Kirsten, jung, anziehend und lebensfreudig, verwickelte sich gar in eine Liebesaffäre mit dem jungen Wild- und Rheingrafen Otto zu Solms, einem Offizier in dänischen Diensten, derart gegen alle Sitte und Anstand, daß sie in aller Munde geriet.

1628 z. B. hatte man die einjährige Tochter Marie Kathrine zu beerdigen, doch Kirstine Munk war nicht bei der Beerdigung anwesend. Sie wurde aber gesehen, wie sie zur selben Zeit zusammen mit dem Rheingrafen in einer Kutsche vom Schloß zu einer Spazierfahrt aufbrach und erst am späten Abend zurückkehrte. In dieser Art gibt es zahlreiche Stückchen ihres lauen oder lieblosen Verhaltens gegen die Kinder und den König.

Drei Ereignisse möchte ich zitieren:

In einem seiner unzähligen (Briefe, Berichte, Klarstellungen und Memoranden zu seiner späteren Scheidung von Kirstine Munk schreibt Christian IV:

„Eines Tages, als ich nach unten zu den Kindern gehen wollte, um zu sehen, was sie anfingen, da fand ich Frau Kirsten zwischen ihnen, die ihnen lustig eins draufgab. (Anm. d. Verf.:  ‚Hiebe verteilte‘). Worüber es fast dazu kam, daß ich die Hofmeisterin Anne Lykke vom Hof entfernt hatte, da sie Fru Kirsten gestattete, derart mit den Kindern umzugehen. “ (Anm.: Anne Lykke war dem König besonders empfohlen worden, weil man von ihr annahm, sie könnte das garstige Temperament seiner Frau bändigen.) „Deshalb zog ich nun die Wache von meinem Gemach ab und postierte sie vor die Tür des Fräuleins. Und mein Bett ließ ich umstellen in eine Kammer näher an die Stube der Kinder heran. Als Fru Kirsten sah, daß es darum gemacht war, daß sie nicht herrschen dürfte, wie sie wollte, da wurde sie fuchsteufelswild… „

Und eine andere Bemerkung, die die beklagenswerte Entwicklung bezeichnet, die Affäre zwischen seiner Frau und dem Rheingrafen, für Frau Ellen Marswin das leichtfertige Betragen ihrer Tochter:

Frau Ellen (Anm.: die Mutter Fru Kirstens) weinte deswegen Tag und Nacht…“

Als dritte Episode:

„Da nun Fru Kirsten ein Kind bekommen sollte (Anm.: es war das letzte in dieser Ehe 1629), da wollte die Mutter nicht zu ihr. (Anm.: sie war sonst immer an das Wochenbett der Tochter geeilt.), Und da nun das Kind an einem Tag kam, da sandte Fru Kirsten einen der Edelknaben zu mir und teilte mir mit, daß sie an Egidii („1. Sept.“) eine junge Tochter geboren hätte,  ,huilkiid mig kam heel spansk for‘, welches mir sehr spanisch vorkam, wenn ich an den Abschied dachte, den Fru Kirsten von mir genommen hatte, damals auf Fredericksborg. „

Und der König zieht alles, was ihm zu Ohren gekommen war, in Betracht, dazu diesen Vorfall in Fredericksborg, rechnet nach und findet seine bösen Vermutungen bestätigt.

„Während dieser Tage kam sie eines Morgens vor die Tür vom Rondell in Kopenhagen und klopfte an. Ich fragte, was sie wolle. Sie wollte gern nach Fredericksborg, um dort zu beichten. Ich sagte, ja, fahr nur dahin, wenn du willst. Als das gesagt war, zog sie aus ihrem Muff eine kleine goldene Dose mit etwas weißem Pulver, das sie mir schenkte. Sie sagte: Wenn E. M. dieses Pulver nimmt, würde E. M. sich sehr wohl fühlen. Worauf ich sagte: Was ist das für Zeug? Sie sagte: Ich habe es von Dr. Peter Pay, er sagt, es sei gut für E. M. Ich meinte: Der Kumpan soll sagen, was er will; weshalb sollte ich es nehmen? Mir fehlt doch gottlob nichts. Und ich stellte die Dose auf meinen Tisch und sagte: Soll es dort bleiben, bis ich es bei Gelegenheit brauche. Sie ging und stieg in ihren Wagen.

Als sie die Schloßbrücke passiert halte, ließ ich Dr. Peter Pay holen, zeigte ihm das Pulver und fragte, ob er es kenne. Er: Ja, Fru Kirsten hat es von mir bekommen. Als ich wissen wollte, wozu, antwortete er: Für die kleinen Bläschen, die Fru Kirsten um Kinn und Mund zu haben pflegt. Ich: Aber kann man es auch schlucken (inwendig brauchen)? Da trat er zurück und sagte: Gott bewahre uns, Gnädiger König, es ist Gift. „

Ein anderer Vorfall unter all diesen unseligen Ereignissen führt Wiebeke Kruse namentlich ein; und dieser Vorfall hat auch dem bösen und bekannten Gerücht Nahrung gegeben, Wiebeke Kruse hätte Fru Kirsten aus ihrer Stellung „verdrängt“: Der König mußte entdecken, daß Fru Kirsten von den Kleinodien und Kostbarkeiten, die er ihr für schlimme Zeiten, die bei seiner Niederlage oder seinem Tod hätten eintreten können, als Sicherung in Verwahrung gegeben hatte, daß sie von diesen Kleinodien einen kostbaren großen Rubin und einen besonders herrlichen Spitzenkragen an den Rheingrafen verschenkt hatte. Sie aber bezichtigte die deutschen Mädchen des Diebstahls. Frau Kirsten schalt sie dann auch noch Lügnerinnen, als einige zu erklären suchten, daß sie selbst die Dinge fortgegeben habe. Kirstine Munk jagte sie alle miteinander fort, Sylle und die kleine Anne, Wiebeke und Jungfer Marie. … Nun aber fragte Frau Ellen Marswin den König, ob sie Wiebeke mit sich auf ihre Güter nehmen dürfe. So kam Wiebeke in eine weit freundlichere Umgebung als zuvor, denn „sie kamen gut miteinander aus“.

Kirstine Munk versuchte inzwischen, mit dem Rheingrafen und zusammengerafften Kostbarkeiten nach Schweden zu fliehen. Daraus wurde nichts. Der König aber trennte sich auf immer von ihr und verbannte sie zeitweilig auf ihre Güter Boiler und Rosenvold, weil sie ihn auf jede erdenkliche Art bloßgestellt und lächerlich gemacht hatte in aller Welt und bei der Verwandtschaft.

So hatten mehrere Dinge den König tief getroffen und verletzt: Kr war in seinem Ansehen als Feldherr und König tief getroffen und erniedrigt worden, er war in seinem Ansehen als Ehemann und König tief getroffen und erniedrigt worden, und sein Land und Volk litten schwer unter den Folgen des Krieges. Alle diese unseligen Ereignisse trafen Christian IV zugleich als Person wie auch als König, denn nach seiner Auffassung waren Person und Königtum nicht voneinander zu trennen; der König hatte alle seine persönlichen Fähigkeiten und Möglichkeiten in den Dienst des Reiches zu stellen, sie zur Erhöhung der Macht und des Glanzes seines Königtums einzusetzen.

Ist es ein Wunder, daß der König in dieser überaus niederdrückenden Zeit, als er zufällig Wiebeke wieder begegnet, sie dabei über die damaligen Geschehnisse auszufragen versucht und natürliche Liebenswürdigkeit, standhafte Verschwiegenheit und ihr hübsches Aussehen entdeckt, daß er sich zu ihr hingezogen fühlt? Immerhin war sie die einzige, die die Vorgänge ganz genau kannte und sich trotzdem nicht in Spott über ihn ausließ.

So konnte Christian IV. in einer späteren Erklärung überaus schonend und zurückhaltend schreiben:‘

„Als ich mit der Armee nach 0 in Angeln kam, damals, als der Friede mit dem Kaiser geschlossen war, da geriet ich in Freundschaft mit Wiebeke Kruse, auf dem Gut Kjerstrup. (Anm.: Wohin Frau Ellen Marswin ihn eingeladen hatte). Du nun jener Heerzug, über den geredet worden ist, endete, und ich wieder zurück ins Reich wollte, da nahm ich meinen Weg über Fyn und kam so nach Dalum, wo ich Wiebeke Kruse fand.

Da wir uns nun gegenüberstanden und einander ansahen, da fragte Fru Ellen mich, wie Wiebeke mir nun gefiele. Sie war eine sehr ausgesprochen hübsche Person. Auf diese Frage tat ich ihr den rechten Bescheid. Bald darauf kam sie (Ellen Marswin) zu mir und hat darum, daß Wiebeke auf einem ihrer Güter das zu erwartende Kind zur Welt bringen dürfe, worauf ich nichts antworten wollte, aber Wiebeke befahl, sich nach Kopenhagen zu begeben.“

Und so beginnt eine 18jährige, treue Lebensgemeinschaft, die erst durch den Tod des Königs beendet wird.

Gleichzeitig aber beginnen auch die angestrengtesten Bemühungen des „Kirstine-Munk-Clans“ (wobei wieder auffällt, daß Ellen Marswin sich auch hier anders als ihre Tochter verhält), den König zu bewegen, seine geschiedene Frau wieder in ihre Rechte einzusetzen und Wiebeke Kruse fortzujagen. Dies ist ein ganz eigenes Kapitel in loderndem Familienhaß, verbunden mit Machtstreben, der vor fast nichts zurückschreckt, und hier tun sich ganz besonders die verheirateten Munk-Töchter und ihre Ehemänner hervor, Hannibal Sehestedt, Statthalter von Norwegen, und seine Frau Christiane Sophie, weniger Graf Christian Pentz, Gouverneur von Glückstadt, als seine Frau Sophie Elisabeth, allen voran aber Graf Corfitz Ulfeldt, Reichshofmeister und erster Minister.

Bis an sein Lebensende wird dem König von dieser Partei zugesetzt: immerfort versucht er, die Angelegenheit zu bereinigen, denn er liebt seine Töchter, er bleibt aber bei der Scheidung von Kirstine Munk und steht zu Wiebeke Kruse. Unglücklicherweise – denn dadurch beraubt der König selbst uns auch mancher Quelle – gibt er nur allernötigste, kurze Erklärungen über Wiebeke ab, um sie vor dieser Verwandtenmeute zu schützen.

Interessant ist aber noch, daß der König 1635 vor den Bischöfen schriftlich einen freiwilligen Eid ablegt, daß er „mit Wiebeke Kruse keine körperliche Berührung gehabt (habe) inzwischen und in all der Zeit, während sie in Fru Kirstens Diensten war, so wahr ich hoffe, Gnade bei Gott im Himmel zu haben, hier auf Erden in Zeit und in aller Ewigkeit.“

Damit, so meine ich, dürfen wir das kränkende Gerücht. Wiebeke habe Frau Kirsten aus ihrer Stellung durch Intrigen verdrängt, vergessen.

Wiebeke Kruse bleibt beim König. 1630 bringt sie den Sohn Ulrik Christian zur Welt, 1633 die Tochter Elisabeth Sophie. Wiebeke hat lebenslang das Vertrauen des Königs behalten, so berichtet z. B. ein Brief von ihm, er habe sie nach Kopenhagen gesendet, ihm Kleinodien, Goldketten und Dukaten aus der Schatzkammer zu holen. Sie war fast überall mit auf den Schlössern anwesend, auf denen sich der König aufhielt. Ja, sie bekam sogar auf seinem Flaggschiff „Die Heilige Dreifaltigkeit“, das der König sich bauen ließ, eine eigene Kajüte neben der seinen angelegt. Und es ist möglich, daß sie sich bei jener schweren Seeschlacht 1644 auf der „Kolberger Heide“ bei Fehmarn, als dem König von den Splittern einer zerplatzenden Kugel das rechte Auge schwer verletzt wurde, auch auf dem Schiff befand. Zum Andenken an dieses Erlebnis ließ Christian IV. zwei kleine Eisensplitter in Gold fassen und als ein Paar kleiner Ohrringe arbeiten, die er Wiebeke schenkte. (Sie befinden sich heute in einem Schaukasten auf Schloß Rosenborg, in dem auch die brokatene Jacke des Königs aufbewahrt wird, an deren Spitzenkragen auf der rechten Seite ein großes Loch von der Verwundung zeugt.)

Zur Sicherung ihres Daseins, besonders wohl für spätere Zeiten gedacht, erhielt Wiebeke Kruse neben einem mäßigen Jahresgehalt verschiedene Besitztümer.

1633, am 16. November, übereignete der König Wiebeke sein kürzlich erst gekauftes Adeliges (Gut zu Bramstedt, das er zuvor hatte wieder instandsetzen lassen, samt dem Schloß und der Mühle. Die Mühle und das Land, „Mönke Gayen“ genannt, aber schenkte er als unverkäuflichen Besitz an Wiebeke und ihre Leibeserben. Damit hatte der voraussehende König sie wieder in ihrer Heimat heimisch machen wollen.

Am 15. Oktober 1636 erhielt Wiebeke den Hof „paa Hjörnet af Stranden og Naboløs“ in Kopenhagen in der Nähe des Schlosses Christiansborg. (Noch heute finden wir diese Biegung am Wasserlauf und die Ortsbezeichnungen als Straßennamen.) Am 8. Mai 1638 schenkte der König ihr das hier in Glückstadt gelegene Haus, dazu etliche Privilegien.

Am 10. Dezember 1644 schenkte Christian IV Wiebeke Kruse einen „Lyst och Køchenhaftre … j sin lengde och brede med det Lysthuse, biogning, borde och bencke med ald anden tilbehør“, – einen großen Lustgarten und Küchen-Garten, mit Gebäuden und Tischen und Bänken und allem sonstigen Zubehör.

Die beiden Kinder aus der Verbindung mit Wiebeke Kruse umsorgte Christian IV. ebenso liebevoll wie alle seine vorigen Kinder. So finden wir etliche Briefe in dieser Art:

„26. Nov. 1636 an Jørgen Ahlefeldt

Du sollest miir Etzliiche Strümpphe vndt hendsken in hadersleben machen lassen, zue Paar strumpphe fuhr miich vndt zue paar hendsken. Item führe paar Strümpphe fuhr dii kinder von Siihen vndt führ Jahr.

Friderigsburch  den 26 Nouembris Christian „

Oder diesen Brief, der uns unversehens mit einem kleinen kostbaren Geschenk überrascht:

Der skal forferdigis Ett Syngnet till lomfru Eliisabet Soffia gyldenløffue aff den størrelse, som det uar, som siist bleff giiordt y københaffuen. Som skall fattis y guld paa den maner, som ded herhuosføiiende Siignet Er fattiit. „

„Es soll ein Siegel für Jungfrau Elisabeth Sophia Gyldenløve verfertigt werden in der Größe wie jenes war, das kürzlich in Kopenhagen gemacht wurde. Es soll in Gold angefertigt werden auf dieselbe Art, wie das folgende Siegel gemacht ist.“

Am Ende des Briefes finden sich zwei Abdrücke eines kleinen Siegels. Im Wappen ist ein Löwe. Darüber stehen die Buchstaben: W. K. Wiebeke Kruse.

Vieles begründet die Auffassung, daß Christian IV. auch diese beiden Kinder, seine jüngsten, mit der gleichen Sorgfalt erziehen ließ, wie es bei den anderen geschehen war. Der Sohn Ulrik Christian Gyldenløve bekam den Magister Hans Lauritsen als Lehrer, der zuvor bereits Schulmeister der Königstöchter (von 1632 bis 1635) gewesen war. Später kam Ulrik Christian auch auf die Akademie in Sorø, auf der er wie auch seine Halbbrüder und andere Söhne des Adels erzogen wurde. Ein hübsches Zeichen seiner Erziehung finden wir in einem fein geschriebenen Brief, den der Sohn an seinen Vater gerichtet hat.

Der König versuchte, auch diesen beiden Kindern ebenbürtige Ehen zu stiften; so bemühte er sich um die Hand einer besonders wohlhabenden Adelstochter für Ulrik Christian, es war die 15jährige Krysten Lykke. Doch obwohl sie genau im heiratsfähigen Alter war – alle königlichen Töchter hatten, soviel ich weiß, mit etwa 15 Jahren geheiratet – findet dieser Wunsch des Königs vom 9. Dezember 1647 nicht die freudige Zustimmung. Die Eltern des jungen Mädchens erbitten noch etwas Zeit. Aus dieser Hochzeit wurde nichts. Ulrik Christian blieb unverheiratet. (Er entwickelte sich zu einem wilden Burschen und hat 1652 und 1654 die Glückstädter bös geärgert, er habe, wird von ihm berichtet, „gräßlich herumgeswirret und Debauchieret“).

Ulrik Christian Gyldenløve wurde Offizier. Er diente 1648 im spanischen Heer in Flandern unter Turenne und Condé. 1650 wurde er Oberst und 1652 ernannte ihn Philipp IV. zum Generalmajor. Von Friedrich III. aber wurde dieser tüchtige Offizier wieder in dänische Dienste gerufen, als die Bedrohung des Reiches durch Schweden heraufzog. 1654 wurde Ulrik Christian zum dänischen Generalmajor ernannt. Die feindselige Haltung Schwedens brachte ihn in vorderste Stellung, er hatte die Vorbereitungen für die Rüstung gegen Schweden zu treffen und die Verteidigung von Seeland zu leiten. Während des Krieges mit Schweden zeichnete er sich als tapferer und verwegener Heerführer aus. Nach der tödlichen Verwundung von Marschall Anders Bille bekam Ulrik Christian Gyldenløve Ordre, Fünens Verteidigung zu leiten – der Schwede war auf einem rasenden Vormarsch durch Dänemark begriffen.

Die außerordentlichen Anstrengungen mit dem Sammeln der aufgelösten Heeresabteilungen, der Bildung eines Landsturmes und mit der Anlage von Verteidigungswerken überforderten seine Kräfte; kurz nachdem Carl Gustav von Schweden über das Eis nach Fünen gelangt war, mußte Ulrik Christian das Kommando abgeben und sich krank melden. Bereits im August 1658 aber beteiligte sich Ulrik Christian Gyldenløve wieder mit großer Energie und Entschlossenheit an der Verteidigung Kopenhagens. Der Ausfall am Amager Tor, bei dem Carl Gustav fast sein Leben hatte lassen müssen, geschah unter seiner Leitung und war seine letzte Waffentat. Die alte Fiebererkrankung brach wieder aus, und am 11. Dezember 1658 starb er unter der heftigen Belagerung Kopenhagens durch die Schweden. Während der ganzen Belagerungszeit blieb sein Sarg unbeerdigt; der König, Friedrich III., hatte sich geschworen, ihn erst in dem Augenblick beisetzen zu lassen, da seine Hauptstadt und sein Reich frei wären von der feindlichen Umzingelung. Die Teilnahme, die die Kopenhagener bei seiner Beisetzung ihm so außerordentlich bewiesen, war die Teilnahme am viel zu frühen Tod eines jungen, hoffnungsvollen, tapferen Königssohnes, der in so manchem dem von seinem Volk verehrten Vater Christian IV. glich. In den wenigen Jahren, die er seinem Vaterlande diente, hatte er alles in seinen Kräften Stehende getan, um das Land gegen die eingedrungenen Schweden zu verteidigen. In der Frauenkirche zu Kopenhagen wurde er mit großem Gepränge begraben. Friedlich III. selbst hatte die Begräbniszeremonien aufgestellt.

Seine Schwester Elisabeth Sophie Gyldenløve hatte der König dem berühmten Claus von Ahlefeldt auf Klein Nordsee und Schierensee versprochen, Eine vorausgeschickte Mitgift von 44 000 Talern hatte jener bereits vor der Hochzeit erhalten. Auch sonst konnte diese jüngste Tochter des Königs wohlausgestattet in die Ehe treten.

Doch 1648 trifft die Kinder und mehr noch Wiebeke Kruse das Schwerste: Christian IV. stirbt am 28. Februar nach monatelangem Dahinsiechen.

Völlig allen Schutzes beraubt, sind sie nun dem lodernden Haß und der Verfolgung der Stiefgeschwister und -kinder ausgeliefert. Ulrik Christian war in der entscheidenden Zeit viel zu weit entfernt, um Wiebeke aus dieser lautlosen, gefährlichen Bedrohtheit helfen zu können.

Sofort, in der Minute seines Todes, verjagen die Machthungrigen, Reichshofmeister Graf Corfitz Ulfeldt und Leonora Christina, seine Frau, Wiebeke vom Totenbett des Königs und aus dem Schloß Rosenborg, setzen sie und ihre Tochter in einer eilig in Kopenhagen gemieteten Wohnung fest und beschlagnahmen alles, was ihnen an Besitz gehörte, versiegeln es und haben es nie wieder herausgegeben.

Wiebeke Kruse war zur Zeit des Sterbens von Christian IV. selbst bettlägerig und geschwächt. Nun wird sie wochenlang belästigt von Boten, die bei ihrer Dienerschaft nachfragen sollen, ob sie endlich gestorben sei. Diese grausame, ausweglose Lage hat gewiß zu ihrem Tode beigetragen. Niemand war da, der ihr entscheidend hätte helfen können, denn selbst Friedrich, Prinz und Erzbischof von Bremen, der in der Thronfolge der nächste war, hatte die größten Schwierigkeiten mit dem Grafenpaar Corfitz Ulfeldt – Eleonore Christina war adelsstolz und schön und klug, ihr Mann politisch sehr gewandt und machthungrig – sie rechneten sich selbst große Chancen aus, den Thron erringen zu können und säumten nicht, alle politischen Hebel in Bewegung zu setzen, außerdem hatte sie nie die Zurücksetzung ihrer Mutter, Kirsten Munk, vergessen.

Wiebeke starb zwei Monate nach dem König am 28. April 1648. Etwa 38 Jahre mag sie alt geworden sein. Doch selbst ihr Tod ließ die Stiefkinder ihren Haß nicht vergessen. Auf Anweisung des Reichshofmeisters Corfitz Ulfeldt sollte mit ihrem Leichnam „ein Spektakel vollführt werden“; die Leute liefen bereits auf der Straße zusammen. Doch glücklicherweise kam Friedrich, der spätere König, dazwischen und verhütete Schlimmeres.

Bös genug aber ging es danach noch zu: Der Leichnam Wiebekes wurde „auf einem verächtlichen Wagen hinausgebracht, auf einem Wagen, der von einem weißen und einem roten Pferde gezogen wurde“ (so hatte Kirsten Munk, in ihrer Eile, vom König fortzukommen, Schloß Fredericksborg verlassen, mit dem Gespann des Fischmeisters, einem roten und einem weißen Pferd, „armselig und unedel“). „Rakkervis“, heißt es, wurde Wiebeke begraben – so wie wir das Wort noch in „ihr Schelmen und Racker“ kennen, obwohl es heute nicht mehr das ursprüngliche „ihr Verbrecher“ beinhaltet: also wie ein Verbrecher wurde Wiebeke verscharrt. Der damalige Bischof von Fünen, Laurits Jacobsen Hindsholm, schrieb dazu in seinem Tagebuch. „Den 6. Maji om Natten urd 12 bleff wiwirkes liig udfört og begraffent den nyen Kirke uden vör noord port“.

Allenthalben wurde über diesen Schimpf und Tort, den die Stiefkinder der wehrlosen Wiebeke angetan hatten, mit Mißfallen und Abscheu geredet. Der schwedische Gesandte in Kopenhagen, Magnus Durel, schreibt, sie wurde „bey der nacht sehr schimpflich begraben, so daß nun von den meisten mitt grosser Commiseration (großem Mitgefühl) davon geredet wirdt. Ihre Tochter lieget wegen solchen Schimpfs todtlich krank“.

So war Wiebeke Kruse bei Nacht um Glockenschlag zwölf ohne Pastor und Predigt und ohne Lied und Glockenläuten, wie ein Verbrecher, auf dem damaligen Armenfriedhof vor dem Nordertor begraben worden, eine Frau, die ohne ihr Zutun in die Mühlen der Machtgier geraten war und nach dem Tode des Königs keine Möglichkeit hatte, dem Haß der Stiefkinder zu entgehen, denn ihre heimatlichen, deutschen Besitzungen waren weit und unter diesen Verhältnissen unerreichbar. Sie hatte ja immerhin sich nicht zur eigenen Sicherheit aus der wohlbekannten Gefahr gebracht; sie war bis in den Tod an des Königs Seite gebliehen und hatte ihm in seinem langen Sterben beigestanden.

Hier nun offenbart sich auch für uns, warum es so unendlich mühsam ist. auch nur eines Stückchens des Andenkens an Wiebeke Kruse habhaft zu weiden: Die versiegelten Besitztümer von Frau Wiebeke sind nie wieder zum Vorschein gekommen. Schriftliche Dokumente werden vernichtet worden sein und zerstört: die Kostbarkeiten werden sich die Stiefkinder geteilt haben. Wiebekes Sohn aber sorgte nach seiner Rückkehr aus Flandern dank, daß 1652 der Sarg vom Armen-Friedhof vor Kopenhagens Nordertor überführt wurde auf seinen Besitz auf Fünen, wo Wiebeke ihre letzte Ruhe fand.

Ein wenig mehr noch ist von den Kindern zu berichten:

Elisabeth Sophie Gyldenløve heiratete noch im Todesjahr ihrer Eltern, am 18. Juni 1648 Claus von Ahlefeldt auf Klein Nordsee und Schierensee, den späteren Feldmarschall, mit dem sie seit 1643 verlobt gewesen war. Am 20. Januar 1654 ist sie gestorben und wurde, wie später, 1674, ihr Gemahl, in der Nicolaikirche zu Kiel begraben. Detlev von Ahlefeldt vertrat den König bei ihrem prachtvollen Leichenbegräbnis.

Das adelige Gut mit dem Schloß in Bramstedt ging an die Tochter Elisabeth Sophie, ebenso auch die Bramstedter Mühle und ein Gebiet des Landes, „Mönke Gayen“ genannt.

Elisabeth Sophie hatte eine Tochter, Christine, geboren 1650, die dreimal heiratete: Baron Claus v. Örtzen, nach der Scheidung den Grafen Kielmannsegg. nach dieser Scheidung den Baron v. Dieden. Sie hatte schon in ihrer Kindheit Ulriksholm, den Besitz Ulrik Christian Gyldenløves, geerbt. Die Enkelin Wiebeke Kruses hat längere Zeit in Bramstedt und von ihren Besitztümern gelebt. Ihre Tochter Charlotte Friedericke heiratete Thomas I. Graf v. Schmiedegg.

Die Grafen Schmiedegg hatten bis in das vergangene Jahrhundert die erblichen Besitztümer Wiebekes in Bramstedt inne. Die heute noch lebenden Mitglieder des Geschlechtes der Schmiedeggs verfolgen die Spuren von Wiebeke Kruse mit regem Interesse.

Ulrik Christian erhielt das Glückstädter Haus. Doch fiel es nach seinem frühen Tode an die Krone zurück. Es muß bis 1864 in dänischem Besitz gewesen sein und ist von Beamten bewohnt worden. 1867 diente es als Kaserne. Doch am Ende des Jahres geriet das Haus in Brand und wurde völlig zerstört. Nur der barocke Treppenturm ist uns erhalten geblieben. Detlefsen, der das Maus noch gekannt hatte, beschrieb es folgendermaßen:

„Es hatte zwei hohe Stockwerke im Stil des Rathauses. Die Sandsteineinfassung der Fenster war von niedrigen Giebeln überragt, in denen je ein Kopf in Hochrelief angebracht war. Ein Gesimse von Sandstein trennte die Geschosse voneinander. „

Nachdem das Haus jahrzehntelang im Besitz des alten Bürgermeisters Brandes und seiner Erben gewesen war, ging es in den Besitz, von Frau Zeischke über, die sich mit großer Aufgeschlossenheit und in guter Zusammenarbeit um die Restaurierung und Erhaltung von Haus und Turm bemüht.

Wir haben das seltene Glück, daß die originale Schenkungsurkunde Christian IV. an Wiebeke Kruse erhalten blieb. Sie befindet sieh im Landesarchiv auf Schloß Gottorf unter der Signatur Urkunden-Abt. B Nr. 314. Diese Urkunde ist auf gelblichem Pergament mit dunkler Tinte geschrieben und reich einfarbig dunkelbraun abgeschmückt.

Ihr Text lautet:

„Wir Christian der Vierdte von Gottes Gnaden zue Dennemarck, Norwegen, der Wenden und Gothen König, Herzogh zu Schleswigh, Hollstein, Stormarn und der Dithmarschen, Greve zu Oldenburg und Delmenhorst thun kundt hiermit gegen menniglich, wesgestalt wir aus besonderen Gnaden, womit wir der Ehrbaren, unserer lieben besonderen Wybeken Craussen bestendiglich zugethan. Ihro und Ihren Erben auf das in unserer Stadt und Vestung Glückstadt auf dem Teiche belegenes Wohnhaus und Gebäude samt allen seinen pertinentien sunderbarer Privilegien, freyheit und Gerechtigkeiten zukommen geruhet. Tuen auch solches hiermit… dieses dergestalt und also, daß selbige mit keinen bürgerlichen Beschwerden, sie mögen Namen haben, wie sie wollen, künftig und itzo soll belegt, sondern gänzlich und allerdings, auch dergestalt, wenn, was Gott verhüte, sich Kriegszeiten inskünftig über kurz oder lang wiederum ereignen sollten, von aller Einquartierung verschont bleiben. Wollen auch, daß darüber unser Gouverneur, jitzo oder künftig allda sein wird, wie auch Bürgermeister und Ratsherren sich halten und im Geringsten kein Widriges geschehen lassen sollen, gestalt nach uns unsere königlichen und fürstlichen Nachfolger an der Regierung, solange gemeldetes Haus von Ehrbarn Wybeken Craussen und ihren Erben an niemand anders verkauft oder veralienieret wird, bis zu ewigen Zeiten bei dieser unserer Königlichen Immunität und erstbemelter sonderlicher durchlauchtigster Freyheiit immerfort ohngemindert und ungeschmälert lassen, sie vielmehr handhaben und schützen, vermehren sonder aller Gefährdung.
Urkundlich mit unserem Königlichen Handzeichen und Secret gegeben auf
Hauß Flensburgh. denn 8. May Anno I638  Christian“

Knüpfen wir noch einige Gedanken an dieses Glückstädter Haus Wiebeke Kruses.

Wie Detlefsen es uns beschrieben hat, muß es nach dem Muster der adeligen Wohnhäuser jener Zeit um 1638, der Stadtpalais, gebaut gewesen sein.

Wiebeke Kruses hohes, dreigeschossiges Traufenhaus mit dem Treppenturm war auch in Glückstadt nicht das einzige dieser Art. Ähnliche Häuser mit angesetztem Treppenturm waren das Palais des Grafen Pentz am Fleth und wahrscheinlich das Palais des Grafen Rantzau am Rethövel. Und in Dänemark sind noch heute Treppentürme an Christian IV. Bauten zu sehen, z. B. am Schloß Rosenborg in Kopenhagen, am Schloß Fredericksborg in Hillerad und am Schloß Cronborg.

Auch die Art der beschriebenen Giebelverzierungen an den Fenstern lässt sich häufig finden: In Glückstadt weist noch heute das Rathaus solche Giebelformen auf; und möglicherweise waren die Fenstergiebel des Glückstädter Schlosses, der Glücksburg (1630-1711), das wahrscheinlich zur gleichen Zeit errichtet wurde wie Wiebckes Haus, dem ihren sehr ähnlich. Auf jeden Fall zeigen sich in Kopenhagen das Schloß Rosenborg mit verwandtem Fensterschmuck, wie auch einige Gebäude in der Stadt selbst. Eine Giebelverzierung mit dem Hochrelief eines Kopfes ist noch an einem Hause am Jungfernstieg zu entdecken.

Über den Turm wäre einiges mehr zu sagen: Es ist ein achteckiger Treppenturm, der zweierlei Bedeutung haben muß, nämlich die Treppe zu den einzelnen Stockwerken des Hauses zu beherbergen und zugleich Ausguck und Wachturm in Kriegszeiten zu sein. Das Haus hatte eine breite Einfahrt vom Jungfernstieg aus auf den Hof zur Rückseite an den Treppenturm heran. (Heute ist diese Einfahrt zugebaut.) Es war ja in damaliger Zeit üblich, mit der Kutsche direkt vorzufahren.

Der Turm ist aus roten und bläulichen Ziegeln aufgemauert und mit regelmäßig bei jedem Stockwerk angesetzten, umlaufenden gelben Ziegelbändern geschmückt.

Kleine Fenster geben Lieht in diesen Treppenturm, und im obersten Stock, direkt unter der Turmhaube, befindet sieh die sogenannte Wachstube, die Fensteröffnungen nach allen Seiten hat und einen freien Ausblick überallhin, über die Elbe, über die Stadt und den Hafen gewährt.

Der gesamte Turm ist 30,44 m hoch, davon mißt der gemauerte Teil I 19,36 m. Die Turmhaube ist eigentümlich und besonders hübsch: Sie ist im barocken Stil doppelt geschwungen und ausgebuckelt und war zuvor mit blauem Schiefer gedeckt. Nach alten Vorlagen aber soll sie früher mit Kupfer eingedeckt gewesen sein. In diesem Jahr nun wird der Turmhelm wieder mit Kupier belegt. Er ist 6,93 m hoch.

Der Turmhelm verjüngt sich in eine Spitze, mit einer 4,15 m hohen Wetterfahne aus Kupfer. Sie ist geschmückt mit dem Reichsapfel und der königlichen Krone. Über der königlichen Krone erhebt sich als Wetterfahne der Reiter auf einem feurig daherspringenden Pferd. Durch eine Eigentümlichkeit weist sich der Reiter aus: der große, breitkrempige Hut ist ein eindeutig königliches Zeichen. Niemanden anders als Christian IV. soll dieser Reiter darstellen.

Kann nun der kupferne König dort hoch oben über den Dächern der Stadt uns auch die Lebensgeschichte Wiebekes nicht offenbaren, so hält er doch das Andenken an sie über die Zeiten hin lebendig, wie er uns auch an den königlichen Gründer Glückstadts erinnert, an jenen kraftvollen, zielstrebigen und baufreudigen dänischen König Christian IV, I Herzog zu Schleswig und I Ullstein und Grafen von Oldenburg und Delmenhorst, der in so vielem unserer Heimat verbunden war, aus dessen eigenster Idee Glückstadt geboren wurde und aufblühte unter seinem steten Bemühen, der sich nicht nur als König und Regent an das Land band, sondern auch als Mensch, da er die Bauerntochter Wiebeke Kruse zu seiner Lebensgefährtin machte.

(Der Abdruck der Arbeit aus dem Jahrbuch des Heimat Vereins des Kreises Steinburg 1982 erfolgt mit Genehmigung der Autorin.)

Quellenangabe (auszugsweise):
„Kong Christian den Fjerdes Egenhaendige Breve“, Bd. 1 – 8, Hrsg.: C. F. Bricka und J. A. Fridericia u. a. Kjobenhavn: Forlagt af Selskabet for Udgivelse af Kilder til Dansk Historie. 1969.
Hans Riedinger: „Die Bevölkerung des urholsatischen Kirchspiels Bramstedt vom Beginn des 30-jährigen Krieges bis zum Ende des Nordischen Krieges“. (Dissertation). 1937
Dörte Rieken: „Das Amt Segeberg“. Dissertation 1963.
Hans-Jochen Leupelt: „Die Verfassung und Verwaltung des Amtes und des Fleckens Bramstedt“. Dissertation.

 

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