Mit freundlicher Genehimgung des Autors (Erstveröffentlichung 17.11.2007)
Einar Behn
Stumme Zeugen großen Leids
412 Kriegstote sind in Bramstedt auf ewig zur Ruhe gebettet – Ihre Schicksale sind meistens unbekannt
Bad Bramstedt – Morgen werden anlässlich des Volkstrauertages in vielen Orten Kränze an Kriegsdenkmälern niedergelegt. In Bad Bramstedt geschieht das im Herrenholz, wo zwei Mahnmale an die Toten beider Weltkriege erinnern. In Bad Bramstedt gibt es aber noch zwei weitere Gedenkstätten: außer der Gedächtniskapelle die Kriegsgräber-Anlage auf dem Friedhof. Die schlichten Findlinge, auf denen nur Name, Geburts- und Todestag eingraviert wurden, geben die Schicksale dieser Menschen nicht preis. Nur wenig ist über sie bekannt.
„Was wir heute von Fernsehbildern aus Afghanistan oder dem Irak kennen, so etwas muss sich vor gut 60 Jahren auch in Bad Bramstedt abgespielt haben“, meint Pastor Rainer Rahlmeier. Bei Kriegsende müsse ein unglaubliches Chaos geherrscht haben. Bis zu sechs Tote mussten am Tag beerdigt werden – fast alle kamen aus der Rheumaklinik, die bis zum Kriegsende ein Lazarett für verwundete Soldaten war und dann zum „Influx-Krankenhaus“ wurde, in dem vor allem Heimatvertriebene mit Seuchenkrankheiten wie Typhus notdürftig versorgt wurden. Unter den extrem primitiven Verhältnissen – Kriegsverwundete mussten aus Platz- und Bettenmangel in alten Moorwannen liegen – war der Tod allgegenwärtig.
412 Kriegstote fanden auf ewig ihre letzte Ruhestätte auf dem Bramstedter Friedhof, denn ihre Gräber sollen nie aufgelöst werden. Als Kriegstoter wurde nur anerkannt, wer während des Krieges als Soldat oder an den Folgen von Flucht und Vertreibung bis 1948 umkam. Wer erst später an den Kriegsverletzungen oder kriegsbedingten Krankheiten starb, hatte kein Recht auf eine ewige Ruhestätte.
Schon anhand der Namen auf den kleinen Findlingen wird deutlich, dass die hier Begrabenen nicht den bekannten Bramstedter Familien entstammen. Deutsche aus allen Teilen des Landes, Polen, Russen, Esten ruhen hier. Die Kirchenbücher wurden damals trotz ‚ aller Not mit deutscher Sorgfalt geführt und geben darüber Aufschluss, wer in welchem Grab liegt, verraten aber nichts über die menschlichen Schicksale dahinter. In der „Aufstellung der in Bad Bramstedt begrabenen sowjetischen Kriegstoten“ ist beispielsweise ein Hamid Schamido genannt, der als Häftling eines Konzentrationslagers bezeichnet wird. Todesursache: erschossen. Schamido wurde 23 Jahre alt. Mehr ist nicht bekannt. [hier steht mehr zu diesem wahrscheinlichen Opfer der Todesmärsche , den auch Hans-Otto Wittorf erinnert s.u.] Auch Frauen und Kinder sind hier begraben, die die Vertreibung aus ihrer Heimat nicht überstanden hatten. Ihre Angehörigen brachten sie schon als Leichen nach Bad Bramstedt mit, oder sie starben im Influx-Krankenhaus. Reihe 8, Grab 27 mag ein solcher Fall gewesen sein: Gertrud Jendreizig ruht hier. Sie wurde 23 Jahre alt. Daneben liegt ihr Sohn Jürgen, drei Wochen alt. Er bekam keinen Stein.
Genaugenommen, befinden sich zwei Kriegsgräberstätten auf dem Bramstedter Friedhof. Eine davon wurde in den 50er Jahren angelegt, an ihrem Ende steht ein großes Holzkreuz, das die evangelisch-lutherische Kirchengemeinde vor einigen Jahren erneuern ließ. 167 Soldaten sind hier begraben und eine Frau: Erna Wittge. Sie kam ums Leben, als kurz vor Kriegsende 1945 eine Fliegerbombe bei der alten Wassermühle an der Osterauinsel niederging.
1974 wurde im Auftrag des Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge ein zweites Gräberfeld für 244 Kriegstote unmittelbar neben der ersten Ruhestätte angelegt. Hierher umgebettet wurden vor allem Flüchtlinge.
Der frühere Konrektor der Realschule, Karl Klöckner, selbst im Krieg schwer verwundet, hatte in den 70-er Jahren einen Aufsatz über die Kriegsgräber geschrieben und dafür in den Büchern der Friedhofsgärtnerei geforscht. Hierbei stieß er auf drei Soldaten aus dem Elsass, das im Krieg besetzt und zu deutschem Reichsgebiet erklärt worden war. Die drei Elsässer zogen für Deutschland in den Krieg. Nur noch einer von ihnen liegt auf dem Bramstedter Gräberfeld. Eine französische Suchkommission hatte nach Klöckners Schilderung 1957 veranlasst, dass die im Bramstedter Lazarett gestorbenen drei Soldaten nach Frankreich überführt wurden, damit sie in französischer Erde ihre letzte Ruhestätte fanden. Die Gebeine von Heinrich Joschfeld schickten sie aber zurück. Klöckner vermutet, dass Joschfeld Waffen-SS-Mann war. Er liegt in Reihe 4 Grabstein Nr. 22.
Nach dem Krieg war in Bad Bramstedt längere Zeit strittig, wie man sich am besten an die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft erinnern wollte. Nach dem ersten Weltkrieg hatte der Bildhauer Heinrich Missfeldt ein imposantes Denkmal im Herrenholz errichtet, in das auch die Namen der 90 gefallenen Soldaten aus Bad Bramstedt eingraviert wurden. Doch nach dem zweiten Weltkrieg gab es viel mehr Opfer, vor allem auch unter der Zivilbevölkerung. Die Namen hätten auf einem Denkmal keinen Platz gefunden. In den 50er Jahren entschieden sich dann die Stadtverordneten und die Kirchenvorsteher für ein schlichtes zweites Denkmal im Herrenholz. An den sieben gemauerten Stelen stehen nur die Zahlen der Kriegsjahre. In derselben Zeit wurde die Gedächtniskapelle auf dem Friedhof gebaut. „Sie bekam ihren Namen als Erinnerung an die Opfer des zweiten Weltkrieges“, erläutert Pastor Rahlmeier. Vor dem Altar wurden auf zwei Säulen dicke, in Holz eingebundene Bücher ausgelegt. Auf jeder Seite stehen der Name, Geburts- und Todesdatum sowie -ort eines Kriegstoten, der auf der Kriegsgräberstätte begraben ist. „Es war damals so gedacht, dass jeden Tag eine Seite umgeblättert wird, um jedem Einzelnen zu gedenken“, berichtete Pastor Rahlmeier. Nachdem die Kapelle vor wenigen Monaten saniert wurde, liegen die Bücher nun an einer Seitenwand. Jeder Besucher kann in ihnen blättern und wird sich dabei sein Bild vom damaligen Leid der Menschen machen, wenn er beispielsweise unter dem Namen einer Frau liest: „Gestorben bei der Querung des Haffs.“
Bildunterschrift:
Die schlichte Kriegsgräberstätte auf dem Bad Bramstedter Friedhof. 412 Menschen liegen hier begraben, ihre Namen stehen auf kleinen Findlingen und in zwei dicken Büchern, die in der Friedhofskapelle ausliegen. Darunter sind viele Frauen, die auf der Flucht oder danach im InfluxKrankenhaus starben. Auch Oskar Alexander, dem im KZ umgekommenen Gründer der Bramstedter Rheumaklinik, ist eine Seite gewidmet. Fotos ben
Hans-Otto Wittorf schreibt in seinen selbst veröffentlichten Lebenserinnerungen
„As de Tommies keemen“
zu dem Todesmarsch:
Transport von KZ-Häftlingen
Op den Parkplatz vun dat Hotel „Zur Mühle“ – nu steit dor dat Reformhuus – weer de Bolzplatz für all de Kinner ut’n Landwech. Fröher hebbt de Kinner veel mehr buten speelt as dat hüt Mode is. In de lütten Stuben weer keen Platz für annere Kinner. Man speelte Völkerball oder ok Versteck mit all de Naberskinner. In de Ferien dückerten ok mal Schöler von de Napola ut Plön in eere langen Uniformmäntel an uns Platz op. Ik heff Uwe Schreyer noch in Erinnerung, aver Hans Hermann Heims un Wolfgang Haack hörten ok to de Elite-Schöler, so as Schurbohm, Ramcke und Glass.
Nu wullen wi jüs anfangen mit unsern oIen Waterball Football to speelen. De Blas weer all twei und wi harrn de Hüll mit Heu utstoppt. Max Steffens sien Hoff weer ja gegenöber – wo nu Hünger wohnt. De Mannschopsführer müssen eere Mitspeeler utweelen. Dat güng so: „Piss Pott, Piss Pott“, jümmers een Foot vöran. Ik wer jedet Mol froh, wenn ik ni bi de letzten weer.
Mit eens dückerten twee Soldaten op und vertellten uns, dat wi sofort den Platz rüümen schulln. „Haut aff, gaat na Huus, aber‘ n beeten zackig!“ Wi weern ja veel to neeschierig un güngen bi Schreyer (de Speelhall weer noch ni) achter de Fleederbüscher in Deckung. Un von de Mistkuul ut kunn man good op den Platz kieken. Dor keem nu een ganzen Trupp seltsamer Gestalten, weern wull an de foftig Mannslüüd, bewacht wörn se vun veer Soldaten mit opplanten Bajonett.
Wat weern dat für Männer? – Dünn, unraseert, wenig Hoor op‘ n Kopp – Weern dat all Verbreker oder Ünnerminschen? Eenige harrn son lütten Treckwagen bi sik. Anner een harr blos twee Röhr an Stööl un sein Plünn darup fastmaakt. Dor geew dat wölk mit Rucksäck un veele harn nur een Büddel oder een olen Sack mit eere Habe öber de Schuller. Se seen meist so ut wi de Kohlenklau, blos ni so dick, den man öberall in Winter 1944 plakatiert harr.
Nu harrn wi Fröhjohr 1945. Een von de Jammergestalten spukk Blood. Wi harrn keene Ahnung, dat hier KZ-Häftlinge to Foot wieder na Norden bröcht wörn. Dat hebbt wi veel later klog kreegen. So na ne halve Stünn weer de Paus vörbi und se tröcken den Landwech, de ja Hauptverkehrsstraat wer, wieder, vörbi an de Panzersperre twüschen Buur Schümann un Bäcker Wittörp. Ob se nu Kieler Barg lang gaan sünd oder öber Gayen
Grön Plan na Norden? – Football hebbt wi den Dag ni mehr speelt.