Erdmann-Degenhardt: Wiebeke Kruse, die „Amasia“ Christians IV.

Antje Degenhardt (verh. Erdmann-Degenhardt)
veröffentlicht im “Bauernblatt” 13. Januar 1996
hier veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung der Autorin


Wiebeke Kruse,  die „Amasia“ Christians IV., eine Frauengestalt des 17. Jahrhunderts

Die Herzogtümer Schleswig und Holstein waren seit Christian I. von Dänemark im 15. Jahrhundert ein Teil des dänischen Gesamtstaates. Zwar hatte die grundlegende Idee der Unteilbarkeit der beiden Herzogtümer nicht allzulange Bestand, denn unter den nachfolgenden Königen von Dänemark, die gleichzeitig auch Landesherren von Schleswig und Holstein sein sollten, kam es mehrfach zu territorialen Teilungen mit ihren prinzlichen Geschwistern, die auch finanziell versorgt werden mußten. So entwickelte sich bekanntlich, sowohl auf Schleswiger Gebiet, wie im Holsteinischen jeweils der ,Königliche“ – oder nach dem damaligen Hauptschloß – der „Segeberger Anteil“ und der Gottorfer Anteil, der den Herzögen von Schleswig, Holstein und Gottorp unterstand.

Andere Gebiete, wie etwa die Klöster mit ihrem zumeist reichem Landbesitz, wurden gemeinschaftlich verwaltet.

Eine Zentralfigur des 16. Jahrhunderts war hier im Lande der bedeutende gebildete, politisch und musisch begabte Heinrich Rantzau, anfangs Königlicher Amtmann im Amt Segeberg, dann Königlicher Statthalter des gesamten königlichen Anteils in beiden Herzogtümern. Er diente drei Königen: Christian III., Friedrich II. und Christian IV. Er war ein höchst kultivierter Renaissance – Mensch, hatte studiert, sprach und las Latein und andere Fremdsprachen fließend und galt als „mächtiger als der König selbst“, nicht zuletzt begründet durch seinen immensen Reichtum, dem Erbe seines Vaters Johann und der gewaltigen Mitgift seine Ehefrau Christine von Halle, der einzigen Erbtochter eines braunschweigischen Edelmannes.

Ausgehend von seiner Residenz in Segeberg und seinem Stammsitz Breitenburg bei Itzehoe, erhielt das endende 16. Jahrhundert durch seine Ausstrahlung und Einflußnahme eine derartige Prägung im wirtschaftlichen, kulturellen, wissenschaftlichen und politischen Bereich, dass man hier von dem „Goldenen Ranzauischen Zeitalter“ spricht. Doch nachdem der junge Christian IV. jung – zu jung – mit zwölf Jahren den dänischen Thron bestiegen hatte, entstanden in den nächsten Jahren Querelen mit dem dänischen Königshaus, so dass Rantzau noch kurz vor seinem Tode im 72. Lebensjahr in der Sylvesternacht 1598/99 in Ungnade fiel. Er zog sich grollend auf die Breitenburg zurück. Der junge unerfahrene Christian IV. verlor einen wertvollen Ratgeber, den er in den nächsten Jahren dringend nötig gehabt hätte. Der Beginn des neuen Zeitalters – des 17. Jahrhunderts – mag als Vorabend des Dreißigjährigen Krieges betrachtet werden, der ab 1618 die Welt in Schrecken und Not setzte. Glücklicherweise standen in diesen Kriegsjahrzehnten Schleswig und Holstein nicht immer im Brennpunkt des Geschehens.

Das 17. Jahrhundert wurde mit seinem Kriegsgeschehen ein Zeitalter, das Männer negativ formte und in dem insbesondere Frauen und Kinder zu leiden hatten. Das Frauenbild des beginnenden 17. Jahrhunderts in Skandinavien und in den Herzogtümern ist uns überwiegend nur durch Portraits hochgestellter Damen bekannt geworden. So sei an Christine, Herzogin von Gottorp, die Ehefrau Herzog Adolfs ( 1543 – 1602 ) erinnert oder an Herzogin Augusta, Schwester Christians IV., die ihren Witwensitz auf dem Schloß vor Husum hatte oder an Königin Christine von Schweden. Sie werden alle auf den zeitgenössischen Gemälden in den langen schweren Kleidern der Renaissance mit hohen kostbaren Spitzenkragen dargestellt. Um die Bürgerinnen, Bauersfrauen oder gar die sogenannten „Mädchen aus dem einfachen Volk“ machte man damals kein Aufheben, geschweige, dass sie gar künstlerisch dargestellt wurden. Und so ist es außergewöhnlich, dass aus diesem geschichtlichem Dunkel eine Frauengestalt auftaucht, die einen ganz erstaunlichen Aufstieg nahm, der schon aufgrund des sozialen Hintergrundes seinesgleichen sucht: Wiebeke Kruse, die Hufnerstochter aus dem alten Amt Segeberg.

„Die Orte Föhrden und Barl“, so beschreibt es eine Topographie von 1855, sind zwei Ortschaften, „ welche durch die Bramau getrennt sind, aber eine Dorfschaft bilden. Der Ort besteht aus Hufen, Katen und Instenstellen. Der Boden ist von mittelmäßiger Art, indem er losen Sand und schwarze eisenhaltige Unterlage hat; doch kommt auch an einzelnen Stellen ein ziemlich guter Boden vor. An der Bramau ( über die eine Brücke führt) liegen einige gute Wiesen, die übrigen liegen zu hoch und geben wenig Heu. Holzungen und Moor sind für den Bedarf ausreichend.“ Diese Landschaftsbeschreibung erweckt nicht unbedingt Begeisterungsstürme und es würde der Ort Föhrden – Barl überhaupt nicht interessieren, wäre er nicht der Geburtsort

einer der wenigen nichtadeligen holsteinischen Frauen zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges gewesen, über welche die Fama und die Historie reichlich und oft auch widersprüchlich zu berichten weiß.

Es ist die Bauerntochter Wiebeke Kruse, die neunzehn Jahre lang die Geliebte eines der populärsten dänischen Herrscher, Christians IV. war und die Mutter zweier seiner zahlreichen Kinder wurde. Sie war als Tochter des Vollhufhers Hans Kruse in Föhrden vor Beginn des Dreißigjährigen Krieges, etwa zwischen 1610 und 1618 geboren, in jenem unscheinbaren Ort, den 1848 die Altertumsforscherin aus Bramstedt, Johanna Mestorf ( 1828 -1909) in ihrem gleichnamigen Roman „Wiebeke Kruse“ wie folgt beschreibt: „Am Ufer der Bramau, eine Meile westlich vom Marktflecken Bramstedt, liegt das unbedeutende Dörfchen Föhrden; unbedeutend nicht nur hinsichtlich seiner Größe, sondern in jeder Beziehung. Keine Geschichten von dort gelieferten Schlachten zur Zeit der Waldemare, Gerharde oder Adolphe vererben sich auf den Lippen der Burschen von Geschlecht zu Geschlecht; keine Localsagen von versunkenen Schlössern, wo grausame Ritter und Grafen hausten oder von umgehenden klagenden Burgfräulein, machen die Wangen der Mägde er blassen, wenn sie Abends am Spinnrade um den warmen Ofen beisammen sitzen. Selbst die allgütige Mutter Natur, die so manches holsteinische Dörfchen mit anmutiger Schönheit begabte, scheint beim Ausstreuen ihrer Gaben, als die Hand diesen Ort berührte, die Finger etwas fester geschlossen zu haben.“

Wiebeke Kruse traf mit dem König ganz zufällig zusammen und es entwickelte sich daraus eine starke Liebesbeziehung, die bis zu seinem Tode andauerte. Doch hier beginnen bereits die Schwierigkeiten für den Landeskundler, der es genau wissen möchte.

Nach der Bramstedter Überlieferung wusch Wiebeke in der Bramau Wäsche, wie dieses jahrhundertelang üblich war. Der König ritt vorbei und wurde auf sie aufmerksam, sprach sie an und begeisterte sich alsbald für ihre Frische und Natürlichkeit. In Anlehnung hieran heißt es bei Henning von Rumohr in seinem Führer „Schlösser und Herrenhäuser im Kreis Segeberg“:

,,Der Überlieferung nach hatte der König Wiebke Kruse entdeckt, als er sich mit seiner Kalvakade bei der Annäherung nach Bramstedt anschickte, die Au zu durchreiten und hier eine Gruppe von jungen Frauen und Mädchen antraf, die ihre Wäsche im Wasser der Au wuschen. Eine von ihnen war Wiebke Kruse, auf die das Auge des Königs fiel. Sie war seit 1629 zu ihm in ein enges Liebesverhältnis getreten, das mit unverminderter Zuneigung zueinander 19 Jahre lang dauern sollte und erst durch den Tod, der beide im gleichen Jahr 1648 traf, aufgelöst wurde.“

Christian IV. , dessen vierhundertstes Regierungsjubiläum im Jahre 1988 im Königreich Dänemark mit vielen Ausstellungen und Veranstaltungen gefeiert wurde, war das, was man langläufig einen „Frauenheld“ nennt. Er war seit 1612 Witwer, denn seine ihm 1597 angetraute Gemahlin Anna Katharina von Brandenburg (1575 – 1612) war verstorben. Sein Sohn aus dieser Verbindung war der spätere König Frederik III. ( 1609 – 1670 ).

Mit Nebenfrauen, wie Karen Andersdatter und der ihm zur linken Hand angetrauten Kirstin Munk (1598 – 1658) hatte er noch weitere Nachkommen. Die einundzwanzig Jahre jüngere Kirsten war nicht ganz standesgemäß. Sie war ein dänisches Fräulein, doch hatte ihre Mutter reichen Grundbesitz und war zeitweise Ratgeberin des Königs. Dem Historiker Olaf Klose in seiner „Geschichte Dänemark“ folgend, brachte Kirstin Munks Mutter ganz bewußt den König mit Wiebeke Kruse zusammen, um einen Treuebruch ihrer Tochter zu überdecken.

Nach den neuesten Recherchen des Hohenasper Mediziners Dr. Echt, die er mir allerdings nur mündlich mitteilte – und insoweit hat er die lokalen Erzählungen wieder aufgegriffen, war Wiebeke Kruses Bruder Heinrich Gutsverwalter auf dem heute nicht mehr bestehenden Schloß Drage, im Kirchspiel Hohenaspe, das damals Balthasar von Ahlefeldt ( seit 1581 ) gehörte. Wiebeke, auf die der König bereits beim Wäschewaschen in Bramstedt aufmerksam geworden war, traf hier zufällig, als sie ihren Bruder besuchte, wieder mit Christian IV. zusammen. Daraus soll sich dann die Beziehung entwickelt haben.

Johanna Mestorf, die hinsichtlich ihrer sonstigen Arbeiten sehr präzise vorging, hat vermutlich für ihren einzigen Roman auch Quellenstudien betrieben, diese aber leider nicht vermerkt. Das ergibt sich bereits daraus, dass sie bei einigen Szenen als Fußnote feststellt: „Das ist historisch.“ Sie lässt Wiebeke erst eine Art Kindermädchen bei Kirstin Munk sein. Nachdem Kirstin dem König in jungen Jahren neun Kinder geboren hat, betrügt sie ihn im Jahre 1628 mit dem Rheingrafen von Sohns, einem dänischen Offizier, was tatsächlich urkundlich belegbar ist. Wiebeke versucht sie vor dem König zu decken, wird aus dem Dienst entlassen und findet Aufnahme bei Kirstin Munks Mutter auf deren Gut Waldemars Slot auf Fünen. Hier trifft sie zufällig wieder mit dem König zusammen und er, ein Mann von einundfünzig Jahren, bittet sie nun, seine Lebensgefährtin zu werden und zwar „vor Gott“. Ein Priester segnet das Bündnis ab. Eine Verbindung „ vor aller Welt“, also eine legale Trauung , findet nicht statt. Offiziell bleibt er mit Kirstin Munk verheiratet, verbannt diese aber auf einen Herrensitz nach Jütland. Wiebeke wird nur seine Maitresse.

Die historische Wahrheit wird wohl sehr schwer festzustellen sein, da die Schwiegersöhne Kirstin Munks nach dem Tode Christians zahlreiches Urkundenmaterial vernichtet haben. Allein die Daten von Wiebekes Schwangerschaften lassen vage Vermutungen zu, wann Christian zu Wiebeke in intime Beziehungen trat. Außerdem spricht der Ankauf des Bramstedter Gutes und sonstigen Grundbesitzes für die Fürsorgepflicht des Königs um Wiebeke und die gemeinsamen Kinder zu versorgen.

Christian IV. hat leider den zweifelhaften Ruf – der gar nicht zu seiner landesweiten Popularität in Dänemark paßt – den Dreißigjährigen Krieg in die Herzogtümer Schleswig und Holstein geholt zu haben. Er griff 1625 auf protestantischer Seite in das kriegerische Geschehen ein und wurde von Tilly 1626 in der Schlacht bei Lutter am Barenberg besiegt. Er mußte sich mit seinen geschlagenen Truppen über die Elbe nach Holstein zurückziehen, gefolgt von Tilly und Wallenstein. Die besiegten protestantischen Truppen fluteten durch das holsteinische Land, nach ihnen die Regimenter der „Ligisten“, begleitet von Hunger, Not, Mord und Pest. Die Orte hatten unter Truppendurchmärschen und Einquartierungen sehr zu leiden. Im Mai 1626 kam der Friede von Lübeck zustande. Hierdurch schied Dänemark und damit auch die Herzogtümer Schleswig und Holstein aus dem Kriegsgeschehen aus. Im Sommer 1629 lag Christian in einem Heerlager bei Eutin und besuchte von hieraus Segeberg. Dort traf er mit dem frisch bestallten Amtmann Caspar von Buchwaldt auf dessen Dienstsitz, dem damals noch bestehenden Segeberger Schloß zusammen. Es ist denkbar, dass er von dort nach Bramstedt ritt und es so zu der zufälligen Bekanntschaft zwischen ihm und Wiebeke kam. Bereits 1630 kam Wiebeke mit dem Sohn Ulrich Christian nieder, der, wie viele königliche illegitime Abkömmlinge, den Nachnamen Gyldenlove erhielt. Zu dieser Zeit hatte sich Kirstin Munk schon lange vom König zurückgezogen. Später gebar Wiebeke noch die Tochter Elisabeth Gyldenlove. Beide Kinder wurden standesgemäß erzogen und reichlich ausgestattet.

Elisabeth, die 1654 verstarb, wurde mit dem späteren Feldmarschall Claus von Ahlefeldt verheiratet. Er kam aus dem Hause Gelting, wohnte aber zumeist auf Klein – Nordsee. Ulrich Christian wurde Offizier. Zur Versorgung dieser Kinder kaufte der König 1630 das Gut Bramstedt von Arend Steding, dessen Vater Gerhard zuerst Holstein -Gottorper Vizekanzler gewesen war und später Präsident des Weichbildes Husum wurde. Er hatte das Gut durch Einheirat erworben. Zur Zeit des Ankaufes durch den König, sah es im Flecken Bramstedt recht wüst aus. Denn 1628 hatte ein Großfeuer beträchtlichen Schaden, sowohl bei den Wohnhäusern, wie auch im Gutskomplex angerichtet. Der König ließ das Vorwerk wieder aufbauen und ein kleines Schlößchen, überwiegend aus Holz, errichten. Neben zahlreichen Hufen und Abgabeverpflichtungen aus den umliegenden Dörfern, erhielt Wiebeke als Leibgedinge, das bedeutet die Nutzung für sich und ihre Erben, die alte Bramstedter Mühle am Schlüskamp, das Gut Gayen bei Fuhlendorf und das nahe Roddenmoor. Die Schenkungsurkunde vom 16. November 1633 lautet eingangs wie folgt:

„Wir Christian der Vierdte .. thun kund hiermit, dass Wir der ehrsamen unser lieben besondern Wiebken Kruse aus besonderer Königl. Gnade Unser zu Bramstedt Erblich erkauftes Guht sambt allen Pertinentien und Zubehörung, selbiges für sich und ihre Erben künftiger Zeit zu Nutzen, zu gebrauchen und zu besitzen, auch damit ihrer Gelegenheit nach zu schalten und zu walten gnädigst gönnen und zukommen lassen wollen.“

Das Anwesen war ein langgestreckter Komplex. Man gelangte durch das heute noch bestehende Port – oder Torhaus, das laut Jahreszahl 1647, ein Jahr vor Wiebekes Tod gründlich hergerichtet wurde, in den Hofplatz mit Kuhhaus, Scheune und Reitstall. Eine Brücke führte über die Hudau. Durch ein weiteres, aber kleines Torhaus kam man nun in den inneren Schloßbezirk. Rechts vom Fahrweg befand sich das kleine Schlößchen, das im 18. Jahrhundert unter dem Segeberger Amtmann Christian Günter Graf zu Stolberg abgerissen wurde. Das Gebäude, das von Teichen und feuchten Wiesen umgeben war, hatte etwa die Länge von dreizehn Metern. Auf der anderen Seite des Fahrweges, ihm gegenüber, lag ein Park oder Obstgarten.

In einem Raum des Torhauses befindet sich noch heute das stuckverzierte Monogramm Christians IV. Allerdings läßt der Stil auf eine spätere Zeit, nämlich das Rokoko schließen, korrespondierend zu der prachtvollen Stuckrosette an der Decke. Hier sollen noch zu Lebzeiten Johanna Mestorfs die Portraits von Wiebeke und Christian IV. gehangen haben. Sie sind verschwunden. Nur alte Photos erinnern noch an sie.

Wiebeke Kruse begleitete den König häufig auf seinen Reisen und Inspektionen, hielt sich jedoch auch viel mit ihm zusammen auf den königlichen Schlössern in Kopenhagen und Frederiksborg auf. Sie wurde seine engste Vertraute und treue Lebensgefährtin. Auch auf dem Flaggschiff,, Die Heilige Dreifaltigkeit“, das sich der König bauen ließ, erhielt sie eine eigene Kajüte. Möglicherweise war sie an Bord, als Christian in der berühmten Seeschlacht auf der Kolberger Heide bei Fehmarn, im Kampf gegen die Schweden, verwundet wurde und ein Auge verlor. Auf Schloß Rosenborg in Kopenhagen wird nicht nur von diesem dramatischen Tag die blutbefleckte Kleidung des Königs aufbewahrt, sondern auch ein Paar emaillierte Ohrgehänge, in der Form von weißen Händen, die ein Stück Bronze und ein Stück Eisen halten, Splitter der gesprengten dänischen Kanone und der schwedischen Kugel, die den König verwundeten. In einem dänischen Schloßführer heißt es hierzu kühl: „Von seiner Maitresse Vibeke Kruse und ihrer Tochter getragen.“

Wiebeke Kruse erschien alljährlich auf ihrem Gut in Bramstedt, um nach dem Rechten zu sehen. Hierbei soll sie sich gegenüber der Bevölkerung als sehr freigiebig erwiesen haben. Die Legende berichtet, dass sie von Jugend an das Peitschenknallen der Hütejungen so gerne gehört hätte und so durften diese ihr zu Ehren tüchtig knallen. Mehr noch als in Bramstedt, besteht noch heute an sie die Erinnerung in Glückstadt an der Elbe. Die Stadt wurde von Christian IV. als Konkurrenz zu Hamburg gegründet. Auch hier schenkte der König Wiebeke ein Anwesen. Die Schenkungsurkunde vom 8. Mai 1638 befindet sich im Landesarchiv in Schleswig. Bei der Dotation handelte es sich um ein Wohnhaus mit Nebengebäuden, Privilegien, Freiheiten und Gerechtigkeiten. Es brannte erst 1867 ab und wurde hierbei gänzlich zerstört. Es handelte sich um ein hohes, dreigeschossiges Traufenhaus mit einem Treppenturm.

Dieser Turm, aus rotem und bläulichem Ziegelstein aufgemauert, versehen mit einer vergoldeten Wetterfahne, die Christian IV. hoch zu Roß zeigt, belebt noch heute das Stadtbild.

Die Spuren Wiebeke Kruses sucht man in Dänemark vergebens. Kein Portrait ist von ihr auf Rosenborg oder Frederiksborg zu finden und auf eine entsprechende Frage erhält man nur Achselzucken oder unwilliges Schweigen. Und dabei hat Wiebeke bis zu des Königs Tod, der nach längerem Siechtum am 28. Februar 1648 auf Rosenborg erfolgte, zu ihm gehalten! Besser wäre es für sie gewesen, rechtzeitig ihren Besitz in Holstein zu erreichen. Denn sofort nach Christians Tod wurde sie von dem Clan der Munk – Töchter und dem neuen König Frederik III. des Schlosses verwiesen und all ihrer Habseligkeiten und ihres Personals beraubt. In einer kleinen Kopenhagener Wohnung soll sie noch einige Wochen, nur umsorgt von einer Kammerjungfer, gelebt haben. Zwei Monate nach des Königs Tod verstarb sie, vermutlich durch Gift, achtunddreißigjährig. Sie wurde vor dem Nordertor auf dem Armenfriedhof sang – und klanglos beigesetzt. Als ihr Sohn, mittlerweile ein bekannter Feldherr in spanischem Dienst, 1652 endlich aus Flandern zurückkehrte, sorgte er für eine würdige Überführung und Bestattung auf seinem Besitz Ulriksholm auf Nordost-Fünen. Wenige Jahre später, 1658 verstarb auch er, nach einer raschen militärischen Karriere, an alten Kriegsverwundungen.

Bramstedt ging auf die Tochter über, die zumeist mit ihrem Ehemann auf Klein – Nordsee lebte. Dann erbte es Wiebekes Enkelin Christine Sophie Amalie von Ahlefeldt, die ein abenteuerliches Leben führte und zweimal verheiratet war, das letzte Mal mit einem übelbeleumundeten Ehemann. Auch diese Beziehung zerbrach.

1697 oder 98 ging das Gut an den Oberstleutnant von Grote über, dessen Frau dadurch in die Annalen einging, dass man von ihr erzählt, sie habe ihre Mägde und aufsässigen Untertanen in einen finsteren Keller eingesperrt. Nach einem weiteren Verkauf, erwarb 1744 der Segeberger Amtmann Graf zu Stolberg, Vater der bekannten Brüder Stolberg, die in jungen Jahren Reisebegleiter Goethes durch die Schweiz gewesen waren, das Gut. Er ist auch der Vater der berühmten Goethekorrespondentin Auguste, die im Torhaus geboren wurde. Sie heiratete den verwitweten Ehemann ihrer Schwester Henriette, den fähigen dänischen Minister Andreas Peter Bernstorff, unter dem im 18. Jahrhundert im dänischen Gesamtstaat eine glückliche Zeit ablief, die man allgemein als das „Goldene Bernstorffsche Zeitalter“ bezeichnet. Das Gut wurde im Laufe der Jahre parzelliert. Das Torhaus gehört heute der Stadt Bad Bramstedt.

Als unter Graf zu Stolberg Wiebeke Kruses kleines Schlößchen abgebrochen wurde, blieb noch lange der Fliesenboden des Kellers erhalten. „Auf der leeren Stätte“, so Henning von Rumohr, „knallten die jungen Burschen, vor allem die Hütejungen beim Aus -und Eintreiben morgens und abends trotz Klagen, Drohungen und Beschwerden mit ihren Peitschen hervorragend geschickt, kräftig und taktfest, weil Frau Wiebke ehedem das Peitschenknallen so geliebt und dafür an Belohnungen nicht gespart hatte.“

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