Mathias Nagel: Ein Bramstedter Waffeleisen aus dem Jahr 1705.

Der Historiker und Sammler Mathias Nagel sandte mir den nachstehenden Artikel zu einem seiner Sammlerstücke, das Bad Bramstedt betrifft. Ich danke dafür.


Als Sammler von allerlei Antiquitäten finde ich diejenigen Objekte am interessantesten, welche sich durch Inschriften oder andere Merkmale mit konkreten Personen, Orten oder Situationen in Verbindung bringen lassen, oder für die, anders ausgedrückt, ihre ursprüngliche Provinienz bekannt ist. Im vorliegenden Fall geht es dabei um ein geschmiedetes, 85 cm. langes Waffeleisen, das ich vor kurzem in einem Möllner Antiquitätenladen erwarb. Der Verkäufer konnte mir über dessen Herkunft nur sagen, dass es seit über 40 Jahren in seinem Besitz gewesen sei.

Waffeleisen im aufgeklappten Zustand. Fotos: Mathias Nagel

Solche Eisen wurde vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert zunächst von Schmieden und später auch industriell im Eisenguss angefertigt. Im Prinzip funktionieren sie wie ein modernes, elektrisch betriebenes Waffeleisen, durch zwei erhitzte Metallplatten, zwischen denen der Teig gebacken wird. Das Eisen wurde auf offenem Feuer erhitzt, dann eingefettet und schließlich zum Backen verwendet. Dabei nutzte man die runden Metallflächen, um allerlei Muster, Symbole oder auch Inschriften auf das Gebäck zu prägen.

Prägeflächen des Eisens im aufgeklappten Zustand.

Bei diesem Eisen sind reichhaltige Gravuren, Punzierungen  und Schriftzüge zu erkennen. Da wie bei einem Siegel oder bei der Münzprägung der Abdruck im Gebäck spiegelverkehrt erscheint, muss jede Seite also zunächst gespiegelt werden, um die Bilder richtig herum zu sehen, bzw. die Schrift lesen zu können. Betrachten wir zuerst die linke Seite.

Linke Prägefläche des Waffeleisens, gespiegelt.

In der Mitte ist eine Arte Blüte um einen Punkt als Zentrum zu sehen, außerdem zwischen den Bütenblättern zwei Zweige und ein Pentagramm. Die übrigen Zwischenräume enthalten vier Zahlen, welche die Jahreszahl 1705 bilden, wobei die 7 und 5 seitenverkehrt geschrieben sind. Ähnlich einer Münze oder einem Siegel befindet sich am Rand eine Umschrift. Beginnt man links unten, stehen dort zwei Namen: CATARINA DITMERS und, davon durch drei Punkte abgetrennt, HANS FOSBEC. Wie schon bei den Zahlen ist das N im Namen HANS seitenverkehrt graviert.

Rechte Prägefläche des Waffeleisens, gespiegelt.

In der Bildfäche der rechten Seite erkennt man einen Hirsch und darüber einen kleineren Vogel. Der übrige Freiraum ist wieder mit stilisierten Zweigen ausgefüllt. In der Umschrift sind rechts oben beginnend ebenfalls zwei Namen eingraviert: BARTELT DITMER und, durch zweimal drei Punkte abgetrennt, HANS TRES. Letzterer Name ist eventuell abgekürzt, da sich der Graveur bzw. Schmied für den Namen BARTELT DITMER wesentlich mehr Platz genommen hatte. Auch hier erscheint das N im Namen HANS spiegelverkehrt.

Nun habe ich mich gefragt, ob sich über die vier genannten Personen im Zusammenhang mit der genannten Jahreszahl 1705 etwas herausbekommen lässt. Zunächst lag der Verdacht nahe, dass Bartelt Ditmer und Catarina Ditmers Eheleute gewesen sein könnten.[1] Ich suchte also im Internet unter verschiedenen Schreibweisen nach deren Namen und stieß auf eine Arbeit Hans Riedigers über die Bevölkerung des Kirchspiels Bramstedt im 17. und frühen 18. Jahrhundert[2]. Dort findet sich als Inhaber der Hufner-Stelle Nr. XV. in Bramstedt ein Bartholdt Dittmer, der sich am 23.11.1691 in zweiter Ehe mit Katharina Titken aus Föhrden (geb. 1667) verheiratete.[3] Einer weiteren Arbeit Riedigers zufolge hatte dieser Bartholdt Dittmer zuvor am 15.11.1680 Anna Schacke (geb. 1657, gest. 1690) in Bramstedt geheiratet.[4] Die Heirat ermöglichte ihm offenbar zwischen 1688 und 1690 die Übernahme der elterlichen Kate Anna Schackes. Bartholdt Dittmer stammte aus Kellinghusen und wurde am 2.6.1653 als Sohn des Detloff Ditman getauft. Vor seiner Kätner-Stelle hatte er lediglich eine Insten-Stelle inne.

Ihm war somit ein erheblicher wirtschaftlicher und sozialer Aufstieg vergönnt: Als ursprünglich besitzloser Inste, einer Art Tagelöhner, der in sich der Regel bei einem Hufner verdingte, wurde er zunächst Kätner (oder Koetener). Als solcher besaß er zwar seine Behausung und eine Ertragsfläche, doch reichte der Boden nicht aus, ihn und seine Familie zu ernähren.[5] Daher mussten Kätner zusätzlich entweder als Handwerker oder Tagelöhner für einen Hufner arbeiten. Mit der Übernahme der oben erwähnten Hufe Nr. XV. konnte Barthold Dittmer nochmals seine Lage verbessern, indem er jetzt genug Land besaß, um ihm und seiner Familie den vollen Lebensunterhalt ohne Nebenerwerb zu sichern. In der folgenden Zeit muss sein Ansehen in Bramstedt nochmals gestiegen sein, denn im Jahr 1700 wurde er zusammen mit Tim Langhinrichs, Marx Westphalen und Hinrich Stöcker zum Fleckensverwalter von Bramstedt gewählt.[6] Die Anfertigung eines Waffeleisens mit seinem Namen und dem seiner Frau könnte Ausdruck gestiegenen familiären Selbstbewusstseins gewesen sein. Jedenfalls waren Waffeln in der frühen Neuzeit kein Alltagsgebäck, sondern wurden nur zu bestimmten Gelegenheiten und Feiertagen, vor allem zum Jahreswechsel, gebacken und dann an Verwandte, Freunde und Nachbarn verköstigt.[7] So mögen auch die Ditmers in Bramstedt zu Neujahr in ihrem Umfeld Waffeln mit ihren Namen als repräsentatives Geschenk verteilt haben.

Über das Sterbedatum von Catarina und Bartelt Ditmer(s) ist den verfügbaren Arbeiten Riedigers nichts zu entnehmen. Da jedoch beide mehrfach als Taufpaten genannt werden, lassen sich daraus Termini post quem folgern: Für Catarina Ditmers ist es der 3. Februar 1729, wo sie unter dem Namen Trien Dittmers zusammen mit Margreta Mohren und Tews Ties als Patin von Cathrin Mohr auf ihrem ehemals elterlichen Hof in Föhrden genannt wird.[8] Dort wird auch ihr Ehemann als Barthelt Dittmer am 11.1.1719 gemeinsam mit Silie Rungen und Catharina Horens als Pate von Margreta Titken, der Nichte von Catarina Ditmers, zum letzten Mal genannt.[9]

Der auf dem Waffeleisen eingravierte Hans Fosbec ist wahrscheinlich identisch mit dem Kätner und Schmied Hans Vossbeck, welcher im Erdbuch des Amtes Neumünster für das Jahr 1709 in Großenaspe aufgeführt ist.[10] Vermutlich wird er das Waffeleisen geschmiedet haben. Das grobe Erscheinungsbild des Eisens, das stark vereinfachte und eher rohe Bildprogramm sowie die spiegelverkehrten Buchstaben und Zahlen würden jedenfalls gut zum Produkt eines ländlichen Grobschmieds dieser Zeit passen. Möglicherweise gab es auch eine Verbindung zwischen dem Ehepaar Ditmer und der Familie des Hans Fosbec. Darauf deutet die gemeinsame Patenschaft von Bartelt Dittmer und einer Marlena Fosbecks zusammen mit Harder Glöie für Harder Damman am 23.12.1707 in Bramstedt hin.[11]

Über den vierten Namen auf dem Waffeleisen, Hans Tres, der evtl. abgekürzt ist, konnte ich den zur Verfügung stehenden Quellen nichts entnehmen. Hier könnten umfangreichere archivalische Recherchen helfen, die vielleicht auch weitere Informationen über Hans Fosbec und die Ditmers zu Tage fördern.

Hamburg im September 2021, 

Mathias Nagel.

Für Ergänzungen, Anregungen und Fragen kontaktieren Sie mich gern:

Email: mathias.nagel@gmx.net     


[1] Die s-Endung des Familiennamens (bei Catarina Ditmers) ist bei Ehefrauen in dieser Zeit gängig, die auch in der Variante

-sche vorkommt. Bezogen auf Ditmer hieße sie dann z.B. die Ditmersche.

[2] Hans Riediger, die Bevölkerung des urholsatischen Kirchspiels Bramstedt vom Beginn des 30jährigen Krieges bis zum Ende des Nordischen Krieges, Hamburg 1937.

[3] Ebd. S. 41.

[4] Ders., Bramstedter Stellenverzeichnis als Manuskript gedruckt, ohne Erscheinungsjahr und –ort, S. 53.

[5] Hans Riediger, die Bevölkerung des urholsatischen Kirchspiels Bramstedt, S. 37.

[6] Hans Hinrich Harbeck, Chronik von Bramstedt, Johannesburg 1959, S. 175, hier genannt in derselben Schreibweise wie auf dem Waffeleisen als „Bartelt Ditmer“.

[7] Ernst Thiele, Waffeleisen und Waffelgebäck in Mitteleuropa, Köln 1959.

[8] Hans Riediger, Bauernhöfe und Geschlechter im altholsatischen Siedlungsgebiet des Kirchspiels Bramstedt, Bd. 1: Fuhlendorf, Föhrden-Barl, Wiemersdorf, Bad Bramstedt 1988, S. 239-240.

[9] Ebd.

[10] Hans Claußen, Viehirten in einem großen holsteinischen Bauerndorf, in: Heimatkundliches Jahrbuch für den Kreis Segeberg 1994, hrsg. vom Heimatverein des Kreises Segeberg e.V., Bad Segeberg 1994 (S. 35-41), S. 39.

[11] Hans Riediger, Bauernhöfe und Geschlechter im altholsatischen Siedlungsgebiet des Kirchspiels Bramstedt, Bd. 2: Armstedt, Borstel, Hardebek, Bad Bramstedt 1994, S. 18.

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