Kühl: Bad Bramstedt, wie es entstand, wuchs und wurde

Aus dem Nachlaß von Otto Schnepel jun. entstammt ein siebenseitiges Manuskript eines Artikels vom August Kühl von ca. 1936/7, in dem dieser die Geschichte Bad Bramstedts in der ihm eigenen leicht lesbaren Art übersichtlich darstellt. Wo die historischen Belege fehlen ergänzt er phantasievoll, was hätte sein können und formt so ein rundes Bild. Ob der Beitrag in den Bramstedter Nachrichten erschien, habe ich noch nicht feststellen können. Meine Anmerkungen in [ ] und einige Bilder habe ich hinzugefügt..

Bad Bramstedt, wie es entstand, wuchs und wurde.

von Konr. i. R.  A. Kühl, Bad Bramstedt.

Wann Bramstedt entstanden ist, darüber gibt es keine Urkunden. Seine Entstehung fällt in die vorgeschichtliche Zeit. Einen gewissen Anhalt, nicht dafür, wann es entstanden ist, wohl aber dafür, wann es schon vorhanden war, gibt uns der Urnenfriedhof, der vor Jahren zwischen den Strassen Unter der Lieth und der Rosenstrasse aufgedeckt wurde. Er enthielt Hunderte von Graburnen, alle mit einer Steinsetzung umgeben und meistens mit einem Deckelstein versehen. Vielfach scheinen die Urnen in zwei Schichten über einander gestanden zu haben. Form und Grösse der Urnen waren verschieden, der Inhalt war immer der gleiche: Asche und Knochenreste, wenig Beigaben, höchstens einmal eine eiserne, zu einem Lederriemen gehörige Schnalle oder ähnliches, | was der verstorbene am Körper getragen. Die meisten dieser Urnen sind bei der Bearbeitung des Bodens vom Spaten erreicht und zerstört worden. Der jetzt in den Siebzigern stehende Vater des Gärtners Biehl erzählte, dass er als grosser Junge mit seinem Vater dort gearbeitet habe. Sie hätten viele „Pött“ gefunden. Sein Vater habe ihn angefeuert, immer mehr derselben herauszuholen, vielleicht fände er noch einen, der mit Geld gefüllt sei. Aber der Inhalt sei immer der gleiche gewesen: Asche und Knochenreste. Steine wurden karrenweise aus dem Gelände abgefahren. Nach vollbrachtem Tagewerk brachte Herr Biehl jedesmal eine schwere Karre voll mit heim. Sie rührten wohl alle von den Steinsetzungen um die Urnen her, denn der Boden ist dort an sich nicht steinig. Später hat noch ein Herr vom Kieler Altertumsmuseum einige Urnen unversehrt gehoben. Er stellte fest, dass der Begräbnisplatz aus der Eisenzeit stamme. Das Gräberfeld dehnte sich nach Westen über die Strasse Maienbass bis in das Besitztum des Bauern Kohfahl [Maienbaß] aus, seine Ostgrenze lag etwa in der Mitte zwischen den Strassen Maienbass und Zum Liethberg. Das war also der erste und bekannt gewordene Bramstedter Friedhof, wahrscheinlich auch der letzte Bramstedter Heidenfriedhof, der solange benutzt worden ist, bis die Bramstedter christlich wurden und anfingen, ihre Verstorbenen unverbrannt bei der Kirche in die Erde zu senken. Aus der nicht mehr abzuschätzenden, aber unzweifelhaft sehr grossen Zahl der Urnen muss gefolgert werden, dass Bramstedt schon damals  – sagen wir vor 2000 Jahren  – eine ansehnliche Siedlung war.

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Mühlenstraße / Butendoor: links Bauernhof Siems, Mitte Brücke über den Kaffeegraben „Hogendoorsbrücke“

Da s ist an sich nicht verwunderlich. Das Gelände war zu einer Siedlung wie geschaffen. Es bot in erster Linie seinen Bewohnern Schutz gegen feindliche Angriffe. Im Osten und Norden floss die Osterau, im Westen und Südwesten die durch Zusammenfluss der Schmalfelder und Lentfördener Au entstandene Hudau. Nicht bloss die Auen waren Schutzwehren, sondern auch die von ihnen durchflossenen Wiesentäler. Erstere waren damals wesentlich wasserreicher, letztere waren vielfach sumpfig und nur für Ortskundige einigermassen gangbar. Durch die schmale Landbrücke im Südosten floss, aus dem moorigen Sumpfgelände zu beiden Seiten des Lohstücker Wegs kommend und von dort ständig mit reichlich Wasser versorgt, ein Bach, der sich zunächst der Osterau näherte, dann aber, sich westwärts wendend, der Hudau zufloss. Es bedurfte nur eines kurzen Durchstichs von der Osterau bis zu diesem, heute wegen seines braunen Wassers Kaffeegraben genannten Baches, und einer Verbreiterung und Vertiefung dieses Wasserlaufes, um Alt – Bramstedt zu einer Insel zu machen. Auch jenseits des Kaffeegrabens breitete sich eine sumpfige, das Herannahen eines Feindes stark behindernde Bruchlandlandschaft  aus. Wie günstig für die Verteidigung die Lage der Bleeck – Insel war, das zeigt in überzeugender Weise ein Blick von dem Garten des Bauern Max Fick [Mühlenstraße 25] und ebenso von der Wiese hinter der Post [Bleeck 31] über den Ort. Drei Zugänge hatte die Bleeck – Insel: die Furten durch die Osterau im Norden, durch die Hudau im Westen und durch den Kaffeegraben im Südosten. Sie wurden durch Tore, wohl nur Holzbauten, gesichert: das Beeckertor, das Hudetor und das Hohetor. Letzteres, die Furt durch den Kaffeegraben sperrend, wird nicht umsonst seinen Namen geführt haben;  hier war die schwächste Stelle der Wasserfestung, daher musste dieses Tor besonders fest und hoch sein.

Die Auen und Bruchgewässer, die von Fischen wimmelten, die Wiesen, die Sommerweide und Winterfutter für das Vieh lieferten, die Jenseits der Wiesen sich ausbreitenden Ländereien, die beackert werden konnten, und der auf den nördlichen Höhen wachsende Wald, der die Bewohner mit Nutz – und Brennholz versorgte, sowie die Möglichkeit, das ganze umliegende Gebiet für die Jagd auszunutzen, erhöhten den Wert der Siedlung.

So drängten sich auf der Bleeckinsel unsere Vorfahren zusammen, Haus an Haus entstand, alle mit ihren spitzen Giebeln dem freien Platz in der Mitte zugewendet [ob Kühl hier recht hat, bleibt zu prüfen], nicht wie in den Dörfern hier und da verstreut, wie es eben passte. Bald wies der Bleeck auf allen vier Seiten einen geschlossenen, nur den Zugang zu den Furten frei lassenden Häuserkranz auf. Der Raum in der Mitte blieb freier diente als Versammlungsplatz, als Thingstätte. Dort versammelten sich zu bestimmten Zeiten die Hausväter, um Streitigkeiten zu schlichten, rechtzusprechen, über das Wohl und Wehe der Siedlungsgemeinschaft zu verhandeln. Später nahmen wohl auch die allmählich in der Nachbarschaft entstehenden Gemeinden an den Beratungen teil. Das Bramstedter Thing erhielt besondere Rechte;  als Göding, wohl soviel als Götterthing, erstreckte sich sein Geltungsbereich über die ganze Umgegend, besonders weit nach Westen. [dazu gibt es detailliertere Kenntnisse als Kühls Kurzfassung]

Der Roland vor 1900

Der Roland vor 1900

Als der Wohnraum im Bleeck knapp wurde, da bauten weitere Familien sich hinter der ersten Häuserreihe an. So entstanden die beiden Hinterstrassen. Auch die später entstandene Mühle wurde innerhalb der Bleeck – Insel gebaut. Der freie Platz aber blieb als geheiligte Stätte [das ist wohl eine überzeichnete Kennzeichnung des Platzes] unbebaut. Als Wahrzeichen seiner Bedeutung erhob sich auf ihm später der Roland. [mit Heiligkeit hat der Roland nichts zu tun]

So lebten unsere Vorfahren in enger Gemeinschaft und in sicherem Schutz auf ihrer Insel mitten im Holstenlande dahin. Selbstverständlich wurde die Verbindung mit Sippe und Stamm gepflegt. Ein offenes Tor in die Welt hinein wird ihnen die Bramau gewesen sein. Vielleicht erklärt sich daraus auch, warum der Geltungsbereich des Göding sich besonders nach Westen ausdehnte. Auf Einbäumen [Vermutung?], die später flachgehenden Kähnen Platz machten, ging es westwärts, von der Bramau in die Stör, stromab, stromauf. Auf demselben Wege werden die Bewohner Westholsteins ostwärts nach Bramstedt gefahren sein, besonders, wenn es galt, vor dem Göding zu erscheinen. Und als dann in den Zeiten der Völkerwanderung die Angeln und Sachsen aus unserm meerumschlungenen Heimatlande ihre Raub – und Kriegszüge, die schliesslich zu Siedlungsfahrten wurden, nach Britannien unternahmen, da werden auch die Bewohner Bramstedts davon nicht unberührt geblieben sein. Von Abenteuerlust getrieben, wird dieser und jener Bramstedter auf schwankem Kahn westwärts gesteuert sein, um sich den Stammesgenossen, die sich auf seetüchtigen Fahrzeugen an den Flussmündungen zur Fahrt über die Nordsee sammelten, anzuschliessen. Wenn das Glück ihnen hold war, dann kehrten die im Frühjahr Ausgezogenen im Herbst wieder heim, zeigten stolz ihre Beute, erzählten von Gefahr und Not, von Glück und Sieg, setzten im Winter Fahrzeug und Waffen instand, und wenn die Sonne höher stieg, dann ging es wieder hinaus nach Westen, und mancher neue Genosse begleitete sie. Als aus den Kriegszügen Siedlungsfahrten wurden, da zog mancher junge Bramstedter und manche junge Bramstedterin, denen die Bleeckinsel zu eng geworden, auf Nimmerwiedersehn übers Meer ins schöne Land der Briten. [Kühl kann seine Phantasien hier schön beschreiben  und füllt so die Lücken, für die die Forschung keine Belege hat.]  150 Jahre hielten diese Wanderzüge an.

So ging es in Bramstedt, so war es überall in ganz Schleswig – Holstein. Das Land wurde entvölkert, die Volkskraft geschwächt. Fremde Völker drangen  in die menschenarmen Gebiete ein. Aus Mecklenburg und Pommern vordringend besiedelten die slavischen Wenden erst Lauenburg, dann ganz Ostholstein. Schwentine, Trave, Bille wurden die Grenze zwischen Holsten und Wenden. Von den Zeiten Karls des Grossen an, der es nicht ungern sah, dass die von ihm bekämpften Sachsen auch noch gegen eine zweite Front sich zu wehren hatten, gingen die Wenden über diese Grenze hinaus. Bis Bornhöved und bis in die Mitte des Kreises Segeberg trieben sie ihre Siedlungen vor, und ihre Raub – und Beutezüge erstreckten sich durch ganz Holstein bis nach Dithmarschen hinein. Das ganze Jahrhundert von 1000 – 1100 ist angefüllt mit Greueltaten der Wenden im Lande der Holsten. Das nordelbingische Land hatte in der Zeit weder Kirchen noch Priester. Jene wurden verbrannt, diese vertrieben oder ermordet. Denn wie alles Deutsche hassten sie das Christentun, mit dessen Vordringen, wie sie mit Recht fürchteten, sie den Deutschen lehnspflichtig wurden. Wie oft mögen damals die Wenden sich auch an Alt – Bramstedt herangeschlichen, die Felder verwüstet, das Vieh, soweit man es nicht hatte bergen können, hinweggetrieben haben. Dann flüchtete sich alles auf die Bleeck-lnsel, die Tore wurden besetzt, die Auen bewacht. Ob Bramstedt mit seiner Verteidigung immer Erfolg gehabt hat, wissen wir nicht, es ist aber sehr wohl denkbar, dass die Wenden, statt sich in eine längere Belagerung einzulassen, bald weitergezogen und über die offenen Dörfer, wo sie jeglichen Widerstand leicht überwinden konnten, hergefallen sind. Erst 1105, als der Wendenfürst Kruko, der grimmigste Deutschenhasser, ermordet wurde, trat eine Aenderung ein. Der 1106 mit dem Herzogtum Sachsen belehnte Lothar von Supplinburg ernannte den Grafen Adolf von Schauenburg 1110 zum Grafen von Holstein und Stormarn, die slavische Flutwelle ebbte zusehends ab.  –

Wann wurden unsere Vorfahren Christen? Der südlich von Bramstedt liegende Wodansberg bewahrt noch heute die Erinnerung an jene Zeiten, da die Bramstedter ihren Göttern opferten. Unter Karl dem Grossen kamen die ersten christlichen Sendboten nach Nord – Elbingien. In Meldorf und Schenefeld entstanden Kirchen. Unter Ludwig dem Frommen wirkte Ansgar erst in Schleswig, dann in Schweden, und von 834 – 845 als Erzbischof in Hamburg. In diesen Jahren veranlasste er den Bau mehrerer Kirchen in Holstein. Wenn Professor Sach ihm die Gründung von Gotteshäusern in Kellinghusen, Wipenthorp  – dem heutigen Neumünster  – und Bramstedt zuschreibt, so dürfte das grosse Wahrscheinlichkeit für sich haben. Wenn Ansgar in das Innere von Holstein vordringen wollte, so war das am leichtesten auf dem Wasserweg Elbe – Stör möglich. Er hatte dabei noch den Vorteil, dass die Kaiserliche Burg im heutigen Itzehoe, die Esseshöhe, ihm als Stützpunkt dienen konnte und dass er im Münsterdorfer Kloster land – und sprachenkundige Führer fand. Mit ihnen fuhr er die Stör aufwärts, nach Kellinghusen, nach Wipenthorp, und auch auf der Bramau nach Bramstedt.  [hier bewegt sich Kühl sehr in Vermutungen]

Die hier vorhandene starke Siedlung forderte doch geradezu seine Missionstätigkeit heraus. Selbstverständlich wurde er nicht mit offenen Armen, sondern mit viel Widerstand und Misstrauen empfangen. Eine Kapelle in der Bleecksiedlung zu erbauen, wird sich als unausführbar erwiesen haben, einmal wegen der Einstellung der Bewohner zur neuen Lehre, und dann, weil dort schon alles bis auf den geheiligten Thingplatz bebaut war. Er musste froh sein, wenn ihm gestattet wurde, die Kapelle ausserhalb des Ortes, vielleicht auf den sogenannten Kapellenhöfen, zu errichten. Diese Gedankengänge haben unzweifelhaft sehr viel Wahrscheinlichkeit für sich, wenn sie sich dokumentarisch auch nicht belegen lassen. Dass dieses erste Gotteshaus in der Zeit der Wendeneinfälle zerstört wurde, braucht wohl kaum erwähnt zu werden.

Ein Wendepunkt in der Geschichte Holsteins und damit auch Bramstedts ist die Regierungszeit des Kaisers Lothar, des schon erwähnten Sachsenherzogs. Unter ihm wirkte hier der Apostel Vizelin. Lothar regierte zwar nur 12 Jahre, von 1125 – 1137, aber seine Fürsorge machte diese Jahre für Holstein zu einer entscheidungsvollen Zeit. Es sei nur erinnert an die Erbauung der Siegburg auf dem Segeberger Kalkberg, die zur Zwingburg gegen die Wenden wurde. Nach Lothars Tod entstanden Streitigkeiten um seine Nachfolge, in deren Verlauf der Schauenburger Adolf II aus dem Lande getrieben wurde.

Seinem Nachfolger Heinrich von Badewide gelang es. das ganze ostholsteinische Wendenland zu erobern, und als dann das Blatt sich wendete und Adolf II wieder als Graf von Holstein zurückkehren konnte, da blieb ihm nur die Aufgabe, das eroberte Gebiet zu besiedeln;  Holsten, Westfalen, Friesen, Holländer wurden ins Land gerufen. Bald nach Vizelins Tod wird auch in Bramstedt ein neues Gotteshaus erbaut worden sein, an der Stelle, wo es noch jetzt steht. [reine Vermutung, die jetzige Kirche ist eher Mitte des 13. Jahrhundert zu datieren]

Die Neumünstersehen Mönche hatten die Kunst des Ziegelbrennens aus dem Süden nach unserer nordischen Heimat verpflanzt;  aus Ziegelsteinen grossen Formats, den sogenannten Mönchsziegeln, wurde der Bau aufgeführt. Viele Ortschaften verdanken dem Bau einer Kirche oder dem Vorhandensein einer Burg ihre Entstehung. Die ersten Ansiedler bauten sich um diese Gründung herum an. Bei Bramstedt war es anders. Die Altstadt, wenn man so sagen darf, war das Ursprüngliche, das bereits Festliegende, und das Gotteshaus konnte nur ausserhalb dieser Altstadt erbaut werden.

Die ruhigeren Zeiten nach der Bezwingung der Wenden veranlassten die Bramstedter, sich nun auch ausserhalb der Bleeckinsel anzusiedeln. Man baute sich um die Kirche herum an und nannte diesen Ortsteil auch Bleeck, wohl soviel als Flecken, nach seiner Lage bei der Kirche aber Kirchenbleeck. Allmählich wuchsen auch Maienbeck und Landweg heran, sowie ausserhalb des Hogendoors die Bauernsiedlung Butendoor. Letztere bewahrte fast bis in unsere Tage nach Anlage der Häuser und Artung der Bewohner den Charakter eines kleinen Bauerndorfes. Im Kirchenbleeck, Landweg und Maienbeck mischten sich unter die Bauern nach und nach auch Gewerbetreibende, die freilich daneben wohl fast alle etwas Landwirtschaft betrieben, wenn sie auch kein Gespann hielten.

Die nun überflüssig gewordenen Tore verfielen und verschwanden, neben den Furten entstanden Stege für Fussgänger, die bald durch hölzerne Brücken ersetzt wurden. Schon unter den Schauenburgern, mehr noch unter Ihren Nachfolgern, den seit 1460 über Schleswig – Holstein regierenden Königsherzogen aus dem Geschlecht der Oldenburger, entwickelte sich die durch Bramstedt führende Nord – Süd – Strasse zu einem wichtigen Verkehrsweg, von Jütland über Flensburg und von den dänischen Inseln über Kiel nach Hamburg. In dem freien Gelände teilten die befahrenen Wege sich vielfach;  nördlich von Bramstedt führte ein Zweig über Fuhlendorf, Wiemersdorf, Brokenlande, ein anderer über Gayen, Grossenaspe, Boostedt nach Neumünster, südwärts von Bramstedt fuhr man entweder über die Hambrücke, über die Hohenstegener  – und die Krumbecksbrücke nach Kaltenkirchen zu oder über die Hudaubrücke und dann unweit der Lentföhrdener Au auf dem jetzt noch vielfach so genannten Ochsenweg, Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, dass die Fuhrleute im Sommer den niedrig gelegenen Weg vorzogen, während sie in der schlechten Jahreszeit die höher liegenden Sandwege vorzogen. So würde sich auch der Strassenname Sommerland erklären. In Bramstedt vereinigten sich beide Wege, well hier die Furten, beziehungsweise die Brücken passiert werden mussten. Die Frachtwagen machten mit der Zeit den Bau von starken Brücken erforderlich. Daneben blieben die Furten, von denen die letzten erst in unserer Zeit verschwunden sind, bestehen. Auch die Anfahrt zu den Brücken musste befestigt werden. Im Kirchenbleeck lagen in etwa einem Meter Tiefe, eingesunken in schwarze, morastige Wiesenerde, in der Längsrichtung der Strasse aneinandergereiht, lange starke Eichenstämme. Sie wurden gegen Ende des vorigen Jahrhunderts freigelegt. Sollten diese Stämme nicht die Lager für einen Knüppeldamm gewesen sein, auf dem die schweren Wagen ihren Weg zur Brücke nahmen? Erst viel später wurde der Weg durch Aufschüttung erhöht, und befestigt. Aehnlich lagen die Verhältnisse im Bleeck, der bei Hochwasser oft überschwemmt wurde. Noch um 1700 schreibt Jürgen Fuhlendorf in seinen Erinnerungen, dass einmal im Frühjahr das Wasser so hoch gestanden habe, dass man von seinem Hause – jetzt Rolandseck – nach Butendoor mit einem Kahn habe schippern können. Ja, so hoch war das Wasser, fügt er hinzu, „dass gar ein Fisch gesehen wurde auf des Schmittes Lüders sein Dehle“. Diese Strasse wurde von den Königherzögen, wenn sie als deutsche Reichsfürsten zu den alljährlichen Reichstagen aus ihrer nordischen Residenz gen Süden über die Elbe zogen, regelmässig benutzt. Auf alten Karten trägt sie daher den Namen via regia, Königsweg. Im Volksmunde hiess sie wegen der vielen Ochsentriften, die in jedem Herbst auf ihr südwärts wanderten, der Ochsenweg.

Noch eine zweite Handelsstrasse führte im Mittelalter über Bramstedt. Sie verband Nordsee und Ostsee, ähnlich derjenigen von der sich in die Eider ergiessenden Treene nach Haithabu und Schleswig. Die betriebsamen Brabanter Kaufleute fuhren von der Elbe in die Stör und dann die Bramau hinauf bis Bramstedt. In der Hudau gingen sie mit ihren flachen Kähnen vor Anker (Hude soviel als Hafen; man denke an Winterhude, Harwestehude, Buxtehude) auf der Gooswisch – Hausgrundstück von Dr. Johannssen [Glückstädter Straße 6] – hatten sie ihren Stapelplatz. [Quelle dieser Angaben nennt Kühl hier nicht]

Von hier gingen die Waren auf Lastwagen durch die Heide nach Oldesloe zur Trave. Dort gibt es noch heute eine Hude, wo einstmals die Schiffe anlegten, um die Güter nach Lübeck zu bringen, von wo sie ihren Weg auf seetüchtigen Fahrzeugen weiter über die Ostsee nahmen, nach Königsberg und Riga, nach Kopenhagen und Wisby. Unter dem Roland, wo die Ost-West- und die Nord-Süd-Strasse sich kreuzten, wurde manches Handelsgeschäft abgeschlossen. Was dort mit Handschlag bestätigt wurde, galt als rechtsgültig abgemacht. Das geht auch hervor aus einem im Jahre 1652 ergangenen Bescheid des König-Herzogs, worin den Bramstedtern bewilligt wird, “einen erhöhten Roland auf einem grünen Anger am offenen Wege nach Hamburg zu errichten, worunter die Brabantischen Kaufleute und Ochsenhändler ihre Kontrakte schliessen und rechtlicher Entscheidung gewärtig seien.“ So war unser Roland der erste amtlich berufene Notar in Bad Bramstedt.

Obgleich Bramstedt im Schnittpunkte dieser beiden wichtigen Handelswege lag, blieb es, was es immer gewesen war: ein grosses Bauerndorf. Nur eine Fuhrrolle mit dem Kirchspielvogt als Morgensprachherrn entstand schon früh im Ort, Stellmacher und Schmiede fanden reichlich Beschäftigung, Brauereien und Brennereien machten gute Geschäfte, und fast Jedes zweite Hans war eine Schenke. Vor 50 Jahren zählte man deren noch 40. Im übrigen blieb aber die Landwirtschaft neben dem für den örtlichen Bedarf arbeitenden Gewerbe der Haupterwerbszweig. Um mehr Acker- und Weideland zu gewinnen, wurden Entwässerungen und Rodungen vorgenommen. Ersteres galt für Karkenmoor und Moorstücke im Osten, die Bruchländereien am Lohstückerweg und nach Segeberg hinaus im Südosten, letzteres für die bewaldeten Höhen im Norden. Trotzdem waren die Erträge gering. Man sehe sich nur die alten Bauernhäuser, von dennoch einige stehen – Zimmer im Bleeck [Bleeck 23], Gripp in Butendoor [Butendoor 9] – an, wobei man sich die in der Neuzeit angebauten Ställe und Scheunen hinwegdenken muss, und man bekommt einen Begriff von dem, was früher an Vieh gehalten und an Heu und Korn geerntet wurde. Da standen an der Diele vielleicht 5 Milchkühe und 2 Pferde, und die ganze Ernte fand auf dem Hausboden Platz. Jetzt hat derselbe Bauer etwa 12 – 15 Milchkühe neben zahlreichem Jungvieh, und Scheune und Schuppen fassen dreimal so viel als der alte Dachboden.  –

Bis 1833, dem Jahre der Vollendung der Altona-Kieler Chaussee, scheint der Umfang Bramstedts sich wenig verändert zu haben. Es blieb bis dahin ein einigermassen geschlossener Ort mit Bleeck, Kirchenbleeck, Maienbeck, Landweg, Butendoor und teilweise Hinter den Höfen. Auch dann ging es nur langsam vorwärts. 50 Jahre später standen an der Altonaer Strasse und am Kieler Berg einige vereinzelte Häuser, und in der Strasse Hinter den Höfen war die Nordseite einigermassen geschlossen bebaut. Aber in den dann folgenden 50 Jahren hat Bramstedt wesentlich an Ausdehnung zugenommen. Die Gründe dafür liegen einmal in der Entwicklung zum Kurort, dann in dem Anschluss an, den Eisenbahnverkehr und endlich in dem Aufblühen der Landwirtschaft, bedingt durch den Ausbau der Wiesen mit künstlicher Bewässerung, den Gebrauch des künstlichen Düngers, die Verwendung verbesserter Ackergeräte und Maschinen, die Bildung der Meiereigenossenschaft u. a. mehr. Es war selbstverständlich, dass Handel und Gewerbe ebenfalls an dieser Aufwärtsbewegung teilnahmen.

Die Bautätigkeit des letzten halben Jahrhunderts zeigte sich in der geschlossenen Ortschaft zur Hauptsache in Erneuerungen und  – Umbauten, während die eigentliche Neubautätigkeit sich mehr in der Peripherie entwickelte.

Unter der Lieth um 1930

Unter der Lieth um 1930

Der Versuch, durch Ausbau der Strasse Unter der Lieth Baugelände in nächster Nähe des schon vorhandenen Stadtkerns aufzuschliessen, hatte bis jetzt nur geringen Erfolg. Dagegen entstanden an der Kieler, Altonaer, Glückstädter, Segeberger und Bimöhler Strasse, am Dahlkamp, in Sommerland, Düsternhoop, am Schlüskamp, an der Kurhausstrasse und am Strietkamp ziemlich geschlossene Häuserreihen, und ausserdem wuchsen der ganzen Feldmark, auch auf dem früheren Hoffeld, überall Gehöfte empor. Mit der Ausdehnung des Ortes hat auch dessen Einwohnerzahl sich vergrössert. 1867 hatte Bramstedt 2200 Einwohner. Jetzt mögen es etwa 3300 sein. Verglichen mit dem stark gewachsenen Siedlungsraum ist das keine sehr grosse Zunahme. Es ist aber zu bedenken, dass man früher viel geringere Ansprüche an Wohnung und Wohnraum stellte. Eine Küche, die gleichzeitig als Flur diente, eine Wohnstube mit Wandbetten, und die Wohnung war fertig. Wie viele Häuser gab es vor 50 Jahren, in denen 3 – 4 solcher Wohnungen vorhanden waren. Was jetzt an Wohnungen, auch in Mietshäusern, vorhanden ist, das ist geräumiger, luftiger und heller. Und was für die Wohnungen gilt, das trifft auch für die Arbeitsräume und Viehställe zu.

Zu der Siedlung nach aussen kommt noch eine Umsiedlung im Stadtinnern. Früher stand im Bleeck, im Kirchenbleeck, in den dem Kirchenbleeck zunächst liegenden Teilen von Maienbeck und Landweg wie auch in Butendoor ein Bauernhaus neben dem andern. Das ist erst in den letzten 50 – 60 Jahren anders geworden. Im Bleeck sind verschwunden die Bauernstellen von Rathjen (Jetzt Fülscherscher Lagerplatz) [Bleeck 4], Schlüter (Gasthof Rolandseck) [Bleeck 2], Holsteinisches Haus (das Land ist verkauft) [Bleeck 1], Langhinrichs (Gasthof zum Wappen) [Bleeck 9], Dr. Sattler (Postgebäude) [Bleeck 33], Hesebeck (Tankstelle), [Bleeck 35], Peiserich (Kaufmann Andresen) [Bleeck 30], Siems (Haus niedergelegt, Land verkauft) [Mühlenstraße 27], Fuhlendorf (Land verkauft) [Bleeck 26], Gutshof (Landjahrheim) [Bleeck 16], (Gärtnerei), im Kirchenbleeck und Maienbeck Stegemann (Eisenbahnbeamter Meyer) [Kirchenbleeck 3], Micheel (Autogeschäft Küchel) [Kirchenbleeck 5], August Schmidt (Zimmermstr. J. Schmidt) [Kirchenbleeck 9], Gosau=Wrage (Amtsgericht) [Maienbeeck 1], Dehn (Dünger=u. Feuerungshandlung von H. Dehn) [Liethberg 2], M. Runge (Gastwirt Lembcke)

[Maienbeeck 2-4], Huss (Verbrauchergenossenschaft) [Maienbeeck 13], Bassmann (Land verkauft, Haus vermietet) [Maienbeeck 8],

Maienbeeck 8, Bassmann vor 1949

Maienbeeck 8, Bassmann vor 1949

J. Mohr (Kaufmann C. Seller) [Landweg 9], im Landweg Gau (Schuhgeschäft Wallinger) [Landweg 5], Bracker (Tischlermstr. Kaistra) [Landweg 7], Johs. Lamaack (Kaufmann J. Seller) [Landweg 13?], P. H. Kock (Kaufmann W. Horst) [Landweg 2], E. Schmidt (Gastwirtschaft zur Mühle) [Landweg 6], Jul. Lamaack (Sattlermstr. Schreyer) [Landweg 10], H. Lahann (Maschinenschlosserei Oesler) [Landweg 22], die Bähsesche Landstelle (Dr. Anders) [Schlüskamp 3?], das Mühlengut. Nicht mit aufgezählt sind dabei die zahlreichen landwirtschaftlichen Kleinbetriebe, in denen nur einige Kühe gehalten wurden, die aber ohne eigenes Gespann wirtschafteten. Im Kirchenbleeck wohnt Jetzt kein einziger Bauer mehr, ebensowenig in Maienbeck, im Landweg gibt es noch 4, im Bleeck noch 2 Bauern [Zimmer, Köhncke]. Um die Kirche herum haben landwirtschaftliche Nebengebäude sich vielfach in Geschäftshäuser verwandelt. Das Oertlingsche Haus [Kirchenbleeck 1] war Stegemannsche Scheune, das Bürohaus von Dr. Johannssen [Kirchenbleeck 9] Abschiedshaus der Schmidtschen Bauernstelle, das Steigersehe Haus [Kirchenbleeck 17, nicht mehr existent] desgleichen vom Stühmerschen Landbesitz, das Haus von H. Paustian [Maienbeeck 3?] gehörte als Scheune zur Stelle von Gosau=Wrage, aus der Scheune von P. H. Kock wurde das Wohnhaus des Baumeisters H. Horst [An der Kirche] , aus der von J. Mohr das E. Werk [Kirchenbleeck 4].

So haben die Strassen um die Kirche herum und auch der Bleeck in reichlich einem Jahrhundert völlig ihren ursprünglichen Charakter verloren: während ihre Bewohner früher vorwiegend Landwirtschaft betrieben, ernähren sie sich heute fast ausschliesslich durch bürgerliche Gewerbe. Für den Bleeck ist dies nicht so auffällig, weil schon früher manche der dort belegenen Häuser anderen als landwirtschaftlichen Zwecken dienten.

Die Bauernhäuser sind verschwunden oder umgebaut, wo ist aber das Bauernland geblieben? In den Jahrzehnten um die Jahrhundertwende, als der Grundstückhandel blühte und die Parzellierungen an der Tagesordnung waren, ist ein grosser Teil des Bauernlandes in andere Hände übergegangen. Die gebliebenen Landleute haben die Gelegenheit benutzt, um durch Zukauf, Tausch und Verkauf ihre Stellen zu verbessern. Mancher kleine Besitzer wurde durch Zukauf von Ländereien zum Gespannhalter, vereinzelt wurde es möglich, die Bauernstelle so zu vergrössern, dass sie unter zwei Söhne geteilt werden konnte. Die Wirtschafts- und Wohngebäude der neu entstehenden Bauernstellen wurden aber nicht inmitten des Orts, sondern am Rande desselben, öfters ganz für sich liegend, aufgebaut: an der Brokstedter Chaussee [Schäferberg], nach Bimöhlen, nach Hasenmoor hinaus, an der Altonaer Strasse, in Bissenmoor.

So vollzieht sich in unserm Städtchen allmählich eine örtliche Scheidung der Erwerbszweige. Die landwirtschaftlichen Betriebe wandern nach aussen und im Stadtinnern entsteht ein Geschäft nach dem andern. Damit ist beiden Teilen gedient: ein Geschäftshaus mit gut ausgestattetem Schaufenster gehört dahin, wo der Verkehr am lebhaftesten ist, dort erfüllt es am besten seine Aufgabe; und wenn der Landmann draussen in der Nähe seiner Aecker wohnt, so ist ihm das nicht bloss angenehm, sondern es bringt ihm auch manche betriebswirtschaftlichen Vorteile, er kann sich vor allen Dingen besser rühren.

In alten Zeiten war Bramstedt nichts anderes als ein grosses Bauerndorf. Jetzt hat es mehr den Charakter einer Kleinstadt, wenn auch das Weiträumige nicht ganz dazu passen will. Der starke ländliche Einschlag aber ist geblieben, wenn er auch nicht so zutage tritt wie früher, und er wird auch künftig bleiben, selbst wenn der letzte Bauernhof aus dem Stadtinnern verschwunden.

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