Klebe: Julius Struve, Maler, Photograph und vieles mehr

Zwei Personen haben in den Jahrzehnten vor und nach dem Jahrhundertwechsel 1900 das kulturelle Leben (und vieles mehr) maßgeblich in Bad Bramstedt mitbestimmt: Der Lehrer und Organist August Kühl und der Maler und Photograph Julius Struve.
In 2008 veröffentlichten Werner Janssen und Werner Klebe zum 150jährigen Jubiläum des Bad Bramstedter Männerchores im Sommerland-Verlag eine Chronik, in der Werner Klebe ausführliche Biographien dieser beiden Männer recherchiert hat. Freundlicherweise gestattet er mir, diese hier auch für das Internet zu veröffentlichen.

Die genannte Chronik ist im Bad Bramstedter Buchhandel oder über den Männerchor zu beziehen.

Juliues Struve

Juliues Struve

Julius Struve

Julius Struve wurde am 17. Januar 1865 in Kaltenkirchen geboren. Er war ein Sohn des heute längst vergessenen holsteinischen Dichters und Amtsgerichtssekretärs Johann Reimer Struve, der seit 1871 in Bramstedt lebte, auch schon in der hiesigen Liedertafel sang und hier am 14. Februar 1878 im 46. Lebensjahr verstarb. Julius Struve ist also praktisch in Bramstedt aufgewachsen und ging hier zur Schule. Er war künstlerisch sehr begabt und machte diese Begabung zu seinem Beruf. Über seine Ausbildung ist nichts bekannt; aber danach ging er auf Wanderschaft und übte seinen Beruf in Wien, Krakau, Bukarest und anderen Städten Südost-Europas aus. Etwa 1892 kam er nach Hamburg und trat dort dem Gesangverein Eintracht von 1885 bei.

Und dann kehrte er nach Bramstedt zurück. Im November 1896 kaufte Julius Struve an der Rosenstraße (damals noch Hinter den Höfen) einen Bauplatz für 1.200 Mark, um darauf ein Wohnhaus mit Atelier zu bauen. Schon bald warb er für seine Dienste als Kunstmaler und Fotograf. Er bot an, Porträts bis zur Lebensgröße nach jeder Fotografie zu zeichnen und zu malen. So lange sein eigenes Geschäft noch nicht fertig war, stellte er seine Werke in anderen Bramstedter Geschäften aus. Dazu kamen dann sämtliche Leistungen eines Fotografen. Man ließ sich fotografieren bei familiären Anlässen wie Hochzeiten, man ließ Bilder von sich selbst machen, von der Familie, von den Kindern, immer im Sonntagsstaat, immer kunstvoll drapiert und gut ausgeleuchtet. Fotografieren war noch nichts für den Hobbymarkt. Er machte auch viele Aufnahmen im Ort, ließ die Bewohner vor ihren Häusern posieren, machte Postkarten davon. Viele dieser Aufnahmen hat Jan-Uwe Schadendorf in sein Buch „Alt-Bramstedt im Bild“ (1978) aufgenommen.

Annonce_v._29.11.1902_450_Bei der Generalversammlung am 14. März 1897 wurde Julius Struve als aktives Mitglied in die Liedertafel aufgenommen. Er war ein großer Gewinn für den Verein, einmal in musikalischer Hinsicht. Er war ein sehr guter 1. Tenor, trat auch gelegentlich solistisch auf, später auch im Duett mit seiner Frau. Seine besondere Liebe galt dabei dem Tiroler Lied, das er auf seinen Reisen an Ort und Stelle kennengelernt hatte. Er war aber auch sonst im Verein aktiv. Auch wenn er vor dem Ersten Weltkrieg noch keinen Vorstandsposten bekleidete – mit Ausnahme als Schriftführer im provisorischen Vorstand, der im Januar 1906 wiederbelebten Liedertafel, so war er doch schon tätig als Revisor und als Delegierter auf Sängerfesten und Sängerbundestagen. Vor allem brachte er sein Organisationstalent ein in Festkomitees zur Vorbereitung geselliger Veranstaltungen des Chores und malte auch die Kulissen für Theateraufführungen. Nach dem Ersten Weltkrieg übernahm er das Schreiben der Vereinschronik und hinterließ aus dieser Zeit sehr ausführliche Berichte über das Vereinsleben. Im Februar 1922 wurde Julius Struve als zweiter Vorsitzender der Liedertafel (des Gesamtvereins) und damit als Vorsitzender der Sänger gewählt. Er behielt dieses Amt und füllte es mit Leben aus bis zum Januar 1933, wo er selbst darum bat, davon entbunden zu werden. Die Liedertafel würdigte seine wesentlichen Verdienste um den Verein, in dem sie ihn zum Ehrenvorsitzenden ernannte. In der gleichen Generalversammlung wurde er auch mit der Ehrennadel des Deutschen Sängerbundes für 40-jährige Mitgliedschaft geehrt.

Nicht nur die Liedertafel profitierte von Julius Struves Mitgliedschaft. Auch in anderen Bramstedter Vereinen war er tätig, und „tätig“ ist hier wirklich wörtlich zu nehmen. Kurz nach seiner Rückkehr nach Bramstedt wurde er Mitglied der Bramstedter Turnerschaft und gehörte fast von Anfang an dem Vorstand an. Zunächst war er 1898 für kurze Zeit deren Kassenwart, dann etwa 25 Jahre Schriftführer, und im Januar 1928 wurde er zum stellvertretenden Vorsitzenden ernannt. Außerdem vertrat er von da an den Verein im Ortsausschuss für Jugendpflege. Er fertigte auch den Entwurf für das Banner der B.T. von 1928. Und er stellte im Mai 1912 bei der Liedertafel den Antrag, dass diese der B.T. zwei Anteilscheine für den Turnhallenbau schenken solle, was auch angenommen wurde.

Als offenbar guter Schütze gehörte Julius Struve auch dem Schützenverein Roland an. Er war dort zeitweise zweiter Vorsitzender und zweiter Schriftführer. Er machte sich unter anderem verdient um die Organisation von Schützenfesten.

Julius Struve

Julius Struve

Eine besondere Herzensangelegenheit muss Julius Struves Mitgliedschaft und Mitarbeit im Kriegerverein gewesen sein. Er wurde dessen Vorsitzender. Mitglied konnte werden, wer seinen Militärdienst abgeleistet hatte. Wo und wann Julius Struve dies tat, ist nicht bekannt. Aber nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges (1. August 1914) meldete er sich als fast 50-Jähriger sofort freiwillig zum Heer. Vom 30. August 1914 bis zum 1. August 1916 diente er als Unteroffizier im Ausbildungspersonal eines Ersatzbataillons in Neumünster und wurde dort zum Vizefeldwebel befördert. Bald nach dem Krieg wurde er zum Ehrenvorsitzenden ernannt. Er blieb aber weiterhin sehr aktiv, hielt Begrüßungsreden, arbeitete auf Kreisebene mit. Und er gehörte zu den Initiatoren und Wegbereitern des Bramstedter Kriegerdenkmals, das dann am 2. November 1924 im Herrenholz geweiht wurde. 90 Namen von Gefallenen tragen die Tafeln, „unsere Helden“, wie es damals hieß. Sie hätten gern auf diesen Status verzichtet. Liedertafel und MGV Eintracht umrahmten die Feier mit Gesangsbeiträgen. Im Januar 1927 wurde Julius Struve für die langjährige Mitgliedschaft mit dem Kriegervereinsehrenzeichen ausgezeichnet. Und im Sommer 1927 verlieh ihm der Kriegerverein in Anerkennung seiner Verdienste um den Verein das Ehrenkreuz erster Klasse.

Damit ist die Aufzählung seiner Ehrenämter noch nicht beendet. Julius Struve gehörte dem Kuratorium der Höheren Privatschule Bad Bramstedt (jetzt Jürgen-Fuhlendorf-Gymnasium) an vom 22. September 1911 bis zu den Ersatzwahlen am 16. April 1920. Im Jahre 1917, nachdem es eine Zeit lang wegen Einberufung des bisherigen Stelleninhabers zum Heeresdienst keinen Turnunterricht für die Knaben gegeben hatte, übernahm er freiwillig diesen Unterricht bis Ostern 1920. Die Schule war ihm sehr dankbar dafür.

Ab September 1920 war er Mitglied des Programmausschusses der Vereinigung für freies Bildungswesen.
Ende Februar 1921 trafen die Bramstedter Notgeldscheine ein. Sie waren von Julius Struve entworfen worden und trugen Verse von August Kühl. Man kann sie noch heute in Vitrinen im Schloss sehen.
Er war Mitglied der städtischen Wohnungskommission. Im August 1927 bat er, hieraus entlassen zu werden.

Er organisierte das Bramstedter Heimatfest vom 25. bis 27. Juli 1925.
Er schuf die Kulissen für die Aufführung von August Kühls „Edelmann un Buern“ im August 1909. Auch das Bühnenbild bei der Aufführung des Schauspiels über Uwe Jens Lornsen, das bei der Erhebungsfeier im März 1928 aufgeführt wurde, stammte von ihm.

Notgeld Bad Bramstedt

Dann war er auch noch als Fachlehrer an der Bramstedter Berufsschule tätig, besuchte auch hierfür erforderliche Kurse. In den Rahmen des Berufsschulbetriebes gehörte auch eine im Winter 1927/28 gegründete Malerfachschule unter der Leitung von Julius Struve. Jeweils im Januar/Februar kamen etwa 20 junge Leute zu einem Kursus zusammen, der in Struves Atelier stattfand. Die dabei gefertigten Arbeiten wurden anschließend ausgestellt und fanden allgemeine Anerkennung.

Und schließlich war da ja auch noch der Mensch und Geschäftsmann Struve. Sein Singledasein hatte ein Ende , als er im Juni 1901 die gut zehn Jahre jüngere Constanze Carstens heiratete. Ihre erste Tochter Margarete (Grete) wurde am 22. März 1902 geboren; Konstanze, die zweite, kam am 10. September 1903 zur Welt. Beide Mädchen hatten die Musikalität ihrer Eltern geerbt. Sie besuchten beide die 1908 neu gegründete Höhere Privatschule in Bad Bramstedt, Grete besuchte anschließend auch noch für ein Jahr das Lyzeum in Neumünster und ging dann an das Hamburger Konservatorium, um Musik zu studieren. Ihre Abschlussprüfung bestand sie im Mai 1922 in allen Fächern – Klavier, Geige und Theorie – mit „sehr gut“. Sie kehrte dann nach Bramstedt zurück, um sich hier als Musiklehrerin niederzulassen. Konstanze lernte nach dem Schulbesuch bei ihrer Mutter das Damenschneiderhandwerk und bildete sich nebenbei im Musik- und Gesangunterricht fort. Beide Töchter verschönten mit ihrem Gesang und Spiel manche Veranstaltung in ihrer Heimatstadt. Grete verlobte sich im Juni 1927, zu einer Eheschließung kam es aber nicht, sie blieb ledig. Ihre Schwester Konstanze zog nach der Eheschließung nach Pommern. Sie bekam drei Kinder: zwei Söhne und eine Tochter.

J._Struves_Haus-_Rosenstr_400.Etwa ab 1920 erweiterten die Struves ihre Angebotspalette um Entwurf und Fertigung von Vereinsfahnen und -bannern. Julius Struve machte die Entwürfe, und seine Frau nähte und stickte die Fahnen. So entstanden unter anderem das Banner des Gemischten Chores Kaltenkirchen (Bannerweihe im September 1920), das Banner des MGV Eintracht Bad Bramstedt (12. Juni 1921), der Liedertafel Volkslied Neumünster (14. August 1921), des Gesangvereins Einigkeit Wittorf (Juni 1924) und die Zeichnung für das Banner des MGV Volkslied Hagen (18. Juli 1926). Außerdem bot Julius Struve verstärkt Ölgemälde jeder Größe an.

Ende 1923 erkrankte Julius Struve schwer und musste im Krankenhaus Neumünster operiert werden. Seine Sangesfreunde vergaßen ihn nicht. Als die aktiven Sänger mit ihren Frauen am 12. Januar 1924 ein Grünkohlessen veranstalteten, wurde dem noch kranken Struve eine Grünkohlmahlzeit in die Wohnung gebracht, worüber er sich sehr freute.

Zum 1. September 1925 verpachtete Julius Struve sein fotografisches Atelier an den Fotografen Curt Hoffmann. Die Anfertigung von Ölgemälden, Zeichnungen aller Art, Diplomen, Fahnen, Vergrößerungen von Bildern, Ansichtspostkarten usw. führte er selbst in gewohnter Weise weiter. Es ist sehr wahrscheinlich, dass er Curt Hoffmann auch für die Liedertafel warb. Denn seit 1927 war Curt Hoffmann bis ins hohe Alter treues Mitglied der Liedertafel, des Männerchores. Das Geschäft Foto-Hoffmann besteht heute noch in dritter Generation in Bad Bramstedt.

Ein besonderer Tag im Leben von Julius und Constanze Struve war auch ihre Silberhochzeit im Juni 1926. Viele Freunde und der Kriegerverein, Rolandschützenverein, die Turnerschaft und die Liedertafel gratulierten. Die beiden letztgenannten Vereine traten abends vollzählig vor Struve Haus an, um durch ihre Sprecher ihre Wünsche zu überbringen. Seine Wertschätzung in weiten Teilen der Bevölkerung war immer wieder zu erkennen. Seine großen Fähigkeiten, einen Verein zu leiten, ein Fest zu organisieren und auszugestalten, aber auch seine vorbildliche Treue und Bescheidenheit wurden immer wieder hervorgehoben und sein Bestreben um Ausgleich bei Meinungsverschiedenheiten.

Später firmierte er als Struve Kunsthandlung und empfahl Bilder in jeder Preislage, aufgezeichnete Handarbeiten, Wolle, Garne usw.

Aus seinen verbliebenen Ämtern zog sich Julius Struve in den 1930er-Jahren zurück. Nach dem Zusammenschluss von Liedertafel und Eintracht im Jahre 1934 gab er auch das Singen im Verein auf und wurde nur noch als Ehrenmitglied geführt.

Als nebenamtlicher Lehrer an der Berufsschule (Malerschule) war er schon Ende 1933 ausgeschieden.

Ein schwerer Schicksalsschlag war es für ihn, als seine Frau Constanze schwer erkrankte und nach langem Leiden am 4. April 1934 in der Frauenklinik Kiel verstarb. „Arbeit war ihre Freude“, hieß es in der Todesanzeige der Familie. Die Geburt ihrer Enkeltochter Konstanze hat sie nicht mehr erlebt.

Man fragt sich heute, wie ein Mann alleine all das schaffen konnte, was zuvor geschildert wurde. Wahrscheinlich war dieses Arbeitspensum zu viel für ihn. Seine letzten Lebensjahre waren wenig erfreulich. Er fing an zu kränkeln. Daraus entwickelte sich ein dauerhaftes Siechtum. Der Tod war ihm ein Erlöser, als er am 26. März 1943 im Krankenhaus zu Kaltenkirchen für immer die Augen schloss. 78 Jahre wurde er alt. Die Bramstedter Nachrichten schrieben in einem Nachruf: „Bad Bramstedt wird ihm nicht vergessen, was er hier in selbstloser Arbeit gewirkt hat.“ Und? Noch wurde keine Straße nach ihm benannt.

Wir waren fasziniert von dem, was wir bei unseren Recherchen zur Vereinsgeschichte über diesen Mann, über Julius Struve, gefunden haben und sind froh, noch mal an ihn erinnern zu können.


Auf der Ahnenforschungsseite www.geneanet.org (http://gw2.geneanet.org/jschwedas?lang=de&m=NG&n=struve&t=N) fand ich (Jan-Uwe Schadendorf) folgenden Eintrag zu der Herkunft Julius Struves:

o Johann Reimer & Juliane Elise Auguste Emmig ca 1840-

o Bernhard Johannes Christian 1864-
o Carl Conrad Julius 1866-
o Wilhelm August Alexander 1867-1868
o Johanna Marie Auguste 1868-
o Emil 1870-1870
o Wilhelmine Hedwig Sophie Louise 1871-1871

Johann Reimer Struve wurde in Schenefeld bei Itzehoe geboren und verstarb 1878 in Bramstedt (so in: Literarische Lokalgrössen, Elisabeth Friedrichs, Metzler 1967, S. 320) von ihm erschien 1879 post mortem “ Gesammelte Gedichte, Streiche und Räthsel”, Johann Reimer Struve, Möller, Nik. Leop Böger, Ernst Frdr. G. Gronow, Schmidt & Klaunig, 1879

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