Hümpel: Das Werden der höheren Privatschule 1911

huempel150Aus dem Nachlaß des ehemaligen Pastors Dr. Ernst Hümpel erhielt ich u.a. ein Jahrgangsbuch 1911 des „Schleswig-Holsteinscher Sonntagsbote“, einer Kirchenzeitschrift. In der hiesigen Ausgabe war Pastor Hümpel ein fleißiger Schreiber und berichtet in mehreren Beiträgen über den Werdegang des Neubaues für die Höhere Privatschule, der späteren Jürgen-Fuhlendorf-Schule und heutigen Grundschule am Bahnhof.
Wobei der klang „Privatschule“ sich heute geändert hat, Hümpel wollte insbesondere den Kindern der ‚Kleinbürger‘ einen Weg zur besserer Bildung ermöglichen.

(Sofern ich den Jahrgang 1912 noch erlangen kann, werde ich die Berichte fortsetzen.)

14.4.1911: Am 5. April legte ich nach der Bekanntgabe der Versetzung die Leitung der Höheren Privatschule nieder. Ich danke Gott, daß Er mir so lange die Kraft gab, sie zu leiten. Oft war ich an der Grenze meiner Kraft. Das Lehrerkollegium widmete mir die Photographie der Schule und der Schüler und die eigenen Photographien zum Zeichen der bleibenden Erinnerung und Gemeinschaft.

Am 6. April bewilligte das Stadtverordnetenkollegium auf Antrag der Schule für das Jahr 1911 die Summe von 750 M. Ich begrüße diese Bewilligung als den Anfang jener vertrauensvollen Beziehungen, in denen alle gemeinsam arbeiten zum Wohle des Ganzen. Was wollte ich lieber, als daß Bad Bramstedt sich zu einem blühenden städtischen und kirchlichen Gemeinwesen entwickelte! „Arbeiten und nicht verzweifeln!“

23.4.1911: Die Sache der Höheren Privatschule hat sich inzwischen weiter günstig entwickelt. Am 6. April bewilligte, wie bereits früher erwähnt, die Stadtvertretung 750 M und zwar einstimmig. Wenn hier und dort behauptet wird, die Stadtvertretung sei zu einem noch größeren Entgegenkommen bereit gewesen, so ist das für die Sache, welche die Privatschule vertritt, ja nur erfreulich. Mit dieser Entscheidung in der Hand machte das Kuratorium eine erneute Eingabe an den Kreis um Unterstützung der Schule für das Jahr 1911. Der Kreisausschuß ließ seine frühere ablehnende Haltung falten und stellte die Entscheidung dein Kreisausschuß anheim. Der Kreistag genehmigte die Subvention. Den Antrag, 1000 M zu bewilligen, unterstützten 4 Stimmen. Ich sage den 4 Herren meinen persönlichen Tank. Es gehört immer mehr Mut dazu, sich überstimmen zu lassen, als mit der Mehrheit zu stimmen. Der Antrag des Kuratoriums, 750 M zu bewilligen, wurde mit 11 gegen 9 Stimmen abgelehnt — eine ehrende Niederlage. Die von Herrn Bürgermeister Kuhr in Segeberg beantragten 500 wurden einstimmig bewilligt. Man kann über die Höhe der Bewilligung streiten. Die Hauptsache ist, daß erstens das Prinzip der Subventionierung anerkannt ist, und zweitens, daß diese Anerkennung einstimmig geschehen ist.

Am 10. April hat die Baukommission einen ca. 1750 Quadratmeter großen Bauplatz vorbehaltlich der Zustimmung der Generalversammlung, für 5000 M erworben. Er liegt an der Turnhalle in der Nähe des Bahnhofs und bietet ein genügend großes Bauterrain, einen großen Spielplatz und einen schönen Garten für den Rektor.

Am 12. April meldeten 4 Großenasper Väter 5 Kinder zur Schule an. Es wäre schön, wenn Großenaspe für unsere Schule dauernd in Betracht gezogen würde.

Neu gemeldet sind bisher 22 Kinder. Damit kommen auch die Finanzen ins Gleichgewicht. Nun reicht kaum noch der Platz. Mit Rücksicht darauf muß der Bau des Schulhauses so beschleunigt werden, daß er vielleicht am 1. November bezugsfähig ist. Kurz, es entwickelt sich alles nach Wunsch.

Die neuen Konfirmanden versammeln sich nicht am 26. April, sondern am Mittwoch, den 3. Mai, nachm. 2—3 Uhr die Knaben, 3—4 Uhr die Mädchen.

21.5.1911: Das Kuratorium der Höheren Privatschule arbeitet emsig an den Plänen für den Schulhausneubau. Herr Architekt Roß in Neumünster ist mit Entwurf und Kostenberechnung befaßt. Die angenommene Bausumme stellt sich als unzureichend heraus. Die Schüler Bernhard Otte aus Kattendorf und Walter Thies aus Hüttblek sind in die Untertertia des Realgymnasiums resp. der Landwirtschaftsschule in Flensburg ausgenommen worden.

28.5.1911: Am Mittwoch, d. 17. Mai, hat das Kuratorium der Höheren Privatschule den Bau des Schul Haus es für die Höhere Privatschule einstimmig beschlossen. An diesem Sonntag wird die Generalversammlung der Interessenten zu dem Projekt des Herrn Architekten Roß in Neumünster Stellung nehmen. Ich zweifle nicht, daß die Stellungnahme der Versammlung eine ähnlich einmütige sein wird. Der Bau wird gerade in seiner anspruchslosen Gediegenheit eine Zierde unserer Stadt werden.

27.8.1911: Die Höhere Privatschule wird demnächst zu bauen beginnen. Die Königliche Regierung hat unter dem 18. Juli ihr Gutachten erstattet, wonach außer unwesentlichen Aenderungen ein Landstreifen von 5,5 Meter Front hinzuerworben werden muß. Die Gesamtfront des Bauplatzes beträgt nunmehr 32,5 Meter. Zurzeit liegen Zeichnungen und Angebotsformulare zwecks Vergebung der Arbeiten aus. Wir hoffen, die Arbeiten so zu beschleunigen, daß die Schulräume im Januar 1912 in Benutzung genommen werden können.

24.9.1911: (in einem anderen Bericht) … Welcher Mäcen würde unserer Privatschule den noch übrigen Bauplatz von Herrn Thode schenken. Man würde den Platz nach dem N. N.-Schenker ja N. N.-Platz nennen können.  …

1.10.1911: Die Grundsteinlegung der Höheren Privatschule wurde am Freitag, den 22.September, einfach aber würdig begangen, Der Bau war in den vorangegangenen Wochen bis zur Sockelhöhe gefördert worden. Fast auf allen Seiten wuchsen die Mauern stetig empor. Um 1/2 2 Uhr marschierten die Schüler, 81 an der Zahl, 58 Knaben und 23 Mädchen, unter Leitung der Lehrer und Lehrerinnen nach dem Bauplatz, wo sich inzwischen das Kuratorium, eine Deputation der Stadtverordneten von Bad Bramstedt und Herren und Damen der Interessentschaft eingefunden hatten. Nach dem Liede der Schüler „Danket dem HErrn!“ ergriff der Unterzeichnete zu kurzer Ansprache das Wort und verlas dann die Urkunde, die in einer Kapsel verschlossen, in den Grundstein eingemauert wurde. Es folgten die üblichen Hammerschläge seitens des Vorsitzenden des Kuratoriums, des Herrn Bürgermeisters Rhode und des Herrn Rektors C. Gehrs als Leiters der Schule. Ersterer begleitete seine Hammerschläge mit den Worten: 1. „Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein geworden.“ Ps. 118, 12, Matth. 21, 41. „Einen andern Grund kann niemand legen, außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.“ 1. Kor. 3, 11. Darum: Deo et ecclesiae per Christum : „für Gott und die Kirche durch Christum.“ 2. „Ans Vaterland, ans teure, schließ dich an, das halte fest mit deinem ganzen Herzen! Hier sind die starken Wurzeln deiner Kraft: Denn in der fremden Welt stehst du allein,“ Darum: Gloriae et Patriae für ein ruhmreiches Vaterland. 3. „Edel sei der Mensch, hilfreich und gut!“ Darum: Humanitati et Litteris für eine durch die Beschäftigung mit der Wissenschaft edle Menschenbildung. Herrn Bürgermeister Rhodes Worte lauteten: 1. Stadt und Land, Hand in Hand geben dir das Gedeihen! 2. Sei und bleibe ein Beweis solcher Einigkeit! 3. Dem Erbauer zur Ehr‘, der Bildung Gewähr! Herr Rektor Gehrs verband mit den Hammerschlägen die Wünsche: Gott schenke uns 1. Treue im Fleiß, 2. Freude in der Arbeit, 3. Frieden im Herzen. Dann gedachte der Vorsitzende Sr. Majestät, des Deutschen Kaisers, des mächtigen Schutzherrn aller Friedensarbeit. Jubelnd stimmte die Versammlung in das dreimalige Hoch ein. Noch ein Lied: „Nun danket alle Gott!“ Dann beschloß eine Hausbesichtigung die kleine Feier. Gott segne das Werk.

M_HoehPriv1913_b12.11.1911: Der Neubau der Höheren Privatschule wird voraussichtlich, wenn dies Blatt in die Hände der Leser kommt, gerichtet sein. Es ist ein solider Bau. Möchte der Stadt und der Umgegend viel innerer und äußerer Fortschritt durch sie beschieden sein!  …
Ein ideal gerichteter Mann ist mit dem Drechsler und Turnwart Max Kühn von hier am 1. November dahingegangen. Er war auch Turnlehrer der Höheren Privatschule. Was er an persönlichen Opfern für die von ihm vertretene Sache der Turnerei gebracht hat, ist vorbildlich für jeden Mann, der der Allgemeinheit dienen will. Auch der Kirche stand er nahe; Aeterna lux luceat ei: Das ewige Licht leuchte ihm! Der Frau und ihren Kindern laßt uns beistehen!

26.11.1911: Richten des Neubaus der Höheren Privatschule. Am Sonnabend wurde der Neubau der Höheren Privatschule gerichtet. Zu diesem Zweck hatten sich das Kuratorium, der Bauausschuß und einige Interessenten sowie Gönner der Privatschule um 4 Uhr versammelt. Den Kranz überbrachten die Schüler unter Führung des Rektors Herrn de Gehrs. Nachdem der überbringende Schüler mit einem poetischen Wort den Kranz überreicht hatte, sprach der Parlier den Richtspruch. Aus das Hoch desselben auf das Kuratorium und das Gedeihen der Schule antwortete das Kuratorium und die Versammlung mit einem Hoch auf die ausführenden Meister Behncke und Thode und deren Gesellen und Arbeiter. Die Besichtigung ergab die allgemeine Zufriedenheit mit der Ausführung und dem Entwurf, den Herr Architekt Hans Roß in Neumünster-Kiel ausgearbeitet hat. Hier und da wurde das Bedauern laut, daß der Bau seinen Platz nicht am Markte gefunden habe. In der Erkenntnis, daß die Schule gerade den Kindern der Kleinbürger, die mit Glücksgütern nicht sehr gesegnet sind, um ein Geringes neue Zukunftsmöglichkeiten eröffnet, bereitet sich besonders unter diesen eine günstigere Stellung zur Schule vor.

10.12.1911: Der Bau der Höheren Privatschule schreitet seiner allmählichen Vollendung entgegen. Soeben ist der Dachreiter vollendet. Bald werden auch die Fenster und Türen eingesetzt sein. Dann wird das Innere des Baus rascher gefördert werden. Die letzten Entscheidungen sind in voller Einmütigkeit getroffen.

Mein erster Schüler, der Oberprimaner Max Schwarz, verläßt bereits Ostern die Landesschule Pforta „an der Saale Hellem Strande“, um sich dem Studium der Mathematik und Naturwissenschaften zu widmen. Ihm ist vom Lehrerkollegium der Landesschule „Pforta für den Anfang seiner Studien das Baldamus-Stipendium von 600 M in Aussicht gestellt worden. Es wird dies Stipendium dem jeweils würdigsten Abiturienten verliehen.

Dieser Beitrag wurde unter M - Schulen Kultur Soziales veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.