Historische Mission vor Kap Trafalgar
Der Flensburger Schoner „Valdivia“ passiert am 21. Oktober das Kap von Trafalgar, wo sich exakt 194 Jahre zuvor das Meer rot färbte von dem Blut von 3000 Gefallenen. Im Auftrag des mysteriösen Cpt. Bogart ehrt Skipper Heiner Kucz die Toten mit einem zeitgenössischen Trauerkranz.
HAMBURG, 17.09.1999. Heiner Kucz hat eine lange Nacht am Ruder hinter sich. Verschlafen krabbelt er barfuß und mit nackten Beinen an Deck des Schoners „Valdivia“. Erst vor zwei Stunden haben er und sein Bootsmann Marcel nach einer Fahrt durch den Nord-Ostsee-Kanal und die Elbe längsseits des Greenpeace-Schiffes „Beluga“ festgemacht – im Reiherstieg, einem entlegenen Teil im Süden des Hamburger Hafens. Hier rüstet Heiner Kucz das Schiff für seine lange Reise ins Mittelmeer aus. Neben Proviant, Treibstoff und Frischwasser wird die „Valdivia“ am Sonnabend einen Gegenstand mit auf die Reise nehmen, der nicht zur Standard- Ausrüstung eines hochseetüchtigen Gaffelseglers gehört.
Hätte Heiner Kucz seinen exotischen Gast nicht schon zuvor einige Male getroffen, wäre er an diesem sonnigen Hamburger Morgen vielleicht wieder rückwärts in die Kajüte gefallen – vor Schreck. Vor ihm steht, zwei Meter hoch und mit einem Dreispitz auf dem mächtigen Schädel, ein säbelbewaffneter befrackter Mann, der geradewegs von der „HMS Victory“ des berühmten Admiral Nelson zu kommen scheint. Und das tut er in gewisser Weise auch. Burkhard Mielke alias Cpt. Bogart, ein Exzentriker britischer Prägung aus Bad Bramstedt, überbringt dem Skipper der in Flensburg beheimateten „Valdivia“ eine wichtige Fracht: einen Kranz aus Stroh, mit Stoff umwickelt und einem Stück feinster Spitze sowie einem Gebinde haltbarer Rosen verziert, mit zwei langen roten Bändern dran.
..In honour of the victims of the battie of Trafalgar, October 21st 1805″ steht auf dem einen Band. Cpt. Bogart. ein Verehrer und intimer Kenner Nelsons und seiner Zeit, möchte etwas nachholen, was seiner Kenntnis nach bisher versäumt wurde. Zwar kennt er jede Einzelheit jener historischen Schlacht vor der Küste Spaniens auswendig, kann er den genauen Verlauf der Ereignisse und die krassen Fehler der vereinten spanischen und französischen Flotte erläutern. „Aber noch nie wurde der 3000 Gefällenen auf beiden Seiten gedacht“, beklagt Cpt. Bogart. Das wird jetzt nachgeholt. Am 20. Oktober, einen Tag vor dem 194. Jahrestag der entscheidenden Schlacht, wird die „Valdivia“ den spanischen Hafen Cadiz verlassen. „Trafalgar liegt gleich um die Ecke; da können wir auf die Stunde genau ankommen.“ Cpt. Bogarts Augen beginnen zu leuchten: „Um 11.30 Uhr fiel der erste Schuß“, erinnert er sich. Um 11.30 Uhr wird Heiner Kucz am 21. Oktober im stillen Gedenken an 3000 Seeleute, die an jener Stelle genau 194 Jahre zuvor ihr Leben ließen, den Kranz aus Bad Bramstedt dem Atlantik vor Kap Trafalgar übergeben. „Er wird sich vollsaugen und dann irgendwann untergehen“, prophezeit sein Hersteller.
Für Heiner Kucz war es eine Ehrensache, dem Wunsch des Bad Bramstedters zu entsprechen, der aus beruflichen Gründen nicht selbst dabei sein kann. Schon seit ein paar Jahren gibt Burkhard Mielke stets im Oktober ein „Trafalgar Dinner“, bei dem er anhand eines selbst gebauten Modells mit beweglichen Schiffen den genauen Verlauf der Schlacht nachstellt und über ausgewählte Aspekte im Leben Nelsons berichtet. Als Flensburg-Fan („Hier möchte ich mich zur Ruhe setzen“) veranstaltete er die Dinner zu meist an maritim geprägten Orten in Flensburg wie dem Rum-Museum, dem Salon des Gaffelseglers „Albatros“ und dem Restaurant „Piet Henningsen“.
Nur zu gern wäre er bei der Feierstunde auf See dabei. Doch er setzt volles Vertrauen in Heiner Kucz, der sich mit seiner „Valdivia“ und einer Handvoll Passagieren morgen auf die sechswöchige Reise nach Puerto Banus bei Marbella begibt. Hier will er überwintern und den schnellen Neufundland-Schoner, der in
jüngster Zeit in der Ostsee Werbung für die Sail 2000 in Flensburg machte, aufmöbeln und auf Vordermann bringen. Spätestens zum Hafengeburtstag will er dann wieder in nördlichen Gefilden sein.
aus dem Flensburger Tageblatt vom 17.9.1999