aus: Heimatkundliches Jahrbuch des Kreises Segeberg, 1968, S. 19 ff
Gerhard Müller, Bad Bramstedt:
Siedlungsfund von Alt-Bramstedt
aus dem 8. und 9. Jahrhundert
Im Raum in und um Bad Bramstedt kann eine Besiedlung in vor- und frühgeschichtlicher Zeit durch zahlreiche Fundplätze und Einzelfunde nachgewiesen werden. Besonders dicht liegen diese auf den trockenen sandigen Flächen und flachen Dünen der Oster- und Bramau, die an diese angrenzen. Die Fundplätze sind durch Häufung von Flintabschlägen, Flintgeräten, verbranntem Flint, durch Erdverfärbungen bzw. an einer Durchsetzung der Erde mit Holzkohle und durch Herdstellen erkenntlich. Die zeitlich am weitesten zurückreichenden Funde können bis in das frühe Mesolithikum (um 8000 v. Chr.) eingeordnet werden, worauf Funde von Pfeilspitzen, Sticheln, Zinken, Messerchen, Mikrolithen, Kern- und Scheibenbeilen hinweisen. Das Neolithikum ist durch Beile und zahlreiche weitere Flintgeräte vertreten. Aus der darauf folgenden Bronzezeit stammen Grabhügel, und verschiedene Funde aus Bronze. Besonders in der Eisenzeit ist eine auffallende Häufung von Siedlungsmerkmalen festzustellen, was auf eine stärkere Besiedlung unseres Raumes in dieser Zeit schließen läßt. Es ist nicht von der Hand zu weisen, daß das in dem Raum in und um Bad Bramstedt reich vorkommende Raseneisenerz mit hohem Eisengehalt die Menschen neben den gesuchten Bodenverhältnissen anzog und daß hier ein Siedlungszentrum entstand, dessen Eisenverhüttung die Wirtschaftsgrundlage bildete. Die Fundplätze liegen an den Randzonen zwischen den Sandflächen und den Auniederungen, besonders an dem Höhenzug „Lieth“. Besondere Fundplätze der Eisenzeit sind eine freigelegte größere Brennofenanlage auf dem „Kapellenhof“ in der Bimöhler Straße, sowie zwei größere Urnenfriedhöfe, „Hinter den Höfen“, mit etwa mindestens 60 Urnen und ein anderer im Düsternhoop mit mindestens 20 Urnen aus der Zeit etwa von 500 bis 250 v. Chr. Auffallend ist, daß die Bestattungen auf den Urnenfriedhöfen, als auch die Funde mit der ausgehenden älteren vorrömischen Eisenzeit abbrechen, woraus geschlossen werden kann, daß auch die Besiedlungsdichte von dieser Zeit ab bereits stark abgenommen hat.
Eine große Bedeutung erhält daher eine in jüngster Zeit gemachte Aufdeckung einer Siedlungsstätte aus der sächsischen Zeit, aus dem 8. und 9. Jahrhundert n. Chr. im Ortskern von Bad Bramstedt. Dieser Fund ist der älteste Beweis für den Ort Bramstedt. Sichere Zeugnisse für die Besiedlungsgeschichte stellen Ansiedlungen und Gräberfelder dar. Sie bilden im Verein mit dem Ortsnamen die besten Quellen für die Kenntnisse der älteren Siedlungsgeschichte. Zur Gruppe der Ursiedlungen werden nach Laur die Namen auf ing und stedt gerechnet. Die stedt-Namen gehören dem 5. bis 7. Jahrhundert an und es hat sich die Auffassung durchgesetzt, daß im altsächsischen Siedlungsraum die stedt-Orte für die ältesten Ortsbezeichnungen zu halten sind. Wenn man die Verteilung der frühesten Ortsnamen in Holstein betrachtet, kann man deutlich die Gruppierung der drei Sachsengaue erkennen, Holstengau, Dithmarschen und Stormarn. Während man aus dem Ortsnamen wohl auf das Alter der Stadt schließen kann, ist eine Untermauerung durch Siedlungsfunde von großer Wichtigkeit.
Ein großes Glück war es deshalb, als der Baggerführer Harry Gloe aus Lentföhrden beim Ausheben einer Baustelle der Firma Eisen-Schnabel gegenüber der Kirche auf eine Steinsetzung stieß, die als Feuerstelle zu erkennen war. Das Grundstück liegt auf dem Hof des Schnabelschen Hauses am Kirchenbleeck, etwa 100 m von der Osterau entfernt. Der sofort benachrichtigte Verfasser dieses Berichtes konnte auf der ebenerdigen sandigen Fläche außer dem Ofen auch den Grundriß eines Hauses freilegen.
Die Grabung ergab, daß es sich um ein flacheingetieftes Grubenhaus von 3,5 mal 4,0 m handelte. Deutlich hoben sich an den Längsseiten 3 Paar Pfostenlöcher ab, die etwa 80 cm tief in den Boden eingetieft waren. Die Pfostenlöcher hoben sich als dunkel braunschwarzer Humus von dem helleren Sand gut ab. An den Schmalseiten war nur ein Pfosten zu erkennen. Humusverfärbte Spuren an den Längsseiten lassen in den Boden eingelassene Bohlen vermuten. Der Eingang scheint an der östlichen Schmalseite gelegen zu haben, denn hier führte ein schmaler Humusblock nach außen. Etwa 50 cm von diesem lag eine aus Feldsteinen aufgetürmte Feuerstelle. Nach dem Abräumen einer oberen Schicht lag eine etwa rechteckige Steinsetzung von 130 mal 95 cm Außenmaß frei, deren Inneres aus einem Lehmboden bestand, der rot geziegelt und mit einer starken holzkohlegesättigten Erdschicht bedeckt war. Die Umfassungssteine waren eingetieft, hatten eine Höhe von etwa 30 cm und eine Dicke und Breite von 10 bis 20 cm. Diese Öfen sind echte Öfen und nicht wie bisher offene Feuerstellen. Es sind die ersten „Kachelöfen“, die nach dem Prinzip der Saunaöfen angelegt sind. In der Höhe des Fußbodens blieb ein bis zur Ofenmitte reichendes Feuerloch frei. Die erhitzten Steine und die Kohleglut erwärmten den Wohnraum, während die Flammen die Holzwände nicht gefährden konnten. Der Rauch konnte durch die locker geschichteten Steine und dann durch ein Loch im Dachgiebel abziehen.
Zur Sicherung der Datierung war es sehr gut, daß an der einen Ecke des Ofens und in der Holzkohleschicht Scherben von Gebrauchsgeschirr gefunden werden konnten, darunter verschiedene Randstücke. Außerdem fanden sich Eisenschlacken und sogar Flintabschläge und ein Querstück eines Flint-Kernstücks, das durch einen Schlag abgeschlagen worden war.
Über dieses Haus läßt sich abschließend sagen, daß es sich um ein in den trockenen Sandboden eingetieftes Grubenhaus handelt mit einem Ständergerüst und je einem Firstpfosten auf den Schmalseiten. Vermutlich hatte es ein Spitzdach, das mit Schilf gedeckt gewesen sein dürfte. Die Ausrichtung war von NO nach SW. Der Eingang befand sich auf der windgeschützten NO-Seite.
Etwa 20 m von diesem Haus entfernt lag ein zweites Haus von 2,30 mal 3.80 m Länge und Breite, dessen eine Schmalseite leicht abgerundet war. Wiederum an der Ostseite befand sich im Abstand von 60 cm eine Herdstelle von 80 cm Durchmesser aus ausgeglühten Feldsteinen. Diese Steine waren stark auseinandergerissen und es scheint, daß im Gegensatz zu dem Ofen im ersten Haus hier eine offene Feuerstelle vorhanden war. Pfostenlöcher waren kaum zu erkennen. Der Boden im Inneren des Hauses war tiefschwarz und mit einer etwa 1 bis 3 cm starken verkohlten Schicht bedeckt, was darauf schließen läßt, daß das Haus abgebrannt war. An der südlichen Langseite befanden sich 2 Gruben von etwa 30 cm Durchmesser und 40 cm Tiefe. In der einen befanden sich reine weißgelbliche Tonklumpen und in der anderen reiner rostroter Sand, anscheinend pulverisiertes Eisenerz.
Zur Lage dieser Siedlung kann noch gesagt werden, daß sie in unmittelbarer Nähe der Osterau lag, an der alten Furt, die durch sie hindurchführte. Hier führte der alte Heerweg von Süden nach Norden vorüber, der sich hier mit dem vom Westen, von Itzehoe, am Nordufer der Stör und des Bramautales entlang auf das Mündungsgebiet der Trave zuführenden alten Weg kreuzte. Diese Wege sind uralt, denn eine einmal geschaffene Wegeführung änderte sich nicht leicht, da sie in diesem an Niederungen reichen Gebiet an die wenigen von der Natur günstigen Übergangsstellen gebunden war. Es liegt nahe zu erkennen, daß sich an so bedeutenden Wege -Kreuzungsstellen auch Siedlungen bildeten. Einer späteren Forschung muß es vorbehalten bleiben, ob nicht auch an dieser Stelle, auf der leichten Erhöhung, auf der sich heute die Kirche erhebt, sich nicht in der Zeit eine Befestigungsanlage befand. Starke Balkensetzungen, ein 4 bis 5 m tiefer ehemaliger Graben im Zuge des vorderen Landwegs und andere Merkmale lassen es beinahe vermuten. Wenn sich dieses ergibt, dann befand sich die Siedlung unmittelbar an der Burg.
Vielleicht ist es noch zweckmäßig, ein paar Tatsachen aus der Geschichte der damaligen Zeit zu bringen, die die Bewohner der Siedlung miterlebt haben müssen. Es ist die Zeit der großen Auseinandersetzungen der nordalbingischen Sachsen mit dem Reich Karls des Großen und den mit ihm verbündeten Slawen, in der es 798 zu der Schlacht auf dem Sventanafeld bei Bornhöved kommt. Während des 9. Jahrhunderts kommt es zu den schweren Kämpfen mit den weiter vordringenden Slawen, die damals bereits ganz Ostholstein besetzt hatten. Es ist die Zeit der Christianisierung und den sich in ihrem Gefolge vollziehenden geistlichen Anschluß an die christliche Welt des Westens und des Abendlandes, sowie der politisch-militärischen Eingliederung in das Universalreich Karls des Großen.
Die Auffindung von Ursiedlungen aus dieser Zeit erfordert ganz großes Glück, da die Ortskerne im großen und ganzen bebaut sind. Wenn auch die Größe und Ausdehnung der Siedlung nicht ermittelt werden konnte, so sind doch die Kenntnisse, die aus dieser Grabung ermittelt werden konnten, von großer Bedeutung.