Bad Bramstedt (jus). Vor geraumer Zeit sandte mir mein Forscherkollege Norbert Kirstein aus Lentföhrden seinen Zufallsfund zur Geschichte Großenaspes aus dem Jahre 1933.
Den Artikel stelle ich hier als pdf-Datei in der Frakturschrift zur Verfügung und nach Schrifterkennung dieses Textes mit tesseract und Nachbearbeitung in unserer heutigen Schrift. (Das Ergebnis mag noch den einen oder anderen Scanfehler enthalten.)
Interessant u.a., dass Großenaspes Krüger ihr Bier aus Bramstedt bezogen … wer mag da der Brauer gewesen sein? Ein Ansatz zu weiteren Forschungen!
Aus dem Leben Großenaspes im 17. Jahrhundert.
Das ansehnliche Kirchdorf Großenaspe war im 17. Jahrhundert wiederholt der Schauplatz erbitterter Streitigkeiten über die Brau- und Schankgerechtigkeit im Ort. Die Sache wäre an sich nicht so erheblich, wenn nicht nebenbei aus den Akten 1), die darüber bercihten, eine Reihe kulturgeschichtlich und sonstwie wichtiger Einzelheiten sich für uns ergäbe.
Die Brau- und Schankgerechtigkeit — die Krügerei — haftete mindestens seit Ende des 16. Jahrhunderts an einer bestimmten Hufe, die eine sogen. landesherrliche Festehufe war, deren jeweiliger Besitzer eine jährliche Abgabe den Kanon, an die Kieler Amtskasse zu entrichten hatte. Um 1620 saß ein gewisser Hans Hinz auf dieser Stelle, er allein hatte also das Recht, die Krügerei in dem großen Dorfe auszuüben. Die übrigen Bauern empfanden dies Privileg als einseitige Bevorzugung des H. Hinz und versuchten ihm Konkurrenz zu machen. Zumal der Bauervogt glaubte aufgrund seiner Amtswürde ein gleiches Recht auf die Krügerei zu haben wie sein Nachbar Hinz; auch der Schmied des Dorfes wollte nicht zurückstehen. Doch untersagte ein Bescheid des Herzogs vom 27. November 1634 bei 20 Rth. Pön einem jeden, neben dem Besitzer der Hinzschen Hufe Bier und Branntwein auszuschenken. Schon einige Jahre später hatte Hinz wiederum Anlaß sich beim Herzog darüber zu beschweren, daß der Bauervogt Timm Klahn sich das Recht der Krügerei angemaßt habe unter dem Vorwande, auch seine Vorgänger hätten dies Privileg „ratione officii“ (auf Grund ihres Amtes) besessen. Da dem Bauervogt diese Angabe als Flunkerei nachgewiesen werden konnte, blieb es bei dem alten Herkommen, daß nur H. Hinz die Schankgerechtigkeit ausüben dürfe.
Die hier erwähnten Vorgänge fallen in die Zeit des Dreißigjährigen Krieges, in dem das Dorf hart mitgenommen wurde. Aber wohl noch schwerer spielte ihm der sogen. Polackenkrieg mit (1658/60). Mehr als eine Bauerstelle wurde damals so gründlcih verwüstet, daß keiner fich an den Wiederaufbau wagte. Dies Los traf auch die Hinzsche Hufe; über zwanzig Jahre lang lag sie wüst. Da aber ein Krug im Dorfe sein mußte, übernahm nun der Bauervogt als der nächtberechtigte das Amt des Wirtes, ob mit landesherrlichr Genehmigung oder selbstherrlich, wissen wir nicht. Jedenfalls finden wir ihn im Jahre 1665 in tatsächlichem Besitz und Ausübung des Rechtes, für das er eine jährliche Krugheuer von 4 Rth. Nach Kiel zahlte. Nun erschien aber ein neuer Konkurrent auf dem Plan in Gestalt des Großenasper Predigers Mag. Joh, Schreiber. Dieser reichte 1665 ein Gesuch ein, es möchte seiner Frau gestattet werden, Bier zu brauen und auszuschenken, „zumahlen Er sonst mit den Seinigen sein Außkommen von seinem Dienst unmüglich baben könne.“ Mit einigen Worten sei hier auf das Predigeramt in Großenaspe eingegangen.
Das Kirchspiel Großenaspe ist erst 1736 von Herzog Karl Friedrich durch Abtrennung von dem Mutterkirchspiel Neumünster errichtet worden. Dagegen war eine Kapelle schon vorher am Ort. Seit wann, darüber gibt es keine zuverlässige Nachricht, doch ist die Vermutung begründet, daß das Alter der Kapelle recht hoch hinaufreicht, Nach Haupt 2) „muß es dort seit früher Zeit, etwa seit der Zeit, in welcher auch Brügge angelegt ist“ – also etwa sei dem 13. Jahrhundert — „ein vom Ksp. Neumünster abgelegtes Gotteshaus gegeben haben.“ Nicht nur bei Danckwerth (1652) heißt es schon: „Groten Aspe, darinn eine Capell“, sondern auch die bisher älteste Karte der Herzogtümer 3) , die 1559 herauskam, weist bereits einen Kirchort „Aspe“ südlich Neumünster auf, mit dem nur das heutige Großenaspe gemeint sein kann. Wie Erichsen 4) zu seiner Angae gekommen ist, die Großenasper Kapelle sei Zivischeit 1662 und 1683 entstanden, weiß ich nicht; sie wird schon durch Danckwerth widerlegt. Die Kapellen waren im Gegensatz zu den Voll- und Taufkirchen „Bequemlichkeitskirchen“, die von Fürsten, höheren Geistlichen, Adligen oder auch von abgelegenen Gemeinden erbaut wurden; der an ihnen amtierende Geistliche hatte nur zu predigen und die Jugend zu unterrichten, die eigentlichen geistlichen Handlungen wie Taufen, Trauungen u. a. zu verrichten war ihm untersagt, er war auch nicht ordiniert.
So wenigstens lagen die Verhältnisse in Großenaspe nach dem Bericht des Pastors K. Fr. Hasselmann-Neumünster in der Schrift, die dieser 1772 zur Einweihung der neuen Kirche herausgab.Seine Angaben werden bestätigt durch Mitteilungen, die wir unseren Akten entnehmen. Von den Predigern, die vor der Errichtung des Kirchspiels dort amtierten, waren bisher drei namentlich bekannt: S. Greimius (+7 1698), Burchardi (1734 seines Amtes entsetzt), G. A. Franzke (1736 in Hemme gewählt). Jetzt lernen wir in Joh. Schreiber, der 1665 im Amt war, aber bald darauf starb, einen noch früheren kennen.
Wann Schreiber sein Amt angetreten hat, wissen wir nicht. Seinem Gesuche um Verleihung der Brau- und Schankgerechtigkeit, das er 1665 einreichte, scheint eine längere Praxis als Gastwirt bereits vorausgegangen zu sein, der er also durch Einholung des obrigkeitlichen Privilegs ein behördliches Siegel aufzudrücken hoffte. Er fand allerdings einen scharfen Widersacher in dem neumünsterschen Kirchspielvogt Caspar v. Sallern, dem das Gesuch des Pastors vom Kieler Amtmann Paul v. Rantzau zum Bericht zugesandt wurde. Sallern hat gegen den „Schulmeister zu Großenaspe , wie er Schreiber verächtlich nennt, mancherlei vorzubringen. Es stehe dem Amt eines Priesters oder Schuldieners nicht an, „einen Krug zu halten .…., viel weniger mit seinen benachbahrten sich trunken zu trinken, mit denselben gantze tage zu sitzen und die Haußleute dergestalt von der Arbeit und ihren häußlichen Geschäfften abzuhalten, da doch solches Dorff in Armuth ist und des Arbeitens wohl benötiget.“ Es sei auch „seid dencklichen Jahren, so lang Schulmeister zu Großen Aspe gewesen, keinem gegönnt gewesen, (hätte) sich auch keiner alß ihrem Ampt unanständige Sache, Bier zu schencken jemahlen unternommen“, vielmehr hätten die Bauervögte in den Kirchspieldörfern wegen der vielen Mühe, die ihr Amt mit sich brächte, das Recht der Krügerei. Dem Mag. Schreiber sei auch wiederholt der Befehl zugegangen, sich des Bierausschenkens zu enthalten. Doch stets vergebens. Als schließlich mit der Exekution gedroht wurde, hatte Schreiber geantwortet, sein Haus wäre privilegiert, er unterstände nicht der weltlichen Obrigkeit; es blieb nichts übrig, als Gewalt anzuwenden und dem Prediger von seinem Vorrat von drei Tonnen Bier eine durch einen Knecht nehmen und den Inhalt an die Armen des Dorfes verteilen zu lassen. Schreiber hatte aber in seinem Gesuch sogar noch verlangt, daß der Bauervogt gehalten sein solle, sein Bier von ihm zu nehmen, Auch dies Ansinnen stellte der Kirchspielvogt als höchst unbillig und dem Herkommen wiedersprechend hin. Ganz im Sinne Sallerns berichtete der Kieler Amtmann an den Herzog, indem er noch einige für uns recht wissenswerte Einzelheiten über die Stellung des Großenasper Predigers hinzufügt. So bemerkt er, daß Mag. Joh. Schreiber, „der sich Pastorem zu Großen Aspe nennet“, in der dortigen Kapelle wohl predige auch daneben Schule halte, jedoch „die Sacra als Beichtsitzen, Nachtmahl reichen, Kindertauffen und dgl. nicht administrire, sondern den Pastorem zu Neumünster solches alles beikomme.“ Auch der Amtmann hegt Zweifel,ob es sich mit dem Schulhalten vertrage Bier zu brauen und auszuschenken, „dabei offtmaln viel sauffens, schlagens und sonst ein unordentlich Leben vorzufallenb pfleget.“ Schließlich berichtet er noch, daß nach einer Mitteillung des neumünsterschen Kirchspielvogts der Mag. Schreiber „ungeachtet der bei der Landgerichtsordnung enthaltenen Constitution frembde, nicht in das Kirchspiel sondern anderßwohin in diesen Landen gehörige Leute copulirt“ habe. Da hatte der Großenasper Prediger also eine Art Gretnagreen in seinem Dorfe aufgemacht. ;
Der Prediger in Großenaspe scheint freilich die Würde seines Amtes etwas zu leicht angeschlagen zu haben. Aber doch müssen wir uns hüten, unsere heutigen Anschauungen ohne weiteres auf jene Zeiten zu übertragen. Andere Zeiten, andere Sitten! muß auch hier gelten. Es war damals in der Tat nichts so Ungewohntes und Unerhörtes, daß ein Geistlicher zugleich einen Wirtshausbetrieb hatte, worüber mehrere Zeugnisse zur Verfügung stehen. So wird berichtet, daß in Viöl (Amt Bredstedt) im 17. Jh. das Diakonat mit einer Krügerei verbunden war, da die Einnahme der Stelle nicht ausreihte 6). Und in Ostenfeld bei Husum war 1612 der Küster aus demselben Grunde zugleich Gastwirth. 7)
Man sollte meinen, die Vorstellungen des Amtmanns und des Kirchspielvogts hätten trotz der freieren Anschauung der Zeit ausgereicht, den Prediger unmöglich zu machen, aber wider alles Erwarten wurde sein Gesuch u. d. 20. Juli 1665 bewilligt, nur sollte er, ebenso wie der krughaltende Bauervogt es schon tat, vier Rth. jährlich an die herzogl. Kasse zahlen; auch sollte das Bier „dero gestalt unsträfflich sein“, daß „niemandt sich darob mit Fueg zu beklagen Uhrsach haben müge,“ In dem herzogl. Bescheid wurde noch besonders geltend gemacht, daß nunmehr das Bier nicht wie früher vielfach geschehen, aus dem zum königl. Anteil (Amt Segeberg) gehörenden Bramstedt eingeführt zu werden brauche.
Der Mag. Schreiber muß bald danach gestorben sein. 1669 reichte seine Witwe Gertrud ein Gesuch ein, es möchte ihr und ihren etwaigen künftigen Ehemännern das Krugprivileg weiterhin belassen werden. Das Gesuch wurde bewilligt, ja, als fünf Jahre spâter die Frau Gertrud, die inzwischen einen zweiten Mann verloren und zum dritten Male geheiratet hatte, um Erlaß der jährlichen vier Rth. bat, wurde ihr dies in Anbetracht ihrer traurigen Verhältnisse gewährt — sie hatte auch noch ihre Tochter und ihre Mutter beerdigen müssen, und der Predigerdienst brachte nach ihrer Angabe keine 20 Rth, im Jahr. Von ihrem zweiten Ehemann erfahren wir nichts weiter, ihr dritter war abermals der Geistliche von Großenaspe, der schon genannte Sam. Greimius, der, aus Pulsnitz im Kgr. Sachsen stammend, 1665, also im ersten Semester der neuen Universität in Kiel immatrikuliert worden war.
Der Schankstreit sollte aber noch immer nicht zur Ruhe kommen. Es wurde oben gesagt, daß die Hinz‘sche Hufe seit 1659 wüst gelegen hatte. Erst 1680 erhielt sie in Zacharias Tensfeldt wieder einen Besitzer. Dieser besann sich nun sogleich auf das seit alters auf seiner Hufe ruhende Schankprivileg, und als 1681 der Herzog Christian Albrecht sich einige Tage in Großenaspe aufhielt, erlangte Tensfeldt von diesem die Zusage, daß er allein zum Bierschenken berechtigt sein solle. Dadurch fühlte sich nun der Prediger Greimius in seinen Rechten bedroht und bat, es möchte doch wenigstens die Hälfte des im Dorf verschenkten Biers von ihm genommen werden. Der Kieler Amtmann, jetzt Henning v. Buchwald stellte dem Herzog die Sache vor, ohne sich für eine Partei einzusetzen. Der Bescheid vom 10. Dezember 1686 ging dahin, daß dem Prediger das früher erteilte Brau- und Schankprivileg verbleiben solle. Der Amtmann solle versuchen, die beiden Partner in Güte zu einigen; mit welchem Erfolg, verraten uns die Akten nicht.
1) Staatsarchiv Kiel Acta A XX, 1582.
2) Bau- und Kunstdenkmäler, Bd. 1, S. 535.
3) Vgl. darüber Wegemann, Die Heimat, Jg. 33 (1923), H. 1.
4) Topographie des Landkreises Kiel (1898), S. 79.
5) Nach Jensen-Michelsen, Schlesw.-holst. Kirchengeschichte:
6) Jensen in Michelsens Archiv f. Staats- u. Kirchenges. 1,1 (1833), S. 261 ff. — Val. an: Zs. d. Ges. f. Schlesw.-holst. Gesch., Bd. 38, S. 286.
7) Laß, Husum. Nachrichten, 2. Forts., S. 114.