Etwa 1936/7 gab der da schon lange im Ruhestand befindliche August Kühl einen Beitrag über das Herrenholz an seine praktizierenden Berufskollegen als Unterrichtsmaterial. Daher will ich auch Einleitung und Schluß des Beitrages hier wiedergeben, die den Zeitgeist spiegeln, in dem er entstanden ist. Zudem erschien der Beitrag im Januar 1937 in den Bramstedter Nachrichten. Meine Anmerkungen in [ ] Klammern.
Das Bramstedter Herrenholz
Ein Beitrag zum Unterricht in der Heimatkunde von August Kühl.
Meine Einstellung zum. heimatkundlichen Unterricht stand schon, als ich noch im Amte war, in einem gewissen Gegensatz zu der damals landläufigen Meinung, daß die Heimatkunde zur Hauptsache, wenn nicht gar ausschließlich in die unteren Klassen gehöre. Im Laufe der Jahre bin ich immer mehr zu der Überzeugung gekommen, daß der Schwerpunkt des Unterrichts in der Heimatkunde in die letzten Schuljahre zu legen sei. Wenn ich die Bestrebungen für die Gestaltung des Schulunterrichts im nationalsozialistischen Staat richtig verstehe, so scheint mir die heutige Zeit recht zu geben.
Das, was ich Ihnen heute als Stoff für die Heimatkunde biete, ist als zur, Hauptsache nur für die Oberstufe verwendbar gedacht.
Zum Bramstedter adligen Gut gehörte in früheren Jahrhunderten eine Hölzung, von der das heutige Herrenholz nur einen kleinen Rest darstellt. Das alte Herrenholz nahm den ganzen Nordwesten der jetzigen Bramstedter Feldmark ein. Seine Ost- und Nordostgrenze war das schmale, fast schluchtartige Wiesental des von Maienbaß herunterkommenden Maienbeck. Jetzt gehört der größte Teil dieses Wiesentals dem Bauer A. Kohfahl. Im Westen und Nordwesten wurde das Herrenholz von der Gemarkung der Dorfschaft Hitzhusen begrenzt. Es umfaßte also außer dem heutigen Herrenholz den nordwärts sich anschließenden Roland-Sportplatz, die den Bauernhof von H. Martens umgebenden Grundstücke und die 14 Tonnen große Hauskoppel des Bauern Johs. Böje. Die Rendsburger Landstraße, die später zur Chaussee nach Brokstedt wurde, teilte das Herrenholz in eine linke und rechte Hälfte. Wahrscheinlich wird auch der Dahlkamp südlich der Chaussee nach Hitzhusen noch zum Herrenholz gehört haben. Da, wo der Dahlkamp zu den Wiesen abfällt, war bis zum Ausbau der Wiesen ein auf beiden Seiten von Bäumen und Gebüsch umrahmter Weg, der Philosophenweg. So hatte ihn der Volksmund getauft, weil der Besitzer des Gutes Professor Meyer, ihn für seine täglichen Spaziergänge nutzte. Vom Schlosse aus gelangte er dorthin über den Heckkamp, der jetzt der Kirche gehört, überquerte auf einem Damm und der Hofbrücke das Wiesental und die Bramau, und war damit am Philosophenweg angelangt. Dieser führte rechts zu der Höhe des Herrenholzes hinan, und links zog er sich am Wiesenrande entlang bis nahe vor Hitzhusen, wo er in dem „Kümmerken“ endigte. Ich nehme an, daß dieser schöne Wald= und Wiesenweg der Rest einer Hölzung gewesen ist, die den Dahlkamp einnahm. (Professor Meyer liegt auf unserem alten Kirchhof, links vom Haupteingang in, die Kirche, begraben.)
Das Bramstedter Gut scheint für die meisten Besitzer nur ein Handelsobjekt gewesen sein und wurde es je länger umso mehr. Zunächst wurde ohne Zweifel der Dahlkamp entwaldet, wurde zunächst noch vom Gute aus bewirtschaftet, später aber parzellenweise an Bramstedter Einwohner verkauft. Wahrscheinlich ist der Verkauf erst erfolgt unter den Besitznachfolgern; von Professor Meyer, der 1840 starb. Dasselbe Schicksal traf den nordwestlichen Teil: Sportplatz und Martensscher Besitz. Nach der Rodung wurde dieses Gelände wohl um 1850 herum, an den Schäfer Jacob Behncke verkauft (Daher der Name Schäferberg für den ansteigenden Teil der Rendsburger Landstraße) . Auch rechts von der Rendsburger Landstraße fing man an zu roden. In den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts war nur noch ein kleines Stück, von dem Böjeschen Gehöft bis zur Stadt, bewaldet. A. Auf der, der Stadt zugewendeten Höhe, nahe dem Tal des Maienbeck, befand sich ein „Lusthaus“, wo di Gutsherrschaften – soll wohl heißen die Familie des Verwalters – gerne saßen und über den zu ihren Füßen liegenden Ort hinüberblickten.
Die Stelle, wo das Häuschen gestanden hat, gehört jetzt zum Grundstück des Herrn Hesebeck. Man fand und findet dort noch Steinbrocken, Scherben und vor allem Reste der damals gebräuchlichen weißen Tonpfeifen.
Damals war Besitzer des Gutes ein Graf Kielmannsegg, Erbherr aus Gülzow in Lauenburg. Er scheint nur insofern Interesse an dem Gut gehabt zu haben, als es ihm Gelegenheit bot Geld zu machen.
Außerdem Geschäft mit dem Schäfer Behnke machte er auch eins mit dem Zimmermeister Heinrich Hesebeck. dem er den dem Orte zunächst liegenden Teil rechts von der Landstraße, etwa 2 Tonnen, verkaufte. Vor dem von diesem erbauten Hause stehen noch zwei schöne Buchen, die vor dem zum Herrenholz gehörten, und neben dem Hause sieht man noch einige Eichen, die damals wohl als heranwachsende Bäumchen mit in das Eigentum des Käufers übergingen. Vielleicht geht man nicht fehl in der Annahme, daß, Graf Kielmannsegg es gewesen ist, der auch den Dahlkamp „parzelliert“ hat. Im Jahre 1848 fing er an, den noch stehenden Teil des Herrenholzes schlagen zu lassen. Man fing an der Hitzhusener Grenze an und arbeitete allmählich nach der Stadt hin. 1856 fielen die letzten Bäume, 1859 wurde das Hesebecksche Grundstück verkauft, und bald darauf wurde auch das sich an dieses Grundstück anschließende Gehölz niedergelegt. Die Bäume, größtenteils schöne Eichen, wurden nach Elmshorn an die Schiffswerft von Kremer geliefert. Der Gutsherr steckte das Geld ein, unbekümmert darum, daß er seinen Besitz und der ganzen Landschaft den schönsten – Schmuck raubte. Geleitet wurde die Abholzung von seinem Inspektor Roggenbau, von dem man sagte, daß er als stiller, Teilhaber dabei auch seine eigene Tasche zu füllen nicht vergessen habe.
An dieser Stelle eine kleine Abschweifung. Hinrich Hesebeck mußte für sein Grundstück einen angemessenen Preis – 2000 Banktaler -zahlen, und sich außerdem verpflichten, jährlich den sogenannten Katentaler an die Gutsherrschaft zu entrichten. Diesen Katentaler zahlten alle Anwohner des Klingbergs jetzt nordwestliche Strecke des Maienbecks, auf der Nordseite von Installateur Bey, auf der Südseite von Briefträger H. Blöcker an. Also wird der Grund und Boden, auf dem diese Häuser stehen, auch einmal gutsherrlich gewesen sein. Das Haus des Schuhmachermeisters Timm nannte man früher die Jägerkate; dort wird also wohl der herrschaftliche Jagd und Forstaufseher gewohnt haben.
Nun zurück zu unserm Thema! Der in den Jahren von 1848 – 56 entwaldete Boden wurde an Bramstedter Einwohner als Ackerland verpachtet. Im Jahre 1874 sollte eine Neuverpachtung erfolgen. Da warf der Wattenfabrikant Hermann Langhinrichs, ein Vaterbruder von Johann Langhinrichs, den Gedanken in die Einwohnerschaft, das Land zu erwerben und wieder aufzuforsten. Um den Gutsherrn geneigt zu machen, das Land billig zu verkaufen, kamen die Pächter Überein, im Termin kein Gebot abzugeben. Das wurde durchgeführt, kein einziger tanzte aus der Reihe. Der Zweck wurde erreicht, es gelang, das rund 10 Tonnen große Stück für 3600 RM. zu erwerben. Käufer waren 60 Bramstedter Bürger; jeder gab 20 Taler = 60 M. her. Inzwischen war man an die Fleckensparkasse herangetreten, diese trat in den Kauf ein und begann sofort mit der Aufforstung. Im Herbst 1883 als die jungen Bäumchen schon verheißungsvoll ihre Zweiglein nach oben reckten, wurde der werdende Wald feierlich unter freudiger Anteilnahme der ganzen Bevölkerung eingeweiht und der Öffentlichkeit übergeben. So erstand das neue Herrenholz dem später noch ein Teil der sich anschließenden Hölzungen auf Hitzhusener Gebiet angegliedert wurde.
Wenn es, aber ein Herrenholz gab, mußte da nicht auch ein Bauernholz vorhanden sein? Wo mag dieses gelegen haben? Die Antwort geben einige Flurnamen! Raabarg auf beiden Seiten der Kieler Chaussee, Schalloh im Anschluß an Maienbaß, Düsternhoop östlich von Raabarg, Hasselloh und Elwersloh nach dem Gayen zu, und endlich Roddenmoor beim Gayen. Raabarg und Roddenmoor hängen sicher mit dem Wort „roden“ zusammen, der Name Düsternhoop weist darauf hin, daß man dort unter dichten, das Tageslicht absperrenden Baumkronen wanderte, Loh heißt soviel als Hölzung, Hain. Wir finden es auch eben über die Feldmarkgrenze in dem Halloh – Berg, vielleicht entstanden aus Heiloh = Heidloh = Berg. Die Maienbaßkoppeln, das Quellgebiet des Maienbeck, sind noch in der Erinnerung alter Leute als Wald bekannt. Am Abhang der sich östlich an Maienbaß anschließenden Lieth standen noch bis in unser Jahrhundert hinein zahlreiche stattliche Eichen, und auf der Höhe der Lieth nach Fuhlendorf zu, fand sich vor reichlich 50 Jahren auf einer Koppel noch ein kleiner Waldrest um eine schöne Buche herum, das Gelände war etwas unbequem für den Pflüger zu bearbeiten, das mag der Grund gewesen sein, weshalb man den Walde bis dahin verschont hatte. Jetzt ist er selbstverständlich längst verschwunden die intensive Ausnutzung des Bodens duldet solche „Schandflecke“ nicht. Wenn man den schmalen Weg bei dem Bauern Sievers nach Maienbaß hinaufgeht, so sieht man dort auf einem Wall Heidelbeergestrüpp. Das ist eine Bestätigung der Angabe, daß Maienbaß früher bewaldet war. Das Vorhandensein von Wald in früheren Zeiten wird bestätigt durch die schmalen vielfach gewundenen Wege – Waldwege – die man in Maienbaß sowie auf den Höhen nach Bimöhlen hinaus beobachtet. Charakteristisch sind ferner die oft unregelmäßig geformten Koppeln. an gewinnt den Eindruck, als wenn die Grenzen so gelegt wurden, wie es die jeweilige Rodung mit sich brachte. Zusammenfassend darf festgestellt werden. daß sich ein Bauernholz im Anschluß an das Herrenholz nördlich des Ortes bis an die Bimöhler Grenze erstreckte.
Wann ist dieses Holz verschwunden? Zum Pastorat gehört bekanntlich eine Vollhufe. In einem alten Inventarbuch fand ich eine Notiz, die besagte, daß das Pastorat damals – es war um 1750 – keine Hölzungen mehr hatte. Sie waren also schon vorher der Axt zum Opfer gefallen. So wird es dem ganzen Bauernwald ergangen sein. In einem Aufsatz über Bramstedter Verhältnisse aus dem Jahre 1820 [G.H. Mahncke im Niederelbischen Mercurius] fand ich lobend erwähnt, daß der Gutsherr, der schon früher genannte Professor Meyer, den Baumbestand sehr pfleglich behandelte, während die Bramstedter Bauern leicht geneigt seien „den Bäumen die Axt an die Wurzel zu legen.“ Das läßt darauf schließen, daß die Bauern damals noch gerodet haben. Es werden wohl die letzten Waldstücke gewesen sein, die dann bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts oder eben darüber hinaus allmählich verschwanden.
Das Schicksal der Bauernhölzungen mag etwa folgendermaßen verlaufen sein. Die Nutzungsberechtigten holten sich in früheren Jahrhunderten das Bauholz für ihre Häuser aus dem Bauernwald. Die wenigen noch vorhandenen Fachwerkhäuser aus der damaligen Zeit mit ihren eichenen Schwellen, Ständern und Riegeln, den schweren Eichenbalken und den festen Eichensparren, auch wohl dem aus Eichenbohlen zusammengefügten Brettergiebel, beweisen das. Die beiden den Turm tragenden Holzsäulen in unserer Kirche werden auch einst als besonders hoch- und starkstämmige Eichbäume auf der Lieth auf dem Raabarg oder sonstwo auf der Höhe gestanden haben. Daneben besorgte man sich auch die Feuerung aus der Hölzung. Eichenknorren und Eichenstubben gaben, in den Beilegerofen geschoben, bessere Hitze als Plaggentorf. Die Eichbäume mußten in ihrer Rinde auch die Lohe zum Gerben des Leders liefern. Jeder Schuster hatte bei seinem Hause eine mit Eichenlohe gefüllte Grube, in der er das zu verarbeitende Leder gar machte. Später übernahmen die Gerber diese Aufgabe, aber auch sie verbrauchten die Eichenrinde. Der letzte. Bramstedter Gerber war Gustav Seller. Auf seinem Hofplatz, da wo jetzt sein Sohn Heinrich Seller den Schmiedehammer [Landweg/Sellertwiete] schwingt, war noch um 1900 herum eine Lohkuhle. Alles das fraß am Bestand des Waldes. Um den Nachwuchs bemühte man sich nicht; dafür ließ man Häher und Eichhörnchen sorgen sowie den Wind, der im Herbst die Baumfrüchte fortschleuderte und weitertrug. Denken wir nun noch daran, daß in den Hölzungen das Vieh geweidet wurde, nicht bloß die Schweine – Gerd Gieseler entdeckte beim Schweinehüten auf dem Karkenmoor im Jahre 1681 die erste Bramstedter Heilquelle, die aus dem von einem Schwein bloßgelegten Wurzelwerk einer Eiche hervorsprudelte – sondern auch das Hornvieh, unter dessen Tritt und Biß manches junge Bäumchen verendete, so ist leicht zu verstehen, daß der Wald sich allmählich lichtete. Inzwischen hatte man auch festgestellt, daß auf den Höhen das Korn besser gedieh und mehr Ertrag brachte als auf den sandigen und anmoorigen Koppeln der übrigen Feldmark und die besseren Ackergeräte, die in Gebrauch genommen wurden, ermöglichten auch die Bearbeitung des dort oben etwas schweren Bodens. Man fing an zu roden, das Bauernholz wurde immer kleiner und verschwand schließlich ganz.
In den letzten 50 Jahren sind Tannenbestände an seine Stelle getreten, aber – nicht in zusammenhängenden Flächen und meistens nicht auf den nordwärtsliegenden Höhen, sondern da, wo der sandige Boden Beackerung nicht lohnt. Sie haben allerdings den Vorzug, daß sie auch im Winter Abwechslung in die Landschaft hineinbringen, aber sie bilden im großen und ganzen doch nur einen geringwertigen Ersatz für den ungleich lebensvolleren Laubwald.
Soweit meine Ausführungen. Ich glaube gezeigt zu haben, daß das Kapitel „Herrenholz“ und „Bauernholz“ Gelegenheit gibt zu mancher kulturgeschichtlichen Betrachtung.. Aber der Geschichtsunterricht soll in erster Linie Gesinnungsunterricht sein. Kann man auch den heimatkundlichen Unterricht gesinnungsbildend gestalten? Statt aller Antwort einige Fragen:
Kann Hermann Langhinrichs, können die Pächter der Ländereien wahrscheinlich alles sogenannte kleine Leute – die sich 1874 verschworen, kein Gebot abzugeben und alle ohne irgendeine Ausnahme zu ihrem Worte standen, können die 60 Bürger, die gemeinsam das Land zurückkauften, können die Vorstandsmitglieder der Sparkasse nicht als Vorbilder hingestellt werden in ihrem Gemeinsinn, der sie alle persönlichen Wünsche zurückstellen ließ gegenüber dem einen großen Ziele? Hat nicht die heutige Jugend ein Recht, stolz auf solche Täter zu sein, Großväter und Urgroßväter? Erwächst daraus aber nicht auch die Pflicht, es ihnen in aufopferungsfähigem Gemeinsinn gleichzutun ?