Schwetscher: Die Auflösung der Brandgilden im Amte Segeberg und die Stadt

aus “Heimatkundliches Jahrbuch des Kreises Segeberg 1957

Johann Schwettscher, Bad Segeberg:

Die Auflösung der Brandgilden
im Amte Segeberg und die Stadt

Noch heute liest man von den Jahreszusammenkünften alter Vereinigungen, deren Aufgabe es war und ist, ihre Mitglieder gegen Feuerschaden zu versichern. Sie blicken alle auf eine mehr als 200 Jahre alte Entwicklungsgeschichte zurück, ohne zu den ältesten Brandgilden unseres heutigen Kreises gehört zu haben.

Eingang fand das Brandgildewesen im Raum um Segeberg nach den bisherigen aktenmäßigen überlieferungen in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, zu der Zeit also, als Heinrich Rantzau Amtmann zu Segeberg war. Da schon sein Vater in der Herrschaft Breitenburg sowohl als auch im Amte Steinburg das in den Elbmarschen entwickelte Brandgenossenschaftswesen gefördert hatte, ist wohl anzunehmen, daß sein großer Sohn diesen Gedanken in den Segeberger Raum verpflanzt und die Anregung zur Gründung der Groß-Rönnauer Schützen- und Brandgilde von 1577 gegeben hat. Dieser ersten Gründung sind weitere gefolgt.

Der tragende Gedanke war, die bisher selbstverständliche nachbarliche Hilfe satzungsmäßig festzulegen. So lange die Verpflichtungen der Gildeinteressenten in Natururallieferungen und Arbeitsleistungen bestanden, war Auswüchsen und egoistischer Ausnutzung ein gewisser Riegel vorgeschoben. Die Ausdehnung jedoch, die im 17. Jahrhundert im allgemeinen die einzelnen Brandgilden nahmen, hatte einen weitgehenden Ersatz der Naturalleistungen durch Geldzahlung zur Folge. Die ständig sinkende Kaufkraft des Geldes erforderte aber bald die Mitgliedschaft in mehreren Gilden, um dadurch in die Lage versetzt zu werden, die nötigen Mittel im Falle eines Feuerschadens zum Neubau zur Hand zu haben.

Ursprünglich waren ganze Ortschaften Mitglieder einer Gilde. Die Erfahrung lehrte aber, daß dann das Risiko zu groß war. So gingen die einzelnen Brandgilden dazu über, durch Einschränkung der Mitgliederzahl in einem Dorfe das Wagnis zu mindern. Um lebensfähig zu bleiben, hatte diese Maßnahme aber eine Ausdehnung über ein größeres Gebiet zur Folge und führte ferner zur Gründung weiterer Brandgilden.

Die alten Gilden kannten unser heutiges Beitragssystem noch nicht. Sie erhoben zwar einen feststehenden Geldbetrag, aber nur im Bedarfsfalle. Die dem durch Feuer Geschädigten auszuzahlende Summe richtete sich nach der Mitgliederzahl, nicht nach dem Gebäudewert. Die Möglichkeit, bei der Mitgliedschaft in mehreren Gilden aus dem Unglück ein Geschäft zu machen, bestand durchaus. War jemand als Mitglied aufgenommen und seinen Verpflichtungen nachgekommen, war auch die Gilde im Schadensfalle zur Leistung verpflichtet.

Derartige Vorkommnisse führten zu einem längeren Austausch von Schriftstücken zwischen den Amtsverwaltungen und Dienststellen in Kopenhagen. Das Ergebnis war die Aufhebung der Brandgilden in der Drostei Pinneberg 1738 und in den ämtern Segeberg (1741) und Rendsburg (1742). An ihre Stelle trat eine das jeweilige Amt umfassende Brandkasse. Sie veranlaßte eine Einschätzung der Gebäude und gewährte im Schadensfalle eine Zahlung der vollenTaxationssumme. Die Beiträge wurden nach der Versicherungssumme berechnet und zunächst als Umlage, später als Jahresbeitrag erhoben. Die Verwaltung dieser Amtsbrandkasse wurde einem Branddirektor übertragen, wozu der Amtsverwalter ernannt wurde

In Segeberg bestand zwar seit 1613 eine Brandgilde, doch konnten die Bürger des Risikos wegen nur zum Teil aufgenommen werden. Sie mußten daher ihre Gilden dort nehmen, wo sie sich boten. Dieses wurde ihnen dadurch erleichtert, daß die jüngeren Gilden mehr und mehr zu reiner Geldwirtschaft übergingen. Die Auflösung der Brandgilden im Amte Segeberg wurde daher in dem Augenblick für manchen Segeberger Bürger ein harter Schlag, als die Amtsverwaltung die Aufnahme der Stadt ablehnte. Trotz des mehrfachen Bemühens der Stadtverwaltung um Herbeiführung einer Sinnesänderung blieb es bei der Ablehnung.

Den Bemühungen der Stadt um Aufnahme in die Brandkasse des Amtes Segeberg dienten statistische Erhebungen über die bisherige Gildezugehörigkeit der Bürger als Material. Die beiden Zusammenstellungen aus den Jahren 1741 und 1749 bieten einen wertvollen Einblick in das Brandgildewesen in der Mitte des 18. Jahrhunderts. Beide sind daher zu der folgenden übersicht verarbeitet. Spalte 1 nennt den Gildevorort, ein Stern davor bedeutet Mobiliengilde. Spalte 2 gibt die Höhe der Umlage in Rthl. (zu 48 Schill.). Spalte 3 nennt die von den Segeberger Mitgliedern angegebene Auszahlungssumme, daraus läßt sich die ungefähre Mitgliederzahl errechnen (Spalte 4). Sie kann etwas höher sein, da inzwischen manche Gilden dazu übergegangen waren, den Gilde-Obleuten, -Meistern, sowie Schrift- und Kassenführern als Ausgleich für ihre ehrenamtliche Tätigkeit Beitragsfreiheit zu gewähren. Spalte 5 enthält die Zahl der Mitglieder aus Segeberg selbst. Die Spalten 6 und 7 bringen Angaben über das Jahr 1749. Es ist auf eine Wiederholung der Höhe der Umlage verzichtet worden, da sie gegen 1741 unverändert geblieben ist. Spalte 6 bringt die Auszahlungssumme , aus der sich die neue Mitgliederzahl unschwer ermitteln läßt, Spalte 7 noch einmal die nunmehrigen Segeberger Mitglieder.HkJb_1957_S97001

Bis 1741 1749
Gilde-Vorort Umlage

Rthl.

Auszhlg.

Rthl.

Ungef.

Mitglz.

Segeb.

Mitgl.

Auszhlg.

Rthl.

Segeb.

Mitgl.

*Armstedt 1 100 100 1 100 7
*Bebensee 2/3 90 135 12 90 1
Bornhöved

Kirchspielgilde

1 150 150 4 194 8

Priestergilde

1 140 140 5 180 4
Bramstedt

Kirchspielgilde

1 166 166 3

Maitagsgilde

1 50 50 12
Fahrenkrug 60 120 7
Fehrenbötel 2/3 60 90 6
Fuhlendorf 1 166 166 2
Gadeland 2/3 53 80 1
Gr.Gladebrügge 1 200 200 1 210 1
Gönnebek 2/3 90 135 1
Haseldorf 2 280 140 6 300 6
1 140
Havighorst 70 140 8 112 8
Amt Ahrensbök
*Heidmühlen

Wirtsgilde

1 160 160 6 166 4

Knechtsgilde

2/3 100 7
Hüttblek 1 50 50 4
Hüttenwohld 1 110 1
*Kükels 1/6 66,32 3
Leezen/Todesfelde 2/3 130 195 7
Mielsdorf 60 120 15 95,16 15
Nahe 1 66,32 5
Neeritz 1 150 150 4 266 8
Neumünster

Fleckensgilde

1 140 140 2 120 1

Medardusgilde

1 100 100 3 153 4

Vitigilde

1 140 140 3 148 5

Neue Gilde

1 50 9
Neversdorf 2/3 90 135 6
Oldesloe 1 133 10
Pöls 1 120 4
Rickling

Ostergilde

80 160 5 53,16 6

Brdgilde

2/3 107 3
Gr.Rönnau 1 60 60 8
Kl. Rönnau 1 85 12
Schackendorf 2/3 110 165 8
50 100 2
Schafhaus 2/3 160 240 7
Schmalensee 1/3 40 120 2
Segeberg

Stadtgilde

1 75 75 17 105 20

*Vitigilde

1/3 82 19
*Sievershütten 1 200 200 9 120 9
Struvenhütten 1 150 150 1 150 1
*Stuvenborn 2/3 60 90 4 60 5
Tarbek 60 120 11 33 14
Todesfelde 2/3 66 100 4
*Tönningstedt 50 100 3 60 12
Wakendorf 66 132 1 120 10
Westerrade 2/3 130 130 1 100 5
Wöbs 1 251 251 7 303 10

Nicht in obige übersicht aufgenommen ist die Häuserzahl der Stadt, die in beiden Jahren 110 beträgt. Davon waren gegen Feuerschaden 1741 versichert 90 Häuser, 1749 dagegen nur 89, demnach nicht versichert 20 bzw. 21. Außer dem Rathaus sind es in erster Linie Buden und Halbbuden. Die Gildeanteile beliefen sich 1741 auf 209 mit rund 22 000 Rthl., 1749 auf 237 mit rund 28 000 Rthl. Der Ausfall der aufgelösten Gilden im Amte Segeberg verminderte die Anzahl der Gilden von 40 auf 33, brachte einen Ausfall von rund 7000 Rthl. Versicherungssumme, der aber bis 1749 mehr als ausgeglichen ist.

Im Jahre 1741 bestand in der Stadt nur eine Brandgilde. Zu ihr gesellte sich die sogenannte Vitigilde als Mobiliengilde. Im Amte Segeberg waren Segeberger Bürger 1741 in 21 Gilden eingeschrieben, 1749 waren es noch 8. Im Amte Traventhal waren sie 1741 an 4 beteiligt, diese Zahl erhöht sich bis 1749 auf 5, da wohl der größere Teil der Gildebrüder der Groß-Rönnauer Schützen- und Brandgilde in die Klein-Rönnauer 1741 eintrat. Außerhalb beider ämter war die Beteiligung 1741 an 13 verschiedenen Gilden festzustellen, bis 1749 ist diese Zahl auf 18 gestiegen.

Von den 209 Gildeanteilen des Jahres 1741 entfiel erwartungsgemäß der Hauptanteil auf die Gilden des Amtes Segeberg, nämlich 108 mit 51,6 v. H. der Gesamtsumme. Im Jahre 1749 sind es von den 237 immerhin noch 35 mit 14,7 v. H. Auffallend gering ist 1741 der Anteil der Gilden im Amte Traventhal mit 18 oder 8,5 v. H. Hier muß jedoch erwähnt werden, daß die wenigen dort vorhandenen Gilden durch das TraventhalerGieschenhagen schon reichlich belastet waren und eine stärkere Segeberger Mitgliedschaft das Risiko wesentlich erhöhte. Der Zuwachs auf 43 bzw. 18,1 v. II. wird in erster Linie von der Neugründung in Klein-Rönnau getragen. Des Risikos wegen ist auch der Zuwachs in den Stadtgilden beschränkt. Die 17 von 1741 wachsen an auf 39, der v. H .­Anteil erhöht sich von 8,2 auf 16,6. daß Segebergs Bürger sich besonders im weiteren mittelholsteinischen Raum zu versichern suchen, geht aus der Steigerung der Anteile von 66 auf 120 hervor, der v. H.-Anteil an der Gesamtsumme erhöht sich von 31,7 auf 50,3.

Es war Segebergs Bürgern gelungen, die durch die behördlichen Maßnahmen hervorgerufene Umstellung durchzuführen. Der Fortgang dieser Eingriffe in das Feuerversicherungswesen ließ erkennen, daß, nachdem Erfahrungen in den ämtern gesammelt worden waren, auch ähnliche Maßnahmen in den Städten getroffen werden würden. Im Jahre 1759 setzten sie ein, um zur Städtebrandkasse zu führen.

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