Klöckner: Kriegsgräberstätte Bad Bramstedt

veröffentlicht in ?? (Heimatkundliches Jahrbuch ??); den Text erhielt ich in Kopie von Friedrich Wilhelm Obersteller, Bad Bramstedt.

Kriegsgräberstätte Bad Bramstedt

— eine Information des Realschulkonrektors a. D. Karl Klöckner —

Auf dem Bramstedter Friedhof befindet sich am südlichen Ende des alten Friedhofes eine Kriegsgräberstätte. Hier wurden 412 Kriegstote zur letzten Ruhe gebettet. Kinder, Frauen, Männer. – Deutsche, Russen, Polen. Schlichte Findlinge schmücken die Ruhestätten, sie weisen nur Namen und Alter aus.

Geht man den Hauptgang, von der Glückstädter Straße kommend, entlang und biegt links ab, so erreicht man die Anlage bei dem Hochkreuz. Hier ruhen in 5 Reihen 168 Soldaten des letzten Krieges, unter ihnen eine Frau (Reihe 1 = 31, Reihe 2= 34, Reihe 3 = 34, Reihe 4 = 42 und Reihe 5 = 27). Getrennt durch ein baum- und strauchbestandenes Gräberfeld liegt neben dieser ersten Anlage, die in den 50er Jahren erstand, die fünfreihige neue Kriegsgräberstätte, die die Friedhofsgärtnerei 1974 im Auftrage des Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge fertigstellte. Sie gleicht der ersten in ihrer Schlichtheit, auch hier weisen Findlinge die Ruhestätte von insgesamt 244 Toten aus. Begrub man auf der ersten Anlage nur Soldaten, so hier vor allen Dingen Flücht- linge des 2. Weltkrieges (Reihe 6 = 48, Reihe 7 = 44, Reihe 8 = 52, Reihe 10 = 45). (Was ich als Chronist hier niederschreibe, weiß ich von Herrn Stüber, dem heutigen Friedhofs Verwalter.)

Wenden wir uns zunächst dem Soldatenfriedhof zu und berichten etwas über das Schicksal der hier Bestatteten.

Am Ende der. 3. Reihe, direkt neben dem Weg, liegt die Grabstätte des Soldaten Ladislaus Rad aus Rode in Rumänien, Volksdeutscher, SS-Schütze, beigesetzt als erster Soldat auf dem hiesigen Friedhof im Jahre 1944. Der Schütze verstarb im Lazarett, das während des Krieges in der Rheumaheilstätte eingerichtet worden war. Der letzte hier beigesetzte Lazarettangehörige war der Soldat Martin Rehwagen, verstorben am 29.3.1947 (Reihe 5, Stein – vorletzter Stein neben dem Hochkreuz). Am Ende des Krieges wurden 9 Soldaten durch englischen Tieffliegerangriff bei der Mergerkuhle an der Hamburger Chaussee (heute Fischteiche) getötet. Sie befanden sich auf dem Wege von Norwegen zur Ostfront, als sie hier zusammengeschossen wurden. Am 21. April 45 wurden sie in Bad Bramstedt beerdigt (u. a. Johann Spörer, Erich Bräuning, Peter Pies und Artur Bach, Seine Nr.7, 8, 9 und 10der 4. Reihe)! Über das Schicksal der einzigen Frau, die hier neben Soldaten liegt, ist folgendes zu sagen: Frau Erna Wittge (2. Reihe, Stein Nr. 13), wurde das Opfer einer hinter der alten Wassermühle (bei der heutigen Kreissparkasse) im Frühjahr 1945 niedergehenden Bombe.

Der Krieg war schon zu Ende, doch explosives Kriegsmaterial forderte weitere Opfer. Am 30. Mai 1945 erfolgte eine ungeheure Explosion auf dem Schäferberg bei den landwirtschaftlichen Gebäuden des Bauern H. Mertens. Hier stapelten Soldaten einer Sanitätsstaffel der ehem. deutschen Luftwaffe Minen und Munition. Das englische Wachpersonal spielte mit Tellerminen, 15 Soldaten wurden Opfer der dabei ausgelösten Explosion. 9 deutsche Soldaten (Reihe 2 am hinteren Ende beim Hochkreuz. Steine Nr. 25. und 26.: Karl Graf und Max Graf von Sprethi (Spreti, s.unten), 1910 – 1945, letzterer ein Bruder des deutschen Botschafters von Sprethi (Buch: Jörg Zedler, Karl Graf von Spreti, Bilder eine diplomatischen Karriere, München 2008)), der 1970 in Bolivien  (Anmerkung: richtig Guatemala) ermordet wurde, und andere liegen hier). Die getöteten 6 englischen Soldaten wurden in die Heimat überführt. Der jüngste auf dieser Anlage beigesetzte Soldat war der Matrose Gottfried Breidenbach, 1927 – 1945, somit 18 Jahre (Reihe 2, Stein Nr. 12). Es mag hier noch am Rande eine Begebenheit erwähnt werden, die Kopfschütteln hervorruft. Beigesetzt waren hier anfänglich 3 im Lazarett verstorbene Soldaten aus Elsaß-Lothringen, die in der deutschen Wehrmacht gekämpft hatten. Nach dem Kriege waren sie wieder „Franzosen“. Eine französische Suchkommission sorgte dafür, dass im Sommer 1957 die 3 Toten umbebettet wurden. Zwei von ihnen liegen nun in französischer Erde, Heinrich Joschfeld (Reihe 4, Stein Nr. 22) kam zurück. Die Vermutung liegt nahe, daß er bei der Waffen-SS diente und daher keine Aner(kennung fand.) [ergänzt, da Fehlstelle in der Kopie des Textes].

Wenden wir uns der zweiten, der neueren Anlage zu. Lücken zwischen den Findlingen fallen auf. Das erklärt sich folgendermaßen: Hier auf diesem Teil des Friedhofes wurden die vielen deutschen Flüchtlinge und Vertriebenen beigesetzt, die infolge der Strapazen der Flucht krank wurden, dann im letzten Kriegsjahr und den 3 folgenden Nachkriegsjahren hier verstarben. Der Weg der Flüchtlinge ging damals meistens über das Flüchtlingslager Pöppendorf bei Lübeck (unter Aufsicht des englischen Militärs) hin zum Influx-Krankenhaus Bad Bramstedt, eingerichtet nach Schluß des Krieges in der Rheumaklinik. Seuchen (Typhus und Ruhr) und Unterernährung fanden viele Opfer. Wer diesen direkten Weg über Flüchtlingslager – Krankenhaus ging und dann verstarb, erwarb die offizielle Anerkennung als Kriegstoter mit dem Recht auf ewige Ruhestätte. Andere Leidensgefährten, die aus dem Krankenhaus entlassen wurden und privat unterkamen, später dann den Leiden der Flucht erlagen, fanden keine Anerkennung als Kriegstote mehr. Das sei mir zu bemerken erlaubt, nach diesem Konzept registriert der Volksbund nun mal. Die hier in der 2. Anlage vor jetzt ca. 30 Jahren beigesetzten Verstorbenen bleiben hier liegen, sie werden nicht umgebettet. So künden heute die Lücken davon, daß hier Tote, meistens Flüchtlinge, ihre letzte Ruhe fanden.

Die erste im Influx-Krankenhaus verstorbene und in Bad Bramstedt beigesetzte Tote war Lore Schwarz, 19 Jahre alt, aus Kuppen in Ostpreußen, am 9.4.1945 beigesetzt (Reihe 8, Stein Nr. 5).

Aus den Listen der Friedhofsgärtnerei:
Kriegstote Gertrud Jendreizig (Imdreizig), 23 Jahre, (Reihe 8, Nr. 27). (Bei der Mutter beigesetzt: Jürgen Jendreizig, Säugling, 3 Wochen alt, ohne Stein.
Terin Nikolai, 1920 -1944, russischer Kriegsgefangener, Radio-Techniker aus Moskau, Stalag 1308 Neumünster, erkrankt und gestorben im Reserve-Lazarett Bad Bramstedt (Reihe 8, Stein Nr. 10). Stefanie Blonska, 1922 -1942, 20 Jahre. Polin (Reihe 8, Stein 9). Apollina Pachla, 1926 – 1945, 19 Jahre, Polin (Reihe 8, Stein 11). Ludwik Blschetschik, 1906 -1034,37 Jahre, Pole (Reihe 8, Stein 12). Wladislaw Nowaki, 1918 -1945. 27 Jahre, Russe (Reihe 8, Stein 13). Serjey Litowschenko, 1882 – 1944, 62 Jahre, Russe (Reihe 8, Nr. 14). Anna Prokopiak, 1924 -1944, 20 Jahre, Polin, Reihe 8, Stein 15). Schamido Hamid, 1922 -1945, 23 Jahre, Russe (Reihe 8, Stein Nr. 16.). Im Influx-Krankenhaus verstarben in diesen Jahren 3 russische Kriegsgefangene, 6 Polen und Polinnen, die als Zivilarbeiter nach hier verpflichtet worden waren.

Über ein Einzelschicksal noch folgende Angaben:
In der Reihe 7, Stein Nr. 22 liegt Johann Seiler begraben. Er stammt aus Pommern. Er war um den 1. Mai 45 herum, als er in seinem Heimatdorf den Friseur aufsuchte, um sich die Haare schneiden zu lassen. Er kehrte nicht nach Hause zurück. Wahrscheinlich fiel er den Russen in die Hände, die ihn nach Osten abtransportierten. Die Familienangehörigen, die Ende der 50er Jahre in ein Dorf in der Nähe Kölns als Vertriebene umsiedelten, meldeten ihn als vermißt. Sie wußten nicht, daß der Familienangehörige Johann Seiler als Kranker im Influx-Krankenhaus zu Bad Bramstedt aufgetaucht war und dort 1946 verstarb. Die Familie Seiler bekam über den deutschen Suchdienst Nachricht über sein Schicksal.
Reihe 9, Stein Nr. 16: Jergi Lewicki, 1945 verstorben, polnischer Leutnant. Reihe 9. Stein Nr. 17: Adam Potowski, 1924 – 1944, Pole, 20 Jahre alt.

Am 27. Juli 1942 ging eine Luftmine, abgeworfen von einem englischen Flugzeug, in der Nähe des Hotels „Zur Post“ hoch. Ihr fielen zum Opfer: Hella Göttsche, 3 Jahre. Christa Göttsche, 2 Jahre, Christine Wrage, 75 Jahre, Postbotin, Elisabeth Schlappkohl, 30 Jahre, Friederike Luise Harms, 79 Jahre, Martha Zimmer, 40 Jahre, Irmgard Zimmer, 3 Jahre, Luise Delfs, geb. Harms. – Diese Opfer sind in den Familiengräbern beigesetzt worden. 1 Person, die nicht aus Bad Bramstedt stammte wurde auswärts beigesetzt, 9 Menschen kamen ums Leben.

(Anmerkung: Die Angabe zur Zahl der Opfer schwankt. Es werden auch 10 genannt.)

Ergänzung 2012:
Von Heinrich Graf von Spreti, München, erhielt ich Fotos zu Max Graf von Spreti und einen Auszug aus der Familienchronik ( „Geschichte  des altadeligen Hauses Spreti“, 1995) sowie ein Buch zu Karl Graf von Spreti (+1970)
Homepage: http://www.grafvonspreti.de/

.Zu Maximilian III Josef Graf von Spreti heißt es in der Familienchronik (S. 146):
“Vater: Adolf III Graf von Spreti
Mutter: Anna Gräfin von Yrsch

Maximilian, Max genannt, nannte sich später auch Maximilian Josef, wurde in Kapfing am 5. August 1910 geboren und starb in Bad Bramstedt am 31. Mai 1945.
Seine Jugend verbrachte er im elterlichen Hause, von wo aus er auch die Volksschule besuchte. Anschließend kam er 1921 in das Institut der Jesuiten nach Feldkirch, später nach München auf das Gymnasium. Nach dem Abitur ging er auf die Universitäten München und Erlangen, wo er Rechtswissenschaften und Volkswirtschaft studierte. Als Dr. jur und Dipl. Ing. rer. pol. verließ er die Universität Erlangen.
1940 wurde er zur Wehrmacht eingezogen; er war den ganzen Krieg über beim Milität und kam 1945 bei Kriegsende in englische Gefangenschaft. Dort wollten die Eingländer einigen deutschen Kreigsgefangenen den Auftrag geben, ein Munitionslager wieder in Ordnung zu bringen. Max, der der Sprecher der deutschen Kriegsgefangenen war, weigerte sich, diese Arbeit aufzunehmen aufgrund der Genfer Konvention. Als aber die Engländer anboten, ebensoviele Engländer wie Deutsche für diese Arbeit zu verwenden, stimmte Max zu.
Am 31. Mai 1945 fuhr ein englischer Jeep in das Lager hinein, fuhr über eine Panzerfaust, die in den Munitionsstapeln explodierte, an denen gerade die Engländer und die Deutschen arbeiteten. Sie alle waren auf der Stelle tot.
Max liegt in einem Massengrab in Bad Bramstedt begraben.
Dieses sinnlose Ende geht allen, die Maxi – wie er im Familien- und Freundeskreis genannt wurde – kannten, noch heute sehr schmerzlich nahe. Er war Gegner des Dritten Reiches gewesen und hatte die letzten für ihn politisch gefahrvollen Jahre des Zweiten Weltkrieges glücklich überstanden, und dennoch mußte er auf diese Weise sein junges Leben verlieren.
Maxi war unter seinen Brüdern der heiterste. Er war auf angenehme Weise ein eleganter Mann, interessierte sich für innenarchitektonische Fragen, liebte Geselligkeit und ein lustiges Leben. Kurz und gut, er war rundum ein angenehmer Mensch. Ein Großteil dieser liebenswerten Eigenschaften dürfte Erbeteil seiner Mutter gewesen sein, die auch in schwersten zeiten gescheit und gelassen das Lachen und das Lächeln nie verlernt hatte. Man wird an Max, wenn man ihn gut kannte, immer mit Sympathie und Trauer denken.”

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