Zimmermann / Brandt: Astronom Heinrich Christian Schumacher

Astronom Schumacher wieder entdeckt

Ein Beitrag von Horst Zimmermann
in „300 Jahre Bramstedter Heilquellen“, Bad Bramstedt 1981.

Abdruck mit frdl. Genehmigung der Rheumaklinik Bad Bramstedt

Bad Bramstedter Heimatforscher hatten bisher das Wirken des in Bramstedt gebürtigen Astronoms Heinrich Christian SCHUMACHER nur oberflächlich in wenigen Zeilen geschildert. Wertvoll war für weitere Nachforschungen der Hinweis, daß in Hamburg/Altona eine Straße nach ihm benannt worden sei.
In jüngster Zeit ist das Leben von Heinrich Christian SCHUMACHER vor allem durch eine Arbeit von Lutz BRANDT, Hamburg, aufgehellt worden.

Heinrich Christian Schumacher

Heinrich Christian Schumacher

Heinrich Christian SCHUMACHER wurde am 3. September 1780 in Bramstedt geboren. Sein Vater war hier königlich-dänischer Kammerherr. Der Sohn verlebte in Bramstedt und in Segeberg seine Jugend.

Umfangreiche Studien der Mathematik und der Astronomie folgten. Es kam zu einer engen Verbindung mit dem berühmten bahnbrechenden Mathematiker und Direktor der Göttinger Sternwarte Carl Friedrich GAUSS (1777-1855). 1810 wurde SCHUMACHER Professor der Kopenhagener Universität und königlich-dänischer Konferenzrat. Der Astronom unternahm ab 1815 die sehr wichtige Gradmessung und Triangulation des dänischen Gesamtstaates; es folgten topographische Aufnahmen von Holstein, Hamburg und Lauenburg. “Im Treppenhaus des Segeberger Rathauses hängt ein Abdruck eines schönen Planes der Stadt und ihrer Umgebung aus dem Jahre 1825” (Brandt, 5. 25). Zu den Hauptwerken SCHUMACHERS zählt die Gründung der Altonaer Sternwarte an der Palmaille im Jahr 1821. Hier wirkte er rund drei Jahrzehnte und starb am 28. Dezember 1850.

schumacherPlatte

An das Wirken des Astronoms Heinrich Christian Schumacher erinnert am Ausgang des Hamburger S-Bahnhofes Königstraße eine Gedenkplatte: ein symbolisierter Meridian (senkrecht) und eine kunstvoll gegliederte Platte “Lauschen zum All”.

Unter den Überresten des Heilig-Geist-Kirchhofes, ein Relikt der Hamburger Bombardierungen des 2. Weltkrieges, steht noch heute der Grabstein SCHUMACHERS und seiner Frau. Wenige Schritte davon entfernt wurde am Eingang des S-Bahnhofes Königstraße eine Gedenktafel für ihn angebracht. Der in den Boden eingelassene Altonaer Meridian erinnert an die Sternwarte Altona, Hauptwirkungsstätte des Astronomen SCHUMACHER, der aus Bramstedt stammte.


aus dem Heimatkundlichen Jahrbuch des Kreises Segeberg, 1980, S. 45 ff.

Lutz Brandt, Hamburg

Heinrich Christian Schumacher zum zweihundertsten Geburtstag

Der zweihundertste Geburtstag des großen Astronomen und Geodäten Heinrich Christian Schumacher am 3. September 1980 soll uns hier willkommener Anlaß sein, ein Bild wissenschaftlichen Lebens und Arbeitens im 19. Jahrhundert entstehen zu lassen. Trotz mancher unliebsamer Zeitumstände, die auch an Schumacher nicht spurlos vorübergingen, stellt das 19. Jahrhundert so etwas wie den Höhepunkt einer geradezu heroischen Zeitepoche in den Naturwissenschaften dar, die mit dem Auftreten Isaac Newtons und seiner „Prinzipien“ an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert ihren Anfang nahm.

Den Segebergern ist Schumacher bekannt durch seine umfangreiche geodätische, hier besonders topographische Tätigkeit. Im Treppenhaus des Segeberger Rathauses hängt ein Abdruck seines schönen Planes der Stadt und ihrer Umgebung aus dem Jahre 1825.

I.

Heinrich Christian Schumacher wurde am 3. September 1780 als Sohn des königlich-dänischen Amtmanns und Kammerherrn Andreas Schumacher (1726 -1790) und dessen Ehefrau Sophia Hedwig Rebecca geb. Weddy (1752 -1822) im holsteinischen Flecken Bramstedt (heute Bad Bramstedt) geboren. Schumacher verlebte dort und zum Teil in Segeberg, wo sein Vater als Amtmann des Amtes Segeberg wirkte, seine ersten Jugendjahre. Wie Schumacher selbst berichtet1, wurde er im 7. Lebensjahre von seinem Vater dem König Friedrich VI. von Dänemark und Herzog von Holstein vorgestellt und dieser hat als wahrhaft königlicher Gönner bis zu seinem Tode, stets seine schirmende Hand über ihn gehalten.

Eine einschneidende Änderung bedeutete es für Schumacher als er mit 10 Jahren seinen Vater verlor. Der Fürsorge seines Vaters hatte Schumacher es aber zu verdanken, daß er seinen ersten Unterricht von einem gewissenhaften und tüchtigen Mann, dem Pastor Dörfer erhielt, der durch seine Topographie Schleswig-Holsteins bekannt wurde. Schumacher gedachte dieses Mannes stets in großer Dankbarkeit. Als Pastor Dörfer nach dem Tode von Vater Schumacher die Pfarrstelle an einer Kirche in Altona erhielt, wird es das Verhältnis zwischen ihm und der Familie Schumacher gewesen sein, das Schumachers Mutter veranlaßte 1790 nach Altona zu ziehen und die Söhne2 das dortige Gymnasium besuchen zu lassen, dessen Direktor Jacob Struve war, der Vater des berühmten Astronomen Friedrich Georg Wilhelm Struve (1793 bis 1864).

Durch vormundschaftlichen Rat zum Studium der Rechtswissenschaften bestimmt, war es einstweilen nicht die Astronomie, der Schumacher sich verschreiben sollte. Nach Beendigung seiner juristischen Studien in Kiel und Göttingen nahm er 1804 eine Anstellung als Hauslehrer in einer angesehenen Familie in Livland an, ging aber bereits 1805 nach Dorpat, um sich an der dortigen Universität als Privatdozent für Jurisprudenz niederzulassen. Die hierdurch bedingte Verbindung zu den Dorpater Professoren J.W.A. Pfaff und E. Chr. F. Knorre ließ in Schumacher die alte Liebe zur Mathematik und Astronomie wieder aufleben, so daß er sich unter ihrem Einfluß immer mehr zu diesen Wissenschaften hingezogen fühlte. Nach mancherlei Umständen, die die Aufnahme seiner Dozententätigkeit bis Anfang 1807 verhinderten, wurde Schumacher nach Kopenhagen berufen, um in der Rentkammer angestellt zu werden. Vereitelt wurde dieser Stellungswechsel durch den Anfang September 1807 erfolgten Überfall der englischen Flotte auf Kopenhagen. Schumacher erreichte aber dennoch, daß ihm Aussichten auf eine Anstellung als außerordentlicher Professor der Astronomie an der Kopenhagener Universität gemacht wurden. So ging Schumacher, um die weitere Entwicklung abzuwarten, nach Altona zurück, wo er mit seiner Mutter in der Palmaillenstraße (heute Behnstraße) wohnte und an einer Übersetzung von Carnots „Geometrie de position“ arbeitete.

In diese Zeit von Schumachers Aufenthalt in Altona fallen zwei für sein weiteres Leben außerordentlich wichtige Ereignisse. Es handelt sich um die beginnende Freundschaft mit dem Hamburger Spritzenmeister und Liebhaber der Astronomie Johann Georg Repsold und den sich anbahnenden Briefwechsel mit dem berühmten Mathematiker und Direktor der Göttinger Sternwarte Carl Friedrich Gauss (1777-1855).

Auf Veranlassung der Grafen v. Reventlow und Schimmelmann erhielt Schumacher vom dänischen König 600 Taler Kurant mit der Maßgabe, diese für astronomische Studien, deren Zeitdauer auf ein Jahr festgelegt war, zu benutzen. In einem Brief vom 20. September 18083 teilt Schumacher Gauss dieses mit und bittet ihn gleichzeitig, unter seinen Augen seine astronomischen Studien fortsetzen und vertiefen zu können. Gauss schreibt unter dem 2. Oktober 18084 zurück: „ . . . Höchst erfreulich ist mir die Aussicht, daß Sie Göttingen eine Zeitlang zu Ihrem Aufenthalte wählen wollen, und ich werde mich sehr glücklich halten, wenn ich Gelegenheit habe, Ihnen auf irgend eine Weise nützlich zu seyn. . . Alle Hülfsmittel, die unsere Sternwarte darbietet, stehen zu Ihrer Uebung bereit. Wir werden zusammen beobachten, Sie werden mich bei den Rechnungen unterstützen, und vielleicht bin ich im Stande, Ihnen bei beiderlei Beschäftigung manches mitzuteilen, was Ihnen interessant und nützlich seyn kann.“

Schumachers Aufenthalt in Göttingen währte von November 1808 bis etwa Oktober 1809. Eine erhoffte Verlängerung des Stipendiums ließ sich leider nicht erwirken. So reiste denn Schumacher in Gauss‘ Gesellschaft über Bremen, um den berühmten Arzt und Astronomen H. W. M. Olbers zu treffen und Joh. H. Schröters Sternwarte in Lilienthal, wo F. W. Bessel wirkte, zu besuchen, nach Altona zurück.

Schumachers etwas unbestimmter Zustand in Altona zog sich bis zum August 1810 hin, als er aus Kopenhagen die Berufung zum a. o. Professor der Astronomie der Kopenhagener Universität erhielt. Eine Verwendung Schumachers in Kopenhagen kam dennoch nicht in Frage, da der dortige Ordinarius für Astronomie Th. Bugge, die Sternwarte allein zu seiner Verfügung zu erhalten wünschte. Man legte Schumacher deshalb nahe, sich einstweilen beurlauben zu lassen, um seine in Hamburg auf der Sternwarte Repsolds angestellten Beobachtungen weiterzuführen. Durch diese gemeinsame Tätigkeit traten sich die beiden ihrer Veranlagung nach grundverschiedenen Männer näher. Repsold bieder, zum Teil drastisch, Schumacher diplomatisch gewandt, verband beide eine innige Freundschaft, die, trotz mancher starker Prüfungen, ungeschwächt bis zu Repsolds Tod5 bestehen blieb und die der Überlebende auch auf die Söhne des verstorbenen Freundes übertrug.

Auf Betreiben der französischen Besatzungsmacht in Hamburg mußte Repsold 1811 das Sternwartengebäude auf der Bastion „Albertus“ der hamburgischen Wallanlagen abbrechen, um neuen Befestigungen Platz zu machen. Unter diesen Umständen war es Schumacher sehr erwünscht, auf Veranlassung von Gauss hin, einen Ruf als Direktor der Sternwarte nach Mannheim zu erhalten. Der ihm darauf in Kopenhagen gewährte Abschied galt aber nur unter der Bedingung, daß, falls Bugge sterben würde, er sofort als dessen Amtsnachfolger zurückzukommen habe. Im August 1813 verließ Schumacher mit seiner Frau und in Begleitung seiner Mutter Altona und zog nach Mannheim.

Die traditionsreiche, von P. Christian Mayer S. J. 1772 auf Veranlassung von Kurfürst Carl Theodor gegründete Mannheimer Sternwarte6, fand Schumacher in einem traurigen und verwahrlosten Zustand vor. Trotz aller Unzuträglichkeiten war Schumacher ein fleißiger Beobachter. Der Aufenthalt Schumachers in Mannheim sollte nicht von allzu langer Dauer sein. Bugge starb Anfang 1815 und Schumacher wurde nach Kopenhagen zurückgerufen, um dessen erledigte Professur und die Leitung der Sternwarte zu übernehmen. Eine Reise nach Italien, die er in Begleitung Georg v. Reichenbachs machen wollte, kam nicht mehr zur Ausführung, so daß er im Juli 1815 die Rückreise nach Kopenhagen antrat.

II.

Die Sternwarte in Kopenhagen auf dem „Runden Turm“, war instrumentell nicht gut ausgestattet und befand sich, hinsichtlich ihrer baulichen Ausführung, in einem sehr mangelhaften Zustand. Diese Sternwarte konnte Schumacher nicht genügen. Er nennt sie einmal Bessel gegenüber „eine der erbärmlichsten Europas“.

Die Tätigkeit Schumachers an der Sternwarte und seine Wirksamkeit an der Kopenhagener Universität, waren aber nur von episodenhafter Kürze. Um diesem unerfreulichen Zustand eine ihm gemäße Wendung zu geben, verstand es Schumacher mit exzellenter Diplomatie, den dänischen König für den Plan einer großangelegten Gradmessung, deren nördlichster Punkt Skagen und deren südlichster Punkt Lauenburg seine sollte, zu interessieren. Der gesamte Bogen zwischen Skagen und Lauenburg umfaßte 4 1/3 Grad. Als Ergänzung zu diesem Plan, kam noch das Projekt einer Längengradmessung von Kopenhagen bis zur Westküste Jütlands, die 4 2/3 Grad umfaßte.

Bis Mitte 1816 waren Schumacher alle erforderlichen finanziellen Mittel in liberalster Weise von der dänischen Regierung zur Verfügung gestellt worden. Im Juni desselben Jahres war Schumacher bereits vollauf mit den Vorbereitungen zu den Triangulationsarbeiten beschäftigt, wobei er allerdings dann doch ins Hintertreffen kam, da Reichenbach in München die bestellten Instrumente nicht termingerecht ablieferte. In einem Brief Schumachers an Gauss vom 7. Juni 18167, in dem er ihn diesen Umstand mitteilt, regt Schumacher unter anderem an, ob nicht Gauss, eventuell zusammen mit B. A. v. Lindenau, den Meridian durch Hannover fast bis gegen Gotha führen und somit den Anschluß an die bayerischen Dreiecke vornehmen wolle.

Wenn dieses auch der entscheidende Anlaß zu der von Gauss durchgeführten hannoverschen Gradmessung war, so bedurfte es doch noch umfangreicher Vorstellungen und Eingaben bei den Regierungen in Hannover und London — unter anderem durch Schumacher selbst —, bis durch eine Kabinettsorder König Georgs IV. vom 9. Mai 1820, die Fortsetzung der dänischen Gradmessung durch das Königreich Hannover angeordnet wurde8.

Im Laufe der Zeit schritten die Arbeiten Schumachers trotz einiger Hindernisse zügig voran. Zwei der markantesten Dreieckspunkte in seinem Netz, waren der Turm der Michaeliskirche in Hamburg und einer der Türme der Lübecker Marienkirche. Für die Festlegung einer Basis, für die Repsold die Anfertigung des Meßapparates in Auftrag genommen hatte, fand Schumacher bei Ahrensburg in der Gemeinde Braak ein geeignetes Gelände, das auch den späteren Anschluß der hannoverschen Dreiecke zuließ. Nicht unerheblich erleichtert wurden Schumachers Vermessungsarbeiten im Feld durch die Beistellung einiger Offiziere der dänischen Armee und Marine, unter ihnen die Leutnants Caroc, Nehus, Nyegaard und der spätere Vizeadmiral und Freund Schumachers Zahrtmann. Für die Reduktionsrechnungen zog Schumacher im Laufe der Zeit P. A. Hansen, Olufsen, Nissen, Th. Clausen sowie später C. A. F. Peters und A. C. Petersen heran.

Die Tätigkeit Schumachers war naturgemäß mit recht vielen Reisen zwischen den Dreieckspunkten einerseits und Kopenhagen und Altona, das ihm als Hauptquartier diente, andererseits verbunden. Weilte er in Altona, so wohnte er in Abständen in der Zeit von August 1818 bis Juni 1819 bei Conrad Hinrich Donner auf dessen Besitzung in Neumühlen an der Elbe, nicht unweit Altonas.

Da mittlerweile eine, wenn auch noch keineswegs definitive Entscheidung der englischen Regierung betreffs der Durchführung der hannoverschen Gradmessung gefallen war, beteiligte sich Gauss an den Zenitsektorbeobachtungen Schumachers im Sommer 1819 in Lauenburg. Im Winter 1819/20 war Schumacher zu Polhöhenbestimmungen und trigonometrischen Messungen in Kopenhagen, und im darauffolgenden Sommer in Skagen und wieder in Lauenburg. Im Oktober 1820, Schumacher hatte sich inzwischen in Altona in der Karolinenstraße bei Madame Klick eingemietet und für Gauss ebenfalls ein Zimmer mit schönster Elbaussicht eingerichtet, wurde im Beisein von Gauss und F. G. W. Struve, die Basismessung bei Braak begonnen.

Trotz mancher Unzuträglichkeiten, welche die Feldarbeiten für Schumachers Gesundheit mit sich brachten, war er auch auf literarischem Gebiet sehr tätig. So gab er ab 1820/21 astronomische Hilfstafeln und Ephemeriden unter anderem für navigatorische Zwecke heraus, die bis zum Jahre 1829 bzw. 1831 fortgesetzt wurden.

Unter dem 27. März 18219 schreibt Schumacher aus Kopenhagen an Gauss: ,,. . . Unser Finanzminister hat mich beinahe aufgefordert, eine Astronomische Zeitung in Altona herauszugeben, von der jede Woche etwa ein Bogen erschiene, und die dazu diente, die lebhafteste Communication unter den Astronomen zu erhalten.“

So gründete Schumacher die „Astronomischen Nachrichten“ (A. N.) und erhielt von der dänischen Regierung jegliche erdenkliche Unterstützung in finanzieller Hinsicht. Nach Schumachers eigenen Worten, müßte der damalige dänische Finanzminister Mösting (1759 -1843) als der eigentliche Begründer der Zeitschrift bezeichnet werden. Indessen wurde Mösting dadurch geehrt, daß ein Mondkrater in Nähe der Mondmitte, der als Ausgangspunkt für zahlreiche Positionsmessungen und Anschlußbeobachtungen von Objekten auf der Mondoberfläche diente, nach ihm benannt worden ist.

HCSchumacher_HkJB80Die Bedingungen für das Erscheinen einer solchen Zeitschrift waren insofern günstig, als Schumacher sich auf eine Reihe von Mitarbeitern stützen konnte, wie sie in der Regel zu seiner Zeit dem Herausgeber einer wissenschaftlichen Zeitschrift kaum zur Verfügung standen. Die erste Nummer der A. N. erschien im September 1821 in Altona als Verlagsort. Sie stellt die einzige noch heute erscheinende deutschsprachige astronomische Fachzeitschrift aus dem 19. Jahrhundert dar, deren 159. Jahrgang nunmehr vorliegt.

Neben den geodätischen Vermessungsarbeiten, wurde Schumacher 1821 auch noch die topographische Bearbeitung des Herzogtums Holstein übertragen, die infolge einer zu weit getriebenen Detaillierung, eine erhebliche Mehrbelastung für Schumacher mit sich brachte. 1824 erhielt er außerdem einen entsprechenden Auftrag für das Hamburger Gebiet. Um 1841/42 wurden Schumacher diese Arbeiten endlich abgenommen und dem dänischen Generalstab übertragen. Von den im Maßstab 1:20000 aufgenommenen Blättern, sind nur noch das Blatt Segeberg und acht Hamburger Blätter erhalten.10

Ein verdienstvolles Unternehmen brachte Schumacher 1839 zum Abschluß. Es handelt sich um den auf der Grundlage trigonometrischer Messungen erstellten Plan der Stadt Altona im Maßstab 1:4000, der, wie Schumacher schreibt11 „ein getreues Bild dieser Stadt, wie sie im Jahre 1836 war, enthält.“ Dem Plan liegt ein Dreiecksnetz zugrunde, bestehend aus 15 im und um das Stadtgebiet verteilten Stationen, von denen 46 weitere Richtobjekte trigonometrisch eingeschnitten wurden.

III.

In Verbindung mit seinen oben genannten Arbeiten, konnte es Schumacher 1821 endlich durchsetzen, mit königlicher Erlaubnis seinen ständigen Wohnsitz in Altona zu nehmen, allerdings mit der Maßgabe, einmal im Jahr zur Berichterstattung persönlich in Kopenhagen zu erscheinen. Es wurde nun bald von der dänischen Regierung ein Haus für Schumacher gekauft, gelegen an der Südseite von Altonas einstmals prächtiger Wohnsitzstraße — Palmaille —, und ihm zur Verfügung gestellt. Bei diesem Haus, das 1800 von dem bekannten dänischen Baumeister und Architekten C. F. Hansen erbaut worden war, handelte es sich wohl um das eigenartigste und zugleich schönste Haus, das an der Palmaille stand. Das Haus, ein klassizistisches Kulturdenkmal im Barockstil, welches ein Opfer des Zweiten Weltkrieges wurde, stand auf dem Grundstück Nummer 27, Ecke Palmaille und Van der Smissens Allee12.

Im ersten Stock nach hinten und gen Süden hatte Schumacher sein Arbeitszimmer eingerichtet, von dessen drei Fenster man einen ungehinderten Blick über die Elbe in das dahinter liegende Land hinein hatte. Im November 1821 konnte Schumacher Gauss als einen seiner ersten Gäste im neuen Haus begrüßen. Er bewohnte eines der Eckzimmer im Erdgeschoß mit Ausblick auf die Palmaille. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, daß Schumacher oft und gern Gäste in seinem Haus sah und er auf eine gute Küche und einen wohlversorgten Keller Wert legte.

Unter Mitwirkung des Hamburger Baumeisters Kessels, der auch maßgeblich am Entwurf und Bau der ersten Hamburger Sternwarte beteiligt war, entwarf Schumacher nun den Plan für eine Sternwarte im Garten seines Hauses. Die Fundamente und Pfeiler für den Meridiankreis als Hauptinstrument sowie das Sternwartengebäude, wurden im Laufe des Jahres 1822 errichtet.

Es sei hier daran erinnert, daß zur gleichen Zeit als Schumacher seine Sternwarte errichten ließ, es den gemeinsamen Bestrebungen von Repsold, dem Strom- und Kanaldirektor J. Th. Reinke und J. C. v. Hess in Hamburg zu verdanken ist, den Senat von der Notwendigkeit einer Sternwarte in Hamburg zu überzeugen, die dann 1825 ihre Verwirklichung fand13.

Neben astronomischen Beobachtungen und Berechnungen, die unter anderem der Heranbildung einer ganzen Astronomengeneration mit klangvollen Namen diente, wurden ab 1835 auf der Altonaer Sternwarte auch erdmagnetische Beobachtungen in dem von Gauss konzipierten Sinn aufgenommen. Zu diesen Arbeiten Schumachers traten im Laufe der Zeit noch einige andere, welche die Regulierung und Vergleichung von Maßen und Gewichten, sowie die Bestimmung der Länge des Sekundenpendels betrafen. So weilte er 1830 zur Durchführung der Pendelbeobachtungen in Güldenstein bei Lensahn, Kreis Ostholstein. Auch nahm Schumacher neben den Astronomen Argelander, Bessel und Encke, an leitender Stelle an der im Sommer 1833 vom russischen Generalstab durchgeführten Chronometer Expedition teil. Sie diente der Bestimmung von Längenunterschieden hervorragender Punkte im gesamten Ostseeraum und im Baltikum14.

Das weitere Leben Schumachers erfuhr, soweit es seine äußeren Verhältnisse anbelangt, in den folgenden Jahren keine wesentlichen Veränderungen. 1828 war Schumacher zum Etatsrat ernannt worden, 1840 wurde er Konferenzrat. Neben seiner von allen Seiten hochgeschätzten Mitgliedschaft in mehr als 20 wissenschaftlichen Gesellschaften, war er Ritter und sodann Kommandeur vom Dannebrog-Orden.

Im Dezember 1839 traf Schumacher ein empfindlicher Schlag durch den Tod seines Gönners und Beschützers König Friedrich VI. Der Nachfolger, König Christian VIII., erwies sich ebenfalls Schumacher gegenüber als sehr günstig gesonnen. Dennoch zwangen die politischen Verhältnisse zur weiteren Sparsamkeit bei den Staatsausgaben, so daß auch der Etat für die Vermessungsarbeiten eingeschränkt werden mußte. Schumacher persönlich hatte durch diese Maßnahmen nicht zu leiden, da sein auf Diäten begründetes Einkommen in ein festes, lebenslanges Gehalt gleicher Höhe umgewandelt wurde.

Eine kritische Situation entstand für Schumacher insofern, als man zu Anfang der Regierungszeit Christians VIII . seine Rückberufung nach Kopenhagen in Erwägung zog. Es war für Schumacher und seine Sternwarte eine Lebensfrage, in Altona zu bleiben. Die Folge hiervon war, daß sich Gelehrte und Freunde Schumachers von Rang und Namen in Eingaben an den dänischen König wandten15, um sein Verbleiben in Altona zu erwirken und damit den Fortbestand der zu einem festen Begriff in der Astronomie gewordenen Altonaer Sternwarte zu sichern. Hierdurch schien nunmehr einer durchgreifenden und ungünstigen Veränderung von Schumachers Lage vorgebeugt zu sein, jedoch warfen die kommenden politischen Ereignisse bereits ihre Schatten voraus. Sie gipfelten schließlich 1848 in der Erhebung Schleswig-Holsteins gegen Dänemark, nachdem König Friedrich VII. die Inkorporation Schleswigs in Dänemark verkündet hatte. Für Schumacher, der sich vom politischen Leben und von politischen Meinungen immer ferngehalten hatte, bedeutete dieses eine außerordentlich prekäre Situation in seiner Eigenschaft als dänischer Beamter mit Sitz in Kopenhagen. Als königstreuer Untertan, der seinem Landesherrn soviel zu verdanken hatte, konnte Schumacher sich nur schwer dem neuen Regiment der „Provisorischen Regierung“ in Kiel fügen. Durch eine, auch durch die neu geschaffenen Verhältnisse in Schleswig-Holstein kaum zu entschuldigende Indolenz, verbunden mit Unverständnis in den jetzt die Regierungsmacht ausübenden Kreisen, blieben nach und nach die finanziellen Mittel zum Unterhalt von Sternwarte und Astronomischen Nachrichten aus. Schumachers Alter, verbunden mit zunehmender Kränklichkeit, ließen ihn seine ungerechte Situation doppelt schwer empfinden. Doch er fand immer wieder Ablenkung aus seiner trüben Stimmung durch seinen brieflichen Verkehr und aus der Sorge heraus um die Fortführung der Astronomischen Nachrichten. Er spricht im März 1849 von „unruhigen und unglücklichen Zeiten“ , und im Februar 1850 von seinem Journal, den A. N., „das ich in diesem Augenblick mit meinen letzten pecuniären Kräften aufrecht zu erhalten suche.“

Hier sei noch ein Wort zu Schumachers nationaler Stellung gesagt. Er war ein guter dänischer Untertan und Bürger und ein guter Deutscher, der sich internationaler Wertschätzung erfreute, der Altona durch die Gründung der Altonaer Sternwarte und der Astronomischen Nachrichten zu einem Zentrum des wissenschaftlichen Fortschritts und zum literarischen Mittelpunkt der astronomischen Fachwelt im 19. Jahrhundert gemacht hatte.

So verzehrten sich Schumachers geringe Kräfte in steter Sorge um sein Werk immer mehr. Er starb am Vormittag des 28. Dezember 1850 im Kreise seiner Familie, in seinem 71. Lebensjahre.

Den Astronomen teilte A. C. Petersen, Schumachers langjähriger und engster Mitarbeiter, in Nr. 744 der Astronomischen Nachrichten vom 5. Januar 1851 die traurige Tatsache mit. Seine letzte Ruhestätte fand Schumacher am 2. Januar 1851 auf dem kleinen, zur Heilig-Geist-Kirche gehörenden Friedhof an der Palmaillenstraße16, gegenüber seiner Sternwarte, in deren Räumen er 29 Jahre in großer Aufopferung für seine geliebte Wissenschaft lebte.

IV.

Im Zuge der Fertigstellung und Eröffnung der Hamburger City-S-Bahn zwischen den Bahnhöfen Altona und Landungsbrücken im April 1979, wurde der Haltepunkt Königstraße zu einer würdigen Erinnerungsstätte an Heinrich Christian Schumacher und die Altonaer Sternwarte gestaltet. An dem unmittelbar auf dem früheren Heilig-Geist-Kirchhof neben dem Grabstein Schumachers gelegenen Zugangsgebäude an der Behnstraße, wurde der Altonaer Meridian in Mauer und Boden eingelassen sowie eine Gedenktafel angebracht.

Dem vorliegenden Beitrag liegt eine Arbeit des Verfassers unter dem Titel „Heinrich Christian Schumacher zum Gedächtnis — zur Geschichte der Altonaer Sternwarte“ zugrunde, die in den Mitteilungen Nr. 14 der Gauss -Gesellschaft, Göttingen 1977, anläßlich des 200. Geburtstages von Carl Friedrich Gauss erschien.

Anmerkungen:

1) Briefwechsel Gauss-Schumacher, hrsg. von C. A. F.Peters, Altona 1860, Brief an Gauss vom 17.1.1840, Bd. II, S. 345
2) Schumacher hatte noch einen Bruder namens Anton Frederik (1782—1823).
3) Briefwechsel (wie Anm. 1), Bd. I, S. 4
4) Briefwechsel (wie Anm. 1), Bd. 1, S. 6
5) Repsold, geb. am 19. September 1770 in Wremen, starb in Ausübung seines Amtes als Oberspritzenmeister am 14.
Januar 1830 bei einem Brand in Hamburg.
6) G. Klare, Sterne und Weltraum 1 (1962), 117, ders. Sterne und Weltraum 9 (1970), 148
7) Briefwechsel (wie Anm. 1), Bd. I, S. 126
8) Th. Gerardy, Die Triangulation des Königreichs Hannover durch C. F. Gauss (1821—1844). In: C. F. Gauss und die Landesvermessung in Niedersachen, Niedersächsisches Landesvermessungsamt Hannover 1955.
9) Briefwechsel (wie Anm. 1), Bd. I, S. 222
10) Fr. Treichel, Schumacher. In: Schleswig-Holsteinisches Biographisches Lexikon, Bd. 3, S. 249 ff. Neumünster 1974.
11) „Bericht über den Plan von Altona“ von H. C. Schumacher, Kopenhagen 1839; (Original im Hamburgischen Staatsarchiv, Schumacher-Nachlaß).
12) Auf einem Teil des ehemaligen Sternwartengrundstücks befindet sich heute das Gebäude der Bundesforschungsanstalt für Fischerei.
13) L. Brandt, Hamburgische Astronomiegeschichte im Überblick. In: Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte, Hamburg 1980 (zur Zeit im Druck).
14) J. H. Mädler, Geschichte der Himmelskunde, Bd. 2, S. 388 ff. Braunschweig 1873.
15) Anfang 1849 hatte Schumacher eine Anzahl dieser Schreiben drucken lassen, um sie in wenigen Exemplaren zu verbreiten, da er sich hiervon eine Besserung der damaligen Lage erhoffte.
16) Der Grabstein Schumachers befindet sich heute an der Ecke der in Behnstraße umbenannten Palmaillenstraße und Struenseestraße.

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