aus dem Heimatkundlichen Jahrbuch des Kreises Segeberg, 1991 S. 105 ff
Bert Krüger, Neumünster
Modezar Karl Lagerfeld:
Seine Jahre auf Gut Bissenmoor
„Das Schöne besteht in der Mannigfaltigkeit des Einfachen“. Dieses Zitat schrieb der gerade zehnjährige Karl-Otto Lagerfeld auf den Rücken eines Buches mit 40 Holzschnitten von Albrecht Dürer und schenkte es 1948 seinem Kunstlehrer an der Jürgen-Fuhlendorf-Schule in Bad Bramstedt, Heinz-Helmut Schulz.
Karl Lagerfeld als Schüler der Jürgen-Fuhlendorf-Schule in Bad Bramstedt (vordere Reihe, dritter von links).
Der pensionierte Oberstudienrat, selbst anerkannter Maler, erinnert sich: „Karl war mir aufgefallen, denn er konnte schon frühzeitig eigenständig künstlerisch arbeiten.“ Trotzdem hält sich der Lehrer bei der Frage nach seinem künstlerischen Einfluß bescheiden zurück: „Ich hatte jeden Schüler gefördert, alle waren vor mir gleich.“
Als die Familie Lagerfeld 1944 nach Bad Bramstedt auf Gut Bissenmoor zog, war Karl gerade sechs Jahre alt. Aus seiner gewohnten Umgebung in Hamburg herausgerissen, fühlte sich der sensible Junge fremd und isoliert. Auf dem Dachboden des inzwischen abgerissenen Gutes fand er Stapel von Illustrierten, Modezeitschriften und Kunstmagazinen. Und da es keine Bilderbücher zu kaufen gab, malte er mit Buntstiften die Schwarzweißfotos an. Er veränderte die Kleider in den Modejournalen und malte in abgedruckte Bilder Figuren und Arabesken hinein.
Bei den meisten Erwachsenen rief das wohl allenfalls nachsichtiges Lächeln hervor. Unterstützung fand Karl aber bei seiner Mutter, zu der er ein intensives Verhältnis hatte, und später bei Kunstlehrer Heinz-Helmut Schulz, der sein Talent ernst nahm. Wie dankbar der frühere Schüler noch heute dafür ist, zeigt der Kontakt, den er trotz aller Prominenz zu seinem ehemaligen Lehrer gehalten hat. Die Widmung eines Buches über seine Kreationen, das er 1988 an Schulz sandte, beginnt mit den Worten: „Lieber Freund, mein lieber ehemaliger Lehrer!“
Hans-Otto Jarren, heute pensionierter Rektor, lebte lange Zeit auf Gut Bissenmoor, ist rund zehn Jahre älter als Karl und erinnert sich noch deutlich an die damalige Zeit. „Karl, genannt „Mühle“, hatte eine leichte, typisch französische Art. Er war sehr klug, und es ließ sich gut mit ihm reden.“ Einige seiner Schulkameraden wußten das offensichtlich weniger zu schätzen und drohten ihm, so daß Karl manchmal von der Jürgen-Fuhlendorf-Schule -damals war sie noch in der heutigen Grundschule am Bahnhof untergebracht – nur mit Begleitschutz älterer Schüler nach Hause gehen konnte. Seine Gewohnheit, gelegentlich zur kurzen Hose ein geschlossenes Hemd mit Krawatte zu tragen, war vielleicht ein Grund dafür.
Jarren weiß auch noch zu berichten, wie sich der achtjährige Karl sträubte, sich die Haare schneiden zu lassen. Ein für die damalige Zeit schlimmes Vergehen: Er wurde gewaltsam zum Friseur geschleppt. Vielleicht ein Grund für sein heutiges Markenzeichen – den Zopf.
Karls Vater, den Jarren als typischen Geschäftsmann in Erinnerung hat, stand dem Talent des Sohnes eher mit Unverständnis gegenüber. Nur mit der Hilfe seiner Mutter konnte Karl seinen Wunsch, Modezeichner zu werden, durchsetzen.
„Es waren schwere Zeiten damals“, berichtet Jarren, „man mußte als junger Mensch für seine Entwicklung die Initiative selbst ergreifen.“ Für Lagerfeld war es trotz der finanziellen Unterstützung durch seine Eltern schwer, seinen eigenen Weg zu gehen.
Hans-Joachim Bronisch, Regierungsdirektor und ehemaliger Mitschüler Lagerfelds, weiß noch, wie er sich mit Karl und anderen Schülern ein Lateinbuch „teilen“ mußte: „Wir hatten einen Ort vereinbart, an dem die Übergabe stattfand.“ Bronisch bestätigt Lagerfelds frühe künstlerische Begabung, allerdings: ,Seinen Zopf finde ich ziemlich albern.“
Von Bissenmoor nach Paris
Karl-Otto Lagerfeld wurde am 10. September 1938 als einziger Sohn von Elisabeth und Otto Lagerfeld, dem Gründer und Generaldirektor der Glücksklee-Gesellschaft, geboren. Vor ihrem Umzug nach Bad Bramstedt wohnte die Hamburger Familie an einem der schönsten Punkte des rechten Elbufers. Als der Bombenkrieg über Hamburg hereinbrach, zogen die Lagerfelds 1944 nach Bad Bramstedt auf das – mittlerweile abgerissene – Landgut Bissenmoor.
In den fünfziger Jahren zog die Familie nach Hamburg zurück. Karl besuchte eine Privatschule und schließlich das Lyce Montaigne in Paris. Der junge Künstler kultivierte sein Zeichentalent und studierte Kostümkunde. Noch keine 18 Jahre alt, bekam er eine Anstellung beim Modeschöpfer Pierre Balmain. Da hatte er bereits freie Hand und entwarf unter anderem Modelle für Lilli Palmer und Sophia Loren. Nach einer weiteren „Lehrzeit“ als künstlerischer Direktor bei Jean Patou arbeitete er als freier Stylist und Modeberater. 1963 wurde Lagerfeld künstlerischer Direktor der Konfektionsfirma Chloé sowie Direktor der Karl-Lagerfeld-Production. Auch Chanel begann Interesse an dem Modeschöpfer zu zeigen. Er belohnt es mit vier Kollektionen pro Jahr. Später eröffnete er ein eigenes Modehaus auf den Champs-Elysees in Paris. Seine Freizeit widmet der Mann mit dem Zopf in erster Linie seinem Schloß in der Bretagne, das er im Stil des 18. Jahrhunderts einrichten läßt. Darüber hinaus besitzt er Luxuswohnungen in Paris, Monte Carlo, Rom und New York. Seit einiger Zeit arbeitet Lagerfeld an zwei Büchern, einer Biographie über Lieselotte von der Pfalz und einer Geschichte der Mode von 1900 bis 1975.
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Krüger verwendet hier das Geburtsjahr 1938 aus den Eigenangaben Lagerfelds. Richtig ist hingegen (mind.) 1933, wie das Alter seiner Mitschüler in Bad Bramstedt bezeugt.
Im Dezember 2005 war Karl Lagerfeld Gast beim ZDF in einem ausführlichen Interview bei Johannes B. Kerner: Die Aufzeichung steht online zur Verfügung (Stand 7.1.2007) und zwar hier.
Ein Jahr später war er am 5.12.2006 im ERSTEN zu sehen bei “Menschen bei Maischberger”. Eine Aufzeichnung gibt es hier.