Die Chaussee Altona Kiel in Bramstedt – Trassenverlauf, Änderungen und wirtschaftliche Bedeutung der Chaussee

Jan-Uwe Schadendorf (Beitrag für ein Buch über die Chaussee aus 2014)
Mehr zur Chaussee demnächst unter: http://www.altona-kiel.de

Bad Bramstedt – Trassenverlauf, Änderungen und wirtschaftliche Bedeutung der Chaussee

Ziemlich genau auf halber Strecke zwischen Altona und Kiel liegt die heutige Stadt Bad Bramstedt, vor zweihundert Jahren noch „Flecken Bramstedt“. Dieser Flecken wird schon früh in den Annalen als ein Ort am alten Heerweg oder Ochsenweg genannt, in dem der Fernweg am Fuße eines Höhenzuges, der „Lieth“, die widrigen Verhältnisse des Bramautales und ihrer Zuflüsse durch die moorigen Wiesen quert. Diese prädestinierte Lage war immer wieder für das Auf und Ab des Ortes verantwortlich: Zur Zeit des blühenden Ochsenhandels profitierte der Ort als einer der Marktplätze, an dem sich Käufer und Verkäufer trafen. Zu kriegerischen Zeiten nutzten Heere den Weg, ernährten sich aus dem Land und fügten dem Ort und der Bevölkerung großen Schaden zu.

Schwere Zeiten hatte der Flecken auch hinter sich, als die Pläne für die Chaussee von Altona nach Kiel bekannt wurden. Und so sehr aufgrund der wirtschaftlichen Lage sich die Fleckensvertreter schwer taten bei der Wiederaufrichtung ihres 1814 von Kosaken umgestürzten Rolands, so sehr erkannten sie jetzt die Chance für den Ort, durch die neue Chaussee – und ebenso das Risiko, wenn eine andere Trasse gewählt werde. Es wird von zahlreichen Eingaben der Bramstedter berichtet, in denen sie Bedenken gegen andere Trassen vortrugen (z.B. eine zwischen Bimöhlen und Bramstedt) oder Angebote machten zur Förderung des Baues und zur Kostenminderung für die Krone. Hans Hinrich Harbeck berichtet in seiner Chronik Bramstedts, dass der Flecken mit seinen damals rund 1.500 Einwohnern dem König für die zu erbauenden Brücken 6.000 Fuder Sand (das sind rund 25.000 cbm) und für die Straße über 1.400 Fuder Steine kostenlos zur Verfügung stellen wollte. Wie bekannt, kamen die Bramstedter mit dieser Zusage an ihr Ziel.

abt-80-nr-2576-ii-karte-101_2400Städtebaulich bedeutete dies für den Flecken tiefe Eingriffe. Der alte Ochsenweg, der aus dem Ort nach Nordosten gen Großenaspe führte (heute: Straßen „Bimöhler Straße“, „Großenasper Weg“ und „Gayen“), nahm weitgehend natürliche Höhen und Tiefen des Geländes mit und schlängelte sich in die Lieth, die sich in dieser Gegend aus der Landschaft erhebt.

Die neue Streckenführung kam von Norden in gerade Linie auf den Ort zu und sollte in ebenso gerader Führung die Lieth überwinden, um in das Tal der Bramau und ihrer Zuflüsse hineinzukommen. Diesen Zugang wählten die Planer am östlichen Rand des damals kleinen Ortskerns. Hier waren etwa 20 Höhenmeter auf einer Strecke von nur 500 Metern auszugleichen oder genauer gesagt, mit tausenden Kubikmetern Erdmassen und Stein aufzufüllen. Schon von der Kirche an wurde der „Landweg“ leicht erhöht und dann den Berg hinauf machte man am „Raaberg“ einen kleinen Absatz in der durchgehend ansteigenden Straße, wohl um einen kleinen Verschnaufpunkt für die Pferdegespanne zu haben.

Doch es erwuchsen gleich mehrere solcher schweren Aufgaben im Zuge des Chausseebaues auf dem kurzen Stück durch den Flecken Bramstedt. Die Täler der Bramau (heute an dieser Stelle: Osterau) und der Schmalfelder Au (hier heute: Hudau) waren mit Brückenbauwerken zu queren. Es wurden zwei baugleiche, wunderschöne Brücken errichtet. Die Beeckerbrücke wurde etwa 50 Meter flussaufwärts der alten Brücke und der früheren Furt gebaut. Der vorhergehende Verlauf der Straße ist bis heute an der Platzkante, dem Häusersaum auf der Westseite des „Kirchenbleeck“ erkennbar. Die Beeckerbrücke führte zu einer deutlichen Erhöhung des Geländes, denn es wurden große Erdmassen auf beiden Seiten der Brücke angefahren. So entstanden ganz nebenbei neue Möglichkeiten für weitere Aufschüttungen neben der Brücke. Dort entstanden neue Häuser im Ortszentrum – eines (Jürgen und Sophia Mohr, Kirchenbleeck 2, erbaut 1849) steht noch heute am Beginn der Straße Schlüskamp. Südöstlich neben der Beeckerbrücke genehmigte der Baudirektor von Warnstedt auf Wunsch der Bramstedter die Anlage einer Viehtränke.

Die neue Straßenführung ergab nun einen geraden Weg von der Kirche über die Beeckerbrücke hinweg zum Bleeck mit dem Blick auf den Roland. – Das war eine grundlegende Änderung des Ortszentrums.

Die Bramstedter nutzten die Gelegenheit des Chausseebaues, um auch in ihrer Ortsmitte einige Pflasterarbeiten durchzuführen und so den Platz aufzuwerten. Nur den „Landweg“ wollte die königliche Baukommission nicht auf Kosten des Chausseebaues so pflastern lassen, wie es die Bad Bramstedter es gern gehabt hätten. Er wurde „nur“ macadamisiert.

Die zweite wesentliche Veränderung des Ortsbildes geschah beim Ausgang der neuen Chaussee vom Bleeck gen Süden. Die Bauplanung wählte nicht den alten Weg über die Hambrücke („Ham“ steht für Wald), sondern suchte an der Südwestecke des Bleecks, an einer „In de Hörn“ genannten Landzunge, den Weg hin zum feuchten, teils moorigen Tal der Hudau. Auch hier mussten Steine und Sand in großen Mengen angefahren werden, um vom Bleeck zur neuen Brücke und über das Autal hinweg zu kommen.

Dieses damals „Frederiks-Brücke“ oder heute „Friedrichsbrücke“ genannte Bauwerk bildete sozusagen den Schlusspunkt der Bauarbeiten und wurde 1833 fertiggestellt. Hier weihte König Friedrich VI. persönlich im Sommer 1833 die Chaussee offiziell ein. „1. July 1833“ steht in Stein gemeißelt als Datum an der Brücke. Der König schlug seine Zelte in einer Wiese an der Au auf. Bei der Einweihung soll er – zumindest dem Volksmund nach – ans Geländer geklopft und in Anspielung auf die hohen Kosten sinngemäß ausgesprochen haben: „Es ist doch nur Eisen, ich dachte, es wäre Silber.“

Südlich der Brücke nach einer kleinen Kurve führt die Straße, die noch heute „Altonaer Straße“ bzw. „Hamburger Straße“ heißt, schnurgerade weiter nach Lentföhrden.

Schon die Bauphase der Chaussee war für Bramstedt mit wirtschaftlichen Erfolgen verbunden. Zwar mussten die Bürger auf der einen Seite Land abgegeben und Fuhrdienste leisten, andererseits gab es für die Wirtschaften zu tun und auch dem Handwerk erwuchs Arbeit. So berichtet Monika Frohriep, dass die Hauptschmiede des Chausseebaues in Bramstedt ansässig war, und nach der Vollendung des Baues wurde das zentrale Magazin in Bramstedt eingerichtet (die Lage ist bislang unbekannt geblieben).

Die neuen Straßen führten dazu, dass an ihnen bald Bauplätze entstanden und der Ort sich ausdehnte und neue Gestalt annahm. Nach Fertigstellung der Chaussee profitierte Bramstedt erheblich von den vermehrt durchreisenden Gästen. Gastwirte, Postmeister, Händler seien nur als einige Berufe genannt. Direkt südlich der Beeckerbrücke wurde in diesen Jahren der große Gasthof „Holsteinisches Haus“ ausgebaut, der über Jahrzehnte den Platz an dieser Stelle prägen sollte. Einige gaben ihre Landstellen weitgehend auf, um nur noch Gastwirt zu sein, statt mit schwerer Feldarbeit ihren Lebensunterhalt zu verdienen.

Doch diese Phase der Prosperität währte nur gut zehn Jahre. Eine Eisenbahn sollte von Altona nach Kiel gebaut werden. Die Bramstedter fürchteten, dass die nur durch den Ort durchfahren werde und Nichts im Flecken „hängen bleibe“. Sie verweigerten die Planungen einer Linienführung durch den Ort. Daher wurde 1842/44 die Trasse der Bahn über das benachbarte kleine Örtchen Wrist gewählt.
Genützt hat es den Bramstedtern nichts, im Gegenteil: Schnell stiegen die Menschen von den anstrengenden Fahrten in Pferdefuhrwerken auf die schnellere und bequemere Bahn um. Der Ort litt schwer unter dem starken Rückgang des Verkehrs auf der Chaussee. Als 1898 der Flecken Anschluss an die Eisenbahn nach Süden erhielt (heute AKN), ging es wieder aufwärts und 1916 kam die Verbindung nach Neumünster hinzu.

Erst mit dem Aufkommen des Ottomotors und des Kraftverkehrs gewann die fast hundert Jahre alte Chaussee neue Bedeutung. In den 1920er Jahren wurde die gesamte Chaussee neu gepflastert. Der Abschluss lag in Bad Bramstedt und die Jahreszahl „1926“ ist im Pflaster der Chaussee in der heutigen Altonaer Straße bis heute erhalten geblieben. Diese Zahl war auch im Pflaster unten am Kieler Berg gesetzt worden, ist aber 1971 beim Ausbau des „Landwegs“ verschwunden.

Der Wechsel der Macht im Reich brachte für die Stadt Bad Bramstedt (seit 1910) und die Chaussee neue Entwicklungen. Die Reichsstraße 4, wie sie jetzt hieß, wurde als die „Hauptaufmarschstrecke“ nach Norden gesehen. Die Friedrichsbrücke – so wird bis heute am Ort überliefert – galt für Panzer und anderes schweres Gerät als nicht tragfähig genug. Ferner war der „Kieler Berg“ mit seiner stark abschüssigen Führung ein schwieriges und auch gefährliches Stück Straße, was zahlreiche Unfälle auf Höhe des Hauses von Fliesenlegers Köhnke bewiesen.

Eine andere Streckenführung wurde geplant und noch während des Dritten Reiches begonnen. Zunächst wurde von Süden kommend eine neue Brücke (die später eher unglücklich bezeichnete „Christiansbrücke“) über die Hudau gebaut und von dort an den Bleeck angeschlossen. 1928 war das zuletzt heruntergekommene „Hotel Stadt Hamburg“ im Süden des Bleeck abgebrochen worden und an der Stelle 1930 eine Tankstelle an der „Altonaer Straße“ entstanden. Im Herbst 1940 wurde das danebenstehende, erst 1902 eingeweihte Postamt geräumt und für die neue Straßenführung abgebrochen, die hier nun den Platz erreichte. Diese neue Straße wurde „Hamburger Straße“ genannt und löste auf diesem Abschnitt die „Altonaer Straße“ ab, die fortan nur noch eine geringe Bedeutung hatte und deshalb in den Folgejahrzehnten weitgehend unangetastet blieb.

Im Norden der Stadt kamen die Arbeiten erst nach dem II. Weltkrieg weiter voran. Zwar hatte man schon in den 1930er und 40er Jahren Grunderwerb getätigt und Häuser abgetragen, aber erst jetzt ging es von der Beeckerbrücke aus los. Vom Kirchenbleeck erfolgte ein Durchstich durch die Häuserreihe am „Landweg“ und es entstand die heutige Straße „Liethberg“. Die Gasthöfe „Südpol“ und „Zur Börse“ mussten ganz weichen, ein Haus neben dem „Nordpol“ (heute „Chinarestaurant Ho“) teilweise. Erhebliche Erdmassen mussten abgetragen werden, um den in einem weiten Bogen geführten neuen Anstieg auf die Höhen der Lieth zu schaffen, wo die neue Straße auf die alte Trasse trifft. Die Erde wurde durch die ganze Stadt auf Schienen und in Loren u.a. zur Friedrichsbrücke transportiert, wo das Gelände an der alten und der neuen Brücke damit aufgeschüttet wurde.
Während die Friedrichsbrücke unangetastet blieb, wurde die Beeckerbrücke 1950 sehr verändert. Die alten Granitpfeiler mit den Eisentraversen verschwanden und die Brücke wurde insgesamt verbreitert, allerdings unter Erhaltung der Seitenfronten. 1975/76 wurde die Brücke völlig neu befestigt, um sie – ein „deja vu“ aus den 1930ern – nun für Militärfahrzeuge tragfähig zu machen und sie mit Sprengschächten auszustatten.

Diese neue Straßenführung prägte danach über die Jahrzehnte den Ort, der sich zum Kreuzungspunkt des Ost-West-Verkehrs auf der B 206 und der B 4 entwickelte und ein beliebter Ort zum Rasten und Übernachten wurde. Gastronomie und Hotellerie profitierten besonders, aber auch der Handel. Jedoch stöhnte der Ort unter dem wachsenden Verkehrsaufkommen.

Der Bau der Bundesautobahn A7 brachte ab Beginn der 1970er für einige Jahre Entlastung. Erst die Ortsumgehung, die 2010 für die B 206 fertiggestellt wurde, brachte wieder eine spürbare Beruhigung. Waren es vor dem Bau der Umgehungsstraße über 25.000 Fahrzeuge, die täglich die Beeckerbrücke querten, sind es heute nur noch gut die Hälfte. So bleibt Bad Bramstedt eine Stadt, die mit und von ihren Verkehrsadern lebt.

Bei allen Veränderungen ist bis heute ein ca. 500 Meter langes Teilstück der alten Chaussee weitgehend in dem Zustand erhalten, wie er sich seit 1926 zeigt, bis hin zu einem Halbmeilenstein, einem alten Chausseewärterhaus (Altonaer Straße 34) und natürlich der „Friedrichsbrücke“ – der bis heute schönsten Brücke der Kiel-Altonaer Chaussee. Dieses Ensemble steht seit Januar 2012 unter Denkmalschutz.

Abbildungen und Bildunterschriften:

Abb. 1: Historischer Plan für den Ausbau der Chaussee im Flecken Bramstedt von 1832; alter und neuer Standort der Brücke über die Osterau (der Plan ist gesüdet)

Abb. 2: die Friedrichsbrücke um 1900 (historische Postkarte)

Abb. 3: In den 1930er Jahren: Blick vom Bleek gen Norden, links das „Rolandseck“, rechts das „Holsteinische Haus“

Abb. 4: Die Südseite des Bleeck um 1930

Abb. 5: Von der Baubehörde korrigierte Planzeichnung der neuen Brücke für die Hamburger Straße, 1938

Abb. 6: Umbau und Verbreiterung der Beeckerbrücke, um 1950

Abbildungsnachweis: Stadtarchiv Bad Bramstedt, Sammlung Schadendorf

Textumfang: 14.078 Anschläge (davon die „Anekdote“: 1.549)

Der einzige ehrliche Bramstedter

Eine kleine Anekdote wird über den Gasthof „Stadt Hamburg“ erzählt, die das Auf und Ab der Bedeutung der Chaussee zeigt (aus den Bramstedter Nachrichten vom 19.3.1932):
Bald nach Fertigstellung der Chaussee wurde von dem Zimmermeister Benthin hart an der Chaussee, da, wo sie den Bleeck verläßt, ein stattliches Wirtshaus gebaut. Durch das Haus führte von einem Ende zum andern eine lange Durchfahrt, die Raum für viele Wagen bot. Der Name „Stadt Hamburg“ prangte auf einem großen hölzernen Schild über der Tür.
Der Erbauer verkaufte das Anwesen später an Franz Heinrich Jahncke aus Altona. Als der kam, um sich die Wirtschaft anzusehen, herrschte drinnen Hochbetrieb. In der Durchfahrt stand Wagen an Wagen und die Gaststube war voller Menschen, durchreisenden Fuhrleuten und Bramstedter Einwohnern, die ein Glas nach dem andern leerten. Das gefiel dem Käufer und schnell wurde man sich einig; der Kaufvertrag wurde unterschrieben.
Als der neue Wirt aber dann antrat, war es ganz anders. Die Fuhrleute kehrten zwar ein, verzehrten aber wenig, und die Bürger ließen sich selten blicken. Allmählich kam er dahinter, dass er übers Ohr gehauen worden war. Die Gaststube voll fröhlicher Zecher war bestellte Arbeit gewesen, um ihn zu täuschen. Auf Grund dieser Erfahrung soll Jahncke sich geäußert haben, es gebe in Bramstedt nur einen einzigen ehrlichen Menschen, und das sei der Roland. Der Zuspruch wurde dadurch jedenfalls nicht größer. (…) Trotz aller Widerwärtigkeiten hielt er hier doch bis zu seinem Tode 1851 aus.

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