Kühl: Die Bramstedter Küsterei – Organistenhaus

Im April des Jahres 1939 veröffentliche August Kühl einen Artikel zur Bramstedter Küsterei und damit auch zu dem Organistenhaus einen zweiteiligen Artikel in den Bramstedter Nachrichten:

Die Bramstedter Küsterei

Infolge der Bestimmungen über die Abtrennung des Organistenamtes vom Lehreramt wird die Bramstedter Küsterei als solche eingehen. Das im Kirchenbleeck dem Haupteingang der Kirche gegenüberliegende Haus [Kirchenbleeck 13] , in dem seit Jahrhunderten der Organist und Küster wohnte und in dem auch die erste, lange Zeit die einzige Schule in Bad Bramstedt ihr Heim hatte, wird gegen eine angemessene Entschädigung von der Kirchengemeinde an die Stadt abgetreten werden, die es, wie man hört, anderen Zwecken dienstbar machen wird: Das gibt uns Veranlassung, der Geschichte der Bramstedter Küsterei nachzugehen und ihr einige Zeilen zu widmen.

Das letzte Organisten haus 1969, 2 Jahre später wurde es abgebrochen für den Neubau

Das letzte Organistenhaus 1969, 2 Jahre später wurde es abgebrochen für den Neubau

Wann die Küsterei entstanden ist, das läßt sich nicht feststellen. Wir dürfen wohl annehmen, daß sie ebenso alt ist wie die Bramstedter Kirche. Als nach der Unterwerfung der Wenden in Ostholstein durch Kaiser Lothar von Sachsen in Holstein ruhigere Zeiten eintraten, da wurden, teils durch Vizelin, den Missionar der Wenden, teils durch seine Nachfolger, überall im Lande die von den Wenden zerstörten Gotteshäuser wieder ausgerichtet und neue erbaut. Damals, etwa um das Jahr 1200, wird auch in Bramstedt eine Kirche an ihrem jetzigen Standort, wahrscheinlich von Neumünster aus, wo Vizelin ein Kloster gegründet hatte, von Mönchen dieses Klosters erbaut worden sein, nachdem das erste, wohl unter Ansgar, dem Hamburger Erzbischof, entstandene Gotteshaus in der Wendenzeit zerstört worden war. Seit der Zeit wird in Bramstedt ein Pastor als Hirte der Gemeinde amtiert haben, und ebensolange wird in der Kirche ein Küster seines Amtes als Wächter der Kirche und Helfer des Geistlichen gewaltet haben. Im Osten des Gotteshauses stand sicher wie heute das Pastorat und im Westen neben der Vikarie die Küsterei. Denn die Bramstedter Kirchengemeinde wurde damals von zwei Geistlichen betreut, dem Hauptpastor und dem Vikar, der auch wohl als Diakonus bezeichnet wurde.

Die Vikarie lag auf der Stelle, wo heute das Haus des Fleischbeschauers Harbeck [Kirchenbleeck 15] steht. So lagen Vikarie und Küsterei auf einem der Kirche gehörigen Grundstück zusammen. Das Amt des Vikars bestand noch kurze Zeit nach der Einführung der Reformation. Die Namen der drei letzten, nach der Reformation hier angestellten Vikare sind uns überliefert. Der erste hieß Friedericus, der zweite Johannes Wasmohr — er wurde von Eggert Bult erschlagen — und der dritte Isaak von der Burg. Letzterer wurde 1570 zum Hauptpastor ernannt und das Amt des Vikars wurde nach ihm nicht wieder besetzt. Die Vikarie ging ein, und das Haus wurde von der Kirche verkauft, mit ihm der Garten, der wie das zur Küsterei gehörige Grundstück bis an die Wiesen heranging, denn Hausplatz und Garten des Schuhmachermeisters Steiger [Kirchenbleeck 17] gehörten mit zur Vikarie.

Von der neben der Vikarie belegenen Küsterei hören wir erstmalig im Jahre 1589, also vor genau 350 Jahren. Aus diesem Jahre wird berichtet, daß sie neu gebaut worden sei. Der Bau kostete mit Einkauf des Holzes. Bau- und Sagerlohn und allem anderen 285 Mark 10 Schilling (Eine Mark Courant, um die es sich handelt, war gleich 1 Reichsmark und 20 Pfg., die Mark hatte 16 Schilling, der Schilling 12 Pfennige). Der damalige Küster war gleichzeitig auch Organist, denn es wird uns berichtet, daß im Jahre 1573 eine Orgel zum Gebrauch in der Kirche verfertigt wurde; sie kostete an Lohn und Zehrung 147 Mark 1 Schilling 4 Pfennig. Man vergleiche den Preis der Orgel mit den Baukosten, die die Küsterei erforderte. Aus dem Küster wurde ein Organist und Küster. Die letztere Bezeichnung als die ursprüngliche blieb aber bis in unsere Zeiten die allgemein übliche. Die Einsetzung des ersten Organisten wird mit folgenden Worten erwähnt: „Nachdem die Orgel fertig worden, ist anstatt des gewesenen ersten Küsters Caspar Röhlfing ein Organist angenommen, und demselben zum Gottespfennig gegeben 1 Reichsthaler (gleich 2 ½ Mark Courant). Die Kirchgeschworenen haben dabei verzehret 3 Mark und 7 Schilling.

Die im Jahre 1589 erbaute Küsterei stand bis zum Jahre 1677, überlebte also den Dreißigjährigen Krieg, der auch über unser Heimatland großes Unheil brachte, von dem auch Bramstedt nicht verschont blieb. Denn im Jahre 1628, am dritten Tage in den Ostern, wurde der Flecken von den Wallensteinschen Truppen angesteckt, „und sind in Feuer aufgegangen alles, was zwischen den drei Brücken gestanden, von dem Hogendoor, über die Hudau, und dem Mühlenstrom, ingleichen die Mühle, des Pastoren Haus und die zwei, so dabei stehen“. Wir ersehen daraus, daß der ganze Bleeck samt den Hinterstraßen abbrannte, und von der Mühle wird das Feuer übergesprungen sein nach dem Pastorat und den beiden benachbarten Häusern. Die damals bereits mit Ziegeln gedeckte Kirche blieb verschont. Infolgedessen kam das Feuer zum Stehen, und der Kirchenbleeck mit der Küsterei blieb erhalten.

Unter den Häusern im Kirchenbleeck räumte im Jahre 1677 ein großer Brand auf. Am 28. Juni, so meldet die Chronik, „ist zu Bramstedt ein Brand entstanden, darin 8 Wohnhäuser als Hans Schocken, olde Hans Wulfens Abschiedshaus, Jasper Wulf, Hans Steckmessen, Rötger Lindemann, Max Rehdern, die Küsterei, Hinrich Lindemann und zwei Ställe, als Claus Blunck und Hinrich Lindemanns aufgegangen. Der Schade kam daher, daß aus einem Ammunitionswagen der hessischen Auxiliarvölker — es war wieder einmal Krieg im Lande — auf die Gasse gestreut, worauf das Wagenrad Feuer gebracht.“ Im Herbst desselben Jahres ist die Küsterei wieder aufgebaut worden. Diesmal kostete der Bau 535 Mark 11 Schilling.

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Um 1900: Organist und Lehrer August Kühl vor der Küsterei. Die Scheune rechts wurde 1956 abgebrochen, in der fand sich ein Balken, in den der Name Warnholz geschnitzt war.

Die im Jahre 1677 noch einem großen Brande Kirchenbleeck neugebaute Küsterei stand bis zum Jahr 1816. Im Jahre 1793 wurde sie teilweise umgebaut. Auf dem neu hergerichteten Teil wurde das Strohdach durch Ziegel ersetzt. Wir ersehen daraus, daß die Küsterei, bis dahin mit Stroh gedeckt war. Dazu paßten dann die Mauern aus Holzfachwerk mit Ziegelsteinfüllung. 1816 wurde die Küsterei für 850 Mark an einen Viehmann in Hitzhusen zum Abbruch verkauft. Aus dem dabei gewonnenen Material soll das Haus in der Rosenstraße. das dem längst, verstorbenen Schuhmachermeister Hamann, dem Großvater des Kaufmanns Matthias Hamann in Haus „Erika“, gehörte, errichtet worden sein. “ Von dem alten Küsterhaus liegt noch eine Beschreibung vor. Wir entnehmen dieser, daß das Haus 6 Fach lang war. Es enthielt 2 Schulzimmer, das große mit 10 Fenstern, den erforderlichen Tischen und Bänken, einem Töpferofen und einer schwarzen Tafel, und ein kleines für die im Winter bestehende Nebenschule mit 6 Fenstern, einer Fensterlade, einem Töpferofen und einer Bettstelle. Letzteres beweist, daß die Schulstube dem Unterlehrer als Schlafzimmer diente. Daher auch die: Ausstattung des einen Fensters mit einer Lade. Auf dem Hofe war ein Kuhstall mit zwei Ketten, ferner ein Schweinestall und ein Brunnen. Wie alle damaligen Einwohner des Fleckens hielt der Küster einige Kühe. Allgemein galt das Wort: „Die Kuh deckt den Tisch!“

1816 wurde dann die heutige Küsterei [Kirchenbleeck 13] samt Scheune gebaut. Die Baukosten betrugen für beide Gebäude 10 288 Mark 2 Schilling 6 Pfennig. Die Summe mutet schon recht modern an, es wurde aber an den Gebäuden auch nichts gespart. Der beste Beweis dafür ist, daß beide Gebäude noch heute keine Verfallserscheinungen zeigen. Freilich sind sie auch immer gut instandgehalten worden. Auch in der heutigen Küsterei war ursprünglich außer der großen Schulstube, die den ganzen hinteren Teil des Hauses einnahm, eine kleinere für die Nebenschule. Diese lag mit den Fenstern nach der Straße links vom Flur. Zwischen beiden Schulstuben lag ein Raum mit je einer Tür nach hinten und nach vorne. So war der Organist in der Lage, in seiner Hauptschule zu unterrichten und nach Bedarf auch aus dem kürzesten Wege sich zu den Kleinen zu begeben, wo ihm die Verpflichtung oblag, den Unterlehrer anzuleiten und zu beaufsichtigen. Um das Jahr 1830 wurde dann im Garten der Küsterei, in gleicher Höhe mit der Scheune, für die Nebenschule ein eigenes Gebäude errichtet, und die kleine Schulstube in der Küsterei wurde zu Wohn- und Schlafräumen ausgebaut. Die sogenannte Elementarschule hinter der Küsterei wurde 1897 abgebrochen. Da, wo sie stand, ist jetzt Spielplatz. Die älteren Einwohner Bramstedts haben noch allesamt in dieser Elementarschule die Anfangsgründe im Lesen, Schreiben und Rechnen gelernt.

Als Lehrer bezog der Organist und Küster von jedem Schüler ein wöchentliches, nach der Art des Unterrichts abgestuftes Schulgeld. Wer nur erst Lesen lernte, zahlte wöchentlich 1 Schilling, wer nach Ueberwindung der nach Erlaß des Schulregulativs vom Jahre 1844, erhielt der Organist als Lehrer ein festes Gehalt von 240 Reichsbankthalern, nach unserem Gelde 540 Mark, und freie Feuerung. Dafür mußte er aber den Unterlehrer ganz halten, was sich erst änderte, als an der Elementarschule voll ausgebildete Lehrer angestellt wurden.

Den wesentlichsten Teil seiner Einnahme bezog der Küster, Organist und Lehrer aus seinem Kirchenamte. Als Kirchenbeamter hatte er die Nutzung des Dienstlandes, zweier Weidekoppeln, einer größeren auf dem Reepen und einer kleineren Achterndieck. Ferner wurde ihm Winterfutter für 2 Kühe geliefert. Dann erhielt er 5 Tonnen Roggen und 3 Tonnen Buchweizen. Für jede kirchliche Handlung, Trauungen, Taufen und Beerdigungen, bezog er eine kleine Gebühr. Zweimal im Jahre, zu den Heiligen drei Königen und zu Johanni, mußte ihm im Orte von jeder Feuerstelle ein Betrag, der sich allerdings nur auf Pfennige belief, gezahtl werden. Die Sammklung zu Johanni hieß das Mantelgeld. Sie sollte dazu dienen, daß der Küster sich dafür einen Mantel, den er im Dienste tragen mußte, einen dem Talar ähnlichen Rock, aber kürzer, nur bis zu den Knien reichend, beschaffen konnte. In den Dörfern war zu Michaelis eine Sammlung fällig. Dann hatte jeder Hufner 7 Schilling und ein Brot, jeder Kätner 1 1/2 Schilling und ein Brot, jeder Inste 2 1/2 Schilling, aber kein Brot zu liefern. Man kann wohl annehmen, daß die Brotlieferungen auf das ganze Jahr verteilt wurden, man hätte sich in der Küsterei sonst vor lauter Broten ja nicht retten können. Aber auch trotzdem scheint diese Brotlieferung für den Empfänger ein gewisses Kreuz gewesen zu sein. In einer alten Sammelliste, mutmaßlich aus der Amtszeit des Organisten Prüssing, liest man: „Da die Bauern hin und wieder zu glauben scheinen, daß wir mit dem Brot unsere Schweine füttern, ihnen bedeuten lassen durch die Bauernvögte, daß wir es selbst essen, damit sie besseres liefern.“ Später, wohl mit dem Amtsantritt des Organisten Quitzau, hörte die Brotlieferung auf. .Der Wert des Brotes wurde auf 6 Schilling, umgerechnet 45 Pfennig, festgesetzt, und dieser Betrag wurde dann eingezogen. Und bald kam die Zeit, wo diese Sammlung abgelöst wurde.

Viele sind in den Jahrhunderten, seitdem die Küsterei bestanden, dort aus- und eingegangen, mancher hat in ihren Räumen, erst unter dem Strohdach, dann unter den Pfannen, mit den Seinen gewohnt. Bis zum Jahr 1573 hauste in der Küsterei Caspar Röhlfinck. Er mußte in diesem Jahre dem ersten Organisten Platz machen. Wie dieser hieß, ist uns nicht überliefert. Seit 1641 sind uns die Namen der Bramstedter Küster, die zugleich Organisten und Lehrer waren, bekannt. Wir lassen sie folgen: Christian Hamerich, Hermann Einhusen, Simon Tühck, Arnoldes Böhm, Christian Gottlieb Büttner, Wilhelm Struve aus Oldesloe, von 1731—1781, Wilhelm Chr. Warnholz aus Horst, der Enkel seines Vorgänger-, von 1781—1789 (starb jung am auszehrenden Fieber) Daniel Rieck von Fehmarn, von 1789—1797 (auch er starb an der Auszehrung), Johann Christoffer Hermann Carstens aus Bresfleth, von 1797-1829, Georg Heinrich Prüssing aus Burg auf Fehmarn, von 1829—1855, Christian Quitzau aus Hoyer, von 1855—1888, August Kühl Schülp bei Nortorf, von 1888—1926, und Johs. Daniel aus Kiel seit 1926.
Das sind 14 Amtsinhaber in der285 Jahren von 1641—1926, durchschnittlich also 20 Dienstjahre für jeden. Mancher ging darüber, einige blieben darunter. Soviel sich übersehen läßt, harrten sie auf ihrem Posten aus, bis der Tod sie rief. Ein Versetzen in den Ruhestand kannte man damals nicht. Erst die beiden letzten schieden vorzeitig aus, Quitzau wegen Krankheit, Kühl, weil er die Altersgrenze erreicht hatte.

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