Kühl: Bramstedter Flurnamen (der Richtpfahl)

Im Januar 1938 veröffentlichen die Bramstedter Nachrichten in zwei Folgen einen Beitrag August Kühls zu den Flurnamen in Bad Bramstedt, den ich hier ohne kritische Würdigung abdrucke. Mehr aber auch Ähnliches zu dem Thema findet sich im Buch Alt-Bramstedt im Bild. Zudem bringt Kühl eine Anekdote zum Richtpfahl auf dem Klausberg. Ein Artikel Kühls zu den Bramstedter Straßennamen ist im genannten Buch Alt-Bramstedt im Bild verarbeitet.

Bramstedter Flurnamen

Von den Bramstedter Straßennamen, die wir kürzlich behandelten, ist es nicht weit zu den Flurnamen. Beide gehen teilweise ineinander über, dergestalt, daß manche unserer Straßen nach den anliegenden oder von ihnen durchschnittenen Feldern ihre Bezeichnung erhalten haben. So ist es der Fall bei den Straßen Schlüskamp, Achterndieck, Düsternhoop, Unter der Lieth, Maienbaß, Dahlkamp, Strietkamp, Lohstückerweg und den Steigen Blockshöh und Junkerssteig. Aber es bleiben noch viele Flurnamen nach, die sich hier nicht einreihen ließen. Ihnen soll nachstehende Betrachtung gewidmet werden.

Sehr gering ist die Ausbeute an Flurnamen im Bereich des früheren adligen Guts, auf dem sogenannten Hoffeld. Die unter der Bissenmoorer Höhe liegenden Wiesen heißen Rümelsch, wohl, weil sie ursprünglich mit Buschwerk bestanden waren, das erst abgeräumt werden mußte. Räumen heißt aber im Plattdeutschen rümen. Als zweiten Flurnamen treffen wir auf dem Hoffelde den Dahlkamp, der uns schon früher beschäftigt hat, und dann liegt nördlich der Glückstädter Straße der Heckkamp, den bei der Parzellierung der Hofländereien die Kirchengemeinde erwarb, um Raum für etwa notwendig werdende Erweiterungen des Friedhofs zur Verfügung zu haben. Er hat es sich gefallen lassen müssen, in der Flurkarte als Hechtkamp geführt zu werden. Die Widersinnigkeit dieser Umbenennung liegt auf der Hand: aus seinen sandigen Breiten kann man keine und konnte man früher ebensowenig Hechte sangen. Heckkamp heißt er auch heute noch im Volksmund, und das mit Recht. Auf diesem Kamp wurde, da er in nächster Nähe des Gutshofes lag, das Vieh bei besonderen Gelegenheiten – etwa wenn es gemolken werden sollte, oder wenn man bestimmte Tiere aussondern wollte – eingeheckt. Der Rest des Hoffeldes ist teils namenlos, teils wird er zusammengefaßt unter der Bezeichnung Bissenmoor.

Auf dem Bauernland dagegen finden wir einen sehr großen Reichtum an Namen. Es sind allerdings nicht überall die ursprünglich gebräuchlichen Bezeichnungen. Zum Beweis führen wir die südlich der Stadt gelegenen Chausseekoppeln an. Sie können diesen Namen doch erst vor reichlich hundert Jahren, als sie von der damals gebauten Altona-Kieler-Chaussee durchschnitten wurden, erhalten haben. Wie mögen sie vorher geheißen haben? Wir haben nichts darüber in Erfahrung bringen können. Auch sonst trifft man vereinzelt Namen, die unverkennbar neueren und neuesten Ursprungs sind:  Sniederwisch, Stegemannskoppel, Schosterkoppel, Swienskopp, Tabakskasten, Gespensterholt, oder gar Sternschanz und Oevelgönne. Trotzdem bleibt noch viel Altüberliefertes, nur schade, daß mancher Ausdruck der Deutung widersteht, mag er sich im Laufe der Zeit verändert haben oder mag der ursprüngliche Wortsinn verloren gegangen sein.

Vielfach trifft man auf nach dem Gelände, nach Höhen, nach Gewässern usw. gewählte Flurbezeichnungen: Uenner de Lieth, Baben de Lieth, Vör Ah, Op de Ah, Achtern Hamviehbarg, Uennern Hamviehbarg, Uennern Klaasbarg, Blang de Osterau, Achterndieck, Vörsten Dieck, Mittelsten Dieck, Ihlbeck, Dambeck, Vör-Repen, Dwer-Repen, Op de Reepen, Achtern Repen, Oewer de Hambrügg, Op Hogenstegen. Das meiste davon ist für uns Plattdeutsche ohne weiteres verständlich. Während Achterndieck seinen Namen nach seiner Lage zum alten Mühlenteich erhalten hat, scheint es, als wenn Vörsten Dieck und Mittelsten Dieck nach einem Deich vor der Brunnenkoppel, von dem noch ein kleiner, vor Jahren von Dr. Sommer erworbener Rest, Stauelsch genannt, vorhanden ist, der früher aber wohl auch die angrenzenden Wiesen umfaßte, benannt worden sind. Auf einige andere oben angeführte Bezeichnungen kommen wir noch zurück.

In der Bramstedter Feldmark gab es, infolge der niedrigen Lage und der vielen Auen und Wasserläufe, früher viel Bruchland, plattdeutsch Brook, und viele moorige Ländereien. In erster Linie sei da der Brook gegenüber den großen Mergelkuhlen nach Lentföhrden hinaus genannt. Bis vor wenig Jahren hatte er seinen Charakter als Bruchlandschaft wenigstens teilweise recht gut bewahrt, jetzt ist alles kultiviert, leider! wird mancher Naturfreund sagen. Weniger verwischt ist die Fortsetzung jenseits der Gemarkungsgrenze. Die dort noch vorhandenen Reste bergen für Pflanzen- und Tierfreunde noch mancherlei, anderswo nicht mehr vorhandene Seltenheiten. Man hätte einen Teil dieses Bruches rechtzeitig unter Naturschutz stellen sollen. Den Namen Brook finden wir ferner in Brookwisch, Schaapbrook, Asbrook, letzteres wohl verkürzt aus achtersten, also hintersten Brook. An Mooren nennen wir Roddenmoor, Schienermoor, Katenmoor, neues Moor, auch Bissenmoor, Karkenmoor und Moorstücken. Die letzten drei Flurnamen bezeichnen Acker- und Weideländereien. Wir dürfen wohl annehmen, daß die beginnende Vermoorung, die ihnen den Namen gab, durch spätere Entwässerung unterbrochen und zum Stillstand gekommen ist. Auf den ursprünglichen Zustand weist noch heute der schwarzgründige Boden hin. Der Name Roddenmoor läßt vermuten, daß am Rande des Moors gerodet worden ist. Viele auf den dortigen Koppeln wachsende Wildpflanzen lassen auf früheren Waldbestand schließen. In dem Schienermoor wird wohl der Schinder oder Abdecker die gefallenen Tiere versenkt haben. Auf dem Katenmoor hatten die Kätner zur Deckung ihres Torfbedarfs ihre Moorteile. Noch heute zerfällt es in zahlreiche, über das ganze Moor sich erstreckende schmale Anteile, aber die Torfgewinnung hat ganz aufgehört, das Moor ist wohl erschöpft. Da die Entwässerungsmöglichkeiten nicht ungünstig sind, ließe sich das Moor in gutes Weideland verwandeln; schwierig wird es jedoch sein, die vielen Besitzer zum gemeinsamen Vorgehen zu veranlassen.

An die nach Bimöhlen hinaus liegenden Moorstücke schließt sich bis zur Gemarkungsgrenze das Karkenmoor an, und jenseits dieser Grenze folgt der Karkendamm. Was Karkenmoor und Karkendamm für eine Beziehung zur Kirche gehabt haben, haben wir nicht ergründen können. Der Name Karkendamm hat in neuerer Zeit noch eine besondere Bedeutung erlangt. Der Kaufmann Gustav Steenbock in Hamburg, ein geborener Bimöhler, schuf sich diesseits und jenseits der Gemarkungsgrenze einen wertvollen Landbesitz, den er den schönen bodenständigen und erdgebundenen Namen Karkendamm gab, denn dort wurden die Hofgebäude errichtet. So wie der Hof Karkendamm am Nordrande des Tales der Osterau entstanden ist, so liegt südlich der Osterau das allerdings noch sehr in der Entwicklung begriffene Gut Holm. Auch dieser Name ist durchaus bodenständig. Der Flurname Holm oder Höllm, dem der Name des Landbesitzes entlehnt ist, deutet auf vormaligen Waldbestand hin. Uns ist ein Fall bekannt, wo ein Dorfwald bis in unsere Zeit „de Höllm“ genannt wurde. So erklärt sich auch der Name der an die Osterau mündenden Höllm-Au, als der aus dem Höllm kommenden oder an ihm vorberfließenden Au. Sie hat hier glücklicherweise ihren Nomen unverfälscht behalten; uns sind zwei Fälle aus Holstein bekannt, in denen man Höllm-Au in Höllen-Au „verdeutscht“ hat.

An den ersten Bramstedter Gesundbrunnen erinnern Brunnenkoppel, Brunnenwiese und Brunnenstück. Auf der jetzt zum Hof Karkendamm gehörigen Brunnenwiese gewahrte Gerd Gieseler im Jahre 1681, wie am Fuße einer Eiche das bald als heilbringend erkannte Wasser hervorsprudelte. Man kann es noch heute mit Hilfe einer Pumpe aus der Tiefe herausholen. Auf der höher liegenden Brunnenkoppel werden die Heilungsuchenden verweilt haben. Das Brunnenstück ist augenscheinlich der von der Bimöhler Straße zum Gesundbrunnen führende, später ausgehobene Weg. Er kennzeichnet sich als solcher durch seine geringe Breite aus. Bemerkenswert ist ferner, daß der alle Stücke des Karkenmoores scheidende Entwässerungsgraben am Brunnenstück unterbrochen ist; er beginnt erst links und rechts von diesem.

Recht mannigfaltig sind die Flurbezeichnungen auf den nördlichen Höhen. Von Westen nach Osten fortschreitend, ergeben sich folgende Namen: Lieth, Maienbaß, Scholloh, Raabarg, Düsternhoop, Hasselloh, Lehmbarg, Op de Höft, Husdahl, Söweneck, Opt Krüz, Hungerkamp, Langenschlagen, Stift, Anklever, Ah-Berg, und, schon auf Bimöhler Gebiet, Halloh-Barg. Die auf loh endigenden Wörter weisen auf früheren Waldbestand hin, wobei zu bemerken ist, daß Halloh wohl entstanden ist aus Heiloh, soviel als Wald und Heide. Auch der Raaberg war bewaldet, vom Roden hat er seinen Namen, wie Düsternhoop nach den dichten Baumkronen. Söweneck heißt verhochdeutscht Sieben Eichen, nicht etwa sieben Ecken. Veranlaßt durch das nachfolgende ck, spricht man heutigentags das e meistens kurz und macht aus den Eichen Ecken. Op de Höft heißt wohl soviel als auf der Höhe; ob auf Opt Krüz früher ein Kreuz gestanden hat? Der Hungerkamp hat sicher nichts mit Hunger zu tun, denn das ist doch offenbar kein hungriger Boden. Husdahl hängt wohl mit dem plattdeutschen Dahl, soviel als herunter, zusammen, vielleicht „um die Höhe eines Hauses herunter“. Den Namen Stift vermögen wir nicht zu erklären, wahrscheinlich hat er ursprünglich anders gelautet. Die hier und da vertretene Annahme, daß dort ein Stift gestanden habe, ist verfehlt. Mit Kleve bezeichnet man im Weiten Schleswig-Holsteins den ziemlich steilen Abfall einer Höhe zur Ebene. Das trifft auch für den Anklever zu. wo die Höhe sich zu den Moorstücken senkt. Die Ah ist bei Hagen eine sandige Höhe, ebenso der Ah-Berg.

Einer besonderen Betrachtung bedürfen die Namen, die Ham zusammengesetzt sind: Hamvieh, Hamvinsel und Hambrügg. Im Mittelalter bestanden an der Grenze zwischen Holstein und Dithmarschen die sogenannten Hammen. Sie waren von den Dithmarschern zur Verteidigung gegen feindliche Angriffe angelegt und stellten sich dar als – in niedriges, mit Busch und Wald bestandenes, von tiefen Gräben durchzogenes Gelände, das wohl geeignet war, das Vordringen der Feinde zu hemmen. Aus dem Worte hemmen ist dann die Bezeichnung Hamme entstanden. Sollte das Gelände im Südosten von Bramstedt, wo die drei Namen mit dem Beiwort Ham zu finden sind, vielleicht denselben Zweck zu erfüllen gehabt haben, wie die Dithmarscher Hammen? Wenn wir bedenken, daß im Südosten Alt-Bramstedt am wenigsten von Natur aus gegen Angriffe von außen geschützt war, daß das dort vorhandene Vorgelände zu einem großen Teil aus Bruch- und Sumpfland bestand, das sich von den Lohstücken bis zu den Wiesen an der Schmalfelderau erstreckte, so könnte man wohl dazu kommen, die Frage zu bejahen, und dann wäre der Sinn der drei Namen geklärt. Vieh oder Fy bezeichnet tiefliegendes, morastiges Land. Der aus diesem sich heraushebende Hügel von mäßiger Höhe erhielt den Namen Hamviehberg, und die Brücke über die das Gelände abschließende Schmalfelderau wurde Hambrücke genannt. Der Name Hamvinsel wird sich in seinem 2. Teile sehr schwer deuten lassen; heißt Vinsel etwa soviel wie Anhängsel? Den ersten Vermessungsbeamten scheint das Wort auch Kopfzerbrechen verursacht zu haben; sie wußten sich aber zu helfen und trugen flugs Halsinsel in die Flurkarte ein.

Hinter der Hambrücke breitet sich der Wittrehm aus.

Rehm bedeutet ein mit Busch und Bäumen bestandener schmaler Streifen, der ein Ackerstück seitlich begrenzt. Es ist verwandt mit dem hochdeutschen Wort Rain, das einen Acker- oder Wegrand bezeichnet. Eine solche Rehmlandschaft gab es noch gegen Ende des vorigen Jahrhunderts bei Lentföhrden: Ackerstücke, abwechselnd mit Eichenreihen, die von Zeit zu Zeit geschlagen wurden zwecks Gewinnung von Gerberlohe. Anderswo in unserer Feldmark treffen wir in Schullersrehm denselben Namen; mutmaßlich wird Repen die gleich Bedeutung haben. Die erste Silbe in Wittrehm weist auf den Kiebitz, plattdeutsch Kiewitt, hin, der dort häufig vorkommt. Hinter dem Wittrehm liegt der See; er ist längst verschwunden, und Moor und Wiesen nehmen seinen Platz ein. Von dort wird jetzt das Kurhaus mit

Moorerde versorgt. Hohenstegen heißt das Land an der Lentföhrdener Au, und die ihre beiden Ufer verbindende Brücke führt denselben Namen. Früher wird wohl ein hoher Steg ihre Stelle eingenommen haben. Auf dem Wodansberg huldigten unsere Vorfahren dem Göttervater. Der Tütenberg ist benannt nach dem dort anzutreffenden Regenpfeifer, plattdeutsch nach seinem Ruf Tüt genannt.

An der Bimöhler Straße liegen unmittelbar hinter der Bahn die Kapellenhöfe. Nach der Ueberlieferung soll dort eine Kapelle gestanden haben. Weiter hinaus liegt der jetzt mit Häusern bebaute Rundenkamp, wohl so genannt, weil er rundherum von Wegen begrenzt wird. Unweit der Kapellenhöfe liegt die Ratmannskoppel, deren Nutzung wohl im alten Bramstedt den beiden dem Bürgermeister zur Seite stehenden Ratmännern als Entschädigung für ihre Mühewaltung zustand. Vagelstang hießen die Koppeln bei der alten Vogelstange, jetzt Grundstück Emde. Ahrnschuller und Schullersrehm enthalten beide das geheimnisvolle Wort Schüller. Ob es wohl ein Eigenname ist? Im Bullenbleeck wird der Gemeindebulle geweidet haben. Mit Siggen bezeichnet man niedriges Land. Man begegnet dem Ausdruck anderswo in der Form Sieck. Auch Segen ist dasselbe Wort. Fuhlendorfer und Hitzhuser Segen bildeten früher ein zusammenhängendes niedriges Waldgebiet. Rühm wird wohl denselben Ursprung haben wie Rümelsch: von Busch und Baum geräumtes Land. Ob der Butterkamp und die Butterkampswiesen nach dem häufigen Vorkommen der Butterblumen ihren Namen erhalten haben? oder ob die Kühe nach dem dort wachsenden Futter besonders viel Butterfett in ihrer Milch lieferten? Eine Jägerwisch wird schon vor 300 Jahren erwähnt, jetzt heißt sie Opn Jäger. Die Bedeutung der Namen Bornkoppel, Bornwisch, Brockwisch, Sollwaterwisch ist ohne weiteres klar. Der Ihlbeck, der den von ihm durchflossenen Feldern ihren Namen gegeben, hat seinen Namen sicher nicht von seinem eiligen Lauf, sondern von den Blutegeln, plattdeutsch Ihlen, die in ihm leben. Ob auf Blockshöh der Richtblock des Henkers gestanden hat? Wir bezweifeln es, vermögen aber auch keine andere Deutung des Namens zu geben.

Zum Schluß laden wir unsere geschätzten Leser zu einem Besuch des Klaasberges ein. Wenn wir von ihm nordostwärts schauen, so liegt Klaashorn vor unseren Augen, ein niedriger Landrücken, der in das Tiefland vorstößt, gleichsam wie ein breites Horn. Früher stand auf dem höchsten Punkte des Klaasberges ein mehrere Meter hoher Eichenpfahl. Vor reichlich einem halben Jahrhundert fragte der Verfasser dieser Zeilen einen dort Heide mähenden alten Mann, was der Pfahl zu bedeuten habe. „Dat is en Richtpahl“, war die Antwort.

„In ohlen Tiden is mal en Bramstedter Preester dodslagen warn, un den Kerl, de dat dahn hett, hebbt se hier hinricht. He hett Klaas heeten, un darnah hett de Barg sin Namen kreegen, und de Pahl, an den he ophungn warn is, heet siet de Tid Richtpahl.“ Das klang ja recht interessant und reizte gleichzeitig zur Nachprüfung an. Es konnte folgendes festgestellt werden: 1. In einem Reisebericht aus dem Jahre 1794 wird lobend erwähnt, daß in Holstein an den Hauptstraßen in bestimmten Abständen große Pfähle ausgestellt seien, welche, besonders im Winter bei hohem Schnee, den Fuhrleuten als Wegweiser dienten. Weil die Fuhrleute sich nach ihnen richteten, hießen sie Richtpfähle. Wenn die Richtpfähle später verschwunden sind, der auf dem Klaasberg aber stehen blieb und wohl gar erneuert wurde, so ist das aus der Eigenart des Geländes zu verstehen. Oestlich vom Klaasberg dehnte sich bis gegen Ende des vorigen Jahrhunderts eine öde Heidefläche aus, die fast an Hasenmoor heranreichte. In ihr löste sich der Weg in unzählige Wagenspuren auf, wie man sie vor Jahren dort noch erkennen konnte. Die Gefahr, in diesem Gewirr von Geleisen den Weg zu verlieren, war nicht bloß bei Schneeweiter vorhanden, sondern auch, sobald es anfing zu dunkeln. Da zeigte der Pfahl auf dem Klaasberg, der sich scharf gegen den westlichen Horizont abhob, dem von Osten kommenden Fuhrmann, welche Richtung er innehalten mußte. Hatte er erst die Höhe des Berges erreicht, dann gabs kein Verirren mehr, dann reckte sich vor ihm als Zielpunkt der Bramstedter Kirchturm empor. 2. Ums Jahr 1550 ist tatsächlich ein Bramstedter Prediger erschlagen und der Täter hingerichtet worden. Darüber berichtet eine alte Chronik folgendermaßen. In einer Versammlung zur Zeit der Fastelabende prahlte ein gewisser Eggert Bull mit seiner Stärke. Der Vikar Johannes Wasmohr erwiderte darauf, daß es gewiß noch kraftvollere Menschen gebe als er einer sei. Er, der Vikar, sei bereit, es ihm durch die Tat zu beweisen. Er zieht seinen Rock aus und geht auf Eggert Bull los, den er bezwingt und zu Boden wirft. Hierüber wird Bull so voller Wut, daß er dem Vikar auf dem Heimwege auflauert, ihn bei Hinrich Ordes Haus überfällt und ihm einen tödlichen Streich versetzt. Der Mörder ist dann in Segeberg geköpft worden. — Wir sehen, wie in der Erzählung des Heidjers Wahrheit und Dichtung sich mischten. Sie ist ein klassisches Beispiel dafür, wie sich um eine falsch verstandene Bezeichnung Legenden bilden können.

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