Harbeck: GUT GAYEN

Aus Hans Hinrich Harbeck, Chronik von Bramstedt, verfasst ca. 1938, veröffentlicht 1959

GUT GAYEN

Gayen ist der Name eines Höhenzuges, östlich von der Kieler Chaussee in der Gemarkung Fuhlendorf gelegen, bis vor wenigen Jahren in seinem 46,7 m über dem Meeresspiegel liegenden Gipfelpunkt gekennzeichnet durch ein hochragendes trigonometrisches Gerüst. Wir haben es mit dem höchsten Ort im Kirchspiel Bramstedt zu tun; denn auch der mehr in die Augen fallende Hallohberg (Bimöhlen) bleibt um 20 cm zurück. Das alte Fleckensbuch spricht vom Weg »na de Gay«, und in seiner Schenkungsurkunde von 1633, die Morgengabe für Wiebke Kruse anlangend, nennt Christian IV. diesen Erdenwinkel das »Land Mönke Gayen«. Damit ist nicht der besondere Sinn des Wortes »Gay« oder »Gayen« aufgedeckt, was überhaupt bislang nicht gelungen ist. Wohl aber ist gewiß, daß Gayen im genannten Jahre Eigentum des Dänenkönigs gewesen ist, der es gleichzeitig mit der alten Bramstedter Wassermühle seiner lieben Wiebke übergeben hat, wobei noch das heute dazugehörende Roddenmoor als besonderer Bestandteil erwähnt wird. Ferner wird durch das Beiwort »Mönke«, genau wie bei »Mönkloh«, außer Zweifel gestellt, daß dieser Flecken Landes einmal im klösterlichen Besitz gewesen ist, mindestens unter Verwaltung von Mönchen gestanden hat. Es liegt nahe genug, dabei an das im Jahre 1127 gegründete Nova Monasterium (Neumünster) zu denken. Nun steht andrerseits fest, daß Bimöhlen 1270 dem Cistercienser Kloster zu Reinfeld zugeteilt worden ist. Fürsten und Grafen haben, und wohl nicht lediglich ihres Seelenheils wegen, auch hierzulande in recht erheblichem Umfange Klostergründungen begünstigt und gestützt, und in jenen Tagen bestand ein Mangel an Land und Raum nicht. Die auf der holsteinischen Geest ursprünglich den irgendwie rechtsbegründeten Siedlungsgemeinschaften zugewiesenen Bezirke sind in ungezählten Fällen nicht voll ausgenutzt worden. Ödländereien oder fernab am Rande der Gemarkung liegende Teile blieben oft unbeachtet liegen; sie waren natürlich steuerfrei und standen grundsätzlich zur Verfügung des Landesherrn oder später des Fiskus. Ein solches Beispiel liegt sicher bei unserm Gayen vor. Dies Gebiet ist noch heute mit allerlei unkultiviertem Boden ausgestattet, und seine Lage zu den vier es umringenden Ortschaften Bramstedt, Fuhlendorf, Wiemersdorf und Bimöhlen ist so, daß es ziemlich gleichen Abstand — 2 bis 3 km — von jedem hat. Das Verlangen, es in Besitz und Kultur zu nehmen, hat daher lange geschlummert 1).
So spricht alles dafür, daß das Land Gayen bis zur Überlassung an eins der genannten Klöster (die Nonnenklöster zu Ütersen, Itzehoe, Preetz kommen doch nicht in Frage) dem Landesherrn zu eigen gewesen ist. Ebenso natürlich ist es zugegangen, daß nach Einführung der Reformation (etwa 1540), als die »männlichen« Klöster aufgehoben wurden, das frei gewordene Land an den König zurückgefallen ist. So konnte Christian IV. es verschenken. So wurden Gayen, Roddenmoor, Mühle und Gut Bramstedt dem Anschein nach zu einem einheitlichen Besitztum. In Wirklichkeit war es nicht ganz so. Wiebke hatte nur das Gut mit allem Zubehör, so wie es ihr Christian für sie erworben hatte, zu ihrer und ihrer leiblichen Erben schrankenlosen Verfügung; Mühle, Roddenmoor und Gayen waren nur zur Nutznießung (als Leibgedinge) ihr zugewiesen worden, anders gesagt: unverkäufliches erbliches Besitztum, das mit dem Ableben des letzten Leibeserben zurückfiel an den Geber oder dessen Nachfolger.
Praktisch ist die Mühle durchweg in Erbpacht verwaltet worden. Verläßliche Anzeichen sprechen dafür, daß auch Gayen verpachtet worden ist, wenn auch auf Zeit, denn schon 1700 klagt die Erbin, daß dies Land so schlecht in Pacht zu geben ist: keiner will es haben. In primitiver Weise, wohl als Schafweide und Torfmoor genutzt, ist Mönke Gayen im Besitz der Familie von Schmidegg, Wiebkes Erben, wohnhaft in Ungarn, geblieben bis um die Mitte des vorigen Jahrhunderts. Dann ist es unter veränderter Gesetzgebung dem letzten Erbpächter, dem wohlangesehenen Müller N. F. Paustian möglich gewesen, nicht nur das Gut Bramstedt, sondern auch das Leibgedinge käuflich zu seinem Eigentum zu machen. Nun ist eins mit dem andern einheitlich bewirtschaftet worden, und man wird nicht fehlgehen, wenn man die Entstehung des Namens »Gut Gayen» auf diese Zeit zurückführt. Gehörte es doch einem Gutsherrn. Als Bezeichnung der Bahnhaltestelle, die seit i 916 hier vorhanden ist, hat sich dieser Name erhalten. Die neue Zeit hat daraus einen Erbhof gestaltet, und so wollen wir fortan das den ”Hof Gayen” nennen, was niemals mit den Rechtsbefugnissen eines Gutes im früheren Sinne ausgestattet gewesen ist.
Zurück zum Einheitsgut Paustians. Mühle, Gut Bramstedt und Gayen standen zunächst sozusagen unter Personalunion. Gemeindepolitisch waren sie durchaus ein Vielfaches, das erst in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts zusammengefaßt wird, indem alles unter die Gemeindehoheit Bramstedts gestellt wird:
Gut Bramstedt nebst Gut Bissenmoor und Mühle bedingungslos; die 12 Bissenmoorer Katenstellen mit dem Zusatze, daß für die nächsten Jahre die Gemeindeabgaben um 15 % zu ermäßigen seien. So wollte es der Landrat, und so ist im Mai 1873 beschlossen und auf dieser Basis am 1. Juli 1874 die ”Einverleibung” vollzogen worden. Gayen blieb noch draußen, wie es ja auch mit keinem Teile der Bramstedter Gemarkung angehörte, sondern teils in der Fuhlendorfer, teils in der Bimöhler Feldmark lag (und liegt).
Gegenüber dem Bestreben der Bramstedter, auch Gayen an sich zu ziehen, muß sich ein gegenteiliger Wunsch geäußert haben. Denn das Fleckensprotokoll meldet alsbald, daß Gayen nur ein Teil von Paustians Hauptgut sei und von dort bewirtschaftet werde, und der Wunsch, es an Fuhlendorf oder Bimöhlen abzugeben, nicht erfüllt werden könne, da ja auch nach solchem Verfahren der Flecken des Weges wegen nicht unbedeutende Lasten zu tragen haben würde. Es gehöre seit undenklicher Zeit zur Erbpachtmühle und werde mit ihr zusammen für einen Pflug besteuert. Schul-, Nachtwächter- und Löschkosten trage es mit dem Flecken; allerdings nehme es an dessen allgemeinen Verwaltungskosten bisher nicht teil.
Die Verhandlungen ziehen sich noch durch drei Jahre hin. Am 8. Mai 1877 aber stimmt die Regierung dem Verlangen des Fleckens zu, allerdings mit einem beachtlichen Vorbehalt, nämlich dem, daß die städtischen Abgaben für die ersten
5 Jahre um 15 % danach um 10 % für Gayen zu ermäßigen sind. Damit erklärt sich das Fleckens-Kollegium einstimmig einverstanden. Wenn diese Bedingung heute in Vergessenheit geraten ist, so mag das darin seinen Grund haben, daß der Hof, wie wir sehen werden, in der Folge recht oft seinen (wohl allemal orts-fremden) Besitzer gewechselt hat.
Das Fleckensprotokoll gibt uns einen wertvollen Fingerzeig für die Entwicklung des »Landes Mönke Gayen» an sich. Zur Zeit seiner Einverleibung in das städtische Gemeinwesen befanden sich danach auf dem Gelände nur ein (Schaf-)Stall und eine unbewohnte Arbeiterkate. 2;) — Anders gesprochen: unser Hof war über den Rang eines bescheidenen Vorwerks nicht hinausgekommen, das, wenn nicht der Schäfer mit seinen Schützlingen unter dem gleichen Dache gehauset hat, keinen einzigen Bewohner aufzuweisen hatte.
Erst 1891 wurde eine wirkliche Siedlung daraus. N. F. Paustian hatte bei der Übergabe seines Geweses an den ältesten Sohn Otto das Vorwerk abgetrennt. Nun wurde hier ein neues Wohnhaus errichtet, dazu die nötigen Wirtschaftsräume, womit denn ein selbständiger Wirtschaftsbetrieb in die Wege geleitet war. Zwölf Jahre lang hat Carl Paustian, ein Bruder des genannten Haupterben, diesen Hof geleitet, unterstützt von seiner ältesten Schwester Berta. 1903 siedelte Familie Paustian nach Kellinghusen über, nachdem das aufblühende Gayen an den Bergwerksbesitzer Dr. Schrader in Recklinghausen günstig verkauft worden war. Seitdem hat das Anwesen in rascher Folge seinen Besitzer gewechselt, wobei es überwiegend mehr Gegenstand der Spekulation als der kulturellen Aufschließung gewesen ist.
1928 verkauft Paul Adler den Besitz endgültig an R. Kuhrt aus Westpreußen. Damit ist der Hof unter des selbstverwaltenden und schaffenden Fachmannes Hand gekommen. Heute ist Gayen in die Liste der Erbhöfe eingetragen und damit endgültig der Hand der Spekulanten entzogen.
Es ist nötig, darauf hinzuweisen, daß Gayen, zunächst rein räumlich betrachtet, heute etwas anderes bedeutet als 1633, wo es der König verschenkte. Damals umfaßte es nach amtlichem Bericht 50 Tonnen Sadt, d. i. rund 35 ha. 1904  wird die Größe mit 50 ha, danach bei den ferneren Käufen mit 45 ha angegeben, bis es bei dem letzten Besitzwechsel 247 ha waren, die sich verteilten auf die Gemarkungen Fuhlendorf, Wiemersdorf, Bimöhlen, Lentföhrden und Bramstedt. Wieder abgetrennt ist der Lentföhrdener Anteil, zum Teil durch Verkauf, zum Teil durch Austausch, und zwar letzteres durch Übernahme eines 6 1/2 ha fassenden Weidegrundstücks beim Grünplan, also Wiemersdorfer Feldmark. Abgesehen von diesem, bilden die gesamten Ländereien ein geschlossenes, das Gehöft umringendes Besitztum.

1) Das Gebiet des Bramstedter Stadtwaldes ist aus ähnlichen Gründen fiskalisch und unberührt geblieben bis 1884. Dann kaufte auf Anregung des Kirchspielvogts die Stadt das »an sich wertlose Land«.
2;) Eine Zeitlang hat nach diesem ein entlassener Strafgefangener die Kate bewohnen dürfen, und 1883 ist sie überhaupt nicht mehr vorhanden gewesen.

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