Dirick von Bramstedt herrschte über Island und warf englische Seefahrer über Bord

Bad Bramstedt. Dirick Vaget, auch Dirick von Bramstedt genannt, herrschte fünf Jahre lang (1529 – 1534) als Gouverneur über Island. Dieses bislang kaum bekannte, historische Detail entdeckte der Bramstedter Heimatforscher Jan-Uwe Schadendorf bei seinen Recherchen. Dirick Vaget war damit der oberste Beamte auf der damals zum dänisch-norwegischen Großreich gehörenden Insel.

Dirick Vaget taucht 1530 im Bramstedter Fleckensbuch mit heraus gehobener Stellung als „Borgimester“ auf, neben dem Kirchspielvogt und vier Ratmännern.

Bekannt war bislang aus der umfangreichen Arbeit Wolfgang Pranges zum Gut Bramstedt, dass er für den dänischen König Christian II. in den dänisch-schwedischen Krieg zog und  im März 1520 einer der vier bevollmächtigten Hauptleuten war, die in Uppsala die Unterwerfung des schwedischen Reichsrates annahmen. Bekannt war auch, dass er bis 1523 Amtmann auf Hanerau war, und dass er nach Christian II. auch dem  nachfolgenden  König Friedrich I. diente.
Das Letztere war nicht selbstverständlich, war er doch 1523 mit dem vom Thron vertriebenen Chr. II zunächst in die Niederlande gegangen und dann wieder (reumütig) zurückgekehrt.

Doch auch dem dänischen König Friedrich I. muss er ein treuer und erfolgreicher Hofmann und Soldat gewesen sein, auch wenn Nachrichten darüber bislang fehlen.

Wie Jan-Uwe Schadendorf in alter isländischer Literatur lesen konnte, verleiht ihm Friedrich I. in einer Urkunde vom 12. April 1529  aus „gnädiger Zuneigung“ und für seine „getreuen angenehmen Dienste“ für fünf Jahre die Eigenschaft des Vogtes / Gouverneurs über ganz Island.

Firedrich I.

Wie es in der Urkunde heißt: „Dat wy vnnsserem leuenn getrwenn Dirick vaget tho Bramstede vth gnadenn vnnd gnediger thoneyginge ock vmme synere mennichfoldingenn getruwenn angenhemme dienste wyllenn gnedichhch gegunnet vnnd begnadett dat he vnnsere landt Jsslandt alsse vnnssere vagett vyftjarlanck von dem negestfolgendenn Jare.“
Das war für Dirick Vaget nicht nur eine Ehre, sondern vor Allem auch eine sehr auskömmliche Position. Mit solchen Posten und Ämtern entlohnten damals die Könige ihre Gefolgsleute.

Dirick Vaget übt dieses Amt (im isländischen hirðstjóri genannt)  teils persönlich aus, wie Protokolle in isländischen Büchern zeigen, zum Teil hatte er einen Vertreter vor Ort eingesetzt. Das war eine große Leistung, wenn man bedenkt, was damals eine Seefahrt nach Island bedeutete und dass er daneben ein Gut mit 15 Hufen (Bauernhöfen) in Bramstedt, Hitzhusen, Weddelbrook etc. zu verwalten hatte.

Er nahm an den Sitzungen der isländischen Ratsversammlung (Allthingsdom) teil, hatte für Durchsetzung der Gesetze Sorge zu tragen und insbesondere den Handel zu überwachen. Zu seinen wichtigsten Gesprächspartnern gehören die „Lögmanner“ (isländische Gesetzesmänner) und auch die beiden (noch katholischen) Bischöfe. Unter Ihnen Jon Arason, den die Isländer bis heute dafür ehren, dass er für die Unabhängigkeit von Dänemark eintrat.

Island ist für die Norweger und die  Dänen, damals beides unter dänischer Krone,  enorm wichtig und der Handel mit Fisch und Fellen ist sehr ertragreich. Daher werden alle Handelsbeziehungen der Hansestädte, der Niederländer und der Engländer nach Island beargwöhnt und kontrolliert. Vollständig gelingt das nicht und die Auseinandersetzungen  werden mit harten Bandagen geführt.

Seefahrer im 16./17. Jahrhundert

 

Das schildert Dr. Ernst Baasch in seinem 1889 erschienenem Buch „Die Islandfahrt der Deutschen“:
Im Sommer 1532 liegt das englische Schiff „Peter Gibson“ zwanzig Tage lang vor dem isländischen Hafen Gronelwick (nahe dem heutigen Reykjavik) und beschäftigt sich mit dem Ankauf von Fischereierzeugnissen – insbesondere Stockfisch –  und dem Verkauf mitgebrachter Waren.
Da erscheinen hamburgische und bremische Kaufleute und begehren dieselben Stockfische. Es kommt zum Streit. Mehrere hansische Mannschaften – so schildern es später die Engländer – rotten sich zusammen und überfallen nachts das Schiff der Engländer, auf dem 15 Männer schlafen. Diese werden getötet, die Waren geraubt, das Schiff stark beschädigt.
Tatsächlich hätten sich – so die deutschen Quellen zu dem Vorfall – die Engländer unbotmäßig gegenüber dem Vogt ( = Dirick ) und seinen Anweisungen verhalten. Und der Vogt selbst sei an der Aktion gegen die Engländer beteiligt gewesen.

Dieser Vorfall führt zu schweren Verwicklungen zwischen dem englischen Königshaus, in dem Heinrich VIII. regiert (der König mit den zahlreichen Ehen und Begründer der anglikanischen Kirche), und dem Hamburger Rat. Heinrich VIII. droht mit schweren Folgen, falls seine Leute nicht Genugtuung erführen.
Es antwortet Friedrich I., zugleich Herzog von Holstein, für seine Hamburger Untertanen und beklagt sich, dass sein Vogt berichte, die Engländer hätten die ganze Fischerei der Insel an sich gerissen. Deswegen habe der Vogt zusammen mit den Hamburgern und den Bremern „in unserem Namen“ Maßnahmen ergriffen. Er bedauere die Toten, aber das läge in der Natur der Sache.

Internationale Verwicklungen würde man heute zu diesem Vorgang sagen. Diverse Diplomaten und Kammern beschäftigen sich mit dem Fall und letztlich wird am 16.2.1533 in Segeberg unter Anwesenheit des englischen Gesandten Lee und des dänischen Thronfolgers Christian III. verhandelt.
Mehrere adelige Räte und Juristen sowie Vertreter des Hamburger Rats nehmen teil, droht doch der profitable Island- und Englandhandel der Hamburger und Bremer Kaufleute Schaden zu nehmen.
Als Kronzeuge und Sachverständiger zu Island zugleich nimmt Dirick von Bramstedt teil. Das Urteil, genannt der „Abschied oder Verlaß von Segeberg“, besagt sodann, dass es besonders aufgrund der Aussagen des Vogtes als feststehend angenommen werde, dass die Engländer sich unbotmäßig benommen und die im Sommer 1532 erfolgten Exzesse verursacht hätten. Künftig mögen alle Parteien von solchen Exzessen absehen und ihren Handelsgeschäften nachgehen.
Mehr Konsequenzen oder Strafen erfolgen nicht – ein lapidares Ende eines mörderischen Vorganges.

Soweit dieser Prozess. Kurz danach stirbt König Friedrich I. in Dänemark und um seine Nachfolge entfacht sich die sogenannte Grafenfehde, die 1534-36 Dänemark, Lübeck, Norwegen etc. in schwerste Verwicklungen zieht.

Dirick ist noch 1533 auf Island beim Allting anwesend. Er bemüht sich um eine Verlängerung seines Amtes auf Island bei Christian III., die er auch für drei Jahre erhält. Doch die gegnerische Partei in der Grafenfehde hat schon einen ihrer Gefolgsleute dort eingesetzt. Und noch ist unentschieden, welche Partei obsiegen wird. (Die Grafenfehde ist eine andere lange Geschichte der dänischen Historie.) 

Einfach nach Island zu fahren, wäre wohl für Dirick zu diesem Zeitpunkt lebensgefährlich gewesen. Dirick Vaget oder Dirick von Bramstedt, wie er in den Quellen und Büchern häufig genannt wird, scheint sich auf seine Güter zurückgezogen zu haben.

Um 1536 verstirbt seine erste Frau Anna geb. Thies und hinterlässt zwei gemeinsame Kinder Christopher und Jürgen. Letzterer wird später die Linie der Vagets in Bramstedt fortsetzen. Dirick heiratet 1537 neu, stirbt aber selbst bereits im Jahre 1538.

Die Witwe heiratet Caspar Fuchs, einen Deutschen in hohen dänischen Diensten, der dann ganz im Sinne seines Ehevorgängers alles daran setzte, aus den Bramstedter Bauern auf dem Gutshof Leibeigene zu machen.

Jürgen Vaget wird Vogt in Bramstedt und setzt das Amt des Vaters fort. Er taucht nach Forschungen des Familienforschers Klaus Biel in der Geschichte des Kreises Segeberg um 1550 auch als Pächter der Glashütte im späteren Struvenhütten auf, und die ganze Familie Vaget/Vagt/Vogt ist insofern über die Grenzen Bramstedts für die Geschichte des Kreises Segeberg interessant.

Schmuckfenster von 1567 in der Bad Bramstedter Kirche mit dem Wappen der Familie (Jürgen) Vaget

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