?/Schadendorf: Die Kirchspielvogtei – wechselvolle Geschichte eines Gebäudes

Die Kirchspielvogtei


038-15tam 18.12.1936 erschien in den „Bramstedter Nachrichten“ folgender Artikel eines unbekannten Verfassers „mm“. Der mir vorliegende Zeitungsausschnit wurde von dem Ortschronisten Hans-Hinrich Harbeck an einigen Stellen handschriftlich korrigiert, die Korrekturenm werden hier wiedergegeben mit H.H.H.: ….

 


mm Auch ein Jubiläum . Hundert Jahre alt wurde in diesem Jahre die frühere Kirchspielvogtei am Bleeck. Im Jahre 1836 wurde sie durch den damaligen Kirchspielvogt Tycho Emil Harts erbaut, der dort bis 1849 wohnte. Seine Nachfolger waren die Kirchspielvögte Hugo Beidel (H.H.H.: Seidel) bis 1853, Nicolai Heinrich Göttsche bis 1859, Christian Hans Wilhelm von Linstow bis 1868, Reinhold Sievers bis 1874 und Dr. phil. Heinrich Flögel, der bis zum Erlaß der neuen Landgemeindeordnung in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, durch die die Kirchspielvogteien aufgehoben und dafür Amtsbezirke eingerichtet wurden, im Amte war. Dann wurde das Gebäude Rentamt bis 1895. Es wohnten dort nacheinander die Rentmeister Bernhard Hufe bis 1890 und Paul Speidel bis 1895. Darauf wurde es Arzthaus. Dr. Paul Wulf erwarb es und wohnte dort bis an seinen Tod 1918. Ihm folgte Dr. Christian Kühl und seit einem Jahr übt Dr. Förster in dem Haus seine Praxis aus. – Nicht uninteressant ist die Vorgeschichte des Grundstücks.
Sie läßt sich bis in die Zeit des dreißigjährigen Krieges zurückverfolgen. Im Jahre 1628, am 25. April, dem dritten Ostertage, fiel das dort belegene Haus, ein Bauernhaus, dem von den Wallensteinern angelegten Brande , der alles, was zwischen den drei Toren lag, dem Beckertor im Norden, dem Hudetor im Westen und dem Hogendoor im Süden, also dem heutigen Bleeck samt Achtern Bleeck und Mühlenstraße (wenn man so sagen darf, die Altstadt von Bad Bramstedt) vernichtete, zum Opfer. Nur das Schloß wird, wohl aufgrund seiner etwas isolierten Lage und seiner massiven Bauart, stehen geblieben sein. Der damalige Besitzer hieß Westphal. Unter seinen Sohne Hinrich Westphal, im Jahre 1685 (H.H.H.: 1695) wurde aus der Vollhufe eine Drittelhufe, das hing zusammen mit der Neuaufteilung der Landnutzungsrechte, wie sie unter dem Fleckensvorsteher Jürgen Fuhlendorf während des Kampfes gegen den Gutsherrn, den Baron von Kielmannsegge, vorgenommen wurde. Die Drittelhufe bestand bis 1815. Sie sah in dieser Zeit also in 130 (H.H.H.: 120) Jahren, 12 Besitzer; darunter treffen wir viele mit bekannten Namen: Fuhlendorf, Langmaack, Köhncke (aus Hingstheide), Kröger (aus Kisdorf), Rave (aus Armstedt), Micheel (aus Hagen), Fock (aus Weddelbrook). 1808 – es war die Zeit der napoleonischen Kriegswirren – geriet der Besitzer in Konkurs. Einer der Gläubiger, Hinrich Schröder aus Kellinghusen, übernahm den Besitz, verkaufte ihn aber bald an den Grafen Rantzau auf Luisenberg, der ihn nach zwei Jahren an Jasper Wilckens veräußerte. Nachdem 1813 die neben dem Hause gelegen Abschiedskate – jetzt Schumacher Hauschildt – abverkauft worden war, wurde 1815 durch Verkauf von Ländereien aus der Drittelhufe eine 31/192-Hufe. Diese kaufte Hinrich Hochgreve aus Bilsen, ihm folgte Joachim Huß aus Dätgen, darauf kamen drei Besitzer mit Namen Bremer. Damit war die Reihe der Bauern zu Ende. Das alte Bauernhaus wurde niedergerissen und machte der Kirchspielvogtei Platz. – Vollhufe, Drittelhufe, Sechstelhufe, Kirchspielvogtei, Rentamt, Arztwohnung – fürwahr ein wechselvolles Schicksal.


Soweit der Artikel aus 1936. Das Haus hatte auch im Folgenden eine Nutzung als Arztpraxis. Der Name Dr. Heinrich wird vielen Bramstedtern noch geläufig sein. Er war der letzte Besitzer dieses Hauses, bevor es zusammen mit dem Nachbarhaus Hausschildt an Investoren aus Hamburg verkauft wurde, die jedoch ihr Vorhaben einer Seniorenwohnanlage nicht verwirklichten. Es folgte eine Investorengruppe aus Bramstedt/Hitzhusen, die das Gelände erwarb. Nachdem zunächst – aufgrund politischen Drucks – vorgegeben wurde, das Gebäude der Vogtei erhalten zu wollen, fiel es vor wenigen Wochen nach rund 165 Jahren Lebensdauer der Abrißbirne zum Opfer. Nur die östliche Hauswand blieb stehen (Grenzbebauung) – sie scheint wohl von besonders guter Qualiät zu sein.!?!

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