Kolbe: Der Bramstedter Roland: Gedanken über seine Herkunft und seine Restaurierung im Jahre 1965

aus heimatkundliches Jahrbuch 1966


Hans Kolbe, Itzehoe:

Der Bramstedter Roland: Gedanken über seine Herkunft und seine Restaurierung im Jahre 1965

Die Geschichte des Rolands von Bad Bramstedt ist durch die Schrift von MaxRöstermundt, „Bad Bramstedt. Der Roland und seine Welt“, (Karl Wachholtz Verlag, Neumünster, 1952) und durch die „Chronik von Bramstedt“ von Hans Hinrich Harbeck allen interessierten Kreisen hinreichend bekannt. Unbeantwortet aber blieb in beiden Schriften die Frage nach der Herkunft und nach dem Bildhauer, der das Kunstwerk schuf.

 Bei der im Frühjahr 1965 durchgeführten Restaurierung wurden am Objekt keinerlei Hinweise auf den Künstler, sei es auch nur in Form eines Initials oder Steinmetzzeichens, gefunden. Die am Piedestal befindliche Schrift sagt nur aus, daß der Steinmetzmeister Klimesch 1827 den Roland renoviert hat. So ist man bei der Suche nach dem Schöpfer dieses Standbildes mehr oder weniger auf Vermutungen angewiesen.

 Das Material des Bramstedter Rolands ist Obernkirchener Sandstein. Der Bruch dieses Steines liegt, wie sein Name sagt, bei Obernkirchen, in der Grafschaft Schaumburg, in den Bückebergen zwischen Stadthagen und Rinteln. Der Stein zeichnet sich durch seine große Härte, sein feines Korn und seine außerordentliche Wetterbeständigkeit aus. Aus diesem Grunde ist er ein bevorzugtes Bildhauermaterial bis heute geblieben.

 Der Stein ist eine Bildung der Wealdenzeit (Kreidezeit). Schon im 11. Jahrhundert wurde Material aus den noch heute bestehenden Brüchen zum Bau der stattlichen Stiftskirche in Obernkirchen selbst verwendet. Von seiner Bruchstelle wurde der Stein mit Lastwagen nach Rinteln gebracht, dort aufs Schiff geladen und die Weser abwärts befördert. Hierfür dienten besondere Lastkähne, die man „Eken“ nannte.

 Die alten Grabdenkmäler des Barocks und der Hochrenaissance, wie wir sie vornehmlich und bestens erhalten in den Elbmarschen, der Wilster- und Krempermarsch besonders, finden, sind fast ausnahmslos aus Obernkirchener Sandstein gefertigt. 20 alte Grabdenkmäler, die alle der Form, des Materials und dem Aussehen nach sich mit den alten Denkmälern der Elbmarschen vergleichen lassen, fand man in einem versandeten Flußbett der Weser bei Döverden in einem untergegangenen Lastkahn, Man mag daraus den Schluß ziehen, daß für Steinmetz- und Bildhauerarbeiten eine Werkstatt an zentraler Stelle lag.

 Der größte Teil des in Obernkirchen gewonnenen Steinmaterials wurde auf der Weser nach Bremen befördert. In Bremen lagerte der Bruchstein an ganz bestimmten Stellen. Zuerst war es der Ziegelwerder, von 1654 an der Teerhof. Durch seine günstige Lage konnte Bremen den Handel mit dem Obernkirchener Stein fest an sich ziehen. Später gingen die ganzen Brüche in Obernkirchen in den Besitz der Bremer Bank über. Die große Bedeutung Bremens für den Obernkirchener Sandstein durch seine Lagerung, den Handel und die großen den Stein verarbeitenden Steinmetzwerkstätten führten dazu, daß man bis auf den heutigen Tag vom „Bremer Sandstein“ spricht.

 Von Bremen ging das Gestein als Rohmaterial und als Fertigarbeit hinaus in den ganzen Küstenstreifen der Nordsee , selbst bis nach Norwegen. Wir bewundern noch heute die herrlichen alten Grabdenkmäler auf den nordfriesischen Inseln, in Nebel, Nieblum, Wyk auf Föhr, in Eiderstedt, Norderdithmarschen (Lunden) u. a. Weiter fand der Stein seinen Weg flußaufwärts, die Elbe und ihre Nebenflüsse hinauf. So wird auch der Roland von Bad Bramstedt seinen Weg von der Weser über Stör und Bramau nach Bad Bramstedt gefunden haben. Offen bleibt die Frage, ob als Rohstein oder als Fertigarbeit. Es ist bekannt, daß neben Bremen auch in Obernkirchen eine hochstehende Steinmetzzunft bestand, die aber ausschließlich nur für die sogenannte Weserrenaissance im Gebiet um Obernkirchen arbeitete. Am bekanntesten sind jedoch die Werke der Bremer Bildhauer, die bezüglich des Obernkirchener Sandsteins eine monopolähnliche Stellung einnahmen. Es ist daher mit Sicherheit anzunehmen, daß die Bremer ihren Vorteil gegenüber Hamburg zu nützen wußten. Dafür sprechen auch die durch den Transport bedingten Gründe. Der fertige Roland war wesentlich leichter als der unbehauene Rohstein.

 Am geringsten wahrscheinlich erscheint es, daß umherziehende oder einheimische Bildhauer die Arbeit am Roland ausgeführt haben. Wohl wissen wir, daß mancher Grabstein der Wilster Marsch durch wandernde Steinmetzen und Bildhauer, die sich bei einem Bauern für einige Zeit einquartierten, gegen Kost und geringen Lohn, Bildhauerarbeiten, und schon zu Lebzeiten der Auftraggeber auch Grabdenkmäler ausführten.

 Bei der Abwägung aller Fakten, die die eine oder die andere Vermutung bestätigen könnte, darf nicht der Umstand vergessen werden, daß nach dem Bericht des dänischen Reisenden A. Trogillus Arnkiel, der steinerne Roland von 1693 mit dem Vorgänger aus Holz große Ähnlichkeit hatte. Weiter erscheint es als erwähnenswert, daß bestimmte Stilelemente an der Figur des Rolands auf eine frühere Zeit als 1693 hinweisen. Man ist geneigt daraus zu schließen, daß entweder der steinerne Roland ein ungefähres Abbild seines hölzernen Vorgängers war, oder daß der Bildhauer wesentliche Stilelemente mit übernommen hat.

 Nachdem jetzt bei der Restaurierung der Roland von der schädlichen dicken und zusammengetrockneten Leinölfarbe befreit worden ist, treten die einem Bildhauer charakteristischen, manuellen Feinheiten wieder zutage. Hier zeigt sich ein weiterer Weg, wie man durch Vergleiche bestimmter, nur einem Bildhauer zuzuordnende Merkmale, Rückschlüsse auf den Namen eines bestimmten Künstlers ziehen kann. Hier bietet sich für Kunstgeschichtler und Kenner der Werke der am Ende des 17. Jahrhunderts tätigen norddeutschen Bildhauer eine reizvolle Aufgabe. Eine Aufgabe, die meines Erachtens nach den vorstehend gegebenen Hinweisen sich lösen lassen müßte.

Die Restaurierung 1965

Auf dem Sockel des steinernen Rolands im 18. Jahrhundert stand geschrieben:

ANNO 1693
MIT
KÖNIL. AL
LER HÖCHSTER
APPROBATION
NEUERRICHTET
UND A. D. 1748
RENOVIERET

Die erste uns bekannte Renovierung von 1748 wird ganz ohne Zweifel darin bestanden haben, daß man dem Roland einen neuen Farbanstrich gab, sowie den vorher sicher naturfarbenen Sockel, der damaligen Mode entsprechend, mit Ölfarbe „marmorierte“. Dieser Ölfarbanstrich wird einige Jahrzehnte später den Sockel aus Sandstein so stark zerstört haben, daß man ihn 1895 durch einen solchen aus schlesischem Granit ersetzen mußte.

 Die 1827 von dem Steinmetzmeister Klimesch durchgeführte Wiederherstellung des Rolands nach seinem Sturz 1814 war für diesen nach den erheblichen Schäden eine schwer zu lösende Aufgabe, die Klimesch mit großem Können und sehr gutem statischem Gefühl gemeistert hat. Im Grunde hat Klimesch daßelbe gemacht, was heute wiederholt wird, nur mit dem Unterschied, daß uns andere und bessere Werkstoffe sowie einwandfreie rechnerische Unterlagen der Statik zur Verfügung stehen.

 Die jetzt vorgenommenen Restaurierungen wurden nur erforderlich, weil 1827 noch keine rostfreien Werkstoffe mit solchen Biegezugfestigkeiten zur Verfügung standen, wie sie heute durch den rostfreien Chrom-Nickel-Stahl für den Restaurator gegeben sind.

 Klimesch hat die erforderlichen schmiedeeisernen Anker, die er brauchte, um die zum Teil mehrfach gebrochenen Standbeine wieder zusammenzusetzen, so bemessen und geformt, daß sie einer statischen Nachprüfung absolut gerecht wurden. Durch Ausstemmen der Zwischenräume zwischen Eisen und Stein mit Blei wurde nicht nur das Eisen über 100 Jahre hinreichend vor Rost geschützt, sondern auch auftretende Spannungen, die durch die verschiedenen Ausdehnungsköffizienten von Eisen und Stein entstanden, wirksam aufgefangen. Für die damalige Zeit eine Leistung, die uns heute noch Bewunderung abzwingt.

 Die sich im Laufe der letzten Jahre zeigenden Risse und Absprengungen an beiden Beinen war allein durch Rostbildung an den von Blei ungeschützten Teilen der Halteanker hervorgerufen. Etwas unfachmännisch müssen vor wenigen Jahrzehnten die ersten Risse mit Zement „ausgeschmiert“ worden sein. Eine Schädigung durch Erschütterungen, hervorgerufen durch den vorbeifließenden Kraftwagenverkehr, sind nicht anzunehmen.

 In die durch Rost entstandenen Risse drang Wasser ein, das im Winter gefror und durch Eissprengung die Zerstörung der Beine noch verstärkte. Das rechte Standbein besaß bei genauer Untersuchung kein festes, zusammenhängendes Steinmaterial mehr. Wade und Schienbein fielen nach Beklopfen mit einem Hammerstiel vom Eisenanker ab.

 Nur wenig günstiger war die Situation beim linken Standbein, das nur einmal im Fußgelenk gebrochen war, aber durch Absprengungen auch schon stark gelitten hatte.

 Man glaubte daher, daß man aus Gründen der Standsicherheit beide Beine mit dem herrlich gearbeiteten Schild „amputieren“ müßte, und durch Ansetzen von völlig neuen Beinen und einem neuen Schild den Roland im wahren Sinne des Wortes auf neue, junge Beine stellen müßte.

 Alle verantwortlichen Herren, eingeschlossen die Herren der mit der Wiederherstellung beauftragten Firma, Fritz Kolbe, Itzehoe, empfanden diese Lösung als unbefriedigend und nicht wünschenswert.

Vorstand der Bramstedter Fleckensgilde besucht Fa. Kolbe während der Restaurierung des Rolands

Vorstand der Bramstedter Fleckensgilde besucht Fa. Kolbe während der Restaurierung des Rolands

 Es galt daher völlig neue Wege zu beschreiten, mit Mitteln, die in Schleswig-Holstein bisher noch unbekannt waren , die aber im westdeutschen und süddeutschen Raum sich bei Restaurierungen hervorragend bewährt haben und die sowohl allen ästhetischen, als auch statischen Anforderungen in jeder Weise entsprachen.

 Es handelt sich hier um ein Silikat, das in seiner Farbe und Zusammensetzung dem Obernkirchener Material so ähnlich ist, daß es neben gleichem Aussehen auch gleiche Eigenschaften annimmt. Mit Hilfe dieser neuen und etwas schwierigen Technik wurde es möglich, sämtliche alten vorhandenen ursprünglichen Teile wieder zu verwenden und nicht nur alle Schäden zu beseitigen, sondern selbst einige Korrekturen, soweit notwendig oder wünschenswert, vorzunehmen.

 Sämtliche schmiedeeisernen Anker wurden sehr sorgfältig herausgenommen und durch nichtrostende Anker aus hochwertigem Stahl ersetzt.

 Die Schönheit des Obernkirchener Sandsteins sollte es verbieten, daß der Roland wie früher, und wie von einigen älteren Einwohnern Bad Bramstedts vielleicht gewünscht, wieder bunt angestrichen wird.

 Nach der Wiederherstellung werden keine Kittstellen sichtbar sein, wie vor 100 Jahren, als man noch zum Kitten ein Gemisch aus Gips, Kalk und Sand nahm. Diese weißen und häßlichen Kittstellen mußte man schon aus Gründen der Ästhetik, aber auch zum Schutz vor Verwitterung mit Farbe streichen.

 Da auch die Stahlstützen und Anker im Gegensatz zu früher nicht mehr sichtbar sind, mag man mit Recht behaupten, daß der Roland von Bad Bramstedt in einer Jungmühle war.

 So wurde jetzt für viele Jahrzehnte, wenn nicht für Jahrhunderte, die Voraussetzung geschaffen für den Vers:

So lang de Wind weiht,
Und de Hahn kreiht
Sall um den Roland danzt warn
Wenn de Sünn ünnergeiht.

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