Breßlein / Benthe: Bevölkerungsentwicklung der Stadt Bad Bramstedt

Abdruck mit freundlicher Zustimmung von Herrn Dr. Ulrich March

RENATE BENTHE/ SUSANN BRESSLEIN

DIE BEVÖLKERUNGSSTRUKTUR BAD BRAMSTEDTS

SCHRIFTENREIHE

DER JÜRGEN – FUHLENDORF – SCHULE

Herausgegeben von H. F. Benthe und U. March

HEFT 1

Bad Bramstedt 1975

Susann Breßlein, Die Bevölkerungsentwicklung
Bad Bramstedts seit 1965 S. 7

Renate Benthe, Der Gastarbeiteranteil der
Bramstedter Bevölkerung . . S. 19

Herstellung: Druckerei und Verlag H. Sönksen, Plön


Drei Jahre nach Einführung der Studienstufe tritt die Jürgen-Fuhlendorf-Schule mit einer Schriftenreihe an die Öffentlichkeit, in deren Rahmen künftig in erster Linie bemerkenswerte Schülerarbeiten, aber auch wissenschaftliche Veröffentlichungen von Lehrern erscheinen sollen. Wenngleich ein abschließendes Urteil über Vorzüge und Schwächen des Kurssystems gegenüber dem traditionellen Klassensystem zur Zeit noch nicht möglich ist, so läßt sich doch schon erkennen, daß die Arbeitsformen der Studienstufe – so etwa die Leistungs – und Fachkurse oder die Facharbeiten in den Leistungsfächern – in besonderem Maße geeignet sind, fachlich interessierte und befähigte Schüler von der Sache her zu besonderen Leistungen zu motivieren. Auf diese Weise sind in den letzten Jahren einige Arbeiten entstanden, die insofern wissenschaftlichen Ansprüchen genügen, als sie einen – wenn auch begrenzten und den Bemühungen des Schülers zugänglichen – Gegenstand, ‚der bisher nicht oder nicht abschließend bearbeitet worden ist, methodisch sauber analysieren und sprachlich angemessen ‚darstellen. Solche Arbeiten, die gewiß auch in Zukunft an der Jürgen – Fuhlendorf – Schule entstehen werden, der interessierten schulischen und außerschulischen Öffentlichkeit zugänglich zu machen und dem angehenden Forscher bereits in jungen Jahren die Möglichkeit zu bieten, eigene Arbeitsergebnisse zu publizieren, ist die Aufgabe dieser Schriftenreihe.

Professor Dr. H.F. Benthe Dr. U. March
Vorsitzender des Schulelternbeirats Oberstudiendirektor


Das vorliegende Heft, das mit dankenswerter Unterstützung der Stadt Bad Bramstedt, des Fördervereins der Jürgen-Fuhlendorf-Schule, der Commerzbank Bad Bramstedt und der Landkreditbank Bad Bramstedt erscheint, enthält je einen Aufsatz einer Obersekundanerin und einer Unterprimanerin des Schuljahres 1973/74. Die Arbeiten sind hervorgegangen aus einem Fachkurs Deutsch mit dem Thema „Einführung in das Pressewesen und in die Grundformen publizistischer Arbeit“, der von Februar bis Juni 1974 an der Jürgen-Fuhlendorf-Schule stattfand.

Die Bevölkerungsentwicklung Bad Bramstedts seit 1965

Von Susann Breßlein

Inhalt

        • Natürliche Bevölkerungsbewegung, Zu – und Abwanderung
        • Altersaufbau – Religionszugehörigkeit
        • Familienstruktur – Bildungsstand
        • Ergebnisse und Perspektiven
        • Verzeichnis der benutzten Quellen

1. Natürliche Bevölkerungsbewegung, Zu – und Abwanderung

Aus den vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Bevölkerungszahlen für das Jahr 1974 ergibt sich, daß im vorigen Jahr in der Bundesrepublik 724 881 Menschen starben, während nur 623 067 lebend geboren wurden. Seit es regelmäßige amtliche Bevölkerungszählungen gibt, seit 130 Jahren, ist dies das größte Geburtendefizit in Friedenszeiten. Die Geburtenrate, also die Zahl der Neugeborenen auf tausend Einwohner, hat mit 10,0 einen Tiefstand erreicht, der in der ganzen Welt einmalig ist (Frankreich: 16,4, Italien: 16,0, Schweden: 13,5; ‚Weltdurchschnitt: 35). Entsprechend dem Trend im Bundesgebiet ist auch in Bad Bramstedt seit Jahren eine stark rückläufige Geburtenentwicklung zu beobachten (vgl. Abb. 1). Aufgrund der besonderen Altersstruktur der Bevölkerung unserer Stadt (s, S, 12 ff.) überstieg hier bereits im Jahre 1970 die Zahl der Sterbe – fälle die der Geburten, während sich für die Bundesrepublik erstmals im Jahre 1972 ein Geburtendefizit ergab. Ein Unterschied zur allgemeinen Entwicklung besteht auch insofern, als in Bad Bramstedt im Jahre 1974 wieder ein leichter Anstieg der Geburtenzahl zu verzeichnen war. Da jedoch im gleichen Jahr die Zahl der Sterbefälle erheblich stärker anstieg, ist auch in Bad Bramstedt das Geburtendefizit im letzten Jahr noch größer geworden.

In sehr viel stärkerem Maße als durch die natürliche Bevölkerungsbewegung wurde und wird die demographische Entwicklung Bad Bramstedts durch Zu- und Abwanderung bestimmt. Sowohl die Zahl der Zuzüge als auch die der Wegzüge ist erstaunlich hoch (vgl. Abb. 2); die jährliche Fluktuationsrate liegt im Durchschnitt bei etwa 10 % der Ge –

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Abb. 1: Absolutzahl von Geburten und Sterbefällen innerhalb eines Jahres

Abb. 2: Zu - und Wegzüge innerhalb eines Jahres

Abb. 2: Zu – und Wegzüge innerhalb eines Jahres

Abb. 3 a, b: Prozentzahlen der Zu - und Wegzüge in den einzelnen Wirtschaftszweigen und Berufsgruppen

Abb. 3 a, b: Prozentzahlen der Zu – und Wegzüge in den einzelnen Wirtschaftszweigen und Berufsgruppen

Abb. 3 a, b: Prozentzahlen der Zu - und Wegzüge in den einzelnen Wirtschaftszweigen und Berufsgruppen

Abb. 3 a, b: Prozentzahlen der Zu – und Wegzüge in den einzelnen Wirtschaftszweigen und Berufsgruppen

Merkwürdigerweise rangiert das an sich große Freizeitangebot der Kurstadt Bad Bramstedt nicht in einer der vorderen Positionen (Punkt 4). Allem. Anschein nach ist es jedoch besser als in anderen Orten, denn diesen Punkt haben weniger Wegzügler als Zuzügler angegeben. Genau umgekehrt ist es bei den Verkehrsbedingungen (Punkt 3). Das Schimpfen der nichtmotorisierten Bürger über die schlechten Verbindungen mit öffentlichen Verkehrsmitteln – auch im Vergleich zu Kaltenkirchen – scheint also gerechtfertigt.

Ein großes Lob für Bad Bramstedt stellen die zu Punkt 5 geäußerten Motive dar. Nur sehr, sehr wenige gaben als Umzugsgrund bessere Bildungsmöglichkeiten am neuen Wohnort an – die Arbeit der Bramstedter Schulen und der Volkshochschule wird von der Bevölkerung offenbar positiv eingeschätzt.

Abb. 4: Gründe für vollzogenen Umzug

Abb. 4: Gründe für vollzogenen Umzug

Häufigkeit der Nennungen
1. allgemeine Gründe 8. bessere Wohnungen
2. ausschließlich persönlich – familiäre Gründe 9. berufliche Aufstiegsmöglichkeiten
3. bessere Verkehrsbedingungen 10. höherer Verdienst
4. bessere Freizeitmöglichkeiten 11. Ausscheiden aus der
Landwirtschaft
5. bessere Bildungsmöglichkeiten 12. allgemeiner Berufswechsel
6. kürzere Pendlerwege 13. Versetzung durch den Arbeitgeber
7. Schaffung von Eigentum 14. Antritt der ersten Arbeitsstelle

2. Altersaufbau – Religionszugehörigkeit

Die folgende Tabelle zeigt den Anteil der verschiedenen Altersgruppen an der Gesamtbevölkerung Bad Bramstedts, verglichen mit dem Bundesdurchschnitt der Städte entsprechender Größe:

Bundesrepublik

Bad Bramstedt

unter 15 Jahren

22,6 %

22,5 %

15 – 20 Jahre

9,0 %

8,0 %

21 – 54 Jahre

40,4 %

37,2 %

55 – 64 Jahre

15,6 %

15,6 %

über 64 Jahre

12,3 %

16,7%

Abb. 5 a, b: Altersstruktur Bad Bramstedts in Prozent - und absoluten Zahlen

Abb. 5 a, b: Altersstruktur Bad Bramstedts in Prozent – und absoluten Zahlen

Abb. 5 a, b: Altersstruktur Bad Bramstedts in Prozent – und absoluten Zahlen

Zwei Altersgruppen weichen in signifikanter Weise vom Bundesdurchschnitt ab:

Die Gruppe der 21 – bis 54jährigen, also die Hauptgruppe der Erwerbstätigen, ist in Bramstedt unterdurchschnittlich, die der Rentner (über 64 Jahre) hingegen überdurchschnittlich vertreten. Nicht zuletzt deshalb sind die Sterbequote und der Überschuß der Sterbefälle so hoch (vgl. Abb. 1). Bad Bramstedt wird also ganz offenkundig als Alterswohnsitz bevorzugt; mit seinem Kurgebiet, seiner Ruhe und seiner reinen Luft vermag es ja auch gerade älteren Leuten einiges zu bieten.

Auch bei der graphischen Darstellung der Altersstruktur (vgl. Abb. 5 a, b) fällt die starke Überalterung der Stadt sofort ins Auge. Den größten Teil der Bevölkerung nehmen die Kinder (0-15 Jahre) ein, dicht gefolgt von den Sechzehn- bis Dreißigjährigen. Der starke Männerüberschuß in dieser Rubrik ist höchstwahrscheinlich durch die Angehörigen des Bundesgrenzschutzes zu erklären. Die Sexualproportion der Einunddreißig – bis Fünfundvierzigjährigen ist etwa ausgeglichen, doch schon die nächst ältere Gruppe ist durch starken Frauenüberschuß gekennzeichnet, der auch in den nächsten Altersgruppen auftritt und bei den Rentnern das größte Ausmaß erreicht.

Abb. 6: Religionszugehörigkeit in Prozent der Gesamtbevölkerung zur Zeit der letzten Volkszählung (27. 5. 1970)

Abb. 6: Religionszugehörigkeit in Prozent der Gesamtbevölkerung zur Zeit der letzten Volkszählung (27. 5. 1970)

Wie überall in Schleswig – Holstein ist auch in Bad Bramstedt die übergroße Mehrheit der Bevölkerung evangelisch – lutherischer Konfession. Während früher überhaupt lediglich die beiden Gruppen der Lutheraner und der Katholiken statistisch von Belang waren, hat gerade in den letzten Jahren der Anteil der „Sonstigen“ zugenommen. Ob sich bei der nächsten Volkszählung ein verändertes Bild ergibt, bleibt abzuwarten.

3. Familienstruktur – Bildungsstand

Aus den Zahlen der Abb. 7 läßt sich die durchschnittliche Haushaltsgröße berechnen, die nicht vom Bundesdurchschnitt abweicht: Sie liegt bei 2,6 Personen pro Haushalt. Die starke Zahl der weiblichen Einpersonenhaushalte beruht wahrscheinlich darauf, daß es etwa 20 % verwitwete oder geschiedene Frauen in Bad Bramstedt gibt (vgl. Abb. 8). Ein weiteres Zeichen für die prekäre Alterssituation ist die hohe Zahl der Haushalte mit nur zwei Personen, also der Haushalte, in denen es keine Kinder gibt. 1022 von 2128 Mehrpersonenhaushalten sind ohne ledige Personen unter 18 Jahren; das ist fast die Hälfte aller Bramstedter Haushalte.

Pers. Abb. 7: Private Haushalte zur Zeit der Volkszählung (27. 5. 1970)

Pers. Abb. 7: Private Haushalte zur Zeit der Volkszählung (27. 5. 1970)

Abb. 8: Familienstand zur Zeit der Volkszählung in Prozent bezogen auf eine Zahl von 7929 = 100 % (27. 5. 1970)

Abb. 8: Familienstand zur Zeit der Volkszählung in Prozent bezogen auf eine Zahl von 7929 = 100 % (27. 5. 1970)

ist, wie bereits gesagt, der hohe Anteil an Witwen und Geschiedenen. Der sehr niedrige Anteil der männlichen Pendants fällt dabei deutlich aus dem Rahmen. Wie zu erwarten, liegen die Prozentzahlen der Verheirateten an der Spitze, jedoch nicht wesentlich über denen der Ledigen.

Abb. 9: Schulabschluß des Bevölkerungsanteils der über Vierzehnjährigen (27. 5. 1970) 5978 = 100 %

Abb. 9: Schulabschluß des Bevölkerungsanteils der über Vierzehnjährigen (27. 5. 1970) 5978 = 100 %

Der überwiegende Teil der Bevölkerung Bad Bramstedts hat lediglich Volksschulbildung; bei den Frauen sind es sogar über Dreiviertel. Nur sehr wenige Bürger haben eine Schulbildung, die über die Obersekundareife und das Abitur hinausgeht. Während es bei den Männern noch etwa 20 % sind, sind es bei den Frauen nicht ganz 10 %. Auch hier dürften sich jedoch die Prozentzahlen gerade in den letzten Jahren merklich verschoben haben.

4. Ergebnisse und Perspektiven

Zusammenfassend kann man sagen, daß das Wachstum Bad Bramstedts in letzter Zeit mehr durch Zuzüge als durch Geburten zustandekam. Aus dem Geburtenüberschuß wurde bereits 1970 ein Sterbeüberschuß – ein Wandel, der wesentlich durch die Alterssituation bedingt ist. Die jährliche Fluktuationsquote – der Anteil der Ab- und Zuwanderer an der Gesamtbevölkerung – liegt mit etwa zehn Prozent erstaunlich hoch. Im übrigen ist die gegenwärtige Bevölkerungsstruktur der Stadt durch folgende Merkmale gekennzeichnet:

1. Bad Bramstedt ist überaltert.

2. Die meisten Bürger gehören – wie allgemein in Schleswig – Holstein – der evangelischen Kirche an.

3. Die Durchschnittsgröße der Haushalte beträgt ca. 2,6 Personen pro Haushalt.

4. Es gibt nur wenig mehr Verheiratete als Ledige.

5. Die weitaus meisten Bramstedter haben keine weiterführenden Schulen besucht.

Stellt man abschließend die gewonnenen Ergebnisse in einen größeren Zusammenhang, so zeigt zunächst ein Blick auf die langfristige Bevölkerungsentwicklung (vgl. Abb. 10), daß die Einwohnerzahl Bad Bramstedts erst in den letzten dreißig Jahren eine Höhe erreicht hat, die mit der gegenwärtigen vergleichbar ist. Der steile Anstieg nach dem Zweiten Weltkrieg ist auf die Flüchtlingsbewegung aus Ostdeutschland, das zeitweilige Stagnieren auf die Umsiedlungen in andere Bundesländer, der neuerliche Anstieg in den sechziger Jahren auf die Verlegung des Bundesgrenzschutzkommandos „Küste“ nach Bad Bramstedt zurückzuführen. In den frühen siebziger Jahren wurden zudem ungewöhnlich viele neue Wohnungen bezugsfertig.

Lassen diese Beobachtungen einen vorsichtigen Rückschluß auf die zukünftige Entwicklung zu? Geht man davon aus, daß in der Vergangenheit vor allem außergewöhnliche Ereignisse einen starken Bevölkerungszuwachs hervorgerufen haben, so kommt dem Projekt des Großflughafens Kaltenkirchen zweifellos besondere Bedeutung für die künftige Bevölkerungsentwicklung Bad Bramstedts zu. Wird der Flughafen gebaut, so dürfte die Einwohnerzahl der Stadt erneut stark ansteigen – wie 1945 infolge der Flüchtlingsbewegung, wie 1964 aufgrund der Ansiedlung von Angehörigen des Bundesgrenzschutzes. Im übrigen wird die Bevölkerungsentwicklung von der wohl auch in nächster Zukunft positiven Wanderungsbilanz und von der natürlichen Bevölkerungsbewegung abhängen. Erweist sich das gegenwärtige Geburtentief als vorübergehend – es gibt gewisse Gründe für diese Annahme – so dürfte Bad Bramstedt demnächst auch wieder auf natürliche Weise wachsen. Ob die langfristige Perspektive unserer Stadtväter, die für 1985 mit 14 000 – 15 000 Einwohnern rechnen, richtig ist, wird erst die Zukunft erweisen.

Abb. 10: Bevölkerungsentwicklung der letzten hundert Jahre in absoluten Zahlen

Abb. 10: Bevölkerungsentwicklung der letzten hundert Jahre in absoluten Zahlen

5. Verzeichnis der benutzten Quellen

Stadtentwicklungs – und Flächennutzungsplan Bad Bramstedt, erstellt von der WIBERA

Untersuchungen über die Grundlagen für einen Stadtentwicklungsplan Bad Bramstedt, von Gerhard Binzus, Arbeitsgemeinschaft Stadtentwicklung des Ortsvereins der SPD, Bad Bramstedt 1970

Gemeindeblatt 01 060 004 der Volkszählung des Jahres 1970

Statistiken des Einwohnermeldeamtes Bad Bramstedt


Der Gastarbeiteranteil der Bramstedter Bevölkerung

Von Renate B e n t h e

Inhalt

      • Die Gastarbeiter als neue Bevölkerungsgruppe
      • Berufstätigkeit und Altersstruktur
      • Wohnverhältnisse
      • Haushaltsgröße – Schulbesuch der Kinder
      • Zusammenfassung

1. Die Gastarbeiter als neue Bevölkerungsgruppe

Unsere mittlerweile fast 10 000 Einwohner zählende Stadt Bad Bramstedt bot vor etwa 10 bis 12 Jahren noch das typische Bild einer holsteinischen Kleinstadtgemeinde, geprägt durch landwirtschaftliche Anwesen, Weiden und Wiesen. Die Industrie und die mit ihr verknüpften Bevölkerungsgruppen standen noch ziemlich im Hintergrund.

Die Farben dieses Bildes haben sich im Laufe der letzten Jahre grundlegend geändert. Die alteingesessenen Bad Bramstedter sahen sich einer immer stärker anschwellenden Flut von „Fremden“ gegenübergestellt, verschiedenartigen Gruppen von Menschen, die Bad Bramstedt – aus welchen Gründen auch immer – als zukünftigen Wohnort und Arbeitsplatz ausgewählt hatten.

Unter diesen Neuhinzugezogenen befand sich eine Minderheit, die in nicht geringem Maße zur Veränderung der Bad Bramstedter Bevölkerungsstruktur beigetragen hat und der deshalb auch eine gewisse Aufmerksamkeit gewidmet werden muß: die Gastarbeiter, die zum größten Teil in der Industrie beschäftigt sind.

Bad Bramstedt ist also keineswegs nur ein in die „Ruhe großer Wälder und weiter Wiesen eingebettetes Heilbad“ , sondern eine ständig wachsende Kleinstadt, in der die Industrie keine geringe Rolle mehr spielt. Diese Tatsache ist allein schon durch die verhältnismäßig hohe Anzahl der ausländischen Arbeitnehmer bewiesen.

Da 80 % der Ausländer in der Fisch – und Fleischindustrie und im Hotelgewerbe beschäftigte Türken, Griechen und Jugoslawen sind, bezieht sich die Dokumentation vorwiegend auf diese Gruppen. Aufgrund der wesentlich geringeren Anzahl und mangelnder für eine solche Untersuchung notwendiger Unterlagen sind die Gastarbeiter der übrigen Nationen im Folgenden lediglich bei den Statistiken berücksichtigt. Insgesamt sind derzeit 477 ausländische Arbeiter in Bad Bramstedt gemeldet, darunter 237 Frauen (Stand: Juni 1974). Sie stammen aus folgenden Herkunftsländern:

Ägypten

4

Jugoslawien

44

Arhgentinien

1

Kanada

1

Belgien

1

Nigeria

6

Bolivien

1

Norwegen

1

Brasilien

1

Österreich

13

Chile

1

Pakistan

1

Dänemark

11

El Salvador

1

Finnland

3

Schweden

3

Frankreich

1

Schweiz

4

Großbritannien

3

Spanien

16

Griechenland

45

Türkei

286

Holland

11

Tunesien

1

Irland

2

USA

6

Italien

6

staatenlos

3

Bei weitem am stärksten vertreten sind somit die Türken (60%), gefolgt von Griechen und Jugoslawen (je 10 %).

2. Berufstätigkeit und Altersstruktur

Die ersten ausländischen Industriearbeiter kamen etwa in den Jahren 1962 – 1964 nach Bad Bramstedt. Ihre Zahl stieg im Laufe der vergangenen Jahre mit dem Anwachsen der Industrie und der Erweiterung von Betrieben . Die hierfür repräsentativsten Beispiele sind die Firmen Kelle und „Nordfleisch“, die den größten Teil der in Bad Bramstedt lebenden Gastarbeiter beschäftigen.

Die Kelle – Betriebe, die 1962/63 die ersten ausländischen Arbeiter unter Vertrag nahmen, achteten stets darauf, daß ihre Anzahl auf die Betriebsgröße zugeschnitten blieb. So beschäftigte man im Jahre 1963 etwa 20 Ausländer; mit der Erweiterung der Firma wurden dann zunehmend mehr Gastarbeiter eingestellt – eine Entwicklung, die zwischen 1969 und 1973 ihren Höhepunkt erreichte. Die Zahl der Ausländer, die vorwiegend aus der Türkei, aus Griechenland und aus Jugoslawien stammten, betrug zu der Zeit 120. Gegenwärtig arbeiten in den Kelle – Betrieben 107 Ausländer; die Reduzierung der Zahl läßt sich damit erklären, daß einige von ihnen den Arbeitsplatz wechselten oder auch nach einem mehrjährigen Aufenthalt in Deutschland wieder in ihr Herkunftsland zurückkehrten.

Von den 107 in den Kelle – Betrieben arbeitenden Ausländern sind

            • 72 % Türken
            • 20 % Griechen
            • 13 % Jugoslawen
            • 2 % Spanier.

Die Mehrheit der Ausländer ist recht jung; das Durchschnittsalter beträgt etwa 25 bis 30 Jahre. Zu bemerken wäre außerdem noch, daß über 70 % der ausländischen Arbeiter weiblich sind.

Ursprünglich kamen die Arbeiter ohne Angehörige nach Bad Bramstedt, um mit dem im Verhältnis zu Griechenland oder zur Türkei hier hohen Verdienst die zu Hause gebliebene Familie zu unterstützen und deren Lebensstandard zu erhöhen. Die einzelnen Arbeiter (meist Mutter oder Vater der Familie) waren in Wohnheimen untergebracht, die von der Firma für sie zur Verfügung gestellt wurden. Das hat sich im Laufe der letzten Jahre insofern geändert, als der Trend zur Familienzusammenführung einsetzte. Zuerst kam der Ehemann beziehungsweise die Ehefrau des in der Fischindustrie beschäftigten Familienteils, um ebenfalls eine Arbeit in der Fabrik zu erhalten. Später wurden dann die Kinder nachgeholt, so daß sich die Familie oft endgültig oder zumindest für längere Zeit als vorgesehen in Bad Bramstedt ansiedelte. Die meisten der bei Kelle beschäftigten Ausländer sind – je nach Herkunftsland – untereinander verwandt, die herangewachsenen Kinder arbeiten ebenfalls in der Fabrik, so daß häufig dadurch die Möglichkeit gegeben ist, sich für längere Zeit unter Vertrag nehmen zu lassen. (Zur Zeit allerdings dauert der Ende November 1973 angeordnete Anwerbestop noch an.) Während der letzten Jahre sind die Löhne um 80 bis 100 % gestiegen, der Durchschnittsstundenlohn liegt augenblicklich bei 6, – DM für Männer und 6,50 DM für Frauen, die vorwiegend Akkordarbeit verrichten.

Ein Mitarbeiter der Kelle – Betriebe berichtet: „Wenn man die Gesamtheit der ausländischen Arbeitnehmer betrachtet, so kann man sagen, daß ihr Interesse für die Firma selbst gering ist. Ihr einziges Verlangen besteht darin, möglichst viel Geld zu verdienen, um arbeitsunfähige oder arbeitslose Angehörige zu Hause zu unterstützen. In der Regel sind die Ausländer bessere Akkord – Arbeiter als die Einheimischen. Unannehmlichkeiten, die – laut allgemein verbreiteter Ansicht – Ausländer angeblich den Firmen bereiten sollen, haben wir nicht. Die meisten konnten sich im Laufe kürzerer oder längerer Zeit gut in das Betriebsleben einfügen.“ Jedoch bilden die vorwiegend türkischen, griechischen und jugoslawischen Arbeiter der Firma – abgesehen von einigen wenigen, die schon zehn Jahre und länger hier sind – infolge der schwer zu überwindenden Sprachbarriere in sich geschlossene Minderheiten. Nur wenige sprechen ausreichend Deutsch, um mit den im Betrieb arbeitenden Einheimischen näher in Kontakt kommen zu können.

Die Anzahl der bei „Nordfleisch“ beschäftigten Ausländer ist – nach größerem Zustrom 1969 – seit 1971 etwa gleich geblieben. Es handelt sich um 39 Türken, 19 Jugoslawen, 9 Spanier, 2 Griechen und 1 Tunesier. Von den Beschäftigten sind 52 männlich und 17 weiblich; das Durchschnittsalter beträgt 32 Jahre.

Es werden überwiegend Facharbeiter beschäftigt, von denen ein großer Teil als ungelernte Kräfte bereits vor zehn Jahren zunächst für ein Jahr unter Vertrag genommen wurde und sich im Laufe der Zeit spezialisierte. Infolge des verhältnismäßig langen Aufenthaltes in Bad Bramstedt sind kaum Sprachschwierigkeiten vorhanden. 90 % der Arbeiter haben ihre Familien hier und leben in der Stadt.

Außer bei den beiden genannten Betrieben werden ausländische Arbeiter noch in nennenswertem Umfang beschäftigt beim Köhlerhof (14 Türken), beim Kurhaus (12 Arbeitnehmer unterschiedlicher Nationalität), bei der Firma Stich & Co. (6 Türken und Jugoslawen), beim Hotel Panorama (5 Jugoslawen) und bei der Firma Westedt (4 Türken). Beim Vergleich der beiden Großbetriebe, die ‚die meisten Gastarbeiter beschäftigen, fällt zunächst auf, daß der sehr unterschiedliche Anteil männlicher und weiblicher Arbeiter mit den verschiedenen Arbeitsaugaben zusammenhängt: „Nordfleisch“ als Großschlachthof beschäftigt zu 75 % männliche Gastarbeiter , die Kelle – Betriebe, ein Fischverarbeitungsunternehmen, dagegen zu 70 % weibliche Gastarbeiter. Interessanterweise ist nur die türkische Nationalität in beiden Betrieben vertreten. Demgegenüber ist Griechenland in einem ausgesprochen männlichen Arbeiterbetrieb praktisch nicht vertreten, bei vorwiegend weiblichen Arbeitnehmern steht es an zweiter Stelle. Das Fehlen männlicher griechischer Arbeiter wird kompensiert durch einen höheren Anteil von Jugoslawen und Spaniern.

Der Anteil der einzelnen Altersklassen in der einheimischen Bevölkerung und in der Gastarbeiterbevölkerung ist unterschiedlich. Dem höheren Anteil der Ausländer bei den Altersklassen der Fünfzehn – bis Zwanzigjährigen und der Zwanzig – bis Fünfundvierzigjährigen stehen deutlich geringere Anteile bei der älteren Bevölkerung gegenüber. Auffallend ist jedoch, daß der Anteil der Kinder und Jugendlichen bei Einheimischen und Ausländern gleich ist; die Altersstruktur der Ausländer gleicht sich somit „von unten her“ den Verhältnissen der .einheimischen Bevölkerung an. Bei gleichbleibend guter Beschäftigungslage für Ausländer dürfte es infolgedessen nur eine Frage der Zeit sein, bis sich die Alterskurven beider Bevölkerungsanteile weiter angeglichen haben.

Abb. 11: Die Arbeitsplätze der Ausländer 1. Kelle – Betriebe 2. Firma Westedt 3. Nordfleisch 4. Verschiedene Betriebe der Innenstadt (vereinzelte ausländische Arbeiter) 5. Firma Stich & Co. 6. Kelle - Betriebe 7. Hotel Köhlerhof 8. Hotel Panorama 9. Kurhaus

Abb. 11: Die Arbeitsplätze der Ausländer
1. Kelle – Betriebe
2. Firma Westedt
3. Nordfleisch
4. Verschiedene Betriebe der Innenstadt (vereinzelte ausländische Arbeiter)
5. Firma Stich & Co.
6. Kelle – Betriebe
7. Hotel Köhlerhof
8. Hotel Panorama
9. Kurhaus

Abb. 12: Prozentualer Vergleich der Altersklassen einheimischer und ausländischer Arbeiter bezogen auf 4255 Einheimische und 477 Gastarbeiter

Abb. 12: Prozentualer Vergleich der Altersklassen einheimischer und ausländischer Arbeiter bezogen auf 4255 Einheimische und 477 Gastarbeiter

3. Wohnverhältnisse

Die meisten der bei Kelle beschäftigten türkischen Gastarbeiterfamilien leben in mehreren Altbauwohnheimen in unmittelbarer Nähe des Betriebes. Es ist die einzige gettoartige Siedlung einer größeren Anzahl ausländischer Arbeitnehmer in Bad Bramstedt. In einem der Gebäude sind auf verhältnismäßig engem Raum zehn Familien mit durchschnittlich zwei bis drei Kindern untergebracht. Gekocht wird für alle Personen in einer Gemeinschaftsküche im Erdgeschoß; die Miete beträgt je Familie 200 DM. Die hier lebenden Türken bilden – wie auch an ihren Arbeitsplätzen innerhalb der Firma – eine in sich geschlossene Minderheit, die kaum mit der einheimischen Bevölkerung in Kontakt steht und deren Deutschkenntnisse gering sind. Eine Ausnahme bilden die Kinder, die, bedingt durch Schulbesuch, Mitgliedschaft in Sportvereinen und wegen der relativ geringeren Sprachschwierigkeiten eher integriert sind. Ein kleiner Teil der Familien lebt in einem von der Firma errichteten Neubaumietshaus im Gewerbegebiet.

Abb. 13: Die Wohnungen der Gastarbeiter (vereinfachte Darstellung, bezogen auf den türkischen und griechischen Bevölkerungsanteil)

Abb. 13: Die Wohnungen der Gastarbeiter (vereinfachte Darstellung, bezogen auf den türkischen und griechischen Bevölkerungsanteil)

Die übrigen bei Kelle und Nordfleisch beschäftigten türkischen, griechischen und jugoslawischen Industriearbeiter bewohnen nicht zu den Firmen zugehörige Altbauten in der Innenstadt, Neubaumietshäuser am Bissenmoorweg oder leben zur Untermiete bei Privatleuten. Einige wenige Familien, die in der Regel schon acht Jahre oder länger in Bad Bramstedt sind und die voraussichtlich für längere Zeit hierbleiben werden, haben sich ein kleines Haus gemietet oder gekauft (keine Neubauten).

 

Hinzuzufügen wäre noch, daß bei den griechischen und jugoslawischen Gastarbeitern keine Schwerpunkte in bezug auf eine geschlossene Ansiedlung, wie es bei den Türken der Fall ist, zu verzeichnen sind.

4. Haushaltsgröße, Schulbesuch der Kinder

Was den Familienstand der ausländischen Arbeitnehmer angeht, so sind von 477 Personen 174 ledig; das entspricht einem Anteil von etwa einem Drittel. Außerdem gibt es 35 kinderlose Ehepaare und 57 Familien mit Kindern. Schlüsselt man die Familien nach Kinderzahlen auf, so ergibt sich folgendes Bild:

  • Familien mit 1 Kind 22
  • Familien mit 2 Kind er 19
  • Familien mit 3 Kind er 9
  • Familien mit 4 Kinder 4
  • Familien mit 5 Kinder 2
  • Familien mit 6 Kind er 1
  • Familien mit mehr als 6 Kinder keine

Bei der statistischen Auswertung dieser Zahlen zeigt sich, daß die durchschnittliche Haushaltsgröße im Gastarbeiter-Kollektiv 1,8 Personen umfaßt. Sie ist damit erheblich kleiner als die der einheimischen Bevölkerung (2,6 Personen).

Noch auffälligere Unterschiede zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen ergeben sich hinsichtlich des Schulbesuchs der Kinder. Unter der Schülerschaft des Gymnasiums und der Realschule sind Ausländerkinder nur zu einem ganz unerheblichen Anteil (vertreten (1 beziehungsweise 2 Schüler), doch auch die Hauptschule wird bei weitem nicht von allen Kindern der entsprechenden Altersgruppen besucht. Besonders die Mädchen werden im allgemeinen von ihren Eltern nicht zur Schule geschickt; unter den sechzehn Gastarbeiterkindern der Hauptschule Bad Bramstedts sind nur zwei Mädchen. Der Nationalität nach sind es dreizehn Türken, ein Spanier und ein Jugoslawe.

Alle ausländischen Schüler sind älter als der Klassendurchschnitt und haben zum Teil beträchtliche Schwierigkeiten bei der Anwendung der deutschen Sprache. Aus diesem Grund besuchen die Kinder der Gastarbeiter die Schule in der Regel auch erst nach etwa ein – bis zweijährigem Aufenthalt in Deutschland, nachdem sie sich in sprachlicher Hinsicht etwas eingewöhnt haben.

5. Zusammenfassung

Im Jahre 1974 waren in Bad Bramstedt 477 Ausländer registriert. Damit machte der Ausländeranteil ca. 5 % der Gesamtbevölkerung aus. Im wesentlichen teilen sich die Gastarbeiter auf zwei Großbetriebe auf, wobei der Betrieb mit vorwiegend männlichen Arbeitnehmern (Nordfleisch) überwiegend Türken beschäftigt und kaum Griechen, während in dem Betrieb mit weiblichen Arbeitnehmern (Kelle-Betriebe) die griechische Nationalität sehr stark vertreten ist.

Die durchschnittliche Familiengröße der Gastarbeiterhaushalte liegt mit 1,8 Personen deutlich unter der Haushaltsgröße der einheimischen Bevölkerung (2,6 Personen).

Die Altersstruktur des Gastarbeiteranteils ist in den Altersklassen 0 – 44 Jahren sehr ähnlich der der Bramstedter Bevölkerung. Erst in den Altersklassen über 45 Jahren ist die Repräsentation der Ausländer erheblich schwächer. Es bleibt zu erwarten, daß sich bei gleichbleibender Konjunktur eine weitere Angleichung der Altersstruktur entwickelt.

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