Böje / Schinz: Weltuntergang 1945

Erinnerungen vorgetragen im “Club Alter Bramstedter”

Weltuntergang 31.05.1945

von Lisa Böje (Schinz)

(dazu auch: Artikel in der Segeberger Zeitung 7.5.2005)

Das Lied sagt: Am 30. Mai ist der Weltuntergang; aber bei uns war es am 31.5.45. Also – nach dem Krieg. Dabei hatten wir noch meinen Geburtstag, Anfang des Monats mit einigen Freundinnen, so wie Hel-ma Kelting Hitzhusen, (sicher heute anwesend?)und Anneliese Runge (Schneede) Fuhlendorf, gefeiert, beide waren per Rad gekommen, obwohl der Engländer, unser Feind, gerade in Bad Bramstedt einmarschierte – (man. bedenke das heute mal! ) Der Sänger zur Laute Richard Germer aus Hamburg, auch er hatte Hunger, feierte mit, und es ging ganz lustig zu. Meinem Vater war es nicht recht, doch wir waren jung, und laufend kamen deutsche Soldaten vorbei. Aufbruchstimmung! Tage später begann man mit dem Abladen der Restbestände an Munition, und uns gegenüber und nebenan entstand ein großer Fahrzeugpark, vom LKW bis zum Panzer. Wir bekamen englische Einquartierung, und es ging jetzt immer lustig zu bei uns, da einer der Boy’s auf meinem Accordeon ganz toll spielte. Am 3o.5. belegten deutsche Soldaten den Heuboden bei Nachbar Martens, um die Munition, die Haufen für Haufen gesondert lag, zu entschärfen. –

Vater, Bruder und junger Mann waren in der Früh‘ mit Pferd und Wagen zum Torfstecken nach Hasenmoor, mit Schulz aus Hitzhusen, gefahren. Mutter, ein junges Mädchen und ich mußten Rüben hacken. Nach der Mittagspause mir waren ins Bett gegangen, gab’s einen Riesen Knall. Automatisch zog ich mir die Bettdecke über den Kopf, – dann war Ruhe. – Ich schaute hervor- – und gleich in den Himmel, denn die erste Druckwelle hatte unser Haus stark ramponiert. Die Engländer wollten nach uns sehen und brachten uns gleich in den Keller. Da sah es nach Blut aus. Es waren die ausgelaufenen Saftflaschen, wie sich später herausstellte. Durch das Kellerfenster sahen wir, daß das letzte Heu über dem Pferdestall brannte. Wir raus, und zusammen mit den Engländern versuchten wir zu löschen. Bis ein älterer Tommy kam und sagte :“Mamma – Leise – weg – gleich mehr“ Wir rannten um die Hausecke, (an unseren Bunker auf der anderen Straßenseite dachte keiner von uns ) und beratschlagten noch wohl, – da kam der zweite Knall, noch wuchtiger.

Ich bekam eine Wellblechtafel auf den Kopf, und auf diese Tafel prasselte, zu all dem Lärm der Geschosse, sämtliche Gewehre, die damals beim Tommy abgeliefert werden mußten, aus dem ganzen Kreis Segeberg, und bei uns auf dem neuen Kornboden lagerten, Ich versuchte mich nach einiger Zeit zu befreien, was mir aber trotz aller Anstrengung nicht gelang und schloß so, ohne Angst zu haben mit dem Leben ab. Noch mal an alles denken.

So nun ist’s aus – – – Als aber da unser großer, für zwei Jahre im Voraus geschlagener Buschhaufen anfing zu brennen, bekam ich’s doch mit der Angst. Es wurde bedenklich heiß, und am lebendigen Leib verschmoren? – Ne – nur das nicht! Wie ich mich zuletzt befreien konnte, weiß ich nicht und hab es nicht begriffen, auch heute noch nicht (Ein Stück fehlt mir.) Jedenfalls – an’s Licht gekommen, – die ganze Koppel ein Feuer und meine Mutter mittendrin. Haare und Strümpfe sengelten schon. Wohin nun ?? Zureden half, und wir liefen erst mal aus der Schußrichtung hin zu einer alten Hausecke(damals mal vom Großvater Mohr gebaut) im Wall und fanden dort erstmal Schutz. Heute liegt dort in etwa der große Findling vor der Schule. Dort bangten wir weitere vier Stunden um unser Leben, denn gegenüber in Sievers Scheue lagerte damals Pulver, und wenn das losgehen würde – – – nicht auszudenken. Plötzlich kam von irgendwoher unsere damalige treue Stütze Lene Kroll., die uns nach dem ersten Knall helfen wollte. Mit Kriegserfahrung und ohne Angst; aber ohne es zu merken, und nur über ihren schönen Kostümrock klagend, der kaputt war, darunter das zerfetzte Gesäß und an einer Hand baumelten drei Finger ohne Halt. Sie machte sich später, nach einer ganzen Weile auf den Weg nach Haus, und wurde dort erst viel später ärztlich versorgt durch unseren alten Hans Dr.(Mohr). Bei uns kam noch eine unserer Sauen grunzend und angesengt an und legte sich zu uns – Nach fünf Stunden wurden wir von Feuerwehrleuten (wer weiß noch davon?) entdeckt, und auf Umwegen ins Kurhaus gefahren.

Die Männer waren, nichts Gutes ahnend, aufgebrochen und fanden uns per Zufall im Kurhaus. Unterwegs hatten einige mich am Fenster des Autos erkannt. Und jetzt? – – wohin?- – Kein Zeug mehr am Leib‘- nur Fetzen. – Kein Bett – Keine Bleibe – – Keinen Topf und keine Tasse. Melken: mußten wir auch noch. Das Vieh war auf der Weide, und um 20 Uhr war Polizeistunde. Nur noch eine kaputte Heimat. Unterkunft fanden mir bei Familie Heinrich Schulz in Hitzhusen, bis wir später eine Baracke von Westerland Sylt bekamen. –

Alles aufzuzählen über gute Freunde in der Not usw würde zu weit gehen. Die Steine zum Wiederaufbau holten wir mit der ganzen Familie und Bekannten aus den Trümmern aus Hamburg. Alles wurde damals noch verwertet. Es gab doch nichts zu kaufen, und um Material auf dem „schwarzen Markt“ zu besorgen, dazu war mein Vater zu ehrlich. (Leider kann man heute nur sagen.)‘ So baute Opa Mohr seinen, unseren dritten Hof mit auf. Erzählen will ich nur noch, daß unser Keller noch nach 6 Wochen glühte.

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