Müller: Bad Bramstedt und seine Umgebung in früh- und vorgeschichtlicher Zeit

aus: Heimatkundliches Jahrbuch des Kreises Segeberg, 1959, S. 15 ff


Gerhard Müller, Bad Bramstedt:

Bad Bramstedt und seine Umgebung
in früh- und vorgeschichtlicher Zeit

Bad Bramstedt kann sich mit Recht die „Stadt an den Auen“ nennen, denn nicht weniger als fünf Auen nehmen durch ihre Gemarkung ihren Lauf. Sie alle gehören zu dem Urstromtal der Stör mit Bramau, die wiederum Zufluß des großen Urstromes Elbe sind. Diese Auen, die heute viele herrliche Landschaftsbilder bieten, haben auch einen wesentlichen Anteil an der Gestaltung der Landschaft.

Nachdem das Weichseleis seine äußerste Grenze mit dem Rand etwa von Kummerfeld über Negernbötel, Fahrenkrug, Mözen erreicht hatte, der Raum Bad Bramstedts also unmittelbar vor dem Eisrand lag, wuchsen mächtige Vorschüttsande vor dem Gletscher auf, die als „Sander“ bezeichnet werden. Ihre Aufschüttung erfolgte durch einzelne große Ströme, die in gewissen Abständen am Rande des Eises in großen Gletschertoren hervortraten. Beim Austritt aus dem Eise verloren diese Ströme schnell an Stromgeschwindigkeit und damit auch an Transportkraft, weil sie sich ungehindert verbreitern konnten. Auf den von ihnen aufgetürmten Schuffkegeln zerteilten sich die Ströme in zahllose Arme, die dauernd ihr Bett verlagerten. Auf den Sandern wurde das feinere sandige Material zu ausgedehnten Binnendünenfeldern zusammengeweht. Zu einem solchen gehört auch die Segeberger Heide, deren Rand unmittelbar an Bad Bramstedts Grenzen heranreicht. Die Landschaft der Sander muß naturgemäß allmählich in die Landschaft der Urstromtäler übergehen.

Diese Landschaft bot sich für eine Besiedlung bereits in früh- und vorgeschichtlicher Zeit geradezu an, denn die Vorzeitmenschen benötigten für ihren Wohnplatz trockenen Untergrund, sonnige, windgeschützte Plätze, Waldnähe und vor allem fließendes Wasser. Deshalb wurden bei der Wahl des Siedlungsplatzes besonders Flußschleifen, Buchten, Halbinseln und Inseln mit leichtem sandigen Boden bevorzugt.

Wenn man sich die in der Fundkarte (Abb. 1) eingezeichneten Fund und Siedlungsplätze im Gelände genauer ansieht, so wird man bei ihnen die vorstehend genannten Anforderungen an einen Siedlungsplatz erfüllt sehen, man kann sie sogar als ideal bezeichnen. Bisher konnten davon acht als fast sicher vorhanden gewesen angesprochen werden, während bei mehreren weiteren eine Vermutung begründet ist. Bei allen diesen Siedlungsplätzen ist zu berücksichtigen, daß sie durch verschiedene Zeiten hindurch bewohnt waren, so daß bei ihnen eine bestimmte Kulturperiode nicht sicher abgegrenzt werden kann. Sie sind entweder an einer Häufung von Flintabschlägen, an verbranntem Flint, durch Erdverfärbungen bzw. an einer Durchsetzung der Erde mit Holzkohleteilchen und durch freigelegte Herdstellen zu erkennen. Herdstellen sind bisher ausgegraben worden:

l. Im „Heckkamp“, Glückstädter Straße, etwa 8 bis 10 runde Kopfsteinsetzungen wie bei einer Pflasterung, wobei die Zwischenräume zwischen den großen Steinen mit kleinen Stücken ausgefüllt waren, etwa 2 Meter Durchmesser. Die Steine waren sämtlich stark geschwärzt, teilweise lagen mehrere Steine übereinander. Die Steinsetzungen waren bedeckt mit einer stark mit Holzkohle durchsetzten Schicht Erde, sowie mit Klumpen gebrannten Lehms. Auch einige Topfscherben lagen dazwischen. Die Herdstellen waren etwa 50 bis 60 cm unter der Erdoberfläche.
2. Unter dem Bürgersteig vor dem Neubau Unter der Lieth 56, die den vorher beschriebenen sehr ähnlich war, nur daß sie etwa 80 cm unter Bodenniveau lag. Es konnte infolge der unglücklichen Lage unter dem Bürgersteig leider nicht nach weiteren gesucht werden.
3. Auf der Koppel „Husdohl“, Bimöhler Straße.
4. Auf dem sandigen Geländestück hinter dem Ledigenheim an dem Ochsenweg.
5. Nach einer Meldung aus dem Jahre 1878 auf dem Grundstück des Kaufmanns Wulff, im Norden Bramstedts.
6. Auf dem „Reher“, Besitzer: Bauer Peters, Bimöhlen, 5 bis 6 Herd stellen, etwa 1,70 X 1,20 Meter.

Die Fundkarte umfaßt den Ausschnitt von Bimöhlen im Osten bis Hitzhusen im Westen und Fuhlendorf im Norden bis zur Schmalfeld-Lentföhrdener Grenze im Süden. Es ist also hauptsächlich das Gebiet der Oster- und Bramau . Die Fund- und Siedlungsplätze liegen fast sämtlich in dem breiten Tal der Auen, das im Norden von einem Höhenzug begrenzt wird, der in der Bad Bramstedter Gemarkung den Namen „Lieth“ trägt. Dieser ist außerhalb Bad Bramstedts fast durchgehend bewaldet, bietet also einen guten Schutz gegen die kalten Nordwinde. Seine höchsten Stellen sind die „Halloh-Berge“ mit 48,4 Metern, und der Aberg mit 38,3 Metern, während seine durchschnittliche Höhe etwa 30 Meter beträgt. Die Siedlungs- und Fundplätze liegen auf einer Höhe von durchschnittlich 5 bis 10 Metern, entweder dicht an den Auen oder auf der Grenzlinie zwischen Autal und Höhenzug.
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Die zeitlich am weitesten zurückreichenden Funde können aller Wahrschein-lichkeit nach in die Übergangszeit vom Spätpaläolithikum in das frühe Neolithikum, also in die ausgehende ältere Steinzeit, um 8 000 v.Chr. eingeordnet werden. Nach Ausweis der Pollenspektren ist es ein Übergangs-abschnitt zwischen einem erneuten kleineren Kältevorstoß und einer allmählich beginnenden Erwärmung. Dieser Kältevorstoß hatte eine Lichtung der Birken-Kiefernwälder zur Folge, es war demnach eine Birkenzeit. Bei diesen Funden spricht vieles dafür, daß sie der Lyngbystufe angehören. Diese ist nach einem dänischen Fundplatz an der Nordspitze Jütlands benannt worden. Diese Stufe war bisher sehr arm an Funden, was auf eine nur sehr dünne Besiedlung des Landes schließen läßt. An Flintformen weisen in diese Kulturstufe Lyngbyspitzen, primitive Kern- und Scheibenbeile, verschiedene Sticheltypen, Schaber, Messerchen und frühe Mikrolithen. Das wertvollste Fundstück vom Fundplatz 9 ist eine abgebrochene Stielspitze. (Abb. 2, 1. Stück links.) Sie hat einen verhältnismäßig langen Stiel, auf dem an der Ober- und Unterseite Schuppenretuschen angebracht sind. Die Spitze ist meist groß und plump und liegt auf der Mittelachse. Außerdem gehören hierzu die in Abb. 2, obere und untere Reihe, gezeigten schönen Stichel, und zwar je 8 Kanten und Mittelstichel. Bei den Sticheln handelt es sich um ein Arbeitsgerät aus Flintstein, das aus einer Klinge gefertigt wurde und eine kräftige Arbeitskante hat. Diese Arbeitskante ist das Wesentliche. Je nachdem, wo diese Kante liegt, unterscheidet man 2 Gruppen, die Kanten- und Mittelstichel. Bei den Kantensticheln ist durch Anbringen eines Stichelschlages an einer Kante die Arbeitskante erzeugt worden. Bei den abgebildeten Kantensticheln haben zwei hohle und der dritte eine schräge Endretusche. Die auf gleicher Abbildung gezeigten 3 weiteren Stichel sind Mittelstichel, bei denen die Arbeitskante auf der Mittelachse der Klinge liegt. Das gleichfalls auf diesem Bild abgebildete Federmesserchen ist ein Rückenmesserchen mit einer retuschierten Längskante (Abb. 2, rechtes Stück). Die weiter von diesem Fundplatz stammenden unzähligen Schaber, Klingen und Abschläge usw. werden bei der Beschreibung des Fundplatzes 9 angesprochen. Die Lyngbykulturengruppen in Nordeuropa, in denen gestielte Flintspitzen nicht als Einzelerscheinungen, sondern als Leittypen auftreten, scheinen nach Alfred Rust, dem bekannten Erforscher der Rentierjägerzeit in Schleswig -Holstein, an Menschengruppen gebunden gewesen sein, die als „absolute Renjäger“ bezeichnet werden können . Es ist die Zelt, in der das Rentier endgültig hier abwandert. Diese Menschen mußten erhebliche Wanderungen machen, um dem Rentier zu folgen. Sie werden demnach auch Winter- und Sommerlager gehabt haben.

Das Mesolithikum, die „Mittlere Steinzeit“, etwa 8000 bis 3000 v. Chr. Geb., ist durch mehrere Leittypen aus dieser Zeit für unseren Raum nachweisbar. Es ist die Zeit, in der es wieder wärmer wird und in der der Mensch seßhaft wird. Als Jäger, Fischer und Sammler siedelt er in einfachsten Wohnhütten an geschützten Buchten der Auen. Er lebt vorwiegend von der Jagd in den angrenzenden Auwäldern auf Hirsch, Reh und Wildschwein, vom Fischfang in den fischreichen Auen und vom Sammeln von Früchten. Aus dieser Zeit stammt das erste Beil, das Kernbeil, das verhältnismäßig noch klein ist, da die verwendete Geweihstiftung nur kleine Beile zuließ. Das in Abb. 3 wiedergegebene Kernbeil ist durch einfaches Behauen aus einer Feuersteinknolle angefertigt worden. Durch Abtrennen von Spänen hat man eine bessere Griffigkeit des Gerätes erzielt. Typisch für Kernbeile ist ein von oben geführter Schneidenschlag. Das gezeigte Stück ist 11 cm lang und 5 cm hoch.

Neben dieser Menschengruppe, deren Hauptgerät das Kernbeil war, lebte eine andere Bevölkerungsgruppe in dieser Zeit, die als Siedlungsplätze die offenen Binnenlandsdünen am Rande weiter Täler bevorzugte. Sie scheinen beweglicher gewesen zu sein als die Kernbeilleute. Als Hauptgeräte verwendeten diese kleine und kleinste zugearbeitete Flintstückchen, die so genannten Mikrolithen, die für sie als Leittypen gelten. Solche Mikrolithen sind im Bad Bramstedter Raum auf drei verschiedenen Fundplätzen gefunden worden. Es handelt sich dabei, wie aus Abb. 4, obere Reihe, ersichtlich, einmal um dreieckige Pfeilspitzen, die die frühe Form dieser Gerätegattung zeigen, wie sie für den Beginn des Mesolithikums bezeichnend sind. Die feinsten Retuschen sind von der Oberseite her angelegt worden. Eine jüngere Mikrolithenform ist von trapezförmiger Gestalt. Durch Verschmälerung einer Klingenseite ist ein Stielende herausgearbeitet worden. Die Pfeilspitze ist eine Querschneide. Nach dem ersten Fundort „Tardenois“ in Frankreich nennt man sie Gruppe von Tardenois. Wo Dünen vorkamen, pflegten diese Tardenoisien-Leute zu siedeln. Ihre Vorliebe für das Wasser läßt darauf schließen, daß sie vorwiegend Fischer und Jäger waren und daß sie unstet umherschweiften. Daß sie sich auch im Tal der Oster- und Bramau aufhielten, beweisen die auf Abb. 4, untere Reihe, gezeigten, hier gefundenen Querschneider. Die mit derartig kleinen Spitzen versehenen Pfeile mögen hauptsächlich zum Fang kleinerer Tiere , wie Vögel und Fische, gedient haben. Man hat aber auch eine querschneidige Pfeilspitze in der Wirbelsäule eines Mannes gefunden, der durch die von ihr hervorgerufenen Verwundung offensichtlich gestorben ist.

In die Ellerbeker Stufe, die in den Schluß der mittleren Steinzeit eingereiht wird, gehören allem Anschein nach die auf Abb. 4, mittlere Stücke, gezeigten zwei schönen Fundstücke, eine Spitze und eine Säge.

Besonders zahlreich sind die Funde in der Bad Bramstedter Gemarkung aus dem Neolithikum, der „Jüngeren Steinzeit“. (3 000 bis l 800 v. Chr. Geb.) Aus den Kernbeilleuten, den Jägern und Fischern, werden gegen Ende dieser Kulturperiode seßhafte Bauern. Sie haben den einfachen Holzpflug und kennen Weizen, Gerste und Hafer als wichtigste Getreidearten. Sie fertigen als Töpferware den Trichterbecher, den sie mit einer Tiefstichverzierung versehen. Für ihre Toten errichten sie Großsteingräber. Während bisher die Beile nur allseitig roh zugehauen waren, heben die jungsteinzeitlichen Beile einen kunstvollen Schliff, der nicht nur die Schneide, sondern die gesamte Oberfläche überzieht. Aus dem Kernbeil entwickelt sich zuerst das spitznackige Beil (Abb. 5). Auf Grund der Beilformen läßt sich das Neolithikum zeitlich untergliedern, denn den spitznackigen folgen die dünnackigen Beile (Abb. 6 und 7) und diesen am Ende dieser Periode die dicknackigen. Außer diesen Äxten aus Flintstein kommen auch Felsgesteinbeile und -äxte vor, die so genannten Amazonenäxte.

Diese letzteren wurden durchbohrt und ließen sich daher besser schäften. Außer den Beilen gab es noch eine Vielzahl von weiteren Flintgeräten, wie Schaber, von denen man je nach Form Rund-, Klingen-, Steil- ,Hohlbuchtschaber kennt, Messerklingen, Meißel, Dolche usw. Diese Flintgeräte sind auf den jungsteinzeitlichen Fundplätzen unserer Gemarkung häufiger gefunden worden (Abb. 8).
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Aber auch eine zweite Bevölkerungsgruppe, die neben den vorgenannten Großsteingrableuten gelebt hat, ist in unserem Raum nachweisbar. Sie scheinen gegen Ende des Neolithikums aus der südrussischen Steppe und den mittelrussischen Waldgebieten in unseren Norden vorgedrungen zu sein und nach und nach von dem schleswig-holsteinischen Mittelrücken Besitz ergriffen zu haben. Sie bestatteten ihre Toten in Einzelgräbern, waren vorwiegend Viehzüchter und betrieben den Ackerbau nur wenig. Sie lebten nomadenhaft und bevorzugten die leichten Böden der Binnendünenfelder. Als Töpferware hatten sie einen Topf, der mit Eindrücken einer Schnur verziert war und daher Schnurkeramik genannt wird. Der Grundtyp ihrer Flintwerkzeuge ist das dicknackige Beil, von dem nur die Schneide geschliffen, der hintere Teil grob gemuschelt ist. Die Flintät der Einzelgrableute unterscheidet sich von der der Großsteingrableute aber nicht nur in der Herstellungsart, sondern auch in der äußeren Form, wobei die Schneide unsymmetrisch ist und die eine Beilecke über die andere hinausragt (Abb. 9). Daneben haben sie noch Streitäxte, die der Knaufaxt ähnlich sind.

Außer diesen Einzelgrableuten sind später, etwa l 800 bis l 600 v. Chr. Geb., noch die so genannten Glockenbecherleute aus Westeuropa nach Nordeuropa eingedrungen. Ihre Ausläufer reichen bis nach Schleswig – Holstein hinein. Es war ein Händlervolk, das als Leittyp neben dem Glockenbecher noch die herzförmige Pfeilspitze hatte. Es kommen aber auch Becher vor, die ein Mittelding zwischen den Glockenbechern und den geschweiften Bechern der Einzelgräber sind. Von letzteren haben sie die Zierweise. Man hat sie Zonenbecher genannt. Ein solcher Zonenbecher ist gleichfalls hier im Bad Bramstedter Raum gefunden worden. (Abb. 10)
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Etwa um 1800 v. Chr. Geb. kommen in unserem Raum die ersten Metallgeräte und -waffen in Gebrauch. Zuerst verwandte man das Kupfer, das aber allein die Flintgeräte nicht hätte überwinden können. Erst als man es verstand, eine Legierung aus Kupfer und Zinn (9:1), die Bronze, herzustellen, konnten sich die Metallgeräte durchsetzen. Die ersten Gegenstände aus Bronze kamen auf dem Handelswege aus dem mitteldeutschen Raum. Die nordische Bronzezeit dauerte etwa l 000 Jahre. Auf Grund des Wandels in der Formgebung der Schwerter, Dolche, Rasiermesser, Gewandspangen usw. kann man sechs Perioden unterscheiden. Schon in der 2. Periode hatte man bei uns im Norden die Kunst der Herstellung der Bronzegeräte sowohl in künstlerischer, als auch in qualitativer Hinsicht so gut erlernt, daß sie sogar an erste Stelle einzureihen ist. Aus dieser Periode stammen in unserer Gemarkung gefundene Absatzbeile (Abb. 11) und Lanzenspitzen, von denen eine in einem Steinhaufen auf dem Schlüskamp gefunden wurde. Der Körperpflege dienten Rasiermesser und pinzettenartige Nippzangen. Beide Geräte wurden in einer Steinsetzung aus größeren Steinen, die keine Urne enthielt, im Garten des Gärtners Kohfahl am Lehmberg 1908 gefunden. Die Bronzepinzette war 6 cm lang und hatte sehr schöne Verzierungen an den Kanten. Weiterhin wurde auf dem Liethberg ein gewaltsam zerbrochenes Bronzeschwert in 5 Stücken gefunden. Die Klinge zeigte einen dachförmigen Mittelgrat und hatte eine stumpfe Schneide. Bei dem Neubau der Kreissparkasse fand man in etwa 2 Meter Tiefe in schwarzer Schlammerde neben vielen Tierknochen eine Spitze aus Bronze, die wie Gold glänzte. Sie war 13 cm lang, kegelförmig, hohl und aus einem platten Stück zusammengebogen. Wie die Masse der bronzezeitlichen Funde Gräbern oder Depots entstammt, so ist auch der größte Fund in unserer Umgebung der Depotfund von Lentföhrden. Offensichtlich handelt es sich um eine absichtliche Niederlegung, sei es ein Götteropfer, eine Jenseitsausstattung, ein Versteck oder ein Händlerlager. Er wurde beim Kiesgraben in ein Meter Tiefe ohne Topf und ohne äußeres Erkennungszeichen zusammenliegend gefunden. Er enthielt 10 schöne , gut erhaltene Armringe, 8 Spiral-Armringe, 10 zerbrochene Armringe, 2 Fingerringe, l Ohrring, 2 Pfriemen, Reste zerbrochener Fibeln, 5 kleine Schildbuckel, 1 schöne Lanzenspitze, 14 Zierknöpfe, 4 Knöpfe, 1 Dolch, 1 Bruchstück einer Sichel Und einen Stirnschmuck. Es kann leider nicht an dieser Stelle näher auf die einzelnen Stücke eingegangen werden. Der Fund, der wirklich einen Schatz darstellt, verdiente es, daß er einmal besonders behandelt würde.
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Der Tote wurde während der älteren Bronzezeit unter Mitgabe reicher Kleidung, Schmus, Waffen und Wegzehrung in einem Baumsarg unter einem Hügel von Heidesoden oder Sand bestattet. Diese Hügel liegen meist auf höheren Geländeteilen, auf Höhen oder Bergkuppen, oftmals in Gruppen zusammen. Sie sind durch Abtragung auf einen Bruchteil ihrer damaligen Zahl zusammengeschmolzen. Während des letzteren Abschnittes der älteren Bronzezeit ging man von der Körperbestattung zur Leichenverbrennung über. Die Leichenbrandreste wurden in Tongefäßen meistens in Steinkammern bestattet, die man in älteren Hügeln oder in neuerrichteten flacheren beisetzte. Die Beigaben wurden auf etwa zwei Gegenstände beschränkt. Der größte und höchste Hügel, der im Kaiser-Wilhelm-Wald lag, wurde bei dem Neubau des Kurhauses 1929/1930 abgetragen. In einer Steinkammer enthielt er eine Urne mit Leichenbrand und einem Bronzemesser. Nördlich von Lentföhrden gab es nach einer Meldung aus dem Jahre 1837. noch viele Grabhügel, von denen heute kaum noch einer erhalten ist. Aus ihnen barg man pfeil- und lanzenförmige. Werkzeuge. Auch südlich von Bad Bramstedt. hatte man ein schönes Grab zum Chausseebau abgetragen, in dem man ein Beil fand. Weiter waren am Weddelbrooker Damm 2 Grabhügel. Auch auf der Koppel von Bauer Böge, Schäferberg, westlich von der Chaussee vor der Akate gelegen, sind Spuren ehemaliger Grabhügel erkenntlich, an die sich Bauer Mohr sen. noch erinnern kann. Heute sind nur noch sehr wenige Grabhügel in unserem Raum erhalten, von denen die meisten angegraben sind. Eine Hügelgruppe von zwei . Gräbern ist in den Halloh-Bergen. Ein Grab befindet sich südlich der Straße nach Bimöhlen hinter dem Gehöft Karkendamm. Zwei Hügelgruppen mit je zwei Gräbern liegen nördlich des Roddenmoors. Einige Grabhügel müssen in den Dünenkuppen des ehemaligen Schulwaldes vorhanden sein, über deren Existenz Endgültiges aber erst nach Probegrabungen ausgesagt werden kann. Dasselbe gilt auch für einen Hügel im Park von Bissenmoor.

Aus der Bronzezeit stammen auch die in Abb. 12 gezeigten sehr sauber bearbeiteten Pfeilspitzen.

Die Menschen der Bronzezeit waren Bauern, für die erstmals die Bezeichnung Germanen angewendet werden kann. Sie trieben einen weitreichenden Handel, der sich auch über See bis Irland hin erstreckte. Ihre reich ausgestattete Kleidung ist aus zahlreichen Baumsarg- und Moorfunden bekannt.

Schon während der Hochblüte der jüngeren Bronzezeit kamen einzelne Eisenteile in den Handel und die Eisenzeit bahnte sich an, bis sie sich etwa ab 600 v. Chr. Geb. durchsetzte. Anfangs war Eisen kostbarer als Bronze wegen seiner Seltenheit. Daß sie sich in unserer Gegend sehr bald ausbreitet, mag daran gelegen haben , daß der neue Werkstoff aus dem Raseneisenerz gewonnen wird, der in den Auniederungen reichlich vorhanden ist und leichter zu beschaffen ist, als die seltene und kostbare Bronze. So ist es verständlich, daß gerade in unseren Auniederungen zahlreiche Fundstellen vor- und frühgeschichtlicher Eisenverhüttung vorhanden sind. Dieses deutet aber auch auf eine verhältnismäßig dichte Besiedlung in der vorchristlichen Eisenzeit hin. Es muß hier sogar eine kleine Eisenindustrie bestanden haben. Das Raseneisenerz bildet sich in feuchten, humusreichen Gegenden. Bei der Zersetzung organischer Teile enthält der Boden Kohlensäure. Diese löst im Wasser mit Humussäure Eisen aus dem Boden, das sich als Raseneisenstein setzt. Das Raseneisenerz wurde in „Renn-Öfen“ verhüttet. Über den genauen Vorgang dieser Verhüttungsweise hat Dr. Hans Hingst in dem Jahrbuch 1955 geschrieben. Einen guten Überblick über eine Rennofenanlage erbrachte eine von mir durchgeführte Grabung auf dem Grundstück Krumlinde, „Kapellenhof“, in der Bimöhler Straße. An dem ansteigenden Hang am Rande des Autals gelegen, erbrachte die Aufgrabung einer Hoffläche von 2,5 X 2,5 m in einer Tiefe von etwa 80 cm steilwandige Gruben, die am Grunde etwa 60 cm Durchmesser hatten. Die Wände waren mit einer Lehmschicht von etwa 2 cm Stärke ausgekleidet, die zu Ziegelbrocken gebrannt waren. Auch der Boden enthielt diese Lehmausfüllung. Während Ofen 1 nur bizarr geformte Schlackenstücke und viel Holzkohle enthielt, lag auf dem flachmuldigen Boden des 2. Ofens ein etwa 40 Pfund schwerer Schlackenklotz, Ofensau genannt, mit einem Durchmesser von etwa 40 cm. Eingeflossen in diesen waren Holzkohlestückchen. Dicht neben einem 3. Ofen war ein Herdpflaster aus kindskopfgroßen Steinen, auf dem abgebrochene kleinere Eisenstücke lagen. Auf diesem Nachbereitungsofen, denn um einen solchen handelte es sich, wurden die reineren Eisenstücke nochmals erhitzt und aus ihnen dann die noch enthaltenen Unreinheiten, wie Steine, Holzkohle usw. herausgeschmiedet. Auf der Herdfläche lagen gebrannte Lehmklumpen, Topfscherben und Glasfluß. Interessant war, daß die Fläche einst überdacht gewesen sein muß, da an der Erdverfärbung deutlich Pfostenlöcher zu erkennen waren. In früheren Jahren sind bereits 10 bis 15 weitere Öfen ausgegraben worden. Sicher liegen unter der noch nicht gegrabenen Hoffläche noch zahlreiche weitere Öfen. Auffallend ist die hier vorhandene starke humöse Erdschicht, die evtl. auf 3 Ursachen zurückgeführt werden kann. Entweder könnte es sich um eine Anschwemmung handeln, was aber nicht sein kann, obwohl hier die Grenze zwischen Niederung und Höhenhang ist, da sie zu schwach ansteigt, um diese Mächtigkeit zu erzielen. Weiterhin könnte sie aufgeschüttet worden sein. Aber auch das muß verneint werden, da dafür kein Grund vorhanden ist. Es bliebe nur die letzte Möglichkeit, nämlich. die der Aufwohnung. Diese These kommt sicherlich in Frage, da auch mehrere Siedlungshorizonte übereinander festgestellt werden können.

Sicher wird manches Waldstück der näheren Umgebung der Verhüttung zum Opfer gefallen sein, wenn man bedenkt, daß eine Unmenge Holzkohle dafür benötigt wurde. Das Verhältnis Erz zur Kohle ist etwa 1:7 bis 9. Um eine Eisenluppe von 25 Pfund zu gewinnen, brauchte man danach 225 Pfund Holzkohlen.

Zahlreich sind die Urnenbestattungen in dem Bad Bramstedter Raum aus der frühesten Eisenzeit, der so genannten Jastorfzeit, etwa um 500 v. Chr. Geb. Ein größerer Urnenfriedhof befand sich hinter der ehemaligen Lamaakschen Ziegelei, heute Düsternhoop. Nicht weniger als 30 Urnen sind von diesem Friedhof geborgen worden, wobei sicher viele beim Abräumen des Lehms für die Ziegelei zerbrochen wurden und nicht erfaßt sind. Die Urnen waren gefüllt mit Leichenbrand, ohne Beigaben, einige einzeln, andere in Steinkammern beigesetzt. Aber auch Aschen und Kohlenreste ohne Urne, innerhalb einer Steinsetzung, sind auf gefunden worden.

Ein zweiter Urnenfriedhof war auf dem Acker des Bäckermeisters Biel zwischen der Straße „Hinter den Höfen“, heute Rosenstraße und Unter der Lieth. Es sind nach den Meldungen hier Urnen „in Menge“ gefunden, wovon einige Beigaben aus Eisen enthielten.

1905 wurde eine planmäßige Ausgrabung eines weiteren Urnenfeldes durch Dr. Knorr vom Landesmuseum in Kiel, auf dem „Terrain des Gärtners Harbeck neben dem Bielschen Grundstück“ durchgeführt, auf dem früher schon viele Urnen zutage gekommen waren. Die Grabung erbrachte 16 Urnen, die meist recht tief, .bis 90 cm, und in „Steinen gepackt“ standen. Von besonderem Interesse war, daß sich unter den Urnen eine ziemlich gut erhaltene vom Todendorfer Typus, dünnwandig, glänzend schwarz, mit Hals befand. Merkwürdig war auch, daß in zwei Fällen der Leichenbrand auf einen flachen Stein geschüttet und mit einer übergestülpten Tonschale mit Henkel bedeckt war. Einige dieser Urnen enthielten eiserne Gürtelhaken und Nadeln als Beigaben. Auch dieser äußerst interessante Fund verdiente einmal eine genaue Beschreibung.

Westlich des vorstehend beschriebenen Ausgrabungsfundes vom Grundstück Harbeck wurden auf dem Grundstück des Gärtners Kofahl weitere 10 Urnen freigelegt, die gleichfalls teils in Steinkammern, teils aber freistanden. Zwischen 2 größeren Urnen stand ein kleines Töpfchen; ein so genanntes Tränenkrüglein. Aus dieser Bestattung stammen auch die vor her beschriebenen 2 Bronzebeigaben, 1 Rasiermesser und eine pinzettenartige Nippzange. Auch auf den Grundstücken von Fotograf Julius Struve, Witwe Will und Runge, die in westlicher Fortsetzung des vorher beschriebenen Gräberfeldes lagen, wurden weitere Urnen gefunden, in denen eiserne Nadeln und ein bronzener Ohrring waren.

1928 wurde bei den Ausschachtungsarbeiten des Neubaus der Gebrüder Schnoor in der Bimöhler Straße in ein Meter Tiefe eine weitere Urne gefunden, die in einer Steinsetzung stand. Aber auch in jüngster Zeit wurde bei den Arbeiten zum neuen Heldendenkmal des letzten Krieges im Herrenholz eine Urne der Jastorfzeit in einer Steinpackung freigelegt.

Wenn man alle Meldungen über Urnenfunde zusammenstellt, so kommt man auf eine Anzahl von weit über einhundert. Sicher werden auch in Zukunft noch hier und da einzelne davon zutage kommen und die große Zahl weiter erhöhen. Leider ist in diesem Bericht nicht der Raum vorhanden, die einzelnen Urnen näher zu beschreiben.

Zum Schluß sollen noch sehr schöne Einzelfunde vermerkt werden. Da von wären zu nennen zwei schön erhaltene Mahlsteine, von denen einer im Roddenmoor und der andere auf dem Jettkamp gefunden wurde. Um offensichtliche Opfergaben handelt es sich bei den Funden aus dem Moor „Im See“ hinter dem Kurhaus, und zwar um ein Tränenkrüglein, das sehr gut erhalten ist (Abb. 12) und um eine römische Goldmünze, die das Porträt Trajans, 98 – 117 n. Chr. geb. zeigt, und die ein Kurgast in der Moorbadewanne fand. Nicht unerwähnt darf die Sammlung Paustian, Kellinghusen, bleiben, deren Stücke meistens aus der hiesigen Gegend stammen. Diese Sammlung, die für 1500 Mark vom Landesmuseum angekauft wurde, enthielt: 10 gute Flintdolche, 10 durchlochte Hämmer, 7 Meißel, 80 Äxte, 2 Vorarbeiten, 5 Pfeilspitzen, 1 kleinen Bronzedolch, 1 Absatzät und 1 Tüllenbeil aus Bronze, außerdem Mahl- und Schleifsteine.

Um die Mengen von Flintstücken und -abschlägen nur eines Fundplatzes, Fundplatz 9, zu demonstrieren, sind die Abbildungen 13 bis 16 beigefügt. Abb. 13 zeigt nur Kernsteine, Abb. 14 alle Sorten von Schabern, Abb. 15 Klingenstücke, bei denen durch feinste Retuschen Spitzen herausgearbeitet wurden. Es könnte sich hierbei um Hohlbuchtschaber oder andere Schaber handeln, aber Endgültiges kann hierüber noch nicht gesagt werden. Es sind hiervon noch eine Anzahl weiterer Stücke gefunden worden. Das letzte Bild (16) zeigt eine Menge von etwa 1000 Klingen, Klingenstücke und Abschläge, die gleichfalls sämtlich von diesem Fundplatz stammen.

Nicht unerwähnt möchte ich bei diesem Bericht den verstorbenen Konrektor Kühl lassen, durch dessen Aufmerksamkeit die Urnenfriedhöfe erfaßt werden konnten. Weiter sei der im letzten Krieg vermisste Bauer Henry Göttsche aus Bimöhlen genannt, der eine kleine, aber schöne Sammlung von Flintgeräten aus Bimöhlen aufgebaut hatte.

Abschließend kann gesagt werden, daß durch die Funde eine durchgehende Besiedlung des Oster- und Bramautales von der. ausgehenden älteren Steinzeit, etwa von 8000 v. Chr. Geb. ab, nachgewiesen ist Wenn auch einige Kulturperioden erst durch einzelne Stücke von Leittypen belegt sind, so bin ich sicher, daß weitere Funde das aufgezeigte Bild mehr und mehr vertiefen werden.

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