Auch Bramstedter lagen in den Gräben in Nordfrankreich

Auch Bramstedter lagen in den Gräben in Nordfrankreich

Der erste Weltkrieg brachte fürchterliche Schlachten und Verluste. Gerade wird des 100. Jahrestages von Verdun gedacht.

Aus dem Jahre 1916 habe ich aus dem Nachlaß des Bad Bramstedter Lehrers  Otto Schnepel sen. folgenden Brief (leider konnte ich nicht alles entziffern, Sütterlinschrift und manchmal schwer zu lesen), der zeigt, wie mörderisch die Schlachten und wie fürchterlich die Erlebnisse waren. Durchschnittliche Lebensdauer eines neu an die Front gebrachten Rekruten: 14 Tage.

Otto Schnepel sen. (3. v. lks.) an einem Gefechtstand in Frankreich 1916

Otto Schnepel sen. (3. v. lks.) an einem Gefechtstand in Frankreich 1916

„Vendegies au Bois b/ Valenciennes
16. Aug. 1916

Liebe Tante Hedwig! Dein  Paket mit Quark, das Paket mit Tabak, Deinen Brief vom 5.8. und vom 13.8. habe ich erhalten, herzl(ichen) Dank. Diesen Brief will ich einem Kameraden, der morgen nach Deutschl(and) fährt mitgeben + kann darum  mal etwas genauer erzählen.
Im Rekrutendepot im Lazarett nö. von Douai war ich bis zum 27.7. dann kam ich zu einer neu gebildeten Ersatzabteliung für die Armeegruppe v. Böhn nach Iwuy nördl(ich) Cambrai. Dort war ich nur einen Tag, dann ging es am Sonntagmorgen zu Auto zu St. 86 nach Ligny-Tilloy südl(ich) Bapaume dort lag das Reg(imen)t in Ruhe, das 2. Bad(?) in Ligny Ter..tay kamen schwere Granten, 8-10 an der Zahl. Die 31er hatten dabei mehrere Tote. + Verwundete wir keinen Verlust. … 2. belgen sich Flieger gesehen L. mit Bomben.
Von dort ging es am 3. abends in eine Bereitschaftsstellung vor Pys. Die Stellung dort war vom Gegner noch gar nicht erkannt + wir lagen dort unbehelligt bis zum 4. abends. Dann ging es nach vorne. Bis Courcelles(?) kamen wir über freies Gelände gut durch das Artilleriefeuer hindurch.

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Die Farm von Mouquet oder was davon übrigblieb nach Dauerbeschuss

Dort begann ein Laufgraben, der Hohenzollergraben, der uns bis vor die Farm Mouquet zwischen Thiepval + Pozieres führte. Dort hörte er auf + wir mußten die völlig zerschossene Farm im Artilleriefeuer, das dort nachts, weil Hauptannäherungsweg, immer sehr lebhaft ist, ungedeckt durchlaufen, um in den für uns bestimmten 3. Graben zu gelangen. Dort die ganze Nacht u. den andern Tag heftiges Artilleriefeuer, sodaß der Hauptmann mit dem 2. + 3. Zug schon am Tage zurückgehen mußte. Unser 1. Zug war bis zum Abend auf 23 Mann zusammengeschrumpft + um 11°° mußte ich  über die Farm zum Hauptmann zurück, um zu fragen, was der Leutnant mit dem Rest anfangen sollte, da die Stellung für uns unhaltbar war, da wir eben ganz aufgerieben wurden. Ich wußte den Weg nicht + irrte eine Zeit im heftigen Granatfeuer von Granatloch zu Granatloch, von einem zerschossenen Haus zum andern. Eine ganz schwere Granate hörte ich rechtzeitig kommen. Sie schlug dicht bei mir ein, aber ich lag schon blitzschnell im nächsten Granatloch, Steine + Sand, die über mich fielen, verletzten mich nicht. Endlich fand ich den Graben und konnte meinen Auftrag ausführen. Bescheid: „Der Zug soll sich zu den beiden andern Zügen an den Ausgang des Hohenzollerngrabens zurückziehen.“
Doch nun erstmal Schluß, ich kann nichts mehr sehen, morgen mehr.

17.8.16. Ich kam gut zurück + wir machten uns zum Abrücken fertig. Da erhielt mein Unteroff(izier) einen Schuß in den Rücken + wir transportieren ihn unter gr. Schwierigkeiten durch das Feuer über die Farm zum Sanitäts-Unterstand. Die Nacht + der folgende Tag verliefen bei dem übligen Artilleriefeuer ziemlich ruhig. Gegen Abend mußten wir eine andere Stellung vor das Ferme, den Bayernriegel l…chen(?).
In der Nacht haben wir kräftig geschanzt + dabei trotz heftigen Schrappnelfeuers nur ein paar Verwundete gehabt. Am andern Mittag fielen unser Hauptmann, Leutnant + der noch einzige übrige Gefr.(?) + unsere Kameraden durch ein Volltreffer.
Unser schwierigstes Geschäft war die Herüberschaffung von Lebensmitteln, Waffen, Handgranaten usw. in die vorderen Stellungen, wo die 9. Res.-Jäger lagen, das mußte bei Tage über freies einsichtiges Gelände geschehen, da es nachts wegen des Art(illerie)feuers fast unmöglich war. Wir sind, obgleich jedes mal mit Schrappnells beschossen ohne Verluste zurückgekommen.
Bis zum 8. abends war der kleine Rest des Kony(?) dann noch im Graben, bis wir in der Nacht vom 8. zum 9. August durch das Sperrfeuer hindurch glücklich nach Warlencourt zu unserer Feldküche kamen + uns ordentlich stärkten. Von dort am 10. nach Gaylincourt(? Haplincourt), westl. Bapaume, am 11. nach Noyelle b/ Cambari + am 13. weiter nach hier, Vendegies bei Valenciennes. Hier ist unser Ruheort. An der Front sind mir vom 19. Res. Korps abgelöst worden + kommen, ich weiß noch nicht wohin, in eine ruhigere Stellung. So heiß wie hier an der Somme geht es wohl nirgends her. Kameraden von Verdun + Ypern bestätigen das.
Zigarren von Horst habe ich noch nicht erhalten. Daß ich in N. bei Beeken gewesen bin, ist möglich, ich weiß es nicht. Die Post aus Niendorf + Eidelstedt ist inzwischen vollzählig angekommen.
Mir geht es noch gut. Grüße bitte alle Bekannten, auch besonders Herrn Struve, hat er meine Karte erhalten, ich hatte sie noch an die Garnison..ng in N(eumünster).
Hoffentlich kannst Du alles lesen, es ging in gr. Eile.
Sei bestens gegrüßt von Deinem O. Schnepel

Unser komm. General v. Böhn führt eine Armeegruppe, die zur großen Armeegruppe von Gallinitz + zur 1. Armee v. Below gehört.
Entschuldige bitte die mangelhafte Schrift.
Deine kl. Karte konnte ich gut gebrauchen.“


 

Soweit Otto Schnepel und hier die heutigen Karten zu den Bewegeungen, die er schildert:

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