Schadendorf: 300 Jahre steinerner Roland in Bad Bramstedt

Artikel aus den „Bramstedter Nachrichten“ 1993

300 Jahre steinerner Roland in Bad Bramstedt

Bad Bramstedt. Die Stadt Bad Bramstedt kann in diesem Jahr auf ein historisch bedeutendes Ereignis zurückblicken: Im Jahr 1693 wurde der erste steinerne Roland errichtet, der noch heute auf dem Marktplatz steht. Fast scheint es, daß die Stadt selbst davon kaum Kenntnis nimmt, hat es doch bis jetzt keinen Ansatz zu einer Feierlichkeit aus diesem Anlaß gegeben. Ist dieser Ausdruck einer Nachlässigkeit oder großer Selbstverständlichkeit mit der man Rolandstadt ?

Das alte Bramstedter Stadtbuch – beginnend 1530 – und das Kirchenbuch wissen von jenem Ereignis zu berichten (zitiert nach Max Röstermundt, „Der Roland und seine Welt“, 1952):

Im Stadtbuch  steht geschrieben:

„Anno 1693 ist im Flecken Bramstedt das Rolandtsbild aufs Neuw Von Steinen, welche Bilder vor diesem nur aus Holtz gebauwen gewesen und also bald vergangen, wieder gesetzt. Der Platz worauf er steht auch mit einer Steinern Ringmauer dieses mahl umbgeben. Verbessert-kommt dem Flecken allein zu. Der Rolandt, steinern Bild, Rinckmauer und Wass sonst mehr dazu, hat in allem gekostet 456 M.
Welches Wir mit denen Nachkommen zur Nachricht hiermit eröffnet. Radtmänner sind gewesen zu der Zeit

Jürgen Fuhlendorf
Detlef Voss
Hans Verst
Hans Steckmest.“


Und die Kirchenchronik enthält folgende Nachricht:
„Anno 1654, den 7. April ist der Roland wieder aufgerichtet, so die Kaiserlichen Jungen ihn Anno 1628 abgebrannt. Dieser Roland ist Anno 1693, nachdem er ganz vermodert, umgeweht und ein steinerner den 22. Septbr. an dessen Statt aufgerichtet worden. Es steht darauf im Oktober, allein die Richtung, die sobald man hätte nicht vermutet, ist im September geschehen.“

Wir haben also sogar ein taggenaues Datum für die Errichtung des steinernen Rolandes: der 22. September 1693, vor nunmehr gut 300 Jahren. Gefertigt wurde er aus Oberkirchener Sandstein.

Äußerer Anlaß für die Erneuerung des Standbildes war der Verfall des hölzernen Vorgängers; warum dann aber ein steinerner Nachfolger ?
Die vorhergehenden Ereignisse in Bramstedt (der Freiheitskampf unter Jürgen Fuhlendorf) mögen einen Hinweis geben. Ist nicht der Roland ein Sinnbild für Freiheit, für die Selbständigkeit einer Stadt ? War es den Bramstedtern vielleicht ein besonderes Bedürfnis, in diesem Jahr dieses Sinnbild besonders hoch zu halten und es dem Widersacher im Gutshof genau vor die Nase zu setzen ? Uns bleiben nicht mehr als Vermutungen – ein Stück Wahrheit könnte aber dran sein.
Bezahlt haben die Bramstedter den Roland aber offensichtlich nicht. Nach Röstermundt ist ein entsprechender, zunächst vorgenommener Eintrag in der Jahresrechnung des Fleckens wieder gestrichen worden und fehlt auch in der Addition. War der Roland eine Spende des Landesherrn, vertreten durch das Amt Segeberg oder haben die Bürger selbst dafür gesammelt ? Letzteres scheint unwahrscheinlich, sonst dürfte wohl ein Vermerk im Stadtbuch zu finden sein oder in Jürgen Fuhlendorfs Aufzeichnungen über die damalige Zeit.
Die vorhandenen Nachrichten anläßlich der Errichtung des Steinstandbildes verweisen zugleich auf frühere Rolandstandbilder und so soll das Jubiläumsjahr ein Anlaß sein, einen kleinen Blick in die Geschichte zu werfen.
Ein Datum über die erste Errichtung eines Rolandes in Bramstedt ist urkundlich nicht nachweisbar, so daß man auf Vergleiche und Vermutungen angewiesen ist, um dem wahrscheinlichen Alter auf die Spur kommen will.
Für Hamburg ist das Vorhandensein eines Rolandes um 1340 belegt und für Wedel ist ein Roland schon 1450 erwähnt (lt. Röstermundt).
Für Bad Bramstedt fehlt so ein früher Nachweis. Der bisher älteste bekannte urkundliche Nachweis befindet sich in einer Urkunde aus dem Jahre 1569 in der  eine Gerichtsverhandlung (Ding) in Bramstedt aus ca. 1531/32 erwähnt wird, die „…. bey dem Roland …“ stattgefunden habe (S.-H. Landesarchiv, Abt. 15 Nr. 3103).

Diese Urkunde bestätigt die Vermutungen der Chronisten Harbeck und Röstermundt, daß das Bramstedter Stadtbuch, beginnend in 1530, keine Nachricht über einen Roland in dieser Zeit enthält, weil er schon vorher errichtet worden sei.
Führt man sich vor Augen, daß der Roland als Symbol städtischer Rechte und besonderer Freiheiten (z.B. Bürgerfreiheiten wie in Bremen, Marktgerechtigkeit wie in Wedel) diente, so wirft sein Vorhandensein in dieser Zeit ein Schlaglicht auf die Bedeutung Bramstedts jener Zeit und das Selbstverständnis seiner Bewohner.
Bramstedt, am Ochsenweg gelegen, war ein wichtiger Handels- und Umschlagplatz und seine Bürger scheinen davon gut gelebt zu haben.

Über das tatsächliche Alter des Rolands gibt es nur Vermutungen. Da die meisten Rolande im Hoch- und Spätmittelalter (also etwa ab dem 12. und 13. Jahrhundert) erwähnt werden und die Rolande einer Figur einer romanischen Heldensage (Roland, Feldherr Karls des Großen im Spanienfeldzug)  huldigten, spricht einiges dafür, daß der hiesige Roland zu Ehren eines lokalen Helden, nämlich Gerhard des III. (der Große) zu Rendsburg  errichtet wurde. Dieser war im Jahre 1317 bei der Schlacht auf dem Strietkamp siegreich geblieben.
Diese Vermutung äußert der Chronist Dankwerth in seiner Landesbeschreibung von 1652. Unterstellt man, daß Dankwerth seinerzeit vor Ort recherchiert hat, so scheint er auf keine Zeugen oder Nachrichten gestoßen zu sein, die eine Datierung der Errichtung zuließen. Es schien also seinerzeit in Bramstedt schon völlig in Vergessenheit geraten zu sein, wann der Roland errichtet worden war. Dieses Vergessen ist wohl nur dadurch zu erklären, daß selbst den Ältesten aus Überlieferung eine erstmalige Errichtung nicht mehr bekannt war und mithin sicherlich vor dem 16. Jahrhundert gelegen haben muß.
Doch damit seien die Vermutungen auch abgeschlossen und zurück zu belegbaren Daten:

1531/32 erster Nachweis des Vorhandenseins
1569  Urkunde über die erste Erwähnung
1590  Erwähnung durch H. Rantzau
1628  Roland verbrannt
1654  Errichtung eines neuen (hölzernen Rolandes)
1693  Zusammenbruch des hölzernen Rolandes und
Errichtung des steinernen Rolandes (22.     September fertig)
1748  Renovierung des Standbildes
1814  Zusammenbruch des Standbildes
1827  Wiederherstellung des Standbildes

danach haben mehrfach Umsetzungen, Erneuerung der Ummauerung  und Renovierungen des Standbildes stattgefunden, die in unserer Zeit vielfach von der Fleckensgilde initiert und finanziert wurden.
Sei noch erwähnt, daß der Roland 1878 in das Wappen und Siegel der Stadt Bad Bramstedt  nach einem Entwurf des Kielers Dr. Hans Weißenbach aufgenommen wurde: „Auf schleswig-holsteinischem Nesselblatt den Roland in Silber auf rotem Grunde“ (nach Röstermundt).

Bramstedt hat nach diesen Daten auch „rolandlose Zeiten“ gehabt, so von 1628 bis 1654 und von 1814 bis 1827, jeweils im Gefolge von Kriegen und in schweren Zeiten. Da gab es offenbar andere Sorgen als den Roland wieder zu errichten.

Wie sah der Roland alter Zeiten aus, mag man sich fragen ?
Verschiedene Autoren haben dazu geforscht. Um 1590 wird von der Ähnlichkeit mit dem Roland in Wedel berichtet (ob damit der 1585 errichtete, noch heute stehende, oder dessen Vorgänger gemeint ist, muß offen bleiben).
Der – man würde heute sagen Reiseschriftsteller – A. Trogilli Arnkiel, sah 1666 den 1654 errichteten Holzroland und weiß nach einem Besuch in 1696 zu berichten, daß der neue Roland „an Gestalt fast wie der vorige formieret“ sei.
Dieser Roland wurde im „Holsteinischen Touristen“ von 1837 mit einer Zeichnung abgebildet und ist uns daher noch heute vom Bild her erhalten geblieben.
Diesem Standbild widerfuhr jedoch ein herbes Schicksal als im Winter 1813/14 am Orte Truppen lagerten und ein in der Nähe des Roland errichtetes Strohlager zusammenbrach und das Standbild umstürzen und zerbrechen ließ. In mehrere Teile zerbrochen wurde er vom Kirchspielvogt fast dreizehn Jahre aufbewahrt. Erst Mittel und Initiativen des schleswig-holsteinischen patriotischen Gesellschaft führten zu einer Reparatur und erneuten Errichtung in 1827 unter dem Kirchspielvogt Cirsovius (ein Stein in der Umranden erinnert noch heute an dieses Ereignis).
Durchgeführt wurde die Erneuerung durch den Steinhauer Klimesch aus Altona, der einige Teile ersetzen mußte und so zu einigen äußerlichen Veränderungen kam (z.B. in der Schwerthaltung). Im Ergebnis war es jedoch der steinerne Roland von 1693 in der Uniform eines römischen Kriegers..
Diese Kleidung hat zu verschiedenen Deutungen geführt. Wahrscheinlich scheint jedoch, daß es eine künstlerische Darstellung des legendären Roland von Roncevalles und die Kleidung eine Darstellung der Kriegertracht des 8. Jahrhunderts sein soll- Gewißheit läßt sich darüber nicht erlangen.
Unser ehemaliger Organist und Komponist des Bramstedtliedes hat sich dazu ein Gedicht einfallen lassen (aus Max Röstermundt, a.a.O.):

   Roland und sein Doppelgänger

   In dunkler Geisterstunde,
Wenn alles schläft im Tal,
Gesellt sich zu Freund Roland
Sein Ahn von Ronceval.

   Er winkt ihm mit dem Schwerte,
Er grüßt ihn mit dem Blick,
Doch weder Gruß noch Antwort
Tönt von dem Bild zurück.

   Da steigt der fremde Recke
herab vom Postament:
„Es scheint, als wenn der Olle
Mich gar nicht wieder ´kennt.

   So halt Du weiter Wache
Im grünen Bramautal,
Ich leg mich wieder schlafen
Im fernen Ronceval.“

Ein wenig respektlos geht August Kühl mit unserem Roland um; wie es manche Gildebrüder am Dienstag nach Pfingsten zu weilen auch tun.
Doch zu seinem 300. Geburtstag sollten ihm die Bramstedter den nötigen Respekt zollen.

        Jan-Uwe Schadendorf

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